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Full text of "Germania; Vierteljahrsschrift für deutsche alterthumskunde .."

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GERMANIA. 


VIERTEUAHRSSOSRIFT 


tÖR 


DEUTSCHE  ALTEETHÜMSKUNDE. 

UllGÄÜNDiiT  VON  t^BANÄ  PFEIFFER. 
UNTER  MITHILFE  VoS  .tOSfitfi  STROBL 

VON 

KARL  BARTSCH, 


FÜNFZEHNTER  JAHRGANG. 
NEUE  REIHE  DRITTER  JAHRGANG. 


WIEN. 
VERLAG  VON  CARL  GEROLD'S  SOHN. 

1870. 


INHALT. 


Seit« 

'Über  das  Alter  einiger  isländischer  Rechtsbücher.  Von  Konrad  Maurer  ...   .       1 

Das  Hildebranclslied.  Von  Karl  Meyer 17 

Über  den  Staiid  berofsmllßiger  Sänger  im  nationalen  Epos  germanischer  Völker. 

Von  Arthur  Köhler s 27 

Zur  Laulr,  Wort-  und  Namenforschung.  Von  Albert  Hoefer. 

XVI.  Der  Rückumlaut 60 

XVIL  2u  JParticip  uud  Gerundium 53 

XVni.  Das  intensive  in 61 

XIX.  Verstärkung  durch  andere  Wörter,  insbesondere  durch  PraeposiÜonen  66 

XX.  Binnen  und  hüten  und  deren  Steigerungen •    .  67 

XXI.  Gotisch  skaudaraip,  Lederriemen 69 

XXn.  Das  Pronomen  diser ' 70 

XXra.  Brav.    .  \ 72 

XXIV.  Unsich  im  Niederdeutschen 73 

XXV.  Nd.  r€r6f,  r^röven 76 

XXVI.  S6  vt6  alsd  und  anderes  Niederdeutsche 76 

XXVn.  Zu  Germania  12,  826  und  13,  160 78 

XXVm.  Brot-  und  Semmelnamen 79 

XXIX.  Benennung  nach  der  Mutter 88 

XXX.  NamiBn  mit  Vomamenbuchstaben  zusammengesetzt? 88 

Nachtrag  zur  Parzivalsaga.  Von  Eugen  Kölbing 89 

Zu  Wolframs  Willehalm.  Von  Joseph  Strobl 94 

Der  KappenzipfeL  Von  Hermann  Kurz 96 

Gedicht  auf  Meister  Eckhart  Von  G.  Höfler 97 

Zu  den  Volksbüchern.  Schwäbische  Zeugnisse.  Von  Anton  Birlinger 99 

Sprichwörter  und  Sprüche.  Von  Demselben 102 

Zu  Gesta  Romanorum.  Von  H.  Oesterley 104 

Zum  Spruch  vom  Nagel  im  Hufeisen.  Von  Reinhold  Köhler •  106 

Der  umgelautete  Conjunctivus  Praeteriti  rückumlautender  Zeitwörter.    Von  Fedor 

Bech 129 

Der  Dichter  der  Urstende.  Von  Richard  Wülcker  und  Karl  Bart  ich    .    .   .    .  167 

Lappländische  Märchen.  Von  Felix  Liebrecht 161 

1.  Der  Fuchs  und  der  Bär 162 

2.  Hacci^-aedne 168 

8.  Das  Mädchen  aus  dem  Meere 170 

4.  Die  Hexe  und  JeS 173 

5.  Der  Riese,  dessen  Leben  in  einem  Hühnerei  verborgen  war 174 

6.  Der  Riese  und  der  kleine  Junge 176 

7.  Der  Riese  und  sein  Knecht 181 

8.  Aschenputtel,  Riese  und  Teufel 184 

9.  Das  Stallomädchen 189 

10.  Stallo  beim  Biberfang 192 

Zur  Litteratnrgeschichte  des  Wolfdietrich.  Von  Demselben — 

Zur  HroswithjSrage.  Von  Karl  Bartsch 194 

Die  erste  Ausgabe  der  Sprichwörtersammlung  des  Antonius  Tunnicius.  Von  Hoff- 
mann von  Fallersleben 196 

Zur  Geschichte  des  Meistergesanges.  Von  K.  Goedeke. 

L  Der  unerkannte  Ton 197 

H.  Schnach  RegOräu 201 

Reste  altdeutscher  Handschriften  zu  Darmstadt.  Von  M.Rieger 203 

Zum  Leben  Gottfrieds  von  Strasburg.  Von  Hermann  Kurz 207 

Zu  Germ.  IX,  46.  Von  R.  Hildebrand 236 


Seite 

Straßennamen  von  Gewerben.  11.  Von  E.  Förstemann 261 

Zur  Legende  von  Gregorius  auf  dem  Steine.  Von  R.  Köhler 4  284 

Über  Ari  Thorgilssohn  und  sein  Isländerbuch.  Von  K.  Maurer 4    .   291 

Zum  Leben  Gottfrieds  von  Straßbtirg  (Schluß).  Von  H.  Kurz  ....<....   d22 

Mittheilungen  aus  der  Mttndhener  k.  Bibliothek.  Von  F.  Keinz ,    ,   4  d45 

•Bruchstücke  einer  Handschrift  der  Erlösung.  Vom  Herausgeber.    .    .    i    .    .    .  857 
Bruchstück  aus  Älfrics  angelsächsischer  Grammatik.  Von  A.  Birlinger.    i    .    .    .  359 

Bruchstück  aus  dem  Boek  van  den  houte«  Von  Demselben ;    .    .    .   •  86>0 

Thomas  a  Kempis.  Von  Hoffmann  v.  Fallersleben ^    .    .   365 

Jesus  und  seine  junge  Braut.  Von  Demselben 4   .  366 

Marien  Himmelfahrt.  Von  Demselben i <    .  369 

Zu  Heinrich  von  Morungen.  Vom  Herausgeber i  375 

Der  urdeutsche  Sprachschatz.  II.  Von  E.  Förstemann        385 

Zur  Lautr,  Wort-  und  Namenforschung.  Von  Albert  Hcefer^ 

XXXI.  Herr  und  Frau  Hacke i ^    .    .  411 

XXXfI.  Fander.  Fanner .416 

XXXIli.  Altvüe  im  Sachsenspiegel 417 

NiederlÄnclische  Einwirkungen  auf  die  Forlneii  der  Ordinalia  am  Niederrhein  UtiA 

im  Elsass.   Von  Carl  Schröder 419 

Die  Lieder  Kaiser  Heinrichs  VI.   Von  Karl  Meyer 1.    .<..  424 

Zu  Neidhards  Liedern.  Von  Friedrich  Keinz  und  Franz  Wies  er 431 

Zu  Walthers  Vocalspiel.  Von  Reinhold  Sechst  ein    .    .    ,    .   *   i 434 

LiTTERATüß. 

Köpke,  Bttdolf,  Ottonische  Studien  zur  deutschen  Geschichte  des  zehnten  Jahr- 
hunderts. II.  Hrotsvit  von  Gandersheim.  Von  Karl  Bartsch 106 

Gradl,  Heinrich,  Lieder  und  Sprüche  der  beiden  meister  Spervogel.    Von  Joseph 

S  t  r  o  b  1 237 

Westphal,  B.,  Philosophisch-historische  Gramäiatik.  Von  AHcefer 245 

Zupitza,  Julius,  Verbesserungen  zu  den  Drachenkääipfen.  Von  K.  Bartsch.   •   .  249 

Storck,  F.  G.  P.,  Der  von  Sahsendorf.  Von  Demselben 251 

Piderit,  K.   W.,  Ein  Weihnachtsspiel.    Von  C.   Schröder 376 

Wüleker,  E.,  Beobachtungen  auf  dem  Gebiete  der  Vocalsehwächung  im  Mittelbinneh- 

deutschen.  Von  B.  Bechstein 380 

Catalogus  codicum  manu  scriptorum  bibliothecile  reg^e  Monäcensis.  Vom  Heraüs- 

geber 382 

Tabidae  codicum  manu  scriptorum  in  bibliotheca  pal.  Vindobonensi  asservatorum. 

Von  Demselben 382 

Lilienoron,  B.  v.,    Die  historisehen  Volkslieder  der  Deutschen.   Vierter  Band  und 

Nachtrag.  Von  Demselben      ^ ^.   .    .    .  384 

Konunga-Boken,  eller  Sagor  om  Tnglingame  och  Norges  konüiigar  intill  ar  1177. 
Af  Snorre  Sturleson.  öfversatt  och  förklarad  af  Hans  Olof  Hildebrand  Hilde- 
brand. Von  Konrad  Maurer 449 

BIBLIOGRAPHIE. 

Bibliographische  Übersicht  der  Erscheinungen  auf  dein  Gebiete  der  germanischen 

Philologie  im  Jahre  1869.  Von  Karl  Bartsch 463 

MISCELLEN. 

Lammert  Allard  te  Winkel.  Von  K.  Bartsch 107 

Franz  Both.   Von  Demselben 108 

Bericht  über   die  Sitzungen  der  germanistischen  Section  der  XXVH.  PhUologen- 
.    Versammlung  lu  Kiel  27.  bis  30.  September  1869.  Von  Albert  Freybe.   .    .   109 

Pfeifferfeier  in  BetÜacth  29.  Mai  1870.  Von  Johann  Schmidt 262 

Nachträgliche  Bemerkung  zu  S.  160.  Von  Joseph  Strobl 260 

Joseph  Diemer.  Von  Karl  Bartsch 460 


ÜBER  DAS  ALTER  EINIGER  ISLÄNDISCHER 

RECHTSBÜCHER. 

VOH 

KONRAD  MAURER. 


Die  Entstehungszeit  der  beiden  Haupthandschriften,  welche  die 
sogenannte  Grägds  enthalten,  der  Koniingsbök  also  oder  des  Codex 
regius,  und  der  Stadarhölsb6k  oder  des  Codex  Amamagnseanus ,  ist 
durch  die  competentesten  Autoritäten  der  neueren  Zeit  der  Mitte  oder 
der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  zugewiesen  worden.  Während 
die  Herausgeber  von  Norges  gamle  Love  (Bd.  I,  S.  120  und  437) 
sich  dieserhalb  auf  ein  paar  ganz  kurze  und  unmotivierte  Notizen  be- 
schränkten, hat  Jon  Sigurdsson  im  Diplomatarium  Islandicum  (Bd.  I, 
S.  74 — 75,  und  87)  diese  Zeitbestimmung  überdies  einlässlich  begrün- 
det, und  zumal  die  ältere,  von  Grimur  Thorkelin,  Finn  Magniisson, 
Rafh  und  Werlauff  verfochtene  Ansicht  ^),  daß  beide  Handschriften  erst 
um  ein  Beträchtliches  später  geschrieben  seien,  des  Näheren  widerlegt. 
In  einer  längeren  Abhandlung  über  die  sogenannten  Qr&g&Sy  welch^ 
die  Allgemeine  Encyklopädie  der  Wissenschaften  und  Künste  im 
77.  Bande  ihrer  Section  I  vor  einigen  Jahren  brachte,  habe  ich  mich 
seinen  AusftLhrungen  einfach  angeschlossen,  imd  auch  jetzt  noch  schei- 
nen sie  mir  in  allen  ihren  Theilen  vollkommen  begründet  zu  sein;  in- 
dessen meine  ich  nunmehr  auf  einem  bisher  noch  unbetretenen  Wege 
zu  einer  noch  etwas  engeren  Begrenzung  der  beiden  Handschriften 
zuzuweisenden  Entstehungszeit  gelangen  zu  können,  und  aus  diesem 
Grunde  erlaube  ich  mir  hier  auf  die  Frage  nochmals  zurückzukommen. 

Die  paläographische  Seite  der  Untersuchung  lasse  ich  vollkommen 
unberührt.  An  sich  wenig  geeignet,  ein  sicheres  Criterium  flir  eine  ganz 
genaue  Bestimmung  des  Alters  einer  Handschrift  zu  bilden,   ist  der 


*)  Vgl.  Schlegel   Commentatio  historica  et  critica  de  CodiciB  Grig^  origine, 
nomine,  fontibus,  indole  et  fatis,  S.  LXI,  Anm.  **). 

GERMANIA«  Nene  Reihe  III.  (XV.)  Jahrg.  *  1 


2  KONRAD  MAURER 

Charakter  der  Schriftzüge  dies  im  vorliegenden  Falle  um  so  weniger, 
je  entschiedener  die  vergleichsweise  geringe  Anzahl  sicher  datierbarer 
isländischer  Handschriften  aus  früherer  Zeit  die  Fällung  eines  bestimm- 
ten Urtheiles  in  dieser  Hinsicht  erschwert.  J6n  Sigurdsson,  der  er- 
fahrenste Kenner  isländischer  Handschriften,  erklärt,  daß  K  ihren 
äußeren  Merkmalen  nach  etwa  in  den  Jahren  1230—60,  doch  eher  in 
der  zweiten  als  in  der  ersten  Hälfte  dieser  Zeitfrist  geschrieben  zu  sein 
scheine,  während  er  keinen  Anstand  nimmt,  die  Entstehung  von  St  in 
die  Jahre  1271 — 80  zu  setzen;  nach  beiden  Seiten  hin  lasse  ich  es 
wie  billig  bei  seinem  Ausspruche  bewenden.  Gehe  ich  aber  auf  die 
inneren  Criterien  über,  so  lege  ich  selbstverständlich  mit  Jon  Sigurds- 
son  darauf  Gewicht,  daß  K  gleich  an  ihrem  Anfange  eine  Novelle  ent- 
hält, welche  erlassen  wurde  pd  er  Magnus  Grizura/rson  var  biskup  oräinn^ 
und  daß  diese  Novelle  auch  in  St  an  den  einschlägigen  Orten  sich 
durchgreifend  berücksichtigt  zeigt ') ;  da  Magnus  erst  im  Jahre  1215 
zum  Bischöfe  gewählt,  und  im  Jahre  1216  geweiht  wurde,  kann  hier- 
nach die  eine  wie  die  andere  Handschrift  jedesfalls  nicht  vor  diesem 
letzteren  Jahre  geschrieben  sein.  Wenn  J6n  Sigurdsson  femer  darauf 
aufmerksam  gemacht  hat,  daß  K  in  ihrem  Festkataloge  nur  der  por- 
Idksmessa  fyrir  jöly  welche  im  Jahre  1199  eingefiihrt  wurde  ^),  nicht 
aber  der  im  Jahre  1237  eingefiihrten  zweiten  porldksmessa  ^)  gedenke, 
während  St  beide  Feste  ganz  gleichmäßig  erwähne*),  so  halte  ich 
mit  ihm  dafür ,  daß  daraus  zwar  mit  voller  Sicherheit  auf  die  Ent- 
stehung von  St  nach  dem  Jahre  1237,  aber  ganz  und  gar  nicht  mit  der- 
selben Bestimmtheit  auf  die  Entstehung  von  K  vor  diesem  Zeitpunkte 
geschlossen  werden  darf.  Der  Festkatklog  des  älteren  Christenrechtes 
ist  ja  selbstverständlich  ganz  allmälig  durch  die  Einschiebung  der  nach 
und  nach  neu  eingeführten  Feste  erweitert  worden;  wie  leicht  konnte 
es  da  geschehen,  daß  ein  Compilator  oder  Abschreiber  in  die  ältere 
Vorlage,  deren  er  sich  bediente,  ein  einzelnes  neu  aufgekommenes 
Fest  einzustellen  vergaß?  Für  vollkommen  zutreffend  halte  ich  femer 
die  Bemerkung  J6n  Sigurdssons ,  daß  St  einerseits  nicht  vor  dem 
Jahre  1271  geschrieben  sein  könne,  weil  sie  neben  der  Grägäs  auch 
die  erst  in  diesem  Jahre  nach  Island  gebrachte  Jämsida  enthalte,  und 
andererseits  auch  nicht  nach  dem  Jahre  1280  geschrieben  sein  werde. 


*)  K.  §.  18,  S.  36—37.  «)  Ältere  })orläks  bps.  s.,  cap.  21,  S.  116,  und  jüngere 
Sage,  cap.  36,  S.  303;  Pdls  bps.  s.,  cap.  8,  8.  134;  Guamundar  bps.  s.,  cap.  30,  8.468,  und 
Sturliinga,  m,  cap.  36,  8.  188;  Annälar,  h.  a.  ')   Anndlar,  h.  a.  '•)  K.  §.  13, 

cap.  30.  31;  Kristinnr.  hinn  gamli,  cap.  22,  8.  106  und  110. 


ÜBER  DAS  ALTER  EINIGER  ISLÄNDISCHER  RECHTSBÜCHER.  3 

da  man  kaum  nach  der  Einführung  des  jüngeren  Christenrechtes  (1275) 
und  der  J6nsb6k  (1281)  noch  auf  das  Abschreiben  jener  älteren,  nicht 
mehr  geltenden  Rechtsquellen  so  große  Mühe  und  Sorgfalt  verwendet 
haben  würde,  ohne  ihnen  auch  nur  jene  neueren  beizufügen;  in  der 
That,  was  hätte  wohl  Jemanden  auf  Island  bestimmen  sollen,  die  Jdm- 
sida  überhaupt  noch  zu  copieren,  nachdem  sie  erst  durch  die  Jönsbök 
ersetzt  war,  da  sie  ihrem  Inhalte  nach  durchaus  unnational,  in  mise- 
rabelster Weise  bearbeitet,  und  nur  knapp  sieben  Jahre  lang  in  Gel- 
tung gewesen  war,  also  bei  der  allgeiüeinen  Abneigung,  auf  welche  sie 
schon  bei  ihrer  Einfährung  stieß ,  jedesfalls  im  Lande  keine  Wurzel 
geschlagen  üiid  keinerlei  bleibende  Wirkung  geäußert  hatte?  Endlich 
bin  ich  aber  auch  darin  mit  Jon  Sigurdsson  vollkommen  einverstanden, 
daß  auf  die  Erwähnung  der  Magnüsmessa  Eyjajarls  in  unseren  beiden 
Handschriften  bei  der  Bestimmung  ihres  Alters  keinerlei  Gewicht  ge- 
legt werden  darf.  Allerdings  wissen  wir  aus  den  isländischen  Annalen, 
daß  das  Fest  dieses  Heiligen  erst  im  Jahre  1326  auf  der  Insel  gesetz- 
lich eingefllhrt  wurde,  und  hierauf  scheinen  die  älteren  Angaben  gefaßt 
zu  haben,  welche  unsere  beiden  Handschriften  erst  im  14.  Jahrhunderte 
entstanden  sein  lassen ;  aber  wir  wissen  auch,  daß  auf  den  Orkneys 
selbst  das  Fest  des  Jarles  bereits  im  Jahre  1135  eingeführt  worden  war  ^), 
und  daß  bereits  im  Jahre  1298  Reliquien  dieses  Heiligen  nach  SkÄlholt 
gebracht  wurden  ^),  deren  Aufiiahme  in  die  Domkirche  denn  doch  eine 
gewisse  Publicität  und  Verbreitung  seiner  Verehrung  auf  der  Insel  vor- 
aussetzt ,  —  ja  wir  finden  dessen  Fest  sogar  in  fast  allen  unseren 
Handschriften  des  neueren  Christenrechtes  unter  den  gebotenen  Fest- 
tagen mit  aufgeführt^).  Wenn  hiernach  schon  28  Jahre  vor  1326  der 
Heilige  auf  Island  öflfentlich  verehrt  wurde,  und  weitere  23  Jahre  zu- 
vor allenfalls  sogar  schon  sein  Fest  unter  die  gebotenen  Tage  einge- 
reiht werden  konnte,  so  mochte  gewiß  das  Gleiche  auch  noch  um  ein 
paar  weitere  Decennien  vorher  ebensogut  geschehen  sein,  so  daß  aus 
diesem  Umstände  kein  Gegengrund  gegen  die  sonstigen,  auf  ein  höheres 
Alter  unserer  Handschriften  hinweisenden  Anzeigen  entnommen  worden 
darf.  Weiter  aber  als  bis  zu  diesem  von  J6n  Sigurdsson  bereits  er- 
reichten Puncto  scheint  die  Betrachtung  eines  ganz  isolierten  Stückes 
zu  fiihren ,  welches ,  um  mannfrehi  überschrieben ,  in  unseren  beiden 
Handschriften  sich  ganz  gleichmäßig,  nur  freilich  in  beiden  an  ganz 
verschiedenem  Orte    eingeschoben   findet,    sofeme  dasselbe  in  K  am 


')  Magnüss  s.  Eyjajarls,  cap.  29,  S.  612 ;  Jarteiknir  Magnus  jarls,  S,  626.     ^  Ann- 
Üar,  fa.  a.        ')  iuma  bps.  Eristinnr.,  cap.  26,  S.  160. 

1* 


4  KONRAD  MAUBEBj 

Schlüsse  des  Körperverletzungsrechtes,  m  St  dagegen  mitten  im  Ehe- 
rechte seine  Stelle  erhalten  hat^). 

Schlegel  hat  bereits  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  dieses  Stück 
vom  König  und  vom  Jarl  in  einer  Weise  spricht,  welche  flir  ein  islän- 
disches Bechtsbuch  aus  der  Zeit  des  Freistaates  nur  übel  passen  will  ^). 
Er  suchte  sich  durch  die  Annahme  zu  helfen,  daß  dasselbe  mit  jenen 
Privilegien  zusammengehangen  haben  möge/  welche  der  heilige  Olaf 
den  Isländern  ertheilt  haben  sollte;  aber  warum  ist  die  Bestimmung, 
wenn  sie  von  daher  stammen  soil,  nicht  in  jenem  Weisthume  mitent- 
halten, aus  welchem  allein  wir  den  Bestand  jener  Privilegien  überhaupt 
kennen^),  und  wie  sollte  man  überhaupt  je  dazu  gekommen  sein,  den 
jedesfalls  doch  nur  äußerst  vereinzelt  vorkommenden  Fall,  da  ein  islän- 
discher Freigelassener  in  Norwegen  vom  Könige  oder  von  einem  Jarle 
Land  erhielt,  in  jenen  Privilegien  speciell  hervorzuheben,  zumal  zu  des 
heiligen  Olafs  Zeit,  wo  außer  dem  ihm  feindlichen  Hause  der  Jarle 
von  Hladir  in  Norwegen  überhaupt  von  keinen  Jarlen  die  Bede  war? 
Dahlmann  wollte  an  neuere  Zusätze  denken,  welche  das  Bechtsbuch 
in  der  norwegischen  Zeit,  und  vielleicht  sogar  erst  nach  der  Einführung 
der  Jönsbök,  erlitten  hätte  ^);  aber  auch  hiergegen  lässt  sich  wieder 
einwenden,  daß  von  der  Jarlswürde  in  Norwegen  seit  der  Unterwerfung 
Islands  nur  noch  sehr  wenig  die  Bede  ist,  sofeme  Alfr  Erlingsson 
(1286—87)  und  Erzbischof  Jörundr  (1297—1309)  die  einzigen  Männer 
waren,  welche  dieselbe  seit  jenem  Zeitpunkte  überhaupt  noch  beklei- 
deten, und  lässt  sich  um  so  mehr  fragen,  wie  man  denn  darauf  ver- 
fallen sein  sollte,  für  isländische  Freigelassene  zu  sorgen,  die  zu  ihnen 
etwa  in  Beziehungen  treten  könnten,  als  bekanntlich  seit  der  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  auf  Island  sowohl  als  in  Norwegen  nur  selten  noch 
von  Unfreien  oder  Freigelassenen  gesprochen  wird.  Ich  selber  habe 
früher  wohl  die  Vermuthung  ausgesprochen  *) ,  daß  ein  isländischer 
Jurist  hier  norwegische  Materialien  verwerthet,  und  zwar  nicht  eben 
mit  großem  Geschicke  verwerthet  haben  möge;  indessen  lässt  sich  die 
Sache  vielleicht  doch  auch  noch  anders  und  in  zufriedenstellenderer 
Weise  erklären. 

Der  erste  Blick  auf  das  hier  in  Frage  stehende  Stück  zeigte  daß 
dasselbe  seinem  ganzen  Umfange  nach  mit  einziger  Ausnahme  jenes 
Satzes,  welcher  den  König  und  den  Jarl  nennt,  isländisches  und  nicht 


*)  K.  §.  112,  S.  191—192;  St  Festa  }>.,  cap.  43,  S.  357-368.  «)  Comment, 
S.  TiXTX.  *)  E.  §•  248,  S.  196—197.  *)  Geschichte  von  D&nnemark,  ü,  S.  183. 
•)  A.  a.  O.,  S.  67. 


OBEB  das  ALTEB  EINIGEB  ISLiNDISCHEB  BEGHTSBÜCHER.  5 

norwegisches  Recht  enthält.  Der  Gode^  nicht  der  König  oder  dessen 
Beamter^  erscheint  in  demselben  als  der  Inhaber  der  Staatsgewalt. 
Nur  des  freien  Mannes  Recht  wird  dem  des  Unfreien  entgegengesetzt ; 
dem  altisländischen  Rechte  vollkommen  entsprechend,  welches  innerhalb 
des  Freienstandes  von  keiner  weiteren  Abstufung  der  Bußsätze  wusste, 
aber  mit  dem  norwegischen  in  keiner  Weise  übereinstimmend,  welches 
solche  in  reichster  Mannigfaltigkeit  entwickelt  zeigte.  Die  detaillierte 
Fürsorge  fOr  den  Unterhalt  der  hilflosen  Leute,  welche  sich  in  dem 
Stücke  ausspricht^  ist  dem  altisländischen  Rechte  durchaus  eigenthüm- 
lieh,  wogegen  das  norwegische  der  Armenpflege  nur  sehr  geringe  Be- 
achtung schenkt  Die  Form  der  Freilassung,  wie  sie  hier  vorgeschrieben 
ist,  ist  eine  völlig  andere  als  diejenige,  welche  die  norwegischen  Pro- 
vinzialrechte  anordnen.  U.  dgl.  m.  Zugleich  zeigt  sich,  daß  das  Stück, 
wiederum  mit  jener  einzigen  Ausnahme,  sehr  alter  Entstehung  sein  muß. 
Es  deutet  hierauf  die  Härte  der  Behandlung,  welche  dem  Freigelas- 
senen in  Aussicht  gestellt  ist,  so  lange  er  noch  nicht  die  sämmtlichen 
Formen  der  Freilassung  erfüllt  hat.  Es  deutet  hierauf  femer,  daß  die 
Stelle  noch  ausdrücklich  das  Halten  von  unfreien  Kebsweibem  gestattet^ 
was  denn  doch  auf  eine  dem  Heidenthume  noch  ziemlich  nahe  liegende 
Zeit  hinweist,  und  in  dem  jüngeren  Rechtsbuche  auch  wirklich  ge- 
ändert ist  ^).  Es  deutet  endlich  ebendarauf  auch  der  neutrale  Gebrauch 
des  Wortes  goS  in  der  angeftlhrten  Eidesformel ,  welchen  das  jüngere 
Bechtsbuch  freilich  ebenfalls  wieder  beseitigt  hat  ^).  Dem  Heidenthume, 
welches  Götter  beiderlei  Geschlechts  kannte,  war  der  neutrale  Gebrauch 
des  Wortes  ganz  geläufig,  wo  es  galt,  beiderlei  Gottheiten  unter  ^iner 
Bezeichnung  zusammenzufassen;  dem  Christenthume  dagegen,  welches 
seinen  Gott  stets  männlich  aufgefasst  hat,  war  ein  solcher  Sprach- 
gebrauch jederzeit  ein  Gräuel,  wenn  er  über  das  Bereich  der  heidni- 
schen Götzen  hinausgreifen  wollte  ^).  Man  sieht,  das  ganze  Stück  muß 
in  eine  Zeit  hinaufreichen,  wo  das  Christenthum  noch  jung  war  im 
Lande,  wie  denn  zumal  die  auf  die  Kebsweiber  bezügliche  Bestimmung 
in  dieser  Richtung  gar  sehr  belehrend  ist;  im  Heidenthume  natürlich 
war  der  Gebrauch  von  solchen  schlechthin  erlaubt  gewesen,  nach  kirch- 


^)  E,  S.  192 :  fUt  er  at  madr  kaupi  tu  karnadar  shr  ambdt  12  aurum  fyrir  lof 
from\  St,  S.  358,  liest:  iXi  eiginkanu  ahr,  ^  K,  S.  192:   heim  ah  god  grämt  er  JM 

nitir\  St.  S.  357:  peim  er  gud  gramr,  ^)  So  sagt  z.  B.  K.  Olafr  Tryg^ason  in  höch- 
stem Zorne  zur  Sigrid  st6rräda:  hygg  at  pvi,  oh  gjör  pik  eigi  avo  djarfa  at  pü  gudlastir  optarr 
ndfu  drotUru  nafn  med  pinu  heidingligu  ordtaki  at  mer  dheyramda^  avo  cU  pü  kaUir  god 
hinn  hauta  himnakonüngf  er  ek  trüi  aiy  FMS.  11,  cap.  194,  S.  130,  und  ^bk.  I,  371 ;  sie 
hatte  von  pat  god,  er  phr  l(kar  gesprochen! 


g  KONRAD  MAUBER 

liehen  Begriffen  musste  derselbe  umgekehrt  geradezu  unerlaubt  heißen: 
unsere  Stelle  sucht  nun  einen  Mittelweg  zu  gehen,  indem  sie  das  Halten 
von  unfreien  Kebsweibem  ohne  Weiteres  gestattet,  in  anderen  Fällen 
dagegen,  wie  es  scheint  wenn  es  sich  um  freie  Weiber  handelte,  die 
Annahme  von  Kebsen  von  einer  vorgängigen  Erlaubniss  der  gesetz- 
gebenden Versammlung  abhängig  machte  *),  ein  Verfahren,  welches 
vollkommen  zu  einer  Zeit  passt,  welche  das  Christenthum  als  gesetz- 
liche Staatsreligion  annehmen,  aber  dabei  das  althergebrachte  Recht 
der  Eundesaussetzung  und  des  Pferdefleischessens,  ja  sogar  den  heim- 
lichen Opferdienst  sich  vorbehalten  zu  können  meinte.  Mag  sein ,  daß 
der  Rechtsvortrag  des  Gesetzsprechers  (die  lögsaga  oder  uppsaga)  ur- 
sprünglich einen  besonderen  Abschnitt  über  die  Unfreien  und  Frei- 
lassungen enthalten  hatte,  welcher  in  die  Haflidaskrä  (1117 — 18)  noch 
aufgenommen,  in  den  späteren  Bearbeitungen  des  einheimischen  Rechtes 
aber  weggelassen  wurde,  weil  bei  der  sich  mindernden  Zahl  der  Knechte 
ihr  Recht  an  Bedeutung  verlor;  die  verschiedene  Stellung,  welche  un- 
serem Stücke  in  den  uns  erhaltenen  Rechtsbüchem  eingeräumt  wurde, 
wäre  solchenfalls  daraus  zu  erklären,  daß  dasselbe  nur  ein  einzelnes 
Excerpt  aus  einem  größeren  Ganzen  war,  welches  jeder  der  beiden 
Compilatoren  an  derjenigen  Stelle  einreihte,  wo  ihm  der  Raum  und 
Zusammenhang  dies  eben  zu  gestatten  schien.  Möge  übrigens  diese 
letztere  Vermuthung  begründet  oder  unbegründet  sein,  soviel  darf  jedes- 
falls  als  feststehend  betrachtet  werden,  daß  der  den  Jarl  und  König 
nennende  Satz  in  unserem  Stücke  von  dessen  ganzem  übrigen  Inhalte 
sich  fremdartig  abhebt*).  Glaubt  man  die  Erwähnung  von  König  und 
Jarl  darauf  zurückfiLhren  zu  sollen,  daß  die  Verhältnisse  isländischer 
Freigelassener  im  Auslande  reguliert  werden  wollten,  so  fUllt  auf^  daß 
alle  anderen  Bestimmungen  sich  nur  auf  deren  Verhältnisse  im  Inlande 
beziehen,  welche  die  einheimische  Legislation  denn  auch  allein  zu  re- 
gulieren im  Stande  war ;  meint  man  dieselbe  aus  einer  Benützung  nor- 
wegischen Rechts  zur  Ergänzung  des  isländischen  ableiten  zu  dürfen, 


')  Schlegel,  Comment.,  S.  CXIV,  Anm.  4,  nnd  Baldvin  Einarsson,  in  der  Juri- 
disk  Tidsskrift,  Bd.  XXII,  S.  293,  haben  allerdings  die  Worte  fyrir  lof  fram  auf  ein 
Expropriationsrecht  beziehen  wollen,  welches  dem  Liebhaber  einer  fremden  Sklavin 
ihrem  Herrn  gegenüber  bezüglich  ihrer  zugestanden  hätte.  Aber  mit  vollem  Recht  hat 
ViUijÄlmur  Finsen  in  den  Annaler  for  nordisk  Oldkyndighed,  1849  8.  224,  darauf  auf- 
merksam gemacht,  daß  hf  die  technische  Bezeichnung  für  die  von  der  lögi'^tta  ge- 
währten Dispensationen  ist.  ^)  Er  lautet:  Halfan  rktt  akal  kann  tdka  er  kann 
kemr  d  jarU  jörd,  en  pd  allan  ok  fuHan,  er  kann  kemr  d  konünga  jord» 


ÜBER  DAS  ALTER  EINIGER  ISLÄNDISCHER  RECHTSBÜCHER.  7 

80  erscheint  sonderbar,  daß  diese  sich  gerade  auf  diesen  einzigen  Satz 
beschränkt  haben  sollte.  Im  einen  wie  im  andern  Falle  wird  man  sich 
zu  der  Vermuthung  gedrängt  sehen,  daß  der  betreflfende  Satz  ein  spä- 
teres Einschiebsel  sein  möge,  wie  solches  in  der  That  von  Dahlmann 
bereits  ausgesprochen  worden  ist,  und  diese  Vermuthung  wird  durch 
die  weitere  Wahrnehmung  sehr  entschieden  bestätigt,  daß  derselbe 
offenbar  durch  die  Schuld  eines  ungeschickten  Abschreibers  an  die 
unrechte  Stelle  zu  stehen  gekommen  ist.  Die  Grundanschauung,  von 
welcher  unser  Stück  ausgeht,  ist  die,  daß  der  Unfreie  durch  einen  einsei- 
tigen Act  seines  Herrn  zwar  von  dessen  Recht  loskommen  könne,  aber 
doch  nach  wie  vor  Sache  verbleibe,  wenn  auch  herrenlose  Sache,  bis 
ein  zweiter  Act,  bei  welchem  der  Gode  als  Inhaber  der  Regierungs- 
gewalt, und  wie  es  scheint  auch  die  Volksgemeinde  mitwirkt,  zu  jenem 
ersten  hinzukommt,  nämlich  eine  förmliche  Einführung  in  den  Rechts- 
verband ,  bei  welcher  der  Freigelassene  zu  beschwören  hat ,  daß  er 
fortan  mit  dem  übrigen  Volke  im  Rechtsverbande  stehen,  und  gegen 
Alle  den  Rechtsvorschriften  getreulich  nachkommen  wolle.  Nur  dem- 
jenigen, dem  bereits  als  Kind  die  Freiheit  geschenkt  wurde,  wie  dies 
zumal  bei  Kindern  vorkam,  die  ein  freier  Mann  mit  einer  Sklavin  er- 
zeugte, soll  dieser  Eid  und  vielleicht  die  ganze  Einftihrung  in  den 
Rechtsverband  nachgelassen  werden,  sonst  aber  Jeder  verpflichtet  sein, 
dem  Goden,  der  ihm  zu  dieser  verhilft,  eine  bestimmte  Gebühr  ftlr 
seine  Bemühung  zu  entrichten.  Nach  ein  paar  weiteren  Bemerkungen, 
die  uns  hier  nicht  weiter  berühren,  wird  dann  zum  Schlüsse  noch  be- 
merkt, daß  der  Unfreie,  welchem  sein  Herr  zwar  die  Freiheit  geschenkt, 
welcher  aber  die  Aufnahme  in  den  Rechtsverband  noch  nicht  erlangt 
habe,  weder  das  Recht  eines  Freien,  noch  das  Recht  eines  Unfreien 
nehmen  soll,  also  gar  kein  Recht  habe,  —  eine  sehr  harte,  aber  ganz 
folgerichtige  Consequenz  der  Thatsache,  daß  er  durch  die  ihm  geschenkte 
Freiheit  des  Schutzes  verlustig  gegangen  ist,  den  ihm  bisher  sein  Herr 
ertheilt  hatte,  während  er  doch  in  Fdge  der  noch  nicht  erlangten  Auf- 
nahme in  den  Rechtsverband  der  freien  Leute  des  eigenen  Rechts- 
schutzes (der  selbständigen  mannhelgi)  noch  entbehrte.  Der  Satz, 
daß  der  Freigelassene  halbes  Recht  nehmen  solle,  wenn  er  auf  Land 
des  Jarles,  und  volles  Recht,  wenn  er  auf  Land  des  Königs  komme, 
kann  nun  offenbar  nur  als  eine  Begünstigung  gemeint  sein,  welche  ihm 
zu  Ehren  des  Herrn  verwilligt  wird,  an  welchen  er  sich  anschließt, 
und  er  kann  sich  eben  darum  nur  auf  den  Freigelassenen  beziehen, 
der  noch  nicht  in  den  Rechtsverband  eingeführt  worden  war,  sofeme 
fiir  den  anderen,  welcher  die  Aufrahme  in  diesen  bereits  erlangt  hatte, 


8  KOISTBAD  KAUBEH 

der  Genuß  des  vollen  Freienrechtes  sich  bereits  unter  allen  Umständen 
von  selber  verstand.  Es  ist  demnach  klar^  daß  derselbe  hinter  den 
oben  erwähnten  Schlußsatz  unseres  Stückes  zu  stehen  kommen  musste^ 
und  daß;  wenn  unser  Text  ihn  statt  dessen  zwischen  die  Worte:  eigi 
parf  sd  maS/r  pann  eid  at  vinna^  er  honum  vor  ungum  freUi  geftty  und  die 
andern  Worte :  penbig  skal  kann  gefa  goSa  peim,  er  kann  leütir  %  log, 
einschiebt;  dies  nur  aus  der  Annahme  sich  erklären  lässt;  daß  das 
Einschiebsel  ursprünglich  in  einer  Handschrift  ^  die  nur  den  ursprüng- 
lichen Text  des  Stückes  enthalten  hatte ^  an  den  Band  bemerkt,  und 
dann  von  einem  Abschreiber,  vielleicht  auf  Qrund  eines  ungeschickt 
gesetzten  Verweisimgszeichens ,  an  der  unrichtigen  Stelle  eingeschaltet 
worden  sei,  wie  ja  dergleichen ^  zumal  in  K,  nachweisbar  an  gar 
manchen  Stellen  wirklich  vorgekommen  ist.  Man  wird  zwar  vielleicht 
gegen  diese  Schlußfolgerung  einwenden  wollen ,  daß  die  Bestimmung 
a  auch  in  St  an  ganz  gleichem  Orte  wie  in  K  sich  eingereiht  finde; 
indessen  lässt  sich  dieser  Umstand  doch  sehr  eiofach  aus  der  auch 
durch  andere  Vorkommnisse  erwiesenen  Thatsache  erklären ,  daß  bei 
der  Herstellung  dieser  späteren  Handschrift  der  Text,  sei  es  nun 
unserer  K  selbst  oder  doch  einer  ihr  bereits  sehr  ähnlich  gearteten 
Vorlage,  mit  benützt  wurde,  und  ftQlt  damit  jener  Einwand  selbstver- 
ständlich von  selbst  zu  Boden.  —  Fassen  wir  uns  nun  aber  unser  Ein* 
schiebsei  seinem  Inhalte  nach  noch  etwas  schärfer  ins  Auge,  so  zeigt 
sich  sofort,  daß  dasselbe  unmöglich  direct  aus  dem  norwegischen  Rechte 
entlehnt  sein  konnte,  wenn  auch  unverkennbar  das  norwegische  Becht 
auf  dessen  Gestaltung  nicht  ohne  Einfluß  geblieben  ist  In  Norwegen 
waren  die  Bußsätze  ftir  die  verschiedenen  Classen  der  freien  Leute 
allzu  verschiedene,  als  daß  mit  der  einfachen  Verweisung  auf  das  ganze 
oder  halbe  Becht  irgend  etwas  bestimmt  Verständliches  hätte  gesagt 
sein  können;  in  Norwegen  hatte  femer  sowohl  der  Freigelassene,  wel- 
cher bereits  sein  Freilassungsbier  gehalten  hatte,  als  auch  der  andere, 
welcher  diese  Form  noch  nicht  erfüllt  hatte,  ein  ftir  allemal  seinen  be- 
stimmt abgestuften  Bußsatz,  ohne  daß  hier  oder  dort  jemals  auf  den 
Stand  seines  Grundherrn  Gewicht  gelegt  worden  wäre:  nur  ftir  Island, 
wo  der  Freigelassene  vor  der  lögleiding  gar  kein  Becht,  nach  derselben 
aber  das  gleiche  Becht  mit  jedem  anderen  Freien  anzusprechen  hatte, 
passt  demnach  jene  einfache  Anweisung  auf  half  an  ritt  oder  aUan  ok 
fullan.  Ein  Eii]iuß  des  norwegischen  Bechtes  lässt  sich  freilich  inso- 
feme  etwa  verspüren,  als  nach  diesem  der  Satz  galt,  daß  der  vom 
Könige  Freigelassene   sofort   als  vollkommen   frei   zu  betrachten   sei, 


ÜBER  DAS  ALTES  EINIGER  ISLÄNDISCHER  RECHTSBÜCHER.  9 

ohne   daß    auf  die  Haltung   des  Freilassungsbieres    etwas   ankäme  ^), 
und  als  die  Übernahme  eines  Gutes  und  die  damit  verbundene  Be- 
grttndimg  eines  selbständigen  Haushaltes   in  Norwegen  als  der   Zeit- 
punkt gegolten  zu  haben  scheint  ^  in  welchem  das  Freilassungsbier  zu 
halten  und  damit  die  Freilassung   zu  ihrem  völligen  Abschlüsse   zu 
bringen  war  ^).  Aber  keinen  von  beiden  Sätzen  hat  unsere  Stelle  rein 
aufgenommen ;   vielmehr  hat  sie  beide  in  der  Art  combiniert^   daß  sie 
zunächst  an  die  Stelle  der  Freilassumg  durch  den  König  die  Verleihung 
von  Land  durch  denselben  schobt  und  an  diese  sofort  den  Erwerb  des 
vollen  BVeienrechts  knüpfte,   wie  es  sonst  nur  die  dem  norwegischen 
Freilassungsbiere  allenfalls   vergleichbare  EinfUhnmg   in  den  Rechts- 
verband gewährt  hatte ;   dann  aber,   ohne  dieserhalb  im  norwegischen 
Rechte  irgend  ein  Vorbild  zu  finden,  auch  der  Stellung  des  Jarles  noch 
insoweit  Rechnung  trug,  als  derselbe,  wie  er  in  den  norwegischen  Buß- 
sätzen halb  so  hoch  als  der  König  angesetzt  zu  werden  pflegt'),    auf 
den  von  ihm  mit  Land  ausgestatteten  Freigelassenen  halb  so  viel  Recht 
übertragen  sollte,  als  der  König  dem  seinigen  verlieh.  Von  selbst  drängt 
sich  auf  Qrund  derartiger  Beobachtangen  die  Vermuthung  auf,  daß  die 
Entstehung  des  betreffenden  Einschiebsels  einer  Zeit  angehören  müsse, 
in  welcher  der  König  sowohl  als  ein  Jarl  auf  Island  selbst  über  Güter 
zu  verfolgen  hatte;  dies  war  aber  nur  während  des  einzigen  Jahrzehntes 
der  Fall,  während  dessen  Gizurr  }>orvaldsson  den  Jarlsnamen  auf  der 
Insel  trug,    also   seit  dem  Sommer  1258,    in  welchem  ihm  dieser  in 
Bergen  von  K.  Hä.kon  gamU  beigelegt  wurde,  bis  zum  12.  Januar  1268, 
wo   er  starb  *).   Nur  innerhalb  dieser  Zeitfrist  kann  jener  Zusatz  ent- 
standen,   und  vor  dem  Herbste  1258  kann  somit  auch  tmsere  K  un- 
möglich geschrieben  sein. 

Vielleicht  lässt  sich  indessen  die  Frist,  welche  fiir  die  Entstehung 
imserer  K  verfftgbar  bleibt,  noch  etwas  enger  begrenzen.  An  zwei 
verschiedenen  Stellen  von  St  wird  erwähnt,  daß  „jetzt"  der  Anspruch 
eines  isländischen  Erben  auf  eine  in  Norwegen  angefallene  Erbschaft 
unverjährbar  sei®);  andererseits  aber  wissen  wir  nicht  nur  aus  der  K, 
daß  solche  Erbansprüche  nach  den  Privilegien  des  heiligen  Olafs  binnen 


*)  Gula})fng8l. ,  §.  61.  ')  Fro8taJ)fng8l, ,  IX,  §.    12.  »)  Gula))fng8l. ,  §.  91 

und  186.  Frostajjfngsl. ,  IV,  §.  63,  aber  abweichend  XIII  ,  §.  16.  *)  Vgl.  J6n  })or- 

kelsson,  -ffifisaga  Gizurar  })oryalds80iiar,  8.  112  und  123.  *)  Arfa]).,  cap.  13,  S.  208 

bis  209 :  Ätutrskaltaka  arf  vorralanda,  ncesta-brcedri  edr  ndnari  madr,  enda  er  n^t  heiniUng 
ül  fjärim  hvegi  lengi  sem  ßat  liggr;  cap.  17,  S.  221 :  Ef  v<yrr\  laruU  andaz  auatr,  pd  skal 
fhU  taka  fwssta-hroidri  edr  ndnari,  enn  ^hit  liggr  shr  n&  aldrigi. 


10  KONBAD  MAUBER 

einer  Frist  von  drei  Jahren  verjährten  *) ,  sondern  es  wird  auch  in 
dieser  Handschrift  diese  dreijährige  Verjährungsfrist  an  der  jenen  bei- 
den Stellen  der  St  entsprechenden  Stelle  festgehalten  ^).  Man  sieht, 
K  gibt  hier  das  ältere ,  St  aber  das  neuere  Recht ,  welches  die 
letztere  Handschrift  selbst  als  ein  erst  vor  Kurzem  eingeführtes  be- 
zeichnet ;  glücklicher  Weise  lässt  sich  aber  der  Zeitpunkt,  in  welchem 
die  Neuerung  durchgeftlhrt  wurde,  mit  voller  Sicherheit  bestimmen. 
J6n  Sigurdsson  hat  aus  vergleichsweise  jüngeren  Handschriften  den 
Text  des  Vertrages  ans  Licht  gezogen,  durch  welchen  sich  nach  der 
Hdkonar  saga  gamla  und  Sturliinga  im  Jahre  1262  der  größere  Theil 
des  Südlandes  sowohl  als  das  ganze  Nordland  der  Insel  dem  Könige 
Häkon  unterwarf;  dieser  Text  aber,  der  unzweifelhaft  auch  bei  der 
sofort  folgenden  Unterwerfung  des  Westlandes  und  bei  der  um  ein  Jahr 
späteren  Unterwerfung  der  Oddaverjar,  sowie  bei  der  um  zwei  Jahre 
späteren  Unterwerfung  des  Ostlandes  als  Muster  diente,  fahrt  ausdrück- 
lich unter  den  Vertragsbedingungen  auch  die  Unverjährbarkeit  der 
isländischen  Erben  in  Norwegen  anfallenden  Erbschaften  auf  ^).  Es  ist 
klar,  daß  diese  Vertragsbestinunimg  nur  unter  der  Voraussetzung  einen 
Sinn  hat,  daß  die  alte  Verjährbarkeit  der  Erbansprüche  bis  zum 
Jahre  1262  fortwährend  gegolten  hatte;  klar  also  auch,  daß  die  Com- 
pilation  des  Textes  unserer  St  nicht  vor  eben  diesem  Jahre,  also  nur 
wenig  früher  als  die  Handschrift  geschrieben  zu  sein  scheint,  abge- 
schlossen worden  sein  kann.  Anderentheils  aber  möchte  daraus, 
daß  K  jener  Neuerung  noch  nicht  gedenkt,  vielmehr  umgekehrt  die 
durch  sie  beseitigte  Verjährbarkeit  der  Erbrechte  noch  als  geltendes 
Recht  vorträgt,  doch  wohl  zu  schließen  sein,  daß  der  Text,  welcher 
dieser  Hs.  zu  Grunde  liegt,  bereits  vor  dem  Jahre  1262  abgeschlossen 
sein  müsse;  wenn  nämlich  zwar  leicht  begreiflich  ist,  daß  ein  Compi- 
lator  eine  ganz  vereinzelte  Notiz  von  vergleichsweise  geringer  Bedeu- 
tung, wie  etwa  die  Einführung  eines  neuen  Festtages,  in  den  von  ihm 
überkommenen  älteren  Text  einzustellen  vergessen  konnte,  so  ist  doch 
kaum  anzunehmen,  daß  ein  solcher,  der  unter  Gizurr  jarl  an  seiner 
Sammlung  arbeitete,  übersehen  haben  könnte,  einer  Bestimmung  zu 
gedenken,   die  gerade  damals  wichtig  genug  beftmden  wurde,   um  zu 


^)  E,  §.248,  S.196:  En  efeigi  er  Tihr  arftökumadr^  pä  akal  halda  hkrfhp<xt  ad  madr 
vetr  3''  er  kann  var  i  hüaum  med^  nema  fyrr  komi  ncesta  brcedri  eda  nänari  madr. 
^)  E,  §.  125)  S.  239 :  Efvdrr  landi  andaz  atistr,  pd  skal  fHt  taka  nceata  brcedri  eda  ndnarif 
enn  fhlt  ligyr  shr  jola  nott  ena  pridju.  ')  Diplom.  Islaud.,  I,  S.  620,  §.4:  Erfdir  shdu 
upp  gefaztfyrir  Ulen&kum  mönnum  i  Noregiy  hvörsu  Ungi  aem  pasr  hafa  atadity  pegar  rhUir 
koma  arfar  tily  eda  pelrra  löglegir  ttmhod^menn. 


ÜBER  DAS  ALTER  EINIGER  ISLÄNDISCHER  RECHTSBÜCHER.  H 

einer  der  Bedingungen  des  ünterwerfungsvertrages  gemacht  zu  werden,  — 
um  80  weniger  anzunehmen,  als  die  Erwähnung  des  durch  diesen  Ver- 
trag abgeschafiten  Bechtssatzes  ihn  ganz  unzweifelhaft  an  die  erst  neuer- 
lich eingetretene  Veränderung  hätte  erinnern  müssen.  In  die  Jahre 
1258 — 62  dürfte  hiemach  die  Entstehung  des  Textes  unserer  K,  in  die 
Jahre  1262 — 80  dagegen  die  Entstehung  des  Textes  unserer  St  mit 
ziemlicher  Sicherheit  zu  setzen  sein,  und  kann  natürlich  gegen  die  letz- 
tere Zeitbestimmung  in  keiner  Weise  eingewendet  werden,  daß  ja 
St  ganz  in  derselben  Weise  wie  K  an  der  weiter  oben  besproche- 
nen Stelle  neben  dem  Könige  auch  den  Jarl  nennt.  Wenn  nämlich 
zwar  mit  Bestimmtheit  behauptet  werden  darf,  daß  der  den  Jarl  nen- 
nende Zusatz  nur  während  desjenigen  Jahrzehntes  entstanden  sein  könne, 
während  dessen  es  wirklich  auf  der  Insel  einen  Jarl  gab ,  so  ist  doch 
damit  nur  die  Unmöglichkeit  der  firüheren,  nicht  aber  auch  der  späteren 
Entstehung  der  Compilation  bewiesen,  da  ja  jener  Zusatz,  wenn  einmal 
entstanden,  recht  wohl  auch  in  eine  Compilation  Aufnahme  geftmden 
haben  konnte,  zu  deren  Entstehungszeit  er  doch  selber  nicht  mehr  hätte 
entstehen  können.  Nur  das  Jahr  1262  setzt  ftir  den  Ursprung  der  im- 
serer  K,  nur  das  in  die  Jahre  1271 — 80  zu  setzende  Alter  der  Hand- 
schrift fiir  den  Ursprung  der  unserer  St  zu  Grunde  liegenden  Compi- 
lation eine  bestimmte  Endgrenze. 

Zweierlei  bleibt  freilich  auch  dann  noch  zweifelhaft,  wenn  man 
die  hiemit  gewonnene  Zeitbestimmung  als  begründet  annimmt.  Einmal 
nämlich  ist  durch  dieselbe  nur  das  Alter  der  Compilationen  bestimmt, 
welche  in  unseren  beiden  Handschriften  niedergelegt  sind,  nicht  aber 
das  Alter  dieser  Handschriften  selbst,  und  es  fehlt  nicht  an  Anhalts- 
puncten  fiir  die  Vermuthung,  daß  wir  bei  beiden  zwischen  dem  Com- 
pilator  des  Textes  und  dem  Schreiber  der  uns  erhaltenen  Handschrift 
zu  unterscheiden  haben  möchten.  Bezüglich  der  K  zunächst  kann  die 
Nothwendigkeit  einer  solchen  Unterscheidung  nicht  dem  geringsten 
Zweifel  unterliegen.  In  einer  Reihe  von  Fällen  lässt  sich  nämlich  die 
G-estalt,  welche  deren  Text  zeigt,  nur  unter  der  Voraussetzung  erklären, 
daß  ein  ungeschickter  Abschreiber  Zusätze  und  Randbemerkungen, 
welche,  seine  Vorlage  enthalten  hatte,  am  unrechten  Orte  und  zum 
Theile  in  sinnlosester  Weise  mit  abgeschrieben  habe.  So  wird  z.  B. 
in  K  §.  86,  S.  150  des  Näheren  bestimmt,  was  es  heiße,  wenn  in  der 
„uppsaga"  d.  h.  dem  Texte  der  Haflidaskrä,  vorgeschrieben  werde, 
die  Bekanntmachung  einer  erlittenen  Beschädigung  müsse  fyrir  hina 
pri^u  8Öl  erfolgen;  aber  erst  um  einige  Zeilen  später  folgt,  §.  87,  S.  150, 
die  Bestimmung  selbst  nach,    welche  durch  jene  Bemerkung  glossiert 


12  KONRAD  MAURER 

werden  wollte.  Offenbar  hatte  der  Abschreiber  das  an  den  Rand  ge- 
schriebene Glossem  irriger  Weise  an  einem  etwas  zu  frühen  Orte  ein- 
gerückt So  wird  femer  ein  andermal  eine  Bestimmung  über  den  Handel 
mit  fremden  Kaufleuten  mitten  in  die  Vorschriften  hineingeschoben, 
welche  die  Verpflichtung  der  Bauern  zur  Hilfeleistung  beim  Schiffs- 
zuge regeln;  gerade  an  dem  Punkte,  wo  §.  166,  S.  72  diesen  letzteren 
Gegenstand  fallen  lässt,  nimmt  ihn  §.  168,  S.  74  wieder  auf,  so  daß 
man  nur  den  jene  andere  Materie  behandelnden  §,  167  zu  streichen 
braucht,  um  den  natürlichen  Zusammenhang  der  Darstellung  wieder 
hergestellt  zu  sehen.  Augenscheinlich  hat  der  ungeschickte  Copist  jene, 
auch  durch  ihren  Inhalt  als  neues  Recht  sich  verrathende  Bestimmung 
am  Rande  seiner  Vorlage  vorgefunden,  und  dann,  vielleicht  durch  ein 
verkehrt  gesetztes  Verweisungszeichen  irregef&hrt ,  an  der  unrechten 
Stelle  eingeschaltet.  Hin  und  wieder  finden  sich  auch  in  der  Hand- 
schrift Verweisungen,  welche  sich  auf  Bestimmungen  beziehen,  die  an 
einer  späteren  Stelle  in  derselben  in  extenso  mitgetheilt  werden  *). 
Möglicherweise  war  die  Meinung  des  Compilators  dabei  die  gewesen, 
daß  gelegenthch  einer  späteren  Überarbeitung  seiner  Materialiensamm- 
lung die  betreffende  Bestimmung,  auf  die  er  erst  später  gestoßen  war, 
an  dem  durch  die  Referenz  bezeichneten  Orte  bereits  eingestellt,  oder 
doch  wenigstens  beiläufig  erwähnt  werden  sollte ;  möglicherweise  war 
es  ihm  auch  nur  um  eine  Marginalnotiz  als  Stütze  fär  sein  eigenes  Ge- 
dächtniss  zu  thun  gewesen:  unmöglich  aber  konnte  er  diese  so  abge- 
rissen wie  sie  dasteht  in  den  Text  seiner  Compilation  selbst  eingestellt 
haben,  —  unmöglich  konnte  er  femer  die  Referenz  fiiiher  in  diese  ein- 
getragen haben,  als  die  vollständige  Bestimmung  selbst,  auf  welche  sich 
dieselbe  bezieht,  ü.  dgl.  m.  In  der  That  zeigt  sich  sofort,  so  wie  man 
nur  erst  zwischen  dem  Schreiber  unserer  Handschrift  und  dem  Com- 
pilator  ihres  Textes  zu  scheiden  gelernt  hat,  daß  der  erstere  zwar  mit 
seiner  Vorlage  ohne  alles  Verständniss  umgegangen  ist,  daß  aber  der 
letztere  bei  deren  Herstellung  in  sehr  umsichtiger  Weise  verfuhr.  Ihm 
war  es  augenscheinlich  zimächst  nur  um  eine  möglichst  vollständige 
Sammlung  des  Materiales  als  solchen  zu  thun,  während  er  an  dessen 
Verarbeitung,  wenn  überhaupt^  so  doch  jedesfalls  erst  in  zweiter  Linie 


*)  Vgl.  z.  B.  §.  157,  S.  62 :  Ef  kana  er  olhU,  usque  hewiilisbüa  9.  konunnar,  dann 
§.  158,  S.  54:  Ef  kona  er  olhtt,  mit  §.  161,  S.  58  und  59,  wo  die  Bestimmung  vollständig 
zu  lesen  ist.  Femer  §.  71,  S.  121—122,  welche  Stelle  nicht  nur  später  in  §.  244,  S,  189, 
sondern  auch  schon  früher  in  §.  60,  S.  109  in  Bezug  genommen  wird,  sowie  §.  94,  S.  168, 
dann  169,  wo  eine  Stelle  in  Bezug  genommen  wird,  welche  doch  erst  auf  S.  170  nach* 
olgt,  u.  dgl.  m. 


ÜB£R  DAS  ALTER  EINIGER  ISLÄNDISCHER  RECHTSBÜCHER.         13 

dachte.  Er  sclirieb  demnach  zunächst  größere  Stücke  ab  wie  er  sie  fand^ 
ohne  sich  um  deren  Beihenfolge  irgend  zu  kümmern  ^  und  er  trug  so- 
dann theils  an  deren  Band,  theils  aber  auch  an  deren  Schluß^  wie  sich 
eben  dazu  Baum  finden  wollte^  Ergänzungen  theils  in  extenso^  theils 
aber  auch  nur  in  Form  von  Beferenzen  nach^  wenn  es  zu  vollständiger 
Mittheilung  an  Platz  oder  Zeit  fehlte;  zum  Theil  beruhen  dabei  diese 
Ergänzungen  auf  späteren  Novellen^  welche  die  Bestinmiungen  des  äl- 
teren Bechtes  in  irgend  welcher  Beziehung  erweiterten  oder  veränder- 
ten^ zuweilen  aber  auch  lediglich  auf  anderen  Becensionen  eines  zuvor 
schon  in  extenso  mitgetheilten  Textes^  oder  es  handelt  sich  wohl  auch 
um  einzelne  Glosseme,  oder  um  die  Benutzung  anderweitiger  juristischer 
Aufeeichnungen,  welche  der  Compilator  zur  Vervollständigung  der  von 
ihm  gebrauchten  Haupttexte  heranziehen  zu  sollen  glaubte.  Längere 
Zeit  scheint  dieser  an  seiner  Sammlimg  gearbeitet  zu  haben,  und  daraus 
sich  zu  erklären,  daß,  wie  oben  bemerkt,  nicht  selten  an  früheren  Stellen 
derselben  Beferenzen  vorkommen,  welche  auf  später  vollständig  mitge- 
theilte  Stellen  verweisen,  —  daß  femer  so  mancherlei  Wiederholungen 
einerseits  imd  Widersprüche  andererseits  in  den  verschiedenen  Theilen 
des  Textes  sich  ergeben,  —  daß  endlich,  zumal  am  Schlüsse  des  Ganzen, 
ein  buntes  Gemisch  von  Stücken  sich  vorfindet,  welche  ihrem  Inhalte 
nach  zu  den  verschiedensten  Theilen  des  Ganzen  gehören.  Die  Umsicht, 
mit  welcher  das  reiche  Material  zusammengetragen,  jede  irgend  erheb- 
liche Abweichung  unter  den  verschiedenen,  dem  Compilator  zugängli- 
chen Becensionen  verzeichnet^  endUch  jede  legislative  Neuerung  am 
gehörigen  Orte  verzeichnet  ist,  lässt  auf  einen  eben  so  kenntnissreichen 
als  sorgfältigen  und  fleißigen  Juristen  schließen;  mag  sein,  daß  die 
ganze  Compilation  ihm  nur  als  eine  Vorarbeit  fiir  eine  ins  Auge  ge- 
fasste  Bearbeitun£c  des  sesammten  Landrechtes  hatte  dienen  sollen,  — 
mag  sein,  daß^selbe  nur  zu  Zwecken  der  Praxis  von  ihm  angdegt 
war,  und  zu  einer  litterarischen  Verwerthung  von  Vornherein  in  g^ 
keiner  Beziehung  stand:  gewiß  ist  nur  soviel,  daß  die  Ungeschlacht- 
heit,  mit  welcher  der  Abschreiber  die  vollständigen  Collectaneen,  wie 
er  sie  vorfand,  copierte,  ohne  zwischen  Text,  Nachträgen,  MarginaUen 
irgendwie  zu  unterscheiden,  —  daß  diese  Ungeschlachtheit,  welche 
unserer  K  vielfach  ein  so  monströses  Aussehen  verleiht ,  eben  nur 
ihrem  Schreiber  und  in  keiner  Weise  dem  Compüator  ihres  Textes  zur 
Last  fällt.  —  Ob  bezüglich  unserer  St  in  gleicher  Weise  zwischen 
einem  Compilator  ihres  Textes  und  dem  Schreiber  der  Handschrift  zu 
unterscheiden  sei,  lässt  sich  wohl  kaum  mit  gleicher  Bestimmtheit  ent- 
scheiden ;  höchst  wahrscheinlich  möchte  ich  aber  auch  in  diesem  Falle 


14  KONRAD  MAÜEER 

die  Sache  finden,  und  zumal  folgendes  VorkommnisB  zu  Gunsten  dieser 
Annahme  geltend  machen.  In  der  K  sowohl  wie  in  der  St  ist  ganz 
gleichmäßig  ein  Abschnitt  zu  finden^  welcher  \vm  hrosareiMr  über- 
schrieben ist,  und  von  dem  widerrechtlichen  Gebrauche  fremder  Pferde 
handelt.  In  K  folgt  derselbe  unmittelbar  auf  das  Eherecht;  in  St. 
ist  er  dagegen,  seinem  Inhalte  weit  angemessener,  in  das  Vertrags- 
recht eingeschaltet.  Nun  zeigt  aber  das  Eherecht  von  St  an  seinem 
Ende  zwei  Capitel,  welche  unzweifelhaft  zu  dem  Abschnitte  vm  hrossr 
reiäir  gehören  ') ,  und  es  ist  somit  klar ,  daß  dieser  in  der  Vorlage 
von  St  ganz  dieselbe  Stelle'  eingenommen  hatte  wie  in  der  K;  die  der- 
zeitige Anordnung,  oder  vielmehr  Unordnung,  lässt  sich  dabei  kaum 
anders  erklären  als  durch  die  Annahme,  daß  der  Compilator  von  St 
den  ganzen  vom  Pferderecht  handelnden  Abschnitt  ausglich  seiner 
Vorlage  folgend  ebenfalls  am  Schlüsse  des  Ehereehtes  hatte  folgen  lassen, 
und  dann  hinterher  erst  an  einen  seinem  Inhalte  besser  entsprechenden 
Ort  zu  verweisen  beschloß,  —  daß  er  femer,  den  Umstand  benutzend, 
daß  derselbe  mit  einem  neuen  Bogen  begann,  einfach  diesen  Bogen 
aus  seiner  Handschrift  herausnahm  und  an  einem  späteren  Orte  in  die- 
selbe wieder  einlegte,  übersehend,  daß  die  beiden  letzten  Capitel  des 
Pferderechtes  noch  auf  den  nächstfolgenden  Bogen  hinüberliefen,  der 
doch  um  seines  übrigen  Inhaltes  willen  an  seiner  Stelle  verblieb,  — 
daß  endlich  der  spätere  Abschreiber,  dieses  Versehen  nicht  bemerkend, 
an  der  früheren  Stelle  einfach  fortschrieb,  als  ob  nichts  fehle  und  nichts 
zu  viel  sei,  und  dadurch  die  izwei  letzten  Capitel  des  Pferderechtes  in 
das  Eherecht  herein  zog,  während  er  den  ganzen  übrigen  Abschnitt 
erst  im  Vertragsrecht  brachte.  Es  scheint  mir  rein  undenkbar,  daß  der 
Compilator  selbst  einer  solchen  Gedankenlosigkeit  sich  hätte  schuldig 
machen  können,  zumal  da  derselbe  sonst  in  der  Verarbeitung  der  von 
ihm  überkommenen  Materialien  nichts  weniger  als  ungeschickt  sich  er- 
weist ;  bei  einem  bloßen  Abschreiber  dagegen ,  möglicherweise  einem 
Menschen  olme  alle  und  jede  juristische  Bildung,  wird  mir  der  gleiche 
Verstoß  ganz  wohl  begreiflich.  —  Glaubt  man  übrigens  auf  diese  An- 
haltspunkte hin  zMrischen  den  Compilatoren  unserer  Texte  und  den 
Schreibern  ihrer  Handschriften  unterscheiden  zu  dürfen,  so  ist  doch 
andererseits  klar,  daß  zwischen  der  Zeit,  in  welcher  diese  und  jene 
wirkten,  kein  großer  Abstand  angenommen  werden  kann.  Es  wurde 
oben  bemerkt,  daß  wir  und  warum  wir  allen  Grund  haben  anzunehmen, 
daß  unsere  St  in  den  Jahren  1271 — 80  geschrieben  worden  sei;  konnte 


*)  Fe8ta}>.,  cap.  67  und  68,  S.  382—383. 


ÜBEß  DAS  ALTER  EINIGER  ISLÄNDISCHER  RECHTSBÜCHER.  15 

deren  Text  nach  dem  oben  Angeführten  nicht  vor  dem  Jahre  1262  ab- 
geschlossen worden  sein^  so  bleibt  höchstens  ein  Abstand  von  9—18  Jah- 
ren zwischen  dem  Zeitpunkt  übrig,  in  welchem  der  Compilator  seine 
Thätigkeit  beendigte^  und  dem  anderen,  in  welchem  der  Schreiber  seine 
Copie  anfertigfie.  Wenn  femer  der  Text  der  K  nach  dem  Obigen  in 
den  Jahren  1258 — 62  abgeschlossen  wurde,  so  muß  auch  von  ihm  die 
uns  w>rliegende  Abschrift  nicht  viel  später  genommen  worden  sein, 
da  alle  Autoritäten  darin  übereinstimmen,  daß  die  Schriftzüge  dieser 
Handschrift  auf  eine  etwas  frühere  Entetehungszeit  derselben  vergUchen 
mit  St  schließen  lassen  ') ;  in  den  Jahren  1260—70  also  dürfte  diese 
Handschrift  etwa  geschrieben  sein.  Beide  Compilationen  sowohl  als 
deren  Handschriften  gehören  ganz  gleichmäßig  derjenigen  Zeit  an,  in 
welche  wir  die  Vorarbeiten  zu  den  späteren  norwegisch -isländischen 
Gesetzbüchern  zu  verlegen  haben,  und  derselben  Zeit,  in  welcher  auch 
die  Sagenschreibimg  eine  ganz  eigenthümlich  juristische  Richtung  ein- 
zuschlagen begann');  hiezu  stimmt  aber  auch  vollkommen  die  Art,  in 
welcher  sie  sich  dem  überlieferten  Bechtsstoffe  gegenüber  verhalten, 
und  selbst  die  geringe  Zeitfrist,  welche  zwischen  der  Entstehung  des 
einen  und  des  anderen  Rechtsbuches  in  Mitte  lag,  scheint  auf  deren 
Verhalten  in  dieser  Beziehung  nicht  ohne  Einfluß  geblieben  zu  sein. 
In  K  wird  noch  auf  staatsrechtlichem  Gebiete  eben  so  gut  wie  auf 
privatrechtlichem  frischweg  das  alte  Recht  des  Freistaates  als  das  gel- 
tende Recht  vorgetragen.  Von  den  Goden  nicht  nur,  sondern  auch  vom 
Gesetzsprecher  und  von  der  nach  althergebrachter  Weise  zusammen- 
gesetzten lögritta  wird  ausftlhrlich  gehandelt;  die  Beziehungen  zu  Nor- 
wegen aber  und  zu  dem  dortigen  Könige  sind  noch  lediglich  auf  Grund 
der  vom  heiligen  Olaf  ertheilten  Privilegien  geordnet,  und  nur  an  ganz 
vereinzelten  Stellen,  wie  etwa  in  einigen  der  mitgetheilten  Vergleichs- 
und Friedensformularien ,  macht  sich  die  Thatsache  bemerklich,  daß, 
wenn  auch  noch  nicht  im  ganzen  Lande,  so  doch  in  einem  großen  Theile 
desselben,  der  norwegische  König  bereits  als  Oberherr  betrachtet  wurde. 
Es  entspricht  dieses  Verhalten  vollkommen  den  Zuständen  der  Insel 
unmittelbar  vor  ihrer  rechtsförmlichen  Unterwerfung,  sofeme  man  da- 
mals auf  Island  in  (Jer  That  noch  an  das  Fortbestehen  der  alten  Ver- 
fassung, vorbehaltlich  nur  etwa  einer  dem  Könige  imd  dem  Jarle  als 
seinem  Vertreter  zuzugestehenden  Oberhoheit  glauben,  und  mit  einer 
bloßen  Mediatisierung  durchzukommen  hoffen  konnte.    In  St  dagegen 


')  Jon  Sigurdsson  meint,  a.  a.  0.,  S.  75,  der  Unterschied  möge  höchstens  20  Jahre 
betragen.     *)  Vgl.  hierüber  meine  Bemerkungen  in  Bd.  12,  S.  481  -  482  dieser  Zeitschrift. 


16  KÖNEAD  MAÜBER,  ÜKBB  DAS  ALTER  etc. 

erscheinen  zwar  auch  noch  die  Goden  als  die  Inhalier  der  Staats- 
gewalt; aber  die  von  der  gesetzgebenden  Versammlung,  vom  öesetz- 
sprecher,  von  der  Dingordnung  handelnden  Abschnitte  sind  aus  dieser 
Compilation  verschwunden,  was  doch  wohl  nur  auf  den  Umstand  zurück- 
geführt werden  darf,  daß  zu  der  Zeit,  da  dieser  Text  compiliert  wurde, 
das  Staatsrecht  der  Insel  bereits  vöUig  in  der  Schwebe  war,  so  daß 
man  einerseits  die  altüberlieferten  verfassungsrechtlichen  Bestimmungen 
nicht  mehr  als  geltendes  Recht  zu  behandeln  vermochte,  imd  anderer- 
seits doch  auch  noch  keine  bestimmt  ausgeprägte  neue  Normen  besiUJ, 
welche  jene  älteren  hätten  ersetzen  können ').  In  der  That  ließ  sich  in 
dem  Jahrzehnte,  welches  der  Unterwerfung  Islands  unter  den  König 
von  Norwegen  zunächst  folgte,  kaum  ein  anderer  Standpunkt  einneh- 
men. Auch  jetzt  noch  mochte  man  freilich  darüber  im  Unklaren  sein, 
wie  weit  die  im  Flusse  befindliche  Neuerung  greifen,  bis  zu  welchem 
Grade  zumal  die  Schmälerung  der  den  alten  Godengeschlechtem  zu- 
stehenden Befagnisse  reichen  werde,  bezüglich  deren  man  ja  bei  der 
Unterwerfang  nur  an  eine  Mediatisierung,  nicht  an  eine  völlige  Unter- 
drückung gedacht  hatte  *) ;  aber  den  Glauben  wenigstens  musste  man 
von  jetzt  ab  völlig  fahren  lassen,  daß  auch  in  anderen  Beziehungen 
die  alten  republicanischen  Verfassungsformen  sich  forterhalten  würden. 
Auch  von  dieser  Seite  her  wird  demnach  das  Ergebniss  bestätigt,  wel- 
ches die  obige  Auseinandersetzung  in  Bezug  auf  die  Entstehungszeit 
imserer  beiden  Texte  geliefert  hat,  während  sich  zugleich  erklärt,  warum 
man  gerade  in  den  Jahren  1258 — 71  oder  allenfalls  auch  noch  1271 — 80* 
am  Abschi*eiben  der  neu  entstandenen  Compilationen  ein  sehr  hohes 
Interesse  nahm,  wogegen  von  der  Einfilhrung  der  Jämsida,  in  höherem 
Maße  noch  der  Jönsbök  an,  mit  welcher  die  Umgestaltung  der  isländischen 
Verfassung  im  monarchischen  Sinn  als  im  Wesentlichen  entschieden 
gelten  konnte,  das  Zurückgreifen  auf  das  Recht  des  Freistaates  alle 
practische  Bedeutung  einbüßte  und  somit  auch,  mit  einziger  Ausnahme 
des  Christenrechtes,  alle  Veranlassung  wegfiel,  welche  zu  fernerem  Ab- 
schreiben der  älteren  Rechtsbücher  führen  konnte. 

Ein  zweiter  und  ungleich  wichtigerer  Pimkt  aber,  welchen  die  obige 
Erörterung  noch  unaufgeklärt  lässt,   betrifit  sodann  die  einzelnen  von 


^)  Ich  modificiere  damit  einigermaßen  die  in  meinem  An^wtze  über  die  Grägis 
S.  31  ausgesprochenen  Ansichten.  ^  In  späteren  Emenerongen  des  Unterwerfongs- 
Vertrages  tritt  bekanntlich  die  Forderung  ganz  bestimmt  formuliert  auf  at  ialenzkir  th 
lögmenn  ok  syalumenn  d  landi  vorOy  a/p^rra  cettum,  aem  atfdmu  hafa  godordin  uppge/U; 
vgl.  Diplom.  Island.,  I,  S.  636,  §.  3;  Lagasafn,  I,  8.  24  und  S.  32;  Safhtil  sOgu  fslands, 
n,  S.  168. 


K.  MEYER,  DAS  HILDEBRANDSLIED.  17 

!         den  Compilatoren  der  K  und  der  St  benutzten  älteren  Stücke ,    deren 
I  Beschaffenheit  und  Entstehungszeit  natürlich  durchaus   unabhängig  ist 

I  von  der  Beschaffenheit  und  Entstehungszeit  der  Compilationen,  als  deren 
Bestandtheile  sie  uns  erhalten  sind.  Dieser  Punct,  dessen  Aufklärung 
allerdings  in  juristischer  nicht  nur,  sondern  auch  philologischer  Hinsicht 
von  ganz  besonderem  Werthe  sein  müsste,  ist  indessen  ganz  unendlich 
schwer  zu  erledigen,  da  die  in  unsere  Compilationen  aufgenommenen 
Stücke  zumeist  in  sprachlicher  wie  in  sachlicher  Beziehung  gar  viel- 
fach verändert,  und  gutentheils  auch  wohl  schon  von  Anfang  an  nur 
aus  abgeleiteten  Quellen  entlehnt  worden  sind,  und  jedesfalls  setzt  seine 
befriedigende  Erörterung  das  detaillierteste  Eingehen  in  alle  Einzeln- 
heiten eines  jeden  größeren  Abschnittes  beider  Sammlungen  voraus. 
An  dieser  Stelle  kann  demnach  jedesfalls  schon  aus  räumlichen  Grün- 
det auf  diesen  Theil  der  Untersuchung  nicht  eingetreten  werden,  so 
wünschenswerth  auch  deren  Durchführung  in  mehr  als  einer  Beziehung 
erscheinen  dürfte. 

MÜNCHEN,  den  8.  August  1869. 


DAS  HILDEBRANDSLIED. 


Das  Hildebrandslied  bildet  in  sprachlicher  Hinsicht  den  diame- 
tralen Gegensatz  des  Wessobrunner  Gebets.  Während  dieses  anfänglich 
in  der  Sprache  der  alten  Sachsen  gedichtet  war  und  zwar  höchst  wahr- 
scheinlich als  Anfang  der  altsächsischen  Übertragung  des  alten  Testaments 
(vgl.  Wackemagel ,  Ztschr.  f.  deutsche  Philologie  1 ,  291  fg.  und 
W.  Scherer,  Ztschr.  f.  d.  österr.  Gymnasien  1869),  dann  aber  von 
einem  Mönche  des  bairischen  Klosters  Wessobrunn  in  eine  hoch- 
deutsche Mundart  des  Südens  umgeschrieben  wurde ,  ist  beim  Hilde- 
brandsliede  gerade  das  Gegentheil  geschehen ;  zuerst  in  althochdeutscher 
Sprache  und  folglich  von  einem  Sänger  des  südlichen  Deutschlands 
verfasst,  ist  es  später  durch  zwei  Fuldaer  Mönche  wenigstens  theilweise 
in  die  niederdeutsche  oder  altsächsische  Sprache  umgeschrieben  worden. 
Schon  Holtzmann  hat  (Germania  9,  289  fg.)  den  richtigen  Sachverhalt 
dargestellt,  hat  jedoch,  wie  ich  schon  anderwärts  (Dietrichssage  S.  20 
Anm.  1)  bemerkt  habe,  sowohl  zu  viel  als  zu  wenig  ausgesprochen; 
er  hat  namentlich  (Untersuchungen  über  das  Nibelungenlied  S.  158  fg.) 
aus  dem  an  und  fiir  sich  richtig  erschauten  sprachlichen  Zustande  des 

GERMANIA.  Neue  Reihe  III.  (XV.)  Jahrg.  2 


18  K.  MEYER 

Liedes  Schlüsse  gezogen,  welche  mit  demselben  in  keinerlei  nothwen- 
digem  Zusammenhange  stehen.  Es  wird  daher  nicht  unpassend  sein, 
die  ganze  Untersuchung  noch  einmal  aufzimehmen  und  das  von  ihm 
Vorgebrachte  je  nach  Umständen  zu  bestätigen  oder  zu  berichtigen. 

Wenn  das  eine  Mal  der  hochdeutsche  Diphthong  ei  und  das  an- 
dere Mal  das  ihm  entsprechende  sächsische  S  steht,  so  weist  schon 
dieser  Umstand  auf  Mischung  hin.  Wenn  femer  die  Consonanten  ein 
und  desselben  Wortes  einmal  auf  der  gothisch-germanischen  und  dann 
wieder  auf  der  hochdeutschen  Stufe  stehen  (ik,  ih  u.  s.  f.),  so  bestätigt 
der  Consonantenbestand  die  Vermuthung,  welche  sich  schon  aus  dem 
Vocalismus  ergeben  konnte.  Auch  die  Allitteration  erscheint  in  Folge 
dieser  Übertragung  mehrfach  gestört.  Es  heißt  I,  15  u.  16  (ich  eitlere 
nach  dem  Facsimile  W.  Grimms): 

hina  miti  TÄeotrihhe 
enti  sitierö  degand  filu. 

Zwischen  tJi  und  d  ist  keinerlei  Allitteration  möglich ;  es  muß  entweder 
beide  Male  th  oder  beide  Male  d  gestanden  haben.  Setzen  wir  statt 
der  niederdeutschen  Form  'Theotrthhe'  die  hochdeutsche  mit  der  Media 
anlautende,  wie  sie  I,  18  richtig  steht,  so  ist  die  Allitteration  herge- 
stellt. Sodann  die  angefochtene  Stelle  I,  16  fg.: 

her  f[xrl&i  in  {ante 
Zuttila  Sitten 
prÄt  in  6üre, 
&am  unwahsan, 
arbeolaosa. 

Entweder  hatte  prut  wie  hCt^re  und  harn  die  Media  im  Anlaut,  oder 
letztere  Worte  hatten  wie  pr€t  die  Tenuis,  also 

prüt  in  pure 
pam  unwahsan. 

Im  Übrigen  enthält  die  Stelle  durchaus  nichts  auffallendes,  sobald 
man  Ivttila  mit  Grein  (Hildebrandslied  S.  20)  substantivisch  und  prUii 
als  Apposition  dazu  fasst.  Auch  MüUenhoffs  Verweisung  auf  Gudrünar- 
kyiäa  I,  19  war  keineswegs  so  verkehrt,  da  durch  dieselbe  nur  die 
Bedeutung  von  luttily  keineswegs  aber  die  von  pHU  sollte  imterstützt 
werden. 

Es  muß  also  entweder  ein  niederdeutscher  Schreiber  eine  hoch- 
deutsche Vorlage  abgeschrieben  haben,  oder  es  hat  umgekehrt  ein 
Oberdeutscher  ein  niederdeutsches  Original  vor  sich  gehabt.  Holtzmann 
hat  (a.  a.  0.  S.  291)  aus  unzweideutigen  Anzeichen  bewiesen,  daß  von 


DAS  HILDEBRANDSLIED.  19 

den  beiden  denkbaren  Fällen  der  erstere  wirklich  eingetreten  ist ;  doch 
lässt  sich  die  Zahl  der  Belege  sehr  leicht  vermehren. 

Das  Pronomen  reflexivnm  oder  reciprocum  sih,  welches  Wacker- 
nagel (a.  a.  O.  S.  298)  anflihrt,  ist  nur  im  Althochdeutschen,  nicht  aber 
im  Altsächsischen  möglich.  Nicht  minder  stichhaltig  ist  ein  zweiter 
von  Wackemagel  beigebrachter  Grund,  Es  heißt  II,  37: 

dat  du  noh  bi  desemo  riche 
reccheo  ni  wurti. 

Das  Wort,  um  welches  es  sich  handelt,  heißt  angelsächsich  vreccea, 
vrecca,  vrcecca  und  muß  im  Altsächsichen  wrekkio  gelautet  haben  (vgl. 
die  Belege  in  Müllenhoffs  und  Scherers  Denkmälern  p.  VIII) ;  damit 
aber  wäre  der  Stabreim  zerstört,  während  die  vom  Abschreiber  nicht 
geänderte  hochdeutsche  Form  ohne  w  denselben  gerettet  hat.  Endlich 
noch  ein  dritter  Grund.  Der  sonst  übHche  Name  der  beiden  Helden 
Hiltibrant'  und  'Hadubrant'  wechselt  mehrmals  mit  den  Formen  'Hilti- 
braht'  und  'Hadubraht*.  Schon  Holtzmann  hat  (S.  290)  darauf  aufinerk- 
sam  gemacht,  daß  ein  Aufzeichner,  welcher  die  Helden  Hildebrand  und 
Hadubrand  aus  lebendiger  Überlieferung  kannte,  über  ihre  Namen  nicht 
im  Zweifel  sein  konnte,  daß  wir  diese  Abweichung  mithin  dem  Ab- 
schreiber verdanken;  wenn  der  erste  Strich  des  n  zu  groß  gerathen 
war,  80  konnte  dasselbe  fiLr  einen  bloßen  Abschreiber  leicht  das  Aus- 
sehen eines  h  gewinnen.  Aus  hrard  wurde  also  hrahJt.  Das  setzt  aber 
doch  voraus,  daß  die  Vorlage  die  hochdeutsche  Wortform  mit  t  und 
nicht  etwa  die  niederdeutsche  mit  d  hatte;  der  Schreiber  muß  an  hrdht 
(stm.  Lärm;  vgl.  H^Uand  4536.  4949)  gedacht  haben;  daneben  ließ  er 
freilich  da  und  dort  die  richtige  Form  stehen.  Hätte  die  hochdeutsche 
Vorlage  hrand  gehabt,  so  hätte  der  Abschreiber  nichts  geändert;  in 
hrahd  hätte  er  das  Wort  schwerlich  entstellt,  weil  dieses  ein  Unding 
gewesen  wäre ,  und  hrand  hätte  er  als  regelrecht  sächsische  Form  *) 
ruhig  können  stehen  lassen. 

Das  Hildebrandslied  ist  also  eine  stark  ins  Altsächsische  spielende 
Abschrift  einer  althochdeutschen  Vorlage.  Es  dürfte  nun  nicht  uninteres- 
sant sein,  zu  untersuchen,  welcher  hochdeutschen  Mundart  das  Lied 
ursprünglich  mag  angehört  haben.  Die  überall,  selbst  nach  l  und  n  bei- 
behaltenen t  weisen  auf  eine  streng  hochdeutsche  Mundart  hin;  ebenso 
die  anlautenden,  niederdeutschem  k  entsprechenden  eh.  Während  femer 
Denkmäler  der  mittlem  Mimdarten  als  Kennzeichen  der  schwachen  Con- 


*)  Heyne  Altniederdeutsche  Eigennamen  aus  dem  9.  bis  11.  Jahrhundert  S.  .S5, 

2* 


20  K.  MEYER 

jugation  entweder  wie  z.  B.  die  thüringischen  Merseburger  Zaubersprüche 
bei  d  stehen  geblieben  sind  {heptidun,  lezzidun,  clühodun),  oder  wie  der 
fränkische  Ludwigsieich  zwischen  d  und  t  wechseln,  ist  t  auch  hierin 
strenge  durchgeführt.  Das  Hildebrandslied  muß  also  ursprünglich  in 
entschieden  oberdeutscher,  alamannischer  oder  bairischer  Mundart  ge- 
dichtet worden  sein. 

Die  Mundart  des  Hildebrandsliedes  zeigt  sich  am  deutlichsten 
auf  dem  Gebiete  seines  Vocalismus;  es  finden  sich  da  nicht  wenige 
Worte,  welche  hinsichtlich  ihrer  Vocale  und  noch  mehr  ihrer  Diph- 
thonge von  dem  sogenannten  gemeinen  Althochdeutsch  abweichen.  Zu- 
nächst eine  Abweichung,  welche  bis  ins  neunte  Jahrhundert  hinein  den 
Mundarten  des  Südens  mit  derjenigen  des  mittleren  Deutschlands  ge- 
mein ist,  welche  wir  die  hochfränkische  nennen  können  (MüllenhoflF 
und  Scherer,  Denkmäler  S.  X,  XI),  au  für  ow.  Wir  lesen  demnach 
hauwan  (42),  rauba  (45),  daneben  freilich  auch  hougä  (27). 

Bezeichnender  noch  ist  es  aber,  wenn  das  Lied  häufig  statt  des 
gemein  althochdeutschen  u^  bloßes  ö,  statt  ö  den  diphthongischen  Laut 
ao  setzt.  Es  heißt  demnach  frdtdro  (7),  frdtS  (13) ,  gistontun  (21),  chon- 
nim  (23),  fdrtds  (12),  gdtm  (36),  mdUi  (48),  stont  (51);  daneben  auch 
cnuosles  (9),  gistuontun  (19),  muotbi  (49),  hruomen  (49).  Femer  findet 
sich  arbeolaosa  (17),  friuntlaos  (20),  aodhlihho  (43),  taoc  (44) ,  daneben 
fdhem  (7),  ^sta/r  (14),  flöh  (15).  Endlich  wechselt  noch,  soweit  nicht 
sächsisches  ^  eingetreten  ist,  ai  mit  ei;  es  steht  einerseits  ai  in  staim- 
hört  (51),  andererseits  ei  in  urheitun  (1),  heittu  (14),  giweit  (15),  gilei- 
tds  (26),  cheismnngum  (27),  gimeinün  (48). 

Aus  diesem  Schwanken  zwischen  au  und  ow,  6  und  wo,  ao  und  8 
glaubte  nun  Holtzmann  den  Schluß  ziehen  zu  müssen,  daß  das  Hilde- 
brandslied bairische  Abschrift  einer  karlingischen  Urschrift  sei  (Ger- 
mania 9^  292).  Es  wird  diese  Annahme  scheinbar  unterstützt  durch 
die  Form ,  in  welcher  uns  der  Name  von  Dietrichs  Gegner  daselbst 
überliefert  ist,  wenn  wir  mit  Rieger  *)  annehmen,  daß  die  ursprüngliche 
Namensform  Otawachar,  Otwachar  durch  ein  geläufigeres  Otachari  ver- 
drängt worden  sei,  welch  letzteres  hinwiederum  fränkische  Form  des 
gemein  ahd.  Ötheri  sei.  Es  lässt  sich  aber  mit  nicht  geringerer  Wahr- 
scheinlichkeit behaupten,  daß  das  ch  nicht  fränkische  Eigenthümlichkeit 
für  gemein  althochdeutsches  ä,  sondern  hochdeutsche  Aspirata  statt 
der  ursprünglich  germanischen  Tenuis  sei,  und  daß  im  übrigen  Aphse- 


«)  Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  Mythologie,  I,  234. 


DAS  HILDEBRANDSLIED.  21 

rese  des  w  hinzugekommen  ist.  In  diesem  Falle  freilich  beweist  die 
Namensform  nichts  mehr  für  die  fränkische  Heimat  des  Liedes;  hin- 
gegen stellt  sie  sich  zu  dem  von  Wackemagel  besprochenen  Gundia- 
cus  ^).  Im  Übrigen  braucht  diese  Aphaerese  nicht  erst  der  Mundart 
unseres  Liedes  anzugehören ;  vielmehr  findet  sich  dieselbe  schon  bei 
Eugippius  im  Leben  St.  Severins  Cap.  38  und  39,  also  schon  zu  Odoa- 
kers  Zeit»), 

Also  die  Form,  in  welcher  uns  das  Hildebrandslied  Odoakers 
Namen  überliefert  hat,  bietet  nichts^  was  einen  fränkischen  Ursprung 
des  Liedes  überzeugend  bewiese ;  im  Übrigen  aber  ist  der  Consonanten- 
bestand,  wo  er  nicht  streng  althochdeutsche  Formen  aufweist,  ein 
durchaus  niederdeutscher.  Immerhin  ließe  sich  die  Behauptung  auf- 
stellen, die  von  Holtzmann  angenommene  zweimalige  Übertragung  des 
Originals,  zuerst  in  bairische,  dann  in  sächsische  Mundart  habe  den 
ursprünglichen  Consonantenbestand  dergestalt  verwischt,  daß  derselbe 
jetzt  schlechterdings  nicht  mehr  erkennbar  sei ;  dieser  Behauptung  müsste 
indessen  der  Bestand  der  Vocale  in  einer  Weise  zu  Hilfe  kommen, 
welche  entgegenstehende  Ansichten  schlechterdings  unmöglich  machte. 

Was  zunächst  den  Diphthongen  au  anbetriffit,  so  spielt  er  in  den 
firühesten  Jahrhunderten  unserer  Litteratur  eine  bedeutende  Rolle.  Auf 
alamannischem  Boden  herrscht  er  z.  B.  im  Vocabularius  S.  Galli  und 
den  sogenannten  Keronischen  Glossen;  femer  in  bairischen  Denkmälern, 
also  in  der  Exhortatio  (Fuldaer  Hs.),  den  Hrabanischen  Glossen^  im 
Gedicht  vom  jüngsten  Gericht  Daneben  aber  findet  sich  au  auch  in 
fränkischen  Denkmälern  und  zwar  in  denjenigen  Theilen  Frankens,  fllr 
welche  der  Name  'hochfränkisch'  sich  eignet  (fränkisches  Taufgelöbniss, 
Frankfurter  Glossen,  Fuldaer  Beichte,  Tatian)  ^).  So  wenig  aber  das 
Hildebrandslied  sein  au  ausschließlich  verwendet,  ebensowenig  die  hoch- 
fränkischen Denkmäler  einerseits  und  der  Muspilli  andererseits;  letz- 
terer hat  laue  und  daneben  poum,  hugjü,  houpit]  dennoch  zweifelt  Nie- 
mand an  seinem  bairischen  Ursprung. 

Sodann  d  statt  des  gemein  althochdeutschen  uo.  Die  alamannischen 
Denkmäler  (Kero,  Interlinearversion  der  Benedictinerregel)  haben  frei- 
lich vorherrschend  ua]  doch  findet  sich  bei  Kero  und  namentlich  in  dem 
noch  altern  Vocabularius  S.  Galli  auch  a;  letzterer  hat  demnach  sonari, 
Jrdtery  durohgoot,  goomo^  ploot,  pldtadray  stooly  grSit,  hloit,  chdi,  looc,  md- 
ter ,    steofmdter ,  fdriridt    (Wackemagel  Altd.  LB ,    2.  Aufl.  CLXCII), 


*)  In  Bindings  bur^ndisch-romanisehem  Königreich,  I,  345.  ')  Vgl.  Rieger 

a.  a.  O.         »)  MüUenhoff,  Denkmäler  p.  XI. 


22  K.  MEYER 

grooztuu'^  daneben  freilich  schon  huorey  gaduadi.  Auch  in  fränkischen 
Denkmälern  erscheint  hie  und  da  &  statt  uo^  am  häufigsten  und  noch 
überwiegend  in  den  Frankfurter  Glossen,  schon  sehr  vereinzelt  im  Isidor. 
Den  weitesten  Spielraum  indessen  hat  5  in  den  bairischen  Denkmälern 
des  achten  und  des  beginnenden  neunten  Jahrhunderts,  also  in  der 
Exhortatio,  den  Hrabanischen  Glossen  und  flir  das  neunte  Jahrhundert 
im  Wessobrunner  Gebet  (Wackemagel,  Ztschr.  f.  d.  Phil.  I,  308).  Im 
Muspilli  ist  uo  schon  durchgedrungen,  wechselt  aber  theilweise  mit  i^a. 

Endlich  ao.  Der  Vocabularius  S.  Galli  enthält  ein  Beispiel  (Jbaona) ; 
außerdem  sind  einzelne  alamannische  Eigennamen  des  achten  Jahr- 
hunderts zu  nennen  wie  Aoto^  Aotahar,  Oaozhert,  Zaozzo  (Weinhold 
AI,  Qt.  50).  Auch  ao  herrscht  gleich  dem  eben  besprochenen  ö  am 
durchgreifendsten  auf  bairischem  Boden  und  ist  demnach  in  der  Ex- 
hortatio (Fuldaer  Hs.),  den  Hrabanischen  Glossen,  den  Casseler  Glos- 
sen, den  Freisinger,  Emmeraner  und  Melker  Glossen  häufig.  Der  Mus- 
pilli kennt  diesen  Laut  nicht  mehr ;  hingegen  im  Wessobrunner  Gebet 
und  den  Wessobrunner  Glossen  mag  er  eher  nur  zufällig  fehlen. 

Aus  alledem  —-  und  es  wäre  unschwer,  noch  mehr  Beispiele  zu 
sammeln  —  ergibt  sich  zur  Genüge ,  wie  wenig  man  berechtigt  ist, 
schon  in  den  nicht  niederdeutschen  Bestandtheilen  des  Hildebrands- 
liedes zwei  Mundarten  anzunehmen.  Es  ergibt  sich  überhaupt  der* 
Grundsatz ,  daß  nur  sehr  wenige  Sprachdenkmäler  ganz  genau  jenem 
Schema  entsprechen,  welches  Holtzmann  (Kelten  und  Germanen  S.  177) 
fUr  den  ältesten  Vocalbestand  der  alamannischen,  bairischen  und  firän- 
kischen  Quellen  aufgestellt  hat. 

Da  auch  das  Hochfränkische  kein  ao  hat,  und  da  sich  schon  aus 
dem  Consonantenbestand  des  Hildebrandsliedes  (s.  oben)  ergeben  hat, 
daß  wir  es  mit  einem  ursprünglich  rein  oberdeutschen  Denkmal  zu 
thun  haben,  so  kann  das  Original  nur  der  bairischen  oder  der  alaman- 
nischen Mundart  angehört  haben.  Gegen  die  alamannische  Mundart 
spricht  aber  einerseits  das  gänzliche  Fehlen  von  wa,  andererseits 
die  verhältnissmäßige  Seltenheit  von  ao  in  alamannischen  .Denkmälern 
bei  verhältnissmäßiger  Häufigkeit  dieses  Diphthongs  im  Hildebrands- 
lied. Das  Hildebrandslied  war  mithin  ursprünglich  in  bairischer 
Mundart  gedichtet.  Im  Übrigen  aber  bildet  es  von  den  strenger 
bairischen  Denkmälern  (Exhortatio  ,  Casseler  Glossen ,  Wessobrunner 
Gebet,  Hrabanische  Glossen)  eine  Art  Übergang  zum  Muspilli,  wel- 
cher au  zwar  noch  kennt,  ö  und  ao  hingegen  nicht  mehr.  Ob  damit 
auch  ein  örtlicher  Übergang  vom  eigentlich  bairischen  zum  hochfrän- 
kischen Gebiet    verbunden  war,     ob   mithin   das   Lied   vielleicht   im 


DAS  HILDfiBItANDSLlED.  23 

bairisclien  Nordgau  (Oberpfalz)  seine  eigentliclie  Heimat  hat,  lässt 
sich  leichter  fragen  als  behaupten.  Undenkbar  wäre  ein  solches  Yer- 
hältniss  nicht;  der  Nordgau  war  fränkischen  Einflüssen  schon  durch 
seine  Lage  in  höherem  Grade  zugänglich  als  die  übrigen  Theile  des 
bairischen  Sprachgebiets. 

Nach  alledem  dürfte  eine  Übertragung  des  Gedichtes  aus  seiner 
jetzigen  Gestalt  in  seine  rein  oberdeutsche  ursprüngliche  wohl  am  Platze 
sein.  Ich  folge  dabei  dem  Rieger'schen  Texte  (Germania  9,  318 — 320). 

Ih  gihörta  daz  sagen  * 

daz  sih  ttrheizun      etnon  muotin 

.Hiltibrant  enti  jETadubrant      untar  Aeijun  zweim. 

«unufatarungä      ir6  «arawä  rihtun, 

jarutun  siS  ir6  ^unthamun,      ^urtun  sih  swert  ana 

Aelitä  ubar  Aringä,       dd  si&  zuo  deru  Ailtju  ritun. 

£nitibrant  gimahalta,      er  was  Aeroro  man, 

/erahes  yrötöro,       er  fragen  gistuont 

fSh^m  trortun,      hwer  stn  /atar  träri 

/Irihö  in  /olche  * 

*  ^eddo  hwelihhes  cnuosles  du  sts. 

ibu  du  mir  eman  sages,       ih  mir  di@  andre  weiz, 
cAint  in  cAunincrihhe,      cAunt  ist  mir  al  irmindeot.^ 
J7adubrant  gimahalta,      .Hiltibrantes  sunu: 

^daz  sag^tun  mir  unsar^  liuti,  * 

alt@  anti  fröt^,       di^  ^hina  wärun, 
daz  ffiltibrant  heizzi  min  fatar,       ih  heizzu  jFfadubrant. 
fom  er  dstar  giweit,       floh  er  Otachres  nit 
hinan  miti  Deotrihhe      enti  sinerd  degano  filu. 
er  forfiaz  in  {ante       ^uzzila  sizzan 
2>rut  in  pure,      joam  unwahsan, 
arbeolaosa,      er  reit  dstar  hinan. 

* 

des  Sit  Deotrihhe      d!arbä  gistuontun 

/ateres  mines,       daz  was  so  /riuntlaos  man. 

*  er  was  Otachre 

ummez  i'rri  ^ 

clegano  (Zenchisto,       unzi  Deotrihhe 

*  darbä  gistontun. 


24  K.  MEYER 

er  was  eo  /olches  at  enti,       imo  was  eo  /ehta  zi  leop, 
cAunt  was  er  cÄönem  mannun  * 

ni  waniu  ih  ju  Sp  habe       fiuteo  wiso." 

„hwaztu  ^rraingot  [quad  Hiltibrant]       obana  ab  himile 

# 

daz  du  neo  dana  halt      mit  sus  nähsippemo  ^)  man 

dinc  ni  gileitos." 
i^ant  er  do  ar  arme  ^    tüuntane  bougä, 
cÄeisuringum  gitän,       so  imo  sie  der  cÄuninc  gap, 
fiiineo  truhtin:       „daz  ih  dir  iz  nu  bi  Äuldi  gibu." 
^adubrant  gimahalta,       fiiltibrantes  suno: 
„mit  ^eru  scal  man      geha.  intfähan, 

ort  widar  orte  * 

du  bist  dir,  alter  Hun,       wmmez  späher, 

^anis  mih  mit  dinem  w?ortun,     wili  mih  mit  dinü  «peru  i«?erfan : 

pist  also  gialtet  man,       so  du  ewin  rnwit  fortos. 

daz  «ag^tun  mir      seo  lidantö 

«£?estar  ubar  wentilseo,       daz  inan  wie  fumam: 

tot  ist  fiiltibrant,       fieribrantes  suno." 

JKltibrant  gimahalta,       Äeribrantes  suno: 

„tt?ela  gisihu  ih       in  dtnem  i^ichrustim, 

daz  du  ^ab^s  Äeime       ÄIrron  goten, 

daz  du  noh  bi  desemo  rihhe      reccheo  ni  wurti.*^ 

„tt?elaga  nu,  waltsint  got!  [quad  Hiltibrant],       t^ewurt  skihit. 

ih  wallöta  «umaro  enti  wintro       sehstic  ur  lante, 

dar  man  mih  ^o  scerita  in  folch       «ceozantero, 

so  man  mir  at  6urc  einigem       &anun  ni  gifasta: 

nu  scal  mih  ^uäsaz  chint      «uertü  hauwan, 

fcreiton  mit  sinu  ftillju,       eddo  ih  imo  zi  &anin  werdan. 

doh  mäht  du  nu  aodlihho,       ibu  dir  din  ellc&  faoc, 

in  sus  Äeremo  man      Arusti  giwinnan, 

i*auba  birahanen,       ibu  du  dar  einic  reht  habes. 

der  si  doh  nu  argosto  [quad  Hiltibrant]       östarliuteö, 

der  dir  nu  wiges  ««ame,       nu  dih  es  so  wel  lustit, 

gunteä  giraeinun  * 


*)  Vgl.  Wacfcernagel,  Ztschr.  f.  D.  Phil.  I,  306,  307. 


DAS  HILDEBRANDSLIED.  25 

nius^  der  muotti" 

^huerdar  sih  Aiutü  dero  Äregilo       Äruomen^)  muotti 
erdo  desero  &runn6nn6       fteiderö  waltan." 
dö  liezun  sie  e!rist      askim  scritan, 
«carfen  «cürim,       daz  in  dem  «ciltim  stönt 

[do]  «töfun  zuo  samane,      ^aimbort  chlubun, 
Aiowun  Aarmlihho       Auizze  scilli, 
unzi  im  iro  hintun       Zuzzilo  wurtuii; 
giu^igan  miti  i&ambnum  * 

Und  nun  noch  einige  Folgerungen,  welche  der  Sprachbestand  des 
Hildebrandsliedes  an  die  Hand  gibt.  Daß  das  Lied  in  seiner  jetzigen 
Gestalt  nicht  aus  dem  Gedächtniss  aufgezeichnet  wurde,  daß  es  viel- 
mehr Abschrift  ist,  kann  freilich  nicht  mehr  bezweifelt  werden;  aber 
keineswegs  ist  damit  bewiesen,  daß  das  Original  nicht  aus  dem  Ge- 
dächtniss konnte  aufgezeichnet  sein.  Ob  und  in  w:elchem  Grade  das 
Lied  mit  der  Sammlung  Kaiser  Karls  in  irgendwelchem  Zusammen- 
hange stand,  ist  höchst  zweifelhaft  und  überdies  höchst  gleichgiltig. 
Hauptsache  bleibt  der  Inhalt  des  Gedichtes  imd  nicht  die  Sammlung, 
in  welcher  dasselbe  sich  wahrscheinlich  nicht  einmal  befand. 

Für  den  bairischen  Ursprung  der  Dietrichssage  überhaupt  (E.  Mar- 
tin in  den  Heidelberger  Jahrbüchern  LXII,  151)  bietet  der  des  Hilde- 
brandsliedes natürlich  keinen  Anhalt;  welche  Schlüsse  müssten  sich 
in  solchem  Falle  auf  die  Lieder  der  Edda,  auf  Valdere  u.  a.  m.  be- 
gründen lassen?  Die  Harlunge  werden  freilich  auf  bairischem  Gebiet 
früher  erwähnt  als  im  Breisgau  (W.  Grimm,  Heldensage  S.  38  der 
zweiten  Ausgabe,  Anm.) ;  es  wird  sich  also  zunächst  darum  handeln,  ob 
die  spätere  Erwähnung  des  Breisgaus  im  Chronicon  Urspergense  wirk- 
lieh  beweist,  daß  die  Sage  dort  später  als  in  Osterreich  bekannt  war. 
So  lange  man  freilich  das  Trugbild  eines  „Harlungenmythus"  schim- 
mern lässt  und  den  Markgrafen  Rüdiger  als  mythische  Persönlichkeit 
hinstellt,  begeht  man  den  Fehler^  noch  nicht  bewiesene  Dinge  als  Be- 
weise anzuftQu*en,  ein  Verfahren,  welches  meines  Wissens  in  der  wissen- 
schaftlichen Welt  sonst  nirgends  gestattet  ist.  Der  Harlungenmythus 
hegt  allerdings  noch  durchaus  im  Dunklen,  und  es  wird  auch  in  der 
That  am  besten  sein,  ihn  in  seinem  Dunkel  ruhen  zu  lassen.  Inwiefern 


*)  Oder  hromen?  —  Hs.  hrumen. 


26  K.  MEYER,  DAS  HILDEBRANDSLIED. 

aber  der  skandinavische  Mythus  vom  Weltbrand  uns  wieder  auf  die 
Gothen  selbst  weisen  soll  (Ztschr.  f.  D.  Phil.  I,  376) ,  ist  mir  nicht 
klar  geworden.  Seit  Zamckes  Aufsatz  über  Muspilli  (Berichte  tlber 
d.  Verh.  d.  kön.  sächs.  Ges.  d.  Wissensch.  17,  191  flf.)  sind  die  Belege 
fbr  diesen  Mythus  auf  deutschem  Boden  überhaupt  etwas  zusammen- 
geschmolzen. 

Ebensowenig  aber  vermag  ich  einzusehen,  warum  die  verehrungs- 
volle Erinnerung  an  Etzel  (Martin  a.  a.  O.)  nicht  den  Gothen,  sondern 
durchaus  dem  bairisch-österreichischen  Stamm  angehören  soll.  Während 
mir  der  für  jene  zuerst  von  Rieger  beigebrachte  Beweis  (Ztschr.  f.  D. 
Myth.  I^  232)  stichhaltig  genug  zu  sein  scheint,  lässt  sich  für  diese 
weit  eher  das  Gegentheil  behaupten.  Wenn  nämlich  das  Mittelalter 
seine  Ungern  fllr  Nachkommen  der  Hunnen,  diese  hinwiederum  flir  die 
Vorfahren  jener  hielt,  so  lag  es  gewiß  weit  näher,  auch  die  Vorfahren 
der  nach  eigener  Erfahrung  so  verhassten  Ungern  mit  möglichst  schwar- 
zen Farben  zu  schildern.  Verhindert  aber  konnte  eine  solche  auf  eigener 
Erfahrung  beruhende  Schilderung  nur  werden,  wenn  eine  noch  ältere 
Tradition,  also  die  gothische  Auffassung  der  Hunnen,  sich  in  der  Epik 
schon  festgesetzt  hatte. 

Der  mythische  Held  des  Hildebrandsliedes  ist  Hildebrand  selbst. 
Ein  tieferes  Eindringen  in  den  heidnischen  Glauben  unserer  Vorfahren 
wird  hinsichtlich  dieser  Sagenfigur  wenig  nützen,  würde  höchstens 
wieder  dazu  flihren,  die  historische  Grundlage  Dietrichs  zu  bezweifeln; 
Zweifel  dieser  Art  scheinen  mir  jedoch  aller  Berechtigung  zu  entbehren. 
Es  sind  jetzt  gerade  sechs  und  dreissig  Jahre ,  seit  Lachmann  (Über 
das  Hildebrandslied  S.  38)  die  einzig  richtige  Auffassung  von  Dietrichs 
Persönlichkeit  ausgesprochen  hat;  dieselbe  ist  bis  auf  den  heutigen  Tag 
die  Grundlage  unserer  Sagenforschimg  geblieben. 

Ebenso  gebe  ich  gerne  zu,  daß  den  Rosengärten  als  solchen  my- 
thische Anschauungen  zu  Grunde  liegen  (Ztschr.  f.  D.  Phil.  I,  376); 
aber  auf  die  Kämpfe  Dietrichs  mit  Siegfried  haben  dieselben  durchaus 
keinen  Einfluß  gehabt. 

BASEL,  Juni  1869.  K.  MEYEB. 


27 


ÜBER  DEN  STAND  BERUFSMÄSSIGER  SÄNGER 
IM  NATIONALEN  EPOS  GERMANISCHER  VÖLKER.  *) 


Wir  sind  allzusehr  geneigt,  in  allen  menschlichen  Dingen,  in  der 
Weltgeschichte  wie  in  der  Culturgeschichte,  der  Freiheit  des  Indivi- 
duums, der  Willkür  und  dem  blinden  Zufall  einen  ungebührlichen  Spiel- 
raum zu  verstatten  und  lassen  gar  zu  sehr  außer  Acht,  daß  auch  die 
geistige  Entwickelung  der  Menschheit,  somit  auch  die  Geschichte  der 
Poesie,  als  ein  Theil  der  Naturgeschichte  zu  betrachten  ist.  Zwar  haben 
wir  bereits  gelernt,  die  Bildung  der  Sage  als  einen  auf  allgemeinen 
Gesetzen  beruhenden  und  nach  denselben  stetig  verlaufenden  Process 
anzuschauen  und  der  Ausdruck  ^Naturgeschichte  der  Sage«  ist  uns 
schon  geläufig  geworden.  Bei  der  Dichtung  aber,  die  auf  ihren  früheren 
Stufen  doch  im  innigsten  Zusammenhange  steht  mit  der  Aus-  und  Um- 
bildung der  Sage,  wollen  wir  uns  noch  immer  nicht  entschließen,  ihren 
regelrechten,  stufenweisen,  streng  gesetzmäßigen  Gang  als  einen  natür- 
lichen Process  zu  betrachten.  Und  doch  entwickelt  und  gestaltet  sich 
auch  die  Poesie  aller  Völker,  deren  Geschichte  der  Dichtung  wir  ver- 
folgen können,  ebenso  wie  die  Entwickelung  des  einzelnen  Menschen 
und  ganzer  Völker  in  ihrer  Gesammtheit,  wenn  auch  vielfach  bedingt, 
begünstigt  oder  beschränkt  durch  die  gegebenen  geographischen,  klima- 
tischen, staatlichen,  internationalen,  religiösen  Verhältnisse,  in  steter 
Regelmäßigkeit  nach  allgemeinen,  überall  und  ewig  geltenden  Gesetzen, 
in  fest  bestimmter  Reihenfolge  der  einzelnen  Entwickelungsstufen ,  auf 
denen  wir  sie  aufsteigen  sehen  zum  höchsten  Gipfel,  der  einem  Volke 
je  nach  seiner  poetischen  Begabung  erreichbar  ist,  und  wieder  hinab- 
sinken zu  Verknöcherung  in  der  Form,  zu  Geist-  und  Geschmacklosig- 
keit. So  erscheint  denn  auch  bei  allen  Völkern  das  Epos,  der  nationale 


*)  Wenn  des  griechischen  Nationalepos  hierbei  in  ausführlicherer  Weise  Erwähnung 
geschieht,  so  berufe  ich  mich  für  die  Zulässigkeit  dieses  Heranziehens  auf  das,  was 
Moriz  Haupt  in  den  Berichten  der  königl.  sächs.  Ges.  d.  Wissensch.  zu  Leipzig,  2.  Band, 
1848,  S.  100  ff.  und  Miklosich  in  der  Begrüßungsrede  der  18.  Philologenversammlung 
zu  Wien  über  die  Wechselbeziehungen  der  classischen  und  germanischen  Philologie  und  ihre 
gegenseitige  Ergänzung  sagen,  namentlich  rücksichtlich  des  nationalen  Epos.  Wenn  ich 
dagegen  die  Skaldenpoesie  bei  Seite  gelassen  habe,  so  habe  ich  das  deswegen  gethan, 
weil  trotz  ihrer  sehr  bedeutenden  Entwickelung  diese  Dichtung  ein  zusammenhän- 
gendes Epos  nicht  hervorgebracht  hat,  weil  es  —  kurz  gesagt  —  kein  altnordisches 
Nationalepos  gibt. 


28  ARTUR  KÖHLER 

Heldengesang  auf  einer  ganz  bestimmt  abgegrenzten  Culturstufe  in  seiner 
iiöchsten  BMthe,  Es  ist  diejenige  Lebensperiode  eines  Volkes,  wo  Ge- 
schichte und  Sage,  thatsächliche  Erinnerung  und  Dichtung  noch  nicht 
rgetrennt  smd,  wo  das  Gedächtniss  an  die  großen  Thaten  des  Volkes  und 
«einer  vorzüglichsten  Helden  fortlebt,  an  Thaten  nicht  von  vorüber- 
;gehender  Bedeutung,  sondern  solche,  welche  dauernde  Zustände  schufen, 
an  Helden,  welche  ihre.  Kraft  nicht  nutzlos  in  kleinen  Fehden  vergeu- 
deten, sondern  aus  dem  nebelhaften  Grau  der  Vorzeit  als  leuchtende 
VorkäTapfer  m  nationalen  Kriegen  hervorglänzen,  Helden,  welche  als 
von  Göttern  «entsprossen  vorgestellt  werden  oder  auf  welche  Züge  der 
Göttersage  übertragen  sind,  welche  theilweise  auch  als  in  menschliche 
Gestalt  gekleidete  und  zu  sterblichen  Menschen  herabgedrückte  Götter 
sich  erkennen  lassen,  die  Zeit,  wo  Erinnerungen  aus  der  Urgeschichte 
des  Volkes,  sagenhaft  umgestaltet,  jedem  Einzelnen  lebendig  in  der 
Seele  wohnen  und  von  Mund  zu  Mund,  von  Geschlecht  zu  Geschlecht 
sich  fortpflanzen.  Da  werden  Lieder  gesungen  von  den  gewaltigsten 
Thaten  und  Kämpfen  alter  Könige  und  Helden,  Lieder  in  einer  Form, 
die  jedem  Volksgenossen  geläufig  und  vertraut  ist ,  mit  feststehenden 
Formeln  und  Wendungen,  mit  einer  Fülle  poetischen  Ausdrucks,  der 
in  seineoca  Eeichthum  und  seiner  Anschaulichkeit,  in  seiner  ürsprüng- 
Echkeit  und  Naturwüchsigkeit  von  keinem  reflectierenden ,  bewusst 
schaffenden  Kimstdichter  je  erreicht  wird  ^).  Diese  Periode  würde  man 
im  Gegensatz  zu  späteren  Entwickelungsstufen  die  altvolksmäßige  zu 
nennen  haben.  Auf  sie  folgt  im  naturgemäßen  Verlaufe  eine  Mittelstufe, 
die  schon  Merkmale  der  kunstmäßigen  Dichtung  erkennen  lässt,  aber 
noch  tief  in  der  altepischen  Form  wurzelt,  sich  von  ihr  noch  nicht  los- 
zuringen  vermag.  Es  ist  das  rein  stoffliche  Interesse  an  der  Helden- 
sage, das  sich  an  einfacher  Wiedergabe  der  am  meisten  hervorsprin- 
genden und  leuchtendsten  Züge  genügen  ließ  und  nur  die  Sage  hören 
wollte,  wie  sie  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  sich  fortgeerbt  und  ohne 
wesentliche  Verändenmg  sich  fort  und  fort  erhalten  hatte,  nicht  mehr 
rege  genug;  es  entsteht  das  Verlangen  nach  Darstellungen  eines  größeren 
zusammenhängenden  Kreises  von  Sagen,  die  auf  einen  vielbesungenen 


')  trber  die  characteristischen  Eigenthümlichkeiten  dieser  Stufe  volksmäßi^r 
Poeeie  vgl.  Lachmann  Über  das  Hildebrandslied;  histor. - philol.  Abhandl.  d.  Berliner 
Acad.  d.  Wissensch.  1833,  S.  124  und  im  Nachtrag  W.  Grimms  Bemerkungen  zu  Lach- 
manns Behauptungen,  ebd.  S.  158,  und  dessen  Erwiderung,  ebd.  S.  159;  über  die 
eddischen  Lieder  und  die  späteren  volksmäßigen  Gedichte ,  W.  Grimm  Heldensage  ^ 
S.  373  fF.;  Wackernagel  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  S.  202;  W.  Grimm  Alt- 
dänische  Heldenlieder,  Balladen  und  Märchen,  Ö.  XVI  ff. 


ÜBER  DEN  STAND  BERUFSMÄSSIGER  SÄNGEK  etc.  29 

Helden,  einen  sagenberühmten  Krieg,  auf  ein  ganzes  durcb-  ru&mwür-^ 
dige  Thaten  hervorragendes  Volk  Bezug  haben ;  aua  den  einzelnen 
epischen  Liedern  erwächst  somit  naturgemäß  die  Epopceie  ^X 

Im  Großen  und  Ganzen  ist  der  Stil  und  Ton  des  Epos  aus  dieser 
Periode  der  altvolksmäßigen  Epik  nahe  verwandt ;  die-  aken  Fomjeln 
bleiben,  die  stehenden  Beiwörter  sind  noch  nicht  getilgt  und  noch  nicht 
durch  solche  ersetzt,  welche  nur  auf  die  jeweiligen  augenblicklichen 
Verhältnisse  und  Lagen  Bezug  haben,  die  Behandlung  der  Eigennamen 
bleibt  dieselbe  wie  auf  derfrtlheren  Stufe*),  die  Umschreibungen  und 
Bilder  wachsen  noch  aus  durchaus  volksthtlmlicher  Vorstelkmg  heraus, 
noch  werden  die  berichteten  Handlungen  und  Thaten  mit  kurzen, 
knappen  Sentenzen  begleitet,  daß  es  so  recht  ist  oder  daß  ein  Mann 
in  solcher  Lage  also  handeln  soll ') ;  noch  arten  diese  aus  der  eigensten 
Denkweise  des  Volkes  erwachsenen  Sprüche  nicht  au»  in  weitschwei- 
fige, lästige  Reflexionen.  Aber  freilich  die  Zusammenfassung  vieler  ein- 
zelner Züge  der  Sage  zu  einem  einheitlichen  großen  Gebilde  erfordert 
Übergänge  und  Vermittelungen,  Ausflillung  der  Lücken  und  Ausgleichung 
mancher  Verschiedenheit,  manches  Widerspruchs,  und  so  entsteht  ein 
reichliches  Füllwerk,  Soweit  dieses  auch  an  Kraft  und  wirklicher  Poesie 
hinter  den  älteren  Bestandtheilen  zurücksteht,  so  weicht  es  doch  in  Stil  und 
Ton  nicht  wesentlich  von  der  alten  Epik  ab.  Characteristiseh  aber  fiir  diese 
spätere  Entwickelungsstufe,  die  eingetreten  ist  bei  einer  höheren  Gesit- 
tung imd  einer  reichlicheren  Behaglichkeit  des  Daseins  der  Völker,  ist  der 
Zug,  daß  die  Dichtung  auch  etwas  von  dieser  allgemeinen  Behaglichkeit  und 
Wohlhäbigkeit  annimmt  und  gern  bei  ausführlicher  Schilderung  dessen 
verweilt,  was  den  Menschen  jener  Zeit  lieb  und  werth  ist:  nicht  Krieg 
und  Schlacht  allein  mehr  erweckt  Aufmerksamkeit  und  Spannung ; 
man  hört  auch  gern  von  dem  freudigen  Leben  und  Treiben  am  Für- 
stenhofe und  im  stattlichen  Hause,  wie  schön  und  herrlich  alles  da  ist, 
wie  gute  Sitte  und  vornehme  Zucht  da  herrschen;  man  kennt  schon 
die  Künste,  die  das  Leben  zieren  und  schmücken,  vornehmlich  Saiten- 
spiel und  Gesang.  Bei  jedem  festlichen  Gelage  ist  es  der  Sänger,  der 
die  Freude  der  Männer  weckt  und  erst  zu  wahrhafter  Lust  steigert. 


*)  Vgl.  Wackeraagel  a.  a.  O.  S.  203.  ')  d.  h.  die  Bezeichnung  einer  Person 

einfach  durch  den  Namen  oder  durch  den  Namen  mit  Hinzufügung  eines  Patronymi- 
cums  oder  durch  Angabe  des  Volkes ,  dem  sie  angehört ;  oder  andrerseits  bloß  durch 
die  Umschreibung  ohne  Nennung  des  Namens ;  die  Verwendung  stehender  Epitheta  und 
die  Setzung  solche!^  als  Umschreibung.  ')    Ich  erinnere  hier  nui  beispielsweise   an 

das  homerische  ij  Q-ifiig  ^atlv ,  tpgsal  yäg  nsxQflt  dya^^Oiv ,  aus  den  Nibelungen 
€Us  in  wol  gezantj  aus  dem  Beövulf  cüde  dugude  pedVy  ae  pe  vel  Penced. 


30  ARTUR  KÖHLER 

Es  begegnen  zunächst  Helden^  die  neben  ihrer  ruhmvollen  Waffen- 
arbeit gelegentlich  zur  Leier  oder  Harfe  oder  Geige  greifen;  vor  allen 
aber  sind  es  die  Sänger  von  Beruf,  welche  die  Aufgabe  haben ^  mit 
Erzählung  von  preiswerthen  Thaten  der  Vorzeit  oder  auch  des  noch 
lebenden  und  kämpfenden  Geschlechts  die  Männer  beim  Mahle  und 
Gelage  zu  ergötzen. 

Das  ältere  Epos  nennt  die  Sänger  nicht.  Bei  seiner  Skizzenhaft 
tigkeit  hat  es  keine  Zeit,  bei  behaglich  breiter  Schilderung  heiter  ge- 
mächlichen Lebens  zu  verweilen.  Von  ihrem  Dasein  als  berufsmäßiger 
Stand  imd  von  ihrer  Wirksamkeit  erfahren  wir  erst  auf  der  späteren 
Stufe  der  Epik.  Daß  aber  auch  in  der  Zeit  der  altepischen  Einzellieder 
Sänger  von  Beruf  existiert  haben  müssen,  das  geht  daraus  hervor,  daß 
Völker,  die  eine  reiche  Fülle  epischer  Einzellieder  besitzen,  aber  nicht 
bis  zum  zusammenhängenden  Epos  vorgeschritten  sind,  einen  Stand 
berufsmäßiger  Sänger  aufweisen ;  so  die  Serben,  deren  herrliche  Volks- 
lieder nur  der  ordnenden  Hand  warten,  die  aus  ihnen  eine  nationale 
Epopoeie  schüfe. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  welchen  gewaltigen  Einfluß  ein  geschlos- 
sener Sängerstand  auf  die  Gestalt  der  Poesie  haben  muß.  Es  ist  oben 
besprochen  worden,  daß  diese  in  wesentlichen  Puncten  dieselbe  blieb 
wie  bei  der  altvolksmäßigen  Dichtung.  Erklärlich  wird  diese  lange 
Forterhaltung  der  altüberlieferten  Form  durch  deren  innigen  Zusammen- 
hang mit  der  Anschauungs-  und  Denkweise  des  Volkes,  femer  durch 
die  Zeit,  in  der  jeder  Einzelne  sich  nur  als  Genossen  des  Volkes  fählt, 
dem  er  angehört  und  von  dessen  Denken  und  Fühlen  er  sich  nicht 
in  vornehmer  Uberhebung  entfremden  kann ,  endlich  durch  den  Um- 
stand, daß  nur  mündlicher  Vortrag  bekannt  war  und  die  Fortpflanzung 
der  Dichtung  von  Mund  zu  Mund  erfolgte.  Die  erste  Eigenthümlichkeit 
dieser  Poesie  unter  der  Pflege  einer  bestimmten  Classe  ist  also  die 
Wahrung  der  altepischen  Form  im  Wesentlichen.  Doch  auch  noch 
außer  den  vorhin  angeführten  Einflüssen  der  veränderten  Culturver- 
hältnisse,  der  höheren  Gesittung,  der  geläuterten  sittlichen  Anschauungs- 
weise musste  der  Umstand  von  Bedeutung  werden,  daß  die  Dichtkunst 
von  Männern  gepflegt  wurde,  denen  diese  Beschäftigung  nicht  eine 
nebensächliche  Thätigkeit  neben  anderen  war,  sondern  die  hauptsäch- 
lichste, wirklicher  Beruf.  So  erhält  im  weiteren  Verlauf  die  Dichtung 
größeren  Reichthum  des  Ausdrucks,  größere  Kühnheit  der  Bilder,  brei- 
tere Ausftlhrung  der  Gleichnisse,  reichlichere  malerische  Darstellung, 
eine  gewisse  Neigimg  zur  Reflexion,  aber  noch  nicht  in  lästiger  Breite. 
Aber  alle  diese  halb  schon  kunstmäßigen  Elemente  werden  zufolge  der 


ÜBER  DEN  STAND  BERUFSMÄSSIGER  SÄNGER  etc.  31 

Verhältnisse,  unter  denen  diese  Stufe  des  Epos  sieh  entwickelt,  zu  ste- 
henden und  bleibenden;  selbst  ziemlich  kühne  Übertragungen  und  Um- 
schreibungen erhalten  etwas  Feststehendes  und  ruhig  Beharrendes,  das 
diese  Art  der  Poesie  wesentlich  vom  wirklichen  Kunstepos  unterscheidet, 
indem  ein  Haschen  nach  immer  neuen,  originellen  Gedanken  und  Wen- 
dungen nicht  verstattet  wird  und  die  Individualität  des  Dichters  trotz 
eines  öfters  hervortretenden  stark  subjectiven  Zuges  niedergehalten  wird, 
und  auch  das  Subjective  auf  allgemein  gültiger  Anschauimg  und  echt 
volksthümlichen  Gedanken  beruht  *).  So  wird  die  schrankenlose  Herr- 
schaft des  Subjectivismus,  welche  das  Wesen  der  Kunstpoesie  ausmacht, 
noch  gehemmt  und  ihm  eine  stehende  Form  aufgeprägt,  somit  die  An- 
fänge des  Kunstmäßigen  in  den  etwas  erweiterten  Grenzen  volksmäßiger 
Dichtung  gehalten.  Sucht  man  nach  einer  kurzen  Bezeichnung  für  diese 
Mittelstufe  der  Epik,  so  würde  man  sie,  eben  weil  das  kunstmäßige 
Element  vom  volksmäßigen  noch  überwogen  wird,  am  besten  die  halb- 
volksmäßige  nennen*). 

Für  die  homerischen  Gedichte  hat  diese  Mittelstufe,  die  man  bis- 
her noch  viel  zu  wenig  als  solche  anerkennt,  Franz  Schnorr  von  Carols- 
feld  in  höchst  einleuchtender  Weise  dargelegt  ^).  Auf  derselben  stehen 
alle  größeren  Nationalepen,  also  vor  allen  die  Nibelungen  und  Gudrun, 
so  wie  —  von  kleineren  Gedichten  und  Fragmenten  abgesehen  —  das 
angelsächsische  Epos  von  Beövulf;  aber  auch  die  angelsächsischen 
geistlichen  Dichtungen,  die,  obwohl  von  gelehrt  gebildeten  Verfassern, 
doch  in  fast  durchaus  volksmäßiger  Weise  gedichtet  sind,  und  der  alt- 
sächsische Holland  *)  gehören  hieher. 

Auf  dieser  halbvolksmäßigen  Stufe  finden  wir  die  Poesie  haupt- 
sächlich vertreten  durch  berufsmäßige  Sänger;  ihre  Existenz  ist  eine 
Voraussetzung  und  Vorbedingung  ftlr  den  Eintritt  dieses  Entwickelungs- 
stadiums,  ein  nothwendiges  Erfordemiss. 

Zunächst  kommt  es  darauf  an,  den  Stand,  welchem  die  Sänger 
angehörten,  genauer  festzustellen. 

')  ^S^  Wackemagel  a.  a.  0.  S.  161.  ^)  Diesen  Ansdnick  halte  ich  für  an- 

gemessener als  den  von  Wackemagel  a.  a.  O.  S.  203  gebrauchten  „volksmäßige  Kunst- 
epik*, weil  dieser  wohl  recht  gut  für  den  halb  höfischen,  halb  volksmäßigen  Gesang 
der  Fahrenden  taugt,  aber  nicht  füglich  für  die  altsächsischen  und  angelsächsischen 
£pen,  bei  denen  das  Volksmäßige  noch  entschieden  vorherrscht.  ^)    „Über  einige 

Ähnlichkeiten  zwischen  den  homerischen  Gedichten  und  der  Volkspoesie" ,  in  Fleck- 
eisens und  Masius*  Jahrbüchern  für  Philologie  und  Pädagogik,  Jahrgang  1865,  S.  808. 
Vgl.  auch  Kirchhoff  Die  homerische  Odyssee  und  ihre  Entstehung,  S.  VI  ff.  *)  Ernst 
Windisch  Der  Holland  und  seine  Quellen  ,  S.  12  :  der  Verfasser  war  „ein  berühmter 
Volksdichter  oder  besser  Volkssänger". 


32  ARTUR  KÖHLER 

Von  den  fahrenden  Sängern  des  späteren  Mittelalters^  zur  Zeit 
des  Verfalls  der  Dichtung,  die,  vom  Ftirstenhofe  ausgeschlossen,  zu 
Bänkelsängern  herabgesunken  waren,  darf  uns  selbstverständlich  kein 
Vorurtheil  begleiten  in  jene  alten  Zeiten ,  wo  die  Poesie  im  innigsten 
Zusammenhange  stand  mit  der  Götterverehrung,  mit  der  Weissagung^ 
mit  dem  Rechte,  dessen  Formeln  meist  poetisch  waren,  wo  man  der 
richtig  gebundenen  Rede  zauberische  Elraft  zuschrieb.  Und  doch  waren 
die  Fahrenden  ursprünglich  adeliches  Standes  gewesen,  in  Deutschland 
wie  auch  in  Frankreich  und  der  Provence,  wenngleich  sie  meist  dem  ärme- 
ren niederen  Adel  angehörten,  der  die  Kirnst  als  Broderwerb  betrieb  *),  da 
er  vom  Ertrage  seiner  Güter  allein  zu  leben  nicht  vermochte.  So  waren 
denn  die  Fahrenden  an  Fürstenhöfen  gern  gesehen  und  willkommene 
Gäste;  in  späterer  Zeit  finden  wir  auch  nichtadeliche  Bürger  und  so- 
gar ursprüngliche  Unfi-eie  in  der  persönlichen  Umgebung  der  Könige 
und  Fürsten,  unbeschadet  der  Ehre  und  des  Ansehens,  die  sie  bei  Hofe 
genossen  '). 

Die  hohe  Meinung,  deren  die  Dichtkunst  und  ihre  Jünger  sich 
erfreuten,  findet  ihren  höchsten  Ausdruck  in  dem  Glauben  an  den  gött- 
lichen Ursprung  der  Poesie.  Die  germanischen  Volksepen  zwar,  die 
ihres  heidnischen  Gewandes  völlig  entkleidet  sind  und  in  deren  Haupt- 
persönlichkeiten erst  die  wissenschaftliche  Kritik  ursprünglich  mythische 
Figuren  erkennen  lehrt,  bieten  durchaus  keine  Andeutung  über  die 
himndische  Abstammung  der  Dichtkunst;  aber  aus  nordischen  Gedich- 
ten ersehen  wir,  daß  wie  bei  den  Hellenen  zwei  der  obersten  Gott- 
heiten, Zeus  und  Apollo,  so  bei  den  skandinavischen  Germanen  Odinn 
und  Bragi  „als  Bewahrer  imd  Pfleger  der  göttlichen  Kunst**  erscheinen; 
„Saga  ist  Wuotans  Tochter  wie  die  Muse  des  Zeus  und  Freya  gefiel 
Minnegesang."*).  Ahnlich  begegnet  im  finnischen  Epos  Väinämöinen 
als  Gott  des  Gesanges,  aber  verblasst  in  märchenhafter  Gestalt,  der 
zum  Ersatz  ftlr  die  wunderbare  Harfe,  die  ins  Meer  gefallen  ist,  aus 
einer  Birke  eine  neue  schafit,  und  diese  wirkt  so  anziehend  und  ent- 
zückend, „daß  der  Adler  seine  Jungen  im  Neste  lässt  und  herangeflogen 
kommt,  um  ihren  Tönen  zu  lauschen."  *)  Dieser  selbe  Zug  zur  Bezeich- 
nung der  Wunder  wirkenden  Kraft  des  Gesanges  erscheint  wieder  in 
den  bekannten  hellenischen  Sagen  von  Arion  und  Orpheus,  in  der 
Kudrun  an  der  lieblichen  Stelle,  wo  Horant  so  süß  singt,  daß  die  Vögel 


f 


')  Wackeraagel,  a.  a.  O.  S.  98 ;  Diez  Poesie  der  Troubadours  S.  33  f.  ')  Diez 
a.  a.  O.  S.  258.  *)  J.  Grimm  Deutsche  Mythologie  S.  8ö4.  *)  J.  Grimm  Kleinero 
Schriften  II,  S.  99. 


ÜBER  DEN  STAND  BERUFSMÄSSIGER  SÄNGER  etc.         33 

verstummen  und  seinem  Liede  horchen;  auch  ein  dänisches  Volkslied 
erzählt  davon,  daß  £lben  einen  Jüngling  durch  ihren  Gesang  verlocken 
wollen,  mit  ihnen  zu  tanzen,  und  daß  sie  so  schön  singen,  daß  sogar 
der  Bergstrom  horchend  und  lauschend  still  steht,  die  Fische  im  Wasser 
lustig  zu  spielen  und  die  Vögel  in  der  Luft  hell  zu  singen  beginnen  *). 
Das  hellenische  Epos  ist  sich  der  göttlichen  Herkunft  der  Kunst  noch 
sehr  wohl  bewusst:  an  vielen  Stellen  wird  dies  ausgesprochen  und 
mehrmals  kehrt  die  Äußerung  wieder,  daß  deshalb  dem  Sänger  Ehr- 
furcht gebührt,  der  den  Göttern  gleich  ist  an  Wohllaut,  dem  aufmerksam 
zuzuhören  die  höchste  Lust  *).  Die  Göttin  ruft  der  Sänger  im  Eingange 
der  Dias  an,  den  Zorn  des  Achilleus  zu  singen  und  im  Anfange  der 
Odyssee  die  Muse,  ihm  von  Odysseus  zii  melden.  So  wird  die  Muse 
oder  werden  die  Musen  öfters  um  Beistand  angerufen,  „weil  es  beson- 
ders treuen  Gedächtnisses  bedarf,  um  etwas  ganz  genau  anzugeben."  ^) 
Ist  aber  die  Dichtkunst  so  hehres  Ursprungs,  so  ziemt  es  sich 
gar  wohl  ftlr  Könige  und  Helden  ersten  Ranges,  ihr  obzuliegen.  So 
finden  wir  in  der  Ilias  den  vorzüglichsten  Helden  der  Achseer,  Achil- 
leus, wie  er  zum  Klange  der  fpoQfuyi  in  seinem  Zelte  xkia  avÖQf^u  singt, 
während  Patroklos  ihm  im  Wechselgesange  erwiedert.  Diese  xkia  avögcov 
müssen  nothwendig  altvolksmäßige  Lieder  epischen  Inhalts  gewesen  sein, 
wie  sie  bei  den  Hellenen  in  vorhistorischer  Zeit  überliefert  wurden. 

Im  Nibelungenliede  tritt  besonders  die  prächtige,  ritterliche  Ge- 
stalt Volkers  von  Alzei  als  eines  Spielmanns  in  den  Vordergrund  *), 
der  vor  Frau  Götelinde,  der  edlen  Markgräfin,  videlte  süeze  dorne  und 
sanc  ir  dniu  liet  (1643,  3  des  Lachmann'schen  Textes),  und  der  auf 
der  Wacht  vor  dem  Saale  die  Bürgenden  mit  dem  Wohllaut  seiner 
Saiten  in  süßen  Schlaf  spielt,  der  oft  als  der  kilefm  videlcpre  genannt  wird, 
und  dessen  scharfes  Schwert  einem' Fiedelbogen,  michel  unde  lanc^  ver- 
glichen (1723.  1903).  *)  Auch  die  kühnen  Spielleute  aus  Etzels  Gefolge, 
Wärbel  und  Swämel,  die  von  ihrem  Könige  als  Boten  gesandt  werden, 
sind  bekannt.  Ob  diese  beiden  Hunnenhelden  auch  sangen  und  was  der 
Inhalt  von  Volkers  Liedern  vor  Frau  Götelinde  gewesen  sei,  davon 
findet  sich  keine  Andeutung.  Jedesfalls  hat  man  an  höfische  Lyrik  zu 
dUjufewn,  die  ja  den  Volkssängern  des  Nibelungenliedes  so  nahe  gelegt 

*)  W.  Grimm  Altdäaische  Heldenlieder  usw.  Nr.  33 ,  S.  156  f.  und  die  Erläute- 
rungen dazu  S.  621.  ^)  Vgl.  Ameis  zu  i;,  488  und  jr,  347,  besonders  im  Anhange 
und  die  dort  angeführte  Litteratur.  ^)  Nitzsch  Beiträge  zur  Geschichte  der  epischen 
Poesie,  S.  383.  ■•)  Über  Volker  vgl.  Lachmann  Zu  den  Nibelungen  S.  11  fF.;  W.  Grimm 
Heldensage'  S.  363.  *)  1941,  4  ez  ist  ein  roter  anstrich,  den  er  zeni  videlbogen  hat, 

und  1943,  3  Hn  videlboge  anidei  durch  den  herten  atäl, 

GBRMANIA.  Naaa  Baihe  III.  (XV.)  J&hrc  3 


34  ARTUR  KÖHLER 

war  *).  —  Ausschließlich  an  das  Minnelied  hat  man  zu  denken  bei 
Horants  lieblichem  Gresang  in  der  Kudrun,  wo  er  für  Hetel  um  Hilde 
wirbt  und  sie  gewinnt.  Was  Horant  am  Morgen  gesungen  hat,  das 
nennt  Fruote  (Str.  382)  eine  ungevilege  tagemsey  wohl  mit  Rücksicht  auf 
den  bezaubernden  Eindruck,  den  sein  Singen  gemacht  hat.  Deutet 
schon  dieser  Ausdruck  unzweifelhaft  auf  kunstmäßige,  höfische  Lyrik, 
so  noch  viel  mehr  Str.  384,  wo  es  heißt:  do  e?'  d/n  dcene  sunder  vol ge- 
sancy  was  doch  nichts  anderes  bedeuten  kann,  als  daß  er  drei  Lieder 
vollständig  zu  Ende  sang,  jedes  mit  verschiedener  Melodie,  und  Str.  397, 
wo  Horant  in  Hildens  Kemenate  eine  Weise  von  Amile  singt,  die  kein 
Christen  mensch  je  kannte,  außer  wer  sie  auf  der  großen  Flut  gehört 
hätte.  —  Soviel  ist  aus  dem  oberdeutschen  NationaJepos  zu  ersehen. 
Das  Kunstepos  kennt  auch  Spielleute  am  Fürstenhofe:  Parzival  33,  17 
und  Tristan  3561.  7563—7572. 

Das  angelsächsische  Be6vulfslied  erzählt  (v.  3170  ff.)  von  zwölf 
Geätenhelden,  die  nach  Beovulfs  Leichenbrand  den  Grabhügel  umreiten 
und  zu  seinem  Preise  Lieder  anstimmen. 

Dieses  Absingen  von  Heldenliedern  durch  andere  als  durch  Sänger 
von  Beruf  bezeugt  Jordanes  (De  rebus  Geticis,  cap.  41)  von  den  West- 
gothen  bei  Bestattimg  ihres  Königs  Theoderich,  der  in  der  Völker- 
schlacht auf  den  catalaunischen  Feldern  fiel,  und  (cap.  49)  von  den 
Hunnen  bei  ihren  Klagegesängen  um  die  Völkergeißel  Attila.  Allgemein 
bekannt  ist  die  Erzählung  des  Procopius  (Bell.  Vand.  II,  6)  von  dem 
unglücklichen  Vandalenkönig  Gelimer,  der  von  den  Mauren  hart  be- 
lagert, in  seiner  Bedrängniss  deren  Fürsten  Pharas  um  ein  Brod  bittet, 
weil  er. keines  mehr  genossen,  seit  er  auf  das  Gebirge  geflohen  sei, 
um  einen  Schwamm,  weil  ihm  das  eine  Auge  vom  vielen  Weinen  ge- 
schwollen sei,  und  um  eine  Harfe,  weil  er  sein  Leid  im  Liede  ausge- 
sprochen habe  und  dieses  nun  singen  wolle.  ')  Auch  der  Westgothen- 
könig  Theoderich  II.  wird  bei  Sidonius  Apollinaris  als  ein  Liederfi-eund 
genannt  (Epist.  I,  11).  Der  sagenhafte^)  Dänenkönig  Hotherus  (später 
Hötherus  geschrieben)  erscheint  bei  Saxo  Grammaticus  als  ein  äußerst 
rüstiger  und  geschickter  Elrieger  nicht  bloß  ,  sondern  auch  als  ein 
Meister  im  Saitenspiel.*) 


*)  Über  das  Vorwiegen  des  Minneliedes,  auch  bloßer  Instrumentalmusik,  über 
epische  Gedichte  vgl.  W.  Grimm  Heldensage*  384.  *)  xi'&tt^icrr^  Ss  ayadtß  ovzi  mdij 
Tig  avvm  ig  ivfiq)OQav  Tijv  nagovaocv  Trsno^rjtat,  rjv9'^  ngoq  %i^dQav  &grjvijifai  rs  nal 
anonXavaai  insiysrcci,  ')   Die  mythologische  Bedeutung  Hothers  s.  MüllenhofF  in 

den  Nordalbingischen  Studien  I,  S.  31  f.         *)  Saxo  Gramm.  I,  S.  111    (Ausgabe  von 
P.  E.  Müller  und  Velschow) :  Nejno  ülo  chelia  aut  lyrae  scientior  fuerat,  Praeterea  ^iatro 


ÜBER  DEN  STAND  BERUFSMÄSSIGER  SÄNGER  etc.  35 

Wenn  Fürsten  und  Edle  sich  nicht  scheuten,  die  Leier  oder  Harfe 
selbst  zur  Hand  zu  nelimen  und  zu  ihrem  Klange  Lieder  zum  Preise 
alter  Helden  zu  singen,  so  ist  es  schon  hiedurch  außer  Zweifel  gestellt, 
daß  auch  der  Sänger  von  Beruf  in  heroischer  Zeit  wenigstens  freies 
Standes  sein  musste.  Unter  den  Händen  von  Unfreien  wäre  die  Kunst 
entwürdigt  worden.  Außerdem  wie  wäre  in  jener  Zeit  bei  der  so  strengen 
Scheidung  der  Stände  ein  Unfreier  außer  zu  niedriger  Dienstleistung 
in  des  Königs  Halle  und  Hofburg  gekommen? 

Wenn  in  der  Odyssee  Telemachos  seiner  Mutter  wehrt,  den  lieben, 
trauten  Sänger  zu  tadeln,  weil  er  singt,  wozu  der  Sinn  ihn  antreibt 
(a,  346  ff.),  wenn  derselbe  den  Freiem  vorwirft,  daß  sie  dem  Sänger 
nicht  die  gebührende  Aufmerksamkeit  schenken,  da  es  doch  schön  sei 
ihm  zuzuhören  (a,  368  ff.) ,  wenn  Odysseus  sagt ,  das  dünke  ihm  die 
höchste  Wonne,  wenn  Männer  beim  Mahle  sitzen  und  maßvoller  Froh- 
sinn, BVipQOövvrij  in  der  Versammlung  herrscht,  hervorgerufen  durch 
die  Lieder  des  Sängers  (t,  4  ff.) ,  wenn  er  ferner  sagt,  daß  allen  Men^ 
sehen  auf  der  Erde  die  Sänger  geehrt  und  geachtet  seien  (^,  479  ff.), 
so  stehen  diesen  Äußerungen  vollkommen  gleiche  aus  dem  angelsäch 
sischen  Epos  zur  Seite :  von  der  Königshalle  Heorot,  die  der  Dänen 
Grebieter  Hrödgär  mit  aller  Pracht  aufgeführt,  wird  rühmend  gesagt, 
daß  dort  Sang  und  Harfenklang  ertönte  (Beöv.  89  f.)  und  die  Männer 
zu  hoher  Freude  stimmte,  und  Beövulf  rühmt  bei  seiner  Rückkehr  zu 
Hygeläc  v.  2105  ff.  pär  väs  gidd  and  gleö  mit  ausführlicher  Schilderung 
dieser  Hallfreude;  ebenso  heißt  es  in  der  Überleitung  zu  der  Episode 
vom  Kampfe  in  Finnsburg  v.  1063  ff.  pär  väs  sang  and  sveg  samod 
ätgädefi^e  — ,  gomenvudu  greted ,  gid  oft  vrecen ,  ponne  healgamen 
Hrddgäres  scop  äfter  medobence  mcenan  scolde ;  denn  zu  wahrer  gesel- 
liger Lust,  wie  sie  guten  Helden  ziemt,  gehört  vor  allem  der  Sänger, 
sein  Lied  und  Spiel.  Als  bedeutsam  ist  hervorzuheben  der  Gedanke 
am  Schlüsse  der  Rede  jenes  alten  Heiden,  der  sich  zu  seinen  Schätzen 
in  die  Felsenhöhle  verbirgt  und  sich  zum  Lindwurm  verwandelt  ^),  daß 
nun   die   Wonne  der  Harfe,    die   Lust  des   Saitenspiels  zu  Ende  sei. 


ac  barhyto  omnique  fidUum  modulatione  ccUlebcU,  Ad  quoicumque  voUbcU,  motaa ,  variia 
niodorum  generibus  humanoa  impellebat  affectiis;  gaudio^  maestitiay  miaeraUone  vel  odio 
mortalea  afficei^e  noverat.  IIa  aurium  voluptate  aiU  honore  animoa  implioare  aolebat, 
VgL  die  Anmerkungen  z.  d.  St.  und  im  Commentar,  sowie  über  Uotherus  Albert 
Schott  in  Vollmers  Ausgabe  der  Kudrun  8.  XXV  f.  —  Die  Existenz  eines  Standes  von 
Sängern  wird  bewiesen  durch  Snorri  hist  reg.  Norveg.  II,  p.  136. 

*)    So  wird  die  Stelle  von  EttmüUer  S.  167  seiner  Beovulfübersetzung  und  Sim- 
rock  S.  201  richtig  gedeutet. 

3* 


36 


ARTUE  KÖHLER 


? 


V.  2262  f.  näs  hearpan  vyn,  gomen  gleöhed/mes.  Ganz  besonders  trostlos 
erscheint  die  Lage  des  Königs  Hr^del  nach  Herebealds  zuftllligem  Tod 
durch  des  Bruders  unglücklichen  Pfeilschuß,  v.  2458  f. :  nis  pär  hearpan 
sveg,  gomen  in  geardtim,  svylce,  pär  tu  vceron.  Und  wie  sehr  Harfenklang 
und  Liedessang  fiir  einen  Hauptbestandtheil  des  irdischen  Lebens  er- 
achtet werden,  geht  deutlich  hervor  aus  den  Worten  des  Boten,  der 
den  Geäten  von  Beovulfs  Tode  im  Drachenkampfe  berichtet,  v.  3020  f. : 
nu  se  herevisa  hleahtor  dlegde ,  gamen  and  gleödredm,  und  weiter  v.  3023 
nun  soll  nalles  hearpan  sveg  mgend  veccean ,  da  nun  grimme  Kampfes- 
hoth  hereinbrechen  werde. 

Wären  die  eben  berührten  Anschauungen  von  der  Würde  und 
Hoheit  der  Gesangeskunst  allein  schon  genügend,  um  die  Annahme, 
daß  die  Sänger  adeliches  Standes  waren,  als  noth wendig  erscheinen  zu 
lassen,  so  wird  dieselbe  doch  noch  wesentlich  unterstützt  durch  die 
Nachrichten ,  welche  die  Epen  über  das  persönliche  Verhältniss  des 
Sängers  zum  Fürsten  darbieten. 

Mit  Scheu  und  Ehrerbietung  wird  ihm  begegnet,  was  keinem 
gemeinen  Manne  widerfahren  wäre.  Er  verkehrt  am  Hofe  wie  in  seinem 
eigenen  Hause.  Wenn  der  König  mit  seinem  Gefolge  beim  Mahle  sitzt, 
fehlt  nie  der  Sänger;  er  gehört  recht  eigentlich  mit  zum  Hofstaate,  zu 
den  unentbehrlichsten  Persönlichkeiten.  Besonders  beachtenswerth  ist 
in  dieser  Hinsicht  Be6v.  v.  2105  fF.,  wo  der  König  unmittelbar  neben 
dem  Sänger  genannt  wird.  Horant  sagt  in  der  Kudrun  (Str.  406),  daß 
am  Hofe  seines  Herrn  täglich  zwölf  Sänger  sich  vernehmen  lassen,  die 
aber  sämmtlich  vom  König  übertroffen  werden ').  Noch  wichtiger  aber 
ist,  daß  die  Sänger  mit  bedeutenden,  ehrenvollen  Aufträgen  betraut 
werden;  so  werden  sie  namentlich  oft  als  Boten  gesandt,  wie  Wärbel 
und  Swämel  in  den  Nibelungen*).  Als  Agamemnon  nach  Troja  fährt, 
tibergibt  er  seine  Gemahlin  Klytsemnestra  einem  otoidog  in  Obhut 
(yy  267  sÜQved^ai  axomv)  '*).  Eines  nicht  edelgeborenen  Mannes  Hütung 
würde  Agamemnon  die  Königin  unmöglich  haben  überantworten  können ; 
nur  die  Aufsicht  und  den  Umgang  des  adelichen  Sängers  konnte  sie 
sich  mit  Fug  gefallen  lassen.  Etwas  ganz  Ahnliches  berichtet  das  Vid- 
sidlied.  Der  Sänger  zählt  alle  Völker  und  ihre  Könige  und  berühmte- 
sten Helden  auf,  die  er  zu  nennen  weiß  und  von  denen  er  viele  auf 
seinen  weiten  Fahrten  persönlich  kennen  gelernt  hat.  Eine  dieser  Fahrten 


•)   Vgl.  Uhland,  Schriften  z.  G.  d.  D.  u.  S.  UI,  204  f.  *)   Andere  Beispiele 

s.  W.  Grimm ,    Heldensage  *  S.  383.  Wackemage!  a.  a.  O.  S.  97,  Anm.  25.         ')  Vgl. 
Ameis  z.  d.  St.   im  Anhange.    Athenaeus  I,  14^. 


ÜBER  DEN  STAND  BERUFSMÄSSIGER  SÄNGER  etc.         37 

aber,  von  denen  sein  Name  Vidstd  gebildet  ist*),  hat  er  unternommen  \ 
nicht  als  Fahrender,  sondern  im  Auftrage  seines  Königs  Eädgils,  des 
Sohnes  Ohtheres,  der  über  die  Sveönen  herrscht,  als  Begleiter  von  ■ 
dessen  Gemahlin  Ealhhild  zu  dem  Ostgothenkönig  Eormanrfc;  Vids. 
V.  5  ff.  Überall  wird  er  an  den  Königshöfen  gut  aufgenommen,  er  sucht  <* 
die  besten  und  vorzüglichsten  Helden  der  königlichen  Gefolge  auf, 
V.  110  ff.,  er  kennt  sie  alle  bei  Namen  und  aus  persönlicher  Berührung; 
an  allen  Höfen  wird  er  reich  beschenkt,  v.  64  ff.,  mit  Gaben,  die  er 
bei  seiner  Rückkehr  seinem  Könige  verehrt,  v.  93  ff.  Wohl  zum  Ersatz 
flir  diese  dem  Gefolgsherren  dargebrachten  Gaben  schenkt  Ealhhild 
ihm  andere.  Lange  verweilt  er  bei  Eormanric,  weil  der  Gothenkönig 
sich  ihm  gewogen  zeigt  und  ihm  Schätze  spendet,  v.  88  f.*).  Wie  in 
jeder  Hinsicht  dieses  uralte  Lied  ^)  von  höchster  Bedeutung  ist  ftlr  die 
Frage  nach  dem  Sänger  zur  Zeit  halbvolksmäßiger  Epik,  so  auch  in 
Bezug  auf  den  Stand,  dem  er  angehört.  Ausdrücklich  wird  v.  5  gesagt, 
daß  Vtdstd  adelicher  Abstammung  war:  himfrom  Myrgingum  äSelu  anvo- 
con^).  Ebenso  unzweifelnaft  ist  für  Homer  die  Bezeichnung  des  Demo- 
dokos  als  Heros  auf  adelichen  Stand  zu  deuten  (^d-,  482  ^qc)  ^riiiodoxa)). 

Wir  haben  oben  gesehen,  daß  der  Sänger  zum  Hofstaate  des 
Königs  gehörte.  Aus  diesem  Umstände  wage  ich  den  Schluß,  daß  nur 
ein  Sänger  an  jedem  Fürstenhofe  dauernd  seinen  Aufenhalt  gehabt  habe. 
Flir  die  homerische  Zeit  haben  schon  andere  dies  angenommen*)  und 
mit  vollem  Rechte.  Phemios  auf  Ithaka,  Demodokos  bei  den  Phseaken, 
der  Sänger  des  Agamemnon  werden  alle  so  erwähnt,  daß  man  an  andere 
Sänger  neben  ihnen  an  demselben  Orte  nicht  denken  kann.  Mit  Recht 
hebt  Ameis  (zu  y,  267)  hervor,  daß  jener  Hüter  der  Klytsemnestra 
Agamemnons  „Haussänger"  war. 

Neben  diesen  hervorragenden  Sängern,  die  ihrer  reichen  Sagen- 
und  Liederkenntniss  solch  ausgezeichnete  Stellung  in  persönlicher  Be- 
ziehung zum  Hofe  verdankten,  muß  es  natürlich  noch  andere,  weniger 
vollkommene   gegeben   haben,    vielleicht  Schüler  jener  Meister  in  der 


*)  Vgl.  ühland  a.  a.  O.  III,  183.  289  f.  —  Gott.  Gel.  Anz.  1833,  S.  1Ö93 ;  Grein 
Sprachschatz  der  angelsächsischen  Dichter  s.  v.  vidsid.  ^)  Ganz  so  werden  in  histo- 
rischer, weit  späterer  Zeit  die  Fahrenden  helohnt  ;  W.  Grimm  Heldensage  *  S.  384. 
Diez  Poesie  der  Troubadours  S.  öO  S.  60  ff.  Über  ihre  Bettelhaftigkeit  vgl.  besonders 
J.  Grimm  Kleinere  Schriften  III,  16  f.  »)  Müllenhoff  in  Haupts  Zeitschrift  XI,  294: 
„seiner  Grundlage  nach  ist  es  gewiß  das  älteste,  das  die  ags.  Literatur  besitzt.^  *)  Über 
die  Myrginge  vgl.  Müllenhoff  Nordalbing.  Studien  I,  140  f.  und  Haupts  Zeitschrift  XI, 
279.    Zeuß  Die  Deutschen  und  die  Nachbarstämme  8.  472.  ^)  Terpstra  antiquitas 

homerica  lib.  IV,  cap.  4,  §.  1. 


38  AKTUR  KÖHLER 

Kunst,  die  bei  den  Völkern  und  Höfen  umherzogen,  ganz  in  derselben 
Weise,  die  wir  von  den  Fahrenden  unseres  Mittelalters  kennen.  Auch 
ausgezeichnete  und  hochberühmte  Dichter  müssen  ein  solches  Wander- 
leben gefiihrt  haben,  wie  ß,  594  flf.  bezeugt,  wo  von  dem  Thraker  Tha- 
rayris  berichtet  wird,  daß  er  von  Oichalia  in  Thessalien  nach  Dorion 
in  Nestors  Gebiete,  also  in  die  Peloponnes,  gekommen  sei,  wo  die  Strafe 
für  seine  Uberhebung  ihn  traf  durch  Erblindung  und  Aufhören  der  Gabe 
des  Gesanges.  Bedenklich  ist  die  Stelle  o,  720,  wo  bei  Hektors  Leichen- 
feier der  Plural  aotdovg  begegnet.  Es  würde  sehr  wohl  der  ganzen 
Lage  entsprechen  und  auch  durch  Analogieen  aus  den  epischen  Dich- 
tungen anderer  Völker  gestützt  werden,  wenn  wir  annehmen  dürften, 
daß  gerade  so  wie  im  angelsächsischen  Nationalepos  zwölf  Helden  den 
Hügel,  der  über  Beövulfs  Asche  aufgethürmt  ist,  umreiten  und  dazu 
seine  Heldenkraft  und  Ruhmesthaten  preisen,  so  auch  hier  eine  Anzahl 
Troerhelden  Gesänge  anstimmt  zum  Lobe  von  Hektors  kühnen  Thaten 
und  gewaltiger  Kraft  ^),  vielleicht  Lieder,  die  noch  bei  seinen  Lebzeiten 
entstanden  waren.  Denn  bei  einem  Volke ,  aessen^  Epik  noch  blüht, 
entstehen  in  Zeiten,  welche  reich  sind  an  Begebnissen,  die  zur  Ver- 
herrlichung durch  das  Lied  auffordern,  unmittelbar  unter  dem  frischen 
Eindrucke  der  Begebenheiten  Lieder  auf  diese  hehren  Thaten.  So  be- 
richtet Vuk  Stephanovich,  daß  der  serbische  Volkssänger  Philipp  Wisch- 
nich,  genannt  Sljepatz,  d.  h.  der  Blinde,  dem  Fürsten  Stojan  Lieder 
vorgetragen  hat  auf  Kämpfe  g^gen  die  Türken,  an  denen  dieser  selbst 
Theil  genommen  hatte  ^).  Dieser  Annahme  aber,  so  verlockend  sie  auch 
scheint,  tritt  mit  unabweisbarem  Zwange  der  Ausdruck  aoidol  ent- 
gegen, der  bei  Homer  nur  den  Sänger  von  Beruf  bezeichnen  kann, 
nie  einen  andern,  der  sich  gelegentlich  einmal  als  sangeskundig  er- 
weist. Ist  auch  dieses  Stück  späteres  Ursprungs,  so  ist  es  doch  immer 
halbvolksmäßige  Poesie  und  dieser  wäre  eine  solche  Ungenauigkeit  der 
Bezeichnung  unerhört ;  ebenso  unmöglich  wäre  es,  die  singenden  Helden 
bei  Beövulfs  Bestattung  scdpas  zu  nennen.  Es  hilft  nicht,  auf  Auswege 
sinnen:  die  Mehrzahl  berufsmäßiger  Sänger  bleibt  doch.  Aber  Sänger 
von  welcher  Art  ?  Das  sind  nicht  die  ehrwürdigen  Gestalten  von  Volks- 
sängem,  die  bewandert  sind  in  dem  reichen  Sagenschatz  ihres  Volkes 
und  geübt  in  der  edlen  Kunst,  geehrt  und  gescheut  von  den  Menschen, 

')  Es  wären  dann  die  aoL$ol  eine  Art  Todtenwache  gewesen ,  wie  sie  Simrock 
(S.  199)  zu  Beövulf  v.  446  annimmt.  Doch  ist  Simrock  jedesfalls  im  Unrecht  mid  die 
gegentheilige  Ansicht  von  Heyne  z.  d.  St.  (S.  90  der  zweiten  Auflage  seiner  Beövulf- 
ausgabe)  zu  billigen.  Über  die  ganze  Stelle  vgl.  Müllenhoff,  Haupts  Zeitschrift ,  neue 
Folge,  Bd.  n,  S.  199.         ')  Vgl.  Talvj,  Volkslieder  der  Serben  I,  S.  XXTH  f. 


ÜBER  DEN  STAND  BEBUFSMÄSSIGEK  SÄNGER  etc.         39 

gern  gehört  von  den  Besten  ihrer  Zeit-  und  Volksgenossen,  sondern 
Sänger  der  niedrigsten  Art,  die  man  gebrauchen  darf  als  d-Qijvav  i^äg- 
Xovg.  Die  späte  Zeit,  in  der  die  letzten  Abschnitte  der  Ilias  entstanden, 
veiTäth  sich  in  der  wenig  ehrenvollen  Aufgabe,  die  den  Sängern  hier 
gestellt  wird,  mit  den  Weibern  um  die  Wette  zu  wehklagen.  Der  ganze 
Stand  muß  von  der  Höhe,  die  er  im  heroischen  Zeitalter  einnahm,  be 
reits  ziemlich  tief  herabgestiegen  sein ,  der  himmlische  Beruf  herab- 
gesunken zum  Gewerbe.  Hat  doch  auch  bei  den  Völkern  germanischen 
Stammes  der  Stand  der  Sänger  ein  ähnliches  Schicksal  erfahren. 

Beim  oberdeutschen  Epos  ist  zufolge  der  Verhältnisse,  unter  denen 
es  erwuchs,  sehr  erklärlich,  wenn  Volkssänger  außer  seinem  Kreise 
stehen.  Die  zwölf  Sänger  an  Hetels  Hofe  sind  nattlrlich  ritterliches 
Standes,  Wärbel  und  Swämel,  des  küneges  spileman  (1314,  1),  die  Ezelen 
videlcere  (1372,  2)  gleichfalls,  sowie  Volker.  Wenn  bei  Sigfrids  Schwert- 
nähme  fahrendes  Volk  begegnet,  dem  reichlich  gegeben  wird'),  so 
mögen  darunter  wohl  auch  fahrende  Sänger  gewesen  sein,  besonders 
genannt  werden  sie  nicht.  Der  Volksgesang  der  Zeit^  in  welcher  das 
Nibelungenlied  entstand,  steht  schon  in  zu  grellem  Gegensatze  zu  der 
höfischen  Kunstepik,  als  daß  seine  Vertreter  noch  an  Fürstenhöfen, 
wie  sie  im  Liede  geschildert  werden,  besonders  ausgezeichnete  Ehre 
genießen  könnten :  sie  erscheinen  mit  unter  der  Menge,  die  sich  bei 
großen  Festlichkeiten  zu  Hofe  drängt,  sie  werden  beschenkt,  aber  nie- 
mand achtet  ihrer  sonderlich. 

Was  die  Angelsachsen  anlangt,  deren  Epos  bei  seiner  ausführlichen 
und  anschaulichen  Cultur-  und  Sittenschilderung  vom  größten  Belang 
ist,  so  ist  zunächst  zu  beachten,  daß  hier  nur  der  Singular  sc&p  begegnet. 
Doch  bedürfen  einige  Stellen  einer  eingehenden  Prüfung '). 


*)  39,  2  vü  der  varnden  diele  nufwe  sich  hewac:  ai  dlenden  nach  der  gdbCy  die 
nian  dd  rtche  vant  und  42 ,  1  vil  lüzel  man  der  varnden  armen  da  vant ,  wozu  noch 
30,  4  des  sach  man  vil  der  vremden  suo  in  rtten  in  daz  lanty  wo  D  die  Lesart  hat  vil 
der  varnden»  Bei  Günthers  und  Prünhilts  Hochzeitsfeier  634,  3  hat  C  vil  manigem 
varnden  man,  A  dagegen  tnanegen  küenen  man,  ?)  Beachtenswerth  ist  die  begriffliche 
Übereinstimmung  zwischen  noirjzi^g,  das  noch  nicht  homerisch  ist,  und  ags.  «cq/?,  ahd. 
»ctu)f  und  8c6f]  Graff  Sprachschatz  VI,  457;  Wackemagel  a.  a.  O.  S.  41  ;  J.  Grimm 
Mythol.  S.  379.  852 ;  vgl.  pro  veno,  trobaire  (acc.  trobador),  nordfranz.  trouvere,  das  den 
Kunstdichter  im  Gegensatz  zum  Yolksdichter  bezeichnet;  Diez,  a.  a.  O.  S.  35,  wo  es 
u.  a.  heißt:  „es  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  daß  man  unter  Troubadour  keinen  andern 
als  den  lyrischen  Dichter  verstand.**  —  In  der  Bezeichnung  aoidbs  ist  deutlich  der 
Gedanke  an  die  Art  des  Vortrags  ausgedrückt,  acop  aber  wie  noirjtrjg  deuten  mehr 
den  Finder  der  Mähre  an  (vgl.  Gottfried  von  Straßburg,  Tristan  v.  4663  vindcere 
wilder  mare) ,   lassen  also  schon    auf  einigermaßen  bewusste  Thätigkeit  des  Dichters 


40  ARTUB  KÖHLER 

Von  der  Halle  Heorot  wird  v.  89  f.  gesagt,  daß  Harfenklang  dort 
tönte  und  svutol  sang  scdpes.  Hier  ist  nicht  zu  erkennen,  ob  ein  be- 
stimmtes einzelnes  Individuum  oder  eine  ganze  Gattung  gemeint  sei. 
Deutlicher  ist  v.  90  ff.    sägde,  se  pe  cüde 

frumsceaft  fira  feorran  reccan, 
cväd  pät  86  älmiktiga  eordan  vorhte  etc., 
wo  man  nur  an  ^ine  Person,  an  Hrodgärs  Hofsänger,  denken  kann. 
Dasselbe  gilt  von  v.  496  scdp  hvilum  sang  hädor  on  Heorote.  Halten  wir 
dazu  noch  v.  1066,  wo  Hrodgäres  8c$p  die  Harfe  rührt  und  von  Hnäfs 
Fall  in  Finnsburg  zu  singen  anhebt,  so  ist  es  zweifellos,  daß  Hrodgär 
seinen  bestimmten  Sänger  am  Hofe  hatte  und  daß  dieser  an  allen  den 
angeführten  Stellen  gemeint  ist,  mochten  auch  vielleicht  andere  gele- 
gentlich auftreten.  Wenn  v.  90  f.  von  der  Kunde  gesprochen  wird,  die 
von  Dingen  der  Vorzeit  dem  Sänger  eigen  sein  soll  (diese  Kunde  be- 
zieht sich  hier  allerdings  nicht  auf  die  Sage,  sondern  auf  die  Welt- 
schöpfung, wovon  nachher  ausführlicher  gehandelt  werden  wird)  und 
aus  dem  besondern  Hervorheben  dieser  Kunde  als  eines  nicht  geringen 
Vorzugs  der  Schluß  gezogen  werden  durfte,  daß  nicht  von  einer  ganzen 
Gattung,  sondern  von  einer  einzelnen  Person  die  Rede  sei,  so  fällt 
noch  mehr  ins  Gewicht,  wenn  v.  867  ff.  neben  der  Sagenkenntniss  auch 
die  Geschicklichkeit  im  Vortrag  betont  wird: 

hvilum  cyninges  Pegn 

guma  gilphläden  gidda  gemyndig, 

se  pe  eal-fela  ealdgesegena 

vom  gemunde^  vord  oder  fand 

sdde  gebunden:  secg  eft  ongan 

s^^  Beövulfes  snyttrum  styrian 

and  an  sped  vrecan  spei  gerade^ 

vordum  vrixlan. 

Daß  V.  867  f.  cyninges  pegn,  guma  gilphläden  und  v.  871  secg  eine  und 
dieselbe  Person  bezeichnen,  wobei  nach  der  Eigenthümlichkeit  der  alli- 


schließen,  wenn  auch  noch  nicht  auf  selbständige  Erfindung,  so  doch  auf  verständige 
und  geschmackvoUe  Auswahl  des  Stoffes  und  schöpferische  Gestaltung.  Dieselbe  Vor- 
stellung liegt  dem  altn.  skäldskapr  zu  Grunde  Der  doiöog  ist  nur  der  Sänger,  der 
Verbreiter  des  Liedes,  nicht  nothwendig  sein  Schöpfer,  der  scdp  gehört  bereits  einer 
etwas  späteren  Entwickelungsstufe  an ,  wo  die  subjective  Thätigkeit  des  dichtenden 
Individuums  mehr  in  Frage  kommt.  In  dieser  Benennung  zeigt  sich  so  wie  in  mancher 
andern  Hinsicht  eine  größere  Volksmäßigkeit  des  hellenischen  Epos  vor  dem  angel- 
sächsischen;  in  anderer  Rücksicht,  wie  sich  später  zeigen  wird,  ist  das  Verhältniss 
gerade  umgekehrt. 


ÜBER  DEN  STAND  BERUFSMÄSSIGER  SÄNGER  etc.  41 

terierenden  Dichtung  wiederholt  Substantiva  synonymer  oder  wenigstens 
verwandter  Bedeutung  statt  einförmiger  Pronomina  angewandt  werden, 
ist  keineswegs  fraglich.  Bedenklicher  ist  die  Stelle  v.  2105  ff.,  wo  es 
heißt:  pär  väs  gidd  and  gleö:  gomela  Scilding 

fela  frirgende  feorran  rehte; 

hvUum  hildedeör  hearpan  vynne 

gomenvudu  gr^te^  hvilum  gyd  ävräc 

sdd  and  sdrUc,  hvilum  syllic  spell 

rehte  äfter  rihte  i^mheort  cyning, 

hvilum  eft  ongan  eldo  gebunden 

gomel  güdviga  giogude  cvidan 

hildestrengo :  hreder  inne  veöll, 

Jxmne  he  vintrum  frQd  vom  gemunde. 

Es  leidet  keinen  Zweifel,  daß  der  alte  Scilding,  der  von  vielen  Thaten 
der  Vorzeit  erfahren  hat,  Hrodgärs  scdp  ist,  der  seine  Kenntniss  mit- 
theilt, erzählt  (rehte)  ^  bisweilen  aber  auch  Lieder  zur  Harfe  vorträgt. 
Verkehrt  würde  es  sein,  hier  zwei  verschiedene  Männer  anzunehmen, 
einen  Erzähler  und  einen  Sänger;  denn  der  Erzähler  müsste  nach  den 
sonstigen  Nachrichten  der  Pyle  Hünferd  sein ,  der  aber  nirgends  als  alt 
bezeichnet  wird,  sondern  im  Gegentheil  noch  als  vollkommen  rüstiger, 
vollkräftiger  Mann  zu  denken  ist,  aufgelegt  zu  Zwist  und  Streit.  Nun 
aber  wird  auffiilligerweise  der  König  selbst  genannt,  der  auch  zuweilen 
der  Wahrheit  gemäß  (äßer  rihte)  eine  wunderbare  Erzählung  (sellic  spell) 
mittheilte.  Daß  Hrodgar  gesungen  habe,  ist  weder  ausdrücklich  gesagt, 
noch  irgendwie  angedeutet  ;  im  Gegentheil ,  der  Ausdruck  spell  rehte 
lässt,  verglichen  mit  dem  v.  2106  gebrauchten,  nur  auf  einfache  Er- 
zählung schließen,  und  als  Erzähler  erscheint  Hrodgar  in  der  langen, 
moralisierenden  Rede  v.  1700 — 1784,  wo  er  von  Heremods  freudlosem 
Leben  und  elendem  Tode  berichtet.  Zum  Schluß  ist  wieder  von  dem 
alten  Helden  die  Rede,  aber  in  allgemeineren  Ausdrücken,  die  weder 
ausschließlich  auf  Gesang  noch  auf  Erzählung  zu  deuten  sind,  sondern 
auf  beide  Vortragsweisen  zusammen,  wenn  es  heißt,  daß  der  vom  Alter 
Gebundene  der  jungen  Mannschaft  von  Kampfeskraft  meldete,  und  daß 
die  Brust  bewegt  ward,  wenn  der  Alte  der  Fülle  großer  Mannesthaten 
gedachte ').  Die  Erklärung  dieser  Stelle  hätte  durchaus  keine  Schwie- 


')  Simrock  übersetzt:  „Bald  hub  der  alte  Schilding,  |  der  vielerfahrene,  von  alten 
Zeiten  an;  |  bald  begann  ein  Held  der  Harfe  Wqnne  |  sattsam  zu  wecken,  bald  ein  Lied 
zu  singen,  |  süß  und  schaurig;  Geschichten  erzählte  bald  |  der  Wahrheit  gemäß  der 
weitherzige  König  |   Ein  andermal  hörten  wir  den  altergebundenen   |    greisen   Eüeger 


! 


42  ARTUB  KÖHLER 

rigkeit,  wenn  nicht  Hrodgär  so  oft  als  Greis  und  altersgrau  bezeichnet 
würde  und  sonach  nun  hier  zwei  alte  Helden  neben  einander  erscheinen, 
zwischen  denen  genau  zu  unterscheiden  ist,  Hrodgär  und  sein  Sänger. 
Das  ist  jedesfalls  höchst  ungeschickt  und  veranlasst  Verwirrung;  denn 
mit  dem  viermal  gesetzten  hmlum  werden  folgende  Puncte  unter- 
schieden :  im  ersten  und  zweiten  Gliede  ist  bloß  gesprochener  und 
musikalisch  begleiteter  Vortrag,  aber  eines  imd  desselben  Mannes  ein- 
ander entgegengesetzt,  im  dritten  Gliede,  aber  nur  in  diesem,  wird  auf 
Hrodgärs  Erzählungen  hingedeutet,  und  im  vierten  Gliede  kehrt  der 
Bericht  wieder  auf  die  im  ersten  und  zweiten  Gliede  behandelte  Person 
zurück ,  indem  das  vorhin  ausführlicher  Besprochene  nun  in  Kürze 
nochmals  zusammengefasst  wird.  Vom  König  als  Sänger  oder  einem 
anderen  als  dem  ^inen  Hofsänger  ist  also  hier  durchaus  nicht  die  Rede, 
auch  wenn  der  Text  dieser  Stelle  ganz  in  Ordnung  wäre.  Schleppend 
und  höchst  unbeholfen  aber  ist  die  Einmengung  der  Person  des  Königs 
mitten  in  die  Darstellung  vom  Auftreten  des  Sängers;  diese  Störung 
lässt  sich  aber  einfach  beseitigen  durch  Streichung  von  v.  2107 — 2110. 
Ein  anderweitiges  zweifelloses  Zeugniss  flir  die  Existenz  nur  änes 
Sängers  im  königlichen  Hofstaate  bietet  Deors  Klage  v.  36  pät  ic  hvile 
väs  Heodeninga  scöp,  dryhtne  dyre;  Deör  ist  scdp  und  sein  Nachfolger 
im  Amte  ist  Heorrenda,  d.  i.  der  Horant  der  Kudrun  *). 


von  der  Kampfes  Strenge  |  der  Bifite  melden,  daß  die  Brost  ihm  schwoll,  |  wenn  der 
Winterreiche  der  Wagnisse  gedachte."  Bei  dieser  Übersetzung  muß  Simrock  unter  dem 
greisen  Helden,  der  anfangs  erwähnt  wird,  und  dann  wieder,  nachdem  von  Hrodgär 
ausdrücklich  gesprochen  worden  ist,  diesen,  den  König  selbst,  verstanden  haben,  dem 
der  Sänger  nur  da  entgegengesetzt  wird,  wo  die  Begleitung  der  Harfe  besonders  her- 
vorgehoben ist.  Gewiß  unrichtig.  Eben  so  falsch  ist  die  Beziehung  der  Worte  hreder 
inne  veoll  auf  den  Vortragenden,  die  auch  MüUenhoff  annimmt,  während  sie  auf  die 
Hörer  zu  beziehen  sind,  die  von  den  mitgeth eilten  Sagen  und  Liedern  mächtig  ergriffen 
und  erschüttert  werden,  denn  nicht  das  interessiert  uns,  daß  der  Sänger  in  Aufregung 
geräth ,  sondern  daß  er  durch  seinen  mächtigen  Gesang  diese  bei  seinen  Zuhörern  her- 
vorruft. W.  Grimm,  Heldensage'  S.  382  f.  hat  vollkommen  Recht,  wenn  er  behauptet, 
daß  der  Gesang  nicht  ausschließlich  an  die  Sänger  gebunden  war,  sondern  daß  beides 
stattfand  „freier  Gesang  und  bestimmter  Beruf  dazu" ;  jedesfalls  aber  ist  die  Ausdeh- 
nung der  Behauptung  auf  unsere  Stelle  nicht  richtig:  „der  alte  König  selbst  übernimmt 
ihr  Amt  und  singt  zur  Harfe  tapfere  Thaten".  MüUenhoff,  der  (Haupts  Zeitschrift, 
Neue  Folge,  H,  S.  217  f.)  die  ganze  Stelle. als  Interpolation  mit  Recht  ausscheidet, 
bemerkt  mit  meiner  Ansicht  übereinstimmend:  „Daß  der  alte  Hrodgär  mitunter  selbst 
die  Harfe  geschlagen  habe,  fällt  doch  auf,  wenn  auch  die  Kirnst  eine  hof-  und  helden- 
mäßige war.«  In  den  folgenden  Versen  findet  MüUenhoff  mit  voUem  Rechte  „nur  leere 
Redensarten,  die  einer,  der  seinen  HaupteinfaU  ausgespielt,  in  der  Noth  herausbringt, 
um  noch  ein  paar  Verse  voU  zu  machen.  V.  2105  f.  und  v.  2111—2114  sind  eng  zu- 
sammenhängende Sätze  und  Gedanken,  die  2107—2110  nxxx  auseinander  reiben-. 
')  Vgl.  Albert  Schott  a.  a.  O.  S.  XXVII. 


ÜBER  DEN  STAND  BBBÜFSMÄSSIGER  SÄNGER  etc.  43 

Q-egen  meine  Behauptung  könnte  Vidsid  v.  103  ff.  angeführt  wer- 
den, wo  Vidsid  selbst  sagt,  daß  er  und  der  Sänger  Scilling  vor  ihrem 
Fürsten  (/br  uncrum  siged/ryhtne)  lauten  Sang  zur  Harfe  erhoben  haben. 
Es  fehlt  aber  jegliche  weitere  Notiz  über  den  Scilling,  ob  er  an  Eäd- 
gils  Hofe  seinen  dauernden  Aufenthalt  gehabt  habe  oder  als  Fahrender 
dahin  gekommen  sei,  wie  ja  auch  Vidsid  selbst  nach  seinen  eigenen 
Mittheilungen  lange  Zeit  als  fahrender  Sänger  die  Länder  der  Menschen 
durchwandert  hat  und  vielen  Fürsten  gedient.  Es  ist  aber  auch  mög- 
lich, daß  Scilling  der  Hofsänger  irgend  eines  andern  Fürsten  war  und 
der  Wettgesang  bei  Gelegenheit  eines  fürstlichen  Besuchs  angestellt 
wurde.  Auch  das  wäre  möglich,  daß  Scilling  an  Eädgils  Hofe  öfters 
verkehrte  und  gern  gehört  wurde ;  aber  der  eigentliche  Hofsänger  kann 
er  nicht  gewesen  sein,  diese  bedeutende  Stellung  kaim  nur  Vidsid 
selbst  eingenommen  haben. 

Erinnert  man  sich  noch,  daß  das  Amt  des  pyle,  d.  h.  des  Gefolgs- 
manns, dem  die  Sorge  fllr  Unterhaltung  durch  Erzählung  bei  geselliger 
Vereinigung  oblag,  ein  bestimmtes  Hofamt  war,  daß  als  pyle  Hrodgärs 
V.  1165  und  V.  1456  Hünferd  genannt  wird ,  daß  dieses  Amt  auch 
urkundlich  bezeugt  ist  und  Inhaber  desselben  namentlich  genannt  wer- 
den, als  pedissequus  oder  pedissessor  ') ,  so  stellt  sich  als  unumstößlich 
heraus,  daß  auch  flir  Unterhaltung  durch  Gesang  ein  bestimmtes  Amt, 
vertreten  durch  nur  dinen  Mann,  dagewesen  sein  muß  *). 

Der  Verkehr  mit  anderen  Berufsgenossen  war  aber  für  die  Sänger 
eine  Noth wendigkeit,  damit  ihnen  neue  Sagenstoffe  zugeführt  wurden 
und  sie  nicht  auf  einen  engen  Kreis  von  Liedern,  die  allen  durch  oft- 
maliges Anhören  längst  geläufig  waren,  beschränkt  blieben,  sondern 
eine  reiche  Fülle  manichfaltiger  Gedichte  ihnen  zu  Gebote  stand ,  so 
daß  die  Zuhörer  einer  erfreulichen  Abwechselung  genießen  konnten. 

Ein  Volk,  dem  Ergötzung  an  Dichtung  und  Gesang  Lebens- 
bedürfniss  ist,  lässt  keine  festliche  Gelegenheit,  keine  gesellige  Ver- 
einigung vorübergehen,  sei  dieselbe  ernster  oder  heiterer  Art,  ohne  daß 
die  Harfe  gegrüßt  wird  und  der  Hort  alter  und  neuer  Lieder  erschlossen. 
Bei  Beövulfs  Bestattung  heben  die  Geäten  an  sein  Lob  zu  singen;  bei 
jedem  größeren  Mahle,  wo  Kriegsmänner  zu  fröhlichem  Gelage  nieder- 
sitzen, ertönt  alsbald  ein  Lied^  das  ruhmwerthe  Thaten  der  Vorzeit 
oder  auch  der  jüngsten  Vergangenheit  preist.    Am  Morgen  nach  Be6- 


')  Kemble  Die  Sachsen  in  England,  übersetzt  von  H.  Brandes,  I,  S.  87  f. 
*)W.  Grimm  Heldensage  '  S.  382  sagt  von  Hrödgärs  Sänger:  „ Offenbar  verwaltete  er 
ein  ihm  zu  Theil  gewordenes  Amt.** 


44  ARTÜR  KÖHLER 

vulfs  siegreichem  Kampfe  mit  Grendel,  als  man  die  blutige  Spur  des 
üngethüms  verfolgt  hat  bis  zum  Strande,  wo  das  Wasser  noch  wallt, 
geförbt  von  des  Unholds  Blute ,  beginnt  man  Beövulfs  heldenkühne 
Kraft  zu  erheben  und  neben  ihm  von  Sigemunds  gewaltigen  Thaten 
Kunde  zu  geben,  v.  856  ff.,  imd  am  Abend  desselben  Tages,  als  die 
Dänen  sich  vor  weiterem  Ungemach  sicher  wähnen,  erhebt  sich  lauter 
Jubel  auf  den  Methbänken  von  Heorot  und  Hrödgärs  Sänger  stimmt 
das  Lied  an ,  wie  in  Finnsburg  der  Kampf  tobte.  Eine  wie  unerläss- 
Hche  Bedingung  für  rechte  Freude  und  Lust  der  Vortrag  von  Helden- 
liedern bei  den  Angelsachsen  war,  davon  ist  oben  gesprochen  worden. 
Das  Instrument,  das  zur  Begleitung  dient,  ist  die  Harfe  (auch 
Vids.  105  erwähnt),  als  Bringerin  der  Lust  gomenvudu  genannt  v.  1065 
und  2108,  gleöbedm  v.  2263  ').  Ausführlicher  handelt  über  das  Harfen- 
spiel das  Gedicht  bi  manna  vyrde  v.  80  f.,  wo  das  Plectron  erwähnt 
wird,  mit  dem  man  die  Saiten  anschlägt;  die  Stelle  lautet: 

Sum  sceal  mid  hearpan  ät  his  hläfordes 

fdtum  sittan,  feoh  picgan 

and  d  snelUce  snere  vrcestan, 

glädan  scral  Icetan  gearo  se  pe  hleäped 

nägl  neömegende:  biä  Mm  neöd  micel. 

In  diesen  Versen  findet  auch  die  Frage  ihre  Erledigung,  wo  der  Sänger 
seinen  Platz  gehabt  habe,  nämlich  ät  Ms  hläfordes  fdtum.  Das  Beövulfs - 
lied  sowie  auch  das  Vidsidlied  geben  durchaus  keine  weiteren  Andeu- 
tungen, als  daß  (Vids.  v.  557)  der  Sänger  vor  auserlesenen  Zuhörern 
in  der  Methhalle  auftritt:  in  meoduhealle^  hü  me  cynegode  cystum  dohten. 
Der  Platz  des  Sängers  ist  nach  jenem  Gedicht,  den  auch  der  Pyh  ein- 
nimmt, unter  dem  Hochsitze,  zu  den  Füßen  des  Königs  (Beöv.  v.  500. 
1166),  an  der  großen  Mittelsäule,  welche  das  Dachgebälk  der  Halle 
stützt*)  und  genau  dem  xtcoi/  fiaxgog  der  Odyssee  entspricht.  Beachtung 
verdient  auch  die  Hervorhebung  des  feoh  picgan ,  des  Gelderwerbens 
durch  den  Gesang.  So  rühmt  auch  Vidsid,  v.  64  f.,  von  den  Thyringen, 
Throyenden  und  Bürgenden,  daß  ihm  Ringe  und  Spangen  geschenkt 
wurden,  und  Güdhere,  der  Bürgenden  König,  gibt  ihm  kostbares  Ge- 
schmeide, glädlicne  mäddum  songes  td  ledne,  v.  66  f.    Von  solcher  Beloh- 


*)  Die  von  P.  E.  Möller  zu  Saxo  Gramm.  S.  111  genannten  dänischen  Mosik- 
instromente  stimmen  mit  den  von  Saxo  gebrauchten  lateinisch  -  griechischen  Benen- 
nungen nicht  tiberein,  sondern  müssen  Streichinstrumente  gewesen  sein.  ')  Vgl.  Moriz 
Heyne  Über  die  Lage  und  Construction  der  Halle  Heorot,  S.  50.  Zu  obiger  Stelle  vgl. 
auch  W.  Scherer  in  der  Zeitschrift  för  die  österreichischen  Gymnasien  1869,  S.  92. 


ÜBER  DEN  STAND  BERUFSMÄSSIGER  SÄNGER  etc.  45 

nitng  des  Gesanges  findet  sich  bei  Homer  gemäß  den  Sitten  des  he- 
roischen Zeitalters  der  Hellenen  keine  Spur. 

Gelegentlich  haben  wir  schon  Einiges  zu  bemerken  gehabt  über 
die  Stoffe,  welche  der  Sänger  behandelt.  Es  sind  vorwiegend  epische 
Stoffe  aus  der  Götter-  und  Heldensage  oder  Kunde  von  Ereignissen 
der  jüngsten  Vergangenheit 

Phemios  singt  von  der  Rückkehr  der  Achseer,  vom  votfrog  ^Axaiäv, 
a,  326,  und  wir  wissen,  daß  diese  Nosten  volksmäßige  epische  Stoffe  waren ; 
obwohl  er  noch  vieles  andere  weiß,  Thaten  der  Götter  und  Menschen, 
die  von  den  Sängern  sonst  gepriesen  werden  («,  337  f.),  so  ist  doch 
der  Bericht  von  den  neuesten  Dingen  den  Menschen  am  liebsten  zu 
hören  ^).  Und  Ereignisse  des  trojanischen  Itrieges  behandelt  Demodokos 
bei  den  Phseaken,  ^,  75  ff.  und  500  ff.  Es  sind  hier  nur  neue  Thaten 
in  Betracht  gezogen,  von  Ereignissen  der  Vorzeit  kein  Wort.  Ich  halte 
es  fiir  erlaubt,  aus  dieser  Beschränkung  der  Gegenstände  der  helleni- 
schen Heldensage,  die  sich  im  Homer  findet,  einen  doppelten  Schluß 
zu  ziehen :  erstens  lagen  den  Sängern,  in  deren  Munde  die  homerischen 
Lieder  entstanden,  andere  Sagenkreise  schon  etwas  fern  und  das  In- 
teresse hatte  sich  bereits  wesentlich  auf  den  trojanischen  beschränkt, 
zweitens  aber  war  zufolge  der  vorzugsweisen  Behandlung  neuerer  Be- 
gebenheiten der  Improvisation  ein  größerer  Spielraum  gelassen.  luden 
gelegentlichen  Äußerungen  des  Odysseus  und  Telemachos  wird  auch 
ein  weit  geringeres  Gewicht  auf  den  Reichthum  der  Sagenkenntniss 
und  die  Fülle  des  Liedervorraths  gelegt,  über  den  der  Sänger  gebietet, 
als  auf  die  Anschaulichkeit  und  Lebenswahrheit,  mit  der  er  vorträgt, 
als  ob  er  selbst  dabei  gewesen  wäre  oder  von  einem  Augenzeugen  der 
erz^lten  Handlungen  berichtet  worden  '').  Wenn  nun  auch  das  angel- 
sächsische Epos  dem  insofern  entspricht,  als  von  Hrodgärs  Sänger  ge- 
rühmt wird  (freilich  in  einer  interpolierten  Stelle,  v.2109,  s.  o.  S.41Anm.) 
daß  er  seine  Erzählung  anhob  sdd  and  säidic,  „wahrhaft  und  traurig", 
J.  h.  ergreifend,  so  wird  doch  bei  weitem  mehr  die  reiche  Sagenkunde, 
die  LiederftlUe  hervorgehoben,  v.  90f.;  869;  2106.  In  diesem  Puncte 
ist  das  hellenische  Nationalepos  bereits  weniger  volksmäßig,  nämlich 
mehr  auf  die  Form  und  Darstellung  absehend,  als  das  angelsächsische, 
dem  es  überall  mehr  auf  den  Reichthum  des  Stoffes  als  auf  den  Glanz 
der  Darstellung  ankommt. 

')  tfy  351  f.  Tijt/  yaQ  aoiSfiv  fjkallov  IniMlBiova   av9'Qa>noi, 

fjztg  aitov6vx606i  vcorari/  dfi*piniXqtat. 
)  9"  491  wg  ti  nov  rj  avtos  nccQBmv  fj  atXov  ttKoveag,  —  Mit  dem  Erzählen 
natu  noaiioVf  das  Odysseiu  an  Demodokos  rühmt,  vgl.  ä/ter  rihte  Beöv.  v.  2110. 


46  ARTÜR  KÖHLER 

Neben  diesen  Liedern  auf  Ereignisse  der  jüngsten  Vergangenheit, 
beinahe  der  Gegenwart,  begegnet  nur  noch  aus  der  Göttersage  das 
Lied  von  Ares  und  Aphrodite,  d;  267 — 366,  das  Demodokos  zu  dem 
pantomimischen  Tanze  der  Phseaken  singt,  also  eine  Art  mythologisches 
Tanzlied,  wie  wir  sie  auch  bei  germanischen  Völkern  gehabt  haben  *). 
Der  Linosgesang,  den  ein  Knabe  bei  der  Weinlese  zur  (poQfiiyt  sii^gt^ 
i,  570,  ist  ein  mythologisches  Volkslied,  das  uns  hier  nicht  angeht. 

Von  Liedern  aus  der  alten  Göttersage  kann  bei  dem  angelsäch- 
sischen Nationalepos,  das  Jahrhunderte  nach  der  Bekehrung  zum  Chri- 
stenthum  seine  jetzige  Gestalt  erhielt,  kein  unversehrter  Rest  mehr 
sich  finden.  Die  Göttersage  ist  zur  Heldensage  abgeblasst  und  sorg- 
fältig sind  auffiQlige  Spuren  des  Heidenthums  getilgt,  obwohl  es  noch 
mancher  Orten  unverkennbar  unter  dem  christlichen  Gewände  hervor- 
sieht. In  noch  höherem  Grade  theilte  das  oberdeutsche  Epos  dieses 
Geschick. 

Und  doch  schimmert  eine  deutliche  Spur  alter  mythologischer 
Lieder  im  Beövulf  noch  hervor,  noch  dazu  an  einer  Stelle,  die  keines- 
wegs zu  den  ältesten  Bestandtheilen  des  Epos  gehört,  in  der  Schil- 
derung der  Hallfreude,  die  in  Hrodgärs  Königsbau  herrschte  und  die 
den  Feind  des  Menschengeschlechts,  Grendel,  zu  grimmem  Wüthen 
gegen  die  fröhlichen  Ältrinkenden  anreizte.  Wo  in  dieser  Schilderung 
vom  Sänger  gesprochen  wird,  geben  v.  92 — 98  den  Inhalt  seines  Ge- 
sanges an  und  dieser  Inhalt  ist  die  Weltschöpfung.  Es  wäre  verkehrt, 
wollte  man  hieraus  auf  einen  entschieden  kunstmäßigen  Charakter  des 
Beovulfliedes  schließen ;  auch  halte  ich  es  nicht  für  nothwendig ,  ja 
kaum  flir  zulässig,  hier  in  einem  an  sich  schon  späteren  Stücke  eine 
Interpolation  anzunehmen^).  Dazu  wäre  man  vollkommen  berechtigt, 
wenn  die  Stelle  eine  ausgeprägt  christliche  Anschauung,  eine  gewisse 
dogmatische  Färbung,  eine  etwas  anspruchsvoll  auftretende  moralisie- 
rende Tendenz  zeigte.  Aber  von  alledem  ist  nicht  die  Spur.  Obgleich 
zwar  diese  Verse  nichts  enthalten,  was  mit  der  christlichen  Schöpfimgs- 
lehre  in  geradem  Widerspruche  stünde,  vielmehr  sogar  v.  92  von  dem 
allmächtigen  Gott  die  Rede  ist,  so  kommt  doch  unmittelbar  daneben 
V.  94  der  siegbei'ühmte  Gott  vor,  der  Sonne  und  Mond  den  Land- 
bewohnenden zur  Leuchte   setzte ,    sowie   der  Ausdruck  frumsceafi  ^), 


*)  Über  mythologische  Tanzlieder  der  Faröer  vgl.  Talvj  Versuch  einer  geschicht- 
lichen Charakteristik  der  Volkslieder  germanischer  Nationen  S.  190  f.;  Willatzen  Alt- 
isländische Volksballaden  und  Heldenlieder  der  Färinger  S.  11  f. ;  16  f.  *)  Wie  Miülenhoff 
thuty  Haupt  Zeitschrift,  Neue  Folge  H,  8. 195      ')  Grein  (Sprachschatz  der  ai^elsfichsischen 


ÜBER  DEN  STAND  BERUFSMÄSSIGER  SÄNGER  etc,         47 

unverkennbar  heidnische  Reminiscenzen.  Dazu  kommt  die  entschiedene 
Volksthtimlichkeit  des  Ausdrucks  wie  der  Gedanken,  so  daß  mir  we- 
nigstens die  Stelle  trotz  der  Unterbrechung  der  Erzählung  durchaus 
ursprünglich  erscheint.  Erinnert  man  sich  femer,  daß  biblische  und 
apokryphe  Legendenstoffe  von  geistlichen  Dichtern  in  der  ttberkom- 
menen  epischen  Weise,  die  ich  die  halb  volksmäßige  nenne,  behandelt 
wurden,  daß  ein  sächsischer  Sänger  in  derselben  Weise  die  Evangelien 
zu  einem  Epos  gestaltete,  so  kann  es  durchaus  nicht  auffallen,  wenn 
in  einem  Epos  volksthümlichen  Inhalts  die  Weltschöpfung,  noch  dazu 
in  einer  nicht  gerade  specifisch  christlichen  Auffassung,  als  Thema  des 
acßp  erwähnt  wird.  Die  echt  epische  Form  dieses  Abschnittes,  sowie 
der  aus  verblasster  Farbe  hervorbrechende  Gedanke  an  den  siegbe- 
rühmten Gott  und  an  die  erste  Schöpfung,  im  Gegensatz  zu  der  zweiten 
nach  dem  Untergange  der  jetzigen  Welt  nöthigen  zu  der  Annahme, 
daß  hier  die  Erinnerung  an  ältere  Lieder  mythologischen  Inhalts,  wie 
wir  sie  in  der  nordischen  Poesie  kennen,  obwalte.  Nur  ist  der  altheid- 
nische Charäcter  dieses  Gesanges  zufolge  der  religiösen  Umwandelung, 
die  bei  den  Angelsachsen  vor  der  Abfassung  des  Be6vulfliedes  als  eines 
einheitlichen  Ganzen  eingetreten  war,  verwischt  bis  auf  eine  schwache 
Spur.  Diese  leichte  Spur  aber,  in  Verbindung  mit  analogen  Erschei- 
nungen der  nordischen  Dichtungen  genügt  vollkommen  um  darzuthun, 
daß  auch  die  Angelsachsen  vor  ihrer  Bekehrung  mythologische  Lieder 
besessen  haben  müssen  und  daß  auch  Jahrhunderte  nach  der  Annahme 
des  Christenglaubens  die  Erinnerung  an  dieselben  noch  nicht  voll- 
kommen erloschen  war. 

Wo  sonst  noch  im  Beövulf  Stoffe  epischer  Dichtung  genannt 
werden,  sind  sie  der  nationalen  Heldensage  entlehnt:  v.  1063  ff.  die 
Sage  vom  Kampfe  in  Finnsburg  und  875  ff.  Sigemunds  des  Välsings 


Dichter,  s.  v.  I,  8.  354)  tibersetzt /rttmffcco/if  durch  prima  rreatio,  im  Gegensatz  zu 
edtceafi  nach  dem  Weltbrande,  das  nur  Dan.  112  6d  edsceafte  vorkommt,  und  führt 
als  Belegstellen  an  Seel.  79,  wo  aber  der  Codex  Verc.  JU  frymde  liest,  Andr.  798, 
Räthsel  4,  14.  An  allen  diesen  Stellen  ist  die  mythologische  Bedeutung  durchaus  nicht 
nothwendig,  es  genügt  überall  die  einfache  „Schöpfung".  Beöv.  4ö  ist  wohl  nur  aus 
Versehen  unter  die  Belegstellen  für  diese  Bedeutung  gekonmien ;  denn  dort,  wo  von 
Scilds  Aussendung  als  eines  kleinen  Kindes  (umhor-vesende,  puer  reeens  tuUus)  berichtet 
wird,  kann  ät  frumsceafte  nur  die  Bedeutung  haben  „im  Anfange,  das  erste  Mal" 
(Heyne  s.  v.  „d.  h.  bei  seiner  Geburt"),  im  Gegensatz  zu  der  zweiten  Aussendung  nach 
dem  Tode  auf  steuerlosem  Schiffe.  Für  unsere  Stelle  v.  91  gibt  Grein  in  Parenthese 
und  mit  Fragezeichen  die  Bedeutung  originemf  statum  priHinumf  Gerade  hier  aber 
liegt  die  Erinnerung  an  die  Kosmogonie  nach  heidnischer  Vorstellung  außerordentlich 
nahe,  Vf45  ist  nicht  die  mindeste  Veranlassung,  an  sie  zu  denken. 


48  ARTUR  KÖHLER 

Thaten ,  dem  hier  der  Drachenkampf  zugeschrieben  wird ,  den  sonst 
die  Sage  von  seinem  Sohne  Sigfrid  berichtet  ^),  also  ein  Stück  Nibe- 
lungensage in  wesentlich  veränderter  Gestalt.  Aber  auch  Thaten  der 
urihaittelbaren  Gegenwart  werden  im  Liede  verherrlicht:  auf  dem  Ritt 
vom  Grendelmoor  zurück  am  Tage  nach  Beovulfs  Kampf  mit  dem  Un- 
hold, wird  diese  herrliche  That  sofort  als  Lied  gesungen,  v.  872  ff., 
also  auch  eine  vecovccT'q  aoidij.  Im  Anschluß  an  die  Vernichtung  Gren- 
dels, welche  die  Dänen  von  einer  unerträglichen  Plage  befreite,  geht 
der  Sänger  über  auf  Sigemund,  seinen  Drachenkampf  und  seine  weite 
Berühmtheit.  Die  Episode  von  Heremöd,  die  hier  v.  901  ff.  angeschlossen 
wird,  gehört  nicht  zu  den  Sagen,  die  der  Sänger  behandelte,  sondern 
wird  vom  Uberarbeiter  des  Gegensatzes  wegen  angefugt. 

Von  hoher  Wichtigkeit  auch  in  dieser  Hinsicht,  für  die  Stoffe  der 
Sänger,  ist  das  Vidsidlied.  Der  Sänger,  der  redend  eingeführt  ist,  gibt 
Bericht  von  seinen  Fahrten  bei  allen  Völkern,  nennt  ihre  Namen  und 
ihre  Könige,  gibt  nur  gelegentlich  etwas  weitere  Ausfuhrungen,  streut 
hie  und  da  knappe  Sentenzen  ein,  die  volksthümliche  Gedanken  aus- 
sprechen, und  gibt  namentlich  über  seine  eigene  Thätigkeit  bedeutsame 
Mittheilungen.  Äußerst  werthvoll  ist  dieses  Lied  flir  den  Character  der 
epischen  Poesie  bei  den  Angelsachsen,  besonders  für  die  Vorbereitung 
und  allmähliche  Entwickelung  der  halbvolksmäßigen  Periode  derselben. 
Der  Gegenstand  des  Gedichtes  ist,  abgesehen  von  einigen  Interpolationen 
und  eingeflochtenen  Sentenzen,  die  uns  hier  nicht  berühren,  die  Auf- 
zählung der  Völker  und  ihrer  Könige,  die  dem  Sänger  bekannt  waren. 
In  der  Hauptsache  ist  diese  trockene  Aufzählung  der  vielen  Namen 
höchst  eintönig  und  —  ohne  jeglichen  poetischen  Schmuck  —  für  einen 
Jjcser,  der  Genuß  sucht,  höchst  unerquicklich,  für  unsere  Frage  aber 
vom  höchsten  Gewichte.  Denn  wir  erkennen  aus  diesem  Liede,  wie 
das  Interesse  noch  an  der  einfachen,  schmucklosen  Berichterstattung 
von  den  nackten  Thatsachen  der  Sage  haftet,  in  so  hohem  Grade,  daß 
auch  eine  so  unpoetische  und  langweilige  Aufzählung  erwünscht  war, 
gern  gehört  und  lange  Zeit  mit  diesen  oder  jenen  späteren  Zusätzen 
fortgepflanzt  ward,  so  daß  das  Lied,  wenn  auch  in  manichfach  ver- 
änderter Gestalt,  uns  heute  noch  erhalten  ist.  Eine  ähnliche  Erschei- 
nung ist  der  sogenannte  Schiffscatalog  in  der  IHas,  ß,  484 — 785;  aber 
auch  hier  zeigt  sich  der  tiefgreifende  Unterschied  zwischen  dem  helle- 
nischen  und  germanischen  Nationalepos  trotz  aller  sonstigen  Überein- 


*)  Vgl.   Uhland  in   dieser  Zeitschrift  2,   S.   344   ff.;    W.    Grimm  Heldensage 
S.  13  ff. 


ÜBER  DEN  STAND  BERUFSMÄSSIGER  SÄNGER  etc.  49 

Stimmung  und  Verwandtschaft  Hier  erscheint  ganz  deutlich  das  oben 
schon  erwähnte  stoffliche  Interesse  überwiegend  über  das  künstlerische 
bei  den  Angelsachsen.  Während  es  ihnen  vollkommen  genügte,  sich 
die  Völker  und  Könige,  von  denen  die  Sage  zu  melden  wusste,  auf- 
zählen zu  lassen  und  es  flir  ihr  Unterhaltungsbedürfhiss  völlig  aus- 
reichte, wenn  neben  solcher  einfachen  Aufzählung  bei  einigen  wenigen 
ausfiihrlichere  Mittheilungen  gemacht  wurden,  musste  der  hellenische 
Sänger  seine  Aufzählung  der  Fürsten  und  Helden,  die  mit  ihren  Schaaren 
nach  Troja  zogen,  ausputzen  durch  mythologische,  genealogische,  geo- 
graphische Notizen;  so  daß  ein  lebhaftes  buntes  Bild  entstand  ^).  Ein 
Gedicht  von  der  Beschaffenheit  des  Vidstdliedes  wäre  bei  den  Hellenen 
zur  Blütezeit  ihrer  Epik  nicht  denkbar,  ebenso  wie  auch  die  Angel- 
sachsen diesen  Standpunct  überwanden  und  ihr  Epos  unter  den  Händen 
berufsmäßiger  Sänger  ebenso  wie  das  homerische  einen  halb  schon 
kunstmäßigen  Character  annahm ,  wie  er  im  Beövulf,  in  den  Liedern 
vom  Finnsburger  Kampfe,  von  Valdhere,  in  den  geistlichen  Dichtungen 
unverkennbar  hervortritt.  Rücksichtlich  der  Form  aber  ist  zu  beob- 
achten, daß  der  eigenthümliche  epische  Stil  und  Ton  bei  den  Griechen 
alterthümlicher  ist  als  bei  den  Germanen,  daß  die  Sprache  und  die 
Wendungen  unserer  Epen  schon  mehr  kunstmäßiges  Gepräge  tragen 
alsi  die  homerischen  Dichtungen. 

Aber  nicht  bloß  rein  epische  Stoffe  behandelten  die  Volkssänger 
der  Angelsachsen,  auch  Spuren  von  Lyrik  sind  zu  bemerken.  Vidstd 
sagt  V.  99  ff.,  daß  er  im  Liede  seine  goldgeschmückte  Königin  Ealh- 
hild  gefeiert  und  daß  von  seinem  Preisen  ihr  Lob  sich  über  viele 
Länder  verbreitet  habe.  Daß  dies  freilich  keine  reine  Lyrik  gewesen 
sein  wird,  sondern  eine  epische  Darstellung  mit  lyrischen  Reflexionen, 
die  vielleicht  das  epische  Element  überwogen ,  das  beweisen  ähnliche 
lyrische  Stellen  im  Beövulf  z.  B.  v.  1925—1943,  wo  die  edle  Weiblich- 
keit der  Hygd  und  die  unweibliche  Strenge  und  Härte  der  M6dJ)ryd 
einander  gegenübergestellt  und  mit  Reflexionen  begleitet  werden  ^),  femer 
—  allerdings  in  einer  Interpolation  —  die  Betrachtimgen,  die  Hrödgär 
an  Heremöds  elenden  Ausgang  knüpft,  v.  1709  ff.,  am  Schlüsse  des 
Liedes  v.  3170  ff.  die  Gesänge  der  Geä,ten  bei  Beövulfs  Bestattung. 
Lyrisch  gefkrbt  muß  auch  der  Gesang  gewesen  sein,    den  Vidsid  bei 

*)  Eine  ausführlichere  Parallele  dieser  im  höchsten  Grade  beachtenswerthen  Ka- 
talogdichtung  bei  Hellenen  und  Germanen   behalte  jich  mir  für   ein   anderes  Mal  vor. 

')  Vgl.  Grein  in  Eberts  Jahrbuch  für  romanische  und  englische  Literatur  Bd.  IV, 
S.  279  ff.  (Jber  den  Namen  M6dprtfd,  nicht  M6dprydo,  vgl.  Müllenhoff  in  Haupts  Zeit- 
Behrifk,  neue  Folge,  II,  S.  216. 

OBUMANIA.  Neut  Reih«  III.  (XV.  Jahrg.  4 


50  ALBERT  HCEFER 

Älfvfn  (d.  i.  Alboin)  in  Italien  anstimmt,  um  die  Kraft  (metonymisch 
ausgedrückt  hond)  zu  preisen,  die  am  geschicktesten  war,  Ruhm  zu 
erwerben,  und  die  Freigebigkeit  des  Herzens,  v.  72  ff.  Wie  wenig  aber 
die  lyrische  Dichtung  unter  dem  Einflüsse  einer  berufsmäßigen  Sanges- 
kunst des  epischen  Elementes  als  Grundlage  zu  entrathen  vermochte 
und  wie  sehr  die  Lyrik  auf  der  halbvolksmäßigen  Stufe  der  Dichtung 
mehr  als  Schmuck  und  Verzierung  eines  epischen  Qerttstes  erscheint, 
das  erkennen  wir  an  Liedern  wie  De6rs  Klage.  Überwiegend  bleibt 
immer  das  Epos  und  zwar  in  einer  bestimmt  gegebenen  Form,  der 
halbvolksmäßigen,  deren  characteristische  Eigenthümlichkeiten  im  We- 
sentlichen bei  allen  Völkern  dieselben  sind,  so  daß  ftlr  die  Epopoeie 
ganz  dieselbe  Gesetzmäßigkeit  sich  geltend  macht,  wie  anderseits  fUr 
das  Volkslied. 

DRESDEN  1868.  ARTUR  KÖHLER. 


•^— ^KW— ^w»- 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG. 

VON 

ALBERT  HOEFER.  *) 


XVI.  Der  Bückumlaut, 

Der  etwas  ungewöhnlich  gebildete  und  an  sich  kaum  verständ- 
liche; gleichwol  allgemein  aufgenommene  Name  ist  von  J.  Grimm  vor 
flLnfzig  Jahren  in  die  deutsche  Grammatik  eingeführt  für  den  im  Hoch- 
deutschen^  Sächsischen  und  Nordischen  auftretenden  Fall,  'daß  mit  dem 
Ausfallen  des  i  der  Umlaut  aufhört  und  der  anfängliche  reine  Voeal 
zurück  kehrt';  oder,  wie  es  auch  heißt:  'wird  die  Ursache  des  Um- 
lauts fählbar  aufgehoben,  so  tritt  der  ungetrübte  Vocal  wieder  an 
seine  Stelle',  vgl.  Gramm.  1'  9  und  1'  34.  Also,  wenn  Umlaut  hier 
nicht  in  einem  anderen  als  dem  gewöhnlichen  Sinne  stehen  soll, 
so  war  'Rückkehr  vom  Umlaut  zurück'  gemeint  und  der  Begriff 'zum 
ursprünglichen  VocaT  ward  ergänzt:  also  z.  B.  a  vor  i  wird  e  und 
kehrt  zurück  beim  Schwinden  des  i:  also  haut  gab  im  Dativ  henR, 
hendi  und  dann  wieder  hant  ftlr  hent,  wenn  i  schwand.  Hätten  wir  nur 
Fälle  dieser  Art  zu  berücksichtigen,  wo  das  alte  a  stets  in  voller  Kraft 
daneben  bestand ,    so  wäre  die  aufgestellte  Erklärung  in  der  Tat  we- 


♦)  Fortsetzung  von  Oennania  14,  197—226. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  51 

niger  anstößig,  obgleich  das  vorauszusetzende  hent  unerweislieh ,  der 
doppelte  Wandel  von  henti  zu  hant  also  gleichzeitig  und  auf  einen 
Schlag  eingetreten  sein  müste.  Weitaus  mislicher  aber  wird  das  Ding 
da  wo  der  alte  unumgelautete  Vocal  schon  in  früher  Zeit  vollständig 
aufgegeben  war,  also  z.  B.  bei  den  Verben  sentjan,  wentjan,  prennan 
durch  die  gesammte  Conjugation  hindurch  nirgends  mehr  zum  Vorschein 
kam.  Der  Hergang  wäre  sentüa,  sentta,  santa,  das  Bewustsein  des  äl- 
teren santjan  hätte  sich  also  auch  hier,  anders  als  jetzt,  wo  Wenige 
den  Ursprung  des  e  in  senden  noch  ahnen,  lebendig  erhalten  und  ab- 
gesehen von  dem  auch  hier  anzunehmenden  Sprunge  des  senta  zu  santa 
würden  alle  sogenannten  rückumgelauteten  Formen,  sollte  der  Name 
Sinn  und  Geltung  haben,  natürlich  die  jüngeren,  die  umgelauteten  sen- 
tüa notwendig  die  älteren,  voraufgegangenen  sein.  Das  ist  aber  wenig 
wahrscheinlich  zu  machen,  wenn  auch  umgekehrt  die  bekanntUch  schön 
von  dem  Übersetzer  des  Isidor  beliebten  chennida,  sendida,  setzida  da- 
rum nicht  als  die  spätesten  gelten  sollen*)  und  so  ist  denn  der  Versuch 
erlaubt,  die  in  Frage  stehende  Erscheinung  auf  anderem,  vielleicht  ein- 
facherem und  natürlicherem  Wege  zu  erklären. 

Die  ahd.  sentjan,  wentjan  sind  so  gut  wie  z.  B.  trenkjan  oder  selbst 
hringan  auf  ältere  sanijan^  wantjan^  trankjaUy  hrangan  zurückzuftthren, 
deren  altes  und  ursprüngliches  a  teils  unmittelbar  erhalten  ist,  wie  in 
got.  sandjan,  vandjan,  dragkjan,  altfries.  branga**),  teils  in  nominalen 
Bildungen  Bestätigung  findet.  Von  einem  Ablautsverhältnisse,  welches 
Ghrimm  GDS.  850  fUr  dragkjan  :  drigkan  annahm,  oder  von  der  noch 
beliebteren  Zurückf  ührung  des  dragkjan,  hrannjan  auf  die  starken  Prä- 
terita  drcyk^  brann  darf  nicht  mehr  die  Rede  sein,  seit  der  Wechsel 
von  brinnan  :  hrann,  giban  :  gab,  gaf  selbst  richtig  erkannt  ist. 

Von  den  in  der  älteren  Zeit  des  Hochdeutschen  sicher  annehm- 
baren a-Formen  würden  die  Praeterita,  den  gotischen  gleich,  zunächst 
nur  santita,  waTdüa^  tranküa,  lagita,  die  Participien  santit,  vxintit,  lagü 
usw.  gelautet  haben  und  damit  war  denn  Veranlassung  zu  beiden  Bil- 
dungen gegeben,  einmal  zu  der  verkürzten  mit  ausgestoOenem  Ablei- 


*)  In  den  Fragm.  Theot.  stand  neben  cp.  7»  23  »4izzUa  nach  ed.  2  S.  46  in 
cp.  29,  19  vielleicht  saxta  und  Grimms  Regel  fflr  das  Part.  Praet.  bei  K«  nnd  N.  Gramm. 
1^  1010:  kipreimU,  kiprcMtir,  aber  nicht  kiprarU,  zeigt  schon  das  in  der  Hauptsache 
unterschiedloee  Nebeneinanderbestehen  beider  Bildungen,  anderer  Denkmäler  zu  ge- 
schweigen. 

**)  Gotisch  hrahta  kann  nicht  von  hriggan  kommen,  sondern  neben  letzterem  wer- 
den wir  wol  ein  braggan,  braggianf  anzunehmen  haben,  entsprechend  dem  alts.  brengian, 
noch  heute  nd.  brengen  neben  bringeriy  wozu  hrakia  wi<)  thahta  zu  tkagkjan  stehen  würde. 

4* 


52  ALBERT  Hü^FER 

tungsvocal,  santa,  hranta,  sazta,  die  das  Gotische  offenbar  schon  z.  B. 
in  hrdhtay  tkahta  entwickelt  hat,  sodann  zu  der  uragelauteten  ^entita, 
hreiinita,  sezzita.  Santa  ist  also  nicht  aus  sentita,  sondern  neben  ihm 
und  gleich  ihm  aus  santita  entwickelt.  Ebenso  bei  dem  Particip  gtsant 
und  gisentit  beide  aus  gisantit  und  ebenso  bei  den  anderen  umlautfähi- 
gen Vocalen;  ebenso  auch  in  der  Declination  wo  im  Dativ  Sg.  hanti, 
händig  heräi,  hendi,  hende  und  später  hant,  makti  und  schon  in  Pa.  und 
K.  makty  von  anst  nur  ensti  und  anst*),  von  chraft  nur  chrefti,  dann 
nahti  und  naht;  kiwalti,  giwelti  und  giwaü  u.  a.  im  Ahd.  neben  einander 
bestehen.  Daß  die  kürzeren  im  Ganzen  die  späteren  sein  werden,  ist 
zu  erwarten ;  indessen  kommen  sie  schon  frühe  genug  neben  den  vollen 
vor,  um  meiner  Auflfassung  des  Verhältnisses  kein  Hindernis  in  den  Weg 
zu  legen,  ohnehin  kann  man  überall  wo  die  Endung  und  damit  der 
Umlaut  fehlt,  vielleicht  unflectirte  Formen  anzunehmen  haben,  daher 
denn  im  Mhd.  Genitive,  zumal  Dative  dieser  Art  (z.  B.  hant^  kraft, 
tat  u.  ä.)  soviel  häufiger  als  im  Althd.  begegnen. 

In  Betreff  der  Y^rba  weiß  ich  die  vermuteten  Praeterita  freilich 
nicht  nachzuweisen  **) ,    allein  Participia   voller  und   unumgelauteter 
Form,  wie :  arwachity  casojzzit,  zasacit,  arwagit  remotum,  garachü^  canam^ 
nit,  cafastit,  archannitj  arhskit,  bieten  insbesondere  die  Pariser  und  an- 
dere Glossen,  aus  denen  sie  auch  in  den  Sprachschatz  geflossen  sind, 
in  nicht  geringer  Anzahl.  Außerdem  begegnen  alles  in  allem  eine  Menge 
einzelner  praesentischer  Verbalformen,  die  uns  das  zwar  unzweifelhafte 
aber  als  längst  völlig  verschwunden  betrachtete  alte  a  lebendig  vor 
Augen  führen,  z.  B.  Graff  1,  662  erauakhit  prae(ci)pitat,   gl.  Ker.  bei 
Hattemer  1,  227,  in  Ra.  Diut.  1,  269**  aruuankit'^  arwwacÄiY  incitat  Pa. ; 
uuantenti  Pa.  uuententi  Ra;  aruuantit  evertit  Pa;  uvxirit  zu  werjan,  ve- 
tat,  prohibet  Pa.  K;  piuttariantem  K.  =::  piuttargentem  Pa;    analagkende 
abinmittentes  Pa.  {analojzcente  K.);  filakit  reponit  K;    Inf.  a/rktsken  ex- 
tinguere  Pa ;  über  ra^hendi  citatus ,  agilis  in  lingua  und  rachenteo  vgl. 
Grafi"  2,  365;   mastenti  Pa,  mastendan  alendum  gl.  K;  erste  und  dritte 


*)  Grimm  spricht  in  Bezug  auf  ensit^  anst  nicht  seihst  von  Rückumlaut,  s.  1'  620. 
677,  desto  öfter  Andere,  z.  B.  Vilmar  ed.  5  S.  20  und  Kelle  Vergl.  Gr.  1  S.  146.  Übri- 
gens sind  die  obigen  Formen  aus  Gra£f  genommen,  das  daselbst  fehlende  anat  ans  dem 
Freis.  Vat  Uns.  bei  Docen  2,  290  »Gr.  1,  620;  vgl.  Kelle  a.a.O.  146.  153;  Dietrich 
Histor.  Ded.  27.  Man  wird  solche  Formen  mit  O.  Schade  also  wol  in  die  ahd.  Para- 
digmen aufzunehmen  oder  doch  nicht  völlig  unbeachtet  zu  lassen  haben, 

**)  Ein  sehr  altes  rahata  porrexit  Graff  2,  366  aus  Docens  Glossen  in  Aretins  Bei- 
trägen (Da)  neben  rahta^  rehkita  wage  ich  nicht  in  Anschlag  zu  bringen. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  53 

Pers.  Praes.  Sg.  archanniu,  archannit  nebst  Part.  Act.  archannenti  Pa., 
trchannendt  gl.  K.  110;  dacchib,  thacchit  gl.  K.  18,  thahent  ih.'^  Inf. /ar- 
santan  amittere  Pa.  141"  =  forsantan  gl.  K.  17 ,  farsaintan  Ra ;  Inf. 
casaceriy  zweite  und  dritte  Sg.  praes.  casacis  (kisezzis  K.),  casacit  (kisaz- 
zu  K.),  pisadt  instituit,  zaaacis  exponis,  zasacit  destituit  (zisezzit  K.) 
neben  dem  Partie,  zasacit  (zisezzit  K.)  destitutus  Pa. 

Diese  meist  aus  öraff  oder  direct  aus  den  Pariser  und  s.  g.  Ke- 
ronischen  Glossen  entnommenen  Beispiele,  welche  sich  ohne  große  Mühe 
vermehren  ließen,  geben  volles  Zeugnis  für  das  einstmalige  Vorhanden- 
sein des  alten  a  wie  im  Participium  Praet.  Pass.  vor  erhaltenem  i, 
so  im  Praesens,  Infinitiv  und  Partie.  Act.  und  so  dürfte  wer  Lust  hätte 
auch  z.  B.  mfarsanJtan  denselben  von  Grimm  1*  870  z.  E.  beim  Praesens 
vermisten  s.  g.  Rückumlaut  annehmen,  den  man  in  farsavia  u.  a.  ge- 
funden hat.  öraff  war  vollberechtigt  diese  Verba,  wie  er  zum  Teile 
getan,  als  sardjan,  faljan,  sazjan  anzusetzen,  sie  haben  einmal  durchweg 
gegolten  und  sicherlich  in  weiterem  Umfange  als  das  Althochdeutsche 
erkennen  lässt.  Das  zeigt  in  manchen  Fällen  noch  das  Mhd.  und  in  eini- 
gen selbst  das  Neuhd.  das  mehr  altes  bewahrt  hat,  als  es  nach  Grimms 
wunderlicher  Behauptung  1*987  scheint.  Aber  der  Umlaut  griff  alsbald 
mit  zerstörender  Gewalt  ein  und  ließ  das  alte  a  nur  da  fortbestehen 
wo  es,  durch  Zusammenziehung  gesichert,  unantastbar  geworden  war. 

Unser  sante  zu  sendete,  gewant  zu  gewendet,  oder  kannte,  gekannt 
zu  kennt  oder  das  von  Grimm  geleugnete  rannte,  gerannt  zu  rennt  liegt 
in  der  Hauptsache  genau  so  wie  schcm  zu  schoen,  fast  zu  fest  und  will 
man  dafür  einen  besonderen  Namen,  so  wird  man  statt  des  als  unwahr 
aufzugebenden  Rück  Umlauts,  dem  man  gleichwol  schon  eine  Rück- 
brechung nacherfdnden,  sich  mit  dem  einfachen  Nichtumlaut  zu 
begnügen  haben. 

XVII.  Zu  Particip  und  Gerundium. 

Die  althochdeutschen  Glossen  gewähren  gerade  fllr  die  hier  ge- 
nannten beiden  Formen  eine  Menge  lehrreicher  Beispiele  die  von  Grimm 
mit  seiner  wunderbaren,  allumfassenden  Umsicht  und  Spttrkraft  keines- 
wegs ganz  übersehen,  aber  doch  nicht  immer  schon  Vollständig  ver- 
wertet und  ausgebeutet  scheinen.  Auch  Graff,  der  unvergessliche  und 
unentbehrlichie  Meister,  aus  dem  auch  diejenigen  ein  gut  Teil  ihrer 
Weisheit  zu  holen  pflegen,  die  ihn  oft  am  unwürdigsten  behandeln, 
hat  sie  sich  nicht  entgehen  lassen,  aber  er  hat  bei  seiner  auf  das  Ein- 
zelne gerichteten  Arbeit  eins  und  das  andere  vielleicht  nicht  immer 
ganz  richtig  beurteilt  und  eins^ereiht.  Ohnehin  hat  man  oft  Mühe,  das 


54  AI.BERT  HCEFER 

Zerstreute,  wenn  man  es  sonst  nicht  schon  kannte,  bei  ihm  herauszu- 
finden. Ich  beabsichtige  durchaus  nichts  vollständiges,  sondern  hebe 
nur  heraus,  was  mir  vorzugsweise  Beachtung  zu  verdienen  scheint. 

1.  Die  Glossen  bieten  eine  erstaunliche  Menge  von  Substanti- 
ven, die  mit  der  Form  der  Participia  Praes.  Act  fast  äußerlich  ganz 
zusammenfallen,  so  z.  B.  mit  nt  oder  mit  nd  und  von  kleinen  Abwei- 
chungen der  einzelnen  Sammlungen  bei  öraff  Diut.  1  oder  Hattemer  1, 
auf  die  ich  mich  beschränke,  abgesehen,  nparfleozzandi  afSuentia,  uuin- 
nanti  vexatio,  choronti  conatus,  prinnanti  ardentia,  »prehanti  eloquentia, 
suudkhendi  flagor,  kepandi  und  anstanti  gratia,  harenti  clamor,  deoh  sla- 
hanti  plausus,  püehanti  spectatio  u.  A. 

Graff  stellt  diese  Bildungen  meist  ohne  Unterscheidung  zu  den 
Part.  Act,  bei  upa/rfleozzandi  jfragt  er  'subst?';  Grimm  der  2,  342  noch 
keine  bestimmte  Kenntnis  von  ihnen  hatte,  sie  aber  2,  1003  reichlich 
belegt  und  3,  528  dem  mhd.  diu  wizzende  vergleicht,  bezeichnet  sie  als 
von  dem  Part.  Praes.  gebildete  Feminina,  doch  fiigt  er  hinzu:  'oder 
wären  es  Neutra  auf  andi,  wie  heute  das  Tröstende,  Erhebende?  vgl. 
Koros  Bened.  Reg.  20  heilanti  dm  salutare  tuum,  und  die  altn.  indi\ 
wie  hindindi  abstinentia,  hyggindi  sapientia,  Gr.  2,  343. 

Aber  gerade  heHantü  diin  qhuad,  so  bei  Graff  4,  870  =  Hattemer 
Cap.  n  S.  37  Z.  5,  erweist  das  Femininum  und  dies  ergibt  sich  deut- 
licher aus  Rb  bei  Graff  Diut.  1,  505  tub§  et  clangoris:  des  hornes  inti 
dera  chlinganti,  s.  Sprachsch.  4,  563. 

Das  Femininum  dieser  Participialbildung  ist  also  erwiesen*  und  so 
werden  wir  hier  wol  eine  eigene  Abstractbildung  mit  altem  Thema  id 
anzuerkennen  haben,  ähnlich  wie  die  lat.  auf  rkJday  oder  dürfte  man  un- 
mittelbarere Berührung  mit  dem  alten  Fem.  der  Part.  Act.  aft,  antt, 
ov6a  ftlr  oi/rtcx,  also  auch  mit  den  masculinen  Formen  des  Stammes 
ntia  annehmen,  vgl.  farlihantian  Diut.  1,  266  ?  *) 

2.  Ob  diese  Bildungen  jedoch  nur  gen.  fem.  waren,  oder  ob  auch 
Masc.  oder  vielmehr  Neutra  auf  i  daneben  bestanden,  ist  hiemit  noch 
nicht  ausgemacht.  Ich  beziehe  mich  bei  der  Annahme  solcher  weniger 


*)  Wie  sich  dazu  femer  HdL  782  ihe  neriandio  kristj  Isid.  33,  11  nerrendeo, 
fragm.  theot.  31,  17  nergenteo^  gl.  Ker.  173  nergimdOf  IdhaUhamdeo;  raeJienteo  Diut.  1, 
219  u.  a.  verhalten,  nntersuche  ich  hier  nicht  weiter,  erinnere  aber  an  Grafif  4,  563: 
ehlinganta  vorago,  Diut  1,  229  cherranto  toant  -»  gl.  Ker.  134  kherrando  (Hs.  urspr. 
nfd)  toant,  lat  trepitum  und  trepitatum  (sie)  faciunt,  neben  amelzanti  tuanti,  liquefaciens, 
Dint  1,  611,  luuintan  tuat,  tabefacit,  ib.  627,  so  da(S  sogar  in  hofoimanutUa  contio 
Par.  172  etwas  anderes  als  Jdsamanunffa  Ra.  ib.  stecken  könnte? 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  55 

auf  die  bekannten  nd.  dcU  etent,  daJt  ackngerd,  des  Itdendes  (s.  meine 
Zeitschrift  3^  195)  oder  auf  das  Altnordische^  wo  guedandi,  hyggiandi 
nach  Grimm  2,  342  auch  als  masc.  gen.  angesehen  sind,  als  vielmehr, 
da  mammunti  f.  und  n.  nach  Gr.  2,  344  nicht  hieher  gehören  soll,  auf 
die  flexionslosen  t-Formen  und  namentlich  auf  die  s.  g.  partici- 
pialen  Adverbia. 

Solche  Adverbia  auf  0,  welche  sich  bei  Otfrid  und  im  Tatian 
(ir  gSt  drüirentOy  Gr.  4,  125;  hibento)^  häufiger  bei  Notker  finden,  be- 
gegnen oftmals  in  den  Glossen,  z.  B.  Diut.  1,  274  suigento  silenter,  oder 
takendo  tskcitej  folgende,  horendo,  stozento,  betondo.  Nicht  selten  entsprechen 
sie  lat.  Gerundien:  non  asserendo,  nolas  zuarathonto;  subdendo,  untar- 
tuanto  etc.  und  so  kommt  man  schon  unwillkürlich  auf  den  Gedanken, 
zumal  in  den  älteren  Formen  dieser  Art  alte  Instrumentale  zu  suchen. 
Ich  sehe  nun  zwar,  daß  Grimm  1,  1019  (vgl.  3,  118.  238)  sie  den  ge- 
wöhnlichen Adverbien  auf  0,  rekto,  scdno^  vergleicht  und  die  Annahme 
eines  Dativ  oder  Instrumentalis,  'welche  auf  emu,  ü  endigen ,  bestimmt 
abweist  Allein  daß  dieses  immerhin  ursprtlngliche  ü  nicht  unverkürzt 
bestand,  daß  u  in  den  ältesten  Quellen  auch  als  0  erscheint  (in  den 
Par.  Gl.  mezzOy  wie  bei  'Otfr.  u)Crto  y  lioho  j  wäfanoj  von  dem  späteren 
o  und  selbst  a  abgesehen,  s.  Dietrich  Hist.  decl.  11,  Kelle  Vgl.  Gr. 
61-63)  ist  jetzt  erwiesen,  und  femer,  wie  hat  man  denn  jenes  ahd. 
liudonteo  (Ra.  liutanto ,  gl.  Ker.  47  :  litähondo)  und  hliäenteo  (K.  lu- 
tendo)  der  Par.  Gl.  168*  neben  lat.  bumboso  sonoso  (=gl.  K.;  in  den 
gl.  Sal.  bumboso  sono)  zu  verstehen?  Es  folgt  caUacento,  gl.  E.  kalazzando 
furibundo.  Dasselbe  Uudando  entspricht  bei  Notker  in  der  Ps.  dem  lat 
in  jubilatione  und  wenn  wir  überhaupt  solche  part.  Adverbien  anzu- 
nehmen  haben,  so  werden  wir  sie  auch  hier  wol  nicht  verkennen  dürfen. 
Oraff  hat  das  erste  2,  200  gar  nicht,  das  zweite  4,  1100  als  P.  A.  be- 
stimmt. Leider  fehlt  uns  der  Zusammenhang,  um  zu  entscheiden,  ob 
diese  dem  Ablativ  gegenüberstehenden  liudonteo  und  hlutenteo  hierüberall 
Nom.  Part  Praes.  sein  könnten,  der  ja  freilich  manchmal  ein  Adverbium 
vertritt.  Aber  auch  hiebei  kommen  noch  auffällige  Dinge  vor,  z.  B. 
neben  gcAunto  festinando  in  Par.  182  daz  ist  cahonti  upartrunehan,  id 
est  subito  in^briatus,  vgl.  unten  no.  4. 

3.  Nur  um  zu  erinnern,  wie  unvollständig  bei  allem  Fortschritt 
doch  noch  hie  und  da  unsere  Kenntnis  des  Altdeutschen  sei,  berühre 
ich  die  Frage,  ob  die  Partie.  Praes.  Act.  auch  Comparative  gestatten? 
Grimm^  3,  584  kannte  keine  ahd.  und  mhd.  Beispiele,  nur  Umschrei- 
bungen mit  bae,  in  den  Nachträgen  ebd.  786  bringt  er  aus  Mone  ein 
späteres:  der  wolredenst  man.  Bei  dem  Part.  Praet  kommen  dergleichen 


56  ALBERT  HCEFER 

häufiger  vor,  fartanosto  (Ra.  furtanosta)  deterrimum  Par.  195  und  einiges 
andere  ist  schon  Gramm.  3,  585  verzeichnet*),  aber  auch  flir  das  ac- 
tive,  im  Neudeutschen  und  im  Lateinischen  so  oft  adjectivische  Particip 
werden  die  Beispiele  nicht  fehlen,  wie  Rb.  525  foroMnentorun  eminen- 
tiores,  Graff  4,  1095,  neben  forahlinenti  eminens  zeigt. 

Dabei  wäre  manche  andere  participiale  Ableitung  und  Bildung 
leicht  weiter  zu  verfolgen,  ich  trage  nur  zu  dem  adverbialen  Genitiv 
unarsuohtes  bei  Grimm  3,  90  aus  den  Schlettst.  Gl.  Haupt  5,  346  un- 
gascawotes  nach,  das  demselben  lat.  inexplorate  entspricht.  Selbst  in  dem 
Niederdeutschen,  dem  man  schöne  Genitive  dieser  Art  kaum  zuzutrauen 
pflegt,  gibt  es  manches  Beispiel,  nicht  bloß  :  tlendes  dot  hUven  Zober 
2,  155,  unvorseendes  Sap.  Sal.  4  zu  Ende,  unvorhodeTis  Ficker  312,  son- 
dern unvorwamdes  Dittmer  154  neben  unghewamedes  QrautofF  1,  427, 
unwaringes  Dittmer  105,  unvorwaringhes  Grautoff  2,  103  usw.,  also  auch 
diese  meist  mit  der  Negation  un. 

4.  Das  flexionslose  Particip  Praes.  Act.  wird  in  allen  Gramma- 
tiken erwähnt,  aber  in  keiner  genauer  bestimmt.  Grimm  1,  1016;  4,  523 
beschränkt  den  Gebrauch  auf  den  Nominativ  aller  Geschlechter,  GDS. 
948  ebenso.  Nur  M.  Heyne  Gr.  264  spricht  das  alts.  helpandi  allen  Ca- 
sus zu.  Ich  bin  nicht  gerüstet  die  Frage  in  Betreff  des  Ahd.  endgiltig 
zu  entscheiden ,  doch  finde  ich  unter  einer  Menge  nachgeschlagener 
Beispiele  die  nti-Form  fast  nur  nominativisch,  selten  accusativisch  ge- 
braucht ,  so  mitunter  bei  Otfrid ,  im  Tatian  cp.  87 ,  3  lebentt  utmzzar 
mehrmals  filr  aquam  vivam,  noch  seltener  fiir. andere  Casus,  wie  das. 
87 ,  4  brunno  uitazzares  ufspringanti ,  aquae  salientis ,  also  wenigstens 
fftr  den  lat.  Genitiv.  Und  so  wie  hier  kann  es  denn  ohne  Zweifel  auch 
andere  Casus  vertreten  und  die  alten  Glossen  stellen  es  unflectirt  in 
der  einen  Gestalt  oft  genug  allen  Geschlechtem,  Zahlen  und  Casus, 
wie  Substantiven  sogar  auch  Adverbien  gegenüber.  So  als  Genitiv 
Diut  1 ,  220  uffontt  f.  uberis ,  174  ampahti  intfahanti  f  officium 
clientis;  als  Dativ  Sg.  194  uncimdhhardi  f.  devictissimo ;  als  Accu- 
sativSg.  266  trSstenti  f.  paraclitum;  als  Genitiv  PL  521  fartraganti 
f.  suferentium;  als  Dativ  oder  Ablativ  PI.  227  ceohanti  f.  nutritus 
und  f.  nutriendis,  248  unchunnenJbii.  inexpertis  neben  unchunstigem  und 
uncalaertan  f.  indootis;  vgl.  278  zilefnJbe  f.  conatibus,  das  Graff  als  züen- 
tem  erklärt,  so  wie  Haupt  5,  349  aus  den  Schlettst.  GL,  Hs.  des  er- 
sten Viertels   des  12.  Jhd. ,    aUisonte  f.    differendo    (Graff  1 ,  202   aUa- 


*)  Von  durftera  im  Boethius,  das  Grimm  3,  90  als  Part.  Praet.  ansieht,  anders  . 
Graff  5,  208,  sehe  ich  dabei  ab.    Davon  später. 


ZUK  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  57 

sonto  :  dißerente)  ,  so  dali  auch  hier  der  Zweifel  bestehen  bleibt ,  ob 
nicht  mitunter  statt  unflectirter  Formen  Reste  alter  Casus  annehmbar 
seien.  Andere  wie  D.  1,  238  pitd/panti  f.  humandi,  175  opoquemanti  f.  pro- 
ventu,  264  hneigenti  f.  obsidione,  262  suepenti  f.  nando,  suimmanti  f. 
natando  werden  aber  wol  fem.  Subst.  sein. 

5.  Im  Anschluß  hieran  ist  nun  noch  ein  Blick  auf  die  Bedeu- 
tung zu  richten,  die,  wie  sich  aus  einigen  der  obigen  Beispiele  bereite 
ergab,  nicht  selten  erheblich  abweicht,  d.  h.  statt  der  des  activen  Part. 
Praes.  der  lat.  Form  der  Glossen  zufolge  vielmehr  eine  passive  oder 
gerundivische  zu  sein  scheint.  So  oben  in  ceohantiy  das  von  «ioAan, 
ziehen,  auch  nutrire,  doch  nur  nutriens  bedeuten  könnte.  Aber  derlei 
kommt  sehr  oft  vor  und  wenn  Grimm  4,  113  als  dem  Isländischen  eigen  • 
z.  B.  aÜ  er  segjanda  alles  ist  zu  sagen,  oder  varla  er  trüanda  vix  est 
credendum,  anfahrte,  so  finden  wir  hier  221  quedanti  dicenda,  in  K. 
chiuitethandy  spr ehhanti  loquenda,]  171  yrogrenit  interrogamini,  K,  61  fra- 
kendi*  240  fu/rahtenti  metuendus ;  258  terienti  lesus,  K.  178  teriendi\ 
260  gmekenti  mulcendus,  in  K.  191  mit  di]  243  traganti  importatus  = 
K.  151 ;  K.  152  unferaehandi  invisus  und  ther  ni  kisihit  qui  non  videtur, 
wo  in  Par.  244  unfarhehanti  y  Ra.  unfarreihardi '^  251  histillandi  naht 
intempesta  nox  =  K.  163;  256  unuuanenti  inopinata  =  K.  171.  Ebenda 
uncadolentUh  intolerabilis,  uncatracantUh,  unarlaupentUh,  diese  fast  ganz 
gleich  in  K. 

Dem  Ahd.  hat  Grimm  4,  64  nichts  dieser  Art  nachzuweisen  ge- 
wust,  das  Mhd.  und  auch  Mnd.  bietet  um  so  mehr  Vergleichbares,  z.  B. 
klagende  n$tj  ditz  ansehende  leit,  nhd.  tragende  Kleider,  essende  Ware  etc. 
S.  Grimm  a.  a.  0.,  Bartsch  zu  B.  v.  Holle  S.  209,  meine  Zeitschr.  4,  197. 

Von  den  obigen  Beispielen,  die  sich  leicht  hätten  häufen  lassen, 
mögen  einige  wenige  auf  Misverständnis  beruhen,  wie  denn  bekanntlich 
die  hier  deshalb  fast  ganz  aus  dem  Spiel  gelassenen  Deponentia  oft 
als  Passiva  genommen  wurden,  s.  Gr.  4,  13  Anm.,  andere  sind,  wie  die 
Varianten  erweisen,  ofienbar  verderbt,  die  meisten  aber  sind,  entspre- 
chend den  neueren,  gewis  richtig  und  ebenso  wie  diese  leicht  erklärlich, 
wie  eine  Erklärung  denn  auch  längst  richtig  versucht  ist.  Auffällig  ist 
dabei  ther  ni  kisihit  der  nicht  sieht  (im  Sinne  von  aussieht?)  wo  kein 
Sehen  ist;  terienti  flir  laesus  (Tat.  168,  11  untaronti  innocens)  wo  Scha- 
den, Verletzung  ist  usw. 

Aber  dabei  springt  doch  recht  deutlich  jene  Berührung  mancher 
activer  und  passiver  Formen  in  die  Augen,  auf  die  ich  mich  schon 
sttltzte,  als  ich  in  früher  Zeit  die  Identität  z.  B.  von  docens,  docendus, 
docendum,  oder  von  seqaens  und  secundus  u.  dgl.  behauptete,  die  ich  im- 


58  ALBERT  HCEFER 

berückt  durch  allerlei  ältere,    neuere  und  neueste  Versuche  heute  nur 
um  so  zuversichtlicher  festhalte*). 

6.  Und  dabei  tritt  denn  die  weitere  Frage  an  uns  heran,  ob  sich 
hiemach  nicht  flir  unser  mit  zu  verbundenes  Partie ip  eine  ganz 
andere  Auffassung  ergebe,  ob  es  überhaupt  so  jung  sei  wie  man  an- 
nimmt? Die  Praepos.  zu  wird  ohne  Zweifel  dem  Gerundium  verdankt, 
aber  daß  sie  nun  auch  mit  den  Part.  Act.  sich  verband  und  dies  dann 
flectirt  eine  neue  Bildung  ergab,  das  scheint  durch  Formen  wie  die 
vorhin  in  Nr.  5  erwähnten  veranlasst  oder  doch  erleichtert,  wol  erst 
ermöglicht.  Ausdrücke  wie  im  Tatian  180  z.  E.  buoh  ihio  zi  scrtbanne 
sint ,  libri  qui  scribendi  sunt ,  hätten  unser  'zu  schreibende  Bücher 
nicht  entstehen  lassen ,  mein  ich ,  wäre  nicht  daneben  schon  'schrei- 
bende Bücher  (cf.  oben  quedanti  dicenda)  in  fast  gleichem  Sinne  be- 
standen, unser  nd  ist  mir  hier  also  nicht  aus  dem  nn  des  Gerundiums 
erwachsen,  sondern  es  gehört  dem  wirklichen  Particip  Praes.  Act.  an^ 
wie  fö  hitande,  Ustande  im  Altfriesischen,  td  bdtende,  td  getende  im  Niederd. 
regelmäßig,  ze  tragende  selbst  im  Mhd.  hin  und  wieder  als  Gerundium 
auftritt. 

Dergleichen  Formen  sind  nun  fiir  das  Althd.  nicht  bloß  zu  er- 
warten, sondern  auch  wol  nachweislich  und  schon  Graff  4,  423  hat 
Koros  ze  chundande  nuntianda  statt  zi  chundanne  und  aus  cateches. 
theot.  ze  habende  bereits  gegen  Gramm.  4,  113  geltend  gemacht  und 
wenn  ich  nicht  irre,  sind  noch  andere  Zeugnisse  vorhanden.  Man  könnte 
versucht  sein,  dahin  in  Ra.  204  zisceidenti  flir  distinguuntur ,  neben  za- 
sceidane  Par.,  aber  in  K.  99  zisceithenne  zu  rechnen,  allein  durch  un- 
ciscetdenti  u.  a.  wird  dies  doch  unwahrscheinlich.  Ebenso  wenig  kommt 
auch  uncimahhontt  in  Betracht,  obgleich  zimahkdn  sonst  nicht  belegbar 
und  wunderlich  genug  ist. 

7.  Das  Gerundium,  das  noch  unvertilgbar  in  allen  Köpfen  und 
Lehrbüchern  als  flectirter  Infinitiv  fortspukt  ,  ist  doch ,  Dank  dem 
kostbaren  altsächsischen  hehianniaa  neben  liagannaSj  fldkanna  schon  im 
J.  1837  von  J.  Grimm  4,  105  richtig  gewürdigt  und  es  macht  einen 
heiteren  Eindruck,  wenn  er,  der  bei  wiederholter  Besprechung  der  Form 
einmal  minder  treffend  geurteilt  hatte,  fast  30  Jahre  später  noch  alles 
Ernstes  in  den  Denkmälern  484  belehrt  wird,  y^nn  habe  sich  aus  i  ent- 


*)  Solche  Yersuche  die  uns  hier  schon  angehen,  leiten  auf  ana-dkd,  oder  auf 
ono-doy  6n-doj  oder  gar  auf  skr.  suff.  antja  zurück,  aus  dem  wie  in  jemand  neben  man 
ein  mehr  als  dunkles  d  aufschießen  soll,  im  Grunde  doch  bloß  deshalb,  weil  man  nach 
erfundenen  Lautgesetzen  lat.  nd.  für  nt  nicht  als  erlaubt  einräumen  zu  dürfen  glaubte. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNO.  59 

Wickelt".  Grimm  sagte  aber  wörtlich  und  deutlich  genug:  die  ahd.  Ge- 
mination nn  tritt  sehr  oft  an  die  Stelle  von  ni,  also  armes  fUr  anies  wie 
ehtmnea  filr  got.  kunjis  etc.  Dazu  hatte  sich  denn  bekanntlich  auch 
schon  Koene  im  J.  1860  bemüht,  gleichfalls  ohne  Grimms  Berichtigung 
zu  kennen,  das  immerhin  aufi^lige  nni  durch  Vergleichung  der  gewöhn- 
lichen alts.  hebbian,  Uggian,  settiaUy  mirmiay  den  Gen.  durch  ImpräkidSy 
hitias  der  Beichte,  den  Dat.  durch  to  äldsannea  C  neben  äldsienne  M  H^l. 
523  ed.  H.,  sowie  durch  te  seggennea  M  neben  te  giseggeanne  C  H^l. 
1839  H.  zu  erklären,  das  Ganze  aber  als  ein  adject  Ntr.  hdaianni, 
Uagamd  etc.  anzusetzen.  Und  Koene  wies  dabei  auf  anderes  Einschla- 
gende hin,  was  wieder  die  Glossen  bestätigen. 

Die  Declination  dieser  deutlich  auf  ein  Thema  nia,  nja  zurück- 
weisenden Formen  macht  keine  Schwierigkeit  und  wie  sich  stteriannias 
schon  durch  hwnneaa  neben  kunnies  im  Hei.  erläutert,  so  begreift  sich 
neben  gibdtianna,  za  guedanne  das  dativische  ti  ßrthakenni,  zi  qu^thanm 
Keros  172,  ti  ßnthanni  246  (ib.  zi  spuregenne)  sofort  durch  die  alts.  Da- 
tive kunnea^  kunnie,  seit,  heri,  wo  das  Geschlecht  nichts  ausmacht. 
Auch  bei  Otfr.  herie  und  heri,  wenn  auch  vor  folgendem  Vocale,  4, 
4,  62,  ist  in  Anschlag  zu  bringen. 

Dabei  zeigt  sich  die  substantivische  und  wiederum  die  verbale 
Natur  des  Gerundiums  zunächst  in  der  aus  Otfrid  bekannten  Verbin- 
dung mit  dem  Artikel  und,  neben  dem  Genitiv,  auch  mit  dem  Object- 
casus  des  Verbums.  Einiges  der  Art  aus  Otfrid  und  Notker  hat  Grimm 
3, 538 ;  4,  400  berührt  Man  vgl.  Diut.  1  in  den  Reich.  Gl.  b.  S.  497  waz- 
zaro  des  scotwnnes  f.  aqua  lustrationis,  503  des  zuaplasannes  f.  adspira- 
tionis^  500  zi  uaranne  uuikantero  f.  das  misverstandene  ir^  bellantium,  das 
gleich  wunderliche  lachanes  naffizanne  524  filr  pannis  tormicio  (dormi- 
tione?)  *),  dann  wieder  499  zafuattanne  fihiu  f.  ad  alenda  iumenta,  524 
zi  kimelehanne  miluh  f.  ad  eliciendum  lac,  wobei  man  sich  dann  leicht 
an  NibeL  *daz  ir  mich  vil  swachez  grüezen  taoi  u.  dgl.  bei  Grimm  4, 
716  erinnert. 

Bemerkenswert  ist  hiebei  femer  der  dem  lat.  Ablativ  entspre- 
chende Instrumental  oder,  wenn  man  das  vorzieht,  instrumentale 
Dativ  des  Gerundiums,  den  ich  hier  oben  in  naffizanne  vermute  und 


*)  Ich  erwähne  dabei  Otfr.  5,  23,  66  liuto  fillenne$^  noh  fiuret  hrennenne»,  Anßeiv 
dem  Diut.  1,  233  caleran  managero  f.  collectio  multorum,  nur  in  Par.,  vielleicht  Fehler. 
Auf  226  wechseln  lohacen  f.  falmen  und  lohaeenes.  Und  ebenso  steht  181  *  K.  66  in 
Hhnnu  th&narormes  f.  in  Toce  tonitruarmn.  Dazu  bei  Graff  4 ,  928  fcne  dero  chenun 
haUenne  \\,  a.  aus  M.  Cap. 


60  ALBERT  HCEFER 

noch  manchmal  finde ,    so  525  flehonne  f.  adulatione,  528  minnironne  f. 
diminucione,  vielleicht  518  prennanne  f.  concremacione(m)  u.  dgl.  m. 

Daß  der  Dativ  des  Gerundiums  auch  bei  anderen  Praeposi- 
tionen  als  ziy  za  steht,  was  im  Heliand  nicht  der  Fall  sein  soll,  z.  B. 
515  in  liuhtanne  edo  in  scouonney  befremdet  nach  dem  Gebrauch  bei  Otfrid 
und  in  anderen  Denkmälern  nicht ;  dagegen  ist  515  ztia  zi  kafuacanne 
f.  ad  iuncturas  bemerkenswert,  Grimm  4,  104  Anm.,  wenn  es  nicht  etwa 
für  zi  ztiakaf,  verschrieben  ist,  GrafF  3,  424. 

Nach  alledem  fragt  sich  zuletzt,  ob  das  Gerundium  auch  in  an- 
deren Casus  nachzuweisen  sei  als  im  Genitiv  und  Dativ  des  Singularis  ? 

Das  oben  angenommene  Thema  -nia,  das  sich  zum  Infinitiv  for- 
mell fast  so  verhält,  wie  die  skr.  Ableitung  an-xja^  anxja  zu  dem  im- 
serem  Infinitiv  verwanten  Suffix  ana,  berührt  sich  eines  Teils  offen- 
bar mit  der  überaus  häufigen  ahd.  Femininbildung  auf  n^,  welche 
Grimm  2,  162  lediglich  als  eine  auf  das  Gebiet  des  Strengalthochdeut- 
schen beschränkte,  dem  Got.  Ags.  und  Altnord,  ganz,  dem  Mhd.  fast 
ganz  abgehende  Bildung  von  dem  Part.  pass.  freilich  wol  mit  Recht 
betrachtet.  Aber  dabei  kommen  Ausnamen  imd  Abweichungen  vor, 
die  nicht  durch  eine  hie  und  da,  z.  B.  in  kilitini,  haüini  wol  annehm- 
bare Assimilation  zu  beseitigen  sind,  wie  giheUani,  ir-  und  dv/rdhquemani 
bei  Grimm  in  der  Note,  irquemani  und  a/rchueman  (sie)  als  Dative  bei 
Graff  4,  674,  ir-  und  anthahani  (s.  GrafF  4,  736),  uncaraisni  u.  a.,  wäh- 
rend wparbrunchani  Diut.  1,  182  f.  aebrietas,  untaruuoraffani  502  f.  sub- 
iectio,  pinomani  condemnatio  und  die  meisten  der  reichhaltigen  Grimm- 
schen Sammlung  schlagend  auf  das  Particip  weisen.  Auch  das  genus 
fem.  steht  wol  fest  genug,  vgl.  Diut  505  dera  kilitini  £  transituri^,  509 
dera  unbipifangani  f.  coronae  usw. 

Indessen,  scheint  es,  werden  hieneben  im  Anschluß  an  den  Infi- 
nitiv auch  wol  Neutra  auf  i,  ia  bestanden  haben,  kasiuni  für  kasihvani 
ist  fem.  und  ntr.,  arquemani  pavor,  gihellani  responsio  (obgleich  qaemaUj 
gihellan  auch  Particip) ,  deren  Dative  ebenso  lauten,  können  sehr  wol 
Neutra  sein  und  zugleich  Gerundia,  deren  Dative  eigentlich  arquemanne, 
gihellanne  sein  würden,  aber  gemäß  den  obigen  Beispielen  hier  S.  59 
auch  auf  i  ausgehen  konnten,  also  quemanni. 

.  Solche  Neutra  werden  mit  aller  Bestimmtheit  fiir  die  uns  bekann- 
ten, sehr  merkwürdig  auf  Genitiv  und  Dativ  beschränkten  Gerundial- 
formen  vorausgesetzt  werden  dürfen;  sie  sind  zum  guten  Glücke  aber 
auch  durch  drei  bisher  unbeachtet  gebliebene  plurale  Dative  erwie- 
sen, welche  sich  wieder  in  den  wertvollen  Reichenauer  Glossen  Rb  'viel- 
leicht noch  des  achten  Jhd  *  finden.  S.  505',  505**  und  523** : 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMKNI'ORSCHUNG.  Ol 

1  troffizzannum  &Xr  lat.  constillationibus,  Graff  5,  529; 

halsannum  für  lat.  amplexibus,  ib.  4,  928; 

utianchonnum  für  lat.  nutibus,  ib.  1^  720. 
Graff  fragt  bei  dem  ersten :  ist  es  als  Inf.  Dat.  PL  anzusehen  ?  Das 
zweite  nennt  er  Dat.  PL  des  Infin.  als  Substantiv.  Das  dritte  stellt  er 
nicht  unter  wanchdn,  sondern  unter  vnnk  mit  der  Frage:  ist  es  richtig 
oder  in  uuinclmm,  uuinchungen  zu  verbessern?  Allein  es  ist  sicher  rich- 
tig, so  gut  wie  die  anderen  beiden,  toanchdn  ist  nur  eine  andere  Form 
fOr  imnchjarif  dessen  altes  a  wie  bei  bringen  noch  heute  in  wenken^ 
brengen  (s,  hier  Nr.  XVI  S.  51)  erhalten  ist 

Unsere  drei  Formen  verhalten  sich  zu  den  Genitiven  troffizannes9 
halsannes,  utumchonnea  genau  wie  Dat.  pl.  kunnjum  oder  kunnum  zum 
Gen.  sg.  kunnjes  oder  kunnes,  ■—  und  so  ist  denn  nun  die  Declination 
des  Gerundiums  um  einen  sicheren  Casus,  wie  ich  denke,  erweitert. 

XVIII.  Das  intensive  in. 

Das  s.  g.  intensive  oder  verstärkende  in  vor  Adjectiven  und  Sub- 
stantiven, das  den  meisten  deutschen  Sprachen  gemein  und  ebenso  flig- 
lich  neuhochdeutsch  wie  angelsächsisch,  holländisch  und  niederdeutsch 
wie  altnordisch  genannt  werden  darf,  ist  unlängst  öfter  besprochen 
worden,  dreimal  allein  von  Dietrich,  der  es  als  'eine  wichtige  Seltenheit' 
bezeichnete,  wogegen  es  Grein  sogar  als  Unding  erschienen  sein  muß, 
denn  die  Anmerkungen  zu  Beovulf  1874  und  2449  versuchen  noch  das 
daselbst  vorfindliche  infrod,  das  er  im  Wörterbuche  2,  141  dann  durch 
*peritissimus'  übersetzt,  durch  Conjectur  einfach  zu  beseitigen. 

Vor  achtzig  Jahren  wäre  infr^d  wahrscheinlich  noch  jedem  pom- 
merschen  Bauern  verständlich  gewesen,  das  synonyme  inklök  und  einige 
ähnliche  wird  noch  jetzt  wol  mancher  verstehen.  Auch  war  dergleichen 
aus  dem  Bremischen  Wörterbuche  oder  aus  Dähnert  leicht  kennen  zu 
lernen,  dazu  bieten  sich  noch  manche  andere  Quellen  dar  und  so  hat 
denn  Dietrich  bereits  zwei  von  Woeste  Volksüberlieferungen  in  der 
Grafschaft  Mark  S.  100  mitgeteilte  Beispiele  verwertet  und  darauf  auf- 
merksam gemacht,  unser  *in  dauere  im  Isländischen  und,  was  weniger 
bekannt,  außerdem  auch  im  Niedersächsischen,  in  der  Heimat  des  Alt- 
und  Angels.  fort'.  Haupt  11,  413,  vgl.  13,  33  und  diese  Ztschr.  10,  264. 

Daß  Grimm  diesen  Gebrauch  des  in  gekannt,  vielleicht  selbst 
zuerst  gelehrt,  bedarf  nicht  der  Bemerkung ;  er  handelt  Gr.  2,  760.  761 
von  demselben  und  gibt  einige  unzweifelhafte  ags.  altn.  mhd.  und  nhd., 
von    anderen  Zusammensetzungen    mit  in    nicht    gesonderte  Beispiele. 


62  ALBERT  HCEFER 

Auf  das  Ndl.    und    wie    gewöhnlich    auf   das  Nd.    läßt   er  sich   dabei 
nicht  ein. 

Ob  das  Gotische  Vergleichbares  biete,  hat  Niemand  gefragt, 
seine  lehrreichen  in-Composita,  von  denen  Grimm  nur  drei  nominale 
anführt,  sind  auch  jetzt  noch  nicht  hinreichend  untersucht.  Indessen 
bedeutet  das  got  in  wie  in  ingards  das  Drinnensein,  so  in  anderen  deut- 
lich genug  die  Innerlichkeit  und  wenn  man  inagjan  'in  Angst  setzen, 
ingramjan  'in  Zorn  versetzen  u.  ä.  wiedergeben  mag,  so  zeigt  doch  das 
daneben  gebräuchliche  grarnjan,  daß  der  Begriff  des  Versetzen  in'  we- 
niger in  dem  in  als  in  der  Ableitung  des  schwachen  Verbums  zu  suchen 
sei,  der  Inhalt  des  vorauszusetzenden  Stammes  vielmehr  unserem  recht 
eigentlich  hieher  gehörigen  Ingrimm^  ingrimmig  möglichst  gleich  stehe. 
Und  so  berührt  sich  meines  Erachtens  auch  inahs,  inahei  neben  aha 
innig  genug  mit  jenem  infrdd,  inkldk,  oder  indrdbnan  neben  simpl. 
d/rohnan  mit  hoU.  ind/roemg,  intundnan  mit  Inbrunst  u.  a. 

Den  Übergang  zu  der  verstärkenden  Kraft  dieses  in,  zu  sehr,  wird 
unser  Ingrimm,  Inbrunst'  leicht  und  vollständig  deutlich  machen,  mit 
denen  Ausdrücke  wie  ^innerlich  erbost,  innig  betrübt'  oder  nd.  in  sik 
swartj  durch  und  durch  schwarz,  also  gleich  holl.  inzwaH,  Brem.  Wb. 
2,  696,  auf  gleicher  Stufe  stehen.  'Innerlich,  innig'  wird  allerdings  die 
ursprüngliche  Bedeutung  dieses  in  sein,  das  dann  zuerst  natürlich  da 
wo  jene  am  besten  passten,  nachher  auch  in  weiterem  Umfange  ver- 
wendet ward,  d.  h.  im  Sinne  des  lat.  per,  des  'durch  und  durch,  über 
u.  a.  Dieses  in  bloß  in  Verbindung  mit  Adjectiven  zu  erwarten  ist  gar 
kein  Grund,  Substantiva  und  Verba,  auch  Adverbia  haben  denselben 
Anspruch. 

Im  Angelsächsischen  ist  das  zusammengesetzte  in  nach  Diet- 
rich in  dieser  Ztschr.  10,  264  reichlich  erhalten,  allein  er  hat  außer  dem 
freilich  unbestreitbaren  infrdd  perprudens  nur  tndryA^enpernobiUs  und  das 
von  ihm  selbst  früher  schon  anders  erklärte  und  mindestens  unsichere 
inflede  peraquosus  beigebracht,  nachdem  er  darauf  aufinerksam  gemacht, 
onforht  könne  ebenso  gut  aus  inforht  als  aus  anforht  entstanden  sein, 
eine  trotz  Gramm.  2,  712  nicht  imbedenkliche  Annahme ,  die  mit  dem- 
selben Rechte  jedes  andere  on,  an  treffen  imd  bezweifeln  lassen  dürfte*). 


*)  Ohnehin  haben  wir  im  Ags.  ähnliche  Bildungen  mit  an^  on^  die,  wenn  letz- 
teres auch  zunächst  die  Nähe  oder  Annäherung  bezeichnete,  wie  onlic  (got  analeikö, 
unser  ähnlich,  neben  iidic)  mitunter  doch  auch  eine  Steigerung  des  Begpriffs  enthalten 
mögen,  z.  B.  onsund^  Grimm  2,  712,  zu  Andr.  1012  und  1623  sanus,  salvus,  integer,  nach 
Heyne  im  Nachtrag  zu  Beoviilf  y.  1001  ofnsund  durchaus  unyerletzt 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  63 

Dagegen  habe  ich  andere  sichere  Beispiele  kaum  gefunden,  denn  tn^e- 
hygd,  ingethanc,  inaefa  scheinen  nicht  völlig  gleichartig. 

Eine  Anzahl  klarer  Bildungen  gewährt  sodann  das  Altnordische, 
nur  daß  t  an  die  Stelle  des  in  tritt  und  nach  Grimm  2,  761  ^den  Sinn 
des  lat.  sub  gibt,  also  vermindert'.  So  bringt  er  selbst  tbeishr  subamarus, 
thiugr  subcurvus,  tfeitr  subpinguis,  bei  Woeste  a.  a.  0.  infet,  tgroen  sub- 
viridisy  tgulr  subflavus,  ikaldr,  und  zum  Teil  bezeichnet  t  hier  gewis 
die  Annäherung,  während  es  in  anderen  doch  gar  leicht  sehr,  immer 
meint,  so  z.  B.  tgroen  in  Alvissmal  11,  wo  Simrock  aUgrün  übersetzt. 

Im  Althochdeutschen  findet  sich  nichts  genau  einschlagendes 
außer  etwa  ingrü^  horrescere  und  ingrüenttih  horridum  Graff  4,  300; 
im  Mhd.  aber  kommt  zu  jenem  aus  dem  Tristan  124,  34;  426,  21  und 
436,  33  bekannten,  von  Grimm  allein  beigebrachten  ingriiene  (außer 
inhrünste,  ingedank,  inkuct)  noch  indurstic,  inviurec,  ingruntlichf  inguot 
bei  Wack.  Altd.  Leseb.  768,  22,  inhitzec,  insinneclich,  inswarz  u.  a.  hinzu, 
vgl.  mhd.  Wtb.  1,  749  und  Mystiker  1,  131,  24.  300,  4. 

Was  sich  im  Neuhoch d.  erhalten  hat,  dürfte  sich  auf  Inbrunst 
(nach  W.  Wackemagel  zu  enbrennen  gehörig)  und  Ingrimm  beschränken, 
aber  Grimm  nennt  auch  ingiU  und  volksmundartlich  inhohl ,  inlieb  ^  in-  , 
schoen.  Dazu  kommen  bei  Vilmar  Hess.  Idiot.  S.  184  indüerlich,  inge- 
scheid, inkrank,  inschlScht,  ingut  und  ingruen,  letzteres  auch  schon  bei 
Stieler. 

Mndl.  und  holl.  Beispiele  sind  inbitter^  inbUd,  indroeve  undi  -mg 
indroog,  ingierig,  ingoedy  ingroen  (nach  Plantin  ein  bestimmtes  ELraut, 
pervinca),  inMt,  inkoud,  invergiß  und  -ig,  inzovt  sehr  salzig  (nicht  etwa: 
eingesalzen) ,  inzwart.  Damit  vergleiche  man  inrond  und  bei  Plantin 
tnborstich  wild,  stolz,  böse,  wahrscheinlich  anders  als  holl.  inborst  An- 
lage, Naturell  usw. 

Dem  Alt  friesischen  dürfte  der  Gebrauch  unseres  in  völlig  ab- 
gehen ;  V.  Richthofen  hat  nichts  der  Art  verzeichnet ,  Outzen  ebenso 
wenig,  obgleich  im  neueren  Friesischen  eins  und  das  andere  gleich- 
artige vorzukommen  scheint.  Zwar  wenn  A.  Lübben  in  seinem  Olden- 
burger Programm  1863  S.  12  für  in,  das  er  unmöglich  genug  als  Rest 
von  sin  darstellen  möchte,  neben  singriln,  holl.  inztoart  etc.  unter  Hin- 
weis auf  Old.  Lagerb.  1428  und  Ehrentraut  Fries.  Archiv  1,  463  auch 
innelntien  (b$r)  anführt,  so  ist  darunter  keineswegs  etwa  'schwarzbraun 
Bier ,  was  wahrscheinlich  gemeint  ist,  zu  verstehen,  sondern  ine  tunnen 
inwinHens  bSrs  heißt  'im  Hause  gebrautes  Biers',  d.  h.  brüens  ist  Genitiv 
des  starken,  auch  im  Nd.  nachweislichen  Part,  brüen,  ahd.  pruanSr, 
Grimm  1,  860,  1026.     Ebenso  finde  ich  in  Michelsen  Altditm.  Rechts- 


(34  ALBERT  HCEFER 

quellen  S.  76  §.  231  ene  graue  tunne  ingebrmven  bers  (als  ^einheimisches 
Biers'  übersetzt).  —  Stürenburg  gewährt  ein  besseres  Beispiel  mit  indisig 
verstockt,  hartnäckig,  ingrimmig  neben  disenack  und  dem  simpl.  disig 
mürrisch,  verbissen,  eigensinnig;  vgl.  diisag  unklar,  von  der  Luft,  Jo- 
hansen  Nordfr.  Spr.  153.   Ebenso  gilt  hier  noch  didch. 

Anders  wieder  das  eigentliche  Niederdeutsche,  dem  jenes  in 
noch  jetzt  nicht  ganz  erstorben ;  obgleich  das  Altsächsische  kei- 
nerlei Vorgang  zeigt.  Was  Woeste  im  Sinne  hat,  wenn  er  im  Glossar 
S.  100  den  Gebrauch  des  in  im  Altsächsischen  vergleichen  läßt,  weiß 
ich  nicht,  ich  finde  kein  Beispiel,  man  mttstfe  denn  etwa  mit  Lübben 
a.  a.  O.  inwit,  invnd  hieher  ziehen. 

Ich  finde,  meist  schon  in  den  Wörterbüchern  verzeichnet: 

inboesj  Dähnert  schreibt  in  hoes,  sehr  böse. 

inhraf,  bei  Woeste,  sehr  brav.  Kaum  hergehörig  ist : 

indechtich,  bei  Dähnert  und  sonst,  erinnerlich,  oft  zu  belegen,  z.  B. 
aus  Lüntzel  S.  13  n.  und  einem  Magdeburger  Bedeboekelin  von  1540  AI** 
wo  es  'eingedenk'  ist,  vgl.  oben  mhd.  ingedank  und  ags.  ingethanc. 

ind^psk,  im  Brem.  Wtb.,  melancholisch,  tiefsinnig. 

infet,  bei  Woeste  a.  a.  O.  S.  100,  sehr  fett. 

infin,  bei  Lübben  a.  a.  O.,  vielleicht  also  Oldenburgisch. 

infra/m,  Dähnert,  dat  kint  is  in  främ,  sehr  fromm. 

infiindichy  bei  Dähnert,  verschmitzt,  listig,  vgl.  fünde  Tücke,  Er- 
findungen, Ränke. 

infürich,  im  Schäkspil  109*  10:  wanne  he  denne  invurich  wert  unde 
mit  Sporen  roret  sin  pert,  vgl.  oben  mhd.  inviurec. 

ingraemsch^  bei  Danneil,  oder  besser  mit  «,  doch  vgl.  grämlich. 
Aber  ingrimmelich  des  Brem.  Wtb.,  welches  gleich  grimmelich  unrein, 
schmutzig  ist,  gehört  eher  zu  ingrimmein,  eingrummelny  schmutzig  werden. 

inhemischy  bei  Dähnert,  nicht  bloß  inländisch,  sondern  verschwie- 
gen, geheimnisvoll,  ebenso  inheimach  verschlossen,  traui'ig  in  E.M.Amdts 
Märchen  S.  351,  erinnert  an  hämisch,  mhd.  hemisch,  wird  aber  wol  nur 
eine  bildliche  Übertragung  von  inheimisch  sein,  wobei  in  freilich  wie 
heim  in  heimtückisch,  auch  heimlich  kalt,  vgl.  unten  iniückschy  auf  das 
Innere  geht. 

inkldk,  allein  bei  Dähnert,  sehr  klug. 

inmoer,  Dähnert,  sehr  mürbe,  durch  und  durch  gar,  mürbe. 

innette,  im  Brem.  Wtb.,  fein  und  sauber,  sehr  nett,  besonders  von 
der  Kleidung,  s.  innet  bei  Lübben. 

in  sik  swartj  d.  h.  durch  und  durch  schwarz ,  im  Brem.  Wtb., 
s.  oben  holl.  inzwart. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  65 

intüksch,  hier  und  in  Stralsund  noch  gehräuchlich,  innerlich  tückisch, 
verschlossen^  vergleicht  sich  mit  heimtückisch,  infUndich. 

imdis,  im  Holst,  und  Brem.  Wtb.,  bei  Richey  S.  342,  grade  wie 
inktök,  doch  schon  von  Säuglingen,  'innerlich  klug,  ohne  es  zu  äußern , 
im  Brem.  Wtb.  'bescheiden  klug'.  Endlich  gehört  wieder  nur  mittel- 
bar hieher: 

inw^,  bei  Ficker  123  qudden  inwon  maken  Argwohn ,  Verdacht, 
wie  im  Mhd.  arcwän^  unwän. 

Ziehen  wir  hieron  auch  indechtich,  das  Substantiv  tntodn  und 
etwa  inhemisch  ab,  in  denen  in  die  ursprüngliche  Bedeutung  deutlicher 
bewahrt,  so  bleibt  noch  immer  eine  stattliche  Reihe  von  Beispielen  übrig, 
in  denen  in  geradezu  verstärkende  Kraft  hat.  Dasselbe  gilt  aber  von 
einer  Schar  anderer  Praepositionen  und  Wörter  von  denen  ich  einige 
der  wichtigsten  hier  noch  kurz  berühre. 

XIX.  Verstärkung  durch  andere  Wörter,  insbesondere  durch 

Praepositionen. 

1.  Den  lehrreichsten  Commentar  zu  jenem  in  bietet  das  verstär- 
kende binnen  welches,  obgleich  das  Deutsche  Wörterbuch  nichts  der 
Art  erwähnt,  dennoch  ebenso  wie  in  durch  Hervorhebung  des  Inner* 
liehen.  Innigen  zur  Steigerung  des  Begriffs  gebräuchlich  gewesen  sein 
muß,  hochdeutsch  wie  niederdeutsch.  Auf  diese  Annahme  führten  mich 
längst  die  nun  erst  ganz  verständlichen,  noch  jetzt  nachweislichen  Fa- 
miliennamen Binnebös,  Binnewiea,  Binneweis^  gegenüber  dem  BtUen- 
schoen*)  zu  dem  also  wol  ein  hinnenschoen  oder  inschoen  vorauszusetzen 
ist  Jene  liegen  dem  inbös,  invAs,  inklSk  in  Nr.  XVIII  ganz  gleich  und 
finden  ihrerseits  wieder  volle  und  hübsche  Bestätigung  durch  solche 
Überreste  des  lebendigen  Sprachgebrauchs,  wie  hinnenkldky  das  aus  der 
Holsteinischen  und  Meklenburgischen  Mundart  überliefert  wird,  nach 
Schütze  1,  105  einbilderisch,  sich  klug  dünkend,  nach  Ritter  Plattd. 
Gramm.  121  gleich  dem  hochd.  überklug  in  tadelndem  Sinne,  oder  *8 
reckt  binnen  vergnoegt,  bei  Fr.  Reuter. 

Hiebei  dürfen  Redensarten  wie :  he  het  it  al  binnen,  er  hat  es  inne, 
begreift  es,  it  is  mi  nich  gants  binneUy  nicht  ganz  erinnerlich,  nicht  völlig 
klar,  oder  hamb.  und  osnabr.  he  heft  et  binnen  as  de  siege  (zege)  datfety 
er  hat  es  innerlich,  ist  geheim,  versteckt  u.  a.  berücksichtigt  werden. 


*)  Vergleiche  die  Namen  Butenop^  BtUentUh  and  die  volkstümlichen  binnen  krank 
un  hüten  hlanky  oder  in  einem  Rätsel:  binnen  blank  un  b(Uen  blank,  wie  bei  Ehrentraut 
1,  88.  89  büt  und  bin,  bei  Bums  but  and  6en. 

GBaMA.NIA..  Neue  Reihe  III.  (XV.)  Jahrg.  5 


66  ALBERT  HCEFER 

ferner  kommen  neben  den  Verstärkungen  durch  heim,  keimlich  andere 
durch  grund  in  Betracht,  so  grundehrlich,  grundgidf  bei  Ehrentraut  1,  24 
gründüm  d.  h.  sehr  dumm,  grünfalsk,  grünrik,  endlich  durch  eigen,  z.  B. 
bei  Johansen  158  änjklüky 

2.  Von  andern  verstärkenden  Praepositionen  ist  die  bekannteste 
und  gebräuchlichste  iihery  over,  die  eigentlich  vielleicht  nicht  bloß  die 
Ausbreitung,  sondern  auch  das  Hinausgehen  über  etwas  bezeichnet, 
daher  denn  auch  mehr  als,  bald  genug  schlechthin  sehr  ausdrückt,  ja  wol 
zuweilen  fiir  das  einfache  Adjectiv  steht  Das  Neuhochd.  hat  wie  Stieler 
271  dartut  eine  Fülle  solcher  wie  überreif  (jetzt  mehr  scherzhaft  oberfaul) 
gehabt,  geläufiger  sind  sie  offenbar  dem  Ndl.  und  Nd.  gewesen,  das  letz- 
tere haiover-oU,  duer,  glat,  grdt,  hillich,  klär,  kWc,  koU,  milde,  ww>er  (mürbe), 
rip,  schoene,  snel,  swinde,  sogar  overvele  und  oversere,  z.  B.  in  der  Magdeb. 
Schöppenchronik.  Jetzt  scheinen  sie  sich  hauptsächlich  in  Hannover 
erhalten  zu  haben,  wenigstens  sind  sie  von  Schambach-Müller  reichli- 
cher verzeichnet  als  von  Anderen.  Grimm  hat  sie  2,  772  und  3,  108 
nach  einer  und  der  anderen  Seite  etwas  zu  kurz  abgetan. 

3.  Als  Beispiele  seltnerer  Art  erscheinen  Zusammensetzungen  mit 
vor,  bei  Stieler  vomötig  per  opus ,  vortüchtig  prae  aliis  aptus ,  praecel- 
lens  ;  sodann  mit  Ht  in  den  Meklb.  Jahrb.  3,  111  de  ganze  ütlange  nacht; 
femer  mit  durch ,  vgl.  Grimm  2,  770  und  D.  Wtb.  2,  1578 ,  wonach 
noch  jetzt  durchnaß,  dwrchwa/rm  gehört  würde.  Zu  den  daselbst  aufge- 
führten älteren  Beispielen  gesellt  sich  dwruhdichem  percrebrius  Diut.  1 
500*,  durchrich  im  Pass.  bei  Köpke,  sodann  kommen  auch  hier  wieder 
Namen  in  Betracht,  z.  B.  Dorguth  in  Braunschweig  bei  Hoffinann  S.  40 
der  mnl.  doorgot,  doorgroen,  doorswaer  u.  a.  anführt.  Im  Holl.  ist  noch 
jetzt  doorgoed  u.  a.  gebräuchlich.  Wieder  vereinzelt  steht  afterwilUgen  per- 
volentes?  da,  Haupt  5,  334^,  dem  ich  nichts  zu  vergleichen  weiß. 

Abweichend  sind  dagegen  die  deutschen  Composita  von  Adjectiven 
mit  an,  die  nach  dem  D.  Wtb.  1  Sp.  289  Venig  im  Gang,  doch  von 
der  Volkssprache  hin  und  wieder  gewahrt  sind',  insofern  es  nicht  stei- 
gei-t,  sondern  eigentlich  schwächt,  dem  altnord.  i,  lat.  sub  entsprechend. 
Grimm  übergeht  sie  in  der  Gramm.  2,  712,  im  Wtb.  nennt  er  nur  an- 
kalt  und  ansauer -^  ansäuerlich  von  Gemütskranken  finde  ich  noch  jetzt 
gebraucht;  das  Bremische  Wtb.  verzeichnet  nd.  angel^  anrdt,  anblau, 
dann  ansoete  und  anbitter  (dazu:  it  rukt  ansoete,  es  riecht  süßlich,  bei 
Stuerenburg  im  Nachtrag  ansoeten  süß,  angenehm  werden),  anharde  der 
wat  anwSkes  etwas  weichliches.  Dabei  bleibt  die  Beurteilung  einzehier 
Ausdrücke  schwierig  oder  zweifelhaft,  anvQrich  maken  ignire  im  Voc, 
theoton.  neben  anvüren  anstecken,  anrüchig  neben  anrüchtig  oder  wieder 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  67 

nngeirunken  neben  *  sich  einen  antrinken  ,    die  ich  hier  nicht  weiter  zu 
verfolgen  beabsichtige. 

4.  Außerdem  hat  aber  zumal  die  volkstümliche  und  familiäre 
Sprache  eine  große  Menge  der  verschiedenartigsten  Wörter,  Adjectiva, 
Adverbi*  und  Substantiva  in  gleicher,  doch  mehr  scherzhafter  und  be- 
zeichnender Weise  zur  Steigerung  des  Begriffs  verwendet,  zu  deren 
meist  schon  umfassenden  Sammlungen,  z.  B.  in  Frommanns  Zeitschrift 
1,  229  und  5,  1  fl.  leicht  aus  dem  Gebrauche  jeder  Landschaft  nachzu- 
tragen ist  Ich  gebe  nur  einzelne  Bemerkungen,  wie  sie  mir  eben  zur 
Hand  sind  und  weise  deshalb  zunächst  auf  Ehrentraut  1;  24,  wo  zu 
unserem  bitterböse  :  bitterg$m  sehr  gern,  biUei*liüf  sehr  lieb,  bütemet  und 
btttersaum  sehr  schön,  hinzu  kommen.  Dort  steht  in  demselben  Sinne 
geluckelk  net  imd  bei  Johansen  S.  159  sogar  üngehickelk  net,  also  wie 
man  'verflucht,  verdammt,  verteufelt,  teufelmäßig,  höllisch,  schrecklich, 
furchtbar,  gewaltig,  ochsig  schön  etc.  hört.  Bemerkenswert  sind  daselbst 
noch  lifaUSn  wie  mutterseelenallein  Gr.  2,  556,  atüfstil  ganz  still,  staf-ol 
ganz  alt,  stabalt?  stdsdd  völlig  satt,  thronghwarm  schwül,  drangwarm, 
lihrliik  ganz  klein,  vielleich  wiegen-,  windelklein?  vgl.  Stuerenb.  143  und 
Frommanns  Ztschr.  5,  192.  Zu  dem  bekannten  hundmilde,  hündisch  kalt 
finde  ich  bei  Jean  Paul  20,  146  schon  den  Ausdruck  hundslangweilig 
werden]  bei  Grautoff  1,  488  mecktich  dorstich  sehr  durstig. 

Eins  der  eigentümlichsten  dieser  Art  ist  wol  imser  hiesiges  negen- 
Tddk  imd  danach  auch  verhochdeutscht  neunklug,  wozu  nun  schon  öfter 
neun-  und  siebengescheid,  z.  B.  Ztschr.  f  d.  M.  3,  359  und  Schmeller  2,  697 
nachgewiesen  worden  sind  und  noch  an  älteres  niunherzec  von  unge- 
wohnlich  begabten,  zu  erinnern  ist,  vgl.  Mhd.  Wtb.  1,  674  und  Haupts 
Ztschr.  2,  541.  So  wird  die  Steigerung  hier  also  auf  die  äußerlichste 
und  deutlichste  Weise  durch  Zahlenverhältnisse,  ich  weiß  nicht,  ob  noch 
durch  andere  Zahlen  als  7  und  9  ausgedrückt  und  neunklug  meint:  so 
klug  wie  neun,  oder:  neunmal  klüger  als  Andere. 

XX.  Binnen  und  büten  und  deren  Steigerungen. 

Grimm  hat  im  D.  Wtb.  2,  36  die  Bemerkung  gemacht,  der  Aus- 
druck von  binnen  sei  nach  dem  nndl.  van  binnen  gemacht,  im  Neuhochd. 
heiße  es  richtig  von  innen  wie  von  aussen,  nicht  von  baussen.  Letzteres, 
hier  mitunter,  doch  mehr  scherzhaft  als  Übersetzung  des  van  büten  ge- 
hört, konnte  natürlich  nicht  eindringen,  da  baussen,  an  sich  so  gut  wie 
binnen,  nebst  büizen  nie  allgemein  üblich  war.  Beide  Zusammensetzungen 
sind  verwachsen  und  fast  erstarrt  von  neuem   mit  Praepositionen  ver- 

5* 


68  ALBERT  HOEFER 

blinden,  Sigs,  abütan,  onbiltan^  abüf an ,  engl,  ahout ,  above,  was  an  sich 
nicht  schlechter  als  von  draussen,  vor  alters  y  de  chez  vous  u.  a.  Aber 
wenn  denn  von  binnen  entlehnt  sein  müste,  warum  dann  nicht  lieber 
von  dem  Nd.?  Vgl.  RV.  4271  de  van  büten  dragen  schtn  anders  dan  se 
van  binnen  sin,  oder  Schäksp.  75  van  btäenne,  Lauremberg  115,  50  und 
sonst  manchmal. 

Als  Nebenformen  finden  sich:  büte  glei  unde  binnene  wei  flir  ipocri- 
tus  und :  bütene  ghüt  unde  binnene  quaket  im  Voc.  theoton.,  dar  hefi  di  bUt 
ghewo^yen  im  Redent.  Spiel  v.  741 ,  bin  des,  bin  einer  wile  in  der  Sas- 
senchr.  268.  289,  neben  büten  bei  Seibertz  a.  1307  büter  dat  dorp ,  die 
Compos.  binnenwendichj  bütenwendich  und  bütwennich,  bütenUtndesch  etc. 

Wichtiger  ist  das  adject  comparativische  dat  bütere,  bttetere,  so  in 
der  Sassenchr.  S.  203  de  bütere  ridderschaft,  bei  Schambach:  de  bueter 
morge  der  nach  außen  liegende  Morgen  Landes,  ähnlich  nhd.  öfter,  z.  B. 
bei  Leoprechting  Aus  dem  Lechrain  S.  48 :  auf  der  drüberen  Seite. 

Gewöhnlicher  greift  das  Niederdeutsche  jedoch  darüber  hinaus 
und  bedient  sich  gleich  der  superlativischen  Formen,  die  von  beiden 
schon,  dem  mnl.  het  binneste^  holländ.  binnenste,  buitenste  entsprechend, 
in  älterer  Zeit  mehrfach  belegbar  sind.  So  in  der  Sassenchr.  168  de 
bütersten,  Kantz.  52  und  Balt.  Stud.  12,  2,  45  de  bütenste]  ebenso  in  der 
Barter  Bibel,  Matth.  23,  26  dat  biitenste.  In  dieser  letzten  Stelle  steht  zu- 
gleich dat  binneste  und  daneben  wieder  in  4  B.  der  Könige  S.  51  = 
1  Sam.  24,  4  in  deme  binnensten  dSle  der  stSnritsen.  Dazu  kommen  dann 
bei  Fr.  Reuter  und  zum  Teil  auch  hier  gebräuchlich :  de  binnelste,  bin- 
delste,  bütelste-^  hier  auch  wol:  dat  innelste  und  uetehte^  sicherer  de  bae- 
vehty  de  hinnelste,  vörrehte  etc. 

Dabei  entsteht  dann  die  Frage,  ob  wir  hier  einen  bloßen  Wechsel 
von  l  und  r  oder,  was  doch  wahrscheinlicher,  ähnliche  Formen  anzu- 
nehmen haben,  wie  sie  in  mittelst  oder  jenem  in  dieser  Ztschr.  14,  208 
schon  erwähnten  endeist  vorliegen. 

Das  ältere  Englische  gibt  dazu,  neben  dem  heutigen  innermost^ 
ein  benmost  innerst,  in  Dialekten  boonermost  zuoberst,  von  boon  oben 
für  boven.  Ich  behalte  mir  vor,  diese  dem  Deutschen  nicht  so  fem  als 
es  scheint  liegende  Bildung  in  einem  späteren  Capitel  zu  verfolgen  und 
warne  hier  nur,  sie  etwa  in  Pfeiffers  lankmSr  Germ.  9,  268^^  zu  suchen. 
Die  Note  deutet  selbst  das  richtige  an,  daß  der  hiidänglich  bekannte 
Comparativ  lenk  durch  darüber  gesetztes  mSr  in  der  Wiener  Hs.  ersetzt 
werden ,  also  statt  lenk  nur  mer  geschrieben  sein  sollte ,  wie  in  der 
Hannov.  Hs.  denn  auch  bloß  m^r  steht. 


ZUR    LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  69 

XXI.  Gotisch  skaudaraipi  Lederriemen. 

Das  unaufgeklärte  Wort  Hteht  im  ersten,  aus  der  Skeireins  ge- 
nommenen got.  Bibel verse,  Matth.  3,  11:  thizei  ik  ni  im  vairths  ei  and- 
bindau  skaudaraip  skdhis  is^  ebenso,  nur  mit  dem  Gen.  PI.  sköhe  is, 
Marc.  1,  7  und  Lue.  3,  16.  Im  Griechischen  steht  an  der  ersten  Stelle 
rä  vxod'qfiata  ßaötätfai,  nachher  Xvöai  %6v  Ifidvta  xäv  v7toÖ7i(idt<oi' 
avtov.  Grimm  der  mehrmals  darauf  zurückkommt,  vergleicht  Gramm. 
1^  346  mhd.  schSte  recrementum,  res  abiecta^  nord.  skaud  und  übersetzt: 
'elender  rieme,  da  in  tfidg  bloss  raip  lorum  liegt';  ebd.  3,  450:  'da  skdhe, 
sJcdhts  folgen,  hätte  raip  hingereicht^  warum  also  noch  mit  skauda  com- 
ponirt  wird  und  was  dies  bedeutet,  weiß  ich  nicht*;  endlich  bei  Haupt 
8,  13:  'durch  das  vorgesetzte  skavda  muß  bestimmt  werden,  wie  die 
gotische  Schuhbefestigung  damals  eingerichtet  war  *). 

Ich  schließe  so :  da  skdhS,  skdhis  folgt,  wird  man  skauda  allerdings 
nicht  als  einen  unmittelbaren  Verwanten  desselben  Wortes  ansehen 
und  das  ganze  schwerlich  *Schulireif  übersetzen  dürfen,  oder  der  Inhalt 
des  ersten  Teils  müste  verdunkelt  und  vergessen  sein.  Letzteres  ist 
aber  keineswegs  wahrscheinlich,  daher  liegt  nichts  näher  als  in  skavda 
eine  Bezeichnung  des  Stoffs,  des  Materials  der  Keife  oder  Riemen  zu 
vermuten.  Riemen  bestehen  aus  mancherlei,  aus  Bast,  Hanf,  Haren, 
Leder.  Daß  in  unserem  Falle  Lederriemen  gemeint  sind,  ist  wie 
ich  glaube  leicht  wahrscheinlich  zu  machen. 

Die  volle  Begründung  hätte  weiter  in  die  Vergleichung  der  ver- 
wanten Glieder  einzugehen,  als  hier  erlaubt  scheint.  Ich  stütze  mich 
auf  das  altnord.  skioda  £  Beutel  (Ledertasche)  Grimm  3,  450,  bei 
Holmboe  Det  norske  sprogs  ordforraad  S.  298  skjoda^  en  skindpose, 
zu  sjöd^y  en  pung,  gestellt,  bei  Dietrich  im  Glossar  zu  dem  Altn.  Leseb. 
ed.  1.  275  skioäapangr  Lederbeutel.  Dann  hat  Dietrich  bei  Haupt  7,  181 
shtdda  Lederbalg  nebst  dem  lappischen  skhdo  u.  v.  a.  mit  dem  gr.  öKVtog 
öxvvtov  verglichen  und  auf  ein  gotisches  skeivan  zurückgeflihrt ,  das 
nocere  heißen  soll.  Unser  deutsches  schaden  selbst  wird  in  Anspruch 
genommen,  was  ich  auf  sich  beruhen  lasse.  An  den  got.  Stamm  skauda 


*)  Die  Anderen  begnügen  sich,  *  Schuhriemen*  zu  tibersetzen,  so  auch  L.  Meyer 
dessen  neues  Buch  ich  mich  ausnahmsweise  einmal  nachzuschlagen  überwunden  habe. 
Nachdem  man  nlimlich  acht  Artikel  in  denen  das  Wort  nach  der  Anzahl  seiner  Laute  be- 
sprochen wird,  mühsam  durchlaufen,  lernt  man,  daß  ein  Teil  nur  mit  dem  anderen 
vorkomme,  daß  raip  m.  oder  n.,  skauda  aber  m.  o  d  e  r  f.  o  d  e  r  n.  sei  und  wahrscheinlich 
nicht  Schuh  bedeute.  —  Dabei  bemerke  ich,  daß  rip  im  Niederd.  allerdings  auch 
m.  und  n.  ist;  das  Masc.  steht  z.  B.  im  RV.  v.  1879.     • 


7Ö  ALBERT  HOEFER 

ist  aber  dabei  nicht  erinnert  und  doch  scheint  dieser  eher  als  das  meiste 
sonst  Herbeigezogene  hiehergehörig.  Ist  skioda  bei  Grimm  die  richtige 
Form,  so  liegt  die  Abweichung  nur  in  dem  io  ftlr  auy  das  au  erwarten 
ließe;  lautete  jenes  dagegen  skioda^  so  sollte  got.  d  vielmehr  p  sein, 
die  Aspirate ,  auf  welche  ohnedies  gr.  öxvtog  hinweist.  Damit  stehen 
aber  sehr  viele  formell  und  begrifflich  verwante  Wörter,  wie  ich  an- 
derswo ausflihren  werde,  im  engsten  Zusammenhange  und  zeigen  un- 
zweifelhaft, daß  neben  anderen  erweiterten  Gestalten  sku,  decken, 
schützen,  eine  der  ursprünglicheren  Wurzelformen  gewesen  sein  wird, 
der  sowol  skioda  wie  skavda  angehören.  Beide  brauchen  aber  nicht 
unmittelbar  identisch  zu  sein,  eine  andere  gotische  Form  hätte  näher 
skiupa  lauten  und  dieselbe  Bedeutung  haben  können  wie  skavda  o<der 
skaupa  d.  h.  Haut,  Fell,  Leder. 

Meinte  aber  skavdaraip  Lederriemen,  so  war  der  Zusatz  skJdhe 
oder  skdhis  is^  der  sich  in  allen  drei  Stellen  findet,  natürlich  nichts 
weniger  vals  aufE^llig  oder  überflüssig. 

XXIL  Das  Fronomen  diser 

wird  im  Accus,  fem.  gen.  mit  geschiht  verbunden  in  sechs  bekannten 
Stellen  Hartmanns  so  gebraucht,  daß  ihm,  wenn  der  Vers  vier  He- 
bungen haben  soll ,  davon  allein  zwei  einzuräumen  sind :  Erec  v.  218 
umbe  dise  geschiht,  v.  5666,  6720,  Gregor  579,  3020  (doch  nur  in  der 
Straßb.  Hb.),  selbst  Iwein  1069  erziugen  dise  geschiht,  wo  Hs.  b  sine 
liest.  Wie  ist  nun  hier  zu  helfen,  wie  zu  erklären?  Entweder  ist  dise 
selbst  fälschlich  an  die  Stelle  eines  langsilbigen  Wortes  getreten,  z.  B. 
sine  das  dreimal  passen  würde,  oder  es  hat  ein  Beiwort  hinter  sich  ge- 
habt wie  grdzey  oder  der  Fehler  steckt  in  geschiht^  oder  dise  wäre  wirk- 
lich, hier  wenigstens,  ausnahmsweise  also  langsUbig  gesprochen  worden. 
In  den  drei  ersten  Fällen  behielte  dise  seine  gewöhnliche  Betonimg  und 
das  verdrängte  oder  ausgefallene  Wort  müste  ftlr  jede  Stelle  besonders 
erraten  werden,  läge  aber  die  Schuld,  wie  Lachmann  zu  Iwein  S.  409 
vermutete,  an  geschiht,  so  käme  doch  nach  seiner  eigenen  Annahme 
wol  nur  ungeschiht  in  Wahl ,  das  im  Lanzelet  ed.  Hahn  v.  6724  von 
einer  grdzen  ungeschiht ,  Heidelb.  Hs. ,  mit  geschiht  der  Wiener  Hs. 
wechselt  Ich  will  indessen  nicht  untersuchen,  ob  ungeschiht,  gew.  Untat, 
Misgeschick,  unglückliches,  widerwärtiges  Ereignis,  als  ein  Beispiel  zu 
dem  in  dieser  Ztschr.  14,  202  Bemerkten  im  Sinne  des  nach  Lachmann  an 
allen  sechs  Stellen  passenden  grdze  geschiht  'erstaunliches  Ereignis,  außer- 
ordentliche Begebenheit'  hier  annehmbar  wäre,  —  Lachmann  verwirft 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNQ.  71 

dieses  die  beharrliche  Entstellung  der  Worte  diae  geschiht  am  leichtesten 
erklärende  Auskunftsmittel,  ^da  ungeschiht  im  Iwein  1069  und  im  Gregor 
3020  nicht  statthaft  scheint",  und  so  darf,  muß  ja  wol  die  Frage  er- 
örtert werden,  ob  denn  doch  die  allein  ttbrig  bleibende  vierte  Mög- 
lichkeit, die  lange  erste  Silbe  des  Pronomens  diser^  an  sich  wenigstens, 
zu  rechtfertigen  sei,  trotz  des  Machtspruches  Lachmanns,  der  die  An- 
nahme eines  düse  im  voraus  ftir  ungereimt  erklärl^ 

Dazu  gibt  es  aber  ohne  Zweifel  mehr  als  einen  Weg,  insbeson- 
dere die  Etymologie  des  Wortes  und  seine  Geschichte  in  den  germa- 
nischen Sprachen.  Das  Pronomen  diser  ist  ein  Compositum  des  indo 
germ.  Demonstrativums  mit  sich  selbst  oder  seiner  Nebenform ,  ja  in 
einigen  Formen  scheint  sich  letztere  selbst  verdoppelt  zu  haben.  Der 
Wechsel  zwischen  t  und  s  =  hochd.  d  und  s,  der  uralt  ist,  hebt  die 
Identität  beider  nicht  auf.  Als  Grundform  läßt  sich  ansetzen:  ta-ta 
(oder  :  ta-sa),  tja-tja,  tja-ta,  ta-tja.  Daher  in  der  ersten  wie  in  der  zweiten 
Silbe  des  Deutschen  hin  und  wieder  Diphthonge  oder  Längen,  daher 
das  im  Anschluß  an  die  vocalische  Länge  nicht  selten  entwickelte  ss*). 

Formen  der  ersten  Art  sind  vielleicht  ags.  fem.  peo8  und  päs^  letz- 
teres auch  im  Plural,  dazu  engl,  these,  those;  Instr.  peos]  alts.  fem.  thius, 
ebenso  im  Plural,  dazu  vielleicht  nmd.  dieses  mhd.  Wtb.  1,  367', 
das  ich  nicht  kenne  (sicherer  und  häufiger  dut^  dtisse,  dosse  **),  dtissen 
etc.)  oder  die  noch  erhaltenen  dSsen^  d^e?  Das  Althd.  aber  bietet  im 
Isidor  dheasa  (oder  dheasuj  Grimm  1,  795 ;  vgl.  Holtzmann  S.  181),  bei 
Koro  und  sonst  deisu  fem.  und  ntr.,  GrafT  5,  73 — 76. 

Weit  häufiger  sind  dagegen  die  aus  Grimm  und  sonst  leicht  zu 
ersehenden  altnord.,  angels.  imd  besonders  die  niederd.  ss-Formen,  denen 
sich  einzelne  im  Ahd.  und  Mhd.  anschließen  ,  zumal  im  Genitiv, 
dhesses  thesses,  bei  Nötkgr  meist  disses,  was  Lachmann  im  Iwein  v.  4094 
bewahrt  hat. 

Gesetzt  auch,  dieses  ss  gerade  des  Genitivs  ließe  eine  besondere 
Erklärung  zu,  so  bleibt  die  Frage,  ob  dem  der  disses  sprach,  gelegent- 
lich auch  disse  zugetraut  werden  dürfte ,  eine  seltnere,  doch  an  sich 
gerechtfertigte  und  Hartmann  vielleicht  nicht  unbekannte  Form? 


*)  Oder  dürfte  dieses  m  unabh&ngig  davon  ursprünglich  als  Assimilation  eines 
älteren  sj  gefasst  werden?  Im  übrigen  ist  eine  ähnliche  Ansicht  über  die  Zusammen- 
setsnng  des  disSr  im  Wesentlichen  schon  von  Bopp  Yergl.  Gramm.  %,  357  aufgestellt 
worden,  vgl.  W.  Wackemagel  in  Haupts  Zeitschrift  1,  425;    Weinhold  AI.  Gr.  §.  420. 

**)  Z.  B.  im  Redent.  Spiel  nach  Mone  v.  618  dosse  olvendes  hüt,    wo  EttmüUer 
▼.  619  deat  schreibt  und  in  der  Note  unrichtig  deaae  angibt  als  b^i  Mone  stehend. 


' 


72  ALBERT  HCEFER 

Absolut  auf  die  obigen  Stellen  bliebe  die  Annahme  des  ss  also 
nicht  beschränkt^  dennoch  ist  das  Gewicht  des  Umstandes  nicht  zu 
verkennen;  daß  in  ihnen  immer  dasselbe  Wort  folgt  das  den  Fehler 
verschuldet  haben  kann. 

XXTTI.  Brav. 

Das  formell  fl{id  begrifflich  fest  ausgeprägte  Wort,  allbekannt  und 
gebräuchlich  und  doch  völlig  unerklärt,  hat  nach  Grimms  Ermittelungen 
erst  im  Laufe  des  dreißigjährigen  Krieges  zunächst  durch  die  Soldaten- 
spräche  bei  uns  Eingang  gefunden  und  in  der  Tat  sieht  es  auf  den 
ersten  Blick  auch  ganz  wie  ein  Fremdling  aus.  Man  hat  sich  also  zu- 
erst an  das  ital.  frz.  bravo,  braf  gewant;  ohne  fUr  die  Erklärung  des 
Ausdruckes  irgend  welchen  Aufschluß  zu  gewinnen.  Fr.  Diez,  welcher 
im  Etym.  Wtb.  1,  83  von  der  im  Südwesten  fortdauernden  Bedeutung 
'unbändig;  stürmisch'  ausgeht,  obgleich  diese  sich  auch  wol  umgekehrt 
aus  'tüchtig,  wacker  entwickeln  konnte;  verwirft  gleichwol  den  Ge- 
danken an  das  ohnehin  im  Romanischen  erhaltene  lat.  pravus  imd  bleibt 
endlich  bei  ahd.  raw  crudus,  mit  der  als  selten  zugegebenen  'Verstär- 
kung des  anlautenden  r  durch  b'  stehen.  Grimms  Erinnerung  im  D.  Wtb. 
2  Sp.  339  an  sl.  pravi  recht;  echt  und  lat.  prohus  scheint  ihm  wenig  sich 
zu  empfehlen. 

Sollen  wir  nun  nicht  aus  noch  ein  wissend  zum  Keltischen  flüchten 
oder  gibt  es  einen  Weg,  brav  als  ein  echt  deutsches  Wort  wiederzu- 
erobem?  Es  ist  ja  bekannt,  wie  manches  Urdeutsche  wir  an  die  Fremde 
abgegeben  und  dann  entstellt  und  verderbt  als  Fremdes  wieder  ent- 
lehnt haben.  Ich  vermute,  dies  gilt  auch  von  brav  und  ich  bin  über- 
zeugt; es  ist  nichts  als  eine  andere  Form  ftlr  ahd.  hidarhi,  pitarpi. 
Nehmen  wir  für  dieses,  das  schon  zu  Ende  der  ahd.  Zeit  seinen  Ton 
veränderte  und  im  Mhd.  sehr  gewöhnlich  hiderbe  (statt  hiderbe  :  erbe) 
gesprochen  ward;  eine  später  entwickelte  Form  biarbi  an,  so  ist  von 
da  über  barbe ,  barve  ein  kurzer  Weg  zum  roman.  brave.  Die  ältere 
ndl.  Gestalt  des  Wortes  ist  nach  dem  Teuthonista  24  berve^  probus, 
honestuS;  mitis,  mansuetus ;  mnd.  gewöhnlich  bedarve,  bederve,  daneben 
aber  schon  bai^e,  berve.  Vgl.  das  Brem.  Wtb.  1;  64  und  das  das.  5,  331 
nachgetragene  barve,  berve,  cicm*;  mitis,  was  dasselbe  ist.  Und  letzteres 
ist  auch  sonst  oft  nachweislich^  nicht  bloß  in  den  dem  Ndl.  sich  nä- 
hernden DialecteU;  s.  Grimms  Rechtsalt.  S.  294  Anm.  2  (berveman),  die 
Indices  zu  Seibertz,  wo  noch  MisverständniS;  Ficker  Münst.  Chron.,  das 
Berl.  Statb.  1,  91  und  136  etc.  Im  Mhd.  reimt  biderbe  (also  bidere) 
zu  widere,  nidere,  aber  schlechtere  Handschriften  schreiben  auch  birve, 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  73 

es  wird  also  hier.  fUr  biderbef  bidrbet  auch  wol  außer  dem  Reime  schon 
mitunter  birbe  gesprochen  sein. 

Die  Contraction  und  Umstellung  kann  aber  immerhin  erst  im  Ro- 
manischen vor  sich  gegangen  sein :  der  Ausstoß  des  d,  den  man  fUr 
das  Ahd.  nicht  schon  anzunehmen  hat^  der  im  Mhd.  sehr  beschränkt, 
im  Ndl.  und  Nd.  aber  desto  häufiger  begegnet,  ist  im  Roman,  nicht 
ohne  manche  Beispiele,  vgl.  Diez  Gr.  1*  S.  216.  291,  und  dasselbe  gilt 
von  der  Umstellung  des  r,  das.  208.  290,  sowie  von  dem  v  fiir  b,  vgl. 
Everardo,  icrevisse^  ^tuve,  graver  ib.  302. 

Von  der  sprachlichen  Seite  scheint  also  ftir  diese  Erklärung  kein 
wesentliches  Hindernis  in  den  Weg  zu  treten  und  die  Bedeutung  fügt 
sich,  die  oben  angegebene  Entwickelung  selbst  mit  eingeschlossen,  wie 
mich  dünkt  vortrefflich.  Denn  beide  decken  sich  beinahe  imd  die  häu- 
fige Verwendung  ähnlicher  Wörter  (tüchtig,  wacker)  im  Sinne  von 
'übermäßig,  sehr,  stark'  macht  es  leichter  und  natürlicher,  von  hier  zu 
'kühn,  trotzig,  wild',  den  Verben  ^brüllen,  in  Wut  bringen  fortzuschreiten 
als  umgekehrt. 

Auf  das  von  Diez  zu  bravo  gestellte  ital.  brado  junger  Stier,  dessen 
d  sehr  aufiällig,  nehme  ich  dabei  keine  Rücksicht. 

XXIV.  Unsich  im  Niederdeutschen. 

Die  dem  mich,  dich,  euch  genau  entsprechende  Form  des  Accus. 
Plur.  der  ersten  Person,  welche  im  Althd.  unsih,  unsich  lautet,  im  Mhd. 
des  13.  Jhd.  aber  schon  veraltet  und  dem  jetzt  allein  üblichen  uns  fast 
ganz  gewichen  ist,  sollte  im  Gotischen  statt  unsis,  uns  eigentlich  unsik 
heißen  und  so  bietet  das  dichterische  Angelsächsische  für  das  gewöhn- 
lichere üs  auch  noch  manchmal  v^sic,  üsic,  üsiht  vgl.  Rask-Thorpe 
§.  167,  Grein  Sprachschatz  2,  633.  Im  Altnordischen,  Altfriesischen  und 
in  der  Sprache  des  Heliand  begegnet  nichts  der  Art,  dagegen  ist  den 
von  v.d.  Hagen  Breslau  1816,  neulich  auch  von  M.  Heyne  herausgege- 
benen altniederdeutschen  Psalmen  unsig^  stets  mit  g  geschrieben  und 
etwa  zwölfmal  nachweislich,  noch  ganz  geläufig.  Man  vgl.  Zi  B.  59,  3 
=  60,  3  Got,  faruurpe  unsig  inde  testördös  unsig,  thü  irbulgi  thi  inde 
genäthddös  unsig  (in  der  Barter  Bibel:  Got  de  du  uns  vorstöt  und 
vorstrowet  hefst  und  t6mich  wärest,  tröste  uns  wedder),  ib.  v.  5  dren- 
codös  unsig,  v.  12  thie  faruurpi  unsig,  v.  13  gif  unsig  hulpa,  64,  6  u.  ö. 
Unsig  ist  also  deutlich  hier  nicht  bloß  Accusativ,  sondern  es  dient  schon, 
beidemale  neben  uns ,  zugleich  als  Dativ,  den  nach  W.  Wackernagel 
Altd.  Wtb.  144'  auch  unsih  vertreten  soll,   gerade  so  wie  unser  eigent- 


74  ALBERT  HCEFER 

lieh  accüsativisches  euch  nun  längst  filr  beide  Casus  gilt.  Vom  Mhd. 
ist  schon  kurz  die  Rede  gewesen,  in  den  Nibelungenhandschriften  kommt 
imser  Wort  nicht  mehr  vor,  denn  in  1776,  4  L  gehört  unsich  bekannt- 
lich Lachmann,  s.  seine  Anmerkung  zu  der  Stelle  und  Holtzmann  Un- 
tersuchungen S.  15. 

Unter  diesen  Umständen  ist  bemerkenswert,  daß  die  mitteldeutsche 
s.  g.  PraefatioRhythmica  zum  Sachsenspiegel  unter  Übereinstimmimg  aller 
Handschriften  dreimal  unsich  als  Accusativ  bewahrt  hat,  v.  138:  got 
unsich  selbe  l^ret,  v.  152  und  v.  189 ;  wichtiger  daß  das  spätere  Nie- 
derdeutsche dasselbe  Wort  noch  in  Urkunden  des  14.  Jhd.  und  weit 
darüber  hinaus,  vereinzelt  vielleicht  noch  heute  gebraucht.  Was  ich 
darüber  zur  Hand  habe,  ist  Folgendes : 

1.  Fabricius  Rügensche  Urkunden  4  Nr.  478  (3,  29'*)  a.  1315:  wy 
en  skölet  vsyk  nicht  sonen  äne  ene  unde  n^ne  dage  nemen  etc. 

2.  Meines  Oheims  L.  F.  Hoöfers  Auswahl  S.  359  z.  8  v.  u.  in  einem 
Bündnisse  Heinrichs  von  Meklenburg  mit  Pommerschen  Herzogen  a.  1324: 
dat  we   . .  met  eren  erftiämen  vsik  gwichliken  verbunden  hebben  etc.*) 

3.  V.  Bohlens  Krassowsche  Urk.  2  S.  26  Nr.  11  a.  1326:  dat  wi 
unseh  gndrachtliken  vorönet**). 

4.  Hodenberg  Nieders.  Calenb.  Urk.  4  S.  327  Nr.  307  z.  3  a.  1340: 
bekennen  dat  ussich  dat  witlich  is  etc.,  daneben  oft  os,  üse. 

5.  Hieher  gehört  aus  viel  späterer  Zeit  noch  ösk,  z.  B.  in  Uhlands 
Volksliedern  1  S.  450  v.  14:  de  ösk  düt  l^dken  ferst  erdacht,  wobei 
ich  an  das  in  Predigten  des  12.  Jhd.  umlautende  Uns  erinnere,  z.  B. 
in  Wackemagels  Leseb.  300,  40. 

Das  Wort  dessen  Vorkommen  in  vier  Formen  üsik,  bah,  unsichy 
ussich  bis  in  die  spätere  Zeit  des  Niederdeutschen  sonach  als  erwiesen 
gelten  kann,  gibt  ein  lehrreiches  Beispiel  daftir,  daß  das  Niederdeutsche 
welches  hier  ohnehin  einmal  wieder  das  Hochdeutsche  übertriffl;,  man- 
ches enthält  und  bewahrt  das  dem  mütterlichen  Altsächsischen  völlig 
abgeht.  Es  steht  auch  sonst  mitimter  zu  dem  letzteren  in  demselben 
Verhältnis  wie  das  Althochdeutsche  zum  Gotischen.  Überdies  kann  das 
Wort,  mag  es  auch  später  eine  gewisse  örtliche  Beschränkung  gehabt 
haben,  nicht  eben  selten  gewesen  sein,  denn  es  ist  mir  noch  öfters 
vorgekommen  als  ich  oben  mitgeteilt  habe  und  leicht  mag  es  hie  und 
da  wo  es  stand  verkannt  und  selbst  beseitigt  sein. 


*)  K.  Nergers  Meklenb.  Qrammatik  verzeichnet  nichts  der  Art. 
^  Dieselbe  Urkunde  schreibt  auch  sonst  oft  lichy  och  udgl. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHU|^G.  75 

XXY.  Nd.  riröf,  reröven. 

Zu  den  selteneren  und  daiiun  mitunter  misverstandenen  Wörtern 
des  älteren  Niederdeutschen  gehört  das  Subst  rerßf,  eigentlich  Leichen- 
raub ,   Ermordeten   abgenommenes  Gut ,    daher   auch   allgemein :    die 
schlimmste  Art  des  Raubes,  der  besonders  schmähliche  Raub,  von  got. 
hraiv,  Bhä.  hrSo  y  mhd.  re  (daher:  rSrowp)  ^    d.h.  Fleisch,    Leichnam, 
Mord,  Begräbnis  und  die  Bahre  selbst,  so  Nibel.  967*  tnan  leite  in  üf 
den  rS  A  und  schon  in  den  Pariser  Glossen  Diut.  1,  231  feretrum  Äroe, 
gl.  K.  Hatt.  1,  137  hreo.  Die  kürzlich  von  L.  Hänselmann  herausgege- 
bene Braunschweigische  Chronik  verbindet  S.  363,  21   rirdf  unde  rdf 
heghän  und  gebraucht  es  dann  S.  407  z.  27  in  dem  weiteren  IKnne: 
tt  18  jo   ein   recht  rSrdf  de  an  tünem  güde  heghän  wert,   von  vorent- 
haltenem Erbgute.  Obgleich  es  allgemein  üblich  gewesen  sein  wird  und 
z.  B.  auch  im  Berliner  Statbuche  ed.  Fidicin  1,  131,  13  als  S^.^  und 
im  Plur.  rßrßve,  vorkommt,  ist  es  mir  vorzugsweise  in  Westfälischen 
und  Pommerschen  Urkunden  begegnet.    Seibertz  hat  es  in  seiner  Samm- 
lung Nr.  938  als  'Aufruhr  genommen  und  J.  Ficker  in  den  Münsterischen 
Chroniken  1851  Band  1,  192.  193.  247  weiß  es  nicht  zu  erklären.  Auch 
Kosegarten  versteht  es  in  den  Pommerschen  Geschichtsdenkm.   1834 
Bd.  1  S.  75  noch  nicht,  aber  er  sagt  richtig,  es  scheine  eine  an  einem 
Erschlagenen  begangene  Beraubung  zu  bezeichnen.    Die  daselbst  aus 
einer  Stralsunder  Proscriptio  v.  J.  1306  mitgeteilte  Stelle  lautet:   Joh. 
Carrevisce*)  proscriptus  est...   pro  eo   quod  crudeliter  occidit  duos 
homines  lapicidas,  quorum  denarios  et  bona  deduxit,  committens  r§rd£ 
Eine  ähnliche  im  4.  Abschnitte  daselbst  gegebene  Stelle  aus  dem  Jahre 
1301  weiß  ich  nicht  gleich  aufzufinden,  dagegen  ist  unser  Wort  mehr- 
mals in  handschriftlichen  Nachträgen  zum  Dähnertschen  Wörterbuche 
verzeichnet  worden,  gleichfalls  aus  dem  Sundischen  über  proscriptorum 
in  dem  es   oft  begegnet,   z.  B.  a.  1278  spolium  quod  dicitur  rferSf; 
a.  1322  r^&f  unde  düv$r&f^  endlich  noch  a.  1420 :  äS/r  umme  dat  se  De- 
ghener  Buggenhagen  vormordeden  unde  rSrdveden  und  damit  ist  denn  auch 
das  Verbum  rSr&ven  flir  das  Mnd.  belegt,  das  zum  Mhd.  Wtb.,  wo  es 
fehlt,  F.  Bech  in  dieser  Ztschr.  10,  400  erst  nachgetragen  hat.  Die  ange- 
führte Stelle  ist  seitdem  mehrmals  gedruckt,  von  Lisch  in  den  Behr- 
schen  Urkunden  3,  213,  wo  irrig  veroveden  steht,  sodann  von  Otto  Fock 
in  den  Rügensch-Pommerschen  Geschichten  Band  4  S.  248. 


*)  So  eben  auch  in  F.  Fabricius  Stralsund.  Statbuch  8.  176,  173  abgedruckt, 
wo  der  interessante  obige  Name  indiessen  als  Job.  Tarrevisce  erscheint,  was  wenn 
richtig  mir  noch  zweifelhaft  ist. 


76  ALBERT  HCEFER 

XX VI.  Sd  vr6  also  u*  anderes  Niederdeutsche. 

Ich  benutze  die  Gelegenheit,  auf  einige  andere  früher  oder  später 
in  das  Niederdeutsche  eingedrungene  Misverständnisse  und  Fehler  hin- 
zuweisen, die  vorzugsweise  bemerkenswert  scheinen.  An  der  Spitze  steht 
jenes  fast  berühmt  gewordene  nustroteren  oder  mist-  in  Bruns'  Heimst. 
Theophilus  v.  204,  das  ich  nach  Dasents  Stockholmer  Theoph.*)  v.  389 
schon  in  meiner  Zeitschrift  f.  d.  W.  der  Spr.  3,  221  gleich  'mistro- 
stegen  genommen,  während  Ettmüller  v.  196  ersteres  bewahrte  und 
^nostrificandi ,  novitii*  erklärte  zu  nicht  geringem  Spotte  Hoffmanns 
dessen  Trierer  Theoph.  v.  687  meine  Vermutung  bestätigte.  Das  ge- 
nannte Wort,  sonst  üblich  genug,  z.  B.  bei  Ficker  132,  in  Hölschers 
Geistlichen  Liedern  62,  5,  hat  öfter  böse  Verderbnis  erlitten:  in  der 
Wiener  Hs.  des  H.  Komer  steht  nach  Pfeiffers  Angabe  Germania  9,  264 
z.  7  neßroHich  und  in  der  Marienklage  ed.  O.  Schönemann  v.  271  wird 
wanteystich  der  Hs.,  welches  das  Wortregister  flir  ^phantastisch  ?  wahn- 
sinnig' hält,  schwerlich  etwas  anders  meinen  als  wanirdstichf  vgl.  Stueren- 
bürg  OstfHes.  Wtb.  S.  324\ 

Vor  Versehen  ist  sich  ft'eilich  Niemand  sicher  und  Hofimann  selbst 
der  darauf  sein  'nachbrunsen  gründet,  hat  sich  im  Theophilus  arg  ver- 
griffen, indem  er  die  ohnehin  wol  nicht  gesunde  Stelle  der  Trierer  Hs. 
V.  74 — 75 :  sd  en  dede  der  anderen  provenden  ein  —  nauwe  desjärs  einen 
beker  slein,  übersetzt:  dann  vermöchte  eine  der  anderen  Präbenden  kaum 
einen  Becher  zu  schlagen,  wogegen  zuverlässig  von  *einem  Becher 
Schlehenweines'  die  Rede  ist.  Vgl.  ib.  v.  67:  ik  gSve  se  tdjdralumein 
ei,  im  Mhd.  niht  einer  slehen  wert ,  bei  Stieler  1832:  Schlehen  sein  keine 
Weinhere ,  sowie  über  Schlehenwein  oder  Branntwein  K.  Schiller  Zur 
Tierkunde  2,  31  und  Schmeller  3,  447. 

Aber  Versehen  und  Misverständnisse  dieser  Art  sind  auch  sonst 
aus  mangelhafter  Kenntnis  des  Niederdeutschen  hervorgegangen  wel- 
ches im  Ganzen  noch  viel  zu  wenig  erforscht,  öfter  lediglich  als  ein 
Abklatsch  des  Mhd.  behandelt  imd  darum  nicht  selten  willkürlich  an- 
gegriffen, zerstört  und  verderbt  worden  ist.  Hier  zuerst  noch  ein  Bei- 
spiel, welches  die  zwar  eigentümliche,  jedoch  in  Mnd.  geläufige  Redens- 
art «3  vr6  also  oder  alsd  vrd  betrifft,  d.  h.  einleuchtend  sobald  als. 
Dieser  Ausdruck  begegnet  z.  B.         1.   in  Michelsens  Altditmarischen 


.*)  Das  bekannte  und  leicht  zugängliche  Buch,  Stockholm  1845  erschienen,  ward 
acht  Jahre  darauf  von  Hoffmann  in  Göttingen  entdeckt  und  sofort  abgedruckt,  nach- 
dem es  a.  a.  O.  und  sonst  von  mir  und  von  Anderen  mehrfach  benutzt  und  als  Ett' 
müUer  entgangen  bezeichnet  war. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UNf)  NAMENFOttSCHUNG.  77 

Rechtsquellen,  im  Sundener  S tatrecht  vom  J.  1529,  S.  222,  47  Z.  3:  so 
frö  ah  he  dat  sine  gedän  heft,  2.  in  Th.  Pjls  Pommerschen  Geschieht«' 
denkmälern ,  in  H.  Rubenows  Verfassung  der  Stadt  Greifswald  vom 
J.  1451,  S.  21  Nr.  5:  Sn  islik  borgermSster  schal  8$  vrd,  ahe  he  karen  is, 
9weren\  daneben  hochdeutsch  a.  1651 :  aohaldt  er  gekoren  ist,  3.  in  Lap- 
penbergs Hamburger  Chroniken,  Mitte  des  16.  Jhd.,  S.  110:  de  scolde 
scip  und  gut  vorboret  hebben,  s6fr&  he  echter  in  den  Sund  quSme.  4.  Das- 
selbe Wort  steht  nun  auch  in  der  W.  Hs.  des  Komer  17':  aisd  de  wort 
Ute  wSrenj  sd  vrd  wart  Amicus  sund,  aber  Pfeiffer  traute  ihm  so  wenig, 
daß  er  Germ.  9,  264,  38  (nur  diese  Zeile  kann  in  der  Note  mit  36 
gemeint  sein)  sQ  vrd  mit  sd  vord  vertauschte.  5.  Dennoch  bestätigt  die 
Hannoversche  Hs.  desselben  Komer  20*  nicht  bloß  hier  das  richtige  vrd 
{also  vrd),  sondern  sie  gibt  es  noch  manchmal,  z.  B.  88":  sd  vrd  alsd  se 
dat  dede,  sd  wart  se  vorldset,  213' :  sd  vrd  aisd  he  bestSdighet  was*  6.  Glei- 
ches Misgeschick  hat  das  Wort  endlich  in  dem  s.  g.  Redentiner  Spiel 
^habt,  wo  beide  Mono  in  den  Schausp.  des  MA.  2,  78  v.  1244  und 
Ettmüller  Upstand.  v.  1237  die  Worte  der  Hs.:  akld  vrd  dün  stemme 
wert  ghehSrtj  in  alsd  vere  verwandelt  haben,  letzterer  wieder  so  ver- 
trauensvoll daß  er  die  ursprüngliche  Lesart  nicht  einmal  angibt,  auf 
welche  indes  schon  C.  Schröder  in  dieser  Ztschr.  14,  196  aufmerksam 
gemacht  liat. 

Von  anderen  in  neueren  Ausgaben  begegnenden  Misverständnissen 
abzusehen  (z.  B.  quelik  als  qaälig,  wach  werlt!  als  Wagewelt,  unturuchten 
als  unterrichten  statt  untvruchten)  zeige  ich  lieber  noch  an  einigen  Bei- 
spielen, wie  man  oft  ohne  Grund  und  Not  die  Überlieferung  der  Hss. 
und  dabei  Altes,  Seltenes,  Mundartliches  verwischt  hat.  Deminutive  auf 
Im  sind  selten,  aber  nicht  unerhört :  z.  B.  hüseUn,  kindeUn,  vgl.  Sün- 
denf.  1816  dat  düveUn  :  sin ;  ib.  1366  segge,  iungeUn,  wür  kumesiu  her  f 
Ebenso  hat  die  Hann.  Hs.  Körners  8V:  se  tdch  VI  iunghelynen  vrouwen 
kUder  an.  Sonach  ist  denn  in  Germ.  9,  262  die  Lesart  der  Hs.  herzu- 
stellen. Ich  finde  außerdem  z.  B.  gegen  die  Hss.  söck  in  sölk  (cf.  wek, 
engl,  such),  naturiken  zweimal  in  natMiken  (Hölscher  S.  38,  8  idmerken 
dorwundet),  sda  (verlesen  sela,  s.  zu  ELI.  Bür  v.  51)  in  sM  verändert. 
So  ist  selbst  wat  vorborgens,  zweimal  sinte  wi  (daftir  sint,  sitte  toi),  leng 
en  für  lenger,  drafstUy  wer  für  wSr,  annome,  vromedSf  der  Plural /runde«, 
erlik,  vindende  werden ,  ik  seggen  f  eder,  scrien  und  manches  andere  was 
gleich  richtig  oder  doch  unverfänglich  in  der  sonst  recht  guten  einen 
Ausgabe  des  Sündenfalls  ausgemerzt  und  in  die  Noten  versetzt  worden, 
aus  denen  es  ohne  Bedenken  in  den  Text  zurück  zu  nehmen  ist. 


78  ALBKRT  HOEFER 

XXVII.  Zu  Germania  12,  326  und  13,  160. 

1.  Das  Verbum  nälen,  hier  9,  263,  30  ohne  sik^  wie  266,  6  mit 
sik  verbunden  und  ebenso  in  der  Hannov.  Hs.  Körners  teils  refle- 
xiv, teils  intransitiv,  ist  schon  von  dem  alten  Bruns  der  es  in  den  Wtb. 
übersah,  *^nicht  selten  genannt  und  es  bedarf  so  wenig  wie  gpe-,  he-, 
er-ndlen,  nelen,  nahm,  neken  der  Beispiele  die  sich  leicht  zu  Dutzenden 
häufen  ließen.  Dennoch  ist  hier  manches  zu  bemerken  oder  noch  zu 
erforschen : 

a.  ndlen ,  in  Urkunden  zuweilen  luilen  verlesen ,  erscheint ,  wie 
Gr.  2,  119  bloß  vermutet,  in  älterer  Form  als  ndhelen  in  Wiggert  Scherf- 
lein  5,  4  (ne  sal  nahelen,  non  appropinquabit,  cf.  näküton  der  Beichte, 
nähida  im  H^L),  es  setzt  also  ein  nähel  voraus  zu  dem  sich  außer  dem 
bei  Grimm  2,  103  und  114,  hier  Nr.  19  z.  E.  Bemerkten  z.  B.  auch  nd. 
nülest  nuper,  das  Verb,  knelen,  engl,  Jcneel  vergleicht. 

h.  So  scheint  auch  dem  ahd.  nähUchßn  gemäß  ein  nd.  nelik  vor- 
zukommen, indessen  eine  Flut  meist  gewis  verschiedener,  doch  ziem- 
lich gleichsinniger  Wörter:  n^hke  (Massm.  in  Eikes  Zeitbuch  schreibt  ae), 
nelekest,  nü  nelken  nuper,  nelkest,  nelykest^  nyliky  nyelk,  nilliken^  nilUkesty 
nilken  u.  a.  vermischen  sich  mit  einander,  so  daß  man  trotz  des  schwed. 
nalkas  doch  nicht  wagen  wird,  wenn  selbst  ndlik  feststeht,  dazu  ein 
Verbum  naliken,  nalken  fiir  näken  vorauszusetzen? 

c.  Denn  näken  ^  neken  sind  durch  alts.  näkön,  ginSkeda  der  Psal- 
men, mnl.  neken  bei  Bormanns  zu  S.  Christine  1722,  Gl.  Bern.  201, 
näkinge  accessus  ebd.  198,  hoU.  naken  als  alt  und  ursprünglicher  dargetan, 
bleiben  aber  nur  um  so  rätselhafter,  Soll  man  in  ihnen  nun  eine  ver- 
einzelte Bildimg  suchen,  wie  sie  sich  im  Altnordischen  nach  Grimm  2, 
283  in  purka  siccare,  groenka  virere  und  sonst  findet?  Oder  darf  man 
weiter  zurückgehen  und  neben  dem  freilich  nicht  ursprünglichen  got. 
n^hva  eine  andere,  vielleicht  reinere  Gestalt  annehmen? 

2.  Schwieriger  noch  sind  die  beiden  Germ.  13,  160  besproche- 
nen Wörter  vorMet,  vet^Mget  und  das  von  den  neuesten  Ausgaben  des. 
Reineke  Vos  als  Druckfehler  zweier  Drucke  trotz  der  erklärenden  Va- 
riante schalkhdt  durch  hovescheit  beseitigte  homschdt,  'gar  kein  Wort'  H. 
Beide  völlig  zu  erklären  ist  noch  nicht  gelungen,  aber  sie  lassen  sich 
um  ein  gutes  weiter  verfolgen.  Ich  bemerke  einstweilen:  eine  Neben- 
form des  letzteren  scheint  hemscheit  nequicia,  5Svme,  das  erweislich; 
und  da  küscheit,  küsheit  usw.  gewöhnliche  Bildungen  sind,  kome,  hom, 
hörn  der  Winkel  aber  z.  B.  altfr.  kerne  lautet,  so  könnte  die  ursprüng- 
liche Gestalt  des  Wortes  homisch-heit  sein.  Dazu  gesellt  sich  aber  eine 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  79 

Reihe  anderer  Wörter  die,  selbst  dunkel,  jene  Verbindung  zweifelhaft 
machen.  Es  findet  sich  nicht  bloß  hemse,  herensen  nequam,  böve,  hem- 
sachtich  nequiciosus,  sondern  mit  eren  herien  Graut.  2,  600,  hemssm  Fuchs 
und  Hase  110.  126,  herien-,  hergen-y  herigen-,  hirgens&ney  femer  wieder, 
von  C.  Schroeder  unberührt,  im  Red.  Spiel  v.  1151  herensen,  doch  in 
offenbar  verderbter  Stelle.  Neben  hirgeneone  ist  ^Is  Variante  hSrensane 
erwiesen;  aber  hat  man  nun  ein  Recht,  dieses  mit  Ettmüller  an  Stelle 
jenes  zu  setzen,  weil  man  es  nicht  versteht? 

3.  Das  Verbum  hien,  heien,  meist  vorh.,  das  nach  dem  Hess.  Wtb. 
157  in  ganz  Oberdeutschland  üblich,  den  Niederdeutschen  aber  völlig 
unverständlich  sein  soll,  ist  von  Scherz,  Frisch,  Stalder,  Schmid, 
Schmeller,  Tobler,  Weinhold,  Lappenberg,  Vilmar  u.  v.  A.  besprochen 
imd  in  so  verschiedenen  JBedeutTmgen  aufgefiihrt,  daß  man  von  vorne 
herein  mehrere  Verba  darin  zu  suchen  geneigt  ist  Das  Wort  hat  mit  dem 
engl,  to  hide  nichts  zu  tun,  es  schUeßt  sich  vielmehr  höchst  wahrschein- 
lich an  mhd.  htwen  sich  vermählen,  paren,  ungehtt  (htwen,  hten  Hausleute, 
Knechte,  RA.  305)  und  hat  bald  einen  schmutzigen  Sinn  bekommen, 
denn  verhiter  zers  meinte  castratus;  kuhgeheier,  kugehwr,  qui  vaccas  iniit, 
wird  ein  unchristliches  Wort  genannt,  der  beinahe  stehend  gewordene, 
überall  begegnende  Schimpf  verhtet  bdve,  verheit  schalk  (Eulensp.  60. 
110.  130)  war  mehrfach,  nach  der  Soester  Schrae  mit  4  Schill,  verpönt. 
Dazu  vielleicht:  den  hunt  h^gen  Lüntzel  234?  Aber  hien^  highen  ist  später 
geradezu:  moien,  molestare,  vexare,  tribulare.  Daher  denn:  einen  heien, 
laes  mich  ungeheit,  schles.  mägdegeheier,  nach  Weinh.  Spötter?  nd.  de  hie- 
hasen^anten  Laur.  238  cf.  115,  d^  hiedehters  Utlegg.  105  uva.  derselben 
Art,  das  offenbar  nicht  zu  trennen  sein  wird. 

Wie  verhält  sich  aber  dazu  sichgeheien  sich  packen,  scheren?  In  Wei- 
ses Erzn.  75  gehet  dich  nwr  hin,  bei  Uhland  Volkslieder  1,  7  htet  üaz  arm 
und  rieh,  das  an  engl,  to  hie,  ags.  higian  (anders  ndl.  hijgen  anhelare,  nd. 
heigen,  biegen  keuchen)  erinnert  und  ein  gleichsinniges  brue  hen  neben 
sich  hat.  Wer  durchschaute  ganz  auch  nur  jenen  Entwickelungsgang? 
Wir  lassen  uns  genügen  ihn  zu  ahnen  und  erinnern,  anderes  bei  Seite 
setzend,  an  das  mehrfach  zustimmende  Verhältnis  zwischen  hrüden^ 
brüen  und  hrilten.  An  Ableitung  von  Interjectionen  ist  nicht  zu  denken. 
Aber  hier  liegen  allerwärts  noch  Rätsel  die  der  Lösung  harren. 

XXVlll.  Brot-  und  Semmelnamen. 

Die  kleineren  feineren  Arten  des  s.  g.  Weißbrotes  haben  bekannt- 
lich  an  fast  jed^m  Orte  ihre  besonderen  Formen  mit    entsprechenden 


80  ALBERT  HOEFER 

Namcn^  unter  denen  viele  unbedeutende^  gleichgiltige^  aber  auch  manche 
ältere;  volkstümliche  erhalten  zu  sein  pflegen.  Meine  Absicht  ist  nicht 
auf  eine  Sammlimg  derselben  gerichtet;  sondern  ich  will  in  einem  Nach- 
trage zu  den  von  Anderen,  namentlich  wenn  ich  nicht  irre  von  Roch- 
holz unlängst  in  der  lUustr.  Zeitung  gelieferten  Sammlungen  zunächst 
nur  auf  einiges  hierorts  noch  gebräuchliche  aufmerksam  machen. 

1.  J.  Grimm  hat  in  Haupts  Zeitschrift  2,  191  und  1 ,  562  nach- 
gewiesen,  daß  das  bei  Hartman  im  Gregorius  und  sonst  vorkommende, 
von  Greith  noch  mit  redelieh  vertauschte,  nun  hinlänglich  bekannte 
crede  michy  vollständiger  crede  michi  *)  (Haupt  5,  42)  in  der  Form  crede 
mihi  noch  im  17.  Jhd.  in  dem  niedorrh.  Kloster  Rommersdorf ,  ver- 
gleichbar den  Hennebergischen  Klössen  'Herr  Gott  behuetes*,  'eine 
Speise,  seien  es  Klösse  oder  Backwerk'  bezeichnete  und  wahrscheinlich 
auch  in  dem  mlat.  credemica  bei  Ducange,  mndl.  credemicke  erhalten  sei. 
Darin  aber  geht  dann  Grimm  offenbar  zu  weit,  daß  er  rom.  micha, 
miche,  ndl.  und  Schweiz,  micke^  eine  Art  Semmel,  selbst  fUr  eine  bloße 
Abkürzung  von  jenem  credemica  mit  Verlust  des  crede  ansieht  und  er 
deutet  das  Richtige  wol  selber  an,  wenn  er  am  Schlüsse  fragt:  'oder 
will  man  annehmen,  mica  liege  doch  zum  Grund  und  nur  im  Scherz 
sei  credemihi  darauf  angewant  worden?' 

Auch  Diez  fahrt  frz.  mie  wie  miche  auf  mica  zurück  und  nur  der 
Anklang  an  crede  michi  ward  Veranlassung,  dieses  in  dem  angegebenen 
Sinne  als  credemica,  crede-miclce  zu  verwenden.  Denn  micke,  mike,  mik 
ist  ein  auch  im  Niederdeutschen  weiter  verbreitetes  Wort,  der  Vocab. 
theoton.  hat :  micke,  is  mx>nnike  brdt  und  mick  bezeichnet  in  Bergen  auf 
Rügen  noch  heute  ein  eingeschnittenes  Backwerk.  S.  migge  b.  Dähnert. 

2.  Eine  eigene  Art  sehr  beliebter  kleiner  Zwiebäcke  heißt  hier 
bei  uns  herkömmlich  mu-  oder  selbst  ?na- ,  meist  m£8chtLcken  m.  gen. 
Der  erste  Vocal  ist  ein  unreiner,  zweifelhafter,  doch  kurzer  Laut,  den- 
noch gilt  es  bei  Heimischen  und  Fremden  ganz  gewöhnlich  soviel  als 
'Monsieurchen,  kleine  Herren .  Das  ist  denn,  wie  man  aus  Dähnert  er- 
sieht, auch  schon  ältere  Annahme  gewesen,  er  verzeichnet,  überein* 
stimmend  mit  Danneil  im  Altmärk.  Wb.,  der  die  hi^  besprochene  Be- 
deutung jedoch  nicht  kennt,  neben  Muach  Johann  oder,  ohne  Namen, 
de  muschü,  unser  muschv^ken  'ein  kleiner  Knabe  von  ansehnlichen  Al- 


*)  So  bei  Pauli  ed.  Oesterlei  S.  197  sie  michi  credas.  Es  war'^selir  üblich,  für 
lat.  h  ein  ck  zu  schreiben,  ich  finde  in  Calenberger  Urk.  a.  1140  nichilo  minus,  im 
Meklbg.  Jahrb.  3,  126  estomichi  usw. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  gl 

tem ;  it.  ein  kleiner  Butterzwieback' ,  aber  er  fiigt  hinzu ,  im  letzten 
Verstände  sei  es  wol  frz.  biscuit.  Daß  hierait  das  Richtige  getroffen  sei, 
ist  leicht  zu  beweisen.  Die  volle  Deminutivform  würde  etwa  heschvMken 
lauten  und  schon  daraus  könnte,  wie  z.  B.  mäken^  gew.  mäten  für  mäd- 
chen,  teils  heschueten,  teils  beschueken  geworden  sein.  Man  vgl.  femer 
üke,  ik  {ehke  bei  Frommann  Ztschr.  3,  378)  neben  iUisj  emken  Ameisen 
neben  emet,  nordfrs.  wermk  neben  hiesigem  wörmt  Wermut,  swäelk  von 
schwalbe,  swalwe]  in  Betracht  kommen  selbst,  mit  neuem  Suffix  hd.  scar- 
lach  neben  scarlatum,  teppich  neben  tepif,  teppet  (im  Sachsensp.  tept,  s.  Alt- 
vile  S.  35)  lat.  tapes  und  m.  a.  Das  erster e,  was  freilich  hier  direct 
auf  biscuit  i.  e.  biscoctum,  Zwieback  (man  versteht  oft  fälschlich :  was 
zwei  Backen  hat)  gehen  kann ,  findet  sich  z.  B.  im  westf.  beschuet^ 
s.  Frommann  Ztschr.  2,  507  und  510^;  bei  Lyra  S.  119  Nr.  1 
(ein  Korb)  vuU  beschiite,  holl.  bescuit,  in  Meklenburg  nach  K.  Schillers 
Zur  Thier-  und  Kräuterkunde  1,  26  meschüten,  in  Rostock  aber  auch 
me-,  mo-,  muschüken,    also  schon  in  zweiter  Gestalt  und  mit  m  fiir  6. 

So  kommt  denn  alles  auf  den  manchmal  behaupteten  und  öfter 
bestrittenen  Wechsel  zwischen  m  und  Labialen  an,  der  dem  Deutschen 
nicht  abzusprechen  ist,  wesentlich  aber  auf  die  volkstümliche  Sprache  be- 
schränkt bleibt.  Als  ein  sicheres  Beispiel  der  entgegengesetzten  Art,  da  m 
zu  b  wird,  habe  ich  aus  Goldschmidts  Volksmedicin  S.  106  das  oldenbg. 
beschaten  naet  angemerkt  dem  Schiller  a.  a.  O.  noch  ein  augsburgisches 
buskaten  vom  J.  1571  hinzufügt ,  das  Birlinger  und  v.  Schmid  jedoch 
nicht  verzeichnen. 

Ein  anderes  Beispiel  dieser  fast  eigensinnigen  Weise,  m  in  6  und 
wiederum  auch  6  in  m  zu  wandeln,  bietet,  von  verwanten  Erscheinun- 
gen wie  z.  B.  der  italienischen  Aussprache  des  A-Anlautes  und  der  Vo- 
cale  abgesehen,  auch  das  Mhd.  dar,  wo  neben  rnan  ein  wan  *)  besteht, 
während  wieder  die .  einschränkende  Partikel  wany  engl,  but,  im  Nieder- 
deutschen und  selbst  in  dem  familiären  Neuhochdeutschen  als  man  er- 
scheint. Unser  hier  oft  gehörtes  man  d.  h.  nur,  z.  B.  sei  man  nicht  böse, 
wenn  du  man  wolltest  usw.,  nd.  it  sunt  man  d/rouwSy  es  sind  lere  Dro- 
hungen, oder:  herberget  mi  .man  disse  nacht  in  Eschenburgs  Denkm. 
S.  242  m.  **),  deckt  sich  so  vollständig  mit  dem  mhd.  wan,  daß  es  in 


*)  Man  denkt  dabei  unwillkürlich  an  die  noch  unaufgeklärte  Aussprache  des 
englischen  cmc,  alt  ane,  oone,  on,  welches  jedoch  zu  unus^  ains  gehört,  denen  wieder 
litt,  vienas,  lett.  veens  gegenüber  steht,  s.  Ed.  Müllers  etym.  Wtb.  2  S.  143;  wählend 
man,  frz.  on ,  im  Englischen  merkwürdiger  Weise  verloren  ist  (Grimm  4  S.  221)  und 
durch  0716  ersetzt  wird. 

**)  Vgl.  das  Brem.  Wtb.  3,  123  und  z.  B.  Germ.  9,  272  z.  30  und  33,  wo  men 

GURMANIA.  Neue  Reihe  III.  (XV.)  Jahrg.  .        g 


82  ALBERT  HCEFER 

Wahrheit  nur  eine  andere  Aussprache  desselben  zu  sein  scheint.  Das 
ist  denn  auch  schon  mehrmals  von  Anderen,  wenn  ich  nicht  irre  aufth 
von  Eschenburg  und  von  Benecke  mündlich  und  auch  wol  irgendwo 
zum  Wigalois  aufgestellt  worden,  während  Grimm  3,  240  und  280  es 
auf  andere  Weise,  aber  ohne  Glück,  zu  erklären  versucht.  Auch  nennt 
er  es  wie  ich  meine  ohne  Grund  enklitisch. 

Indem  ich  als  weitere  Beispiele  des  Wechsels  zwischen  m  und  w 
das  schweizer,  naimer  fUr  neisswer  bei  Grimm  3,  73  oder  ndl.  nemaei*, 
maer,  maar  nebst  den  dazu  gehörigen  nd.  Formen  für  newäre,  Tiewaer 
ib.  245  übergehe ,  erinnere  ich  schließlich  noch  an  die  volkstümlichen 
malmea&ry  zum  Cl.  Bür  v.  22,  eine  Assimilation  für  Malvasier,  und  den 
aus  dem  Märchen  bekannten  Machandelbom,  juniperus,  wozu  der  Vo- 
cab.  theoton.  die  entsprechende  Form   Wachandelen  bom  darbietet. 

3.  Wieder  ein  anderes,  sachlich  merkwürdigeres  Backwerk  von 
Semmelteig  heißt  hier  sowie  auch  in  anderen  pommerschen  Städten  noch 
heute  Osterwolf,  wie  es  denn,  nur  zu  Ostern  gebacken,  in  seiner 
rohen,  mit  einem  Maul  und  vier  die  Füße  vertretenden  Ausläufern  ver- 
sehenen Gestalt  einen  Wolf  darzustellen  sich  bemüht.  Dähnert  sagt: 
Wulf  wird  hier  ein  festliches  Brot  zum  Ostern  genannt  und  Schmeller 
4,  67  berichtet  eine  ältere,  unter  anderen  abergläubischen  Gebräuchen 
überlieferte  Notiz :  „zu  Weihnachten  bäckt  man  an  der  rauhen  Ebrach 
aus  Teig  allerlei,  besonders  Tierfiguren,  unter  dem  Namen  Hauswolf." 
Zu  unserer  jedesfalls  alten  Sitte  liefert  nun  H.  Rubenows  Verfassung 
der  Stadt  Greifswald  vom  J.  1451  ein  wichtiges  Zeugnis  in  Th.  Pyls 
Pommerschen  Geschichtsdenkmälem  S.  41  Nr.  3 ,  wo  erst  von  den 
Pflichten  des  Ratsmitgliedes  die  Rede  ist,  devne  de  tolle  unde  de  hoppen- 
schepel  hevalen  weti:.  Dann  heißt  es  weiter  in  einem  Zusätze  zu  Ende^ 
der  in  den  renovirten  Statuten  vom  J.  1651  fortgelassen  ist,  so  :  Ay»' 
vor  schal  hee  hebben  alle  jar  en  voder  hoyges ,  to  Paschen  enen  wulff 
van  den  bekkeren,  siven  (seven  f)  herink  van  den  haken,  syn  ward  van  den 
nigen  radluden  unde  1  schepd  roven.   Vgl.  Strals.  Chron.  3,  37. 

Grimm  Myth.  741  vermutet  daß  die  Osterfladen  und  osterstu/ypha 
in  den  Rechtsalt  298  ein  Backwerk  von  heidnischem  Aussehen  an- 
zeigen, —  hier  haben  wir  den  Wolf,  das  dem  Wutan  heilige  Tier, 
das  als  glücklicher  Angang  galt  und  in  so  manchen  Gebräuchen  und 
Sagen  eine  Rolle  spielt,  daß  er  auch  hier  als  ein  Rest  heidnischer  An- 


steht ^   dem  gegenüber  man  daselbst  zu  me  zu  werden  pflegt,  im  Abdruck  meist  ohne 
Grund  in  men  geändert. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  83 

schauung  nicht  zu  vorkemieii  ist.  Aber  seine  Bedeutung  näher  zu  be- 
stimmen überlasse  ich  Kundigeren,  bis  sich  eine  oder  die  andere  mei- 
ner Vermutungen  bestätigt.  Vielleicht  hat  sich  der  Gebrauch  auch  sonst 
noch  in  einer  reineren  oder  vollständigeren,  Halt  und  Aufschluß  ge- 
benden Weise  erhalten?  Es  wäre  wünschenswert,  darüber  weitere  Mit- 
teilung zu  bekommen. 

XXIX«  Benennung  nach  der  Mutter  u.  a. 

In  dem  Nibelungenliede  A  Str.  290  heißt  Kriemhilde  nach  der 
Mutter :  der  schoenen  Uoten  kint,  ebenso  648 :  vroun  Uoten  kint  Desglei- 
chen Giselher  125.  808.  Femer  wird  Siegfried,  1097  Sigmundes  kint, 
oder  640  sun,  in  Str.  285  und  sonst:  daz  Siglinde  kird  genannt,  während 
wieder  Hagen  1479  Äldriänes  kint  heißt.  Die  Sitte,  die  Kinder  gele- 
gentlich auch  nach  der  Mutter  zu  benennen,  war  also  schon  im  Alter- 
tum bekannt  und  sie  lebt  heute  noch  fort,  wenn  unehelichen  Kindern 
statt  des  Vatemamens  der  Name  der  Mutter ,  freilich  nun  schon  ein 
als  solcher  nicht  mehr  kenntlicher  Familienname  erteilt  wird.  Allein 
es  fehlt  unserer  Zeit  auch  nicht  an  Beispielen  jener  reineren,  ursprüng- 
licheren und  zugleich  deutlicheren  Art  der  aus  echt  weiblichen  Vor- 
und  Beinamen  gebildeten  allgemeinen  Familiennamen.  Diese  ganze, 
jetzt  indessen  ziemlich  seltene  Art  mit  ihren  kleinen  Unterschieden  wird 
um  vieles  verständlicher,  wenn  man  sie  in  ihren  Anfängen  verfolgt, 
welche  die  früheren  Jahrhunderte  der  beginnenden  Namenbildung  in 
reicherer  Fülle  darbieten. 

1.  Zur  ersten  Classe  rechne  ich  die  vollständigsten  Formen  bei 
denen  auf  den  Vornamen  jUius  oder  stme ,  söhn  mit  dem  Genitiv  des 
Muttemamens  folgt.  Letzterer  ist  entweder  ein  einfacher  Vorname,  z.  B. 
a.  1280  der  Lübecker  Hinric^is  filius  Lutga/rdis ,  um  dieselbe  Zeit  in 
Ditmarschen  Petrus  dne  Wohbensone,  Johannes  Margareten  Sohn*),  oder 
eine  Ableitung  vom  Namen  des  Mannes ,  z.  B.  in  Hannov.  Urkunden 
a.  1320  Joh,  der  Sidinghescen  sone  **).  So  vielleicht  im  Neocor.  a.  a.  0. 
WiUer  der  Frauen  Brometen  Sohnf  Eine  Bestätigung  gibt  um  1284  im 
Stralsunder  Statbuche  S.  57  Nr.  359:  Johannes  filius  sororis  AVieyd  Val- 


*)  So  im  Anhange  zu  Neoc.  1,   663  und  670  wo  jedoch   einige  Beispiele  nicht 
in  ursprünglicher  Form  mitgeteilt  sind. 

**)  So  ist  für  Sidingheatensone  in  den  Calenb.  Urk.  4,  252  zu  lesen,  der  ist  Gen. 
fem.  und  at  ist  oftmals  für  «c,  d.  h.  ach,  verschrieben  oder  verlesen.  Vgl.  ebd.  163 
H.  Evesten  für  S.  98  H,  domine  Eueaeen  richtig. 

6* 


84  ALBERT  HCEFER 

kerschen,  eine  ohnehin  bemerkenswerte  Abart,  denn  es  meint  wahrschein- 
lich: der  Sohn  der  Schwester  der  A.  Valkersche,  uva.  der  Art. 

Solche  Bildungen  sind  ursprünglich  nicht  anders,  als  wenn  wir 
heute  aus  einem  oder  dem  anderen  Grunde,  zumal  nach  dem  Tode  des 
Vaters,  der  Sohn  der  Lange,  der  Langesche,  der  Frau  Rat  usw.  sagen ; 
wie  sie  dann  zu  Familiennamen  werden  konnten,  werden  wir  alsbald 
sehen  ;  daß  sie  sich  zu  solchen  gestalteten ,  zeigt  noch  heute :  Joseph 
Elsensohn,  Verfasser  eines  Sagenbuches,  Teschen  1866. 

2.  Die  zweite  Classe  hat  weiteren  Umfang:  der  raännUche  Vor- 
name (unter  Umständen,  obgleich  seltener,  auch  wol  der  weibliche  der 
Tochter)  wird,  ohnefilius,  Sohn  usw.  dem  Genitiv  der  verschiedensten 
Formen  des  Mutternamens  hinzugefiigt.  Hiezu  gehört  a.  1231  Henrico 
Thedildis  in  Braunschw.  Urkunden,  a.  1383  Bertold  Katerinen  in  Göt- 
tinger, a.  1471  Dominus  Niclaus  Swagerschen  in  Holsteinischen  Urkunden 
was  also  sicher  männlich  ist,  vgl.  Nr.  3.  Dazu  hier  in  der  letzten  An. 
merkung  H,  Domine  Eaeacen. 

Dabei  hat  der  Genitiv  einerseits  den  Artikel,  andererseits,  dem 
dominae  entsprechend,  Vevj  Vor  oder  flectirt  Vrowen,  Vem  vor  sich. 
Und,  was  gleich  hier  erwähnt  werden  mag,  zuweilen  ist  die  Form  des 
Genitivs,  wie  in  Nr.  3,  dann  schon  verwischt.  Beispiele  älterer  Zeit  sind 
Henneken  der  Hennemenschen  in  Calenb.,  a.  1318  H^  dei^  Voghedinnen  in 
,Gött.  Urkunden  und  weiter,  die  wichtigsten  aller,  a.  1343  Thidericus 
Verenherrades,  Bürger  in  Hannover;  a.  1277  Henr,  Vroweleniken  gleich 
Hinricua  Eyliken  und  Thidema  Vorheliken  im  Strals.  Stätb.  10^  120.  185, 163. 

Nun  erklärt  es  sich  leicht  und  von  selbst,  erstlich,  wenn  heute 
noch  eine  Harzer  Familie,  Bildungen  wie  Friederici,  Friederichs^  Clauaen 
entsprechend,  Odiliae  heißt,  sc.  filius,  Sohn  usw.  Familien  dieses  Na- 
mens waren  schon  im  13.  Jhd.  und  später  sehr  verbreitet :  Heydenricus 
Odilie  ist  a.  1281  Magdeburger  Ratmann,  Peter  Odilien  begegnet  1315 
in  der  Magdeb.  Schöppenchronik  ed.  K.  Janicke  S.  185  m.  Anra., 
F,  Odilie  1323  in  Hoya,  Her  Frederic  Odilien  wieder  in  Bremen  und 
öfter.  Zweitens  aber  begreift  sich  nun  auch  völlig  und  als  recht  alt 
und  ehrwürdig  dazu  der  sehr  besondere  Name  des  auch  aus  weiterer 
Tätigkeit  bekannten  Mitarbeiters  unserer  Zeitschrift,  des  Herrn  Theo- 
dor Vemaleken ,  der  auch  unseren  großen  Meister  mehrfach  gereizt 
zu  haben  scheint.  Er  fragt  Germ.  12,  126 1  „kann  aber  Naleke  Ver- 
kleinerung eines  Frauennamens  sein?"  während  er  ebd.  11,  255  in  einem 
Briefe  späteres  Datums  „den  Sohn  der  Frau  Aleke^  grüßen  lässt.  Und 
so  war  es  freilich  allein  richtig,  denn  Aleke,  Alke,  wie  jetzt  auch  Aling, 
war  eine  beliebte   und  überall  verbreitete  Deminutivform   zu  Adelheid 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  85 

und  anderen  mit  Adel  beginnenden  Namen^  denen  auch  ein  männliches 
Aleke  zur  Seite  stand.  Vgl.  z.  B.  Seibertz  Nr.  889  und  Kosegartens 
Wtb.  S.  216 — 218,  sowie  in  der  Braunschw.  Chronik  S.  111  z.  2  Swagher 
Otte  langhen  Aleken  sone  a.  1386,  was  allerdings  Femin.  sein  könnte, 
aber  doch  wol  Masc.  sein  soll. 

Ein  ähnlicher ,  zweifelhafterer  Name  lebt  noch  jetzt  in  Vemickel 
fort  und  da  mag  die  Frage  angebracht  sein,  ist  auch  hier  Vem  abzu- 
lösen oder  kann  Nickel  weiblich  sein?  Für  beides  sehe  ich  wol  eine 
Möglichkeit,  doch  entscheide  ich  noch  nicht.  Sorgsam  zu  trennen  sind 
aber  solche  wie  Verheyden,  Vermeulen,  Verveer,  die  in  der  Regel  anders 
zu  fassen  sind,  s.  Potts  Namenbuch  S.  351.  Konnte  aber  ver  oder  vr, 
vor  (Komer  sagt :  sine  vrouwen  vormechtilde,  de  vorstinne  vorberta ;  Grimms 
Mutter  ward  schlechtweg  Framtmännm  genannt)  so  mit  den  Namen 
verwachsen,  so  liegt  es  nahe,  ein  Gleiches  für  Herr^  Her  zu  erwarten 
und  wirklich  scheint  auch  hier  eine  Verbindung  desselben  mitunter  vor 
sich  gegangen  oder  angenommen  zu  sein,  schwerlich  in  solchen  wie 
Herharty  Herweg^  eher  aber  z.  B.  in  Herhok  (flir  Herolds)  oder  Herge- 
tiiis  (ein  M.  Herrgott  in  Wien  1737)  oder  Heiramhof  in  Augsburg,  ob- 
gleich selbst  das  letzte  keineswegs  ganz  sicher  hieher  gehört,  sofern 
daneben  ein  Name  besteht  wie  Hei*renhof,  Doch  findet  sich  auch  wol 
bloi^es  Amhof,  Vgl.  ferner  z.  B.  Hefi*reilers  in  Bremen,  Herkhtz,  Herheck 
und  Herböck  in  Nürnberg,  Herrose,  Herhudt  in  Stettin  u,  a. 

3.  Die  dritte  umfangreichere  Classe  kann  man  leicht  erschließen 
denn  die  Namenbildung  neigt  allerwärts  zur  Vereinfachung  und  Er- 
leichterung und  die  hier  in  Betracht  kommetiden  Namen  vergleichen 
sich  genau  u.  a.  denen,  die  einen  bloßen  Städtenamen,  z.  B.  Berlin, 
Bamberg,  Regensburg  enthalten,  den  in  dem  entsprechenden  Casus 
ursprünglich  eine  Praeposition  mit  dem  Vornamen  verknüpfte.  Wie  hier 
die  Praeposition,  fiel  dort  der  Zusatz  Sohn  fort  und  der  reine  Frauen- 
name ohne  Endung  blieb  übrig.  Ich  finde  schon  a.  1362  in  den 
Osnabr.  Mitteilungen  2,  301  einen  Sachwalt  Johann  und  Botger  Hadewich 
und  diesem  entspricht  noch  heute  der  Familienname  Hedwig,  auch  bei 
Pott  S.  213,  wie  dem  ^Margareten  Sohn'  in  Nr.  1  jetzt  noch  Marfft*eth, 
Marjotj  frz.  im  17.  Jh.  Margeret  u.  a.  gegenübersteht. 

Mitunter  begegnen  hier  auch  die  oben  als  Genitive  bemerkten 
Ableitungen  auf  inne,  z.  B.  a.  1323  U,  Huginne  in  den  Mon.  Boic,  Hans 
Herzogynn  in  Chmels  Reg.  Rup.  Nr.  1425  usw.  Dabei  ist  aber  Vorsicht 
nötig,  denn  häufig  bleibt  der  Vorname  des  Mannes  bei  dem  Femin, 
stehen,  vgl.  z.  B.  S.  197  und  210  im  Berl.  Statb.  v.  J.  1397  Brandynne 


86  ALBERT  HCEFER 

et  uxor  Clawes  Arndesynne,  oder  alia  dicta  Pauwel  Siferdynne,  wo  doch 
sicher  die  Frau  des  Cl.  Amdes  und  der  P.  Siferd,  nicht:  des  P.  Sifer- 
dynne  gemeint  sein  wird,  was  an  sich  möglich  wäre.  Vgl.  unten  die 
Namen  auf  -sehe. 

Daß  sich  auch  diese  Art  bis  in  unsere  Zeit  fortgesetzt  habe,  ist 
sehr  wahrscheinlich,  aber  die  zunächst  in  Betracht  kommenden  Bei- 
spiele sind  meist  anders  gedeutet,  verdreht  und  njcht  mehr  sicher  er- 
kennbar. Ich  erwähne  z.  B.  Hindersin ,  das  wie  Amdes-yune  auf  das 
genitivische  Hinders  gehen  und  in  Wockesin,  Lobesyn  u.  a.  Verwante 
haben  kann*). 

Hiervon  zu  trennen  sind  aber  sieh  er  die  z.  B.  in  den  Stralsunder 
Chroniken  häufig  begegnenden  Namen  wie  Dinnies  Prutzeschey  Chim 
Sukesehe  oder  Joachim  Foedebmmeschen  ebd.  2,  173,  Moritz  Ntenbargesche 
sampt  erem  manne  ebd.  193,  also  die  Frau  des  Ntenbarch  dessen  Vorname 
bestehen  bleibt.  Ahnliches  findet  sich  noch  jetzt  mannigfach ;  in  dem 
dritten  Beispiele,  einem  Nominativ,  wird  das  n  wol  zu  streichen  und 
auch  nur  die  Frau  des  J.  Foedebom  gemeint  sein. 

Indem  ich  eine  Schar  neuerer  Namen  übergehe  die  zum  Teil 
offenbar  hieher  gehören  wie  Hilgard  in  Zttrich,  Irmtraut,  zum  Teil  un- 
sicher und  zweifelhaft  sind  wie  Isabella  in  Stettin  (Ysabeau  Pott  196), 
Auguste^  Justa,  Thony  in  Ausburg,  Nieny  in  Stralsund,  Annecke  in  Bre- 
men, Bömhild  bei  Pott  213  u.  a.,  erwähne  ich  schließlich  noch 

4.  einer  Nebenart  die  weniger  eigentlichen  Muttemamen  entstammt, 
als  vielmehr  auf  Spitz-  und  Spottnamen  beruht  welche  sich  ihrem  Inhalte 
nach  zumeist  für  das  weibliche  Geschlecht  eignen.  Weinhold  hat 
in  seinem  hübschen  Buche  'Altnordisches  Leben  S.  282  bereits  z.  B. 
Hausfrau,  Herrin,  Dienstweib,  Vettel,  Braut  u.  dgl.  als  männliche  Bei- 
namen erwiesen:  ähnliche  Beinamen  hat  man,  wie  ich  vermute,  auch 
schon  unseren  Vorfahren  beigelegt  und  es  wird  wol  unbedenklich  sein, 


*)  Schein  der  Verw antschaft  hat  auch  da»  vieldeutige  Seine  Susemyvme,  Bürger 
in  Tangermünde  um  1375  in  K.  Karls  Landbuche  bei  Fidicin  S.  226,  das  trotz  Joh,  Myn- 
neke  a.  1357  in  Göttinger  Urk,  oder  des  Brüsselers  Joh»  Minne  d*  Boele  in  Lüb.  Urk. 
a.  1334,  vielleicht  nichts  als  Suaeninne,  also  etwa  einen  Kinder-  oder  Wiegenmann  meint. 
Vgl.  Günthers 'izt  gehts  (opp.  dem  Liede  vom  Klosterleben)  auf  susaninnen  aus*  und  Luthers 
'vom  Himmel  hoch\  femer  Hölschers  Lieder  S.  124  'des  kindes  mdder  wSghen  l^t:  sÜse 
ninnine  süse'  und  pg.  VII  nebst  Weinhold  im  Schles.  Wtb.  65;  Germ.  6,  363  uva,.  Es  ist 
mag  ninne  nun  die  Wiege  selbst  meinen  oder  nicht,  ein  Wiegensang,  wie  heute  noch  ein 
solcher  mit'süse  leve  brüse,  wo  weijet  de  wint'  beginnt,  der  dann  nach  meiner  Ansicht  so- 
gar jenen  Namen  erwachsen  ließ. 


^R  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  87 

ihnen  zunächst  die  folgenden  zuzurechnen ,  falls  sie  nicht  auf  Misver- 
Ständnissen  und  Verderbnissen  beruhen.  So  hieß  wol  Venus,  ein  im 
Briefwechsel  von  Göthe  und  Karl  August  1  S.  29  und  sonst  erwähnter 
Weimarscher  Beamter,  zunächst  ein  Mann  wegen  körperlicher,  zumal 
frauenhafter  Schönheit  und  Jungfer  ein  anderer  vielleicht  wegen  mäd- 
chenhafter Scheu  und  Bescheidenheit  (ähnlich  wie,  auch  noch  jetzt  vor- 
kommend, Jungeblodt)y  es  ist  nur  auffällig  daß  der  letzte  Name,  heute 
z.  B.  in  Lübben,  nach  Pott  79  auch  in  Liegnitz  fortlebend,  schon  1280 
in  Lübeck  erscheint :  Hinricus  Juncfruwe.  Dabei  zuerst  an  uneheliche 
Kinder  einer  Jungfrau  zu  denken,  ist  natürlich  unverwehrt.  Dasselbe 
gilt  von  Nonne  und  Nonnemann,  indessen  kann  ja  Nonne  auch  aus  äl- 
terem NuTw  entstanden  sein.  Das  Compositum  mit  -mann  entscheidet 
nicht,  ob  der  Mann  einer  Nonne  oder  der  Mann  der  Nonne  hieß,  ge- 
meint sei.  Vgl.  z.  B.  Neidharts  wol  gefänez  diernkint,  dazu  diemlinkint, 
degenkint  usw.  Ein  Analogen  zu  Jungfer  bietet  schon  a.  1366  im  Archiv 
fttr  Niedersachsen  1844  S.  500 :  C,  Hovedeme  und  wieder  einen  Gegen- 
satz in  Kosegartens  Nds.  Wtb.  Vorrede  p.  VI :  Alhert  Oldewyf,  leicht 
versteckter  als  es  scheint,  vielleicht  zu  der  merkwürdigen  Variante  des 
dtifü  im  Sachsenspiegel  {aide  weyp)  in  unaufgeklärter  Beziehung  stehend. 
Etwas  anders  steht,  kürzlich  aus  Westfalen  erwähnt,  Marie  Moder- 
söhn,  unverkennbar  soviel  als  'Muttersöhnchen  von  einem  verzärtelten 
und  verzogenen  Kinde.  Man  mag  geneigt  sein,  solche  Absonderlich- 
keiten filr  junges  Fabricat  zu  halten,  allein  auf  diesem  Gebiete  ist  alles 
schon  dagewesen ,  ja  die  ältere  Zeit  besitzt  eine  Fülle  ganz  unglaub- 
licher und  unaussprechlicher  Benennungen  die  später  als  völlig  un- 
möglich entweder  verschwinden  oder  sich  ausgleichende  Entstellungen 
gefallen  lassen  musten.  Der  vorliegende  hübsche  Name  lebte  in  West- 
falen schon  im  16.  Jhd.  und  wol  früher ,  ein  Bruder  Joh,  Modersonne 
ist  z.  B.  aus  J.  Fickers  Münsterschen  Chroniken  S.  266  erweislich.  Un- 
erklärt lasse  ich  dabei  wolweislich  manche  andere ,  z.  B.  das  als  n.  pr. 
aufgeführte  Braunschw.  Moymenscho ,  erinnere  jedoch  an  Hans  mit  der 
muter  in  Hegels  Nümb.  Chron.  1,  99,  13  a.  1406.  Dieselbe  Person  be- 
gegnet das.  66,  20  in  den  Worten :  B.  hat  zu  der  e  dez  Hansen  mit  der 
muter  tochter,  so  daß  der  Name  Hans  also  nach  dem  Zusammenlebe];! 
mit  seiiier  Mutter  oder  auch  etwa  als  ein  Muttersöhnchen  zubenannt 
sein  wird*). 


*)  Von  anderen  Analogien  erwähne  ich  hier  nur  Namen  wie  Liebeskind,  Liehe- 
Jeneeht,  Levekint,  letzteres  schon  alter  Judenname  wie  Süßkind,  Sieaskind,  Dabei  hebe  ich 
aus  der  Glasse  der  Gomposita  mit  kind  als  aufiallig  heraus  a.  1536  Verloren  Kind  von  Cöln, 


88  ALBERT  IICEFER. 

Aber  dies  Capitel,  eins  der  anziehendsten  und  lehrreichsten  aus 
dem  schwierigen  Abschnitte  von  den  zusammengesetzten  Namen,  sollte 
hier  eben  nur  berührt,  nicht  abgeschlossen,  dabei  aber  die  Wichtigkeit 
erwiesen  werden,  welche  hier  wie  allerwärts  die  bei  solchen  Untersu- 
chungen kaum  schon  nach  Gebühr  berücksichtigte  Geschichte  der  Na- 
men zumal  der  mittleren  Zeit  besitzt.  Eine  nun  schon  außerordentlich 
erleichterte  Sammlung  derselben  wäre  wahrlich  sehr  an  der  Zeit,  wenn 
gleich  noch  immer  schwierig  genug;  man  geht  ohne  sie  keinen  Schritt 
mit  Sicherheit.  , 

Das  zeigt  sich  recht  deutlich  bei  dem  im  folgenden  Artikel  be- 
sprochenen, mitunter  den  Curiosis  zugezählten,  doch  gleich  beachtens- 
werten Gegenstande. 

XXX.  Namen  mit  Vomamenbuchstaben  verbunden? 

Es  ist  bekannte  Sitte  der  Handels-  und  Geschäftsleute,  gangbaren 
und  üblicheren  oder  überhaupt  solchen  Namen  die  an  einem  und  dem- 
selben Orte  mehreren  Personen  zukommen,  zur  bequemen  Unterschei- 
dung auch  mündlich  im  täglichen  Leben  den  Anfangsbuchstab  der  Vor- 
namen voran  zu  setzen ,  also  A.  Meier  und  ß.  Meier  oder  F.  Müller 
und  P.  Müller  statt  Adolf  Meier  oder  Peter  Müller  kurz  zusammenzu- 
fassen und  es  ist  daher  an  sich  gar  nicht  unwahrscheinlich,  daß  der- 
gleichen aus  Abkürzung  entsprungene  Zusammensetzungen  allmählich 
sich  fester  gesetzt  und  allgemeinen  Eingang  gefunden  haben  möchten. 
Nun  gibt  es  in  der  Tat  eine  ansehnliche  Menge  von  bekannten  Namen, 
denen  in  gewissen  wirklich  nachweisbaren  heutigen  Formen  eine  Silbe 
vorangeht,  die  auf  den  ersten  Blick  den  Anfang  eines  Vornamens  zu 
enthalten  scheint. 

Solche  Namen  sind  Abesser,  Abom,  Ahammer,  Alan  dt 
Ahmann,  Amüller;  Beguhl,  Beholz,  Behmann,  Beschütz; 
Zehbold,  Zehmüller;  Dehaan  im  16.  Jhd.,  Dehoff;  Ehbauer, 
Ehoff,  Effeldt,  Efflandt  neben  Iffland;  Gehmann,  Geh- 
meyer, Gehwolf;  Habecker,  Hameier;  Ibach,  Ibarth,  Iberg, 
Idahl;  Elborg,  Elbusch,  Elkamp;  Endorff;  Obuch,  Ohagen, 
Ohmann;  Pemüller,  auch  mit  ec,  eÄ ;  Erbeck;  Esdohr^  Esdorn, 
Eskuche,  Esmarch,  Issmeyer,  Espeter;  Uhmeyer,  Uhsadel; 
WehauB,  Wehmüller  und  zuletzt  sogar  Zettwach. 

Gleichen  Schein  haben  außerdem  Arandt,  Ahrand,  Nebenformen 


vielleicht  von  einem  Findlinge.  Ein  H.  Verloren  lebt  a.  1540  in  Hannover;    dazu  noch 
heut«  C  J.  't  kint  de  Rodenbeek  in  Belgien. 


E.  KÖLBING,  NACHTRAG  ZUR  PARZIVALSSAGA.  89 

für  Arend,  Begas,  Behaghel,  Behaim  d.h.  Böhme,  Dewald  und 
Ewald,  Dewitz  und  Elwitz,  Gehbauer  flir  mhd.  gebüre,  Haman 
und  Hameister  für  Hage-,  Imandt  filr  Jemand,  Kamentz  von 
dem  Ortsnamen,  Emmelkamp  und  Emmelheintz,  Emmermann 
neben  Imm.,  Oberg,  ohnehin  schon  alter  Name,  nebst  Oeberg, 
Obereit  neben  Unbereit,  Umbreit,  Oland  neben  Uhland,  Er- 
man  neben  Ehrmann,  Hermann,  deren  Ursprung  zum  Teil  unver- 
kennbar ist. 

Und  so  werden  auch  die  übrigen  m  eist  nicht  hieher  gehören, 
sondern  vielmehr  verderbt  und  entstellt  sein.  So  kann  AI  an  dt,  alte 
Form  flir  Elend,  Ellendt  oder  Nebenform  zu  Oland  sein;  Ahmann 
kann  für  Haman,  Elbusch  für  Ellerbusch,  Essmann  für  Asman 
stehen  (vgl.  z.B.  dessen  neben  Classen),  kurz  bei  manchen  bieten 
sich  verschiedene  Wege  der  Erklärung  dar  ,  so  daß  man  bis  auf  wei- 
teres auf  der  Hut  und  selbst  mistrauisch  zu  sein  allen  Grund  hat. 

Einzelne  freilich  wie  Amti  11  er,  Zeh  müller  (doch  Zech- u.  Zehe t- 
meyer),  Pemüller,  Wehmüller,  kaum  Uhmeyer,  allenfalls  Ha- 
meier^  Issmeier  dürften  am  meisten  Schein  haben,  aber  völlig  sicher 
sind  auch  sie  nicht,  selbst  sie  mögen  contrahirt  sein  (Wehmüller 
könnte  ein  Wedemüller,  wie  Wedemeier,  enthalten)  oder  ent- 
stellt, wie  z.  B.  Espeter  sehr  leicht  zu  Esper  oder,  wenn  auslän- 
disch, selbst  mit  Espartero  zu  sparterius  gehören  mag. 

Die  meisten  sind  ohne  Zweifel  neueres  Ursprungs   und  weil  hier 

der  Halt  der  Geschichte  fehlt,    so   ist  ihnen   allen  gegenüber   die  von 

Pott  551  beobachtete ,  von  Hofiinann  minder  geübte  Vor  sieht  sehr  gut 

angebracht,  eine  völlig  sichere  Erklärung  meist  aber  gar  nicht  möglich. 

GREIFSWALD  im  November  1869. 


NACHTRAC;  ZUR  PARZIVALSSAGA. 


Wie  ich  bereits  in  dieser  Zischr.  14,  S.  170  bemerkt,  verdanke  ich 
durch  Hrn.  Prof.  Zamckes  gütige  Vennittelung  dem  bekannten  dänischen 
►Sprachforscher,  Hrn.  Dr.  Ludwig  Wiramer  in  Kopenhagen,  ein  Excerpt 
aus  dem  Valvers})attr,  durch  welches  ich  meine  oben  ausgesprochene  Ver- 
muthung,  das  Bruchstück  werde  sich  im  Inhalt  mit  dem  Rest  des 
Chrestienschen  Gralsromanes  decken,  definitiv  bestätigt  sehe.  Ich  lasse 
zum  Beweis  dafür  eine  gedrängte  Inhaltsangabe  mit  theilweiser  Herbei- 
ziehung des  französischen  Textes  folgen. 


30  E.  KÖLBING 

Cap.  1.  Valver  reitet  vom  Schlosse  weg  und  kommt  zu  emem 
Baum,  unter  iem  ein  verwundeter  Ritter  liegt,  den  Parzival  ungeachtet 
der  Bitten  einer  bei  ihm  sitzenden  Dame  aufweckt  Der  erwachende 
Ritter  bittet  ihn,  sich  auf  diesem  Wege  nicht  weiter  zu  wagen,  da  er 
sonst  mit  dem  Ritter  Baredogane  zusammentreflfen  werde,  der  ihn  selbst 
tödtlich  verwundet  habe.  Valver  folgt  ihm  nicht,  verspricht  ihm  aber, 
wenn  er  bei  seiner  Rückkehr  todt  sei,  sich  der  verlassenen  Jungfrau 
anzunehmen. 

Er  kommt  dann  beim  Weiterreiten  zu  einer  Burg,  und  triflft  hier 

ein  Mädchen,    das  unter  einem  Baum  sitzt.     Sie  ruft  ihm  zu,    er  soll 

sein  ßoss  schonen  und  nicht  so  sehr  eilen ;  vgl.  im  französischen  Text 

V.  8050: 

Et  eile  li  cric:   „Mesure, 
Mesure,  sire,  or  belement! 
Que  vos  ven^s  moult  folement. 
Fols  est,  qui  por  noient  sesploite.** 

Valver  fragt,  warum  sie  ihn  so  zornig  anschreie,  vgl.  v.  8056: 

„Or  me  dites,  amie  biöle, 
De  coi  vos  estes  apensee, 
Qui  si  tos  m'av^s  escriee: 
Mesure!  et  ne  sav^s  por  coi." 

Sie  antwortet :  „Darum ,  weil  ich  furchte ,  du  willst  mich  entfilhren, 
aber  ich  weiß,  daß  du  dich  nicht  getrauen  wirst,  mein  Ross  hier  aus 
diesem  Garten  zu  holen.  Wenn  du  mein  Ross  erlangst,  so  folge  ich 
dir,  aber  nicht  zu  deinem  Besten,  sondern  zu  Leid  und  Qualen,  die 
durch  meine  Gesellschaft  über  dich  kommen  werden,  vgl.  v.  8062 : 

Vous  me  voles 
Prendre  et  porter  ä,  contreval 
Sour  le  col  de  vostre  ceval. 

V.  8074: 

Mais  moi  n'enporteras  tu  mie; 
Et  nonporquant,  se  tu  voloies, 
Mener  avoec  toi  m'en  poroies: 
Se  tant  te  voloies  pener 
Que  tu  m'osasses  amener 
De  cel  gardin  mon  palefroi, 
Jou  iroie  tant  avoec  toi, 
Que  malaventure  et  pesance 
Et  duel  et  honte  et  mesqu^ance 
T'avenroit  en  ma  compagnie. 

Valver  bittet  sie  einstweilen  sein  Ross  zu  halten,  weil  er  nicht  in  den 
Garten  hineinreiten  könne.  Sie  verspricht  dies  zu  thun;  vgl.  v.  8088: 


NACHTRAG  ZUR  PARZIVALSSAGA.  91 

Ha,  damoisele,  mes  cbevaus 
U  remanra,  se  jou  i  pas? 
Qne  passer  ne  poroit  il  pas 
Par  cele  plance  que  je  voi. 
V.  8094: 

Le  ceval  vos  garderai  gi^ 
Tant  com  jou  le  porai  tenir. 

Valver  tritt  in  den  Garten  :  da  rufen  viele  Männer  und  Frauen . 
^Weh  dir,  verfluchtes  Weib,  so  viele  brave  Männer  haben  deinetwegen 
ihr  Leben  eingebüßt^  und  du  (90.  Valver)  würdest  nicht  dies  ßoss  holen, 
wenn  du  wüsstest,  wie  viel  Unglück  den  Mann  trifft,  der  es  fortflihrt**  ; 
vgl.  V.  8111: 

Atant  a  la  plance  pass^e, 

Et  trueve  ass^  gent  amass^e 

Qui  &  grant  mervelle  Fesgardent 
•  Et  dient:    „Tuit  dyable  t'ardent, 

Puci^le  qui  tant  äs  maufait 

V.  8118:     A  maint  preudome  as  fet  trencier 
-   La  teste,  dont  moult  es  grans  dius. 

Chevalier  qui  mener  en  vius 

Le  palefroiy  que  ne  s^s  ore 

Les  mauS)  qui  t'avenront  encore 

Se  tu  de  ta  main  i  atouces? 

Ha,  Chevalier,  por  coi  aprouccs? 

Que  jk  voir  n'i  aproceroies 

Se  tu  les  grans  hontes  savoies 

Et  les  grans  maus  et  les  grans  paines 

Qui  t'avenront  se  tu  Tenmaines." 

Valver  kümmert  sich  nicht  um  sie,  sondern  nimmt  das  Ross.  Er  sieht 

nahe  dabei  einen  großen  Ritter,    der  ihm  räth ,    das  Pferd  zu  lassen 

weil  es  ihm  sonst  sein  Leben  kosten  werde,     v.  8140: 

Et  mesire  Gauwains  8*adrece 
Au  palefroi  et  tent  la  main, 
Si  le  va  prendre  par  le  frain, 
Que  frain  ne  siMe  n'i  faloit. 
Mais  I  grant  chevalier  avoit 
Sous  I  olivier  verdoiant 
Et  dist:    „Chevalier,  por  noiant 

I6s  venus  por  le  palefroi 

V.  8153:     Mais  je  te  loc  que  tu  t'en  alles, 
Qu'allors  qu'ici  se  tu  le  balles, 
Trop  grant  desfense  i  troveras. 

Valver  fährt  trotzdem  das  Pferd  zu  seiner  Herrin.  Der  Kopf  desselben 
ist  schwarz  auf  der  einen ,  weiß  auf  der  andern  Seite  ,  am  (ihrigen 
Körper  ist  es  blutroth,  das  Reitzeug  golden;  vgl.  v.  8184; 


92  E.  KÖLBING 

Le  palefroi  ki  la  tieste  ot 

D^une  part  noire  et  Tautre  blance 

Valver  will   die  Dame  auf  das  Ross  setzen;  sie  erlaubt  es  ihm  nicht, 

sondern  besteigt  selbst  ihren  Zelter  und  fordert  ihn  auf,    seinen  Weg 

zu  reiten;  aber  sie  werde  ihm  folgen,  ihm  zur  Schmach  und  Schande, 

die  nicht  ausbleiben  werde;  v.  8198: 

Et  mesire  Gauvaina  li  livre 

Le  palefroi  atout  la  sele 

Et  dist:  Or  9a,  ven^s,  pucele, 

Si  Yos  aiderai  k  monter. 

Ce  ne  te  laist  ja  Dex  conter, 

Fait-ele,  en  liu  \k  ü  tu  viengnes, 

Que  tu  entre  tes  bras  me  tiengnes 

V.  8257:     Issi  la  puci^le  est  montde, 
Si  8*est  Hie  et  afiiibMe) 
Et  dist:    „Chevaliers,  or  al^s 
Quel  part  que  vous  onques  vol^s, 
Et  je  VO8  ßivrai  toute  voie 
Tant  que  pour  moi  honir  vos  voie. 
Et  ce  ert  ancui,  se  Dieu  piaist/ 

Wir  sehen  aus  der  eben  angestellten  Vergleichung  deutlich  genug,  wie 
eng  auch  diese  Saga  sich  an  ihre  französische  Vorlage  anschließt  und 
werde  ich  mich  daher  im  Folgenden  damit  begnügen,  kurz  den  übrigen 
Inhalt  des  Valvers  |)attrs  anzugeben. 

Der  oben  erwähnte  verwundete  Ritter,  den  Valver  verbunden  und 
dem  er  ein  Pferd  verschafft  hat,  ist  undankbar  genug,  ihm  das  seinige 
zu  rauben  und  sich  nebst  seiner  Geliebten  eilig  zu  entfernen.  Von  der 
ihm  folgenden  Dame  ob  dieses  Missgeschickes  noch  verhöhnt ,  reitet 
er  aus  dem  Walde  heraus  und  gelangt  zu  einem  großen  Wasser,  an 
dessen  Ufer  eine  schöne  Burg  steht.  In  dieser  befindet  sich  ein  pracht- 
voller Saal  mit  vielen  Fenstern,  an  denen  schöne  Frauen  stehen. 

Cap.  2.     Der  verwundete  Ritter  verfolgt  Valver,    wird  aber  von 

ihm  besiegt.     Valver  muß    ihn   in   die  Gewalt  der  Burgfrauen  geben, 

dann  durch  einen  von  ihnen  abgesandten  Kaufmann  das  Recht  geltend 

machen,  das  Ross  des  Besiegten  oder  ihn  selbst  für  sich  in  Anspruch 

zu  nehmen.  Dieser  Kaufmann  gewährt  dann  Valver  Nachtquartier  und 

erzählt  ihm  auf  sein  Befragen  am  nächsten  Morgen,  daß  eine  Königin 

die  Burg  inne  habe ,    in  deren  Dienst  mehrere  tapfere  Ritter  ständen ; 

außerdem  habe  sie  eine  Tochter,  deren  Schönheit  in  der  ganzen  Welt 

berühmt  sei ;  vgl.  v.   8904 : 

Car  je  ne  quic  que  sossiel  ait 
Plus  bi^le  ne  mius  ensegnie. 


NACHTRAG  ZUR  PARZIVALSSAGA.  93 

Die  Burg  aber  habe   die  magische  Eigenschaft,    daß  kein  Verräther 

hinein  kommen  könne;  v.  8915: 

Que  Chevaliers  ne  puet  entrer 
Qui  i  puisse  mie  arriester 
En  nule  fin,  ne  vis  ne  sains, 
Qui  de  couardise  soit  plains 
Ne  quil  ait  en  lui  nul  malisse 
De  losenge  ne  d^avarisse. 

Aber  es  liegt  jetzt  ein  Fluch  auf  ihr,  von  dem  noch  kein  Ritter  muthig 

genug  gewesen  ist,  sie  zu  befreien.    Valver  unternimmt  dies  und  muß 

sich  erst  gegen  eine  Menge  auf  ihn  eindringender  Pfeile,  dann  gegen 

den  Angriff  eines  Riesen  und  endlich  eines  wüthenden  Löwen  verthei- 

digen.     Nachdem  er  diese  Proben  bestanden ,    bieten  ihm  die  Königiö 

und  ihre  Tochter  nebst  ihrem  Gefolge,  einer  Menge  schöner  Jungfrauen, 

ihre  Dienste  an.  Als  er  aber  dann  vom  Burgthurm  aus  die  Dame  sieht, 

die  ihn  seit  gestern  begleitet  hat,  und  ihm  gesagt  wird,  sie  folge  jetzt 

dem  besten  Ritter  in  der  Welt,   Namens  Prinsmas,    da  lässt  er  sich 

durch  die  Königin  nicht  mehr  zurückhalten,  er  greift  jenen  an,  besiegt 

ihn  und  überlässt  ihn  dann  ebenfalls  seinem  Wirth.  Dann  folgt  er  der 

Dame,  die  ihn  nur  verspottet,  und  verspricht,  sich  in  alle  ihre  Wünsche 

zu  fUgen. 

Cap.  3.  Er  setzt  dann  auf  den  Befehl  seiner  Dame  über  einen 
tiefen  Fluß,  um  am  andern  Ufer  Blumen  zu  pflücken,  trifft  aber  hier 
einen  früheren  Liebhaber  derselben,  von  dem  jene  veränderliche  Dame 
sich  getrennt  hat^  um  dem  Ritter  zu  folgen,  den  eben  vorher  Valver 
besiegt  hat.  Jener  belobt  Valvers  Muth  und  sie  geloben  sich  gegen- 
seitige Treue  und  Freundschaft. 

Cap.  4.  Eben  dieser  Ritter,  der  sich  Grinomelas  nennt,  erzählt 
Valver,  die  Königin  in  der  Burg,  in  der  er  übernachtet  hat,  sei  König 
Artus  Mutter,  die  andere  schöne  Dame  aber,  die  er  gesehen,  sei  König 
Loths  (?)  Gattin,  und  deren  Sohn  heiße  Valver.  Die  junge  Schöne 
aber,  die  Valver  auch  gesehen  h^ben  müsse,  sei  seine  Verlobte  und 
die  Schwester  Valvers  ,  den  er  von  Grund  aus  hasse ,  weil  er  seinen 
(sc.  Grinomelas)  Vater  und  zwei  seiner  Neffen  erschlagen  habe. 
Als  Valver  seinen  Namen  genannt  hat,  wird  eine  bestimmte  Zeit  zum 
Zweikampf  festgesetzt,  dem  auch  Artus  selbst  beiwohnen  soll.  Dann 
kehrt  Valver  über  den  Fluß  zurück  und  als  seine  Dame  diese  Probe 
von  Tapferkeit  sieht,  erbittet  sie  sich  seine  Verzeihung,  die  er  ihr  auch 
.  gewährt.  Beide  kehren  zu  Valvers  Wirth  zurück. 

Cap.  5.  Die  Königin  und  ihre  Frauen  empfangen  sie  sehr  freund- 
lich. Valver  überreicht  seiner  Schwester  einen  von  Grinomelas  ihm 


94  J.  STROBL,  ZU  WOLFRAMS  WILLEHALM. 

ftir  sie  übei^ebenen  Kmg  und  unterhält  sich  so  vertraulich  mit  ihr, 
daß  die  übrigen  Damen  sie  schon  ftir  ein  Liebespaar  halten.  Hierauf 
ruft  er  einen  höfischen  Jüngling  zu  sich  und  trägt  ihm  eine  Botschaft 
an  Artus  auf. . —  Hier  schließt,  wie  ich  oben  schon  erörtert  habe,  die 
Valverssaga,  freilich,  ohne  sachlich  zu  einem  irgend  befriedigenden 
Resultate  gelangt  zu  sein,  woran  allerdings,  wie  wir  gesehen  haben 
in  der  Hauptsache  die  ebenfalls  unvollendete  Vorlage  Schuld  ist. 

E.  KÖLBING. 

ZU  WOLFRAMS  WILLEHALM. 


58,  15  ff.     Ir  gun^rten  Sarrazin, 

ob  bSdiu  hunt  unde  svnn 

iuch  trüegen  und  da  zuo  diu  lövp 

sus  manegen  werlichen  Ivp, 

für  war  möjd  ich  wol  sprechen  doch 

daz  iioer  ze  vil  wcer  dannoch. 
Diese  Verse  hat  F.  Bech  in  der  Germania  7,  303  besprochen  und  um 
sie  verständlich  zu  machen,  einige  Änderungen  nothwendig  gefunden. 
Heinrich  von  Neustadt,  welcher  um  1312  seinen  Apollonius  von  Tyrlant 
dichtete  und  wie  ich  an  einem  andern  Orte  nachweisen  werde,  Wolfram 
von  Eschenbach  kennt  und  benutzt,  hat  auch  obigen  Gedankeji  in  sein 
Gedicht  aufgenommen.  Die  Verse  lauten  bei  ihm: 

7568  f.     Do  sie  (die  Feinde)  der  Tyrus  ersach 

ouz  einem  tobenden  muote  er  sprach: 

"^ztcdre  ez  mac  tcol  Bulgoir  regen 

odefi^  sie  wahsent  undenoegen! 

ir  ist  doch  so  vil  erslagen, 

Meten  sie  d£u  swm  getragen 

ir  wcere  dannoch  ze  vil, 

ob  ich  die  wdrheit  reden  wiV 
Daraus  erklären  sich  auch  die  Worte  Wolframs :  „Ihr  verwünschten 
Sarazenen,  wenn  Hunde  uind  Schweine  euch  getragen  hätten  und  dazu 
die  Frauen  so  manchen  kampfttichtigen  Mann;  ich  könnte  doch  spre- 
chen, daß  euer  immerhin  zu  viel  wäre."  Alle  drei  zusammen,  von  de- 
nen noch  dazu  die  ersteren  durch  ihre  Fruchtbarkeit  sich  auszeichnen, 
könnten  ihm  die  nimmer  enden  wollende  Menge  der  Sarazenen  nicht 
erklären.  Passende  Worte  fiir  den  im  Kampfe  Ermüdeten,  der  seiner 
Feinde  keiji  Ende  .sieht. 

WIEN.  J.  STBOBL. 


95 


DER  KAPPENZIPFEL. 


Im  Frühling  1460  (30.  April)  stießen  im  Kriege  zwischen  Pfalz- 
graf (Kurflirst)  Friedrich  und  Graf  Ulrich  von  Wtlrtemberg  in  der  Ge- 
gend von  Lauffen  die  Würtembergischen  mit  den  Pfälzischen  zusammen, 
wobei  die  letzteren  geschlagen  wurden.  Die  Sieger  machten  viele  Ge- 
fangene, die  sich  nach  geleisteter  Feldsicherheit  in  der  Herberge  zur 
Elrone  in  Stuttgart  einstellen  mussten ;  auch  erbeuteten  sie  einen  Kappen- 
zipfel (einen  „alten  wüUinen  Kappenzipfel"  nennt  ihn  Sattler  Gesch.  W, 
u.  d.  Gr.  2.  A.  II,  233),  den  sie  nebst  zwei  ihrerseits  gefallenen  Rittern 
nach  Marbach  in  die  Alexanderskirche  brachten  und  daselbst  über  der 
Begräbnissstätte  der  Beiden  als  Trophäe  auf  einer  an  der  Wand  befe- 
stigten Stange  aufsteckten.  Des  Folgenden  wegen  muß  die  Grabschrift 
gegeben  werden.  Sie  lautet  so: 

„Anno  1460  begab  sich  uf  sant  Philippi  vnd  jacob  der  zwelff- 
botten  abent,  das  die  durchluchtigen  hochgebomen  Fürsten  vnd  herm 
der  Pfalzgrave  vnd  grave  Virich  von  Wirttenberg  um  abgesagter  vynd- 
schafft  uffeinander  gestoßen  an  dem  Furtraben  (?) ,  als  dei  Pfalzgra- 
vische  etwan  manch  *)  huss  gebraut  hetten.  trafFen  beiderseiten  mit- 
einander an  zwischen  wystenhausen  vnd  helfFenberg.  alda  wurden  dise 
zwen  biderman  erlich  vnd  ritterlich  erschlagen  vnd  mit  dem  her  heim 
gefürt,  der  aJmechtig  got  sy  inen  gnedig.  amen." 

Über  dem  Haken  aber^  der  die  Stange  mit  der  Trophäe  hielt, 
steht  auf  einem  an  die  Wand  gemalten  Spruchbande  die  Inschrift  : 

„Vnd  uff  die  **)  stimd  wurd  diser  kappenzipfel  in  Fenlins  schäm 
den  feinden  abgewonnen." 

Sattler,  nach  seiner  Sprache  zu  urtheilen,  hat  den  Kappenzipfel 
auf  der  Stange  noch  gesehen.  Jetzt  ist  nur  noch  der  Haken  nebst  dem 
Spruchbande  übrig. 

Was  der  Kappenzipfel  bedeutete,  ist  nach  RA.  151,  4  und  nach 
den  Worten  „in  Fenlins  schäm""  nicht  zweifelhaft.  Er  war  ein  Feld- 
zeichen, wahrscheinlich  zugleich  zum  Wappen  derjenigen  Graf-  oder 
Herrschaft  gehörig,    die  ihr  ihn  führendes  Contingent  zum  pfälzischen 


*)  Die  Oberamtsbeschreibung  von  Marbach  hat  wenig, 

**)  Die  Oberamtsbeschreibung,  die  eine  Abkürzung  anzunehmen  scheint,  liest  dieaey 
was  sich  durch  das  ie  widerlegt,  eben  so  weiterhin  dieser.  Wie  Sattler  hat  auch  Stein- 
hofer  die.  Sonstige  Abweichungen  zwischen  Sattler  und  der  Oberamtsbeschreibung 
kommen  bloi  noch  in  der  Grabschrift  yor  und  sind  unerheblich. 


96  HERMANN  KURZ,  DER  KAPPENZIPFEL. 

Heere  gestellt  hatte.    (Arzt,  die  speirische  Chronik,    Kremer,  Häußer 
haben  nichts  von  diesem  Beutestück.) 

Aber  es  ist  noch  eine  andere  Merkwürdigkeit  an  der  Sache.  Die 
kleine  Inschrift  liest  sich  ganz  von  selbst  metrisch: 

„Vnd   uff  die  stund  wurd   diser  Kappenzipfel   In  Fenlins   schäm 
den  feinden  abgewonnen." 

Verlangt  sie  diese  Lesung  oder  gestattet  sie  dieselbe  bloß?  Ist  es 
denkbar,  daß  zur  Zeit  Hennanns  von  Sachsenheim  aus  vollem  Bewusst- 
sein  ein  Verspaar  entstand,  das  ganz  unsem  heutigen  Jambus  hat,  das 
modernen  Tonfall  und  wahrhaft  dramatische  Bewegung  kundgibt?  Aber 
gerade  dieser  Dichter,  und  er  nicht  allein,  zeigt  im  Gegensatze  zu  der 
ungeschlachten  Silbenzählung  dieses  und  noch  mehr  des  folgenden  Jahr- 
hunderts eine  Neigung  nicht  bloß  zu  vollsilbigen  Versen,  sondern  auch 
zu  möglichster  Accentuation*).  Mit  der  Inschrift  hat  er  jedesfalls  nichts 
zu  thun:  er  war  zwei  Jahre  vor  jenem  Treffen  gestorben.  Übrigens  muß 
diese  Inschrift  denn  doch   einen  eigenthümlichen  Kauz   zum  Verfasser 
gehabt  haben :    man  vergleiche  nur  ihren  überraschenden  Aufschwung 
mit  der  hausbackenen  Sprache  der  Grabschrift,  die  daneben  steht.  Die 
Reimlosigkeit  ist  es  freilich,  was  den  Zweifel  an  der  prosodischen  In- 
tention der  Inschrift  einflösst.  Lag  aber  diese  Form  nicht  vielleicht  schon 
in  der  Luft?    Sie  hatte   sich   schon  früher  angedeutet:    und  jetzt  nur 
noch   ein  halbes  Jahrhundert,    so  stehen  die  italienischen  Versi  sciolti 
da;  ein  ganzes,  und  der  dramatische  Blankvers  der  Engländer  ist  ge- 
boren.   Ob  nun  jedoch  absichtlich  oder  zufällig  entstanden,  gleichviel, 
es  sind  zwei  entschiedene  Blankverse ,    die  uns   aus  der  Inschrift  an- 
sprechen ,    deutsche  Blankverse  vom  Jahr  1460  :    und  sollte  auch  nur 
ein  launiger  Zufall    ihr  Vater    sein,    wer    vermag    zu    sagen,    welche 
Fortwirkung  unter  Umständen,  bei  dem  fruchtbaren  Triebe  zur  Hand- 
lung, den  der  Blankvers  in  sich  trägt,  sie  hätten  ausüben  können?  So 
aber  blieben  sie  Jahrhunderte  lang  in  einer  Kirche  verborgen,  an  einem 
Spruchbande    dahinfahrend ,    wie   ßoss   und   Reiter ,    die   man   niemals 
wiedersieht. 

HERMANN  KÜRZ. 


*)   So  in  der  Mörin  ,   besonders  aber  in  der  selbstverfassten  Grabschrift    (Stalin 
m,  769): 

O  Welt,  du  hast  ^lassen  mich, 
Mein  Schild  und  Helm  hangt  unter  sich  u.  s.  w. 
Offenbar  kündigt   sich  in  dieser  Prosodie   eine  moderne  Entwickelung  an ,  die  im  fol- 
genden Jahrhundert  gewaltsam  unterbrochen  wurde. 


97 


GEDICHT  AUF  MEISTER  ECKHART. 


Das  nachfolgende  Gedicht,  welches  die  Empfindungen  einer  Nonne 
ausspricht,  die  den  hohen  Meister  Di  de  rieh  und  den  wisen  Meister 
Hechart  (den  berühmten  Bruder  Eckhart)  als  *bredeger  hörte,  steht 
auf  der  letzten  Seite  eines  Pergamentcodex  der  gräfl.  Thun-Hohenstein- 
schen  Bibliothek  in  Tetschen.  Er  enthält  zuerst  einen  Kalender  mit  alten 
Miniaturen,  wobei  auffallend  ist,  daß  unter  den  Heiligen  sich  weder 
S.  Bemardus  (20.  Aug.)^  noch  S.  Dominions  (4.  Juli),  noch  S.  Francis- 
cus  (4.  Oct.)  vorfinden,  wohl  aber  der  hl.  Ulrich  von  Augsburg,  hl.  Ki- 
lian  von  Würzburg,  Columban,  Othmar,  Willibald  von  Eichstätt,  Bur- 
chardus  von  Worms,  Bonifacius,  auch  S.  Magnus  von  Füßen.  Der 
St.  Wenceslaustag  erscheint  als  Venczlai  mart. 

Die  Heiligen  würden  also  vorzugsweise  auf  Schwaben  (Alemannien) 
als  die  Heimat  unseres  Codex  hinfiihren. 

Von  Einzeichnungen  in  den  Kalender  ist  zu  bemerken  zum  5.  März : 
obiit  Rupertus  frater  mens  karissimus  ;  zum  18.  April :  obiit  frater 
Conradus  di  Rinawe  amantissimus  confessor  (sie)  meus.  Bei  dem  Tage 
des  hl.  Bischofs  Martinus  (11.  Nov.):  Menno  mart.;  zum  16.  Nov.:  obiit 
Osanna  soror  mea  karissima;  zum  22.  Nov.:  obiit  Wemherus  Marc- 
gravii.  Diese  sind  (etwa  mit  Ausnahme  von  Menno  mart.)  von  öiner  Hand. 

Das  nachfolgende  Psalterium  ist  von  späterer  Hand  als  der  Ka- 
lender, den  ich  in  das  11.,  das  Psalterium  in  das  13.  Jhd.  setzen  möchte. 
Auf  der  Rückseite  der  4  (?)  Miniaturbilder  stehen  theils  lateinische, 
theils  deutsche  Gebete.  In  der  zweiten  Hälfte  des  Codex  wechselt  die 
Schrift  mehrmals.  Das  copierte  Gedicht  trägt  entschieden  das  Gepräge 
der  Schrift  des  14.  Jhd.  Der  Codex  ist  nicht  numeriert  und  kein  Merk- 
mal weist  auf  den  ursprünglichen  Eigenthümer.  Nur  ist  nach  der 
Beschaffenheit  der  Heiligen,  was  ich  stets  als  untrügliches  Merkmal 
bei  der  Ortsbestimmuing  von  Kalendern  gefunden  habe,  kein  Zweifel, 
daß  der  Codex  aus  einem  schwäbischen  oder  oberrheinischen  Nonnen- 
kloster stammt.  Die  in  dem  Gedicht  selbst  vorkommenden  Stellen  weisen 

• 

gleichfalls  entschieden  auf  die  Mystiker  des  14.  Jhd.  hin.  Somit  dürfte  kein 
Zweifel  obwalten,  daß  das  Gedicht  sich  aufden  bekannten  Meister  Eckhart 
beziehe;  wer  sollte  auch  sonst  den  Namen  des  Weisen  verdienen?  wem 
die  in  dem  Gedichte  enthaltenen  Lehren  zukommen,  wenn  nicht  ihm? 
PRAG.  C.  HÖFLEE. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  Ilj  (XIV.)  Jahrg.  7 


98  C.  HOFLEß,  GEDICHT  AUF  MEISTER  ECKHABT. 

'Ich  wil  vch  sagen  mere/ 
sprach  ein  nvnne  gvt, 
'yns  kvmment  bredegere, 
des  frauwet  sich  min  mvt 
5     sie  sagent  vns  gvde  wort 
sie  wüllent  vns  entslizzen 
den  hymmelischen  hört' 

Scheidet  abe  gar, 
nement  godes  in  vch  war, 
10         senkent  vch  in  eynekeit, 
so  werdent  ires  gewar. 

Der  werde  lesemeister 

der  wil  ir  einer  sin, 

er  wil  dy  sele  reizzen 
15     mit  der  minnen  furbit. 

siner  minnen  sticke 

dvt  er  ir  also  heiz 

daz  sy  uon  recher  minne» 

uuderniden  enweiz. 
20         Scheden  abe. 

Der  hohe  meister  Diderich 
der  wil  vns  machen  fro, 
er  sprächet  Ivterlichen 
al  in  principio. 
25     des  adelares  flvke 

wil  er  vns  machen  kunt, 
dy  sele  wil  er  versencken 
in  den  grünt  ane  grünt. 
Scheidet  abe. 

30     Der  wise  meister  hechart 

vil  vns  von  niche  san: 

der  des  niden  verstat, 

der  mag  ez  gode  clan. 

in  den  hat  nit  gelvchet 
35     des  gvdeliche  schin. 
Scheiden. 


4  eine  Zeile  ausgelassen?  6  entssizzen.  11  gemeit?  19  nuä!*n%den?  31  ==  sagen, 
32  =  niht  enverstät.    33  =  clagen.    34  =  geluchtet    36  fehlen  zwei  Zeilen. 


A.  BIRLINOER,  ZU  DEN  VOLKSBÜCHERN.  99 

Ich  kan  vch  nit  geduden 

waz  man  vch  hat  gosat. 

ir  svlet  vch  gar  vemichen 
40     in  der  geschaffenheit. 

geit  in  daz  ungeschaffen^ 

verlisent  vch  selber  gar, 

aldar  hat  sich  ein  kaffen 

al  in  das  wesen  gar. 
46         Scheiden. 


zu  DEN  VOLKSBÜCHERN. 

SCHWÄBISCHE  ZEUGNISSE. 

I. 

Eine  14  Blätter  in  49  enthaltende  Reformationsschrift  mit  Holz- 
schnitt auf  dem  Titelblatt  lautet: 

„Ain  gesprech  büchlin,  von  ainem  Weber  vnd  ainem  Kramer  über 
das  Büchlin  Doctoris  Mathie  Kretz  von  der  haimlichen  Beycht,  so  er 
zu  Augsburg  in  unnser  Frawen  Thum  geprediget  hat:  im  MDXXIIII: 
Vtz  Rychßner  Weber."  Letztere  drei  Worte  stehen  unter  dem  Holz- 
schnitt, der  beinahe  des  ganzen  Titelblattes  Seite  einnimmt. 

Bl.  2^  bringt  der  Kramer  im  Zwiegespräch  mit  dem  Weber  das 
Büchlein  von  der  heimlichen  Beicht  vor,  auf  das  er  schwört.  Der  Weber 
aweifelt  imd  sagt:  ^Ja  wann  man  über  das  haylig  Römisch  Buch  will 
gon,  nach  seiner  Aufsatzung  vnnd  das  Buch  Brandonis  Thondali 
vnnd  dergleichen  Exempelbücher ,  so  möcht  man  etwz  darin  finden, 
aber  auß  der  rechten  hayligen  geschrifit  der  Bybel  glaub  ich  nit." 

Auf  Bl.  4*^  heißt  es :  „Item  wie  jr  auch  gelesen  hond  von  der: 
rechten  Kirchenbeycht  (als  ers  nennt)  vnnd  zeugt  sy  auß  dem  newen 
Testament,  so  Christus  spricht  Johannis  am  20.  also  zu  seinen  Jungern : 
wölchen  jr  die  sünd  vergend,  dem  sollen  sy  vergeben  seyn  vnd  wem 
)rs  behalten^  das  ist:  nit  nachlaßent,  dem  sollen  sy  behalten  seyn  vnnd 
macht  aynen  langen  T hanhau ßer  darauß  wie  man  halt  muß  dem 
priester  beychten  u.  s.  w." 


37  lies  nit  henkten.    38  =  geseit,    43  =  hebt  sieh,.    Die  Verbesserungen  sind 
von  Pfeiffer. 


100  A.  BmLINGEB 


n. 


Eine  zweite  Flugschrift,  wohl  noch  vorreformatorisch,  heißt:  „Christ- 
liche Ermanung  das  den  vneelichen  kinden  zu  jrer  leibsnaning  vnbil- 
licherweiß  bis  hieher  lernung  der  hanndtwerk,  einkommung  der  zünfiten 
vnd  burgerrecht  aufgehalten  werden  usw."  4".  20  Bl.  Getruckt  zu  Augs- 
purg  durch  Sylvan  Ottmar. 

Bl.  9^  liest  man :  ^Ich  muß  hie  mich  besprechen  mit  den  Maistem 
und  Gesellen,  so  genennt  werden  die  Geschenkttn  Handtwerk  die  sich 
(wie  die  Gleißner)  besser,  dann  annder  Hanndtwerker  bedunken,  gleich 
als  sey  jr  Hanndtwerk  nit  Mechanica  sunder  Speculativa,  erleide  nit, 
das  der  Dietherich  von  Bern,  der  Hildebrandt  oder  der  alt 
Danhewser  dabei  werde  gesungen." 

Aus  der  „Lampartischen  Historie"  theilt  unser  Verfasser  —  es  sei 
hier  vorübergehend  bemerkt  —  die  bekannte  Geschichte  mit  dem  Er- 
tränken der  7  oder  14  Hunde  mit,  wie  die  Ertränkerin  die  Knäblein 
hieß.  ^Ain  gemain  weyb  gebar  ainer  geburt  syben  Süne  vnd  aus  ver- 
zaghait  vnd  schrecken,  warf  sy  die  in  ainen  weyer  zu  ertrenken,  wel- 
ches wunderbarlich  Underkumen  Nach  volgends  der  ain  sim  in  Lam- 
parten zu  Künig  gekrönt  ward." 

m. 

Das  Buch,  dem  folgende  Notizen  entnommen  sind,  heißt:  „Ein 
newe  Reyß  beschraibung  auß  Teutschland  nach  Konstantinopel  vnd 
Jerusalem,  darinn  die  gelegenheit  derselben  Länder,  Stadt  usw.  — 
mit  hundert  schönen  newen  figuren  dergleichen  nie  wird  gewesen  sein 
in  in  vnterschiedlichen  Büchern  auffs  fleissigst  eigner  Person  verzeich- 
net und  abgerissen  durch  Salomon  Schweigger,  damal  Diener  am  Evan- 
gelio  übers  dritt  Jahr  zu  Constantinopel  u.  s.  w."  Nürnberg  Johann  Lantzen- 
berger  1608,  4**.  341  S.  Dieser  echte  Schwabe  —  aus  Sulz  am  Neckar  — 
machte  die  Reise  (a.  1576  den  26.  Sept.  verließ  er  Tübingen)  wirklich 
mit  Gewinn.  Seine  Schilderung  ist  classisch.  Mitunter  laufen  nun  auch 
folgende  Notizen. 

S.  74  spricht  er  von  der  großen  Kraft  der  Saiten  aus  Schafdarm, 
womit  sich  die  türkischen  Edlen  hängen  müssen:  „sage  nun  einer  mehr, 
daß  ein  Schafdarm  kein  Kraft  mehr  hab,  wan  man  sovil  Gelt  imd  Gut 
damit  kan  erwerben,  es  solt  mancher  ein  solchen  Darm  nehmen  ftlr 
des  Fortunati  wünschhütlein  vnd  fttr  den  Chymicorum  lapidem 
philosophorum." 


zu  DEN  VOLKSBÜCHERN.  101 

Unter  den  Verehrungen  kam  an  den  Sultan  auet  eine  „persia- 
nische" ,  nämlich  ein  „Türkischer  Alcoran"  ,  von  den  Türken  auf 
20.000  Ducaten  geschätzt:  „so  hoch  und  theur  (sagt  Schweigger)  wird 
die  Lügen  bey  den  elenden  Leuten  geacht,  so  doch  andere  Fabelbücher 
als  der  Aesopus,  Schimpf  und  Ernst,  Eulenspiegel  usw.  jedes 
derselben  kaum  auf  ein  Par  Batzen  gaschätzt  wird,  darin  doch  viel 
mehr  Kunst  und  Weisheit  stecket  dann  im  Alcoran." 

Schweigger  schildert  die  Umgebung  des  schwarzen  Meeres  und 
sagt :  „Weiter  am  schwarzen  Meer  hinab  ist  ein  Gewölb  in  einem  Berg, 
ein  zimlich  lange  Hole,  darinn  sollen  die  Sieben  schlaffer  geschlaflfen 
haben;  aber  die  Historia  ist  darwider;  dann  sie  zeigt  an,  daß  diese  7  Chri- 
sten Männer  im  Berg  Celto ,  nahe  bei  der  Stadt  Epheso  296  Jahr  ge- 
schlaflfen haben."  S.  134. 

Was  sich  die  Türken  vom  Himmel  denken  und  predigen  lassen, 
wo  man  liebliche  Speisen  ißt,  tanzt,  springt  „oder  wie  die  Alten  von 
dem  Schlauraffenland  ein  Gedicht  gemacht,  faule,  schleflferige  Leut 
damit  aufzumuntern  in  welchem  fließende  Bach  seyn  mit  Reinfal  und  Mal- 
vasier  usw."  Die  Wände  an  den  Häusern  seien  mit  Fladen,  Leckzelten 
und  Kuchen  getäfelt,  was  einem  mangelt,  das  könne  er  alles  von  den  Bäu- 
men schütteln  oder  wie  man  von  Frau  Venusberg  Gedicht  und  Lieder 
gemacht  hat,  wie  daselbst  schöne  Madonnen,  darzu  große  Freud  und 
Kurtzweil  mit  fleischlicher  unziemlicher  Wollust.  Vielleicht  ist  der  Türken 
Himmelreich  aus  disem  heidnischen  himmlischen  Wolleben  gezimmert 
und  zusammengeflickt  worden.  Also  haben  auch  die  Ketzer  Cerinthus  Pa- 
pias  vnd  Nicolaitä  ein  FrawVenusberg  aus  dem  ewigen  Leben  gedieht. 

Zur  Sage  von  der  Herkunft  der  Franken  macht  uns  Schweigger 
eine  Mittheilung,  die  ich  schließlich  anflihren  will.  S.  97  werden  die 
verschiedenen  Nationalitäten  der  türkischen  Gefangenen  aufgezählt : 
„wenig  Teutsche,  kein  Franzos,  dann  sie  halten  die  Franzosen  für  Brüder 
von  der  Zeit  als  Troja  noch  stund ;  dann  Turcus  soll  Hektoris  und 
Francus  des  Priami  Sohn  gewesen  sein.  Zu  dem  haben  sie  einander 
etlichmal  brüderliche  Treu  bewisen,  wie  man  weiß,  daß  Bruder  Türk 
seinem  Bruder  Franken  so  treulich  Beistand  gethan  als  er  wider  Ca- 
rolum  V  Krieg  in  Italia  fuhrt." 

IV. 

Eine  andere  Flugschrift,  noch  ganz  wie  in  den  Jahren  1520—40 
abgefasst,  von  1589,  zubenannt  „Ketzerkatz",  bringt  unter  Anderm  auch 
die  Notiz  „Kein  Katz  lernet  mehr,  dan  allein  über  die  Hand  springen 
vnd  Marcolfskatz  dem  König  Salomon  leichten," 


102  A.  BIRLINGER 

ülricus  Molitor,  der  bischöflich  Constanzische  'Korrichter ,  sagt  in 
seinem  Buch  von  Hexen  und  Unholden:  ^es  ist  ain  gemain  Sag,  das 
uß  solichem  bösen  unfletigen  Werckkind  geboren  werden,  die  man  nennt 
Wechselbald  (d  =  g^  alem.)  und  hierumb  so  sagt  man  von  einer  Frowen 
Mel  isina  genannt,  die  ein  Graff  geliebt  und  zu  einer  eefrowen  genommen 
habe ;  also  das  von  ir  geboren  sein  vil  Sun,  die  doch  zeychen  Anlaster 
an  yn  haben  gehabt,  also  das  einer  try  äugen,  der  ander  einen  Eberzan 
hatte.  Diß  ist  ein  fabel  und  ein  mer  ynd  hat  och  solichs  kain  grunt- 
licher  lerrer  geschriben.  Hierumb  trägt  solch  sag  kein  Kuntschaft  uff  ir." 

A.  BIRLINGER 


SPRICHWÖRTER  UND  SPRÜCHE. 


I. 

Aus  Forer-Gesners  Thierbuch.   1563. 

1.  Vom  Mormelstockfisch  Forer  41':  hat  grosse  Augen,  eines  fin- 
stem  Gesichts,  von  dannen  ein  Sprichwort  geflossen:  er  hat  Mormel- 
äugen  in  die  so  ein  kurz  dunkel  Gesicht  habend. 

2.  Ein  Kreß  ist  ein  todtengreber  (Gobio  fluviatiHs)  fressend:  die 
todten  Leyb  der  menschen:  daher  das  gemein  Sprichwort  159^. 

3.  Davon  (daß  die  Schleyen  mit  ihrem  Schleim  die  Wunden  hei- 
len) das  sprüchwort  kommen  ist  bei  den  Frießländem :  die  Schleyen 
seyn  ein  artztet  aller  Fischen,  168*. 

4.  In  seinem  Bauch  (Nasen)  hat  er  ein  seer  schwarzes  fei,  von 
dannen  das  sprüchwort:  Ein  Nasen  ist  ein  Schreiher.  170^. 

5.  Die  Teutschen  habend  in  gemeinem  Sprüchwort :  Ein  Ruffolk 
oder  Trüsch  ist  ein  Dieb,  auß  vrsach^  daß  er  seer  listig  andern  fischen 
aufsetzig  sein  soll.  172'. 

6.  Ein  Hecht  ist  ein  Räuber.  175^. 

7.  Ein  sprüchwort  hat  man:  Ein  Berlin  ist  des  Lempfrids  hruder. 
18P. 

8.  Er  gadt  brummen  wie  ein  Bär  als  da  yemants  unwüest  umb- 
gadt  mit  jm  selbs  redende  oder  widerbäffzend.  20". 

9.  Er  saugt  an  der  dappen  wie  ein  Bär  so  einer  arm,  dannocht 
stolz,  scheyn  der  reicbthum  fttren  wil. 


SPRICHWÖRTER  AUS  FORER- GESNERS  THIERBUCH.  103 

10.  JBr  verkaufft  die  Bärenhaut  und  hat  den  Bären  noch  nit  ge- 
stochen (von  den  yhenigen ,  so  sich  hoher  Sachen  berümen  und  der- 
selben kein  außtrag  zu  geben  vermögen).    20*. 

11.  Die  Frommen  müssen  aUwegen  geeslet  sein    45^. 

12.  Dahär  noch  bey  uns  das  sprüchwort,  so  em  grober  dölpel 
bescholten  wirt,  daß  wir  zu  jm  sagen:  du  Eselskopf!   47*. 

13.  Auch  weyl  das  thier  zesommen  so  leydlich  und  starck,  ist 
gleych  ein  sprüchwort  entstanden  von  arbeitsamen  Leuten,  da  man  sagt: 
Er  mag  es  alles  ereßlen,  53^. 

14.  Zu  Pfingsten  auf  dem  Eyß  oder  wie  die  Niderlendischen  und 
Westphalen  reden:  So  die  weyden  prunen  tragend  54*. 

15.  Der  Bock  hat  ein  starken  verhaßten  Geruch  von  dannen  das 
sprüchwort  auch  auf  den  Menschen  zogen :  er  stinkt  loie  ein  Bock.  f.  Gl*« 

16.  Danriethär  auch  das  sprüchwort  kommen  ist,  so  einer  wenig 
sieht  oder  lätz  von  Sachen  urteilt:  Er  ist  blinder'  dann  ein  maulwerff. 
107'. 

17.  Dannethär  werdend  sy  auch  so  voll  gestanks,  daß  es  in  ein 
sprüchwort  kommen  in  ein  übelriechenden  Menschen :  du  stinkst  wie  ein 
Otter,  Bl.  129*. 

18.  Den  falben  hengst  streychen ,  die  Farbe  so  an  den  Bossen  fiir 
d.  andere  gelobt  wird.  132*. 

19.  Von  den  saugenden  Flädermäusen  sagen  die  Teutschen  disen 
reymen  :  Ein  Vogel  on  zungen 

Der  ander  saugt  sein  Jungen,  Heußlin  54**. 

20.  Die  Teutschen  nennend  ein  par  rüdigen  Menschen,  als  rüdig 
als  ein  Gu^ger^  darumb  daß  diser  im  winter  so  er  seine  faderen  än- 
demt  einen  rüdig  bedunkt.    70^. 

21.  Der  Bossträck  machet  sich  zum  Aepfel  oder  der  Maußträck 
mengt  sich  zum  Pfeffer,  welches  von  denen  gesagt  wirt,  so  sich  ein  un- 
geleerter  vnder  die  geleerten  stäts  vermischen  und  gesellen  will. 
HeußUn  171*. 

n. 

Aus    andern   Quellen. 

Capp,  rock,  hemd,  Hosen,  wammesch  und  schuoch  sind  göt  wenn 
man  jetlichs  an  das  Glid  legt,  dem  es  gemacht  ist.  (Geiler  v.  K, 
hell.  Low.) 


104  H.  OESTERLEY,  ZU  GESTA  ROMANORÜM. 

(Fremde)  Potentaten  kommen,  ein  Gertlin  oder  Stecklin  nach  dem 
andern  aus  desTeutschen  Reichs  Wellen  nemen  und  zerbrechen  volgends 
uns  übrige.  (Diplom.  Bericht  Ende  16.  Jhd.  Alsatia  1862—67,  S.  6.) 

Man  sagt  in  einem  Sprichwort  alt: 

Wie  einer  ruffi  in  einen  Walt, 

Dergleichen  hör  er  wieder  schrein.    (RorafFu.  Pfen.) 

Thu  die  mit  Namen  rügen  . 

Trag  nit  im  Maul  den  Brey.  (Pasquill  1592.  Als.  S.  102.) 

Die  Sachen  aller  Menschenkind 

Hangen  an  einem  Faden  hint 

Was  jetzt  ist  starkh  frisch  und  gesund 

Durch  kleinen  Unfall  gehet  zu  Grund.     1624. 

Glück  und  par  Gellt 

Hatt  mir  nie  gefeit 

Hatt  mir  auch  nie  gebrochen 

Alß  am  Sonntag  und  6  Tag  in  der  Wochen. 

(17.  Jhd.  Bücherinschrift.) 
BONN.  A.  BIRLINGER 


ZU  GESTA  ROMANORÜM. 


Cap.  CXLII  der  lateinischen  Gesta  enthält  bekanntlich  eine  Reihe 
von  Hundenamen,  welche  mehrfach  als  Beweismittel  für  den  Ursprung 
dieser  wichtigen  Sammlung  benutzt  sind,  und  zwar  in  der  Weise,  daß 
sie  von  den  Engländern  und  dem  Herrn  Graeße  für  deutsche  Namen 
erklärt  wurden,  freilich  ohne  den  geringsten  Versuch  einer  Begründung. 
Sie  sind  indessen  nicht  deutsch,  sondern  englisch.  In  dem  aus  181  Ca- 
piteln  bestehenden  Vulgärtexte  heißen  sie :  Richer,  Emuleym,  Hanegiff, 
Bandyn,  Crismel,  Egofyn,  Beamis,  Renelin,  zu  denen  in  der  Moralisation 
noch  Belyn  hinzutritt.  Die  Vergleichung  mit  den  Handschriften  ergibt 
nun  zunächst,  daß  das  fragliche  Cäpitel  mehrfach  ohne  die  Hunde- 
namen und  demgemäß  in  verkürzter  Gestalt  vorkommt.  Dies  ist  z.  B. 
der  Fall  im  Cod.  Stuttgard.  theol.  et  philos.  Nr.  181,  Quart,  Nr.  13; 
Cod.  Ratisbon.  47  Quart,  Nr.  24;  Cod.  Wallerst.  b,  VI,  fol.,  ebenfalls 
Nr.  24,  und  schon  diese  Auslassung  spricht  daflir,  daß  die  Namen  in 
Deutschland  fftr  unverständlich,  also  für  fremd  galten.  Femer  aber  sind 
sie  in  mehreren  von  deutschen  Händen  geschriebenen  Codices  wirklich 
enthalten ,    und  hier   tritt  die  Unbekanntschaft  der  Schreiber  mit  den 


K.  KÖHLER,  ZUM  SPRUCH  VOM  NAGEL  IM  HUFEISEN.  105 

fraglichen  Wörtern  in  einer  fortschreitenden  Corruption  derselben  zu 
Tage,  die  in  den  gedruckten  Texten  so  ziemlich  ihren  Gipfelpunkt  er- 
reicht. Da  hier  auch  die  leisesten  Abweichungen  in  der  Schreibung 
als  bedeutsam  sich  erweisen  können,  so  gebe  ich  die  Namen  sowohl 
nach  dem  Texte,  wie  nach  der  Moralisation.  Cod.  T üb  in g.  X,  14  fol. 
Nr.  13  hat  im  Texte :  Richer,  Ewylemin,  hanegifF,  Ebandin,  tristuell, 
egloff-firm,  Beamis  et  remelin;  in  der  Moralisation:  Richer,  ewilemin, 
hanagiff,  ebandin,  tristuell,  trebelin,  beamis.  Cod.  Wirceb.  M.  eh.  q.  89, 
Nr.  17  im  Texte :  Richer,  Ewylemin,  HanegifF,  bandin,  Tristwel,  Eglof- 
fin,  beami,  Tribelin,  in  der  Moralisation:  Richer,  ewylemin,  HanegifF, 
Ebandin,  Tristwel,  Tribelin,  beamis.  Cod.  Monac.  lat.  447,  Nr.  13  im 
Texte:  Richer,  ewilemin,  hanegis,  ebandi,  Triswel,  Trebesin;  in  der  Mo- 
ralisation: richer,  ewilemin,  hanegis,  ebandi,  Triswel,  trebelin.  Cod. 
Fuldens.  B,  12,  fol.,  Nr.  10  endlich  im  Texte:  Richer,  ewilemin,  ha- 
negis, Ebandi,  Bis wol,  Trebesin ;  in  der  Moralisation :  Richer,  ewilemin 
henegis,  Ebandi,  Biswol,  Triswol,  Trebelin. 

Einige  von  diesen  Namen  sind  bis  zur  neuesten  Zeit  im  Gebrauche 
geblieben,  so  Richer,  später  Reacher ;  Bandyn,  später  Bender,  vgl.  auch 
Bando^ ;  Renelin,  verlesen  für  Reuelin,  Revelin,  später  Reveller,  s.  z.  B. 
die  Verzeichnisse  von  Hundenamen  in :  Beckford  Thoughts  upon  hare 
and  fox  hunting.  Lond.  1796.  Für  das  Emuleym  des  Vulgärtextes  ist 
nach  dem  übereinstimmenden  Zeugnisse  der  Handschriften  Ewylemyn 
zu  setzen;  es  ist  mir  freilich  nicht  gelungen,  diese  Form  speciell  nach- 
zuweisen, aber  der  englische  Ursprung  derselben  ist  augenscheinlich. 
Hanegiff,  in  der  Moralisation  durch  'Accipite  et  donate'  übersetzt,  ist 
einfach  verlesen  fiir  Hauegiff,  Havegiflf  (have-give).  Für  Crismel  ist  zu 
setzen  Triswel  oder  Triswol ,  wie  Biswol  eine  Zusammensetzung  des 
altengl.  woL  Egofyn,  Egloflfyn,  Eglofffirm  stammt  vom  ags.  Ecgvulf, 
im  Deutschen  parallel  entwickelt  zu  Egloff,  s.  Förstemann  NB.  20.  In 
Beamis  scheint  die  alte  Bezeichnung  fiir  Böhmen  durch,  wenn  nicht 
die  altenglische  Wurzel  hearriy  und  Belyn,  Trebelin  endlich  stammt  von 

heUin  bellen. 

GÖTTINGEN.  H.  OESTERLEY. 


ZUM  SPRUCH  VOM  NAGEL  IM  HUFEISEN. 

Der  bekannte  Spruch  vom  Nagel  im  Hufeisen  (vgl.  MüUenhoflf  u. 
Scherer  Denkmäler  S.  149,  XLIX,  5  und  S.  433)  findet  sich  ganz  über- 
einstimmend, nur  mit  Weglassung  der  Burg  oder  des  Schlosses,  auch 


106  LITTEKATÜR 

bei  den  Türken.  Er  lautet  dort  (Osmanische  Sprichwörter,  Wien  1865, 
Nr.  152): 

Der  Nagel  beschützt  das  Hufeisen, 

das  Hufeisen  beschützt  das  Pferd, 

das  Pferd  beschützt  den  Mann, 

der  Mann  beschützt  das  Land. 

WEIMAR.  REINHOLD  KÖHLER. 


LITTEEATÜE. 


Köpke,  Kudolf,  Ottonische  Studien  zur  deutschen  Geschichte  des  zehnten 

Jahrhunderts.   II.  Hrotsvit  von  Gandersheim.   Zur  Litteraturgeschichte  des 
zehaten  Jahrhunderts.  Berlin,  Mittler  u.  Sohn.   1869.  XVI,  314  S,  gr.  8. 

Hrotsvit  ist  in  den  letzten  drei  Jahren  der  Gegenstand  allgemeiner  Aufberk* 
samkeit  geworden,  seitdem  Aschbach  in  seiner  inzwischen  in  zweiter  Auflage    er- 
schienenen Abhandlung  den  Beweis  zu  führen  versuchte,  daß  die  Werke  der  Dich- 
terin eine  Fälschung  des  ersten  Herausgebers  K.  Celtes  und  seiner  Freunde  sei. 
Die  Kritik  hat  dieser  zwar  mit  großem  Scharfsinn  und  dem  Aufgebote  großer  Ge- 
lehrsamkeit durchgeführten  Behauptung  gegenüber  sich  theils  zustimmend,  theils 
ablehnend  verhalten,  die  wirklich  gelehrte  Kritik  doch  wohl  nur  letzteres,  und  mit 
Recht«  Der  'Einblick  in  die  Münchener  Hs.  der  Werke  wehrt  von  vornherein  jeden 
Verdacht  der  Fälschung  ab,  und  ihre  Unechtheit  zu  erweisen,  ist  Aschbach  nicht 
gelungen.  Die  glänzendste  Rechtfertigung  der  Echtheit  erblicken  wir  aber  inKöpkes 
Buche,    welches  in  der  gediegenen  Weise  dieses  Gelehrten  das  Leben  und  die 
Schriften  der  Dichterin  behandelt.  Da  Hrotsvit  auch  in  der  Geschichte  der  deut- 
schen Litteratur  ihre  Stellung  einnimmt,  indem  sie,  wenn  auch  in  lateinischem  Ge- 
wände einherschreitend,  doch  den  Einfluß  der  heimischen  Sprache,  Denkart  und 
Form  ihrer  Zeit  nicht  verleugnen  kann,  so  ist  ihre  Ehrenrettung  ein  Gewinn  auch 
für  unsere  deutsche  Litteratur.  Ein  kritischer  Abschnitt  über  die  Hrotsvit-Litteratur 
eröffnet  das  Buch,  ihm  schließt  sich  die  Darstellung  ihres  Lebens  an ;  sodann  wer- 
den die  einzelnen  Werke  ihren  Quellen  und  ihrem  Character  nach  untersucht;  daß 
die  Gesta  Oddonis  hier  eine  besonders  eingehende  Würdigung  gefunden,  ist  schon 
bei  ihrer  historischen  Wichtigkeit  begreiflich.  Hängt  doch  mit  dem  Nachweise,  daß 
Hr.  nicht  aus  schon  bekannten  Quellen  geschöpft  habe,  die  Echtheit  ihrer  Werke 
wesentlich  zusammen.  Von  besonderem  philologischen  Interesse  ist  der  Abschnitt 
Gelehrsamkeit  und  Form*  (S.  139  — 165),  worin  Sprache  und  Metrik  der  Dichterin 
analysiert  werden.  In  der  Auffassung  der  in  den  Comödien  durchbrechenden  Reime, 
die  Hr.  mit  fast  allen  gleichzeitigen  Schriftstellern  theilt^  geht  der  Verf.  doch  wohl 
etwas  zu  weit,  wenn  er  darin  ein  in  der  Durchbildung  begriffenes  Kunstprincip  er- 
blickt. Daß  eine  dichterisch  angelegte  Natur,  wenn  sie  einer  mit  Reimen  durch- 
flochtenen  Prosa  sich  bedient,  immer  einem  gewissen  rhythmischen  Gefühle  folgen 
wird,  ist  begreiflich;  aber  in  der  Aufeinanderfolge  der  Reime,  die  aufs  bunteste 
durcheinander  gehen,  eine  bestimmte  Reimordnung  erblicken,  heißt  doch  wohl  eine  ^ 
Spielerei  treiben,  bei  der  nichts  herauskommt.  Da9  allgemein  richtige,  der  poetische 


MISCELUSN.  107 

Instiiict,  wird  sofort  zur  leeren  Tändelei,  wenn  man  ihm  die  Regeln  ablauschen  will. 
Einen  Tadel  des  trefflichen  Buches  wollen  wir  um  so  weniger  damit  aussprechen, 
als  der  Verf.  nicht  Philolog  von  JPach  ist;  wir  bekennen  uns  im  Gcgentheil  dankbar 
für  die  werthyoUe  Bereicherung  unserer  Kenntniss  Hrotsvits,  deren  Bedeutung  und 
Character  erst  durch  dies  Buch  zu  voller  Geltung  kommt. 

ROSTOCK,  December  1869,  KARL  BARTSCH. 


MI8CELLEN. 


Lammert  Allard  te  Winkel. 

Die  nachfolgende  kurze  Skizze  von  dem  Leben  des  genannten  holländischen 
Gelehrten  beabsichtigt,  den  Lesern  dieser  Zeitschrift  das  Bild  eines  Mannes  vorzu- 
führen, der  sieh  um  die  Sprache  seines  Vaterlandes  die  größten  Verdienste  erworben 
hat.  Einfach  in  seinen  Umrissen  ist  dieses  Leben.  Am  13.  September  1809  in  Ari)- 
hem  geboren,  besuchte  te  Winkel  zuerst  eine  Elementarschule  seiner  Vaterstadt 
und  dann  das  Institut  von  De  Jong.  Nachdem  er  dieses,  18  Jahre  alt,  absolviert 
hatte,  galt  es  einen  Beruf  zu  wählen.  Er  erkor  den  des  Lehrers,  zu  welchem  in- 
nerste Neigung  ihn  hinzog.  Seine  erste  Stellung  bekam  er  als  Assistent  an  dem 
Erziehungsinstitut  von  J.  Lagerwey  in  Geertruidenberg ;  in  dieser  verblieb  er  zehn 
Jahre,  und  das  Zeugniss,  womit  der  Vorsteher  ihn  entließ,  bekundet  wie  sehr  er 
seinen  Beruf  erfüllte.  Sein  Wunsch  war  nun,  die  Leitung  einer  Schule  zu  über- 
nehmen ;  allein  der  erste  Versuch,  dies  Ziel  zu  erreichen,  schlug  fehl,  und  er  nahm 
eine  Stelle  als  Gouverneur  bei  Baron  Sixma  van  Heemstra  an,  in  welcher  er  vierzehn 
Jahre  blieb.  Neben  seinen  Bemfspflichten  fand  er  Zeit,  seine  wissensohaftiichen 
Kenntnisse  durch  das  Studium  der  alten  Sprachen  auszubreiten,  zu  welchem  ihm 
der  Rector  Dr.  Julius  in  Franeker  den  Weg  bahnte.  Sein  erstes  litterarisches  Her- 
vortreten fällt  in  das  Jahr  1837,  wo  er  ein  pssdagogisches  Werk  von  W.  Möller 
bevorwortete ;  seine  erste  Abhandlung  *iets  over  het  gebruik  der  werkwoorden  h  e  b- 
ben  en  zijn'  erschien  in  demselben  Jahre  im  2.  Jahrgang  von  Jagers  taalkundig 
magazijn  S.  313  ff.  Zehn  Jahre  lässt  er  dann  nichts  von  sich  hören:  1847  ver- 
öffentlichte er  in  Jagers  Archief  voor  Nederlandsche  Taalkunde  (I,  89)  eine  Ab- 
handlung über  die  Wörter  in  ing  und  deren  Geschlecht,  die  den  bedeutenden  Port- 
schritt seines  Wissens  in  den  alten  Sprachen,  im  Altholländischen  und  auch  im 
Sanskrit  bekundet.  Im  Jahre  1851  ward  er  Lehrer  der  Niederländischen  Sprache  und 
Litteratur  am  Gymnasium  zu  Leiden,  wo  er,  geachtet  von  seinen  CoUegen,  geliebt 
und  verehrt  von  seinen  Schülern,  höchst  segensreich  wirkte.  Den  letzteren  widmete 
er  die  Samstagabende,  um  mit  ihnen  Gothisch  zu  treiben.  1854  wurde  ihm  der 
ehrenvolle  Auftrag,  den  Prinzen  von  Oranien,  der  zur  Vollendung  seiner  Studien 
nach  Leiden  kam,  in  der  niederländischen  Geschichte  und  Litteratur  zu  unterrichten. 
Außerdem  bekleidete  er  das  Amt  eines  Bibliothecars  der  Maatschapij  der  neder- 
landsche Letterkunde  und  redigierte  das  Nieuw  Nederlandsch  Taalmagazijn ,  in 
welchem  er  eine  Menge  kleinerer  Arbeiten  niederlegte.  Sein  Lieblingsplan,  dem 
alle  bisherige  litterarische  Thätigkeit,  auch  das  Lehrbuch  der  niederländischen 
Sprache  (bereits  in  5.  Auflage  erschienen)  als  Vorbereitung  diente,  war  aber  ein 
Wörterbuch  der  holländischen  Sprache '  der  Ausführung  desselben  war  sein  übriges 


108  MISCELLEN. 

Leben  fast  ausschließlicb  gewidmet.  In  Verbindung  mit  M.  de  Vries  untemabm  er 
dieses  Werk,  welches  ein  würdiges  Seitenstück  zu  dem  Deutschen  Wörterbuche  der 
Brüder  Grimm  bildet.  Der  Tod  hat  ihn  an  der  Yollendung  verhindert :  an  seine 
Stelle  ist  E.  Verwijs  getreten,  so  daß  die  Fortsetzung  keine  Unterbrechung  erfährt. 
Er  starb  am  24.  April  1868,  ohne  daß  ein  eigentliches  Krankenlager  ihn  gefesselt 
hätte,  ruhig  und  sanft  wie  sein  Leben  gewesen  war.  Seine  wissenschaftliche  Be- 
deutung hat  die  Leidener  Hochschule  1855  durch  Ernennung  zum  Dr.  phil.  honoris 
causa,  und  die  Akademie  der  Wissenschaften  daselbst,  die  ihn  seit  einer  Reihe  von 
Jahren  zu  ihren  Mitgliedern  zählte,  anerkannt.  Das  niederländische  Wörterbuch  wird 
seinen  Namen,  und  nicht  nur  bei  seinen  Landsleuten,  unvergesslich  machen. 

K.  BARTSCH. 


Franz  Roth. 

Am  26.  September  1869  ist  ein  verdienter  Fachgenosse  aus  unserem  Kreise 
geschieden,  der  Allen,  die  ihn  gekannt,  ein  lieber,  theurer  Freund  gewesen  ist. 
Johann  Franz  Roth""),  geb.  8.  März  1811  zu  Offenbach  als  Sohn  eines  Hutfabri- 
kanten ,  genoß  den  Schulunterricht  zu  Frankfurt  a.  M. ,  wohin  die  Mutter  nach 
des  Vaters  frühem  Tode  zurückgekehrt  war,  besuchte  von  1828  bis  1830  das 
Lehrerseminar  zu  Friedberg,  und  wurde,  nachdem  er  vier  Jahre  als  Privatlehrer, 
dann  neun  Jahre  als  Hilfslehrer  an  der  Weißfrauenschule  in  Frankfurt  thätig  ge- 
wesen, 1843  als  ordentlicher  Lehrer  an  der  Katharinenschule  daselbst  angestellt. 
In  Folge  wiederholter  Erkrankungen  des  Kehlkopfs  und  der  Luftröhre  (seit  1853) 
wurde  er  1861  unter  Verwendung  bei  dem  Stadtarchive  pensioniert,  1864  als 
Stadtarchivsecretär  angestellt.  Zu  fester  Gresundheit  gelangte  er  nicht  wieder; 
schwer  leidend  und  mit  getrübtem  Geiste  verbrachte  er  sein  letztes  Lebensjahr. 
Doch  hatte  sich  sein  Zustand  in  den  letzten  Monaten  gebessert,  und  heiter  und 
schmerzlos,  nachdem  er  noch  wenige  Minuten  vorher  mit  den  Seinigen  sich  unter- 
halten, ist  er  heimgegangen. 

Die  Mängel  seiner  Jugendbildung  suchte  er  frühe  durch  beharrlichen  Fleiß 
zu  ersetzen.  Sein  Sprachsinn  führte  ihn  bald  auf  ein  historisches  Studium  der  deut- 
schen Sprache;  J.  Grimm  wurde  sein  geistiger  Führer,  aus  dessen  Werken  er  ein 
ebenso  gründliches  wie  erfolgreiches  Studium  machte.  Der  Betrieb  des  Altdeut- 
schen veranlasste  ihn  zum  Besuch  zahlreicher  Bibliotheken,  deren  altdeutsche  Hand- 
schriften er  für  sich  und  für  andere  ausbeutete:  so  arbeitete  er,  zumTheil  mehrere- 
mal,  auf  den  Bibliotheken  zu  Aschaffenburg,  Bamberg,  Berlin,  Darmstadt,  Gießen, 
Gotha,  Göttingen,  Heidelberg,  Kassel,  Leipzig,  Linz,  München,  Nürnberg,  Pom- 
mersfelde,  Regensburg,  Straßburg,  Tübingen,  Weimar,  Wien,  Wiesbaden,  Wolfen- 
büttel und  Würzburg.  Zum  Gegenstande  speciellster  und  liebevollster  Forschung 
machte  er  Konrad  von  Würzburg ,  für  dessen  Behandlung  seine  das  kleinste  Detail 
mit  größter  Sorgfalt  erwägende  Natur  besonders  geeignet  war.  Seine  Ausgaben  von 
Konrads  'DerWerlte  Ion*  (1843),  des  'Herzmähre*  (1846),  womit  er  J.  und  W.Grimm 
und  L.  Uhland  beim  ersten  Germanistencongress  in  Frankfurt  willkommen  hieß,  und 
des  Schwanritters*  (1861),  den  er  der  in  Frankfurt  tagenden  Philologenver- 
sammlung widmete,  gaben  davon  Zeugniss.  Das  größte  Werk  Konrads,  den  Tro- 

*)  Ich  benutze  bei  den  nachfolgenden  biographischen  und  litterarischen  Daten  die 
eigenhändigen  für  die  Germania  bestimmt  gewesenen  Aufzeichnungen. 


MISCELLEN.  109 

janerkrieg,  batte  er  von  FrommaDn,  der  den  Apparat  seit  Jahren  gesammelt,  über- 
nommen :  die  Ausgabe  vollständig  zum  Druck  zu  besorgen,  verhinderte  ihn  pein- 
liche Ängstlichkeit  und  seine  Kränklichkeit ;  den  Text  hatte  er  vollständig  ausge- 
arbeitet, Keller  übernahm  die  Weiterfuhrung  des  Druckes  und  so  erschien,  leider 
ohne  Apparat  und  Anmerkungen,  die  wichtige  Dichtung  (1858).  Ausgaben  des 
'Tumei  von  Nantes*  und  der  Lieder  Konrads  bereitete  er  seit  Jahren  vor,  ich  werde 
sie  demnächst  aus  seinem  Nachlasse  veröffentlichen.  Den  höchst  werthvollen  Ap- 
parat zum  Laurin  trat  er  ebenfalls  ab,  auf  ihm  fußt  die  Ausgabe  im  'Deutschen 
Heldenbuch'  I  (1866).  Kleinere  Mittheilungen  handschriftlicher  Funde  brachten 
Mones  Anzeiger  (VII,  480 — 493  Bruchstücke  der  goldenen  Schmiede),  der  An- 
zeiger des  germanischen  Museums  (II,  58  Beschreibung  zweier  mhd.  poetischer  Hss. 
in  Frankfurt;  II,  109  Bruchstücke  des  Passionais;  III,  5  Deutsche  Sprüche), 
V.  d.  Magens  Germania  (V,  209.  VI,  116  Würzburger  Nibelungenbruchstücke), 
die  Mittheilungen  des  Frankfurter  Geschichtsvereins  (I,  172.  II,  325  Bruchstücke 
des  Passionais,  und  diese  Zeitschrift  (XI,  406  Bruchstücke  des  Eustachius  und 
der  Sieben  Schläfer).  An  Grimms  Wört^rbuche  war  er  ein  fleißiger  Mitarbeiter 
und  lieferte  seit  1862  namentlich  Auszüge  aus  dem  Frankfurter  Archive 

Aber  in  dem ,  was  er  veröffentlicht ,  liegt  nur  ein  Theil  seiner  litterarischen 
Leistungen.  Verborgener,  aber  nicht  weniger  dankenswerth  ist,  was  er  durch  Nach- 
weise und  Notizen  über  Hss.  u.  s.  w.  zu  den  Arbeiten  seiner  Freunde  beitrug.  Und 
hier  war  er  von  einer  beispiellosen  Gefälligkeit  und  Aufopferung.  Eine  so  reine, 
lautere,  selbstlose  Natur,  wie  F.  Roth  war,  wird  selten  gefunden  werden.  Ein 
ehrenvolles  Andenken  in  der  Wissenschaft,  ein  liebevolles  im  Herzen  derer,  die  ihm 
nahe  standen,  wird  dem  treuen  Arbeiter,  dem  aufopfernden  Freunde  gesichert 
bleiben.  K.  BARTSCH. 


Bericht  über  die  Sitzungen  der  germanistitohen  Section  der  XXVII.  Pili- 
lologenversammlnng  zu  Sliel,  27.  bis  30.  Sept.  1869*). 

Nach  Schluß  der  allgemeinen  Eröffnungssitzung  constituierte  sich  unter  Vor- 
sitz von  Prof.  Dr.  K.  We,inhold  aus  Kiel  als  Präsidenten  und  Prof.  Dr.  Th.  Mö- 
bius  als  Vicepräsidenten  in  der  kleinen  Aula  der  Universität  die  germanistische 
Section. 

In  das  Album  der  Section  haben  sich  folgende  67  Mitglieder  eingetragen: 

Bartsch,  K.,  Prof.,  aus  Rostock. 

Bech,  Fedor,  Dr.,  aus  Zeitz. 

Bühl  au,  Franz  Ad.,  Dr.  aus  Hamburg. 

Burchardi,  Dr.,  OAGR.,  aus  Kiel. 

Calebow,  Gymnasiallehrer,  aus  Stettin. 

Caro,  Prof.,  Dr.,  aus  Breslau. 

Creizenach,  Th.,  Prof.,  aus  Frankfurt  a.  M. 

Diestel,  Oberlehrer,  Dr.,  aus  Dresden. 


*)  Zu  Grunde  liegen  außer  den  Protokollen  die  mir  von  den  betreffenden  Herren 
bereitwilligst  anvertrauten  Manuscripte  der  Vorträge  von  den  Proff.  Möbius,  Hildebrand, 
Zingerle,  sowie  der  Abhandlung  von  Dr.  Bühlau.  Der  Unterzeichnete  ward  durch  die 
Freundlichkeit  dieser  Herren  in  den  Stand  gesetzt,  die  Vorträge  derselben  ziemlich 
vollständig  wiederzugeben;  außerdem  lagen  ihm  vor  die  Skizzen  der  Herren  Prof.  Creize- 
nach, Petersen  und  Bartsch.  Mit  besonderem  Danke  sind  die  eigenhändigen  Mittheilungen 
des  Fräulein  J.  Mestorf  zu  nennen. 


110  KiscEiiLCair. 

Döring,  Dr.,  Rector,  aus  Sonderburg. 

Dunger,  Herrn.,  Dr.,  aus  Dresden. 

Flügel,  Felix,  Dr.,  aus  Leipzig. 

Foerstemann,  Prof.  Dr.,  aus  Dresden. 

Francke,  Dr.,  Gljrmnasial-Oberlehrer  aus  Torgau. 

Freybe,  A.,  Dr.,  aus  Parchim. 

Garlipp,  Dr.,  aus  Magdeburg. 

Gesky,  Th.,  Gymnasiallehrer,  aus  Eutin. 

Grimm,  Herrn.,  aus  Berlin. 

Gros  eh,  Dr.,  Oberlehrer,  aus  Wernigerode, 

Grotefend,  Dr.,  Archivrath;  aus  Hannover. 

Groth,  Klaus,  Prof.,  aus  Eael. 

Hafer,  Dr.,  aus  Magdeburg. 

Härtung,  G.,  Dr.,  aus  Wittstock. 

Hempel,  Dr.,  aus  Salzwedel. 

Hermann,  Fr.  C,  aus  Berlin. 

Hildebrand,  Rudolf,  Prof,  aus  Leipzig. 

Hölscher,  Gymnasialdirector,    aus  Recklinghausen. 

Hüffer,  Dr.,  aus  Berlin. 

Jessen,  Chr.,  Dr.,  Conrector,  aus  Hadersleben. 

Imelmann,  J.,  Dr.,  aus  Berlin. 

Jungclauszen,  W.,  Conrector,  au»  Flensburg. 

Kern,  G.,  aus  Stettin. 

Knorr,  W.,  CoUaborator  aus  Eutin. 

Kohl,  0.,  Dr.,  aus  Barmen. 

Kuhn,  Adalb.,  Professor,  aus  Berlin. 

Kuhn,  Ernst,  Dr.,  aus  Berlin. 

Kürschner,  J.,  Dr.,  aus  Eutin. 

Lasson,  F.,  Dr.,  aus  Berlin. 

Lemcke,  H.,  Dr.,  aus  Stettin. 

Lübben,  A«,  Dr.,   aus  Oldenburg. 

Maack,  van^  Dr.,  aus  Kiel. 

Mahn,  Dr.,  aus  Berlin. 

Menzer,  Otto,  Dr.,  Gymnasiallehrer,  aus  Freienwalde  a.  0. 

Merschberger,  Georg,  Dr.,  aus  Güstrow, 

Metger,  C.  H.,  Dr.,  aus  Flensburg. 

Meusel,  H.,  Gymnasiallehrer,  aus  Berlin, 

Meyer,  K.  W.,  aus    Meldorf. 

Meyer,  Dr.,  aus  Stettin. 

Michelsen,  Dr.,  Geh.  Rath,  aus  Schleswig. 

Möbius,  Th.,  Prof.,  aus  Kiel. 

Müller,  A.,  Dr.,  aus  Plauen  i.  V. 

Pansch,  Dr.,  Gymnasialdirector  aus  Eutin. 

Petersen,  Prof.,  Dr.,  aus  Hamburg. 

Petters,  J«,  Gymnasialprofessor,  aus  Leitmeritz. 

Pfundheller,  Dr.,  Lehrer  am  Stadtgymnasium  zu  Stettin. 

Procksch,  A.,  Dr.,  aus  Bautzen. 

Rachel,  M.,  Dr.,  aus  Freiberg  i.  S. 

Reimann,  Dr.,  Oberlehrer,  aus  Breslau. 


MISCELLEN.  lÜ 

Rödiger,  Rieh.,  Dr.,  Gymnasiallehrer,  attn  Berlin. 

Röpe,   Georg,  Dr.,  aus  Hamburg. 

Sanneg,  Paul,  Dr.,  aus  Magdeburg. 

Schirmer,  J.,  Dr.,  aus  Berlin. 

Stähle,  Dr.,  aus  Parchim. 

Usinger,  R.,  Prof.,  aus  Kiel. 

Weinhold,  K.,  Prof.,  aus  Kiel. 

Wilmanns,  W.,  Dr.,  aus  Berlin. 

Zingerle,  L,  Prof.,     aus  Innsbruck. 

Z  s  c  h  e  c  h,  Dr.,  aus  Magdeburg. 

Erste  Sitzung.  Dinstag  den  28.  Sept.,  9  Uhr  Vormittags.  Nach  Ernennung 
zweier  Schriftführer,  des  Dr.  Herm.  Dunger  aus  Dresden  und  des  unterzeichneten 
Berichterstatters,  ergriff  der  Vorsitzende  Prof.  Weinhold  das  Wort,  um  die  ger- 
manistische Section  in  Kiel  zu  begrüßen,  woran  er  einen  Bericht  über  die  Entwicke- 
lung  der  deutschen  Philologie  in  den  letzten  sieben  Jahren  knüpfte.  In  Augsburg 
gebildet  *),  hat  die  Versammlung  sieben  Jahre  hindurch  getagt.  Viele  Germanisten 
sind  indeß  geschieden  und  manche  der  entstandenen  Lücken  bleiben  geschichtlich ; 
in  den  letzten  drei  Jahren  wurden  uns  Pfeiffer,  Vilmar,  Schleicher  und  Diemer  ge- 
nommen. Der  Vortragende  gab  einen  Überblick  der  germanistischen  Leistungen 
nach  ihren  verschiedenen  Richtungen ;  auf  den  Keichthum  des  einzelnen  einzugehen 
müssen  wir  uns  versagen.  Hierauf  berichtete  er  über  den  günstigen  Erfolg,  welchen 
die  von  der  germanistischen  Section  in  Halle  beschlossene  Petition  um  Unterstützung 
der  Herausgabe  des  Grimm'schen  Wörterbuches  bei  dem  hohen  Norddeutschen  Bun- 
desrath  gefunden.  Unter  dem  29.  Juni  1869  ist  von  ihm  an  Prof.  Zacher  und  den 
Verleger  eine  Mittheilung  gelangt,  nach  welcher  der  hohe  Bundesrath  fiif  das  Jahr 
1869:  2100  Rthk.,  für  1870:  2100  Rthlr.,  für  1871:  2050  Rthlr.,  fiir  1872: 
1850  Rthlr.,  für  1873:  1725  Rthlr.  bewilligt.  Der  Vorsitzende  Prof.  Weinhold 
stellt  den  Antrag,  daß  das  Präsidium  (Möbius  und  Weinhold)  beauftragt  werde, 
im  Namen  der  Section  den  Dank  für  solche  Unterstützung  auszusprechen.  Der  An- 
trag wird  ohne  Weiteres  angenommen. 

Nachdem  Prof.  Weinhold  noch  einige  Mittheilungen  von  Lezer  aus  Würzburg 
und  Friedrich  Keinz,  welche  um  wissenschaftliche  Unterstützungen  bei  ihren  For- 
schungen bitten,  der  Versammlung  vorgetragen  und  die  Tagesordnung  für  die  mor- 
gende Sitzung  bestimmt  hatte,  sprach  Prof.  Bartsch  aus  Rostock  über  die  Ergeb- 
nisse seiner  Reise  nach  Italien  im  Winter  1868/69.  Dieselbe  war  vorzugsweise  der 
Ausbeutung  der  provenzalischen  Handschriften  gewidmet.  In  Mailand  fand  sich  der 
bisher  für  verloren  gehaltene  Tesoro  Sordellos ,  der  allerdings  nur  durch  Missver- 
ständniss  diesen  Namen  fuhrt ;  in  Florenz  bot  die  dritte  Laurenzianische  Handschrift 
unbekannte  Texte  und  die  ersten  Spuren  kritischer  Teztbearbeitung  im  15.  Jahr- 
hundert, die  zweite  Handschrift;  manche  unbekannte  Biographieen.  In  einer  Hand- 
Bchrift  der  Riccardiana  wurde  eine  der  Hauptquellen  von  Nostradamus  Biographieen 
der  Troubadours  entdeckt.  Die  vorausgehende  Schreibemotiz  dieser  Handschrift 
wirft  ein  interessantes  Licht  auf  die  Entstehung  und  die  Geschichte  der  Liederhand- 
schriftent  In  Rom,  wo  manche  Schwierigkeiten  zu  beseitigen  waren,  ehe  der  Vatican 
benutzt  werden  konnte,  eröffiieten  sich  die  reichsten  Schätze.  In  der  Vaticana  bot 
Guillaume  de  Dole  eine  Menge  anziehender  Liederfragmente;  die  Handschrift  von 


♦)  Vgl.  diese  Zeitschrift  8,  222  ff. 


112  MISCELLEN. 

Hartmanns  Gregor  wurde  neu  verglichen  und  das  Resultat  war  kein  unbedeutendes« 
Die  noch  ganz  unbekannte  Liederhandschrift  der  Biblioteca  Chigiana  wurde  voll- 
ständig ausgenutzt ,  und  diese  Bibliothek  bot  noch  ein  zweites  provenzalisches 
Denkmal,  das  einzige  provenzalische  Drama,  S.  Agnes,  welches  so  eben  im  Druck 
erschienen  ist.  Die  Barberina  gewährte  in  zwei  Papierhandschriften  Abschriften 
von  verlorenen  Quellen  ;  die  dritte,  ebenfalls  eine  Papierhandschrift,  führte  auf 
eine  wichtige  Quelle,  den  Commentar  von  Francescos  da  Barberino  Documentum 
amoris,  welcher  unter  anderm  auch  ein  unbekanntes  Distichon  Dantes,  das  der 
Vortragende  mittheilte,  enthält.  Eine  Liederhandschrift  der  Chigiana  enthält  meh- 
rere, wenn  auch  vermuthlich  unechte  Sonette  Dantes.  In  Venedig  fand  sich  ein 
ältfranzösischer  Alexander,  dessen  Eingang  eine  Umarbeitung  von  Alberichs  von 
Besan9on  Gedicht  ist. 

Prof.  Möbius  zeigt  in  dem  nun  sofort  folgenden  Vortrage  „Über  die  dä- 
nische Sprache  in  Dänemark  und  Norwegen"  einerseits  wie  das  Deutsche  sich  in 
die  dänische  Sprache  eingedrängt  hat  und  noch  eindrängt,  anderseits  wie  in  Nor- 
wegen die  norwegische  Volkssprache  das  Dänische  zu  verdrängen  sucht.  Schon  vor 
dem  14.  Jahrhundert  beginnt  das  Eindringea  des  Deutschen  in  das  Dänische  und 
erst  mit  dem  Beginne  unseres  Jahrhunderts  ist  Dänemark  in  lebendiger  bewusster 
Weise  bemüht,  das  bereits  eingedrungene  Deutsch  zu  beseitigen.  In  Norwegen  er- 
wehrt man  sich  des  Dänischen  in  bewusster  Weise  eigentlich  erst  seit  ungefähr 
20  Jahren. 

Nachdem  die  verwandtschaftliche  Stellung. der  betreffenden  Sprachen  zu  ein- 
ander angegeben  und  der  Unterschied  zwischen  dem  Deutschen  und  Nordischen  in 
linguistischer  Beziehung  dargestellt  war,  wurde  insbesondere  die  sehr  wesentliche 
Gemeinsamkeit  des  Niederdeutschen  mit  dem  Nordischen  im  Gegensatze  zum  Hoch- 
deutschen in  der  Aussprache  der  b,  d,  g-Laute  besprochen  und  gezeigt,  wie  in  Folge 
des  gemeinsamen  Standes  der  Muten  im  Nordischen  und  Niederdeutschen  das  Platt- 
deutsche den  weit  überwiegenden  Theil  des  deutschen  Imports  in  der  dänischen 
Sprache  bildet. 

Die  Frage:  Wie  kam  überhaupt  das  Deutsche  in  das  Dänische?  wird  in  der 
Weise  beantwortet,  daß  zunächst  der  geographische  Factor  in  Betracht  gezogen 
wird.  Dänemark  war  mit  seinen  materiellen  Bedürfnissen  auf  die  südlichen  Grenzen 
und. Küsten  angewiesen,  hier  aber  herrschte  das  Plattdeutsche  (nicht  Hochdeutsche) 
und  so  machte  sich  der  deutsche  Spracheinfluß  auf  das  Dänische  vor  allem  in  der 
Form  des  Plattdeutschen  geltend.  Es  wird  betont,  daß  Dänemark  hier  wie  in  mate- 
rieller so  in  sprachlicher  Beziehung  das  Empfangende  war.  Was  dann  die  histori- 
schen Factoren  betrifft,  so  will  der  Redner  zunächst  ganz  davon  absehen,  daß  Däne- 
mark das  Christenthum  nicht  wie  Norwegen  von  England  aus,  sondern  gleich  Schwe- 
den von  Deutschland  her  empfangen,  da  hier  eher  ein  lateinischer  als  ein,  jedoch 
immerhin  nachweisbarer,  deutscher  Einfluß  in  Betracht  komme  ^  er  nennt  vielmehr 
als  den  ersten  sehr  einflußreichen  historischen  Factor  die  deutsche  Hansa,  er  zeigt 
wie  sie  sieh  Eingang  in  Dänemark  verschafft  habe  und  wie  durch  sie  ein  sehr  we- 
sentlicher Import  deutscher  (auch  hier  zunächst  plattdeutscher)  Sprache  in  die  dä- 
nische erfolgt  sei.  Als  zweiter  historischer  Factor  wird  die  Regierung  Dänemarks  durch 
Könige  deutscher  Abkunft  während  vier  Jahrhunderten  genannt.  Manche  derselbe» 
sprachen  nur  deutsch,  haben  nie  dänisch  verstanden.  Hof  und  Adel,  Räthe,  Be- 
hörden, die  herbeigezogenen  Künstler  und  Handwerker  hielten  den  deutschen  'Em- 
guß  aufrecht,  Nur  Christian  IV.  upd  Friedrich  XV.  machen  eine  Ausnahme  zu  Gunsten 


MISCELLEN.  jl^ 

des  dänischen  Elements,  wogegen  dann  wiederum  Christian  VI.  und  seine  stolze  Ge- 
mahlin Sophie  Magdalena  das  Deutsche  am  dänischen  Hofe  zum  entschiedenen 
Siege  bringen.  Nicht  ^in  dänischer  Brief  ist  von  ihm  vorhanden,  die  Königin  aber 
verspottete  sogar  das  Dänische,  sie  hasste  ihren  Sohn,  den  dänisch  gesinnten  Kron- 
prinzen Friedrich  V.,  sie  bevorzugte  den  deutschen  Adel,  begünstigte,  beschenkte 
die  nach  Kopenhagen  einwandernden  Deutschen.  Dieser  Haß  gegen  das  Dänische 
wurde  noch  tiberboten  von  Struensee. 

Zu  dem  Einfluß  der  Hansa  und  des  oldenburgischen  Regentenhauses  auf  die 
dänische  Sprache  und  Sitte  kommen  noch  zwei  Factoren  mehr  friedlicher  Art:  die 
deutsche  Keformation,  sowie  die  deutsche  Litteratur  und  Wissenschaft.  Wirkte  dort  das 
Deutsche  in  der  Form  des  Platt-  oder  Niederdeutschen  und  zwar  besonders  auf  die 
Redesprache,  so  hier  in  der  des  Hochdeutschen  auf  die  Schrift-  und  Bücheisprache. 
Die  Reformation  hat  der  dänischen  Litteratur  eigentlich  erst  ihre  Grundlage  gege- 
ben, sie  war  in  aller  Weise  eine  deutsche  Reformation.  Deutsche  Prediger  müssen 
das  Evangelium  verkündigen  und  'wie  viele  der  wichtigsten  kirchlichen  Schriften, 
so  wurde  vor  allem  die  Bibel  selbst  zuerst  nicht  etwa  nach  der  Vulgata,  oder  gar 
dem  Grundtexte,  sondern  nach  Luthers  deutscher  Übersetzung  in  dänisches  Gewand 
gekleidet.*  Die  theologische  Wissenschaft  wurde  von  deutscher  Seite  her  angeregt. 
Auf  dem  Gebiete  der  Kirche  und  Schule  machten  sich  gerade  die  kräftigsten  deut- 
schen Einwirkungen  geltend.  Der  Einfluß  der  deutschen  Litteratur  und  Wissen- 
schaft auf  die  dänische  Sprache,  ein  Einfluli,  der  damals  schon  ein  sehr  wesent- 
licher war,  reicht  bis  in  den  Anfang  unsers  Jahrhunderts ;  seitdem  ist  er  bedeutend 
im  Abnehmen  begrifien.  Es  wird  dabei  hingewiesen  auf  die  deutsche  Heldensage, 
die  in  Dänemark  vermittelt  ward  und  die  dann  in  den  'Ksempeviser'  einen  so  reichen 
Ausdruck  fand,  auf  die  Volksbücher,  die  geistliche  Liederdichtung,  die  im  Deut- 
schen durch  Opitz  vermittelte  Litteratur  der  Renaissance,  endlich  auf  unsere  clas- 
sische  Litteratur,  obwohl  hier  allerdings  die  Einwirkung  auf  die  dichterische  Form 
die  auf  den  sprachlichen  Ausdruck  überwiegen  möchte  (Ewald,  Baggesen,  Oehlen- 
schläger  u.  A.).  Die  deutsche  Wissenschaft  konnte  erst  dann  nachhaltigen  Einfluß 
auf  die  dänische  Sprache  üben,  als  sie  sich  in  ihrer  Darstelluiyg  der  früher  allein 
gültigen  lateinischen  Sprache  begeben  hatte.  Dann  aber  gieng  namentlich  unsere 
wissenschaftliche  Terminologie,  die  philosophische  wie  die  ästhetische,  auch  in 
dänische  Bücher  über,  sei  es  in  treuer  Übersetzung  oder  dänischer  Nachbildung 
oder  auch  sogar  in  der  ursprünglichen  deutschen  Form. 

Nachdem  zu  den  behandelten  vier  positiven  Factoren  des  deutschen  Einflusses 
auf  die  dänische  Sprache  noch  einige  negative  genannt  waren,  wie  der,  daß  die 
dänische  Sprache  namentlich  im  14.  und  15.  Jahrhundert  in  einem  Zustande  wider- 
standsloser Schwäche  und  Machtlosigkeit  gewesen,  wie  die  öffentliche  Beredsam- 
keit am  Gerichte  geschwiegen,  wie  femer  die  Predigt  und  die  Schriftstellerei  latei- 
nisch  gewesen  und  wie  endlich  das  poetische  Bedürftiiss  des  Volks,  unvermögend 
etwas  Neues  zu  schaffen,  sich  nur  auf  die  mündliche  Fortpflanzung  und  höchst 
kümmerliche  Weiterführung  der  überlieferten  Kaempeviser  beschränkt  —  wird  die 
Frage  aufgeworfen:  Wie  zeigt  sich  nun  das  Deutsche  im  Dänischen?  Im  Allge- 
meinen, so  wird  gezeigt,  nicht  in  der  Grammatik,  sondern  im  Lexicon.  'Das  was 
in  der  lautlichen  Form  der  Worte  und  in  der  Wortbeugung  dem  Nordischen  über- 
haupt wie  insonderheit  dem  Dänischen  eigenthümlich  ist  im  Gegensatz  zum  Deut- 
scheu;  dies  ist  von  diesem  unbeirrt  geblieben  bis  auf  den  heutigen  Tag'  —  so  die 
Beschränkung  des  Dänischen  auf  zwei  grammaticalische  Geschlechter,  auf  einen 

GERMANIA.  Neue  Reihe  III.  (XY.)  Jahrg.  8 


114  MISCELLEN. 

casus  obliquus,  auf  einen  Modus,  zum  Theil  auf  einen  Numerus,  auf  eine  Person ; 
solche  Beschränkung  ist  bereits  im  15.  bis  16.  Jahrhundert  vollständig  voll- 
zogen. Dagegen  der  Wortschatz ,  die  Wortbildung ,  gewisse  Redefugungen  sind 
beeinflußt  oder  alterierl.  Nach  N.  M.  Petersen  soll  die  Hälfte  der  dänischen  Worte 
deutsch  sein. 

Wie  bestimmt  man  nun,  was  der  einen  und  was  der  andern  Sprache  ange- 
hört? Bei  der  nahen  Verwandtschaft  zwischen  dem  Dänischen  und  dem  Deutschen 
ist  diese  Bestimmung  in  manchen  Fällen  nicht  so  leicht  und  reichen  die  bis  dahin 
aufgestellten  Criterien  nicht  aus.  Zutre£Eender  lässt  sich  sagen:  ^das  dänische  Wort 
ist  deutsch,  entweder  dessen  Eintritt  in  die  dänische  Sprache  sich  historisch  nach- 
weisen lässt,  oder  dessen  Wortform  nach  Lauten  oder  nach  Bildung  dem  Deutschen 
ebenso  eigenthümlieh,  als  sie  dem  Dänischen  fremd  ist.  Die  Wörter,  die  sich  unter 
Anwendung  dieser  Criterien  als  deutschen  Ursprungs  ergeben,  scheiden  sich  in 
solche,  die  bei  ihrem  Eintritt  in  die  dänische  Sprache  entweder  ganz  unverändert 
geblieben,  oder  aber  mehr  oder  minder  dänische  Form  angenommen.  Der  erstem 
sind  heutzutage  nur  noch  äußerst  wenige^  wenn  auch  im  17.  und  18.  Jahrhunderte 
deren  Zahl  eine  viel  größere  war.  Die  letzteren  zeigen  ihre  Danisierung  in  stets 
verschiedenen  Abstufungen  Die  Veränderung,  der  das  deutsche  Wort  unterliegt,  trifft 
vor  Allem  die  Lautform,  qualitativ  (insofern  an  die  Stelle  des  deutschen  L«autes  ein 
anderer  im  Dänischen  tritt),  oder  quantitativ  (insofern  im  Dänischen  ein  Laut  hinzu- 
tritt [brunn  —  bruntj ,  oder,  was  viel  häufiger  geschieht,  ein  Laut  hinwegfallt  [so 
z.  B.  — n  in  allen  Infinitiven]);  in  Verbindung  mit  dieser  Veränderung  der  Laut- 
form theils  eine  solche  des  Accents,  theils  der  Qualität;  femer  Veränderung  der 
grammatischen  Form,  endlich  Veränderung  der  Bedeutung. 

Wie  empfindet  man  nun  dies  in  Dänemark  und  wie  verhält  man  sich  dazu  ? 
Wie  der  Redner  ausführt,  anders  in  der  (regenwart  als  sonst,  indem  das  Dänische 
gegen  seinen  deutschen  Bestand  eigentlich  erst  in  den  letzten  vier  bis  fünf  Jahr- 
zehnten kämpfe  und  erst  da  dieser  Kampf  einen  nationalen  Character  trage.  Man 
kämpft  da  aus  litterarischen  wie  politischen  Gründen.  Der  welcher  das  dänische 
Volk  zuerst  wieder  auf  sein  eigenes,  längst  vergessenes  Alterthum  zurückwies,  war 
Ohlenschläger.  Er  that  es  durch  seine  Dichtungen  nach  Inhalt  und  Form,  er  schrieb 
ein  möglichst  nordisches  Dänisch ,  er  studierte  die  ältere  dänische  Litteratur, 
besonders  die  RsBmpeviser  und  isländischen  Sagas  und  gab  seinem  Volke  einen 
Schatz  vergessener  ureigner  dänischer  Worte  zurück.  Andere  Schriftsteller  folgten 
ihm  in  dieser  Richtung,  dazu  kam  fördernd  die  beginnende  nordische  Alterthums- 
forschung  und  die  seit  den  letzten  Jahrzehnten  mit  Eifer  betriebenen  Stadien  der 
dänischen  Grammatik  und  dänischen  Nationallitteratur.  Das  Interesse  daran  soll 
ein  so  allgemein  verbreitetes  sein  wie  kaum  anderswo.  Die  obenerwähnten  politi- 
schen Beweggründe  sind  zweierlei:  Haß  gegen  Deutschland  und  der  sogenannte 
^Skandinavismus'.  Von  dem  Streben  nach  politischem  Anschluß  an  Schweden  oder 
Norwegen  geleitet,  suchen  dänische  Grammatiker  seit  einem  Jahrzehnt  auch  die 
dänische  Sprache  der  so  nah  verwandten  schwedischen  äußerlich  durch  die  Ortho- 
graphie möglichst  zu  nähern. 

Indessen  trotz  aller  antideutschen  und  skandinavistischen  Strebungen  kann 
man  den  deutschen  Bestand  nicht  los  werden,  auch  Grundtvigs  gelehrte  Bemühungen 
sind  gründlich  gescheitert.  Es  ist  ihm  nicht  möglich  gewesen,  auch  nur  ein  paar 
Zeilen  ohne  deutsche  Worte  zu  schreiben. 

In  dem  zweiten  Theile  seines  Vortrags  behandelt  P^of.  Möbius  das  Dänische 


MISCELLEN.  115 

gegenüber  dem  Norwegiscben.  Er  beantwortet  zunächst  die  Frage:  Wie  kam  das 
Dänische  nach  Norwegen?  Es  geschah  dies  durch  die  von  Dänemark  aus  in  Nor^ 
wegen  eingeführte  Reformation,  als  das  bisherige  dänische  Nebenreich,  in  welchem 
allerdings  schon  vorher  die  kirchliche  und  weltliche  Verwaltung  von  Dänemark  aus- 
gieng,  geradezu  als  dänische  Provinz  erklärt  wurde.  Der  dänische  Einfluß  ward 
nun  ein  mehr  intensiver,  dauernder  und  nachhaltiger.  Die  alte  heimische  Landes- 
sprache in  Norwegen  war  damals  gerade  in  machtlosem  Zustande  ^  seit  dem  Beginn 
des  14.  Jahrhunderts  hatte  dort  die  schwedische  Sprache  Eingang  gefunden,  schwe- 
dische Könige  hatten  eine  Zeit  lang  den  norwegischen  Thron  inne  gehabt  und  zu- 
dem hatte  sich  der  Brigittiner  Orden  von  Schweden  aus  in  Norwegen  vielfach  ver- 
breitet. So  konnte  jetzt  die  dänische  Sprache  unbehindert  in  Norwegen  eintreten, 
die  so  eng  verwandte  schwedische  Sprache  erleichterte  ihr  nur  den  Eintritt,  indem 
beide  Sprachen  damals  noch  weit  weniger  unter  sich  verschieden  waren,  als  sie  es 
jetzt  sind.  Nur  außerhalb  der  Städte,  in  den  Thälern  des  Landes  und  seinen  Buchten 
erhielt  sich  die  heimische  Sprache  in  mehreren  Dialecten. 

Seit  ein  paar  Jahrzehnten  nun  will  man  die  dänische  Sprache  aus  Norwegen 
wieder  verdrängen,  an  ihre  Stelle  soll  eine  auf  Grund  der  norwegischen  Volkssprache 
gebildete  neue  norwegische  Schrift-  und  Landessprache  treten:  das  ist  das  soge- 
nannte ^Malstr8ev\  Dies  Sprachstreben  entstand  mit  dem  1814  neu  erwachten  Na- 
tionalgefühl, als  Norwegen  aus  seiner  mehr  als  400jährigen  Abhängigkeit  von  Däne- 
mark befreit,  sich  als  selbständiges  Königreich  mit  Schweden  unter  einem  gemein- 
samen Könige  vereinigte;  es  wurde  jenes  Streben  wesentlich  gekräftigt  durch  den 
Dichter  Henrik  Wergeland  (der  seinen  dänischen  Styl  mit  norwegischen,  den  Volks- 
dialecten  entlehnten  Ausdrücken  —  freilich  oft  in  arger  Übertreibung  —  ausstattete) 
wie  besonders  durch  War  Aasen,  der  im  J.  1848  eine  Grammatik,  im  Jahre  1850 
ein  Wörterbuch  der  verschiedenen  norwegischen  Volksdialecte  veröffentlichte.  Die 
Bedeutung  dieses  Sprachwerks  wird  im  weitern  Verlauf  der  Rede  nach  der  wissen- 
schaftlichen wie  nach  der  practischen  Seite  hin  behandelt.  Man  kam  durch  dasselbe 
zur  Erkenutniss,  daß  die  alte  norwegische  Sprache,  die  Sprache  der  Eddas  und 
Sagas,  in  jenen  Dialecten  sich  im  Wesentlichen  ganz  unverändert  erhalten  habe  ; 
man  gelangte  durch  dies  Sprachwerk  zu  einer  richtigem  oder  vollständigem  Ein- 
sicht und  Beurtheilung  eben  jener  ^altnordischen'  Sprache,  die  man  bis  dahin  fast 
ausschließlich  nur  vom  isländischen  Gesichtspunct  aus  kennen  gelernt  hatte.  Zudem 
veröffentlichte  War  Aasen  eine  Reihe  von  Darstellungen  in  den  verschiedenen  Dia- 
lecten und  zeigte  an  einzelnen  Proben  die  muthmaßliche  Gestalt  der  norwegischen 
Sprache  der  Gegenwart  unter  Voraussetzung  ihrer  Entkleidung  von  dialectischen 
Eigenthümlichkeiten.  Was  aber  War  Aasen  nur  als  möglich  sich  dachte,  wurde 
nun  von  nationalen  Heißspornen  als  nothwendig  verkündet  und  damit  beginnt  das 
eigentliche  'MalstraBv'.  Eine  große  Zahl  von  Schriftstellern,  unter  ihnen  0.  Vinje, 
wirkten  in  dieser  Richtung.  Im  Jahre  1867  erschien  die  zweite  Ausgabe  von  Aasens 
Grammatik.  *Der  Stoff  ist  vermehrt  oder  gesichtet  und  während  in  der  ersten  Aus- 
gabe eine  Darstellung  der  einzelnen  Dialecte  neben  einander  gegeben  war  nur 
unter  gedachter  Voraussetzung  der  ihnen  gemeinsamen  Sprach^e,  ist  in  der  neuen 
Ausgabe  diese  selbst  in  ihrer  abstrahierten  (oder  vielmehr  construierten)  Form 
wirklich  zu  Grunde  gelegt  und  als  Ausgangspunct  für  die  in  dialectischer  Sonderung 
derselben  erscheinenden  Formen  dargestellt.  Hierdurch  bekennt  sich  denn  War 
Aasen  selbst  für  die  neue  Sprache,  der  er  gewissermaßen  in  dieser  zweiten  Ausgabe 
die  wissenschaftliche  Sanction  verlieh.  Damit  ist  denn  im  vorigen  Jahre  1867   das 

8* 


116  MISCELLEN. 

M&lstrsßv  in  ein  neues  Stadium  getreten ;  ein  heftiger  Kampf  hat  begonnen,  erst 
die  nächste  Zeit  wird  von  seinem  Ausgang  zu  berichten  haben/ 

Schluß  der  Sitzung  11%  Uhr.  Folgende  litterarische  Gaben  wurden  vertheilt: 

Von  Prof.  Dr.  Th.  Möbius : 
Are  8  Isländerbuch  im  isländischen  Text  mit  deutscher  Übersetzung,  Namen- 
und  Wörterverzeichniss  und  einer  Karte  Zur  Begrüßung  der  Germanisten  bei  der 
XXVII.    deutschen   Philologenversammlung    in  Kael    27/30.    September    1869 
herausgegeben  von  Dr«  Theodor  Möbius,  Professor  an  der  Universität  in  Kiel. 
Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner.   1869. 
Von  Prof.  Dr.  Karl  Weinhold : 
Die  deutschen  Monatnamen  von  Dr.  Karl  Weinhold,  ord.  Professor  an  der 
Universität  zu  Kiel.  Vom  Verfasser  überreicht.  Halle,  Verlag  der  Buchhandlung 
des  Waisenhauses.   1869. 

Von  Prof.  Dr.  I.  V.  Zingerle : 
Bericht  über  die  in  Tirol  im  Jahre  1867  angestellten  Weisthümer-Fonchon- 
gen  von  Dr.  I.  V.  Zingerle.  Wien  1868. 

Zweite  Sitzung.  Mittwoch  den  29.  Sept.  Morgens  9  Uhr.  Zunächst  nimmt 
Dr.  Lübben  das  Wort  zu  einigen  Mittheilungen  über  das  von  ihm  und  Dr. 
Schiller  in  Angriff  genommene  mittelniederdeutsche  Wörterbuch.  Die  buchhändle- 
rischen Schwierigkeiten  sind  jetzt  überwunden,  ein  Verleger  (Kütemann  in  Bremen) 
ist  gewonnen.  Der  erste  Bogen  ist  eben  gedruckt,  doch  ist  das  Erscheinen  des 
ganzen  Werkes  noch  abhängig  von  einer  entsprechenden  Anzahl  Subscribenten ; 
Dr.  Lübben  bittet  daher  die  Fachgenossen  wie  um  Unterstützung  durch  Beiträge 
wissenschaftlicher  Art,  so  um  die  durch  Subscriptiou.  Das  Werk  kann  nur  langsam 
vorwärtsschreiten,  indem  sich  die  Herausgeber  nur  in  Mußestunden  damit  beschäf- 
tigen können  und  zudem  thut  sich  alle  Tage  etwas  Neues  auf:  zu  einem  Abschluß 
ist  noch  nicht  zu  kommen,  sondern  nur  zu  einem  vorläufigen  Ende.  Die  Heraus- 
geber werden  sich  nur  auf  das  characteristisch  Niederdeutsche  beschränken«  Das 
erste  Heft  soll  zur  Subscriptiou  einladen,  mangelt  dann  die  Gunst  des  Publicums, 
so  ist  auf  eine  Fortsetzung  vorläufig  zu  verzichten ;  eine  allseitige  Unterstützung 
des  voraussichtlich  in  etwa  drei  nicht  zu  starken  Bänden  erscheinenden  Werkes  ist 
darum  dringend  zu  wünschen. 

Der  Vorsitzende  Prof.  W  e  i  n  h  o  1  d  unterstützt  diese  Bitte  aufs  Wärmste,  in- 
dem er  zugleich  darauf  hinweist,  welch  großen  Dienst  die  Herausgeber  des  mittel- 
niederdeutschen Wörterbuches  der  Wissenschaft  leisten. 

Prof.  Petersen  fügt  hinzu,  daß  namentlich  auch  die  Juristen  und  die  Hi- 
storiker auf  das  Werk  aufmerksam  zu  machen  seien. 

Es  folgt  dann  der  Vortrag  des  Geh.  Justizrathes  Dr.  Michelsen:  Über  be- 
sondere Merkzeichen  auf  den  Runensteinen.  Derselbe  führte  aus,  wie  auch  die 
Runensteine  in  Schleswig  Gegenstand  der  Behandlung  seitens  der  Gelehrten  ge- 
worden. Die  runologischen  Charactere  sind  mit  nüchterner  Besonnenheit  erklärt, 
man  hat  bei  der  Auslegung  nicht  gerathen  und  aus  der  Luft  gegriffen.  Georg  Ste- 
vensen  aus  Kopenhagen  behandelt  die  Steine  in  Nordschleswig.  (Er  hat  ein  Pracht- 
werk mit  Kupfertafeln  herausgegeben,  in  welchem  u.  a.  auch  ein  Häuptling  von 
Angeln  vor  der  Auswanderung  sich  befindet.)  So  befriedigend  nun  die  Auslegung 
im  Ganzen  ausgefallen  ist,  so  wenig  befriedigend  ist  die  Deutung  einiger  Merk- 
zeichen auf  den  betreffenden  Steinen  in  Schleswig ,  Dänemark  und  Norwegen.  Für 
die  Deutung  derselben  ist  ein  Schlüssel  zu  finden,  der  das  Ganze  löst,  ein  Schlüs- 


MI8CELLEN.  117 

sei)  der  ans  zeigt,  daß  die  betreffenden  Merkzeichen  nicht  das  sind,  wofür  man  sie 
wohl  gehalten  hat,  'wunderbare  Complificationen\  'capriciöse  Marken',  'Zickzack, 
womit  nichts  anzufangen  ist.'  Der  Redner  glaubt  einen  solchen  Schlüssel  gefunden 
zu  haben  in  einer  Lehre  der  deutschen  Alterthumskunde,  nämlich  in  der  Lehre  von 
der  Hausmarke*  Die  Hausmarke  ist  nicht  nur  Zeichen  des  Eigenthums,  sondern 
hat  noch  drei  wichtige  Beziehungen  und  Anwendungen ;  sie  führen  auf  die  Heraldik, 
die  Monogrammenlehre  und  die  Steinmetzzeichen.  Alle  diese  drei  Beziehungen  und 
Anwendungen  findet  man  auf  den  betreffenden  Kunensteinen  vertreten.  Es  kommen 
z.  B*  gekrönte  Löwen  vor;  Stevensen  sagt,  sie  seien  traditionelle  Familienzeichen, 
aber  keine  Wappen.  Indessen  unter  den  Wappen  gibt  es  zwei  Arten:  Zeichen- 
wappen (Bauten Wappen)  und  Bilderwappen ;  ein  Löwe  ist  jedesfalls  ein  Wappen. 
Nachdem  der  Zusammenhang  der  betreffenden  Zeichen  mit  der  Monogrammenlehre 
behandelt  worden,  werden  die  Steinmetzzeichen,  insbesondere  das  auf  dem  Asfrid- 
runenstein  zu  Louisenlund,  eingehender  besprochen.  Daß  ein  dort  befindliches  Zei- 
chen (ein  Kreis  mit  einem  Strich  durch)  ein  Steinmetzzeichen  und  nichts  anders  sei, 
glaubt  der  Kedner  sicher  annehmen  zu  dürfen ;  es  handle  sich  nur  darum  zu  zeigen, 
daß  andere  eben  solcher  Art  vorkommen.  Auf  der  Kehrseite  des  Asfridrunensteins 
sollen  dann  noch  eine  Menge  anderer  Zeichen  sein.  Der  Redner  hat  sie  noch  nicht 
gesehen.  Von  diesen  Zeichen  hat  man  in  Kopenhagen  zwei  Abzeichnungen.  Es  gilt 
sie  genau  anzusehen.  Eins  dieser  Zeichen  wird  für  'Hügel'  erklärt. 

Daß  die  Anwendung  der  Hausmarke  so  bedeutend  hervortritt,  darf  nicht  be- 
fremden. Der  Redner  bezieht  sich  auf  die  Abhandlung  von  J.  Grimm  über  den 
Besitz,  in  welcher  gezeigt  ist,  daß  in  den  germanischen  Sprachen  die  Viehweide 
für  alles  Eigenthum  der  Grundbegriff  ist.  Es  musste  jedes  Vieh  unterschieden 
werden,  daher  die  häufige  Anwendung  der  Hausmarke.  Ein  solches  Eigenthums- 
zeichen  ist  z.  B.  die  'Kimme  im  Ohr',  wie  sie  sich  in  Thüringen  öfters  bei  den 
Schafen  findet.  Dasselbe  Zeichen  kommt  auch  in  Holstein  vor. 

Was  die  genaue  Erforschung  des  Asfridrunensteins  betrifft,  so  ist  der  Besitzer 
von  Louisenlund  geneigt^  dieselbe  zu  fördern  und  Herr  Geheimrath  Michelsen  er- 
klärt sich  bereit,  den  Reisenden,  der  jenen  Stein  genauer  erforschen  würde,  zu  be- 
gleiten. Das  oben  besprochene  Prachtwerk  legte  dann  Herr  Prof.  MÖbiüs  der  Ver- 
sammlung vor. 

Prof.  Hildebrand  redete  hierauf  'über  Sprachbewusstsein  und  Sprachgefühl*. 
Beide  Ausdrücke  sind  erst  in  neuerer  Zeit  gebräuchlich  geworden,  zuerst  hat  sie 
wohl  Karl  Ferd.  Becker  (f  1849)  gebraucht;  sie  haben  sich  dann  rasch  verbreitet, 
ein  Beweis,  wie  man  bestrebt  ist,  'den  einzelnen  Menschen  wieder  in  sein  Recht 
einzusetzen,  als  einzige  und  letzte  Quelle  alles  rechten  Lebens  in  der  Geistes-  und 
Gemüthswelt,  während  eine  überlieferte  Richtung  als  diese  Quelle  vielmehr  eine 
vergangene  Gedankenwelt  festhalten  will,  aus  der  man  auf  einsamer  Studierstube 
gewisse  Formeln  abgezogen  hat,  die,  zu  einem  Gerüst  zusammengesetzt,  nur  als 
der  eine  Leisten  dienen  soll,  über  den  man  die  ganze  Menschheit  schlagen  will'. 
Daß  Regeln,  noch  dazu  fremde  Regeln  die  Sprache  richten  sollen,  dagegen  wird 
schon  lange  gekämpft,  theils  bewusst,  theils  unbewusst,  daher  sind  denn  auch  die 
neuen  Begriffe  'Sprachbewusstsein  und  Sprachgefühl'  entstanden.  Den  Werth  oder 
die  Natur  derselben  lernt  jeder  am  besten  aus  sich  selbst  kennen,  aber  es  gilt  auch 
auf  wissenschaftlichem  Wege  'das  Werden  und  Wachsen  der  Sprache  zu  erforschen, 
damit  wir  auch  die  Sprache  in  vergangenen  Gestalten  wieder  als  etwas  Lebendiges 
ergreifen  können  —  denn  das  allein  ist  das  rechte  Ziel  aller  Sprachwissenschaft, 


118  MISCELLEN. 

nicht  Aufhäufung  von  todten  Stoffmassen.  Dazu  müssen  wir  aber  die  lebendige 
Sprachquelle  von  damals  wieder  finden  können,  also  das  vergangene  Sprachbewusst- 
sein  und  Sprachgefühl  der  Zeit,  mit  der  wir  uns  beschäftigen,  in  uns  wieder  erzeu- 
gen. Nur  so  weit  wir  das  vermögen,  geht  unser  Thun  über  gelehrte  Stoff krämerei 
hinaus.'  Es  werden  nun  eine  Anzahl  Fälle  vorgeführt,  wo  es  möglich  ist,  in  das 
Sprachgefühl  der  Vergangenheit  hineinzusehen ;  zunächst  Fälle  aus  der  Lautlehre. 
Auf  der  Versammlung  zu  Meißen  hat  Prof.  Hildebrand  vor  nun  sechs  Jahren 
einen  Vortrag  gehalten*),  an  den  er  jetzt  wieder  anknüpfen  will.  Es  war  da  unter 
anderm  von  einer  Erscheinung  in  der  süddeutschen  Rede  gehandelt,  daß  nämlich 
in  der  Redesprache.  ein  schließendes  t  durch  folgende  Muten  anderer  Gattung  in  der 
Weise  beeinflußt  wird,  daß  es  sich  diesen  *^angleicht*,  vgl.  (/obbeware,  lanygricht, 
guggeschlafe^  stampunkty  '5  '  tupmer  leidj  Bop{h)mer,  es  stang-gestem  in  der  zeitunr/. 
Auch  in  Mitteldeutschland  hat  in  früheren  Jahrhunderten  das  Gesetz  gegolten,  vgl. 
empfelen,  empfinden,  empfangen^  früher  auch  empfallenj  noch  bei  Logau  entfinden 
(entpfinden  Alberus),  entfangen.  Man  war  sich  des  ent-  in  dem  empfinden  u.  s.  w.  noch 
klar  bewußt.  Jetzt  hat  man  in  Süddeutschland  wohl  kein  Bewußtsein  mehr  von  dem 
Gesetz,  früher  hatte  man  es. 

Man  schrieb  im  Allgemeinen  früher  nach  der  Etymologie  und  sprach  wahr- 
scheinlich nach  der  Bequemlichkeit  der  Lautgesetze.  Beim  Schreiben  aber  kommen 
Fehler  vor;  z.  B.  in  dem  sogenannten  Eisenacher  Rechtsbuche  in  Ortloffs  Rechts- 
quellen steht  auf  einer  Seite  wippild  und  witpild,  letzteres  kann  nur  falsche  Rück- 
übersetzung sein  (aber  es  setzt  voraus,  daß  wippild  die  herrschende  Aussprache  war). 
Die  Lamprete,  mlat.  lampreta,  erscheint  auch  als  lantprida  ahd.  (neben  lampreda), 
man  musste  das  lampr.  für  angeglichen  halten;  aber  auch  als  lantfrida,  lantfrit, 
entstanden  aus  lamphrida  bei  Graff ;  d.  h. :  1.  man  war  ßich  jener  Anglei chung  im 
Munde  bewußt,  2.  man  woUte  sie  im  Schreiben  nicht  anwenden,  3.  um  sicher  zu 
gehen,  überschrieb  man  lieber  die  Rückübersetzung,  brauchte  sie  auch  da,  wo  sie 
falsch  war/ 

Der  Vortragende  theilt  dann  mit,  daß  sich  Handborg  für  Hamburg  geschrie- 
ben finde  (in  einem  Schreiben  des  K.  Ruprecht  vom  J.  1407)  und  behandelt  ein- 
gehender das  liet  in  dem  Liede  H.  v.  Morungen  (MF.  127,  34;  LD.  XIV,  74): 

Ez  ist  site  der  nahtegal 
swan  si  ir  liet  volendet  so  ge^swiget  sie. 
Dur  daz  volge  ab  ich  der  swal, 
diu  liez  durch  liebe  noch  dur  leide  ir  singen  nie, 
Hagen  und  Lachmann  lesen  liet,  Bartsch  leit.  Der  Schreiber  von  C,  sagt  Prof.  H., 
hat  das  liep  volendet  für  angeglichen  gehalten  und  das  dem  äußerlichen  Gedanken 
näher  liegende  liet  daraus  gemacht,  es  sei  aber  liep  zu  lesen. 

Schon  im  8.  Jahrhunderte  findet  sich  artpeitsam  (im  sogenannten  vocab.  Ke- 
ronis,  Hattemer). 

Als  es  nun  noch  kein  vermittelndes  Hochdeutsch  gab,  wie  verkehrten  da  die 
verschiedenen  hoch-  und  niederdeutschen  Stämme  miteinander?  Sie  hatten,  wie  der 
Redner  zeigt,  offenbar  eine  Bekanntschaft  mit  den  Lautgesetzen  der  verschiedenen 
Sprachgruppen.  Dafür  werden  nun  Belege  gegeben,  unter  andern  folgende:  Olden- 
burg hieß  im  16.  Jahrhundert  bei  Hochdeutschen  Altenburg,  Mekelnborch  wird 
verhochdeutscht  als  Michilnburg  (Adam  v.  Br.),  Mölln,  der  nd.  Ortsname,  wird  vou 


*)  Vgl.  Germania  9,  131  ff. 


MISCELBEN.  119 

einem  durchreisenden  Schwaben  B.  v.  Bachenbach  im  1 6.  Jahrhundert  Mhülen  ge- 
nannt ('Mhülen,  ein  stattlin  alda  der  Eulenspiegel  begraben').  Helmstedt  wird  zu 
Helmstatt,  Oldesloe  zu  Altisloe.  Auch  die  kleineren  Abweichungen  der  nd.  Mund- 
art bemerkt  B.  von  B.,  er  gibt  Newenburgh  durch  Naumburg,  doch  auch  durch 
Nawenburgh,  d.  h*  er  richtet  sich  einmal  nach  der  Landesart,  ein  andermal  nicht. 
^  Th.  Platter  schreibt  einfach  Schweiz.  Nümburg.  Er  kennt  auch  noch  *Hall  (ohne  e) 
in  Sazen\ 

Noch  wichtiger  aber  sei  die  Erforschung  des  syntactischen  Sprachgefühls. 
Der  Redner  gibt  einige  Proben,  in  denen  er  zeigt,  wie  es  noch  möglich  sei,  dem 
nachzukommen,  unter  andern  wird  das  Lied  von  Dietm.  v.  Eist  in  den  Kreis  der  Be- 
trachtung gezogen  (MF  37,  4;  LD  H,  i): 

Ez  siuont  ein  frouioe  alleine 

und  warte  über  heide 

unde  warte  ir  liebe. 

80  gesach  si  valken  fliegen» 

'so  wol  dir  valke  daz  du  bist! 

du  fliugest  swar  dir  lieb  ist"  u.  s.  w. 
valke  sei  hier  zunächst  Vocativ,  aber  zum  Folgenden  zugleich  Prädicat,  mithin  No- 
minativ; also  könnten  zwei  eigentlich  verschiedene  Formen  im  Bewusstsein  zusam- 
men fallen,  zu  einer  werden,  wenn  sie  in  der  Form  nicht  mehr  verschieden  sind. 
Oder:  das  Sprachgefühl  entwickle,  ändere  sich  an  der  Hand  der  sich  ändernden 
Formen.  Hier  seien  Vocativ  und  Nominativ  in  einer  Form  vereinigt,  zugleich  ge- 
fühlt. Ähnliches  komme  auch  im  Lateinischen  imd  Griechischen  vor.  Es  wird 
unter  anderm  hingewiesen  auf  Caes.  ß.  G.  6,  1 3 :  neque  bis  (den  von  Druiden  Ge- 
bannten) petentibus  jus  redditur ;  hier  sei  jus  zugleich  Accusativ  und  Nominativ ; 
ebenso  auf  1,  28,  nach  der  Bezwingung  der  Helvetier:  Bojos  petentibus  Haeduis, 
quod  egregia  virtute  erant  cogniti,  ut  in  finibus  suis  coUocarent,  concessit ;  auf 
Aeschyl.  inra  inl  Qijßotg  200  (Eteocl.  zum  Chor): 

fislXti  yocg  avdgi,  (iq  yvvrj  ßovXsvira 
ric^md'sv,  ivdov  ö'ovaa  firi  ßloißrjv  tid'St, 

femer  auf  Stellen  wie  Hör.  carm.  3,  3  v.  37  ff.  Epist.  2,  83.  Suet  Jul.  Caes.  7: 
Qnaestori  —  ingemuit.  Caes.  B.  G.  2,  29 ;  7,  13 ;  6,  8. 

Der  Vortragende  fordert  schließlich  auf,  dem  Sprachgefühl  vergangener  Zei- 
ten alle  Beachtung  zuzuwenden,  vornehmlich  wichtig  sei  die  Erforschung  des  syn- 
tactischen  deutscheu  Sprachgefühls  und  Sprachbewusstseins ;  auf  diesem  Gebiete 
habe  die  Begel,  die  Schule  am  meisten  Unheil  angerichtet. 

Es  folgte  der  Vortrag  von  Prof.  Petersen,  der  über  die  antiquarische  Aus- 
stellung auf  dem  internationalen  Archäologencongreß  zu  Kopenhagen  berichtete. 
Bei  dei  beschränkten  Zeit,  die  ihm  noch  übrig  gelassen  war,  begnügte  er  sich,  nur 
kurz  das  Wichtigste  anzudeuten  und  behielt  sich  Weiteres  für  die  gedruckten  Ver- 
handlungen vor,  um  etwas  ausführlicher  von  einer  Entdeckung  sprechen  zu  können, 
welche  für  die  Geschichte  der  nordisch-deutschen  Heldensage  von  nicht  geringem 
Interesse  sei  und  sich  an  ein  in  Kopenhagen  ausgestelltes  Bild  knüpfe. 

Es  wurden  in  Kopenhagen  nach  der  Mittheilung  des  Prof.  P.  die  wichtigsten 
Entdeckungen  und  Forschungen  der  letzten  Jahrzehnte  kritisch  besprochen  und 
zum  Theil  zur  Anschauung  gebracht  durch  Zeichnungen  und  Ausstellung  der  Ori- 
ginale. Die  in  der  Versammlung  deutscher  Geschieh ts-  und  Alterthumsforscher  zu 
Erfurt  im  vorigen  Jahre  erhobenen  Zweifel  gegen  die  gefundenen  rohen  Steingeräthe 
(daß  sie  nicht  von  Menschen  gemacht,  sondern  Naturspiele  seien)  und  gegen  die 


120  MISCELLEN. 

Echtheit  der  in  der  Dordogne  gefundenen  Zeichnungen  auf  Mammuth-  und  Renn- 
thierknochen  seien  zurückgewiesen  und  von  allen  Seiten  Protest  gegen  diese,  in  der 
populären  Zeitschrift  *das  Ausland'  wiederholten  Zweifel  erhoben.  Das  größte  Inte- 
resse habe  unter  andern  die  unmittelbare  Anschauung  der  so  berühmt  gewordenen 
Kjökenmödins  (Küchenabfälle)  der  ältesten  Bewohner  Dänemarks  an  dem  Köskilder 
Fiord,  die  später  durch  Vorträge  von  Steenstrup  und  Woorsaae  erläutert  seien, 
erweckte  Schriftlich  eingesandte  Mittheilungen  über  eine  Entdeckung  aus  dem  äl- 
teren Steinalter  habe  eingehende  Besprechung  der  Frage  veranlasst :  wie  weit  und 
wie  lange  die  älteren  Bewohner  Europas  auch  Menschenfleisch  verzehrt  ? 

Die  Kenntniss  des  späteren  Steinalters  sei  bereichert  worden  durch  Mitthei- 
lungen über  die  Steinbauten  und  Steingerathe  in  Spanien,  Westfrankreich,  Rumä- 
nien und  einem  Theil  Schwedens.  Besonderes  Interesse  hätten  gewährt  die  ersten 
in  Norwegen  gefundenen  Steingerathe  und  andere  aus  dem  Hafen  von  Ystadt,  über 
welche  ein  Vortrag  gehalten  sei,  der  die  Senkung  dieser  Gegend  in  historischer 
Zeit  bewiesen,  was  dann  zu  Verhandlungen  und  Mittheilungen  veranlasst  über 
Hebungen  und  Senkungen «  besonders  seitens  des  Prof.  Nilsson,  dem  die  Wissen- 
schaft die  ersten  genaueren  Untersuchungen  über  eben  diese  Frage  verdanke. 

Ausgestellt  gewesen  seien  ausgewählte  Stücke  aus  den  Sammlungen  von 
Herrn  Baron  Zütphen  Adler  zu  Adlersberg  und  von  Herrn  Hoigägermeister  Beck, 
ferner  Zeichnungen  von  den  in  Gräbern  Meklenburgs  neuerdings  entdeckten  römi- 
schen Gefäßen,  sowie  besonders  merkwürdige  Steinbauten  in  Dänemark  und  Schleswig. 

Die  Kopenhagener  Mittheilungen  und  Verhandlungen  über  das  Steinalter 
haben  nach  dem  Bericht  von  Prof.  P.  eine  längere  Zeit  in  Anspruch  genommen,  als 
für  dasselbe  bestimmt  gewesen,  weshalb  die  Vorträge  über  die  Bronze-  und  Eisen- 
zeit zum  Theil  für  die  gedruckten  Verhandlungen  zurückgestellt  worden.  Doch  seien 
zwei  Vorträge  über  das  Bronzealter  gehalten  worden,  die  besonders  wichtig  genannt 
werden  dürften,  der  des  Reichsarchivars  Hildebrand  über  Felsenreliefs  in  Schweden, 
welche  dieser  Zeit  anzugehören  scheinen  und  von  denen  Abbildungen  vorgelegt 
wurden,  und  der  des  Bibliothekars  Lerch  über  russische  Bronze.  Daß  indogerma- 
nische Völker  in  Rußland  eingewandert  seien,  hat  sich  nicht  beweisen  lassen,  die 
meisten  Bronzesachen  trugen  einen  ganz  andern  Character,  andere  stimmten  frei- 
lich mit  unsem  überein,  weshalb  das  Bronzealter  in  Rußland  im  Verhältniss  der 
verschiedenen  Ortlichkeiten  und  Zeiten  noch  einer  weiteren  Untersuchung  bedürfe. 
Unter  den  Ausstellungen  seien  Abbildungen  irländischer  Bronzen  in  wirklicher 
Größe  von*  besonderem  Interesse  gewesen,  da  im  Wesentlichen  dieselben  Formen 
auch  in  Dänemark,  Schweden  und  Norddeutschland  vorkämen,  in  diesen  Ländern 
sich  indessen  auch  Formen  fänden,  die  in  Irland  fehlten. 

Auf  das  mittlere  Eisenalter  hatte  sich  ein  Vortrag  des  Herrn  Engelhardt  be- 
zogen: über  die  Moorfiinde  Schleswigs  und  Fühnens,  die  derselbe  in  besondern 
Schriften  erklärt  und  zur  Anschauung  gebracht  hat.  Die  Funde  führen  auf  die  An- 
fänge unserer  Geschichte.  Das  Verhältniss  zu  den  Römern  habe  neues  Licht  er- 
halten durch  eine  der  Kopenhagener  Versammlung  vorgelegte,  in  englischer  Sprache 
verfasste  Schrift  von  Montelius,  die  besonders  in  chronologischer  Rücksicht  eine 
wichtige  Ergänzung  bilde  zu  Wibergs  Schrift  über  den  Einfluß  der  classischen 
Völker  auf  den  Norden  durch  den  Handelsverkehr. 

Die  unmittelbarste  Belehrung  über  die  Entwicklung  der  Cultur  von  dem  Stein- 
alter bis  zum  Schluß  des  Eisenalters,  d.  h.  bis  zum  Anfang  der  Geschichte,  sei 
durch  die  reiche  und  so  schön  aufgestellte  als  trefflich  geordnete  Sammlung  nordi- 
scher Alterthümer  im  Prinzenpalais  geboten  worden,  die  um  so  lehrreicher,  da  in 


MI8CELLEN.  121 

demselben  Gebäude  in  unmittelbarer  Nähe  die  ethnographische  Sammlung  aufge- 
stellt sei,  welche  ein  Bild  gewähre  von  den  verschiedenen  Völkern  aller  Erdtheile 
(die  eigentlichen  Culturvölker  Europas  ausgenommen),  besonders  derjenigen,  die 
bis  auf  die  neueste  Zeit  auf  der  Stufe  des  Steinalters  verharrten.  Sehr  zweckmäßig 
bilde  gleichsam  die  Einleitung  eine  Zusammenstellung  der  Alterthümer  des  Stein- 
und  Bronzealters  der  verschiedenen  Länder  Europas  theils  in  Originalen,  theils  in 
Facsimiles. 

Das  Merkwürdigste  unter  den  ausgelegten  Zeichnungen  seien  zwei  Facsimiles 
von  Felsenbildern  aus  Schweden,  welche  an  sich  höchst  merkwürdig,  der  Beachtung 
der  Versammlung  empfohlen  worden,  da  sie  sich  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auf 
die  deutsche  oder  Deutschland  und  Scandinavien  gemeinsame  Heldensage  und  zwar 
auf  die  Sigurd-  oder  Sigfriedsage  bezögen.  Prof.  P.  gab  der  Versammlung  darüber 
ein  durch  Nachweisung  anderer  ähnlicher  Denkmäler  bereichertes  Referat  von  Frau- 
lein  J.  Mestorf  in  Hamburg,  der  Übersetzerin  von  S.  Nilssons  Stein-  und  Bronze- 
alter, sowie  von  Wibergs  Schrift  über  den  Einfluß  der  classischen  Völker  auf  den 
Norden  durch  den  Handelsverkehr.  Fräulein  Mestorf  hat  sich  bereits  früher  mit 
der  Sigfriedsage  beschäftigt  und  bevor  sie  durch  ihre  Theilnahme  am  Congresse  in 
Kopenhagen  mit  den  schwedischen  Felsenbildem  bekannt  geworden,  Darstellungen 
desselben  Gegenstandes  in  norwegischen  Sculpturen  ihre  Beachtung  geschenkt,  ja 
.sogar  vermuthet,  daß  auch  das  benachbarte  Schleswig  in  dem  Besitze  eines  ähnli- 
chen Denkmals  sei.  Ihre  freundliche,  von  eigener  Hand  geschriebene  Mittheilung 
lassen  wir  hier  mit  bestem  Danke  folgen: 

„Die  beiden  von  Professor  Carl  Säve  beschriebenen  und  erklärten  Runen- 
steine sind  nicht  erst  neuerdings  aufgefunden,  sondern  bereits  von  Rudbeck  in  sei- 
ner Atlantica  abgebildet  und  von  Piringsköld,  Dybeck  u.  a.  gelesen  worden.  Merk- 
würdig genug  hat  keiner  dieser  Herren  die  Bedeutung  der  Figuren  geahnt  und 
bleibt  es  Säves  Verdienst,  dieselbe  zuerst  erkannt  zu  haben.  Beide  Steine  liegen 
in  der  Provinz  Södermannland,  am  südlichen  Mälarufer,  der  eine  eine  Meile  von 
Strengnäs,  der  andere  in  der  Nähe  des  Edelhofes  Sund  by  holm  und  über  drei  Mei- 
len entfernt  von  dem  vorbenannten.  Die  Figuren  sind  auf  beiden  Steinen  dieselben, 
obgleich  auf  dem  letztgenannten  von  geschickterer  Hand  eingehauen  und  deshalb 
leichter  erkennbar.  Es  sind  Illustrationen  zum  Fafhismal :  innerhalb  des  durch  den 
sich  um  die  Figuren  ringelnden  Fafiiir  gebildeten  Rahmens  sieht  man  den  Baum 
mit  den  redenden  Vögeln,  Grani  mit  dem  Schatze  auf  dem  Rücken,  Regin  mit  den 
Schmiedwerkzeugen  u.  s.  w.  und  endlich  Sigurd,  der,  wie  es  die  Sage  erzählt,  den 
Wurm  von  unten  mit  seinem  Schwerte  durchbohrt  und  dadurch  außerhalb  des  Rah- 
mens zu  stehen  kommt. 

Die  Inschriften  sind  Stäbe  und  stehen  zu  dem  Bilde  in  keiner  Beziehung. 
Auf  dem  einen  Steine  liest  man,  daß  eine  Frau  Sigrid  zum  Gedächtnisse  ihres 
Mannes  einen  Weg  machen  ließ  (imd  an  dem  Wege  sich  und  ihm  zu  Ehren  das 
Denkmal  errichtete);  den  andern  setzte  Sinjor  seinem  Vater  und  dessen  Waffen- 
bruder zum  Gedächtnisse.  Prof.  Säve  muthmaßt,  daß  Sigrid  und  Sinjor  sich  für 
Nachkommen  der  glorreichen  VÖlsunge  hielten  und  durch  die  bildliche  Darstellung 
der  Familientradition  auf  den  ihren  Anverwandten  errichteten  Gedenksteinen  diesen 
besondere  Ehre  zu  erweisen  glaubten.  Aus  Gründen,  welche  der  Verfasser  in  seiner 
Abhandlung  näher  entwickelt,  glaubt  er  die  Entstehung  dieser  Felsenbilder  in  das 
11.  Jahrhundert  verlegen  zu  müssen  —  demnach  wären  sie  älter  als  die  Aufzeich- 
nungen der  Eddalieder.  Da  Schweden  keinen  Saxo  und  keinen  Snorre  Sturleson 
besitzt,  so  sind  diese  Bilder  als  Bestätigung,  daß  auch  Svithiod  Theil  an  dem  nor- 


122  MISCELLEN. 

dischen  Sagenschatze  hat,  von  größtem  Werthe,  Hoffentlich  werden  diese  ersten 
Beweise  nicht  die  einzigen  bleiben. 

In  Norwegen  hat  man  schon  vor  mehreren  Jahren  ähnliche  Darstellungen 
der  Sigurdsage  entdeckt.  Nicolassen  erwähnt  in  dem  zweiten  Bande  der  von  ihm 
herausgegebenen  Fornlerninges  (Christiania  1863)  einer  kunstvoll  geschnitzten 
Kirchenthür  im  Nedenes  Amt,  wo  man  in  verschiedenen  Feldern  den  Baum  mit  den 
Vögeln,  Sigurd  wie  er  Fafnirs  Herz  brat,  den  schmiedenden  Kegin  u.  s.  w.  deutlich 
erkennt.  In  demselben  Amte  befinden  sich  in  einem  Laudhause  Überreste  einer 
alten  Kirche,  welche  mit  ähnlichen  Holzschnitzereien  geschmückt  sind.  Außer  den 
schon  genannten  Figuren  findet  man  hier  noch  den  Grani  und  Gunnar  in  der 
Schlangengrube.  —  Den  Gunnar  mit  der  Harfe  und  umringt  von  Schlangen  sieht 
man  auch  an  der  Kirchenthür  zu  Opdal. 

In  dem  ersten  Bericht  der  Schlesw.  Holst.  Lauenbg.  Gesellschaft  für  Erhal- 
tung der  vaterländischen  Alterthümer  1836  berichtet  Herr  Pastor  Augustini  zu 
Nelsby  in  Angeln  über  einen  drei  einen  halben  Fuß  großen  Stein  in  der  Kirchen- 
mauer des  dortigen  Gotteshauses.  Obgleich  stark  verwittert,  erkennt  man  doch  noch 
deutlich  auf  demselben  einen  Lindwurm,  vier  abgetheilte  Felder  und  in  diesen  einen 
Vogel  und  ein  Pferd  mit  seinem  Keiter.  Herr  A.  fügt  seinem  Berichte  eine  Zeich- 
nung des  Steines  bei.  Sollte  diese  noch  in  Kiel  vorhanden  sein,  so  ließe  sich  viel- 
leicht ermitteln,  ob  wir  in  diesem  Nelsby  er  Stein  auch  für  Schleswig  ein  Sigurdbild 
gewonnen  haben." 

Diese  Vermuthung  nun  hat  sich  nach  dein  Urtheil  von  Prof.  Petersen  als 
richtig  ergeben.  Er  äußeit  sich  darüber  folgendermaßen:  „Herr  Prof.  Handelmann, 
der  Vorsteher  der  hiesigen  Sammlung  heimischer  Alterthümer,  hat  die  Güte  gehabt, 
mir  die  Einsendung  des  Hm,  Pastor  Augustini  nebst  Abbildung  des  Steines  anzu- 
vertrauen. Sie  werden  sich,  nachdem  Sie  dieselbe  in  Augenschein  genommen, .  ein 
eigenes  Urtheil  darüber  bilden  können.  Der  Drache  liegt  oben,  von  rechts,  um  den 
Rand  des  Steines,  dessen  untere  Hälfte  in  vier  oben  abgerundete  viereckige  Felder 
getheilt  ist.  Leider  sind  die  beiden  zur  Rechten  so  stark  verwittert,  daß  sich  keine 
Zeichnungen  darin  erkennen  lassen ;  zur  Linken  aber  sieht  man  in  dem  ersten  Felde 
einen  Vogel  und  in  dem  zweiten,  wie  Hr.  Pastor  Augustini  meint,  ein  Pferd  mit 
Reiter  ausgehauen ;  doch  ist  hier  vielleicht  kein  Pferd,  sondern  ein  zweiter  Vogel 
zu  erkennen.  Ob  die  über  dem  Hals  desselben  sichtbare  Figur  eine  menschliche, 
ist  mindestens  zweifelhaft.  Abgesehen  davon,  daß  die  ganze  Anlage  keine  Ähnlich- 
keit hat  mit  den  allgemein  verbreiteten  Darstellungen  des  heiligen  Georg,  der  den 
Lindwurm  ersticht,  den  Herr  Pastor  Augustini  annehmen  zu  müssen  glaubte,  so 
scheint  der  Vogel  kaum  einen  Zweifel  darüber  zu  lassen,  daß  wir  hier  den  Sigurd 
oder  Sigfried  zu  erkennen  haben,  um  so  mehr  wenp  auch  in  dem  zweiten  Felde  ein 
Vogel  sich  befindet.  Ist  dies  richtig,  so  sind  wir  auch  berechtigt  zu  der  Annahme, 
daß  ein  zweiter  Stein  mit  einer  Schrift,  die  niemand  lesen  konnte,  der  sich  nebst 
dem  Relief  in  der  zerstörten  Kapelle  zu  Stolck  befand,  aus  welcher  das  Bildwerk 
nach  Nelsby  versetzt  wurde,  nicht  Mönchsschrift,  sondern  Runen  enthalten  habe." 

Nach  Prof.  Petersens  Urtheil  ist  der  betreffende  Stein  ursprünglich  nicht  für 
eine  christliche  Kirche  bestimmt  gewesen,  stammt  vielmehr  aus  heidnischer  Vorzeit 
und  ist  in  das  Gotteshaus  eingefügt  als  ein  Siegeszeichen  des  Christenthums  über 
das  Heidenthum.  Er  wird  demnach  ein  Gegenstand  religiöser  Verehnmg  gewesen 
sein.  Von  Beispielen  dafür,  daß  dies  überhaupt  geschah,  nennt  der  Vortragende 
eine  Schweizer  Dorfkirche  (Tüngenthal)  'Unsere  liebe  Frau  zum  Hasen*,  so  benannt 
nach  einem  Bilde,  welches  die  Erdgöttin  mit  dem  Hasen  darstellt  (Wolf  Ztschr.  f. 


MISCELLEN.  123 

Myth.  u.  Sittenk.  I ,  woselbst  noch  mehrere  ähnliche  Beispiele  vorkommen) ;  in 
ehestes  werde  eine  aus  heidnischer  Zeit  stammende  Statue  der  Minerva  als  Madonna 
verehrt  (Stephens  Old-Norfhem  Bunes  I,  462)  und  in  den  nordischen  Reichen  träfe 
man  häufig  heidnische  Runensteine  in  die  Kirchenmauern  eingefügt.  Der  Redner 
fordert  auf  ihm  mitzutheilen,  ob  in  andern  Gegenden  Deutschlands  ähnliche  Denk- 
mäler bekannt  seien.  Auch  in  Süddeutschland  soll  in  einem  alten  Denkmal  eine 
Abbildung  der  Sigfriedsage  erkannt  sein.  Alle  Vorstellungen,  welche  nach  der  bis- 
herigen Auffassung  die  Kämpfe  des  heiligen  Georg  und  des  Erzengels  Michael  be- 
treffen, sind  genauer  zu  untersuchen.  Diese  Denkmäler  seien  umsomehr  zu  beachten, 
da  ihr  Gegenstand  auch  den  Stoff  zu  einem  unserer  beiden  großen  Nationalepen 
liefere.  Indem  Prof.  P.  den  Männern  von  Fach  die  Sache  zu  weiterm  Nachdenken 
anempfiehlt,  bemerkt  er  zugleich,  daß  Fräulein  Mestorf  demnächst  die  Abhandlung 
des  Prof.  Säve  ins  Deutsche  übersetzen  wird,  nachdem  ihr  behufs  der  Herstellung 
der  Tafeln  die  Benutzung  der  lithographierten  Steine  von  der  schwedischen  Aca- 
demie  der  Wissenschaften  etc.  gestattet  worden  sei.  Sie  wird  die  Arbeit  erweitern 
durch  Beschreibung  und  wenn  möglich  auch  Abbildung  der  norwegischen  Sculp- 
turen,  sowie  des  Anglischen  Steines  und  dessen  was  ihr  bis  zur  Vollendung  der  Ar- 
beit sonst  zukommt.  Die  Buchhandlung  des  Waisenhauses  in  Halle  hat  den  Verlag 
übernommen. 

Eine  Vergleichung  zwischen  der  Schleswiger  und  Kopenhagen  er  Sammlung 
wollte  Prof.  Petersen  noch  anstellen,  da  aber  die  Zeit  abgelaufen,  hebt  er  nur  noch 
hervor,  wie  beschämend  es  sei,  daß  Schleswig-Holstein  in  Beti^eff  der  Sammlung 
der  Alterthümer  hinter  Kopenhagen  zurückbleibe.  Möge  der  Alterthumsverein  ein 
größeres  Interesse  dafür  im  Lande  erwecken! 

Nach  dem  Vortrage  von  Prof.  Petersen  bittet  Prof.  Förstemann  die  Mit- 
glieder der  Section  um  Beiträge  zu  seinen  Straßennamen  von  Gewerben';  alle 
Herren,  besonders  die  aus  kleinen  Orten,  mögen  ihn  in  der  von  ihm  bezeichneten 
Weise  unterstützen.  Um  1 1  Uhr  wurde  die  Sitzung  geschlossen  und  es  erfolgte  dann 
im  Anschluß  an  den  Vortrag  des  Prof.  Petersen  und  von  diesem  geleitet  die  Besich- 
tigung der  ehemals  Flensburger  Alterthümersammlung,  die  in  einem  Saale  des 
Schlosses  ausgestellt  war. 

Dritte  Sitzung.  Donnerstag  den  30.  September,  Morgens  S'/^  U^^*  Prof. 
C  reizen  ach  sprach  über  ^Fr.  Max.  Klingers  Jugend  und  erste  Anfänge\  In  Bezug 
auf  diesen  merkwürdigen  und  einflußreichen  Schriftsteller,  dem  sich  neuerdings  die 
gelehrte  Forschung  wieder  zuwendet,  wurde  zunächst  nachgewiesen,  daß  er  nicht 
im  GÖthehause  geboren  sei.  Die  bekannte  Angabe  Bulgarins,  die  sich  auf  den  Dop- 
pelvers stützt: 

An  diesem  Brunnen  hast  auch  du  gespielt  u.  s.  w. 
Eine  Schwelle  hieß  in's  Leben 
Uns  verschiedne  Wege  gehn  u.  s.  w. 
muß  als  eine  oberflächliche  und  unzuverlässige  erscheinen,  wenn  man  erwägt,  daß 
GÖthe  den  Doppelvers,  welchen  er  mit  einer  Zeichnung  im  Jahre  1826  an  Klinger 
nach  Petersburg  übersandte,  auch  anderen  Personen  und  zwar  auch  diesen  mit 
einem  Exemplar  jenes  Bildchens,  das  den  Hofraum  hinter  dem  Hause  auf  dem 
Hirschgraben  darstellt,  geschickt  hat.  Wohl  hat  Klinger  als  Knabe  den  Hof  des 
G<)thehanses  gekannt  und  sich  spielend  darin  bewegt ;  beide,  Klinger  und  Göthe, 
werden  einander  in  der  Zeit  der  Knabenspiele  gesehen  haben,  aber  näher  getreten 
sind  sie  sich  erst  später.  Jener  ^Maximilian'  in  dem  Gespräch  zwischen  ^Wolfgang' 
und  Maximilian'  in  den  Aufsätzen  ans  Göthe's  Knabenzeit,  die  Weismann  heraus- 


124  MISCELLEN. 

gegeben  hat,  ist  nicht  unser  Rlinger,  wie  Volger  vermuthet,  denn  Vir  können  nicht 
annehmen,  daß  der  siebenjährige  Wanderknabe,  dem  seine  älteren  Genossen  kaum 
zum  Umgang  genügten,  mit  einem  damals  4 — öjährigUn  Kinde  zusammen  Unter- 
richt gehabt  habe.  Ohnedies  war  Klinger  im  Lernen  ein  Spätling\  In  dem  Ge- 
spielen vermuthet  Prof.  Creizenach  Maximilian  Lersner.  Göthe  und  Klinger  traten 
sich  erst  im  Jahre  1770  näher,  als  Klinger  etwa  Schüler  der  Secunda  war  und 
Göthe  von  Leipzig  zurückkommend,  seine  Genesung  abwaitete.  Daß  sie  sich  erst 
um  diese  Zeit  näher  getreten,  bestätigt  übrigens  auch  ein  Brief  Klingers  an  Göthe 
vom  26.  Mai  1814.  Keineswegs  aber  nÖthigt,  wie  der  Vortragende  zeigt,  der  Wid- 
mungsvers anzunehmen,  daß  die  'Schwelle'  dem  Hause  angehören  müsse,  worin  der 
Angeredete  geboren  sei.  Derselbe  Vers  ist  der  Prinzessin  Friedrike  von  Meklen- 
burg,  sowie  ihrem  Bruder  Georg  von  Meklenburg-Strelitz  gewidmet,  beide  beizogen 
die  Widmung  ganz  unbefangen  auf  sich,  obwohl  sie  nicht  in  dem  Göthehause 
geboren  sind,  sondern  gleich  manchen  Andern  nur  einige  Tage  als  Kinder  darin 
verlebten. 

Allerdings  hat  sich  im  Hofraume  des  Göthehauses  früher  (vor  dem  durch 
Göthe's  Vater  seit  1754  vorgenommeneu  Umbau)  ein  abgesonderter  Nebenbau 
befunden,  der  eine  Zeit  lang  um  50  fl.  Jahreszins  an  einen  Schuhmacher  ver- 
miethet  war,  der  Miether  hieß  Stauf ;  daß  aber  Klingers  Vater  da  gewohnt  (Bul- 
garin) lässt  sich  mit  nichts  beweisen.  Wie  überhaupt  die  Angaben  Bulgarins 
unzuverlässig  sind,  so  ist  es  auch  die  von  ihm  gegebene  Characteristik  Klingers« 
Ganz  anders  schildert  ihn  Fanny  Tarnow,  die  Klinger  selbst  in  einem  noch  vor- 
handenen Briefe  zur  Veröffentlichung  von  Mittheilungen  über  ihn  ermächtigte; 
ebenso  zuverlässig  ist  Musäus,  Klingers  vieljähriger  Secretär;  glaubwürdig  sind 
auch  die  Mittheilungen  des  Domherrn  Meyer  aus  Hamburg  in  seiner  Beschrei- 
bung der  russischen  Kaiserstadt.  Ganz  besondern  Werth  aber  haben  die  unge- 
druckten Briefe  Klingers  selbst  an  die  Gräfin  von  Eglofstein.  Außerdem  liegen 
beachtenswerthe  Mittheilungen  vor  von  Muralt  in  Petersburg,  von  Wolzogen, 
Seume ,  E.  M.  Arndt  und  Christoph  Rommel ;  wichtig  sind  die  vom  Freiherm 
von  Beaulieu-Marconnay  in  Dresden  mit  Feinheit  und  Sachkenntniss  angelegten 
Collectaneen.  Keiner  der  Genannten  hat  aber  jemals  etwas  verlauten  lassen,  was 
die  Notiz  Bulgarins  bestätigen  könnte.  Zu  alledem  kommt  'die  mit  aller  Be- 
stimmtheit gemachte  Angabe  der  hochachtbaren  Frau  Charlotte  Rieger ""),  daß 
ihr  Oheim  nicht  in  der  Rittergasse ,  sondern  in  dem  Hause  zum  Palmbaum  auf 
der  Allerheiligengasse  geboren  wurde;  eine  Angabe,  die  sich  auf  das  unmittel- 
bare Zeugniss  der  Mutter  und  der  Schwester  Klingers  stützt.* 

Schließlich  weist  der  Vortragende  noch  auf  den  Gewinn  hin,  der  uns  durch 
eine  nähere  Beschäftigung  mit  Klinger  zu  Theil  werden  könne;  unter  anderm 
auch  auf  die  Ausbeute,  welche  aus  der  Wortforschung  bei  Klinger  neben  Leuz 
und  seinem  rücksichtslosen  Gegner  Heinrich  Leopold  Wagner  (für  den  Weigand 
in  Gießen  das  vollständigste  Material  besitzen  soll)  erwachsen  würde.  Außer  der 
Culturgeschichte  würde  auch  die  litterarische  Kritik  in  diesem  Kreise  noch  merk- 
würdige Aufgaben  zu  lösen  finden,  indem  z.  B.  bei  ganzen  Schauspielen  die 
Autorschaft  in  Frage  gestellt  werde. 


*)  In  einer  Darstellung  von  Klingers  Leben  in  der  Didascalia  vom  26.  u.  27.  Sept. 
1840.  Frau  Medicinalrath  Charlotte  Rieger  in  Darmstadt  (die  Mutter  von  Max  Rieger) 
starb  1867.  Sie  war  eine  gebome  Authäus,  Tochter  des  Stiftpfarrers  Authäus  zu  Lieh 
in  Oberhessen,  ihre  Mutter  war  Agnes  Elinger,  die  Schwester  von  Fr.  Max  KHnger, 
geb.  1757. 


MISCELLEN.  125 

Prof.  Zingerle  aus  Innsbruck  hielt  sodann  seinen  Vortrag  über  deutsche 
Sprachinseln  in  Südtirol.  Er  sprach  von  seiner  Heimat,  dem  Land  der  Berge, 
das  die  Brücke  bildet  zwischen  Deutschland  und  Italien,  über  welche  die  Schaa- 
ren  der  Völkerwanderung  einst  nach  dem  Süden  gezogen ,  um  die  sich  einst 
Römer  und  Germanen  gestritten,  wie  im  späteren  Mittelalter  und  heutzutage 
Wälsche  und  Deutsche.  Im  Kampfe  blieb  aber  meist  das  deutsche  Volk  endlich 
Sieger  und  am  linken  Etschufer  erklang  bis  Belluno  und  Vicenza  noch  im 
1 4.  Jahrhunderte  die  deutsche  Sprache.  Das  älteste  Stadtrecht  von  Trient  sei  in 
deutscher  Sprache  abgefasst,  die  Berge,  Wälder,  Höhen  trügen  nicht  nur  in 
älteren  Urkunden,  sondern  auch  heutzutage  noch  deutsche  Namen.  Selbst  zur 
Zeit  des  Conciliums  war  Trient  noch  eine  deutsche  Stadt  und  das  südlicher 
gelegene  Roveredo  sei  durch  deutsche  Industrie  (16.  17.  Jhd.)  zu  Blüte  und  Reich- 
thum  gelangt.  Ein  Deutscher  habe  dort  das  Gymnasium  mit  der  ausdrücklichen 
Bedingung  gegründet ,  daß  die  Lehrer  geborene  Deutsche  oder  wenigstens  der 
deutschen  Sprache  ToUkommen  mächtig  sein  müssten.  Noch  am  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  seien  die  meisten  Höhen  und  Thäler  am  linken  Etschufer  bis  zur 
Veroneser  Clause  von  Deutschredenden  bewohnt  gewesen  und  die  deutsche  Sprache 
sei  selbst  in  den  Städten  die  Sprache  der  Gebildeten.  Seitdem,  besonders  seit  den 
zwanziger  Jahren  dieses  Jahrhunderts  wäre  in  Südtirol  nach  dieser  Beziehung  vieles 
anders  geworden.  Die  kaiserlichen  Behörden  kokettierten  mit  den  italienischen, 
der  Clerus  sähe  in  Italien  den  einzigen  Schlüssel  zur  Seligkeit.  Die  Polizei  habe 
im  Deutschen  demokratische  Gelüste,  die  Clerisei  religiöse  Gefahren  gewittert. 
Thatsache  sei  es,  daß  man  allem ,  was  aus  dem  Reiche  draußen  käme,  höchst  miss- 
trauisch  begegne  und  daß  vom  Trientner  Ordinariate  ein  förmlicher  stiller  Feldzug 
gegen  das  Deutsche  gefuhrt  würde.  'Es  war  eine  feine  Tactik,  daß  man  dorthin, 
wo  einige  Wälsche  sich  angesiedelt  hatten,  alsogleich  einen  wälschen  Hilfspriester 
oder  Pfarrer  sandte  und  bald  die  wälsche  Sprache  in  Schule  und  Kirche  einschmug- 
gelte. Deutsche  Eander,  die  italienisch  sprachen,  wurden  belobt,  kleine,  welche 
die  Muttersprache  redeten,  bitter  getadelt,  ja  der  Seelsorger  Schlosser  in  Terra- 
gunolo  gieng  so  weit,  daß  er  denen,  welche  ihr  Sündenbekenntniss  in  deutscher 
Sprache  ablegten,  die  Lossprechung  verweigerte.  An  andern  Orten  wurden  deutsche 
Urkunden  verbrannt.  Kein  Wunder^  daß  die  italienische  Sprache  allenthalben  vor- 
drang und  die  deutsche  besiegt  zurückwich.  Die  Regierung  sah  mit  stillem  Ver- 
gnügen diesem  Treiben  zu.  Schon  hatte  das  Italienische  seine  Vorposten  bis  in  die 
Gegend  von  Botzen  und  Meran  geschoben,  als  Dr.  Ludwig  Steub  und  Lentnerl842 
ihre  mahnenden  und  warnenden  Stimmen  erhoben.  Doch  vergebens !  —  Der  all- 
gewaltige Generalvicar  verfolgte  mit  zäher  Consequenz  seinen  Feldzugsplan  gegen 
deutsche  Sprache  und  Sitte  im  Etschthale.  Den  deutschen  Theologen  in  Trient 
wurde  ein  gründlicher  Abscheu  gegen  alles  Deutsche  beigebracht.  Priester  durften 
nicht  wagen,  öffentlich  die  Gedichte  von  Pet.  Hebel  oder  Guido  Gör  res  zu  lesen. 
Die  deutschen  Classiker  galten  als  Verführer  der  Jugend,  deutsche  Bildung  galt 
als  Same  des  Bösen.  Welcher  Hailoh  deshalb,  als  Dr.  Streiter  den  Einfall  hatte, 
in  seinem  Garten  zwischen  Mjrthen  und  Lorbeerbüschen  Göthes  und  Schillers  Bü- 
sten aufzustellen!  —  Wenn  aber  auch  so  das  deutsche  Element  aufs  Ärgste  ge- 
schädigt wurde,  so  ist  es  dennoch  nicht  so  weit  gekommen,  daß  Botzen  schon  dem 
Italianismus  anheimgefallen  wäre.  Botzei»  wahrt  energisch  seine  deutsche  Ehre  und 
bis  zur  Clause  von  Salum,  der  ehemaligen  Langobardengrenze,  klingt  die  deutsche 
Zunge  im  Thale.  Auf  dem  Gelände  des  linken  Etschufers  halten  die  Hessencolo- 
nieen  deutiche  Sprache  und  Sitte  fest  wie  die  anderen  Bewohner  des  Mittelgebirges 


126  MISCELLEN. 

und  selbst  die  walsche  Schule  in  Buchholz,  diese  glänzende  Errungenschaft;  der 
Italiener,  ist  ihnen  neulich  glücklich  abgejagt  worden.  Etschab  von  Salurn  hat  sich 
leider  das  Italienische  festgesetzt.  Die  Thäler  Vallarsa,  Terragunolo,  Folgaria 
sind  nun  italianisiert  und  nur  noch  alte  Leute  sprechen  ihre  deutsche  Mundart, 
allein  trotzdem  haben  mit  wunderbarer  Zähigkeit  einige  Gemeinden  ihre  alte 
Muttersprache  erhalten,  so  Luserna,  hart  an  der  Grenze  des  Königreichs  Italien, 
Palu  und  vier  Dörfer  (unter  ihnen  Boveda  und  Frassilongo).  Im  Jahre  1865  er- 
hielten die  Gemeinden  Luserna  und  Palu  deutsche  Schulen  und  jubelten  ebenso 
über  diese  Gabe,  als  die  Italiener  sich  darob  ärgerten.  Bald  darauf,  im  Jahre  1866, 
erzählt  Prof.  Zingerle,  besuchte  ich  zum  ersten  Male  diese  Sprachinseln  und  fand 
dort  ein  deutsches  Nationalgefühl,  das  mich  rühren  musste.  Nur  einen  Beleg.  Ich 
traf  einen  alten  Bauern,  der  Brot  in  sein  Dorf  St.  Franzesco  trug.  Ich  begrüßte 
ihn  mit  *Grüß  Gott*.  Er  blickte  mich  verwundert  an  und  grüßte  mich  in  italienischer 
Sprache.  *Du  biß  jo  a  Tuitscher,  sproch  tuitsch',  erwiderte  ich  und  reichte  ihm  eine 
Prise  —  die  höchste  Ehre,  die  ein  Herr  einem  Bauer  in  dortiger  Gegend  erweisen 
kann.  Nun  war  der  Bann  gelöst  und  Domenico,  mit  dem  ich  1  Vg  Stunden  wanderte, 
klagte  mir,  daß  die  Kinder,  die  nur  deutsch  redende  Mütter  haben,  in  der  Schule 
wälsch  lernen  müssen  und  der  PfafF  predige  nur  wälsch.  Mit  Entrüstung  sagte  er 
mir,  daß  das  Dorf  Tan  Ochola  eigentlich  'Oachholz'  heiße  und  fuhr  dann  fort,  er 
habe  stets  gehört,  daß  die  'duitsche  Natiun'  die  mächtigste  auf  der  Welt  sei, 
*der  Kaaser'  reicher  sei  als  alle  Potentaten,  aber  um  sie  ^arme  Tuitsche'  küm- 
mere sich  keine  Seele  und  in  etlichen  Jahren  würden  auch  diese  deutschen 
Gemeinden  verwälscht  sein.  Der  biedere  Alte  fragte  mich,  was  die  tuitsche  Na- 
tiun  mache  und  ob  der  tuitsche  Kaaser  ganz  vergessen,  daß  er  hier  auch  seine 
Kinder  habe.  —  Die  Antwort  hielt  schwer. 

Ich  fasste  damals  den  Entschluß,  diese  deutschen  Gemeinden  nach  Kräften 
zu  unterstützen  und  in  ihrem  Kampfe  für  ihre  Muttersprache  zu  fördern.  Gleich- 
gesinnte Freunde  waren  bald  gewonnen  und  wir  sandten  den  beiden  Schulen 
Lehrmittel,  Bücher  und  kleine  Belohnungen  für  die  Kinder.  Dies  zog.  —  Bald 
hielten  die  Gemeinden  der  Dörfer  Koveda  und  Frassilongo  bei  der  Regierung 
um  deutsche  Schulen  an,  die  ihnen  sogleich  bewilligt  wurden,  ja  in  jüngster 
Zeit  bat  eine  ganze  italienische  Gemeinde ,  RuflPre ,  um  eine  deutsche  Schule, 
sie  wollte  sich  'germanizzare'.  Auch  ihre  Bitte  wurde  sogleich  vom  Ministe- 
rium  erfüllt.  Ahnliche  Schritte  anderer  Gemeinden  stehen  in  Aussicht.  Die  Re- 
gierung kommt  solchen  Wünschen  aufs  beste  entgegen  und  gründet  deutsche 
Schulen;  allein  es  gilt  diese  Schulen  zu  unterstützen,  die  Kinder  durch  zweck- 
mäßige Gaben  heranzuziehen,  ihnen  deutsche  Bücher  in  die  Hände  zu  spielen, 
Knaben  dieser  Gemeinde  nach  Innsbruck  zu  ziehen  und  sie  zu  Lehrern  bilden 
zu  lassen.  Es  gilt  diesen  Gemeinden  zu  zeigen,  daß  sie  im  Kampfe 
nicht  verlassen  den  über  mächtigen  Italienern  gegenüberstehen, 
dondern  daß  wir  Deutsche  hinter  ihnen  stehen  und  ihre  Sache 
als  die  unserige  ansehen*).  — Wie  sehr  die  Italiener  fürchten,  daß  die  deut- 
schen Gemeinden  sich  ermannen,  zeige  die  Wuth,  mit  der  ihre  Blätter  gegen  die 
deutschen  Schulen  eifern,  zeige  die  Thatsache,  daß  in  Trient,  wo  6000  Deutsche 
wohnen,  von  dem  Magistrate  verboten  worden,  Leichensteine  mit  deutscher  In- 

*)  Ostern  gedenkt  der  Unterzeichnete»  Gaben  für  die  deutschen  Gemeinden  nach 
Innsbruck  abzusenden.  Die  Freunde  der  deutschen  Sache  in  Meklenburg  und  Umgegend 
werden  um  rechtzeitige  freundliche  Beiträge  unter  der  Adresse :  Dr.  A.  Freybe  in  Par* 
chim  recht'  dringend  gebeten. 


MISCELLEN.  127 

Schrift  auf  den  dortigen  Friedhof  zu  setzen.  Dies  sollte  eine  Gegendemonstration 
ge  gen  die  Förderung  des  deutschen  Elementes  sein/ 

Was  die  Mundart  dieser  Gemeinden  betrifft,  so  zählen  nach  dem  Vortrage 
des  Redners  die  Lusemer  zum  alemannisc  hen  Stamme,  die  andern  weichen  in 
ihrer  Mundart  weit  von  einander  ab.  Pergine,  Roncegro,  Roveda,  Palu  liegen 
einander  sehr  nahe  und  dennoch  bat  jede  dieser  Gegenden  ihre  eigene  Mund- 
art. £s  wäre  wohl  der  Mühe  werth,  daß  jemand,  der  ein  feines  Gehör  hat, 
diese  Mundarten,  die  sehr  viel  Altes  enthalten,  näher  untersuchte.  Ebenso  wären 
die  Sagen  und  Märchen  zu  sammeln.  Viele  Einwanderungen  in  diese  Gegenden 
geschahen  am  Beginne  des  13.  Jahrhunderts,  andere  noch  viel  später.  Zu  den 
ehemals  blühenden  Bergwerken  von  Palu  wurden  wiederholt  deutsche  Bergleute 
—  man  sagt  auch  aus  Sachsen  —  herbeigezogen.  Das  rechte  Etschufer  mit 
seinen  Nebenthälem  ist  von  der  Salumer  Clause  an  von  Italienern  bewohnt. 
Nur  im  Nonsberge  haben  sich  hoch  im  Gebirge  vier  deutsche  Gemeinden,  Unser 
Frau  im  Walde,  St.  Felix,  Proveis  und  Laurin,  erhalten.  Die  Bewohner  gehören 
dem  baierischen  Stamme  an.  So  verschieden  an  Abstammung  und  Mundart  alle 
diese  Deutschen  sind  und  obwohl  sie  mitten  unter  den  Wälschen  leben,  fühlen 
sie  siph  doch  als  deutsche  Brüder  und  wollen  deutsch  bleiben.  Ja  selbst  In- 
wohner ehemaliger  deutscher  Gemeinden,  denen  ihre  Muttersprache  abhanden 
gekommen  ist,  versichern,  sie  seien  deutsch  und  bezeugen  es  auch  durch  die  That. 
Als  im  vorigen  Jahre  das  Gerücht  verbreitet  war,  es  würde  ein  Theil  Südtirols 
an  Italien  abgetreten,  ward  von  Lusema  und  drei  verwälschten  Gemeinden  eine 
Adresse  dem  Statthalter  übersandt,  in  weicher  um  das  fernere  Verbleiben  bei 
Osterreich  gebeten  wurde.  Sollte  jedoch  die  Abtretung  jener  Gegenden  unwider- 
ruflich sein,  so  möchte  eine  hohe  Regierung  ihnen  einen  Platz  in  einem  deutschen 
Lande  anweisen,  sie  wollen  alsdann  ihr  Besitzthum  an  die  Wälschen  verkaufen 
und  sich  mit  dem  Erlös  in  dem  zu  bezeichnenden  Lande  Grund  und  Boden  er- 
werben. Die  Ehrenpflicht  eines  jeden  Deutschen  ist  es ,  diese  vorgeschobenen 
deutschen  Posten  im  Kampfe  für  ihre  deutsche  Muttersprache  und  deutsche  Sitte 
zu  unterstützen«  Sehr  wünschenswerth  wäre  es,  daß  diese  Sprachinseln  Öfters  von 
Deutschen  besucht  und  daß  die  Mundarten  dei'selben  erforscht,  sowie  der  rdche 
Schatz  der  Volksüberlieferungen  gehoben  würde.' 

Der  Vorsitzende ,  Herr  Prof.  W  e  i  n  h  o  1  d  ,  dankt  im  Namen  der  ganzen 
Versammlung  für  diesen  jedes  deutsche  Herz  bewegenden  Vortrag  und  empfiehlt 
aufs  Wärmste  diese  schöne  nationale  Sache.  Herr  Prof.  Zingerle  theilte  zu- 
gleich an  alle  anwesenden  Mitglieder  der  Section  eine  gedruckte  Bittschrift  mit, 
welche  auffordert,  den  besprochenen  edlen  Zweck  durch  Sammlung  von  wo  mög- 
lich jährlichen,  wenn  auch  noch  so  kleinen  Geldbeiträgen  und  passenden  Büchern 
oder  in  jeder  anderen  Weise,  die  den  Freunden  dieser  deutschen  Schulen  ange- 
messen erscheint,  zu  unterstützen.  Allfällige  Beiträge  jeder  Art  solle  man  gefäl- 
ligst an  die  Wagnerische  Universitätsbuchhandlung  (in  Innsbruck)  gelangen  lassen. 
Die  Bittschrift  ist  datiert:  Innsbruck  im  März  1862,  und  unterzeichnet  sind 
Dr.  Julius  Ficker,  k.  k.  Universitätsprofessor;  Dr.  Alfons  Huber,  k.  k.  Univer- 
sitätsprofessor; Hans  von  Kripp,  k.  k.  Gjmnasialprofessor ;  Dr.  Adolf  Pichler, 
k.  k.  Gymnasialprofessor ;  Anton  Schumacher,  Buchhändler;  Dr.  I.  V.  Zingerle, 
k.  k.  Universitätsprofessor. 

Da  die  Zeit  schon  sehr  vorgerückt  war,  konnte  Dr.  Bühl  au  aus  jSamburg  nur 
Einiges  aus  dem  von  ihm  angekündigten  Vortrage:  'über  zwei  vergessene  Dichter : 
Paulli  und  Uhlich'  mittheilen.  Kaum  irgendwem  bekannt,  in  den  Litteraturgeschich- 


128  MISCELLEK. 

ten  nicht  erwähnt  sei  es^  daß  im  Jahre  1750  zu  Hamburg  eines  Wilh.  Ad.  Paulli 
'Versuche  in  verschiedenen  Arten  der  Dichtkunst^  erschienen.  Dieselben  sind  den 
Bürgermeistern  der  Kayserlichen  Frejen  Reichsstadt  Hamburg^  gewidmet.  Die  Ge- 
dichte dieser  Sammlung  tragen  den  Character  der  absterbenden  vorclassischen 
Periode,  enthalten  manches  Unschöne,  doch  ist  dem  Verf.  Selbständigkeit,  Ge- 
wandtheit und  Humor  nicht  abzusprechen.  Der  Redner  theilt  einzelne  Gedichte 
mit:  den  'Frühling*,  'Beweis,  daß  der  Hunger  nicht  tödte',  'Die  zwiefache  Re- 
gierung', 'Der  wohlüberlegte  Tod'  und  'Die  drei  Ringe',  eine  Bearbeitung  der 
Novelle  von  den  drei  Ringen  vor  Lessing.  Der  Redner  vergleicht  damit  Boc- 
caccio und  ein  kleines  Gedicht  von  Rückert,  das  aber  in  den  gewöhnlichen  Aus- 
gaben nicht  stehe,  es  sei  erschienen  in  dem  'Frauentaschenbuch  für  das  Jahr 
1823',  S.  354  fip.,  angefügt  an  die  Parabel  vom  Mann  im  Syrerland,  unterzeichnet 
mit  dem  Namen  Rückert:  'Der  Sultan  lässt  den  Mewlana'  u.  s.  w.  —  Wer  war 
nun  dieser  Paulli?  Darüber  sei  bis  dahin  so  gut  wie  nichts  gesagt.  In  Goedekes 
Grundr.  sei  der  Name  nur  einmal  (H,  599)  unter  Klopstock  citiert,  auch  in  Feod. 
Wehls  'Hamburgs  Litteraturleben  im  18.  Jahrhundert  Leipzig  1856'  sei  nichts 
über  ihn  zu  finden.  Eine  Notiz  und  wahrscheinlich  die  einzige  über  Paulli  stehe 
in  den  'Hamburgischen  Addreß-Comtoir-Nachrichten'  von  1772,  im  66.  Stück, 
S.  525  fg.  Da  stehe  unter  dem  24.  Aug.  1772:  'Hiesige  Vorfälle.  Todesfälle. 
Am  21.  dieses  des  Abends  um  8  Uhr  verstarb  hieselbst  an  einem  bösartigen  Fieber 
der  Großfürstl.  Holsteinische  Sekretär,  Herr  Wilhelm  Adolph  Pauli*),  in  seinem 
53.  Jahr,e.  Er  war  zu  Braunschweig  in  der  Grafschaft  Ranzau  in  (sie)  Holstei- 
nischen gebohren,  und  als  ein  guter  Poet  bekannt.  Ausser  einer  Menge  einzelner 
Gelegenheitsgedichte  hat  man  von  ihm  verschiedene  Jahrgänge  einer  poetischen 
Zeitung,  wie  auch  zwey  Wochenschriften,  namens  der  Nachttisch**),  an  welchen 
auch  der  verstorbene  Sekretär  Dreyer  mitgearbeitet  hat,  und  die  Muse  an  der  Nie- 
der-Elbe.  Er  hatte  bei  einem  sehr  guten  Genie  eine  ungemein  leichte  Versification.' 
Paulirs  Vorgänger  sei  Adam  Gottfr.  Uhlich  aus  Elsterwerda  in  Sachsen.  Er  ist 
nicht  in  so  merkwürdigem  Grade  unbekannt  wie  jener.  Goedeke  behandelt  ihn 
a.  a.  0.  n,  552,  Nr.  503.  Dort  ist  jedoch  statt  Elsterwerda  unrichtig  Bischofswerda 
als  Geburtsort  angegeben.  Der  Redner  theilt  Einzelnes  aus  Uhlichs  Poetischen 
Zeitungen'  mit  und  wünscht  schließlich,  daß  sich  ein  Litterarhistoriker  einmal  daran 
begebe,  die  gesammten  Jahrgänge  der  Uhlich'schen  und  der  PauUi'schen  Wochen- 
schrift wieder  abdrucken  zu  lassen  als  einen  schätzenswerthen  Beitrag  zur  Littera- 
turgeschichte  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts. 

Bedauerlich  konnte  nun  wegen  der  schon  abgelaufenen  Zeit  der  von  Dr. 
Dunger  in  Aussicht  gestellte  Vortrag  über  Volkslieder  und  Verwandtes  im  Voigt - 
lande'  nicht  mehr  zur  Ausführung  kommen. 

Um  10  Uhr  erklärte  der  Vicepräsident  Prof.  Möbius  die  diesjährigen  Sitzun- 
gen für  geschlossen.  Als  Ort  der  nächsten  Philologenversammlung  ist  Leipzig  be^ 
stimmt  und  schlägt  Prof.  Möbius  vor,  Prof.  Zarncke  zum  Präsidenten  der  ger- 
manistischen Section  zu  wählen.  Der  Antrag  wird  ohne  Weiteres  angenommen.  Prof. 
Bartsch  dankt  mit  allen  Anwesenden  den  Herren  Professoren  Wein  hold  und 
Möbius  für  die  fruchtbare  Leitung  der  Verhandlungen,  für  alle  Müh  waltung  und 

Aufopferung  ihres  Präsidiums,  sowie  Prof.  Möbius  den  Schriftführern. 

PARCHIM,  12.  October  1869.  ALBERT  FREYBE. 

*)  Druckfehler:  der  Verfasser  hat  sich  nie  anders  geschrieben  als  Paulli. 
**)  Druckfehler  für  Nachtisch. 


DER  UMGELAUTETE  CONJUNCTIVUS  PRAE- 
TERITI  RÜCKUMLAUTENDER  ZEITWÖRTER. 


VON 

FEDOR  BECH. 


Zu    den    characteristischen   Eigenheiten    mitteldeutscher    Schrift- 
steller gehört  unstreitig  die  Weise ,    nach  der  sie  von  einer  gewissen 
Zahl  langsilbiger  Zeitwörter  der  ersten   schwachen  Conjugation  ihren 
Conjunctivus  Praeteriti  zu  bilden   pflegen.     Und   zwar  verdienen  hier 
vor  andern    hervorgehoben    zu  werden    die   Corgunctive    von   brennen 
kennen  nennen  rennen  setzen  stellen  enden  sehenden  senden  wenden,  insofern 
sie  die  häufigsten  und  verbreitetsten  sind.  Während  im  Althochdeutschen 
Indicativus  und  Conjunctivus  in  der  Vergangenheit  noch  deutlich  durch 
die  Flexion  von  einander  geschieden  waren ,    also  pranta  von  pranti, 
arkanta  von  arkanti,  nanta  von  nanti,  ranta  von  ranti,  sazta  von  sazti, 
stalta  von  staUi,  schanta  von  schantij  santa  von  santi^  wanta  von  wanti^ 
so    erscheinen  bekanntlich   schon  im  Beginn   des  Mittelhochdeutschen 
die  unterscheidenden  Flexionsendungen  beider  Modi  in  e  abgeschwächt, 
so  daß  in  lautlicher  Beziehung,  zumal  bei  Oberdeutschen,  aller  Unter- 
schied  verschwunden    scheint.     Den   Indicativen    völlig    gleichlautend 
finden  sich  dort  die  Oonjunctive  hrante  brande  (z.  B.  bei  Gottfried  von 
Neifen  39,  22  :    minnebande,   in  der  Kaiserchronik  2604.  9182.  15740, 
diese  Zeitschr.  III,  420  Z.  4)  enbrante  (Neidhart  32,  31)  verbrante  (Hart- 
manns 1.  Büchlein  1776,  Krone  15286)  kante  (Teichner  hrsg.  von  Ka- 
rajan  S.  43  Nr.  101,  Murner  Lut.  Narr  14  nach  der  Ausg.  von  1522) 
bekante  (Nib.  von  Holtzmann  1257,  2,  1.  Büchlein  213,    Leutold  von 
Seven  in  MSH.  I,  306%   4  =-.  ed.  Rieger  und  Wackernagel  263,    16, 
Krone  11206)  *)  erkante  (1.  Büchlein  208,  A.  Heinrich  1115,  Iwein  5695, 


*)  Jedesfalls  ist  als  Fehler  oder  Versehen  anzusehen^  was  in  dem  oberdeutschen 
Tractate  eines  Mystikers  (herausg.  von  Franz  Pfeiffer  in  Haupts  Zeitschrift  VIIT,  456) 
sich   findet:    wosre  uns  aber  rehte    und   bekenten  wir]     richtiger  heißt  es  auch  dort 

sswölf  Zeilen  weiter:  wan  bekante  ich^  waz  daz  an  im  selber  woerey min  herze  mökte 

d&  von  brechen  \    dieselbe  oberdeutsche  Form  begegnet  auch  noch  auf  S.  445  zweimal. 
QBRMANIA..  Neue  Reihe  III.  (XV.)  Jahrg,  9 


130  FEDOR  BECH 

Kraclius  801,  Tristan  220,  27  und  240,  21,  j.  Titurel  5399,  4,  Krone 
21053,  Rabenschlacht  948,  Schreibers  Urk.  von  Freib.  I,  S.  168  er- 
hindin,  S.  361  erkanti)  nante  (Krone  21054,  Weinholds  Alem.  Gramm. 
§.  368)  rante  rande  (Gottfr.  v.  Neifen  39,  19)  sazte  (Parz.  230,  28,  Tristan 
317,  16)  besetzte  (Schreibers  Urk.  1,  S.  152)  statte  (Erec  7381)  volante 
TTristan  185,  12)  schaute  {Reinmar  d.  A.  195,  17,  Wolfr.  Willeh.  91,  26, 
Kaiserchron.  14792)  geschante  geschande  (Kaiserchron.  4247, 12703, 13722, 
Altd.  Wälder  III,  215,  14)  sante  sande  (Kaiserchron.  8534,  11445,  Mil- 
stäter  Hs.  ed.  Diemer  53,  1,  Trist.  151,  35,  Krone  11215,  Strickers 
Kleine  Ged.  ed.  Hahn  XII,  334,  Amis  941)  hesande  (Milst.  Hs.  91,  27, 
Trist.  444,  3)  wante  (Kaiserchron.  13721,  14791,  Erec  6666,  Parz.  742,  20, 
Trist.  187,  5,  Krone  11356)  erwante  (Parz.  105,43  u.  217,  4,  Krone  12741). 
Einen  andern  Weg  hat  seit  dem  12.  Jahrhundert  das  mittlere 
Deutschland  eingeschlagen,  indem  es,  anfangs  noch  schwankend,  bald 
aber  einer  festen  Regel  folgend,  die  rückumlautende  Form  der  genann- 
ten Praeterita  auf  den  Indicativ  beschränkte,  für  den  Conjunctiv  aber 
der  umgelauteten  Formen  brente  kente  nente  reute  sezte  stelte  ente  scheute 
sente  wente  sich  bediente.  Der  Mangel  an  geeigneten  mitteld.  Texten 
ließ  bisher  den  Umfang  dieses  Gebrauchs  und  somit  die  Regel  nicht 
erkennen.  Die  betreffenden  Formen  waren  bis  jetzt  nur  sporadisch 
verzeichnet,  und  Hildebrand  hat  unter  den  Lexicographen  meines  Wi8-_ 
sens  zuerst  ihnen  seine  besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet,  vgl. 
D.  Wb.  V,  532 — 534.  Wenn  daher  J.  Grimm  in  seiner  Gramm.  1,  952 
sagt,  im  Conj.  Praeteriti  finde  sich  nur  „ausnahmsweise  und  selten  e 
statt  des  Rtickumlautes  a,  welcher  Umlaut  weniger  der  Conjunctiv- 
flexion  zuzuschreiben  als  aus  der  Contraction  fUr  kenneten  brenneten 
zu  erklären  sei,"  so  reicht  dies  flir  den  heutigen  Standpunkt  der  Be- 
obachtung ,  wie  sich  gleich  nachher  ergeben  wird ,  nicht  mehr  aus, 
schon  darum  nicht,  weil  dort  der  Unterschied  zwischen  oberdeutschem 
und  mitteldeutschem  Gebrauch  noch  keine  Berücksichtigung  gefunden 
hat.  Und  muß  man  auch  dem  Herausgeber  des  Lebens  der  heiligen 
Elisabet  (sieh  S.  42  seiner  vortrefflichen  Einleitung)  zugeben ,  daß 
sich  in  den  vorstehenden  Fällen  das  „Gesetz  des  Rückumlautes  ver- 
dunkelt hat,"  so  darf  man  doch  das  Auge  nicht  verschließen  gegen 
das  neue  Gesetz,  das  an  der  Stelle  des  alten  zur  Erscheinung  gelangt 
ist.  Auch  kann  nicht  zugegeben  werden,  weder  in  Bezug  auf  die  Eli- 
sabet noch  in  Bezug  auf  andere  md.  Denkmäler,  daß  hier  weiter 
nichts  als  ein  „gesetzloser  Wechsel  zwischen  a  und  e"  vorwalte. 
Ebenso  muß  ich  anstehen,  die  Conjunctivform  mit  e  als  eine  ^nieder- 
deutsche" zu  bezeichnen,  wie  es  z.  B.  im  ersten  Bande  der  deutscheni 


DER  UMGELAUTETE  CONJÜNCTIVUS  PRAET^RITI  etc.  131 

Mystiker  in  der  Anmerkung  zu  162',  3  geschehen  ist.  Zwar  liegt  es 
nahe,  hier,  wo  sich  Hochdeutsch  und  Niederdeutsch  gewissermaßen 
berühren,  diese  Form  dem  letzteren  zuzuweisen;  auch  mag  die  Nähe 
des  niederdeutschen  Spracheletoentes  zur  Bildung  dieses  Conjunctives 
mitgewirkt  haben;  allein  seitdem  z.  B.  der  md.  Conjunctiv  erkente  in 
bewussten  Gegensatz  getreten  ist  zu  dem  Indicativ  erkante^  hat  er  eine 
wesentlich  beschränktere  Function  erhalten  und  weckt  in  dem  Spre- 
chenden meiner  Meinung  nach  eine  ganz  andere  Empfindung  als  der 
lediglich  nd.  Conj.  erkente  ^  welchem  nur  selten  ein  erkante ,  öfter  ein 
gleichlautender  Indicativ  erkente  in  seiner  eigentlichen  Heimat  gegen- 
über steht. 

Bevor  ich  mich  jedoch  in  nähere  Erörterung  hierüber  einlasse, 
wird  es  zunächst  darauf  ankommen,  zu  zeigen,  welchen  Gebrauch  die 
md.  Schriftsteller  von  der  genannten  Form  gemacht  haben.  Im  Fol- 
genden habe  ich  versucht ,  das  Wichtigste  zusammenzustellen ;  aus 
diesen  und  jenen  Urkundensammlungen  hätten  sich  jedesfalls  noch  mehr 
beweisende  Stellen  entnehmen  lassen;  es  würde  dies  auch  geschehen 
sein,  wenn  sie  mir  zugänglich  gewesen  wären.  Von  den  hier  aufge- 
ftlhrten  Quellen  sind  fast  alle  genau  durchsucht  worden  mit  Ausnahme 
des  Karl  Meinet,  des  Passionales  und  des  Nicolaus  von  Jeroschin,  von 
denen  meist  nur  die  im  Reime  vorkommenden  Beispiele  herangezogen 
wurden.  Das  Gegebene  soll  vor  der  Hand  nur  dazu  dienen,  die  Regel  zu 
zeigen  da,  wo  bisher  nur  ein  gesetzloser  Wechsel  wahrgenommen 
wurde,  und  zu  diesem  Behufe  wird  es  genügen. 

A.    Br  ente    enb  rent  e   vorbrente. 

a)  Von  brennen  der  Conj.  Praet.  hrente  beim  Pfaffen  Lamprecht 
im  Alex.  5857  man  gesach  in  allen  enden  Alse  da  vackelen  hrenden  ;  — 
Marienlieder  herausg.  von  W.  Grimm  (Haupts  Zeitschr.  X)  44,  G  sage 
selue^  wie  dm  herze  h-ende  (lende),  während  45,  2  und  66,  31  der  In- 
dicativus  Praet.  brande  und  entbrande  (:  Kipet^lande)  lautet ;  —  Rechts- 
buch der  Reichsstadt  Mtihlhausen  herausg.  von  Friedr.  Stephan  (Neue 
Stoff  lief.  1.  Heft)  S.  54  weiH  abir  daz  di  man  brente  (Nordh.  Hs.  h^enti) 
von  Unglücke  von  umi  seibin  edir  daz  un  ein  andir  Tnan  brente  (Nordh.  Hs. 
brenti)  di  umi  gram  loere,  und  ebenso  S.  55,  Z.  3 — 4;  —  Kaiserchro- 
nik 2604  nach  der  Heidelberger  Hs.   er  varhte daz  si  in  sdn  ze 

stunden  Mengen  oder  brenten  Und  in  da  mite  sehenden  (nach  der  ober- 
deutschen Vorauer  Hs.  dagegen:   e?'  vorhte daz  si  in  sä  Mengen 

ode  branten.  Mit  michelen  scanden) ;    —  Passional  H.  56 ,  76   det'  genä- 

den  glüt brante,  S6  daz  si  nickt  erwante  Si  enbrente  in  gotes  willen  ; 

9* 


132  FEDOR  BECH 

117,  47  hie  von  in  vüwere  wart  gesant,  Uf  daz  sin  humender  hrant  In 
deme  herzen  hrente,  Daz  sich  gerne  wente  usw. ;  188,  14  der  hiez,  daz  man 
die  rittere  hrente  (ihenente)]  216,  28  dd  was  Jäcobus  rät  y  Daz  man  ir 
nicht  enbrente  Und  dar  an  erwente]  Pass.  K.  201,  45  er  wolde^  Daz  alle 
die  werlt  hrente  An  minne  und  den  hekente ;  482,  38  uf  daz  daz  rat  sich 
ummewente  Und  mit  krefien  hrente]  482,  63  ez  rizze  oder  hrente,  Swar 
ez  an  gewente  ;  468 ,  8  der  kunic  gehot ,  Daz  man  die  Uchamen  schente 
Und  offenlich  sie  hrente'^  dagegen  im  In  die.  Praet.  hrante  Pass.  H.  199, 
86;  228,  45;  Pass.  K.  127,  25;  —  Reimchronik  von  Meister  Godefrit 
Hagen  968  si  enUizen  dorp  noch  schuire,  8i  enhrenten  't ;  dagegen  im 
Indicat.  hrante  786 ;  —  Livländische  Reimchronik  3871  (nach  der  Hs.) 
in  totsten  ir  gehot ,  Daz  sie  die  töten  hrenten  Und  von  hinnen  senten ; 
11566  sie  liezen  da  mite  gähen,  Daz  man Sydohre  hrente]  im  In- 
dicat. aber  hranten  11629  und  gehrante  11606 ;  —  Leysers  Deutsche 
Predigten  (aus  der  Pergamenths.  Nr.  760  auf  der  Universitätsbibl.  zu 
Leipzig,  14.  Jh.)  102,  11  er  sach  einen  husch  humen  und  düchV  in  daz 
er  hrente  und  63,  22  vorlure  sie  der  {zehn  dragma^s)  eine,  si  enbrente  ein 
Hecht  und  ersuchte  daz  hüs  (=  Lucas  15,  8  ed.  Vulgata) ,  dagegen  der 
Ind.  69,  34  dd  rouhetin  sie  und  hranten  die  cristenheit  und  64,  20  die 
wisheit  —  die  inhrante  daz  Hecht ;  —  Rittertreue  (Gedicht  von  einem 
Düringer  in  GAbent.  I,  106 — 128)  113,  293  ich  hrenf  e  daz  hüs  en- 
trüwen  Und  wolde  ein  anderz  hüwen ;  —  Frauentreue  (in  den  Altd.  Blät- 
tern I,  241—246;  verhochdeutscht  im  Koloczaer  Codex  S.  277—288, 
Laßbergs  Liedersaal  I,  117 — 128,  GAbent.  I,  261 — 276)  83  ir  mundil 
daz  stunt  rosenvar ,  Also  rosenhletere  weren  dar  Gestrowet  und  hrenten 
von  rote  (Kolocz.  Hs.  hrunvar  war  rote,  Laßb.  Hs.  67  hriinnent  in  roßte) ; 
—  Heinrich  von  Freiberg  in  der  Ritterfahrt  Johanns  von  Michelsperg 

(v.  d.  H.  Germania  II,  93 — 98)    95  als  oh  -. der  degen  rente  Und 

ob  in  flammen  hrente  Allez  mi  gewete]  —  Nicolaus  von  Jeroschin  11088 

nü  dücM  iz  dt  hrud/re  nutze  stn,  daz ein  teil daz  lant  — 

hernde  durchrentin,  Tilgtin  unde  hrentin)  dagegen  Indic.  6108  er  vinc 
rouhte  brande  (:  lande)]  —  Hermann  von  Fritslar  (D.  Myst.  von  Fr. 
Pfeiffer  I.)  147,  11  dd  schrei  der  hdse  geist  —  daz  in  diße  mertelere 
hrenten]  dagegen  Indic.  104,  19  dd  Gregoriüs  gestarp,  dd  hrante  man 
vil  sinet*  bücher]  —  Ernst  von  Kirchberg  (Joach.  de  Westphalen, 
Monument,  tom.  IV)  S.  706  ouch  were  ez  mugelich  virwdr,  Daz  man  in 
sm  hüs  hrente  gar ;  dagegen  Indic.  S.  658  hrante :  ante ;  —  Die  alten 
Gesetze  von  Nordhausen  (Förstemanns  Neue  Mitth.  HI,  4,  73)  dt  iz 
nach  eines  uf  sezte  und  andiriceide  hrente ;  —  Joh.  von  Guben ,  Jahr- 
bücher ed.  E.  Fr.  Haupt  43,    1    daz  mans  icht  weder  abe  hrente]  — 


DER  ÜMGELAUTETE  CONJÜNOTIVUS  PRAETERITI  etc.  133 

J.  Rothe,    Dür.  Chronik  c.  242   daa  her  in  hülfe  vor  gote,    daz  si  daz 
ffler  nicht  brente]  dagegen  hrante  als  Indie.  in  c.  351;  —  Konrad  Stolle, 
Erfurt.  Chronik  56   dd  sie  gewar  worden,    das  is  in  orem  heimet  brente^ 
und  gleich  vorher  der  Indicativ    die  andere  site  die   hrante  gancz  und 
gar  ahe. 

h)  Rechtsbuch  der  R.  Mühlhausen  S.  45  oh  man  Bmi  man  diz  hette- 
strd  inprente  (Nordhäus.  Hs.  inprenti),  daz  he  dar  üz  nicht  gige  inmochte ;  — 
Hermann  v.  Fritslar  246,  10  si  bat  got,  daz  her  in  enprente  in  der  libe, 
aber  der  Indic.  dazu  38,  23  her  saz  in  sidendeme  oleie  und  iz  enbrante 
in  nit  und  vorbrante  206,  20;  —  Eisenachisches  Rechtsbuch  (Samm- 
lung Deutscher  Rechtsquellen  von  Fr.  OrtlofF,  I.  B.,  S.  625  fg.)  III,  20 
enprente  eime  sin  hüs  äne  sin  und  sins  gesindes  schult^  her  tüd  sin  eid 
darvor  und  ist  des  ledig,  und  wieder  Indic.  III,  1  si  nämen  gutes  wi  vel 
si  woMin  vnd  vorbranten  di  stad. 

c)  Herbort  von  Fritslar,  Liet  von  Troye  13377  ich  lo^re  ivertj 
Daz  man  mich  umrfe  in  einen  hert  Und  verbrente  dar  inne]  —  Pass.  H. 
355 ,  .40  si  suchten  daz  gebeine  TJf  daz  si  ez  verbrenten  Und  sin  ere  er- 
loenten,  und  293,  24  daz  man  Benevente  Die  stat  gar  virbrente,  dagegen 
Indic.  Pass.  K.  477,  13  verbrante  :  wante]  —  Heinrich  von  Krolewiz 
üz  Missen,  Vater  Unser  2377  do  got  hete  des  gegert,  Daz  er  im  Isaachen 
sente  Sinen  sun  unde  den  verbrente'^  —  Leysers  D.  Predigten,  in  den 
Altd.  Bl.  n,  181  uf  daz  er  an  »ime  Übe  vorbrente  unsere  sunde\  — 
Magdeburger  Fragen  von  Fr.  Behrend  S.  89  ab  ein  erbe  vc^rbrente,  ives 
der  schade  ist  und  wenige  Zeilen  weiter  daz  hüs  vorbrente  d.  h.  ange- 
nommen das  Haus  verbrennte;  —  Eisenach.  Rechtsb.  III,  89  als  ab 
ez  verbrente  adir  nedir  gehouwin  loorde ,  und  110  were  nw,  daz  etwaz 
in  der  kirchin  vorbrente]  —  Weisthümer  I  (Dreieicher  Wildbann  von 
1338)  499,  Z.  8  von  unten  biz  ime  sin  solen  verbrenten  von  sinen  füzen ; 
—  Das  alte  Kulmische  Recht,  herausg.  von  Leman  V,  7  vorbrente  adir 
abe  ginge)  —  J.  Rothes  Chronik  c.  735  die  dd  furchten,  das  sie  die 
stat  vorbrenten, 

B.    Kente    bekent e   erkente. 

a)  Karl  Meinet  362,  44  kende  :  sende  \  dagegen  der  Indic.  lautet 
kante  :  schante  13**,  46;  vgl.  Conj.  enkenden  :  nennen  (?)  113,  42;  — 
Pass.  H.  57 ,  77  daz  si  uf  titen  iren  sin  Und  kenten  beide  si  und  in ; 
dagegen  der  Indic.  kante  :  nante  160,  40 :  —  Alexander  und  Antiloie 
(Altd.  Bl.  I,  250 — 266)  ab  he  sinen  va;ter  kente,  Wie  note  M  den  nente\  — 
Der  Wiener  Meerfahrt  von  dem  Freudeleeren  (GAbent.  H,  467 — 485) 
295  si  bäten  umbe  guoten  wint,  Daz  in  den  Got  gesente :  Daz  ein  bruoder 


134  FEDOE  BECH 

heute  Den  andern,  des  enwcene  ick  nicht '^  —  Godefr.  Hagens  ßeimchron. 
3411  men  geleiz  als  men  sm  neit  enkende  (:  sonder  ende)]  aber  In  die. 
kante  :  sante  1538  und  bekante  1208;  —  Nie.  v.  Jeroschin  10988  swer 
da  Cristum  nente  Und  mit  gekmbin  kente;  —  Weist.  VI,  35,  Z.  9  (aus 
der  Nähe  von  Würzburg)  sehe  er  dann  einen^  dene  er  kente  (a.  1409) ;  — 

J.  Rothes  Chron.  e.  263  die  sprachen^  die  vnle  dus  sie kente , 

so  tochte  is  nicht  usw. ;  dagegen  Indic.  c.  315  do  woo^den  sin  zwene  gewar, 
die  on  kanten^  —  Johannes  Marienwerder,  Das  Leben  der  h.  Dorothea 
(Scriptores  rer.  Prussicarum  II,  197  fg.)  III,  6  hette  ich  keinen  menschin, 
der  mich  kente]  —  Der  Seelen  Trost  (=  Beiträge  zur  Kenntniss  der 
Kölnischen  Mundart  im  15.  Jh.  von  Fr.  Pfeiffer)  Bl.  113*  de  hroder 
vrdgeden  siy  of  si  des  neit  enkente.  Ausführlich  hat  hierüber  zuerst  ge- 
handelt Hildebrand  in  dem  lesenswerthen  Artikel  des  Deutschen  Wb, 
V,  533-534. 

b)  Grimms  Marienlieder  17,  34  rechte  alse  he  godes  nit  enbekente 
(:  hende)  und  92,  2  it  prophettrde dat  it  dtnen  sun  bekende]  da- 
gegen Indic.  becande  42,  33  und  92,  4 ;  —  Interlinearversion  der  Psal- 
men im  Cod.  Trevir.  (Deutsche  Interlinearvers,  der  Psalmen,  herausg. 
von  Graff,  S.  165  fg.)  Ps.  72,  16  ut  cognoscerem,  daz  ich  bechente  und 
Ps.  141,  5  et  non  erat  qui  cognosceret  me,  unde  nuit  wa^  der  da  bechente 
mich]  aber  Indic.  in  Ps.  118,  75  cognovi,  bechante  ich]  —  Karl  Meinet 
259,  28  u.  248,  53  u.  479,  31  bekende  :  gelende,  aber  im  Indic.  erkande : 

lande  35,  46 ;  —  Rechtsbuch  der  R.  Mühlhausen  54  weri  abir  daz 

uz  gene  man  nicht  bikente  (Nordh.  Hs.  bikenti)]  —  Pass.  K.  75,  6  Ab- 
jathar  sprichet^  daz  sich  dikeiner  nente  Got  unde  dran  bekente]  201,  46 
brente  :  bekente  vgl.  Aa ;  438,  32  unz  er  bekente,  Wd  die  gehugede  wente  ] 
670^  47  were  dm  herze  also  gut,  Daz  du  bekentes  dtnen  got]  —  Frei- 
berger  Stadtrecht  (Sammlungen  zu  den  deutschen  Land-  und  Stadt- 
rechten herausg.  von  Friedr.  Schott  IIL  Th.)  S.  167  bekenten  sis ,  so 
musten  si  im  daz  abelegen ;  dagegen  Indic.  bekante  197,  Z.  13;  —  Magde- 
burger Fragen  S.  37,  Dist.  26  bekente  der  hoveman,  het^  wolde  sines  halses 
bestanden  sin  (zwei  Zeilen  weiter  der  Indic.  bekanten),  Dist.  27  ab  sich 

ein  man  —  —  bekente]  S.  30,  Dist.  15  loere  abir  daz der  bekente] 

und  S  76,  Dist.  7;  S.  83,  Dist.  5  ab  ein  vorspreche  beschuldiget  worde 

und  das  bekente  und  S.  198,  Dist.  2;  S.  85,  Dist.  2  queme  hermitfirteh 
lüten,  dl  bekenten]  S.  166,  Dist.  18  des  bekente  im  der  schuldiger,  d.  h. 
gesetzt  den  Fall,  daß  der  Seh.  ihm  das  bekennte;  S.  201,  Dist.  ^  is  eii 
sei  denne,  das  her  das  selbir  bekente  ;  —  Magdeb.-Breslauer  Schöffenrecht 
aus  der  Mitte  des  14.  Jh.  herausg.  von  Laband  I,  28  des  seibin  auch 
ein  gesessin  rät  bekente  =  angenommen,  daß  usw.  und  II,  1,  21  und  so 


DER  UMGELAUTETE  CONJUNCTIYUS  PKAETERITI  ett-.  135 

in,  2,  125;  III,  2,  13  da  vorbaut  her  sich  vor  deme  rofe,  hekenfe  sm 
hofemaUj  her  weide  usw.;  III,  2,  21  noch  dmi  mole  daz  her  des  bekente; 
m,  2,  96  geschege  abir  daz  der  man im  des  koußs  bekente;  da- 
neben der  Indicat.  hekante  III,  2,  13  und  III,  2,  22 ;  —  Des  Matthias 
von  Beheim  Evangelienbuch  (aus  dem  J.  1343)  herausg.  von  Bechstein  : 
Lucas  19,  42  wan  ob  du  ouch  bekeMis  =  Vulg.  quia  si  cognovisses  et  tu ; 
Johannes  4,  10  ob  du  bekentis  di  gäbe  gotis  =  Vulg.  si  scires  donum 
Dei;  Joh.  8,  19  und  ob  ir  mich  bekentit^  lichte  bekentit  ir  ouch  minen 
vatir  =  Vulg.  si  me  sciretis,  forsitan  et  patrem  meum  sciretis ;  —  Henne- 
bergisches  ürkundenbuch  III,  101^  16  bekente  (a.  1378) ;  —  Urkunden- 
buch  der  R.  Frankfurt  herausg.  von  Böhmer,  S.  766  si  bekenten 
(a.  1388);  —  Rechtsbuch  nach  Distinctionen  herausg.  von  OrtlofF  III, 
11,  19;  —  Eisenach.  Rechtsb.  I,  37  were  ez  abir ,  daz  sine  medeerbin 
des  selbir  bekentin  und  en  wissintlich  were;  und  I,  43;  —  Gespräch 
zwischen  Seele  und  Leichnam  (diese  Zeitschr.  III,  404,  187)  wer  dich 
neit  inbekente  (:  volente),   de  watende  loail  du  hettes  wair ;    —   J.  Rothes 

Chron.  c.  528  disse  preläthin swüren das  si  bekenten ;  — 

Weist,  in,  508 ,  Z.  8  von  unten   darnach  fragte  her ,  weme  man 

bekente  und  so  511^  Z.  1  von  oben;  . —  Seelentrost  Bl.  18^  sent  Get^- 
mdnus  vraigde  sn,  of  si  de  güthoulden  bekenten. 

c)  Altmitteid.  Evangelienharmonie  herausg.  von  Weigand  (in 
Haupts  Zeitschr.  VHI,  258 — 274 .  =  Friedberger  Christ  und  Antichrist 
in  den  Denkmälern  von  Müllenhoff  u.  Scherer  S.  73  fg.)  S.  271,  16 
daz  deder  allaz  umbe  daz,  Daz  si  irkenden  des  de  baz ;  —  Pilatus  (Deutsche 
Ged.  herausg.  von  Maßmann  S.  145  fg.)  328  si  vmrfen  iz  here  unde  dare^ 

Wenne Pyldtum  si  versenten,   Wd  si  ein  volc  irkenten;  —  Herbort 

von  Fritslar  13839  Sie  begunden  fragen^  Ob  da  ieman  wäre  Der  Achiües 
erkente,  Daz  er  si  nente  und  14307  in  dem  Oriente,  Daz  man  erkente; 
dagegen  Indic.  13848  sine  tochter  ich  wol  erkande  (:  lande);  —  Salo- 
monis  Hüs*)  (Adrians  Mittheilungen  S.  415  fg.)  Bl.  56  ojfe  daz  du  dar 
ane  irkentes,  daz  er  din  ganz  frunt  were;  —  Frauentrost  von  Siegfried 
dem  Dörfer  (herausg.  von  Franz  Pfeiffer  in  Haupts  Zeitschr.  VH,  109  fg. 
=  GAbent.  HI,  433  fg.)  72  daz  im  got  noch  suhhen  rät  sente y  Daz 
er  in  erkente  Und  ir  genedic  w^re\  —  Pass.  K.  656,  52  si  konde  nicht 


*)  Gedichtet  von  einer  Nonne,  wie  sich  ergibt  aus  Bl.  58  gib  mir^  diner  armin 
cridiürin  Und  diner  ungetrüwin  tochter,  Daz  ich  noch  dir  getrüwe  möge  wesen  und  Bl. 
87 — 88  ow^  süze  herre,  Gib  mime  herzen  unde  der  aile  min  Rechte  minne  durch  die  güde  din^ 
Daz  du  etat  der  holde  herre  mtn  Unde  ich  die  arme  dochter  din;  vgl.  auch  Bl.  42  so  seien 
wir,  die  da  heizint  geistliche  lüde ,  uns  dar  ane  flizen ,  wie  getane  vAs  wir  unser  leben 
vore  sezzen^ 


136  FEDOR  BECH 

gebringm,  l)az  si  vruntlich  sich  nenten  Und  under  in  erkenten^  —  Meister 
Eümzlant  in  MS.  I,  267*'  ob  wir  den  nicht  rechte  irkenten  (:  Elementen), 
vgl.  MS.  IV,  683^  Anm.  3;  —  Der  ältere  Misnere  in  MS.  III,  90'  (11) 
ich  woldey  daz  den  argen  Menge  ein  schelle  vor  an  der  nasen,  —  —  dd 
man  sie  M  erUente ;  dagegen  Indic.  kanten  95^  (2)  ;  —  Rüdiger  von 
Munre  in  seinem  Irreganc  und  Girregar  (GAbent.  III^  43  fg.)  1230 
mich  düchte  guot,  Daz  du  dinen  tumhen  muot  An  minen  rat  gewentes  Und 
ein  teil  haz  erkentes  und  671  si  hiez  ein  liecht  entzünden  (:  vrunden), 
Daz  81  haz  erkente  sich]  —  Frauentumei  (GAbenteuer  I^  371 — 382, 
Kolocz.  Cod.  77—87,    AM.  Bl.  II,   398—399)   214  si  muste  sich  des 

sere  schämen,  Daz ir  möge  dehßiner  pflac  Tumeis,   nach  dem  sti 

sich  nentey  Da  lH  man  si  erkente*)]  —  Des  Mönches  Noth  von  dem 
Zwickauer  **)  (herausg.  von  Franz  Pfeiffer  in  Haupts  Zeitschr.  V, 
434  —  448;  GAbent.  11,  53—69)  516  M  bat  dicke  dm  riehen  got,  Daz 
M  ime  sin  kint  gesente  Daz  iz  cristen  namen  irkente  (die  oberdeutsche 
Überlieferung  hat  hier  sante  :  erkante) ;  —  Die  alte  Mutter  (von  Volrat?) 
GAbent.  I,  89-— 100  (vergl.  auch  die  kürzere,  aber  noch  mehr  hoch- 
deutsch gefkrbte  Fassung  bei  Haupt  in  dessen  Zeitschrift;  VI,  497 — 503) 
269  ob  er  iemandes  wurde  gewar ,  Den  er  dd  erkente ,  Dem  er  rief 
unde  nente  ***) ;  —  Heidelberger  Hs.  von  Gottfrieds  Tristan  3823  die 


*)  Der  Frauen  Tumei  —  wie  sich  das  Gedicht  selbst  nennt  in  V.  407  —  ist 
jedesfalls  von  einem  Düringer;  man  vgl.  die  Reime  miibegi  (Inf.)  11;  :  ergi  316; 
:  sti  (Inf.)  366;  wi :  besti  (Inf.)  254;  zd :  sld  (=slahen)  236;  tu  (=  oberdeutsch  tuon) 
:  zu  111  und  381;  sage  (Inf.)  :  tage  64  und  :  mAntage  341;  gefüge  :  genüge  (Inf.)  378. 
Von  den  oberdeutschen  Schreibern  sind  diese  verkürzten  Infinitive  natürlich  verwischt; 
auch  der  letzte  Herausgeber  hat  sie  nicht  wieder  hergestellt;  doch  hat  sie  das  Frag- 
ment in  den  Altd.  Blättern,  welches  dem  Original  wohl  am  nächsten  steht. 

**)  So  nennt  Wackernagel  in  der  Litteraturgeschichte  8.  219  den  Verfasser  mit 
Rücksicht  auf  die  bessere  Überlieferung  des  Gedichtes  in  dem  von  Pfeiffer  heraus- 
gegebenen Fragment  (Haupts  Zeitschr.  V,  448) ,  in  welchem  Zwickowire  steht  statt 
Zwingewer,  der  Lesart  der  oberdeutschen  Handschriften.  Letzteren  folgend  hat  Hilde- 
brand im  D.  Wb.  s.  v.  knocken  vermuthet,  daß  der  Dichter  aus  Zwenkau  bei  Leipzig 
stamme.  Von  dem  ehemals  in  Czwigkow  herrschenden  Dialecte  geben  Zeugniss  drei  Ur- 
kunden aus  den  Jahren  1333 — 1358,  abgedruckt  in  dem  Bericht  an  die  Mitglieder  der 
deutschen  Gesellschaft  in  Leipzig,  herausg.  von  Espe  im  J.  1848. 

***)  In  der  Fassung  bei  Haupt  steht  dafür  ob  er  ieman  erkande,  Daz  erm  ruofte 
unde  in  nande.  Allein  schon  die  daselbst  vorkommenden  Reime  ^^en :  miren :  X;lren  187 
und  205,  sowie  habe{n)  :  schabe  weisen  auf  Mitteldeutschland ,  noch  mehr  die  in  dem 
y.  d.  Hagenschen  Abdrucke  hiren  :  m^ren  333  und  391,  Mre  :  were  359,  äne  wer  :  w^r'416, 
mir  :  schtr  234,  lichtes  :  nichtes  24:1 ,  ich  lebe  :  wil  ich  gebe  90,  mochten  st  (=  Infin.  sin) 
:  bt  400;  die  dafür  gesetzten  oberdeutschen  Formen  haben  an  den  genannten  Stellen  den 
Reim  zerstört. 


DER  ÜMGELAÜTETE  CONJUNCTIVUS  PRAETERITI  etc.  137 

walkßre  hat  er  dd,  Oh  si  die  etat  erkenten,  Daz  ti  si  'm  rechte  nenten\  — 
Tristan  Heinrichs  von  Freiberg  4696  diz  tet  ladt  umhe  daz  Tristan  er- 
kente  dester  haz  die  stat'^  —  Leben  der  h.  Elisabet  herausg.  von  Rieger 
5603  daz  man  da  ht  erkente,  W%  man  si  cristen  nente  und  7183  tci  arm 
si  ummer  wdreny  Wz  her  si  sie  erkenten^  Daz  ^  sie  frouwe  nenten*^  da- 
neben Indic.  erkande ,  vgl.  davon  die  Beispiele  im  Glossar  372 ;  — 
Hermann  v.  Fritslar  131,  31  irkente  iz  der  enget,  sd  irkente  iz  ouch  der 
tüvel  und  162,  3  her  —  nam  hdse  kleiderchme  ane  daz  in  ntmant  erkente] 
dagegen  heißt  es  162,  14  hdse  kleider  — ^  —  dt  haten  in  vorstalt,  daz 
si  sin  nicht  irkanten,  aher.  her  irkante  äi  vil  wol]  —  Freiberger  Stadtr. 
S.  294,  7a.  W  derkenten  sy  denne,  das  man  sein  nicht  durfte  J  s$  magk 
usw. ;  —  Eisenach.  Rechtsb.  H,  32  hette  dei'  gehrechen  an  sinen  fünf 
sinnen,  daz  der  räd  und  daz  gerichte  irkente  (=  Rechtsb.  nach  Distinc- 
tionen  I,  49,  70),  und  34  irkenten]  —  Henneberg.  Urkundenb.  HI, 
72,  20  (a.  1371)  wie  die  vir  derkenten,  als6  solten  wir  im  der  gut  gunnen 
und  ähnlich  Z.  23 ;  —  Alte  Gesetze  der  Stadt  Nordhausen  (Neue  Mit- 
theilungen in,  4)  58,  Z.  11  wolde  der  weder  horger  werden  und  erkente 
der  rdt^  daz  her  usw.  — ,  der  solde  usw. ;  —  Heidelberger  u.  Koloczaer 
Hs.  des  Armen  Heinrich  von  Hartmann  1105  also  wart  sie  teure  heswom 
Daz  «  sich  erkente  stSte;  auf  Mitteldeutschland  weist  auch  der  Ausdruck 
w^t,  den  diese  Hs.  1453  statt  Mrät  hat;  —  Salomon  und  Morolf  (in 
V.  d.  Hagens  D.  Ged.  des  Mittelalters  I)  1 ,  3689  und  ist  ez,  daz  si  in 
erkente,  Sd  was  ez  Morolf  der  hilgerin ;  —  Würzburger  u.  Wolfenbütteler 
Hs.  haben  erkente  statt  des  oberdeutschen  Conj.  erkante  im  Vridank 
106,  14;  —  Der  Väter  Buch  (Biblioth.  des  litterar.  Vereins  in  Stuttg. 
LXXH)  §.  170  erkentes  du  die, du  sizest  darinne  usw. ;  ~  Job.  Ma- 
rienwerder L  1.  in,  25  das  sy  irlaucht  worde  und  irkente  und  32  Do- 
rqthSa  wart  gefrdget,   wdhey  sy  erkente,  das  sy  wSr  entezockt  und  H,  22 

das  dy,  dy sich  irkentin,    czu  herczin  nemin  und  sich  hessirtin\ 

sonst  flir  den  Indic.  immer  irkante'^  —    J.  Rothes  Ritterspiegel  3380 

si  woldin  heschermin  di  gotes  hu£S, w6  si  irkentin  solchin  ge- 

hrechin]  J.  Rothes  Rechtsbüch  (=  Rechtsbuch  des  Johannes  Purgoldt  ed. 
Ortloff)  1^  Q  uf  das  her  gesege  und  erkente]  J.  Rothes  Chron.  c.  206  her 

had,  das  sie  den  (schätz) gihen  den  armen,  wd  sie  irkenten  das  is 

ndt  w$re]    J.  Rothes  Elisabet  118'    (Gothaer  Hs.)    ditz  rieth  auch  der 

hisschof  — >  daz  sie sich  lißen  das  ßrome  lüthe  leren,   Was  die  fort 

in  orem  hesten  erkenten,  Das  sie  das  guttlich  volenten  und  130'  da  hegunde 
sie  gote  umhe  jlehin ,  Das  her  sine  harmherczikeit  ohir  sie  werde,  Wanne 
her  yre  gehrecMickeit  erkente ;  —  Weisthum  zu  Massenheim  (Grimms 
Weist.  I,  570)  er  frägete wen  sy  hiUen,    erkenten  und  hetten  vor 


138  FEDOR  BECH 

iren  rechten  kern  (a.  1424)  ;  —  K.  Stolles  Chron.  Bl.  120''  so  meinte 
der  grdfe, sy  erkenten  nicht  unrecht  und  BL  230'. 

C    Nente,    henente. 

a)  Herbort  v.  Fritslar  13840  erkente  :  nente  vgl.  Bc;  —  Heinrich 
und  Kunigunde  von  Ebemand  4548  dorße  ich  iz  tun  ichein  wis,  Daz 
ich  sie  nente  paradis'^  —  Pass.  K.  75  nente  :  bekente  und  656,  51  nenten : 
bekenten^  vgl.  Bb;  dagegen  im  Indic.  18,  15  nande  :  lande]  —  Heinrich 
von  Krolewiz  829  got  gebot  uns  also,  Daz  tvir  ^nen  namen  —  —  nicht 
unnutzelichen  nenten  Und  uns  ouch  dar  an  wenten]  —  Heidelb.Hs.  von  Gott- 
frieds Tristan  3824  erkenten :  nenten,  vgl.  Bc;  —  Karl  Meinet  479, 31  nente 
:  bekente,  sonst  Indic.  nande :  erkande  230, 18 ;  —  Meister  God.  Hagen  5672 
node  nente  ich  sy  dl  saraen,  Ir  vrunt  solden  sichs  nämails  schämen'^  —  Die 
alte  Mutter  (GAbent.  I,  96)  270  erkente :  nente,  vgl.  Bc;  —  Frauentumei 
(ebenda  I,  377)  213  nente:  erkente,  vgl.  Bc;  —  Alex.  u.  Antiloie  (Altd. 
BL  I,  251)  12  kente:  nente,  vgl.  Ba;  —  Elisabet  herausg.  v.  Rieger  5604 
erkente  :  nente  und  7184  erkenten :  nenten,  vgL  Bc;  —  Nie.  v.  Jeroschin 
10987  nente :  kente,  vgl.  Ba ;  dagegen  Indic.  10697  bi  eines  wazzirs  strande] 
Daz  man  Durbin  nande]  —  J.  ßothes  Chron.  c.  373  wer  stnen  namen  nente, 

der  sulde  allewege  stnen  munt  dorndch  waschen  und  c.  407  da>s  her 

sich  nicht  mSr  römischer  konigk  schrebe  noch  nente ;  aber  nante  als  Indic, 
z.  B.  c.  374,  Z.  6;  —  Konr.  Stolles  Chron.  Bl.  227*  die  von  Florenz 
hatten  laßen  gebieten,  wer  den  namen  der  Pacz  nennete,  der  solde  usw. 

b)  Pass.  H.  24,  80  dl  kuninge begunden  räm£n,  Daz  sich  ir 

wech  volente  Unde  man  in  den  benente]  188,  15  brente :  benente,  vgl.Aa; 
Pass.  K.  411,  37  got  unsete,  daz  sin  sele  were  kumen  da  hin,  daz  man  in 
heilic  hie  benende  (:  complende)]  —  Nie.  v.  Jeroschin  11939  Mvon  st  des 
in  eine  wurden,  daz  man  sande  botin  kegn  Liflande,  Di  den  meistir  vletin, 
Daz  er  üf  dt  von  Betin  In  hülfe  benente  Und  in  ouch  dt  sente  und  so 
noch  benente  :  sente  523,  vgl.  la;  dagegen  der  Indic.  9705  zu  Revil  er 
benande  Ein  stat  in  Liflande]  —  Magdeb.-BresL  Schöflfenrecht  IH,  2, 
125  dorndch  vmrde  her  begriffin  und  bekente  (d.  h.  angenommen  er  würde 
ergriffen  usw.),  das  hei"  dy  goldyne  unde  gelt  gestolin  hette  und  benente 
ouch  dt  leute  und  so  c.  133 ;  —  Weisthum  zu  Ulmbach  in  der  Wetterau 
(Grimms  Weist.  HI)  397,  Z.  4  von  unten :  unser  herre  bai  ouch,  daz  ime 
die  gerichtes  menner  sageten  und  benenten,  waz  doife  in  dem  gerichte  ISgen 
(a.  1415). 

D.    Rente    berente    dur  ehr  ente   entrente. 

a)  Livländische  Reimchron.  S.  321,  Z.  3  zupf  erden  man  ouch  hdde 
hiez  Daz  sie  die  Ersten  renten  an ;    dagegen  Indic.  rante :  genante  3095, 


DER  UMGELAUTETE  CONJUNCTIVÜS  PRAETERITI  etc.  139 

ranten  8059;  —  Heinr.  v.  Freiberg  in  der  Ritterfahrt  ,Joh.  v.  M.  95 
reffde :  brente,  vgl.  Aa;  —  Konr.  StoUes  Chron.  ITö*'  item  es  ward  gesagit, 
das  die  Kölner renten. 

b)  Herbort  v.  Fritslar  17775  Alceonem  dd  Ulixes  hat,  daz  er 

sinerritter  ein  teilaerde,  Daz  er  jene  herente  In  dei*  herherge*^  dagegen  Indic. 
beranterij  z.  B.  Pass.  K.  436,  16. 

c)  Nie.  V.  Jeroschin  11087  daz  st  dwrchrentin  :  hrentiny  vgl.  Aa; 
aber  Indic.  18360  dl  hure  —  «^  durchrantin,   V(yrhertin  und  vorhrantin, 

d)  Ernst  v.  Kirchberg  725  dö  sante  der  Herzoge  vor  Guntzetiney 
Daz  her  yo  widerwente,  Daz  ymant  (=  ne  quis)  yn  entrente  Uz  der  hurge 
czingeln'j  dagegen  im  Indic.  rante  :  inhrante  S.  817,  irranten  S.  731,  vir- 
rante  S.  812. 

E.    Setzte    (seste   sette)    hesetzte   entsetzte   gesetzte 

vorsetzte. 

a)  Vom  Glauben,  Gedicht  des  Armen  Hartmann  (Maßmanns 
Deutsche  Ged.  des  12.  Jh.)  2838  dt  (=  wenn  jemand)  dan  dt  (=  dir) 
sezte  vore  Eine  aUus  getane  hure  —  Oh  got  daz  wolde  Daz  iz  also  wesen  solde 
—  daz  du  ein  hdse  wurm  weris :  —  vil  gerne  du  di  ivwim  weris ;  —  Gries- 
habers  Deutsche  Sprachdenkmale  (in  seinem:  Vaterländisches  aus  den 
Gebieten  der  Literatur  usw.)  S.  286  Cledpatrd  —  diu  trdst'  in  dai^üy  daz 
er  sich  vaste  setzte  wider  deme  heisere  *) ;  —  Heinr.  von  Krolewiz  1215 
et'  nam  des  vil  gute  war,  Daz  er  ein  gesteine  setzte  dar'^  1271  ein  man  vil 

lichte  werten  wil,  daz  die  steine auch  in  sine  want  vil  manich  herre 

setzte  wol\  3027  daz  sie  sich  ime  sezten  wider '^  —  Der  Jungherr  und 
sein  Knecht  Jleinrich  (GAbent.  III,  197—255)  1899  der  künig  des  he- 
gerte  Das  man  iglich  setzf  nach  sinem  werde  **) ;  dagegen  im  Indic.  sazte 
546;  —  Wemher  von  Elmendorf  (Haupts  Zeitschr.  IV,  284—317)  920 
Juvenalis  spricht :  des  hettis  tu  grozir  ere^  Daz  ein  undiege  din  vater  were, 
Den  du  einen  guten  vaJter  hettis  Und  dine  dinc  also  hoslich  settis  (Hs.  zetzis) 
und  1167  der  sinen  müt  ho  sette  (Hs.  setzte),  Oh  er  iz  an  deme  gute  "und 


*)  Einige  Sätze  zuvor  heißt  es  dort:  Antoniits  —  gerit  mit  den  vuraten-,  di  inme 
lande  wären,  daz  si  sich  algemeinliche  saziin  wider  deme  keiaere;  hier  entsteht  Zweifel, 
oh  aaztin  als  Conj.  oder  als  Indic.  gedacht  ist. 

**)  Diese  Novelle  ist,  nach  V.  826—28  zu  schließen,  von  einer  Frau  gedichtet,  und 
zwar  in  mittelniederrheinischem  Dialecte,  wie  sich  aus  folgenden  Formen  ergibt :  die  Con- 
junctive t?cr*ec/t/  {iknecht)  914,  1025,  aechten  (-.knechten)  2061,  mechte  (=  faceret)  570» 
1308,  1903  (wo  V.  d.  Hagen  gegen  die  Hs.  machte  gesetzt  hat) ,  daneben  die  Indicative 
aachie  (so  zu  lesen  für  sagte)  1911,  1209,  machte  2179,  lachte  (=»  posuit)  549,  2154,  77 
wo  wieder  gegen  die  Hs.  legte  gedruckt  ist). 


140  FEDOR  BECH 

an  der  gewaU  jstete  hette;  aber  im  Indic.  satzte  256;  —  Görlitzer  Land- 
recht herausg.  von  Homeyer  (des  Sachsenspiegels  zweiter  Theil,  11.  B.) 
S.  182*  si  sagen  ahir,  daz  die  vorstin  bi  keiser  Fridenchis  zitin  under  in 
seztin,  oh  usw.,  im  Indic.  dagegen  saztin  S.  181*  und  S.  181^* ;  —  Cölner 
Eidbücher  (Fahnes  Forschungen,  II,  2)  S.  78  sij  annämen  uns  des,  up 
dat  wir  sij  zu  vredin  settin  und  S.  80  up  dat  wir  in  setten  ind  hesechteu]  — 
Hermann  von  Fritslar  171,  20.  21  ein  meister  sprichit :  satzte  (?)  got 
alle  kriatüren  in  einen  geist,  di  fulleten  in  also  wSninc,  also  her  ein  swalwen 
nest  setzte  an  den  himel,  wo  das  erste  satzte  gegen  die  Gewohnheit  des 
Dialectes  und  wahrscheinlich  fllr  setzte  verschrieben  oder  verdruckt  ist: 
als  Indic.  satzete  und  saizite  103,  9  und  13  und  sa^te  91,  10;  —  Nie. 

V.  Jeroschin  8397  er  gab  in  sulche  lere daz  si:  vor  sich  setztin  Ir 

Schilde  und  dt  letztin  Der  cristnen  pfert ;  aber  im  Indic.  satzte: platzte  16313 
und  satin  10255  ;  —  Hoppes  Fragm.  einer  mitteld.  Evangelienüber- 
setzung (Haupts  Zeitschr.  IX)  299  si  truogen  in  in  Jerusalem^  daz  si  in 
setzten  dem  herren  =  Luc.  II ,  22 ,  ed.  Vulg.  et  tulerunt  iUum  in  Jer., 
ut  sisterent  eum  domino;  dagegen  im  Indic.  284  tmd  sazten  pobere  siin 
houbet  sine  sacke  geschreben  =  Matthaeus  27,  37  ed.  Vulg.  et  imposue- 
runt  super  caput  ejus  causam  ipsius  scriptam;  —  Henneberg.  Urkundenb. 
n,  12,  37  wer  ahr,  daz  wir  eine  bete  setzten  (a.  1334)  und  ebenso  III, 
42,  22  (a.  1362)  und  126,  23  wer  ab  ymand  der  unsem  sich  dowider 
seczte  und  deme  nicht  loolde  volgin  (a.  1383)  und  127,  14  wer  abir  der 
were,  d-er  sich  dawider  setzte  (a.  1383) ;  sonst  im  Indic.  sojzte,  sauste  z.  B. 
8,  30;  —  Magdeburger  Fragen  I,  2,  Distinct.  6  des  mannes  wtp  worde 
(=  gesetzt  sie  wurde)  zu  röte,  daz  sy  der  andern  frouwen  seczte  ire  kleider 
zcu  pfände  und  Distinct.  8  ab  der  miter  einen  andern  seczte  an  syne  stat^ 
der  dy  do  hilde  und  II,  2,  Dist.  9*  und  Dist.  14;  dagegen  Indic.  saczte 

z.  B.  I,  6,  Dist.  1 ;  —  Kulm.  Recht  IV,  46  ouch  geschege  is,  das 

her  ir  ein  genant  gelt  gelobete adir  setzete  yr  borgen  dovor ;  im  Indic. 

satzte  V,  49,  §.  4 ;  —  Ernst  v.  Kirchberg  S.  735  sy  wachten  daz  sldfinde 
her,  Daz  sy  sich  setzten  zu  irer  wer  und  S.  794  sy  hetten  liebir  dy  vesten 
nyder  geleity  wan  daz  sy  wider  den  konig  sich  Besten  also  frevellich  und 
803  si  sesten  daruf  iren  rät;  dawider  im  Indic.  her  sdste  S.  740  und 
759  und  besaste  :  vaste  681 ;  —  Böhmers  Urkundenb.  von  Frankfurt 
S.  637  w^  es  auch,  daz  yman  einen  dar  seczete  (a.  1355)  und  S.  669 
es  wSre  wale  ein  güd  zyt,  —  —  das  wir  sie  des  sichir  mechten  und  sesten 

in  dar  für  gysele  (a.  1355 — 59) ;  im  Indic.  dagegen  alse  he saste 

S.  666 ;  —  Weseler  Urkunde  a.  1380  in  den  deutschen  Reichstagsacten 
von  Weizsäcker  I,  266,  48  wer  der  were^  der  sich  darivider  seczte;  — 
Förstemanns  Neue  Mittheilungen  HI,  4,  73  dt  iz  (=  daz  gebrante  geU) 


DER  UMGELAUTETE  C0NJÜNCTIVU8  PBAETEBIW  etc.  iÜ 

nach  eines  (=  noch  einmal)  uf  sezte  und  andirweide  hrente,  da  ginge  abir 

me  ane  ahe  (a.  1360)  und  S.  167  were  ouch,  daz  di icht  sezten  edir 

noch  seczen  worden'^  —  Eisenach.  ßechtsb.  lH,  106  (S.  742)  worde  ein  wer- 
der,  aUd  daz  sich  loaz  sctisammene  setzte  mittene  in  dem  wass€r\  der  Indiö. 
saczte  dagegen  106  (S.  741);  —  Weisthum  aus  der  Umgegend  von  Würz- 
burg (Grimms  Weist.  VI,  89)  wer  ez  dan,  daz  sich  der  hübner  ein  teil 
dawider  sezten  (a.  1400) ;  —  Diocletianus  von  H.  v.  Bühel  7207  setzt' : 
ergetzt ;  sonst  Indic.  sat'  :  stat  4096 ;  —  Märchen  u.  Sagen  in  den  Altd. 

Bl.  I,  131  (252')  he  gehcmt, wen  sy  sich  zcu  tische  setczten,  sd  solden 

sy  usw.;  aber  Indic.  sy  satczte  S.  144  (270^);  —  Joh.  Marienwerder 
in,  40  (S.  326)  uff  das  ir  b,  diste  rischlicher  ire  büsse  setczte  und  sy 
eTäpönde]  —  J.  Bothes  Chron.  c.  144  her  bat  sie,  das  sie  om  büsse  umb 
die  sunde  setzten  und  c.  175  es  troymte  eirifie  Rdmer,  wie  das  man  svnen 
son  uff  s.  Peters  aliir  setzte  und  c.  327  das  her  —  abe  setzte  unde  — 
g^be  und   c.  736  das  her  sie  in  den  rät  setzte ;   im  Indic.  wieder  satzte 

z.  B.  c.  140  und  736 ;  —   Seelentrost  Bl.  209*^   he  —  bichte und 

sachi%  dat  he  eme  dar  vur  boesse  in  setze  (d.  h.  setzte) ;  —  Konr.  StoUes 

Chron.  Bl.  118  der  aide  herre  schickte  keyn  Erfort sine  rechtickeit 

zu  vorczdne ,  in  welcher  macht  he  sich  wedder  synen  brüder  setczte,  und 
BL  264  das  dy  von  Erffort  also  küne  wSren,  das  sye  dy  wmmoß  anders 
setczten  wan  es  vor  getoest  ist. 

b)  Spruch  über  Rückers  in  Hessen  (Grimms  Weist.  III,  389,  Z.  6) 
toere,  daz  davon  büze  geviele  oder  daz  sie  die  —  besetzten  oder  entsetzten 
(a.  1355);  —  J.  Rothes  Chron.  c.  567  domoch  nam  her  rätj  vne  her  das 
sloss  Nuwinburgk  besetzte  y  dagegen  im  Indic.  sie  besatzten  c.  568. 

c)  Karl  Meinet  507,  46  hey  eme  sagede,  wat  eme  der  ungetrüioe 
WeUis  geda£n  hedde,  Dat  hey  eme  syn  leynman  entsette^  vgl.  Eb. 

d)  Lamprechts  Alexander  437  er  sprah, «ö  kunincriches  nit 

ne  hete,  Daz  er  sinen  vinger  uf  gesetzte  (oder  gesette?);  Indic.  sazte  462;  — 

Riegers  Elisab.  7634  man  unde  ander  knechte da  zu  et*welet  wären, 

Daz  si  der  armen  lüde  schar  Gesezten  ordenUche  dar; — Henneberg.  Urkun- 

denbuch  I,  68,  22  sd  sulde  der  andere mit  eime  pferde  leisten  älsS 

lange,  biz  her  enin  andern  buergen  gesetzte  (a.  1317) :  —  Böhmers  Ur- 
kundenb.  von  Frankf.  522  wvrs  also,  daz  icir  des  nicht  inteden,  s6  soldin 
die  andern leisten alsd  lange,  biz  daz  wir  einen  als6  guten  bür- 
gen   an  der  virfam  stat  gesesten  (a.  1333) ;  —  Nie.  von  Jeroschin 

20054  dem  i  Vi  was  der  vUz,  tm  er  hd dt  cristinheit  gesetzte  Und  däbi 

geletzte  dt  heidinschaß ;    dagegen  Indic.  gesatzte  :  beschatzte   10366 ;  — 

J.  Rothes  Chron.   c.  350  Lodewigk  nam  des  rät,  wie  her  sme  kint 

üfs  gesetzte^ 


142  FEDOR  BECH 

e)  Salfeldische  Statuten  (bei  Walch^  Vermischte  Beyträge  zu  dem 

D.  Recht  I,  13 — 66)  c.  193  hette  ein  man  Wigüt und  vorsetzte  zcins 

an  deme  Imgüte,  und  weiterhin  ebenda  vorseczte  h^  ahir  zcins  an  dem  ei^he- 
güte,  daz  solden  usw. ;  —  Henneberg.  Urk.  III,  54,  17  und  were  das,  dxis 
unser  einer  icJd  versetzt',  s3  soW  un^er  izlicher  usw.  (a.  1365) ;  —  Weisthum 

zu  Arheiligen  (Grimms  Weist  I,  487)  c.  4  wer  die  strafie  und  wege 

vergrübe,  verschlüge  oder  versetzte,  der  soUe  usw.  (a.  1423). 

F.    Stelte    hestelte   g  est  elte    verstelte, 

a)  Livländische  Reimchron.  7871   dise  herren manten  alge- 

tiche  do  Ir  volc,  daz  sickz  stelte  so  Ez  solds  striten;  Indic.  staW  7747;  — 
Karl  Meinet  471,  52  stelde  :  velde,  507,  2  stelten  :  gekeilten,  sonst  im  In- 
dic. stalten: quaUen  238,  69  ;  — ^  Hermann  von  Fritslar  108,  23  do  hat  si 
unsen  herren,  daz  her  in  dd  zu  stelte  daz  hei*  hUhen  muste]  dagegen  im 
Indic.  sie  stalten  sich  49,  35  und  213,  23;  —  Magdeburger  Fragen 
m,  2,  Dist.  1  derselbe  spreche  unde  clagete,  ^  denne  der  cleger  syne  clage 
stellte'^  —  Böhmers  ürkundenb.  v.  Frankf.  hS  begerete  van  mir,  daz  ich 
yme  stelte  usw.  (a.  1388) ;  —  Nie.  von  Jeroschin  23007  sv^  er  di  hure  ge- 
winnet vant  Vil  wol  mit  vrechin  heldin,  Dl  sich  zu  wer  ouch  steldin  Wol 
menlich  in  den  vristen*)]  —    J.  Rothes  Chron.  c.  188  her  hat  on,   das 

her werete  den  SarrOjC^nen,  das  sie  so  getane  ungndde  nicht  zu  Hispa- 

nien  stelten  und  c.  601 ;  dagegen  der  Indic.  c.  133*  dd  sie  zu  lande  gwo- 
men  unde  sich  dd  zu  hlthen  stalten  und  133^  und  197  dd  zdch  der  konig 

vor  SpoUt  unde  vorhrante  unde  zuhrach  die  kirchen unde 

stalte  grdfie  unßlr\  —  Weisthum  zu  Trebur  (Grimms  Weist.  I,  496) 
stellte  der  ßscher  einer  sein  nachen  nicht,  der  sei  mit  acht  halben  Schilling 
menzschin  verfallen  (a.  1425)  und  Seligenstädter  Sendweisthum  (ebenda 
506)  welcher  under  yne  üz  hlibe  und  sine  dienst  nicht  dar  stellte,  —  der 
iglicher  w^re  schuldig  usw.;  —  Konr.  StoUes  Chron.  263^  der  rät  zu 
Erff<yrt  vorklagete  dy  monche  keyn  oren  obersten,  das  sy  das  abe  stelten, 

b)  Karl  Meinet  535 ,  22  hestelte  :  weite,  vgl.  unter  Fa ;  —  Eber- 
nand  2948  der  hdhesV  dd  te  rate  saz.  Wie  er  sd  hestelte  daz  Alse  ez  gote 
gezSme  (so  nach  der  Hs.,  während  in  dem  Texte  der  Ausgabe  bestalte 
dafiir  gesetzt  ist) ;  —  Herm.  v.  Fritslar  250,  9  sd  bat  di  vrowe  iren  wirt, 
daz  her  si  sente  nach  irme  sune,  daz  ei  irtie  hestelte  daz  si  vnste  beide  wi  iz 


*)  Di  sich  zu  ioer  ouch  steldin^  d.  h.  die  sick  auch  zur  Wehr  gesetzt  haben  würden 
oder  für  den  Fall  setzen  würden;  nach  Petrus  de  Dusburg  293:  misit  preelectos  viros 
et  in  armis  expeditos  plurimos  [vool  menlich^  d.  i.  oberdeutsch  manndgilih  ^  männiglicTi] 
ad  defensionem.  « 


DER  UMGELAUTETE  CONJUNCTIVUS  PRAETERITI  etc.  143 

ime  ginge;  —  Urkunde  des  Königs  Wenzel  a.  1379  (Deutsche  Reichstags- 

acten  von  Weizsäcker  I)  250,  35  wer  is  sacke,  das  yemand dheinen 

zoU hesteUe  oder  ujfheme;  —  J.  Rothes  Chron.  c.  311  dit  wart  ent- 
boten dem  konige  also :  hesteUe  her  nicht  besser  were  keigen  den  cristen,  her 

verlöre  Anthiochia  und  313  do  riet  herzöge  Gotfridt >  das  sie  ir  spitzen 

unde  ir  hanyr  hestelten  so  sie  beste  mochten  und  285  her  hat  on  durch  goty 
das  her  hesteUe;  dagegen  im  Indic.  bestalte  c.  131  und  583. 

c)  Magdeburger  Fragen  III,  9,  Dist.  2  des  so  gestelte  (=  gesetzt 
nun,  es  stellte)  der  horggreve  den  gefangen  man  vor  gehegit  ding  unde 
spreche, 

d)  Nie.  von  Jeroschin  19226  zu  jungist  vundin  si  den  rät,  Daz  man 
mit  wtblichir  lodt  Einen  man  hewunde  Und  vorstelte  im  den  lih ;  aber  Indic. 
vorstaüin  :  vorwaltin  25083. 

Gr.   Ente   verente   volente, 

a)  Herbort  v.  Fritslar  9975  von  dem  (Ajax)  was  man  ungewon, 
Daz  er  alsd  lange  zit  Dannen  hebte  gebtt,  Daz  er  ente  deheine  tat;  — 
Philipps  Marienleben  7686  woW  mir  komen  nü  der  tot,  Daz  er  endet 
{ende  =  ente?)  mir  min  leben;  —  Ernst  von  Kirchberg  S.  632  vil  bilch 
ir  dy  (fursten)  besented,  Waz  ir  dan  mit  mir  ented  Unde  mir  zu  brechtid, 
daz  müste  ich  Ltden  von  üch  endelich ;  dagegen  lautet  der  Indic.  S.  640 
des  morgens  do  dy  nacht  sich  ante  (:  besante)  und  658  brante  :  ante  und  778 
:  mante. 

b)  Pass.  K.  129,  76  er  viel  druf,  daz  er  selbe  schribe  (:  blibe)  einen 

brief und  den  briefso  hinsente,  Da  Tnan  ez  gar  verente;  aber  im  Indic. 

immer  ante,  z.  B.  Pass.  H.  24,  3  und  86,  18  :  bekante. 

c)  Pass.  H.  24,  80  volente  :  benente^  vgl.  Cb,  und  Pass.  K.  646,  80 
Bamahas  —  sprach  dd  zu  demente:  Die  rede  ich  (im  Text  steht  ist  fiir  ich) 
wol  volente  Und  sagete  dmer  willekur  Die  meinunge  drüz  hervur,  W^e  mir 
dran  nicht  gestalt  usw.;  68,  88  wie  Petrus  unde  Paulus  Qewiset  heben  in 
alsusy  Daz  er  nach  im  sente  Und  mit  im  gar  volente;  im  Indic.  dafür  volante 
223,  32  und  361,  13  und  572,  5;  —  Florentiner  Pghs.  von  Gottfrieds 

Tristan  ed.  Maßmann  185,  12  sus  wurden  si  zwen enein , 

vrie  er  volente  sine  vart;  —  Gespräch  zwischen  Seele  und  Leichnam 
(diese  Zeitschr.  III,  404)  186  volente  :  bekente,  vgl.  Bb ;  —  J.  Rothes  Eli- 

sabet  BL  118*  ditz  riet  ouch  der  bischofvon  Bamberg^  daz  sie sich 

lißen  dasfrome  lüde  Uren,  Was  die  fort  in  orem  besten  erkenten^  Das  sie  das 
gütlich  volenten;  dagegen  Indic.  ante  in  J.  Rothes  Ritterspiegel  646,  2491. 
Chronik  c.  ,363  und  366, 


144  FEDOR  BECH 

H.    Schente  ges  chente* 

a)  Heidelb.  Pghs.  der  Kaiserchronik  13721  si  inpu/ten  dem  hunige 
Daz  er  die  hervart  wente,  Sm  gesiechte  dd  nine  schente ;  und  2604  brervten 
:  scheuten,  vgl.  Aa;  —  PasB.  H.  354,  70  des  keisers  rät  was  druf  gewanf, 
Daz  er  in  vollen  schente  Und  verre  hin  ve^^sente]  Pass.  K.  120,  33  da  liez 
sin  zom  da  nach  in  streben,  Daz  man  sie  beide  schente  Und  von  dem  lebene 
wente ;  468,  7  schente :  brente  vgl.  Aa ;  660,  44  got  half  ouch  hie  ClSmenten, 
Uf  daz  in  nicht  enschenten  Des  bösen  herren  knechte ;  —  Ernst  von  Kirch- 
berg S.  677  nü  quam  des  greven  bodeschaft,  Daz  her  syne  kraft  besente,  Sd 
daz  her  Swenne  schente'^  dagegen  Indic.  besante  :  schante  S.  712  und  :  vir- 
brante  S.  715;  —  Straßburger  Pghs.  der  Kaiserchronik  9868  si  begonde 
werben,  wie  si  schente  die  kristen. 

b)  Herzog  Ernst  herausg.  von  Bartsch  (Bruchst.  des  niederrhei- 
nischen Gedichtes  aus  dem  12.  Jh.)  S.  3,  35  dd  dägter  toat  he  rette,  Dd 
mide  hers  ime  intwente,  Dat  her  in  so  gescente ;  —  Pass.  K.  656,  55  Simon 
was  mit  vUze  ie  daran,  Wie  er  Petrum  gescheute  Unde  ez  also  wente,  Daz  usw. ; 
aber  Indic.  schante,  z.  B.  389,  60  :  gebraute  und  Pass.  H.  296,  89  :  be- 
kante ;  —  Straßburger  und  Heidelb.  Pghs.  der  Kaiserchron.  12703  ^  ich 
mich  so  gescheute  (schente),  Gemer  dole  ich  diz  gebende. 

I.  8 ente    b e s ente  g es ente   versente^ 

a)  Graf  Rudolf  [22],  9  dd  bat  die  vrowe  gute unseu  herren  got, 

Daz  her  sie  gewetzte,  Daz  her  ir  den  wider  seute  (:  ein  ende) ;  dagegen  der 
Indic.  saute  [18],  6;  —  Herbort  von  Fritslar  17774  sente  :  bereute  vgl.  Db ; 
dagegen  Indic.  sante,  z.  B.  17833;  —  Pass.  H.  84,  5  und  Pass.  K. 
68,  87  sente  :  volente  vgl.  Gc;  129,  75  hinseute  :  verente  vgl.  Gb;  337,  57 
Martha  sprach,  daz  man  sente  Nach  alle  dem  convente]  aber  im  Indic. 
stets  sante,  z.  ß.  Pass.  H.  374,  60  :  erwante  und  :  lande  385,  53;  — 
Heinrich  v.  Kjolewiz  2376  sente  :  verbrente  vgl.  Ac ;  —  Godefiit  Hagen 

72  dus  qudmeu ire  boden ,  Dat  men  seute  geleirde  h^en,  Dat 

sy  des  Volkes  moichteu  beMreu,  Dat  eusolde  usw. ;  —  Heidelb.  (u.  Straßb.) 
Pghs.  der  Kaiserchron.  802  der  böte  bat,  daz  si  daz  bilide  sente  {sende) ; 
1 1445  sie  rieten  im  daz  er  sie  nceme  unde  sente  sie  ubir  sewe ;  auch  8534 
scheint  sie  erkcente  :  sceute  zu  haben;  —  Karl  Meinet  362,  44  kende  : 
sende,  sonst  Indic.  sande  :  lande  46,  26;  130,  22;  —  Frauentrost  von 
Siegfried  dem  Dörfer  71  seute  :  erkente ,  vgl.  Bc ;  —  Hermann  der 
Damen  in  MSH.  HI,  167'  (IV,  11)  genügen  Hüten  loundert  des,  Durch 
waz  got  nicht  ensende  Ein  ändeftm  vur  sich  an  daz  zil^  Da  er  den  tot  en- 
phie  (:  behende);  —  Livländische  Reiiwchron.  10800  defi^  brüder  botschaft 


DER  UMGELAUTETE  C0NJUNCTIVU8  PRAETERTTI  etc.  145 

wcuf  also:  Die  von  Ntßant  wceren  vro,  Daz  man  einen  meister  dar  Und 
hruoder  sente,  vgl.  heaerde  unter  Ib;  3872  hrerden  :  aevdeny  vgl.  Aa;  — 
Riegers  Elisabet  1138  si  jähen  unde  fanden  rät,  Daz  man  dair  an  ge- 
nente,  Daz  man  si  wider  sente  und  2522  vn  daz  mir  nit  gebr^he  Stunde 
unde  ouch  der  unU,  Ich  sente  verre  m/dey  Daz  man  dir  cleider  brechte  ; 
dagegen  Indic.  aante  ifoUante  10427 ;  —  Nie.  v.  Jer.  1194Q  benente :  eente, 

vgl.  Cb ;   8065  des  schrehin  si  an  got, daz  er  in  hülfe  sente  Und 

iren  kummir  wente ;  524  da  von  wart  al  der  herrin  rät  dar  üf  gesät,  Daz 

herzöge  Friderich benente  Boten^  die  er  sente  Dem  kunge\  —  Ley- 

sers  Predigten  aus  dem  14.  Jh.  80,  6  sente  Johannes bat  un^ßtn 

herrin  den  almechtigen  got  einer  genddeny  daz  er  die  dn  sMen  wider  sente 
zu  irms  Uchname]  87,  23  daz  endar  ich  vor  wäre  nicht  sprechen ^  daz 
stz  dar  sente  \  dawider  im  Indic.  sante  86,  30;  94,  7;  —  Hermann  von 
Fritslar  250,  7  und  got  gap  ir  den  sin,  daz  si  rit  irme  manne,  daz  si 
iren  sun  senten  zu  verrer  schule  und  8  sd  b(xt  di  vrowe  iren  wirt,  daz 
her  si  sente  nach  irme  sune\    —    Bruder   Philipps    Marienleben    6464 

Jesus  sine  junger hiz  j  Daz  n  wem  an  ir  gebete,   Daz  der  tievel 

nicht  enhete  wec  zu  in,  daz  er  si  mute  und  kranken  müt  in  ans  sende 
(:  ende) ;  im  Indic.  aber  5981  santen  :  manten ,  8930  sanden  :  landen^ 
8745  sande*^  —  Salomon  und  Morolf  (in  v.  d.  Hagens  Deutschen  Ged. 
des  Mittelalters  I)  I,  1622  si  bot  dem  heiden  yren  gedang,  Daz  er  an 
syne  güde  genente  Und  ir  baden  dar  sente,  und  gleich  darauf  der  Indic. 
er  sante  ir  czwene  spilman ;  ebenda  S.  24,  V.  2263  g^e  er  mir  schöne  ant- 
wort.  Ich  sentf  yns  wider  über  s^;  —  Ernst  v.  Kirchberg  S.  620  ez  wSre 
grdze  zid,  daz  got  dem  fursten  vor  uns  syne  ra^ihe  sente  Und  uns  dyt  lyden 
wente\  S.  626  ob  uns  daz  glück  w^e  bescherd,  daz  god  uns  —  ynumden 
zu  sente.  Der  uns  noch  vnderwente]  S.  649  her  bad  gody  daz  her  yn  sente 

an  eine  stad;    781    irm  sone  ried  si  sirCy    daz  her sente  si  iren 

brOdem  vnder'^  der  Indic.  dagegen  sante^  z.  B.  S.  748  lande  (Leid),  797 
:  kante;  —   Henneberg.  Urkundenb.  IH,  132,  24  w^  auch^  daz  sie  iht 

boten  zu  uns senten  oder  teten  usw.    (a.  1384);    —  Margareten 

Passie    (in  0.  Schades   Geistlichen  Gedichten  vom  Niederrhein  S.  85) 

72  want  sie  beval  sich Ji&Ä  Christo,  Dat  he  ir  an  iren  ende  Sinen 

heiigen  engel  sende;  —  Magdeb.  Fragen  I,  7,  Dist.  19  ein  man  sente 
synen  son  kSn  Flandir  mit  czen  stu^cken  wachs  =  angenommen  ein  Mann 
schickte  usw.,  und  in  gleichem  Sinne  HI,  6,  Dist.  2;  im  Indic.  santen 
in,  5,  Dist.  1 ;  —  Märchen  und  Sagen  (Altd.  Blätter  I)  301 ,  Z.  2  e« 
were  umbiUich,  das  du  mich  mynem  vatere  wedder  sentest;  —  Görlitzer 
Statuten  385,  40  item  welch  man  ader  weib weide  sich  rechfer- 
tigen, das  er  em  den  botten  zcuvorüss  sente;   —   J.  Rothes  Chron.  c.  99 

GBaiIA.NIA..  Neu«  Reihe  111.  (XV.)  Jahrg.  10 


146  FEDOR  BECK 

der  schreib  om  wedir^ An  volk  das  serUe  her  om*^    c.  106  etzliche, 

herren  —  —  Seiten  om  die  mer,  daz  Darius  äbir  sampnete  unde  sente 
keigen  Indien*^  c.  116  dd  schreib  her  ir  einen  brief ,  her  sente  ir  einen 
gülden  tempel;  'c.  146  sente  PSter  und  sente  Paul  hißen  on,  das  her  sente 
ndch  dem  bäbiste;  c.  549  sz  bäthin  on,  das  her  —  sente  y  c.  660  her 
schreib  —  sime  swagir,  das  her  om  Ane  frowen  wedir  sente '^  —  Chronik 
des  Joh.  von  der  Posilge  S.  162  der  koning  von  Polan  sante  sine  botin 
an  den  hßmeister^   begemde  das  her  sente  sine  boten  kegin  der  Wille;  — 

Seelentrost  ÖO**  Judas begont  —  zo  vraigen,  wS  lank  dat  des  were^ 

da^  A  dat  kint  in  dat  mer  sente, 

V)  Livländische  Reimchr.  5876  den  rät  sie  gäben  ime  sdn,  Daz  er 
eine  hervart  Besende  rasch  und  ungespart;  —  Karl  Meinet  231,  28,  be- 
sendeipende,  vgl.  unter la;  —  Rheingauer  Landweisthum  (Grimms  Weist. 
4,  573)  Z.  19  welcher  herr  dan  kSm^  und  besende  in  (a.  1324) ;  —  Ernst 
V,  Kirchberg  S.  632  besented  :  ented,  vgl.  Ga;  S.  677  besente  :  schenJte, 
vgl  Ha;  aber  besante  imindic.  z.B.  S.  640  :  ante^  643 u.  712  :  schante;  — 
Die  alten  Gesetze  von  Nordhausen  (Förstemanns  Neue  Mitth.)  III,  4,  42 
v)$re  ouch  daz  der  —  —  aheginge,  sd  sullen  dz  y  d/i  on  gekom  heäen, 
wanne  si  der  rät  besente, einen  andern  —  kiesen. 

c)  Kuninc  Ruother  3862  owi  gesentin  unse  trechtin, h^  worde 

etMcheme  Daz  in  sivin  nachtin  Virsmerze  nine  mochte;  —  Godefrit  Hagen 
3935  hie  veiU  zS  gode  syne  hende,  Dat  hie  in  myt  Sren  heim  gesende; 
im  Indic.  dagegen  sante  :  kante  1539;  —  Wiener  Meerfahrt  294  gesente 
:  kente^  vgl.  Ba;  —  Des  Mönches  Noth  von  dem  Zwickauer  515  gesente 
:  irkente,  vgl.  Bc ;  —  Friedr.  Ködiz  von  Salfeld  (Das  Leben  des  h.  Lu- 
dewig) S.  14,  5  dar  umhe  was  si  besorgit,  wi  si  ire  tochtir her  zu 

lande  gesente;  7a,  9  dagegen  der  Indic.  si  sante, 

d)  Pilatus  328  versenten  :  irkenten,  vgl.  Bc ;  —  Pass.  H.  354,  71 
schente  :  versende ^  vgl.  Ha;  359,  16  Juliänus  die  list  dd  vant,  Daz  man 
in  hin  zur  wüste  versente. 

K.    Wente   entw ente   erwente  gewente   ummewente 

widerwente. 

a)  Heidclb.  Pghs.  der  Kaiserchron.  13722  wente :  schente,  vgl.  Ha^  — 
Pass.  H.  117,  48  brente  :  wente,  vgl.  Aa;  Pass.  K  9,  71  er  bat  —  daz 
A  —  got  solden  biten,  —  daz  er  ir  wale  unde  ir  spur  Wente  uf  einen 
guten  mxin;  120,  34  schente :  wente,  vgl.  Ha;  126,  22  unz  an  daz  firma- 
mente,  Ouch  sach  er  vne  sie  sich  wente;  438,  33  bekente :  wente,  vgl.  Bb ; 
656,  56  geschente  :  wente,  vgl.  Hb ;  661,  36  rufet  mir  ot  dementen .  Sus 
bat  er,  daz  A  senten  Nach  dem  bischove ;  666,  24  dd  der  gelas  die  schonen 


DER  UMGELAUTETE  CONJUNCTIVUS  PßAETEEITI  etc.  147. 

Stift  An  dem  guten  demente,  Wie  sich  des  leben  ie  werde  Zu  gote;  dagegen 
im  Indic,  wante  z.  B.  477,  24  zver braute,  572,  5  wanten  :  volanten\  — 
Heinr.  v.  ELrolewiz  830  nenten  :  wenten ,  vgl.  Ca;  3638  und  wolde  er 
geben  richez  gut ,  Daz  sumeltche  iren  müt  An  in  wenten  gerne ;  —  Nie* 
von  Jeroschin  8066  senJbe  :  werde,  vgl.  la ;  im  Indic.  wante  z.  B.  7694 
:  nante\  —  Ernst  von  Kirchberg  S.  620  serde  :  wente,  vgl.  la;  und  ebenso 
S.  626,  vgl.  la;  S.  725  widerwente:  etdrerde,  vgl.  Dd;  der  Indic.  aber  her 
tränte  S.  643,  650  usw. ;  —  Kulmisch.  Recht  IV,  26  und  loente  ( ^  an- 
genommen er  wendete)  is  an  sinen  nutz]  —  Würdtwein  Diplomataria 
Maguntina  I,  S.  45  welche  Judden  zu  Mentze  mit  der  vorgen.  summe  geldes 
gesatsSt  gründen  wurden,  in  waz  stede  sie  sich  wenten,  die  selben  Judden 
BOÜen  usw.  (a.  1294);  —  J.  Rothes  Elisabet  130*  wente :  erJcente,  vgl.  Bc; 
im  Indic.  wante  :  erkante  129*;  —  Joh.  Rothes  Chron.  c.  668  der  sprach 
zu  einem  male,  her  wenthe  sich  umbe  den  lantgräven  nicht]  —  Grimms 
Weisthümer  I,  577,  Z.  5  also  dick  als  sie  da  ufioendeten  uf  dem  mark- 
lande,  also  dick  hebten  sie  10  pfenn,  verloren  (a.  1421);  —  Michelsens 
Codex  Thuringiae  diplomat.  S.  79,  Z.  20  was  mogeliches  schadin  die  ge- 
nanten kouffer doruff  t^ten  adir  wenten  (a.  1467). 

b)  Herzog  Ernst  ed.  Bartsch  S.  3,  34  inttcente :  gescente,  vgl.  Hb. 

c)  Pass.  H.  216,  29  enbrente :  erwente,  vgl.  Aa ;  355,  41  verbrenten 
lerwenten,  vgl.  Ac;  Pass.  K.  302,  21  st  wolden  dran  beschowen.  Ob  si 
in  sd  ei'wenten.  Zu  disen  valschen  renten  Was  im  rechte  liebe ;  600,  69 
und  wolden  im  des  nicht  gestaten,  Daz  er  den  heiligen  schoten  An  irem 
boume  erwente  (:  die  ml  ubeln  rente). 

d)  Pass.  K.  482,  64  brente :  gewente,  vgl.  Aa;  —  Rüdiger  von  Munre 
im  Irreg.  und  Girregar  1229  gewentes  :  erkentes,  vgl.  Bc;  —  Die  alten 
Gesetze  von  Nordhausen  (Förstemanns  N.  Mitth.)  IH,  4,  66  und  welch 
unsir  borger  edir  borgerin  daz  ummer  vorbrechte,  gewende  edir  dar  umme 

redte ,  der  edir  d%  sal  usw.  und  ebenso  S.  68,  Z.  3,  wenn  nicht 

vielmehr  an  beiden  Stellen  das  Praeteritum  von  wehenen,  gewehenen,  ge- 
wenen  gemeint  ist  =  gedenken,  erwähnen. 

e)  Pass.  K.  482,  37  ummewente  :  brente,  vgl.  Aa, 

Von  den  hier  aufgeführten  Denkmälern  zeigen  die  ältesten,  die 
dem  12.  oder  gar  noch  dem  Ende  des  11.  Jahrhimderts  angehören, 
ein  bedeutendes  Schwanken,  weil  da  die  Regel  erst  im  Entstehen  ist 
und  sich  noch  nicht  allgemein  festgesetzt  hat.  Sie  gehören  alle  in  den 
äußersten  Westen,  in  die  Gegend  des  Rheines.  So  die  altmitteld.  Evan- 
gelienharmonie herausg.  von  Weigand  (=Friedberger  Christ,  vgl.  oben 
Bc),  in  der  sich  neben  erkenden  noch  der  Conj.  erkanden  findet  S.  272, 
19;  —  eben  dahin  gehört  der  König  Rother,  wo  noch  die  Conjunctive 

10* 


148  PEDOR  BECH 

sande  188.  2933.  3231.  3817  iwante  n^engeaentey  vgl.  Ic;  —  W.Grimms 
Marienlieder  :  brende  neben  brande,  beide  Male  Indic.^  107,  1 — 2,  vgl. 
auch  44,  6,  ebenso  ende,  geende  124,  35  u.  46,  8;  dagegen  vgl.  wieder 
oben  Bb;  —  Lamprechts  Alexander*):  Conj.  sazte  3836,  vgl.  dagegen 
Ec;  femer  die  Conj.  sande,  gesande  2291.  2812.  1193.  2090.  3339.  6326, 
erkande  5639.  6074,  kanten  862,  dagegen  hrenten  oben  unter  Aa.  Theil- 
weise,  wenigstens  bei  den  drei  Letztgenannten,  hat  das  Schwanken  sei- 
nen Grund  in  dem  dort  herrschenden  Dialecte,    der  vom  ünterrheiö 
her  stark  beeinflußt  war,  worüber  später.  Endlich  ist  auch  hierher  zu 
ziehen  der  Karl  Meinet;  dort  findet  sich  an  zwei  Stellen  noch  der  Conj. 
kanten  (:  ranten :  wantea)  504,  17  und  34,  sowie  der  Indic.  geende  {:  sende) 
393,  20  und  volende  (ihende)  212,  50;  im  Übrigen  herrscht  hier  schon 
die  mitteld.  Regel.  Ahnlicher  Art  sind  die  Abweichungen,  welche  sich 
in  den  Schriften  aus  den  deutschen  Ansiedelungen  des  Ostens  finden, 
aus  Böhmen,  Schlesien,  der  Lausitz  und  Preußen.  Dahin  gehört  Bruder 
Philipps  Marienleben  6554  sd  haste  ich  got  den  vater  min,   der  aant' 
von  Jiimel  mir  ein  her,  wo  sant^  verderbt  sein  kann  flir  sent'  (ein  ähn- 
licher Fehler  scheint  7193  näm'  flir  n^'  =  sumeret),  vgl.  dagegen  la;  — 
in  Ludwig  des  Frommen  Kreuzfahrt  (gedichtet  bekanntlich  von  einem 
Schlesier  in  des  Herzogs  Bolko  Diensten)  die  Conjunctive  nande  (:  lande) 
45  und  außer  Reime  sante  2881  u.  3782,  verhrante  3785,  welche  drei 
letzten  Stellen  vielleicht  auch  unter  oberdeutschen  Händen  gelitten  haben ; 
sonst  findet  sich  freilich  in  diesem  Gedichte  keiner  der  oben  genannten 
Conjunctive  auf  e,  nur  2890  wird  der  Conj.  eracheUe  deutlich  geschieden 
von  dem  Ind.  erschalte  2893 ;  —  in  der  Livländischen  Reimchronik  der 
Conj.  sande  (:  Ntßande)  496  und  588,    sonst  überall   die  Form  auf  e, 
vgl.  die  Beispiele  unter  Aa,  Da,  la^  Ib ;  die  Abweichung  von  dbr  md. 
Regel  ist  in  dieser  Chronik  kaum  anders  als  aus  der  Reimnoth  zu  er- 
klären, wie  dies  auch  bei  Nie.  v.  Jeroschin  der  Fall  scheint  in  Bezug 
auf  undersette :  hestette  (=  bestätigte)  25281 ;   auch  bei  diesem  ist  sonst 
flir  den  Indic.  nur  der  Rückumlaut  a  zu  finden,    vgl.  Ea.     Ein  stä- 
tiges  Festhalten   am  Gebrauch  darf  endlich  auch  nicht  bei  den  oben 
angeflihrten  md.  Schreibern  der  Kaiserchronik^  des  Tristan,  des  A.  Hein- 
rich**) gesucht  werden;  ihre  Mundart  kömmt  eben  nur  da  zum  Durch- 
bruch, wo  die  Fessel  des  Reimes  sie  nicht  hindert. 

*)  Daß  der  Alexander  Lamprechts  niederrheinischen  Ursprungs  ist,  schließt  auch 
Pfeiffer  aus  der  Beschaffenheit  der  Keime ,  gegen  Diemer  und  Wackemagel,  vgl.  diese 
Zeitschr.  III)  494  und  Anm. 

**)  Aus  Handschriften  oberdeutscher  Schriftsteller  werden  sich  jedesfalls  noch  mehr 
Beispiele  auftreiben  lassen;  vgl.  z.B.  die  Stelle  im  Freidank  106,  14  nach  der  Würz- 
burger und  der  Helmstädter  Hs. 


DER  UMGELAUTETE  CONJUNCTIVüS  PRAETERITI  etc.  149 

Für  alle  übrigen  oben  citierten  Denkmäler  gilt  dagegen  seit-  dem 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  die  Regel,  daß  der  Conjunctivus  Praeteriti 
der  berührten  Zeitwörter  aus  a  in  e  umlautet,  sich  also  lautlich  von 
dem  entsprechenden  Indicativ  unterscheidet.  Und  dahin  gehören: 

1.  aus  den  ßheingegenden  oder  deren  Nachbarschaft:  das  Gedicht 
des  Armen  Hartmann  Vom  Glauben ,  Graf  Rudolf,  Herzog  Ernst,  Pi- 
latus^ der  Jungherr  und  der  treue  Heinrich,  Godefr.  Hagens  Chronik, 
die  Cölnischen  Eidbücher,  der  Seelentrost,  Salomon  und  Morolf,  Ge- 
spräch zwischen  Seele  und  Leichnam,  Diocletianus  von  H,  v.  Bühel; 

2.  aus  der  Wetterau  und  aus  Hessen:  die  Trierer  Interlinear- 
Psalmen(?),  Salomönis  Hüs  (bei  Adrian),  das  Leben  der  h,  Elisabet, 
das  Urkundenbuch  von  Frankfurt,  Herborts  Lied  von  Troja,  das  Hei- 
ligenleben von  Hermann  von  Fritslar; 

3.  aus  Düringen  und  Henneberg :  Wernhers  von  Elmendorf  Tu- 
gendlehre, Heinrich  und  Kunigunde  von  Ebemand,  Rittertreue,  Frauen- 
tumier,  die  alte  Mutter  (?),  das  Mühlhäuser  Rechtsbuch,  das  Leben  des 
h.  Ludwig  von  Ködiz,  Nordhäuser  Rechtsbücher,"  Salfelder  Statuten^ 
Eisenacher  Rechtsbücher,  Joh.  Rothes  Chronik  nebst  Ritterspiegel  und 
Elisabet,  Konrad  Steiles  Chronik,  Henneberger  Urkundenbuch; 

4.  aus  Obersachsen  mit  Meissen :  Vaterunser  Heinrichs  von  Kro- 
lewiz,  die  Lieder  von  Rümzlant,  vom  altem  Meissener  und  von  Hermann 
dem  Damen ,  die  Leipziger  Predigten  (Leyser) ,  der  Tristan  Hein- 
richs von  Freiberg  nebst  dessen  Ritterfahrt  Johanns  von  Michelberg, 
des  Mönches  Noth  vom  Zwickauer,  das  Freiberger  Recht,  Matthias  von 
Beheim  Evangelienbuch,  Magdeburger  Fragen,  Rechtsbuch  nach  Di- 
stinctionen ,  die  Leipziger  Novellen  (=  Märchen  und  Sagen  in  den 
Altd.  Bl.) ; 

5.  aus  Böhmen,  Schlesien,  Lausitz,  Preußen  usw.:  das  alte  Pas- 
sional(?),  das  Kulm.  Rechte  das  Leben  der  h.  Dorothea,  die  Chronik 
des  Joh.  von  der  Posilge,  Wiener  Meerfahrt,  Veterbuch,  Görlitzer  Land- 
recht, Magdeburg -Breslauer  Schöffenrecht,  Görlitzer  Annalen,  Jahr- 
bücher Johanns  von  Guben. 

Dazu  kommen  noch  einige ,  die  ihrer  Heimat  nach  sich  nicht 
näher  bestimmen  lassen ,  wahrscheinlich  aber  dem  östlicheren  Mittel« 
deutschland  angehören,  wie :  der  Frauentrost  von  Siegfried  dem  Dörfer, 
Alexander  und  Antiloie,  Chronik  von  Ernst  von  Kirchberg,  Lregank 
imd  Girregar  Rüdigers  von  Munre,  Frauentreue,  Hoppes  Fragm.  einer 
md.  Evangelienübersetzung  usw. 

Das  in  diesen  Schriften  waltende  Gesetz  ist,  nach  der  Menge  der 
aufgeführten  Beispiele  zu  urtheilen,  ftlr  das  13.  bis  15.  Jh.  so  durch« 


150  FEDOR  BECH 

greifend,  daß  Verstöße  dagegen  äußerst  selten  und  da  wo  sie  sich 
finden  meist  aus  verderbender  Überlieferung  abzuleiten  sind.  So  ist 
ganz  gegen  den  Geist  und  die  Art  des  Dialectes  sente  statt  sante  ge- 
schrieben in  den  Leipz.  Predigten  bei  Leyser  84,  1  dd  benam  in  (=un- 
sen  herren)  in  der  hurggräve  Felix  und  sente  in  zu  einer  stat  die  hiez 
C^sared]  Conj.  und  Indic.  sind  hier  sonst  streng  auseinander  gehalten, 
Vgl.  la.  Bei  H.  v.  Krolewiz  2359  got  der  sente  (?)  un^  sinen  sun  zu  einem 
tröste  her  nider  nach  der  Schweriner  Hs. ,  wo  die  Gothaer  sante  statt 
sente  list,  vgl.  dagegen  2218,  3443,  4769  und  den  Conj.  sente  oben 
unter  la.  Bei  Ernst  v.  Kirchberg  S.  744  ist  der  Indic.  in  her  stelte  sich 
durchaus  regelwidrig  und  daher  in  stalte  zu  ändern,  wie  die  Form  S.  687 
und  756  (bestalte)  lautet;  ebenso  verderbt  ist  daselbst*  S.  746  her  gebod 
dem  bischoffe  so  Daz  her  quem  zu  Alexandra  Oder  sante  (?)  syne  legäten 
dar,  vgl.  unter  la.  Im  Salomon  und  Morolf  I,  199  ich  sante  {?)  dir  wol 
drizig  tüsent  man  ist  der  Conj.  sante  unerhört,  vgl.  oben  la,  das  Rich- 
tige bietet  die  Hs.,  welche  hier  füren  ihfdren)  hat,  vgl.  168  und  181. 
In  Joh.  von  Guben  Jahrb.  44,  27  si  tötin  deser  stat  grSsin  schaden, 
also  das  man  noch  den  schepphen  senten  (?)  von  Ostros,  wo  der  Sinn 
und  der  dort  herrschende  Gebrauch  die  Form  sante(n)  verlangen,  wenn 
man  nicht  etwa  annehmen  will,-  daß  hier  der  Conj.  nach  lateinischer 
Weise  gesetzt  sei  =  ita  ut  mitterent;  vgl.  la.  Im  Pass.  K.  645,  77  ist 
nach  der  Königsb.  Hs.  gedruckt  daz  im  nie  Ein  einic  mensche  wider  gie,  Daz 
verrens  icht  bekante  (?)  Und  im  hie  benante  (?)  usw. ;  mehr  dem  dort  walten- 
den Gebrauche  entsprechend  ist  die  Lesart  der  Stuttg.  und  Schwerin.  Hs. 
bekente  :  benente^  vgl.  die  Beispiele  unter  Bb  und  Cb.  Im  Tristan  Hein- 
richs V.  Freib.  289  und  westet  vrz,  daz  her  Tristan  Uch  üz  dem  herzen 
hat  gelänj  Ir  wantet  (?)  uwer  gemüte an  den  kunic,  wo  wahrschein- 
lich wentet  das  Richtige  gewesen  wäre;  der  Dichter  sprach  im  Indic. 
nur  irkante,  im  Conj.  dagegen  erkente  brente  rente,  vgl.  oben  Bc,  Aa,  Da. 
Bei  dem  Minnesinger  Meister  Gervelin  (in  MSH.  HI,  35 — 38  =  Myller 
II,  58)  III,  1  heißt  es  kanf  ich  in  bi  namen,  ich  woUe  in  schelten,  wo 
wohl  auch  kente  stehen  sollte ,  denn  der  Verf.  stammt  jedesfalls  aus 
Mitteldeutschland,  wie  man  annehmen  muss  aus  seinen  Reimen  Idp: 
stop  I,  4,  ich  muoz  geiwe  I,  3,  unsalde :  walde  HI,  3;  seinen  Aufent- 
halt im  untern  Deutschland  kennzeichnen  auch  die  Worte  in  HI,  4 
ich  weiz  noch  singere  die  dort  obene  sint  in  Osterfranken.  Im  Pass.  H. 
249 ,  64  ein  bischof  er  dar  nach  wart  unde  ente  (?)  silecUch  sin  leben  — 
ist  wahrscheinlich  ante  für  ente  zu  lesen,  denn  so  lautet  hier  der  Indic; 
24,  3  und  86,  18  (:  bekante)  \  über  den  Conj.  ente  dagegen  sieh  oben 
Gb  und  Gc.  Endlich  in  der  Elisabet  219  des  hatte  er  keinen  bresten: 


DER  ÜMGELAUTETE  CONJÜNCTIVUS  PRAETERITI  etc.  IM 

er  kerde  ez  alles  sanwnt  gar  lässt  sich  wol  kente  fllr  Conj.  nehmen  im 
Sinne  von  enkente  (als  beschränkender  Satz),  denn  Schriftsteller  jener 
Zeit  pflegen  in  diesem  Falle  schon  öfter  die  Negation  zu  sparen ;  wo 
nicht,  Bo  wäre  ein  Verderbniss  des  Textes  zu  vermuthen;  vgl.  Riegers 
Einl.  S.  42  und  oben  unter  Ba  und  Bc. 

AuflFallen  könnte  es,  daß  diese  mitteld.  Conjunctivform  in  einer 
Anzahl  hierhergehöriger  Schriftwerke  nicht  vertreten,  man  möchte  sa- 
gen verleugnet  ist.  Ich  denke  besonders  an  die  Fragmente  von  Athis 
und  Prophilias,  die  Lieder  Heinrichs  von  Morungen  *),  Marien  Himmel- 
fahrt (in  Haupts  Zeitschr.  V,  515),  die  Fragmente  Albrechts  von  Hal- 
berstadt, die  Erlösung,  den  Wartburgkrieg,  die  aus  Heinrich  Heslers 
Apocalypse  bekannt  gemachten  Stücke  **) ,  die  Marienlegende  von 
Heinr.  Klüzener  (in  den  Md.  Ged.  von  Bartsch),  von  einer  Menge  klei- 
nerer Werke  ganz  abgesehen.  Bei  einigen  yon  diesen  kann  das  Zufall 
sein,  wie  bei  den  kleineren  und  vielleicht  auch  zum  Theil  bei  den  nur 
fragmentarisch  überlieferten;  bei  andern  dagegen  scheint  das  Ver- 
schweigen in  der  individuellen  Abneigung  des  Schriftstellers  seinen 
Grund  zu  haben.  Der  mitteldeutsche  Character  dieser  Werke  ist  hier 
wenigstens  dadurch  gewahrt,  daß  bei  keinem  ein  oberdeutscher  Conj. 
mit  Eückumlaut  nachgewiesen  werden  kann.  Statt  dessen  bedienen  sie 
sich  vielmehr  der  bekannten  Umschreibung  durch  die  geläufigeren 
Hilfswörter  mochte  kcmde  woMe  solde,  zu  denen  sich  späterhin  das  jetzt 
allgemein  herrschende  vmrde  oder  würde  gesellt  ***). 


*)  Bei  dem  Düringer  H.  v.  Morungen  ist  mir  immer  verdächtig  gewesen  dl  et 
Stelle  142,  18  (in  MF.)  daz  ich  vil  schiere  gesunde  in  der  helle  gründe  verbrünney  i  ich 
ir  iemer  diende  ine  wisse  umhe  waz ;  die  Form  verbrünne  —  allenfalls  noch  verbninne  — 
scheint  der  düringischen  Mundart  nicht  ganz  gerecht,  während  verhrente  als  Intransitiv 
einem  oberdeutschen  Schreiber  unerträglich  vorkommen  musste,  wie  man  dies  recht 
deutlich  aus  dem  Gedicht  von  der  Frauentreue  V.  83  (vgl.  oben  unter  Aa)  ersieht;  in- 
dessen obwohl  brente  schon  im  12.  Jh.  als  Intransitivum  vorkömmt  (vgl.  unter  Aa), 
so  vermag  ich  doch  von  einem  intransitiven  verbrente  vor  dem  14.  Jh.  noch  kein  Bei- 
spiel nachzuweisen  (vgl.  oben  Ac). 

**)  Heinr.  Frauenlob  übergehe  ich  hier  absichtlich,  obwohl  auch  bei  ihm  in  der 
überlieferten  Gestalt  seines  Textes  kein  Beispiel  von  md.  Conj.  anzutreffen  ist;  an  zwei 
Stellen  nämlich  lässt  sich  bei  ihm  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen,  ob  Conj.  oder  Ind. 
gemeint  sei,  so  in  den  Sprüchen  78,  7,  12,  19  bei  den  ReimwÖrtem  nante  :  erwante  : 
braute  (nach  der  Weimarer  Hs.)  und  162,  7  bei  nande  (aus  der  Pariser  Hs.).  Wären  es 
Conjunctive,  so  müsste  man  wohl  eine  Verderbniss  durch  oberdeutsche  Schreiber  an- 
nehmen; aus  dem  Munde  eines  Meisseners  wären  sonst  solche  Formen  unglaublich. 

***)  ^gl«  2.  B.  Weist,  IV,  592  (a.  1425)  tvires  sache^  das  ein  manwercker  ader  mShey 
den  alsa  gehoden  worde,  einem  erkennen  worden  der  seholt;   Görlitzer  Annalen  389,  30 


52:  FEDOR  BECH 

Im  Neuhochdeutschen  sind  die  mitteld.  Conjunctivformen  auf  eine 
geringe  Anzahl  zusammengeschmolzen  und  genießen  noch  dazu  nicht 
in  aller  Leute  Munde  gleiches  Ansehen.  Der  Düringer  Stieler  in  seinem 
deutschen  Sprachschatz  flihrt  z.  B.  nur  noch  auf:  brannte  S.  228, 
kante  950,  sändete  2009,  säizte  2039,  wänte  2499. 

Im  Mittelalter  dagegen  erstreckte  sich  diese  Art  den  Conj.  Praet. 
zu  bilden  durch  ganz  Mitteldeutschland  hindurch  und  auf  eine  viel 
größere  Zahl  von  Verben.  Außer  den  hier  in  Frage  konmienden  ge- 
langte aber  bei  keinem  der  Gebrauch  zu  einer  festen  allgemeinen  Norm ; 
höchstens  gelangte  er  in  einzelnen  Landstrichen  Mitteldeutschlands  zur 
Herrschaft.  Ich  erwähne  unter  andern  genente  als  Conj.  neben  dem 
In  die.  genante  in  der  Elisabeth  vgl.  Riegers  Einl.  S.  42  ;  dieselbe  Con- 
junctivform  im  Karl  Meinet  248,  53  genenden  :  behenden  (Indic.  genande  : 
lande  92,  26)  imd  im  Sal.  und  Mor.  II,  1622 ;  —  ei'schelte  in  Ludw.  Kreuzf. 
2890  neben  Indic,  erschaUe  2893;  —  recte  im  Pass.  K.  121,  41  (:  secte); 
138,  87 ;  139,  2:  gewecte,  244,  36  volrecteisecte;  daneben  der  Indic.  racte  17, 
48  und  98,  35:  8tra4:te;  135, 52;  651,  47;  doch  119,  25  stehen  reckte: steckte 
als  Indicative;  —  entecteisecte  im  Pass.  E.  358, 42  und  420,  35  und  596, 40, 
daneben  der  Indic.  dacte  155,  29  (als  Indic.  aber  steht  wieder  entecte 
435,  11);  —  bekSrte  in  Leysers  Pred.  67,  37  und  daneben  gleich  Indic. 
bekärte  67,  38;  abekerte  bei  Joh.  Marien werder  216  imd  vorkerte  270, 
im  Ind.  dagegen  du  kärtist  218;  Conj.  k^rte  in  Joh.  Rothes  Chron.  c.  483 
neben  Ind.  karte  398,  399;  Conj.  bekerten  c.  395  und  396  neben  Ind. 
bekärten  c.  396;  kerte  in  Posilges  Chron.  83  neben  Indic.  karte  84;  — 
versmete  in  Pass.  H.  233 ,  60 ,  Pass.  K.  98 ,  25  :  tr^te ,  dagegen  Indic. 
versmäte  :  rate  Pass.  H.  301,  47,  Pass.  K.  37,  36  u.  413,  63  u.  625,  95: 
drdte;  Conj.  sm^te  (:  stete)  in  Nie.  von  Jeroschin  21536,  vorsmetm  8311, 
19589  :  t^j  Indic.  vorsmdte  :  unvldte  21835  (aber  als  Indic.  smetin :  Jietin 
14338) ;  vgl.  H.  v.  Krolew.  3527  und  Elisab.  6700 ;  —  leckte  =  poneret, 
von  leggen  lecgen  lecken  *),  nur  in  Schriften,  deren  Verfasser  in  der  Nähe 


dorvff  lösten  ay  gebyeten ,  wurde  furhasa  t/mandls  (=  Nom. ,  Jemand)  hocknwerck  trei- 

t  

&tn, der  sal  usw.  Wer  darauf  achtet,  wird  bald  noch  mehr  Beispiele  aus  dieser 

Zeit  finden. 

*)  Dieser  Infinitiv  schon  bei  GraflF  II,  88  fg.  lecgan  Ukkin  leggen^  femer  in  der  Genes. 
(Fnndgr.  11)  38, 15  leggen  und  so  i|i  der  Milst.  Hh.  68,  5;  ecken  :  lecken  im  j.  Tit.  402. 
2207.  2215.  3455.  4436 .  4480 ;  leggen  :  eggen  bei  Heinzelein  v.  Konstanz ,  Von  dem 
Bitter  und  von  dem  Pfaffen  163;  lekken  :  ekken  AM.  TäL  I,  339;  vorlecgen  bei  Gaupp, 
Das  alte  Magdeb.  u.  Hall.  Recht  S.  286.  314.  317;  a/fleggen  im  Urknndenb.  von  Göt- 
tingen herausg.  von  G.  Schmidt  8.  163,  12  (a.  1348),  leggen  S.  306,  35  und  im  Ur- 
knndenb. V.  Hannover  herausg.  von  Grotefend  u.  Fiedeler  S.  229  ^  9  (a.  1345).  230,  3. 


DER  UMGELAUTETE  C0NJUNCTIVU8  PRAETERITI  etc.  153 

de«  Rheines  zu  Hause  sind,  während  ZacÄte  =r=  posuit  sich  in  Mittel- 
wie  in  Niederdeutschland  überall  findet;  so  in  Lamprechts  Alex,  leck- 
ten :  ged^hten  435;  Wernher  v.  Niederrhein  15,  30  :  indSkten*^  EHsabet 
1607  :  erwehten  (im  Ind.  lachte  :  machte  91 ,  1468 ,  1380  :  achtem  3538) ; 
Karl  Meinet  310,  57  leckte  i  rechte  (Indic.  lachten  :  sachten  340,  12; 
431,  46);  lolante  von  Bruder  Hermann  (in  PfeiflFers  Altd.  Übimgsb.) 
106,  231  lehtenihrShten  (Indic.  Iahten :  hrähten  104,  130);  Q-odefr.  Hagen 
leichtm  3041.  3343  :  kneichtm  und  3398  (Ind.  laichte  3857) ;  Von  den 
sieben  Meistern  (in  Kellers  Altd.  Gedichten)  140,  11  lechte :  brechte 
(Hs.  leite  :  brecht),  dagegen  im  Indic.  lachte  :  hra^hie  145,  6  und  ima^hte 
208,  12;  —  sechte  =  diceret  (von  seggen  secgen  ?  *)  im  Karl  Meinet  123, 3 
i  rechte  112,  10,  enseichten  :  brechten  230,  29  (Ind.  lachte  :  sachte  sieh 
vorher) ;  der  Jungherr  und  der  treue  Heinrich  2061  sechten  :  knechten 
914  und  1025  versechf :  kriecht'  (im  Indic.  sachte  1209.  1911) ;  seichte : 
hrechte  in  der  Weberschlacht  383  hinter  Q-odefr.  Hagen  ed.  Groote 
S.  226  (Ind.  saichten  403) ;  in  den  Cölner  Eidbüchem  bei  Fahne  Forsch, 
n,  2,  78  segten  =.dicerent  und  80  besechten.  Man  blieb  aber  bei  den 
Verben  der  ersten  schwachen  Conjugation  nicht  stehen,  sondern  ließ 
die  der  zweiten  ebenfalls  diesen  Conjunctiv  bilden.  Am  weitesten  von 
allen  bisher  bekannten  Autoren  ist  meines  Daflirhaltens  hierin  der  Verf. 
der  Elisabet  (nächst  ihm  der  Verf.  der  Trierer  Interlinearpsalmen) 
gegangen.  Seine  Abweichungen  hat  Rieger  verzeichnet  in  der  öfter 
genannten  Einl.  S.  42.  Auch  von  dieser  Art  Verben  werde  ich  nur 
einige  hervorheben  :  hebete  Vom  Glauben  1288  und  2306  (Indic.  da- 
gegen habete  1301 ,  2755,  2816) ;  —  mechte  Elisab.  528  und  6350,  ge- 
Tnechte  2916  (Ind.  machte  1631,  1468,  3538) ;  Salomönis  Hüs  (bei  Adrian) 
BL  24  daz  er  dich  riche  mechte ;  Erlös,  398  daz  ich  icht  mechte  (=  face- 
rem)  verdrozzen  keinen  man;  der  Jungherr  und  der  treue  Heinrich  570 
kirne  ez  wider  in  voriger  mc(£ ,  Ich  ToecM  ime  des  steines  büz]  1308  er 
gedächte y  waz  sin  jung  h^e  MecM  oder  m^achen  künde ;  1903  daz  ich  in 

nü  vil  secht'  (Hs.  seit)  dar  dh, Daz  mechtf  mir  ein  grdz  gebrechte. 

Und  brechf  doch  keinen  vromen ;  Salomon  u.  Mor.  I,  3467  möchte  ich  es 
gehdn  an  den  hulden  dUn,  Ich  mechte  (im  Druck  steht  machte)  in  noch  hüite 
gesund)  H,  656  du  sprecV  fwrt,  als  ich  wSnCy  Din  vater  mechte  ttz  einem 


249,  23;    Homeyer,    Stadtb.   des  Mittelalters   S.  52.    53   u.   78.    Vgl.  altnd.    leggian 
ags.  Uegan. 

*)  Vgl.  das  altnd.  aeggtarij  ags.  aecgan,  tmd  die  Forn^en  aagjan,  segjan  bei  GraflF  VT, 
94;  ferner  Infin.  besecgen  bei  Ganpp  Magdeb.-Hall.  Kecbt  S.  274  und  ebenda  das  Präsens 
*ecgit  S.  283  u.  314,  sovde  Homeyers  Glossare  Eom  Sachsensp.  Tb.  I  u.  ü. 


154  FEDOR  BECH 

schaden  ^wSne;  Renner  24321  du  aoU  bedenken  rekte,  Warzü  und  wie  und 
wer  dich  mechte;  Böhmers  ürkundenbuch  v.  Frankf.  S.  667,  Z.  21 
(a.  1355 — 59)  daz  man  zwei  büchir  mechte  und  schrebe  und  S.  669,  Z.  14 

da>s  wir  sie  des  sichir  mechten  und  sesten  in gysele  (Indic.  machten 

z.  B.  S.  668,  2) ;  Weist,  der  Herschaft  Rieneck  in  Franken  (Grimm  III) 

520,  Z.  4  von  unten  ah  ein  frawe  ein  man  n&me und  kind  mit 

einander  mschten  (a.  1380) ;  Weist,  von  Florstad  in  der  Wetterau 
(ebenda)  S.  448,  Z.  13  von  unten  item  wer  unrechte  toege  mechte  (a.  1416) ; 
Weist,  aus  der  Nähe  von  Aschaffenburg  (Cxrimm  VI)  72,  Z.  3  si  bäten 

das  sie  ein  gericht  mechten,    hegten  und  bes^szen  (a.  1394);    Cent- 

weisthum  von  Remlingen  in  Franken  (ebenda)  S.  35,  Z.  11  von  unten 
weres  auch,  das  sich  ein  geschrei  in  der  zente  zu  R.  mechte  oder  erhübe 
(a.  1409)-  die  alten  Gesetze  von  Nordhausen  (N.  Mitth.  III,  4)  46,  §.  80 
wer  diz  vor  den  rät  brechte,  —  —  daz  man  diser  stucke  ichein  abe  t^te 
edir  andirs  mechte  ^  der  solte  usw. ;  Geistliche  Priameln  herausg.  von 
Leyser  (in  den  Berichten  der  deutschen  Gesellsch.  zu  Leipzig  herausg. 
von^  Richter  und  Espe   1837)    S.  17  das  (=  ob)  sunde  gein  got  kein 

veintschaft  mecht  Und  dort  der  sele  kein  schaden  precht: —  noch  w^ 

sunde  besser  gelassen  dann  vollbracht]  Von  den  sieben  Meistern  (Kellers 
Altd,  Ged.)  141,  10  er  sant  im  knechte  ^  ,Das  er  sich  balde  uf  mechte  \ 
DiocIetianuB  Leben  4053  meister  Virgilius  si  bäten  ^  das  er  mit  stner 
kunst  in  etwas  machte  (i  gesiechte) '^  die  histor.  Volkslieder  herausg.  von 
Liliencron  I,  Nr.  63,  393  die  gemeine  er  {=  ihr)  frunde  beschit  zu  Mren 
steden  riUem  und  knechten,  Daz  sie  ir  vomemen  ouch  kunt  mechten 
(a.  1428-30). 

Das  letzte  der  eben  angeführten  Beispiele  ist  zugleich  dasjenige, 
welches  vom  Rheine,  seiner  ursprünglichen  Heimat  aus  am  frühesten 
und  tiefeten  nach  dem  Süden  vorgedrungen  scheint.  Ob  und  seit  wann 
noch  andere  mitteld.  Conjunctive  in  Oberdeutschland  Eingang  gefunden 
haben,  das  zu  untersuchen  war  hier  nicht  beabsichtigt.  Über  den  Rhein 
hinüber  sowie  in  das  nördliche  Deutschland,  die  Gegend  des  Nieder- 
deutschen, hinein  ist  der  betreflfende  Conj.  nicht  gedrungen.  Die  e-For- 
men  sind  dort  vielmehr  neben  den  a-Formen  alle  auch  als  Indic.  in 
Gebrauch ;  gleichwie  die  a-Formen  in  Oberdeutschland  alle  auch  den 
Conjunctiv  vertraten.  So  z.  B.  findet  sich  in  Bruder  Hansens  Marien- 
liedem  der  Indic.  kende  (:  ende)  2873,  bekende  (:  hende)  488,  :  ende  1431, 
:  wende  2515 ,  und  ebenso  lautend  der  Conj.  kende  (:  behende)  2081, 
:  wende  4422,  bekende  (:  ende)  458  *) ;   —    in  der  mnd.  Offenbarung  Jo- 

*)  Das  in  Nyerups  Symbolae  S.  93  — 102  befindKche  Fragmentum  poe'matis  ama- 
*  .  torii  e  Yetustis  biembranis  a  B.  Temlero  descriptum  gebort  auch  hierher,  bietet  aber  wegen 


DER  UMGELAUTETE  CONJUNCTIVÜS  PRAETERITI  etc,  150 

hannis ,  wovon  Bruchstücke  in  v.  d.  Hagens  Germ.  X,  125  fg.,  triflS: 
man  sende  ohne  ünterscTiied  fiir  beide  Modi  gebraucht ,  z.  B.  S.  128 
und  129;  —  in  der  Kronika  fan  Sassen  herausg.  von  Scheller  S.  33 
der  Indic.  sende  {lende),  139  sände :  wende  ,  und  ebenso  der  Conj.  er- 
Jcende  (:  ende)  154  und  branden  (:  bänden)  198 ;  —  bei  dem  Minnesänger 
Wizlav  in  MSH.  III,  78**  der  Indic.  nente  f :  lente) ;  —  auch  sezte  in  dem 
alten  Frühlingsliede  bei  Wiggert  Scherfl.  I,  36  (=  MSH.  HI,  468*^) 
kann  als  Indicativ  nur  niederdeutsch  sein.  Ganz  schroff  gegen  die 
«-Bildung  verhalten  sich  hier  die  Verf.  einiger  älterer  Denkmale^  so 
H.  V.  Veldeke  in  der  Eneit,  wo  der  Conj.  nur  verbrande  :  wände  191, 
37,  bekande  :  wände  106,  19  (nur  die  Heidelb.  Hs.  bringt  bekenteiwente) 
lautet,  und  ebenso  Berthold  von  Holle  im  Crane  4775  bekande :  lande 
Im  Niederdeutschen  war  das  Schwanken  zwischen  a  und  e  alte  Über- 
lieferung, denn  schon  im  Heliand  lautete  der  Indicativus  Praet.  ant- 
kenda,  sanda  und  senda,  wenda ;  der  Conj.  antkendi,  sandi  und  sendiy 
wendi. 

Zum  Schluß  noch  Einiges  über  die  Frage  nach  der  Entstehung 
des  md.  Conjunctivus ,  auf  welche  bereits  oben  hingedeutet  wurde. 
J.  Grimm  war  in  der  oben  citierten  Stelle  seiner  Gramm.  I,  952  der 
Meinung,  daß  der  Umlaut  in  diesen  Formen  „weniger  der  Conjunctiv- 
flexion  zuzuschreiben,  als  aus  der  Contraction  fiir  kenneten  brenn^ten 
zu  erklären  sei ;"  Rieger  auf  S.  42  seiner  Einleitung  zur  EKsabet  sagt 
dagegen,  daß  „ein  flexivisches  Moment  mitzuwirken  scheine.**  Gegen 
Grimm  spricht  der  Umstand,  daß  seine  Erklärung,  falls  sie  begründet 
wäre,  nur  fiir  einen  Theil  der  umlautenden  Conjunctive  ausreichte, 
nicht  aber  fiir  die,  welche  von  Verben  der  zweiten  schwachen  Conju- 
gation  sich  vorfinden.  Riegers  Ansicht  finde  ich  dagegen  darum  nicht 
stichhaltig,  weil  dann  eine  andere,  auf  mitteldeutschem  (oder  genauer 
niederrheinischem)  Boden  zumal  häufige  Erscheinung,  die  mit  dem  um- 
gelauteten  Conjunctiv  Hand  in  Hand  geht,  unerklärt  bliebe  oder  we- 
nigstens auf  einen  andern  Entstehungsgrund  zurückgefiihrt  werden 
müsste.  Wie  nämlich  der  Conjunctivus,  so  pfiegt  bei  einigen  Schrift- 
steUem  auch  die  zweite  Person  des  Indicativus  im  Praeterito  umge- 


des  arg  verdorbenen  Textes  keine  sichere  Gewähr.  Höchst  wahrscheinlich  ist  das  Ge- 
dicht ebenfalls  von  dem  oben  genannten  Bruder  Hans  und  zwar  aus  seiner  frühem 
Lebensperiode,  ehe  er  Mönch  geworden  war;  nicht  nur  die  Sprache  und  die  gleiche 
Gedichtform  (Titurelstrophe),  auch  die  Lebensverhältnisse  des  Dichters  leiten  auf  diesö 
Vermuthung,  vgl.  seine  Marienlieder  874—880.  1574—1580.  2974—2980.  3674-3680 
und  die '  Einleitung  dazu  von  Minzloff  S.  14,  sowie  Göttinger  Gel.  Anz.  vom  J.  1863 
St.  33,  S.  1289. 


156  FEDOB  BECH,  DER  UMGELAUTETE  CONJUNCTIVUS  etc. 

lautet  zu  werden.  So  findet  man  du  hrente  im  Salomon  und  Morolf  I, 
1368 ;  du  hechente  cognovisti  in  den  Trierer  Interlinearpsalmen  ed.  Graff 
138,  1  und  4;  141,  3  (sonst  134,  5  ego  cognovi  ich  irkande  und  so 
118,  151;  noverat  kande  80,  5;  noverant  irkanten  118,  79);  erkente  du 
in  Sal.  und  Morolf  11,  1122;  Trier.  Ps.  43,  14  posuisti  du  sette  und  so 
55,  8  u.  72,  18  sedde  du,  102,  10  u.  118,  102,  ponebas  sezetes  49,  21, 
posuisti  gesedde  97,  7,  constituisti  gesedde  88,  51,  imposuisti  du  ubersedde 
65,  10  (sonst,  z.  B.  118,  10,  posuerunt  sadden)]  59,  4  potasti  du  d^enkte 
und  64 ,  10  inebriasti  drenkte  du  (sonst  potaverunt  drankten  68 ,  26) ; 
Marienlieder  von  W.  Grimm  18,  29  du  lechtes  (posuisti,  sonst  he  lachte 
= posuit  14, 1) ;  —  von  Zeitwörtern  nach  der  zweiten  Conjugation  Trier.  Ps. 
79,  10  plantasti  flenzete  (daftlr  aber  auch  plantasti^ii25e*6  43,  2  u.  79,  9) ; 
72, 23  tenuisti  du  hebede  (sonst  tenuit  habede  12, 5) ;  44,  13  odisti  hezete  (und 
so  wohl  auch  zu  lesen  49,  18  statt  odisti  hJorete,  wo  der  Übersetzer  audisti 
verstand),  sonst  im  Indic.  oderunt  hazeten;  51,  2  fecisti  methe  (siel)  und  so 
73,  18  und  75,  8  ;  103,  21  posuisti  laete  (gleichwie  es  hier  öfter  knet-e  heißt 
fitatt  knehte  *));  118,  98  fecisti  methe  {son&i  ipse  fecit  er  mathe  99,  3); 
Erlösung  2148  du  mehte,  Aerre,  mir  bekant,  wo  die  Prager  Hs.  du  machtis 
list;  in  dem  Gedichte  eines  Mönchs  von»  Hailsbrunnen  (Altd.  Bl.  11) 
S.  351  du  dise  spise  mehte,  Erlühte  min  getrehte  und  S.  352  herre  ahneh- 

tiger  got,  — der  mit  tiefem  sinne  Uns  dise  spise  mehte  (:  knehte) ; 

Trierer  Ps.  88,  24  dixisti  segete**).  Gleichwie  diese  Formen,  nach  der 


*)  Z.  B.  Ps.  118,  23  »ennis  knet,  118,  41  servo  tuo  kneti  dtnes^  118,  65  servo  tuo 
knete  dime  und  so  118,  76;  in  d.  Zeitschr.  14,  S.  457,  460,  465;  W.  Grimms  Marienlieder 
42,  39  herrej  du  Uzes  dinen  knet  nü ;  Briinner  Stadtrecht  (Anfang  des  14.  Jh.)  bei  Eößler 
S.  401,  c.  226  Ueicheu  chinty  si  sein  chnetoder  maitt  und  so  c.  66,  S.  360  und  c.  187,  S.390 
er  acholouch  lidlon  chnethen  wnd  diemen  und  andern  arwaitem gelten;  vgl.  GraflFIV,  578  und 
•579;  Maßmann  zu  König  Rother  3314;  Sumerl.  19,  47  v emaculus  cAne^ ;  Altd.  Gespräche 
von  W.  Grimm  S.  23.  wo  canet  steht. 

**)  Die  Trierer  Psalmen  sind  eine  wahre  Fundgrube  für  diese  Art  Praeterita.  Außer 
den  angeführten  trifft  man  dort  noch  ahechirte  avertisti  S.  194 ,  aneleite  induxisti  S.  409, 
herespete  increpasti  557,  hüwete  habitasti  341,  druckende  siccasti  343,  du  gehörete  exaudisti 
552,  gelebindegede  vivicasti  (wo  Graff,  die  Hs.  missverstehend,  gelebende  dede  in  den  Text 
gesetzt  hat)  326,  gelirte  docuisti  325 ,  du  geniderte  humiliasti  429  und  geniderde  569,  du 
gruntvestinte  gruntvestinde  gruntveste  grundvestite  fundasti  415,  469,  478,  573,  du  hineleite 
und  hineleide  deduxisti  275  und  339,  du  inleide  induxisti  294,  du  irhorte  exaudiebas  458 
und  550,  du  irldate  eruisti  404,  loste  redemisti  327,  du  mathe  formasti  482  und  525,  du  mm- 
nedeund  minnete  201,  231 ,  237  u.  238,  du  sadde  posuisti  294,  üz  leidede  eduxisti  294, 
du  virkoufte  vendidisti  194,  du  volewurte  perfecisti  300,  dn  winde  existimasti  228,  toider- 
vürte  reduxisti  326,  du  ne  loolde  noluisti  175  und  du  wolde  voluisti  183,  zechnusete  colli- 
sisti  422  und  ceknu^ete  allisisti  466 ,  du  zestdrte  diripuisti  und  dispersisti  343  «und  415 
und  80  mus8  es  wohl  auch  194  heißen  statt  xestozte  dispersisti.  Andere  Stellen  sind  ge- 


a  WÜLCKER  u.  K.  BARTSCH,  DER  DICHTER  DER  ÜRSTENDE,        157 

gewiss  richtigen  Bemerkung  Diemers  zur  Milst.  Hs.  97,  1,  „nach  der 
Analogie  der  starken  Verba  gebildet  wurden^''  ebenso  wird  man  sich 
die  Entstehung  und  Bildimg  der  hier  in  Frage  kommenden  Conjunctive 
zu  denken  haben.  Die  Anomalie,  von  der  hier  mitteldeutsche  Dialecte 
insbesondere  einen  so  ausgedehnten  Gebrauch  gemacht  haben^  war  hier 
gleichsam  schon  vorgezeichnet  durch  den  Gebrauch^  den  man  in  Deutsch- 
land ziemlich  allgemein  von  den  Praeteritis  der  anomalen  Zeitwörter  zu 
machen  pflegte  ;  gedeckte  brcehte  mehte  waren  fast  überall  üblich  zum 
Unterschiede  von  den  Indicativen  gedäkte  bräkte  mähte,  und  daß  sie  vom 
Sprachgefühl  als  starkfbrmige  Wörter  gefasst  wurden^  beweist  auch  hier 
das  Vorkommen  starkgebildeter  Indicative  wie  du  gedäkte ,  du  gedcehte,, 
du  brcehte  (Reinbot  von  Dom  2341^  Kaiserchi*on.  3716,  Haupts  Zeitschr» 
V,  531,  599,  X,  18,  27,  Weinholds  Bair.  Gramm.  §.  322). 

ZEITZ,  in  den  Weihnachtsferien  1869.  FEDOR  ȣCH. 


DER  DICHTER  DER  ÜRSTENDE. 


L 

Die  Frage,  wer  der  Verfasser  der  Urstende  sei,  ist  noch  immer 
eine  schwebende,  wenn  auch  die  Untersuchungen  von  Pfeiffer  (Haupts 
Zeitschr.  Bd.  VIII)  und  von  Bartsch  (in  dieser  Zeitschrift  Bd.  VIII) 
es  fast  zur  Gewissheit  gemacht  haben,  daß  Eonrad  von  Heimesfurt 
die  Urstende  dichtete.  Mit  einer  Arbeit  über  die  Urstende  in  ihrem 
Verhältniss  zum  deutschen  Evangelium  Nicodemi  und  beider  zum  la- 
teinischen Originale  beschäftigt,  fiel  mir  ein  merkwürdiges  Buchstaben- 
verhältniss  auf.  Betrachten  wir  nämlich  die  An&nge  der  großem  Ab- 
schnitte, die  auch  noch  die  späte  Wiener  Hs.  durch  Initialen  bezeich- 
net, so  ergeben  sich  folgende  Buchstaben  eines  Acrostichons : 

Chum  herre  hceiUger  geüt  Hahn  103,  1. 
JVv  höre  recht  wa:^  ich  loa   103,  53. 
AU  der  herre  cayfas   104,  29. 
Höret  wa^  ei  nv  taten   105,  20. 
In  churzer  weile  geschah   105,  58. 
E  ez  vollechleiche  wurde  Hecht   106,  22. 


sammelt  von  Bartsch  in  der  Einleitung  snr  Erlösung  S.  XXII  u.  XXIII  und  in  dieser 
Zeitschr.  VII,  8 ;  aus  oberdeutschen  Schriftdenkmälem  bieten  Beispiele  Diemer  1. 1.  und 
Weinhold  in  der  Alem.  Gramm.  §.  366  und  in  der  Bairischen  §.  314. 


158  RICHARD  WÜLCKER  u,  KARL  BARTSCH 

Sechse  schieden  sih  her  dafi   106;  62. 
Heden  swaz  in  gevaUe  107,  35. 
Habet  ir  nu  genue  gerasü   108,  16. 
Tobet  iemen  durch  dich   108,  68. 
Zehant  ein  iude  her  für  trat   109,  34. 
Vf  stunt  einer  vU  sprach   110,  2. 
Chan  ieman  daz  geschoenen   110,  48. 
Gedaechten  eis  si  funden  da   111,  23. 
Mir  hat  daz  buch  also  veriehen   111,  79. 
Centurio  do  er  sach   112,  48. 
Ein  rat  dovhte  siv  gut   113,  13. 
Tac  vnt  nacht  giengen  hin   113,  53. 

Zwischen  diesen  Abschnitten  sind  andere,  die  zwar  die  Wiener  H». 
nicht  mehr  als  solche  durch  Initialen  andeutet,  die  aber  immer  einen 
neuen  Gedanken  einftlhren  imd  daher  eben  so  gut  als  Abschnitte  ge- 
ftlhlt  werden,  wie  die  oben  angeführten.  Diese  ergeben  folgende 
Buchstaben : 

Vmhe  80  getanen  haz   103,  35  *). 
ßceiniu  vnt  libiu  gotes  chint   104,  5. 
Tvt  80  zceglichen  niht   104,  47. 
Für  die  ceit  immer  mere   104,  65. 
Owe  verworchter  iuda^s   104,  85. 
Xoch  Übet  dein  ungetriwer  rat   105,  8. 
Er  lie  sich  vinden  ane  wer   105,  34. 
Manigen  grozzen  vngelimf  105,  86. 
Von  diser  starchen  rüge   106,  82. 
Tu  darxv  swaz  du  teil  107,  67. 
Alsus  sprach  er  wider  sie   108,  40. 
Der  dro  si  manige  taten   108,  84. 
Mm  vindet  ander  solche   109,  18. 
Bei  gotes  hulden  swur  er  do    109,  52. 
Habt  ir  die  ich  genant   110,  78. 
Iwer  lantrecht  ist  en  vncht   111,  41. 
Als  uns  diu  wäre  schrift  sceit   112,  15. 
JHlceret  waz  si  nu  taten  112,  73. 


.  *)  Vorher  ist  wohl  noch  bei  103,  19  ein  Absatz  zn  machen: 

Habe  ich  angeat  dar  zu] 
denn  vermuthlich  schrieb  der  Dichter  seinen  Namen  Chunrat.     K.  B. 


DER  DICHTER  DER  URSTENDE.  155^ 

Stellen  wir  nun  die  Anfangsbuchstaben  beider  Gruppen^  wie  sie  im 
Texte  folgen,  zusammen,  so  ergibt  sich  folgendes  Acrostichon  (die  An- 
fangsbuchstaben, die  die  Wiener  Hs.  noch  mit  Initialen  gibt,  bezeichne' 
ich  mit  großen,  die  andern  mit  kleinen  Buchstaben): 

OoNrAt  f(m  HelmESvRt 
HaT  diZ  hVCh  GiMaChET. 

Gerne  gebe  ich  zu,  daß  die  Abschnitte,  welche  das  Acrostichon  erge- 
ben, von  sehr  imgleicher  Länge  sind,  so  stehen  zwischen  o  und  n 
(104,  85  und  105,  8)  nur  10  Zeilen,  zwischen  e  und  s  dagegen  (106, 
22  und  62)  40  Zeilen.  Doch  stets  ergibt  ein  Buchstabe  des  Acrosti- 
chons  auch  den  Anfang  eines  neuen  Gedankens  und  nirgends  wird 
durch  dasselbe  ein  Reimpaar  auseinandergerissen. 

LEIPZIG.  RICHARD  WÜLCKER. 

IL 

Der  sehr  dankenswerthe  Nachweis  stellt  die  Autorschaft  Konrad» 
von  Heimesfurt  ftlr  die  Urstende  sicher  und  bestätigt  Pfeiffers  scharf- 
sinnige Vermuthung.  Das  von  Wtllcker  gefundene  Acrostichon  ist  jedoch 
mit  113,  53  nicht  zu  Ende,  sondern  geht  bis  fast  an  den  Schluß  des 
Gedichtes  weiter.  Die  Initialen  der  Abschnitte,  welche  die  Wiener  Hs. 
bezeichnet,  enthalten  folgende  Buchstaben: 

Ez  ist  ungelouplich   114,  31. 

Seit  ir  scelic  unde  fruot   114,  63. 

JRoumet  unibe,  lat  sehen   115,  23« 

Toren  unt  stummen  unde  blint   115,  73. 

]Vu  lazze  wir  daz  strafen  hie   116,  25. 

Vart  in  al  der  werlde  ort   116,  67. 

Diu  m^cere  schullen  weiten  117,  28. 

Ez  geschach  in  chwrcen  stunden   117,  54. 

Von  danne  hüben  sich  die  boten   118,  18. 

Tür  unt  tor  wart  uf  getan  118,  72. 

Uf  stunt  der  tugenthafte  man   119,  40. 

Ein  stimme  diu  mich  gruozte   120,  11. 

JMu  herre,  sprach  der  bischof  do   120,  53. 

Aüez  daz  er  hat  gesoeit   121^  1. 

Ez  stvxynJb  lange  dar  nach   121,  55. 

Swie  vil  si  gebaten   122,  3. 

JZe  sprechen  des  ir  da  gert   122,  73. 

Hie  sint  die  briefe  für  getragen  123,  11. 

Ez  ist  unwende  er  mvz  her   124,  2. 
Tut  uf  ir  fursten  iwer  tor   125,  6. 


160        R  WÜLCKER  u.  K.  BARTSCH,  DER  DICHTER  DER  URSTENDE. 

Die  übrigen  Buchstaben  des  Acrostichons  bilden  in  der  Hs.  nicht  den 
Anfang  von  Absätzen  ^  sind  aber  ebenso  wie  beim  ersten  Theile  an 
einen  Sinnesabschnitt  gesetzt: 

Do  giengen  si  wadnunde  dan   114,  11. 

AlsiLs  schieden  si  sich  da   115,  55. 

Ein  immer  werende  erhenot   116,  5. 

JVtt  der  hceilige  christ   117,  4. 

JR  eicher  got  guter   118,  50. 

Güter  rede  geschah  da  vil  119,  10. 

Trost  vnser  aller  chvnne   119,  64. 

Meget  ir  uns  dar  an  gefruTt^en)    121,  35. 

IVu  die  herren  sint  gesezzen   121,  71. 

U^ir  vriwen  uns  der  werdechcßit   122,  29. 

An  iv  stet  gar  ane  tadl  122,  49. 
Bezeichnen  wir  die  Buchstaben   der  zweiten  Art  durch  kleine  Buch- 
staben, so  ergibt  sich: 

dES  RaTeN  UnDE  VrT 
gVtE  NAmEn  SwaZHET. 

Statt  Z  in  der  zweiten  Zeile  muss  C  gelesen  werden,  indem  der  Dichter, 
dem  Gebrauche  der  Hss.  aus  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
gemäß  nicht  ze,  sondern  ce  schrieb.  Das  ganze  Acrostichon  bildet  dem- 
nach demnach  vier  Reimzeilen: 

Chunrat  von  Heimesv(u)rt 

hat  diz  buch  gimachet, 

des  raten  unde  v(u)rt 

gute  namen  swachet. 

Schwierigkeit  macht  die  Erklärung  der  beiden  letzten  Zeilen.  Mit  raten 
und  vurt  spielt  der  Dichter  offenbar  auf  seinen  Namen  an :  raten  hat 
er  des  Verses  wegen  fllr  rät  gesetzt.  Er  will  wohl  sagen:  es  gibt  bes- 
sere Leute  als  ich ,  deren  Namen  auf  rdt  ausgehen ,  und  ebenso  gibt 
es  Namen  besseren  Klanges  in  vurt^  als  der  meinige  ist 
Die  vier  letzten  Abschnitte  des  Gedichtes  beginnen: 

Schier  wart  der  sma^  so  groz   125,  86. 
Ein  engel  mir  engegen  quam   126,  30. 
Ez  ist  Mute  der  dritte  ta^   127,  54. 
JVu  sint  die  briefe  gelesen   128,  9. 

Dazwischen  liegen  verschiedene  kleinere  Absätze,  die  von  der  Hs.  nicht 
bezeichnet  sind.  Auch  bei  125,  34  /  könnte  man  schon  einen  Abschnitt 
annehmen;  ferner  bei  126,  56  D,  126,  74  iüf,  127,  14«.  Allein  damit 


FELIX  LDEBRECHT,  LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  Ißl 

ist  nichts  anzufangen.  Jene  vier  Buchstaben  ergeben  se  en'^  en  nehme 
ich  filr  geschwächt  aus  in,  also  sS  en  =  ecce  eum:  'da  seht  ihn^  da  habt 
ihr  ihn  ;  eine  neckende  Anspielung  auf  den  sich  nennenden  und  doch 
nicht  nennenden  Dichter.  Diese  Schlußworte  sind  also  zu  verstehen, 
wie  das  Schlußwort  ^apparet'  auf  dem  Grabmal  des  Bäckers  Eurysaces 
in  Rom,  welches  die  Form  eines  Backofens  hat:  'Es  ist  ersichtlich' 
sc.  daß  der  hier  Begrabene  ein  Bäcker  war,  nämlich  aus  der  Gestalt 
des  Denkmals. 

ROSTOCK,  Januar  1870.  K.  BARTSCH. 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEK 


Der  Herr  Professor  Friis  von  der  Universität  zu  Christiania  hat 
während  eines  langem  Aufenthaltes  in  dem  norwegischen  und  russi- 
schen Lappland  unter  anderer  Ausbeute  auch  eine  Anzahl  Märchen 
und  Sagen  gesammelt ,  die  er  einer  von  ihm ,  nach  theilweis  neuen 
Quellen  bearbeiteten  lappischen  Mythologie  als  Anhang  beizugeben  ge- 
denkt. Der  Werth  derselben  ist  zuweilen  nicht  unbedeutend,  entweder 
an  und  flir  sich  oder  in  Bezug  auf  vergleichende  Forschung;  zuweilen 
jedoch  ist  er  nur  untergeordnet;  jedesfalls  aber  sind  sie  von  Interesse 
in  mythologischer  Beziehung.  Herr  Friis  war  so  freundlich,  mir  einige 
dieser  Märchen  und  Sagen  mitzutheilen,  und  mir  zugleich  zu  gestatten, 
dieselben  in  deutscher  Übersetzung  einem  größern  Kreise  bekannt  zu 
machen.  Ich  gebe  hier  zuvörderst  nur  diejenigen,  welche  ihrem  Stoffe 
nach  in  das  germanische  Gebiet  gehören  oder  sich  mit  demselben  be- 
rühren, von  den  Sagen  also  nur  die  sich  auf  die  alten  Skandinavier 
beziehenden,  und  von  den  Märchen  bloß  solche,  deren  Verwandtschaft 
mit  deutschen  oder  nordischen  zu  Tage  liegt.  Besonders  durch  letztere 
wird  man  das  oben  ausgesprochene  Urtheil  im  Ganzen  bestätigt  finden; 
namentlich  ist  das  erste,  ein  Thiermärchen,  eine  wahre  Perle,  welche 
mit  wesentlich  indigenen  Elementen  eine  Episode  des  Reinekekreises 
verbindet,  die  aber  nicht  eigentlich  entliehen  zu  sein  braucht,  da  sie 
sich  ja  selbst  unter  den  Hottentotten  wiederfindet.  Auch  die  andern 
hier  mitgetheilten  Märchen  werden,  abgesehen  von  dem  ihnen  Eigen- 
thümlichen,  wenigstens  noch  in  so  weit  anziehend  erscheinen,  als  das 
direct  anderswo  Entnommene  (das Märchen  von  dem  „geraubten  Schleier" 
kennen  itber  auch  die  Grönländer,  Indier,  Siamesen  imd  Zulus)  doch 
zuweilen  in  besonderer  Form  und  Verbindung  auftritt,    überdies  von 

GERMANIA.  Nene  Reihe  III.  (XV.)  Jahrg.  11 


162  FELIX  LIEBRECHT 

lappischen  Conoeptionen  bisher  fast  Nichts  oder  doch  nur  sehr  Weniges 
und  auch  nicht  aus  erster  Quelle  Geschöpftes  bekannt  geworden  ist 
Die  Fassung  ist  zuweilen  weitschweifig,  indess  habe  ich  zunächst  nur 
wenig  gekürzt,  um  von  der  Vortragsweise  eine  treue  Idee  zu  geben; 
bei  einer  Herausgabe  der  ganzen  Sammlung  jedoch  könnte  (trotz 
Grimms  Bemerkung  zu  den  serbischen  Märchen  in  der  deutschen  Über- 
setzung S.  XII)  gar  Manches  „gekürzt  und  geschmeidigt"  werden. 
Hinweisungen  auf  verwandte  Märchen  habe  ich  zur  Zeit  nicht  beige- 
ftlgt,  mir  dies  bis  zu  anderer  Gelegenheit  vorbehaltend, 

1.  Der  Fuchs  und  der  Bär. 

(Aus  Karasjok  in  Westfinnmarken.) 

Ein  Fuchs  war  einmal  auf  der  Wanderung  und  kam  zu  einem 
Wege,  wo  kurz  zuvor  ein  Berglappe  mit  einer  Raide  (einer  Reihe  hin- 
tereinander festgebundener  Schlitten)  gefahren  war.   Er  setzte  sich  an 
den  Rand  des  Weges  und  sprach  zu  sich  selbst :    „Wie  wär's^    wenn 
ich  mich  todt  stellte?  *was   würde  wohl  daraus,    wenn  ich  mich  todt 
anstellte  und  hier  auf  dem  Wege  so  lange  Uegen  bliebe,  bis  die  nächste 
Berglappenraide  vorüberkommt  ?^  Gesagt  gethan:  der  Fuchs  legte  sich 
auf  den  Weg,  streckte  die  Beine  aus  und  lag  nun  da,  ganz  so  als  ob 
er  todt  und  steif  wäre.    Es  dauerte  auch  nicht  lange,  so  kam  wieder 
ein  Berglappe  mit  seiner  Raide  gefahren.  Da  dieser  einen  todten  Fuchs 
auf  dem  Wege  liegen  sah,  warf  er  ihn  ohne  Zaudern  auf  einen  Kjeris 
(Rennthierschlitten)  und  schob  ihn  unter  die  Stricke,  womit  die  Ladung 
festgebunden  war.   Der  Fuchs  rührte  sich  nicht,  und  der  Lappe  fuhr 
weiter;  es  dauerte  aber  nicht  lange,  so  fiel  der  Fuchs  von  dem  Schlitten 
herab ,   und  der  Lappe ,    der  ihn  fUr  mausetodt  hielt,  schmiß  ihn  auf 
einen  andern  Schlitten.     Indess   auch  von  diesem  purzelte  der  Fuchs 
herab^  weshalb  der  Lappe  ihn  endlich  auf  den  hintersten  Kjeris  warf, 
dessen  Ladung  aus  Fischen  bestand.    Nun  war  der  Fuchs  gekommen 
wohin  er  wollte  und  fieng  alsbald  an  wieder  au£suleben.    Demnächst 
schob  er  sich  ein  wenig  vorwärts  und  biß  den  Zugstrang  durch,  daher 
der  Schlitten  mitten  auf  dem  Wege  stehen  blieb.  Da  es  eine  sehr  lange 
Raide  war,  merkte  der  Lappe  anfangs  keinen  Unrath;  nachdem  er  aber 
eine  gute  Strecke  gefahren,    fieng  es  heftig  zu  schneien  an,  und  nun 
erst  blickte  er  auf  die  Raide  zurück   und   sah  den  hintersten  Kjeris 
verschwunden.    Er  spannte  daher  ein  Rennthier  ab   und  machte  sich 
mit  demselben  auf  den  Weg,  um  den  isurückgebliebenen  Schlitten  auf- 
zusuchen; allein  dieser  war  nicht  mehr  sichtbar  und  bei  dem  heftigen 
Schneefall  keine  Möglichkeit  ihn  wiederzufinden.  Der  Fuchs  hatte  sich 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  163 

• 

mzwisohen  mit  einem  Fische  davon  gemat^ht  und  miterwegB  einen  Bä- 
ren angetroffen.  Als  nun  dieser  bemerkte/  daß  der  Fuchs  einen  Fiech 
trug,  so  fragte  er  ihn:  „Wo  hast  du  den  Fisch  her,  Fuchs ?**  -^  ,,Ja, 
sagte  dieser,  ich  habe  meinen  Schwanz  in  einen  Brunnen  gesteckt,  an 
dem  richtige  Leute  {retfolk,  im  Gegensatz  zu  den  unterirdischen)  woh- 
nen,  und  der  Fisch  hat  sich  daran  festgehängt. **  —    „  Kantist  du  mir 
nicht  rathen ,   wie  ich  die  Fische  dazu  bringe ,    sich  auch  an  Meinen 
Schwanz  zu  hängen?"  fragte  der  Bär  weiter»  -**-  „Du  erträgst  das  nicht, 
was  ich  ertragen  habe,"  meinte  der  Fuchs.  —  „Ohol  brummte  der  Bär, 
sollte  ich  das  nicht  ertragen  können,  was  du,  alter  Bursche?"  —  „Nun 
gut,  Großväterchen,  erwiederte  der  Fuchs,  dann  kannst  du  es  versuchen 
und  auch  deinen  Schwanz  in  richtiger  Leute  Brunnen  tauchen ;  ich  will 
dir  den  Weg  weisen.*    —    Er  fahrte  ihn  also  zu  einem  Brunnen  hin 
und  sprach:  ^Schau,  hier  ist  der  Brunnen,  wo  ich  meinen  Fisch  fieng." 
Da  steckte  der  Bär  -seinen  Schwanz  ins  Wasser,  und  der  Fuchs  spa- 
zierte inzwischen  eine  Zeit  lang  dort  in  der  Nähe  umher,    damit  der 
Schwanz  des  Bären  in  dem  Eise  gehörig  festfrieren  könne.  Als  er  dann 
dafOr  hielt,  daß  dies  geschehen  sein  müsse,  fieng  er  an  laut  zu  rufen: 
^Kommet  herbei,  ihr  braven  Leute  mit  Bogen  und  Spießen,  hier  sitzt 
ein  Bär  und  macht  in  euren  Brunnen  !^  Da  kamen  di^  Leute  mit  Bogen 
und  Spießen  herbeigelaufen  und  stürzten  auf  den  Bären  los ;  dieser  aber 
ftihr  empor  imd  riß  in  der  Hast  seinen  Schwanz  glatt  ab,  wäh.rend  der  Fuchs 
nach  dem  Walde  lief  und  sich  unter  einer  Föhrenwurzel  verkroch.  Dort 
sprach  er  zu  seinem  Fuße  also :  „Was  willst  du  thun,  lieber  Fuß,  wenu 
ich  verrathen  werde?**   —    „Ich  will  hurtig  springen.!"  —  Was  willst 
du  thun,  liebes  Ohr,  wenn  ich  verrathen  werde?**  —  „Ich  will  genau 
aufhorchen!**  —  „Was  willst  du  thun,  liebe  Nase,  wenn  ich  verrathen 
werde?**  —  „Ich  will  weithin  wittern!**  —  „Was  willst  du  thun,  lieber 
S<^hwanz,  wenn  ich  verrathen  werde?** —  „Ich  will  denCurs  steuern; 
lauf  zu,  lauf  zu!**  —  Er  war  aber  noch  nicht  fort,  als  der  Bär  bereits 
anlangte   und  an  der  Föhrenwurzel  zu  reißen  und  zu  zerren  anfieng. 
Endlich  erwischte  er  den  Schwanz  des  Fuchses,  zog  ihn  daran  hervor 
und  warf  ihn  sich  auf  den  Rücken,    worauf  er  mit  ihm  davon  trabte. 
Unterwegs  kam  er  bei  einem  alten  Baumstumpf  vorüber,  auf  welchem 
ein  kleiner  bunter  Specht  in  die  Rinde  hackte.     „Das  waren  bessere 
Zeiten,   klagte  der  Fuchs  vor  sich  hin,    als   ich  die  kleinen  Vögelein 
bunt  malte.**  - —  „Was  sagst  du  da,  alter  Bursche?**  fragte  der  Bär.  — ► 
^Ichr  ich  sage  gar  nichts,**   antwortete  der  Fuchs;   trag  du  midi  nur 
immer  nach  deinem  Lager  und  friß  mich  au£**  Sie  zogeoa  weiter,  aber 
es  dauerte  n  cht  lange,  so  kamen  sie  wieder  bei  einem  Specht  vorbei« 

11* 


164  FELIX  LIEBRECHT 

„Das  waren  bessere  Zeiten,  als  ich  die  kleinen  Vögelein  bunt  malte," 
sprach  wiederum  der  Fuchs.   —    „Kannst  du  mich  nicht  auch  bunt 
malen?"    fragte  der  Bär.    —    „Du  erträgst  die  Schmerzen  nicht  und 
kannst  die  Arbeit  alle  nicht  verrichten,  die  dazu  erforderlich  ist,   ver- 
setzte der  Fuchs;    dazu  muß  man  eine  Grube  graben,  Weidenbänder 
drehen,    Pföhle  einschlagen,    Pech  in  die  Grube  thun  und  über  dem 
allen  Feuer  anzünden."  —  „Das  hilft  nichts,  erwiederte  der  Bär;  wie 
groß  die  Arbeit  auch  sein  mag,    ich  will  sie   sammt  und  sonders  zu 
Stande  bringen,"  und  alsbald  machte  er  sich  daran  die  Grube  zu  graben. 
Als  er  fertig  war,  band  der  Fuchs  ihn  am  äußersten  Rande  derselben 
fest,  zündete  dann  Feuer  an,   und  als  es  gehörig  brannte,   sprang  er 
dem  Bären  auf  dem  Rücken,  worauf  er  die  Weiden,  mit  denen  dieser 
festgebunden  war,  durchzubeißen  anfieng.    Der  Bär  glaubte,   daß  der 
Fuchs   damit  beschäftigt  wäre ,    seinen  Rücken  zu  verherrlichen  und 
sprach :  „Haitis,  haitis,  rieppo  gales !  (Heiß,  heiß,  alter  Junge  I)"  —  „Ich 
dachte  mir's  gleich,  daß  du  das  bischen  Schmerz  nicht  ertragen  wür- 
dest,   welches  jenes  kleine  Vögelchen  ertrug,"    sagte  der  Fuchs.    — 
„Doch,  doch!"  rief  der  Bär;  bereits  aber  fiengen  seine  Haare  zu  sengen 
an  und  in  demselben  Augenblicke  gab  ihm  der  Fuchs,    der  eben  die 
letzte  Wiede  durchgebissen  hatte,    einen  solchen  Puff,    daß  er  in  die 
Grube  hinunterstürzte,  während  er  selbst  zu  Walde  lief.  Dort  nun  blieb 
er  so  lange,    bis  seiner  Meinung  nach  alles  verbrannt  und  verloschen 
war ,   worauf  er  mit  einem  Sacke  nach  der  Grube  zurückkehrte ,    die 
verbrannten  Knochen  in  denselben  sammelte  und  ihn  auf  dem  Rücken 
tragend  davonzog.   Unterwegs  begegnete  er  wieder  einem  Lappen  mit 
einer  Raide  und  der  Fuchs  schüttelte  den  Sack,   so  daß  die  Knochen 
darin  klapperten  und  der  Lappe,   als  er  dies  hörte,   bei  sidi  dachte: 
„Klang  es  da  nicht  gerade  wie  Silber  und  Gold?  —  Was  hast  du  da?" 
fragte  er  dann  den  Fuchs.   —  „Mein  elterliches  Erbtheil,"   antwortete 
dieser;  wollen  wir  handeln?"   —    „Ja  wohl,  sprach  der  Lappe;   doch 

zeige  mir  erst  das  Geld,  womit  du  mich  bezahlen  willst" „Das  kann 

ich  nicht,  versetzte  der  Fuchs,  denn  es  ist  mein  Erbe  von  Vater  und 
Mutter;  wenn  du  mir  aber  das  Zugthier  da  geben  willst,  und  den  Zwei- 
jährling da  und  den  Dreijährling  dort,  dann  sollst  du  den  Sack  be- 
kommen und  Alles  mit  einander  was  darin  ist."  Der  Lappe  gieng  dar- 
auf ein,  nahm  den  Sack,  und  der  Fuchs  bekam  die  Rennthiere.  „Aber, 
sagte  der  Fuchs,  du  darfst  nicht  eher  in  den  Sack  gucken,  als  bis  du 
ein  gutes  Stück  Weg  fort  bist,  so  über  ftlnf  oder  sechs  kleine  Berge 
weg.  Siehst  du  früher  hinein,  so  wird  alles  Silber  und  Gold  zu  lauter 
verbrannten  Knochen."     So  zog  denn  jeder  seines  Weges,  der  Lappe 


.  • 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  165 

mit  dem  Geldsack  und  der  Fuchs  mit  den  Rennthieren.     Jener  aber 
konnte  sich  gleichwohl  nicht  enthalten,  noch  ehe  er  „so  über  flinf  oder 
sechs  kleine  Berge  weg"  war,  in  den  Sack  zu  gucken  und  fand  bloß 
verbrannte  Knochen  darin.    Er  sah  nun,    daß  der  Fuchs  ihn  geprellt 
hatte  und  lief  ihm  deshalb  alsbald  auf  Schneeschuhen  nach.     Als  der 
Fuchs  merkte,  daß  er  verfolgt  wurde,  so  wünschte  er:    „Quer  durch, 
quer  durch  mit  des  Mannes  Schneeschuhen!''    und  in  dem  nämlichen 
Augenblicke  brachen  des  Lappen  Sehneeschuhe   mitten  entzwei.     Da 
nahm  er  ein  Zugrennthier  und  jagte  wieder  dem  Fuchs  nach.  Als  nun 
dieser  die  neue  Verfolgung  merkte,    so  wünschte  er:    „Quer  durch, 
quer  durch  mit  des  Rennthiers  Fuß!"   und  sogleich  knackte  der  eine 
Fuß  des  Rennthiers  mitten  entzwei,    und  der  Lappe  muaste  die  Ver- 
folgung aufgeben.     Nun  zog  der  Fuchs   in  Frieden  weiter  bis  zu  der 
Stelle,  wo  er  seine  Mahlzeiten  zu  halten  pflegte.     Dort  suchte  er  sich 
Leute  zu  verschaffen,    die  ihm  beim  Schlachten  der  Rennthiere  Hilfe 
leisten  konnten,  und  er  rief  deshalb  allerlei  Raubthiere  zusammen,  den 
Bären,  den  Wolf,  den  Vielfraß,  das  Hermelin,  die  Maus,  den  Weiß- 
fuchs, die  Schlange,  die  Natter  und  den  Frosch;  sie  sollten  seine  Diener 
sein  imd  ihm  beim  Schlachten  helfen.     Sie  machten  sich  also  daran, 
jedes  auf  seine  Weise,    den  Rennthieren  das  Leben  zu  nehmen.     Der 
Bär  schoß  in  die  Kinnlade ;    deshalb  findet  sich  in  der  Kinnlade  des 
Rennthiers  ein  Mark,  welches  noch  heutzutage  „der  Bärenpfeil"  heißt* 
der  Wolf  schoß  in  den  Hinterschenkel,  deshalb  findet  sich  da  ein  Zei- 
chen wie  ein  Pfeil,  welches  »der  Wolfspfeil"  genannt  wird;  der  Viel- 
fraß schoß  in  den  Nacken,    weshalb   das  Rennthier  dort  ein  Zeichen 
von  dem  Pfeil  des  Vielfraßes   behalten   hat;    das  Hermelin   schoß   in 
die  Kehle,    deshalb  findet  sich  an  der  Wurzel  derselben  ein  Zeichen 
von  diesem  Pfeile ;    die  Maus  schoß  in  die  Hufspalte ,    deshalb  findet 
sich  dort  das  Zeichen  „der  Mäusepfeil" ;  die  Natter  schoß  in  den  After, 
wo  sich  deshalb  das  Zeichen  ^der  Natterpfeil"  findet;    der  Weißfuchs 
schoß  in  die  Ohrwurzel ,    weshalb  sich   auf  der  Hinterseite  des  Ohres 
ein  ganz  kleines  Knöchelchen  befindet,  das  „der  Weißfdchspfeil"  heißt; 
die  Schlange  schoß  in  das  Darmfett,    weshalb   sich  zwischen  diesem 
und  dem  Darm  ein  Zeichen,  genannt  „der  Schlangenpfeil^  findet;  der 
Frosch  schoß  in  das  Herzfett,  und  deshalb  befindet  sich  zwischen  die- 
sem und  dem  Herzen  ein  kleiner  Knorpel,   welcher  „der  Froschpfeil" 
heißt.  Auf  diese  Weise  brachten  sie  alle  Rennthiere  ums  Leben.  „Nun 
gehe  ich  zum  Bach ,    um  den  Unrath  aus  den  Rennthiermägen  auszu- 
spülen ,"    sprach  der  Fuchs  und  gieng  mit  diesen  hinter  einen  Stein, 
\Y0  er  heftig  zu  schreien  und  zu  jammern  anfieng,  gerade  als  ob  ihn 


16B  FELIX  LIEBRECHT 

jemand  gepackt  hätte  und  ihm  den  Garaus  machen  wollte;  so  daß  die 
RaubthierC;  als  sie  das  klägliche  Geschrei  vernahmen^  Angst  bekamen 
und  nach  allen  Seiten  davonliefen;  bloß  das  Hermelin  und  die  Maus 
blieben  zurück.  Der  Fuchs  behielt  also  das  ganze  Fleisch  für  sich  allein 
und  wollte  gerade  zu  kochen  anfangen^  als  ein  Berglappe  herbeikam^  und 
zwar  eben  der,  welchen  er  so  stark  geprellt.  „Was  machst  du  da?". fragte 
der  Lappe;  warum  hast  du  mich  belogen  und  mir  verbrannte  Knochen 
verkauft?  und  warum  hast  du  alle  Rennthiere  geschlachtet?"  —  ^.Lieber 
Bruder,  sprach  der  Fuchs  mit  kläglicher  Stimme,  ^aube  ja  nicht,  daß 
ich  das  gewesen  bin ;  meine  Kameraden  haben  es  gethan  und  die  Thiere 
geschlachtet*  In  demselben  Augenblick  wurde  der  Lappe  das  Her- 
melin und  die  Maus  gewahr,  welche,  mit  Fett  um  das  Maul  beschmiert, 
zwischen  den  Steinen  umherschlichen.  Er  ergriff  daher  den  Haken,  an 
dem  der  Kochtopf  über  dem  Feuer  hieng  und  schlug  damit  nach  dem 
Hermelin ;  allein  er  traf  es  bloß  an  der  Schwanzspitze,  und  deshalb 
ist  nur  diese  schwarz  geblieben ;  die  Maus  jedoch  traf  er  mit  einem 
Brande  dermaßen,  daß  sie  über  und  über  am  ganzen  Körper  schwarz 
geworden  ist.  Inzwischen  aber  sprang  der  Fuchs  zu  Walde  und  kam 
an  einen  Fluß,  wo  eben  ein  Mann  seinen  Kahn  ausbesserte.  „Ich  wollte, 
ich  hätte  auch  einen  Kahn,  den  ich  ausbessern  müsste!"  rief  der  Fuchs 
aus.  —  „Oho!  sprach  der  Mann,  laß  dergleichen  dummes  Geschwätz 
unterwegs,  sonst  schmeiß'  ich  dich  in  den  Fluß."  —  „Ich  wallte,  ich 
hätte  auch  einen  Kahn,  den  ich  ausbessern  müsste!"  wiederholte  der 
Fuchs.  Da  erwisehte  ihn  der  Mann  und  schleuderte  ihn  in  den  Fluß 
hinaus,  wo  er  jedoch  auf  einen  Stein  hinaufkroch  und  zu  rufen  anfieng: 
„Kommet  herbei,  ihr  Fische,  und  setzet  mich  hinüber  ans  andere  Ufer!" 
So  kamen  denn  die  Fische  herangeschwommen  und  zwar  i&uerst  der  Hecht. 
„Nein,  sprach  aber  der  Fuchs,  auf  deinen  flachen  Rücken  setze  ich  mich 
nicht"  Da  kam  die  Quappe.  „Nein,  sprach  wiederum  der  Fuchs,  auf  deine 
schleimige  Haut  setze  ich  mich  nicht"  Dann  kam  die  Äsche.  „Nein> 
auf  deinen  buckligen  Rücken  setze  ich  mich  nicht."  Dann  kam  der 
Barsch.  „Nein,  auf  deinen  rauhen  Rücken  s^ze  ich  mich  nicht.^'  Dann 
kam  die  Bergforelle.  „Der  Tausend!  rief  der  Fuchs,  bist  du  auch  hier? 
aber  auch  du  taugst  nicht  fiir  mich."  Dann  kam  der  Lachs.  „Nun  ja^ 
meinte  der  Fuchs>  mit  dir  gienge  es  wohl;  aber  du  musat  ein  bischen 
näher  herankommen,  damit  ich  dir  auf  den  Rücken  steigen  kann,  ohne 
mir  die  Füße  naß  zu  machen."  Als  daher  der  Lachs  ganz  nahe  an 
den  Stein  heranschwamm ,  packte  ihn  der  Fucha  hurtig  am  Nacken, 
warf  ihn  ans  Land  und  steckte  ihn,  mushdem  er  ein  Feuer  angezilndei^ 
üA  den  Bratspieß*  Sobald  aber  das  Feuer  sich  erbrannte  und..die>Ha9t 


r 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  167 

des  Lachses  za  bersten  und  zu  knistern  anfieng,    sprach  der  Fachs: 
^SchaUy  da  kommen  nun  wieder  Leute  !^    denn  er  glaubte  >    es  wären 
die  dürren  Zweige,   welche  unter  den  FtLßen  der  sich  nahenden  Per- 
sonen  so  knackten.  Kaum  jedoch  hatte  er  dies  gesagt,  so  fiel  ihm  der 
Lachs  ins  Auge  und  er  rief  nun  aus:  „Das  ist  ja  mein  kleiner  Fisch, 
der  so  knistert!^  Zugleich  ergriff  er  einen  Stein  und  schlug  damit  den 
Lachs  dermaßen,  daß  das  Fett  ihm  in  die  Augen  spritzte  und  sie  ihm 
ttlchtig  verbrannte.    Er  zog  daher  blindlings  seines  Weges  und  traf 
zuerst  die  Birke,  die  er  fragte:  „Hast  du  nicht  ein  Paar  Auglein  übrig?" 
—  „Nein,  antwortete  die  Birke,  ich  habe  keine  Augen  übrig/'     Dann 
kam  er  zur  Föhre  und  versuchte,  von  dieser  ein  Paar  Augen  geliehen 
zu  erhalten.     „Hast  du  nicht  ein  Paar  Augen  übrig?**    fragte  er.  — 
„Nein,  ich  habe  keine  Augen,''  versetzte  die  Föhre.  Dann  kam  er  zur 
Espe:  „Hast  du  nicht  ein  Paar  Auglein  übrig?"  —  „Ja,  die  habe  ich 
Wohl ,    sprach  die  Espe ,    doch  leihe  ich  sie  nicht  auf  lange  fort ;    auf 
kurze  Zeit  jedoch  kannst  du  sie  geliehen  erhalten."    —    „Ich  brauche 
sie  nicht  lange,  sagte  der  Fuchs;  hinter  dem  Hügel  dort  habe  ich  ein 
Paar  ändere  Augen."     Er  bekam  also  die  Augen,   und  indem  er  mit 
ihnen  fortlief,   rief  er  aus:    „Von  Geschlecht  zu  Geschlecht  sollen  die 
Augen  der  Espe  mir  verbleiben I"     Daher  kommt  es  denn  auch,    daß 
die  Espe  wegen   des   eingegangenen  Tausches   gleichsam   verbrannte 
Augen  hat.  Sie  wurde  darüber  sehr  aufgebracht  und  schlug  nach  dem 
Fuchse,  traf  aber  nur  die  Spitze  seines  Schwanzes,  so  daß  bloß  diese 
weiß  geblieben  ist. 

Gieddegaes-galggo,  Haccil-aedne  und  iNjavis-aedne*). 

In  vielen  von  den  lappländischen  Märchen  spieleü  einige  über- 
natüriiche  weibliche  Wesen  eine  sehr  wichtige  Rolle.  Das  eine  von  ihnen 
heißt  Gieddegaes  -  galggo  oder  Gieddegaes  -  akko ,  die  andere  Haccis- 
aedne  öder  Haccecan-nieidda ,  eine  dritte  Njavis-aedne  oder  Njaviöan- 
nieidda«  Die  erstgenannte  wird  stets  als  ein  wohlwollendes  Wesen  ge- 
schildert, als  eine  sehr  alte  kluge  Frau,  die  Alles  weiß,  was  auf  dem 
ganzen  Erdkreis  vorgeht  und  ftlr  Alles  Rath  findet.  Sie  nimmt  in  den 
lappländischen  Märchen  die  nämliche  Stelle  ein  wie  Leski-akka  (Wittwe 
-Hausfrau)  in  den  finnischen.  Sie  hält  sich  in  Einöden  auf,  woher  sie 
auch  ihren  Namen  hat  (Giedde-gaes- galggo,  d.i.  Fluren -Ende -Frau). 
Wenn  der  Held  eines  Märchens  sich  in  Noth  befindet,  so  wendet  er 
sich  häufig  aa  sie,  um  Rath  zu  erhalten.  Vielleicht  ist  der  Glaube  an 

*)  i5  -■  sbj,  e  — r  ts,  i  —  tech. 


168  FELIX  LIEBRECHT 

sie  eine  Reminiscenz  der  Göttin  Madderakka  (über  welche  Näheres  in 
der  Mythologie).  Haccis-aedne  dagegen  war  ein  boshaftes  schlaues 
Trollweib ,  welches  durch  allerlei  Listen  sich  an  die  Stelle  anderer 
Frauen  zu  setzen  suchte;  sie  entspricht  in  jeder  Beziehung  der  finni- 
schen Syöjäter  (Fresserin).  Njavis-aedne  war  gutmüthig,  aber  einföltig^ 
und  ließ  sich  leicht  von  Haccis-aedne  zum  NaiTcn  haben. 

2.  Haoois  -  äedne. 

(Aus  Skjaenrö.) 

Es  waren  einmal  zwei  Waisen,  ein  Knabe  und  ein  Mädchen.  Sie 
bauten  sich  eine  Hütte  tief  in  einer  Einöde  und  lebten  da  so  gut  sie 
konnten.  So  geschah  es  denn  eines  Tages,  daß  der  Sohn  eines  Königs 
dorthin  kam  und^  als  er  das  Mädchen  erblickte,  sich  dermaßen  in  sie 
verliebte,  daß  er  nicht  so  rasch  wieder  fortkonnte  und  deshalb  einige 
Tage  bei  ihnen  blieb.  Endlich  aber  musste  er  denn  doch  wieder  zu 
den  Seinigen  zurückkehren,  imd  da  erfuhr  er  nach  einem  Jähre,  daß 
das  Mädchen  von  ihm  ein  Kind  geboren  hatte,  weshalb  er  ihr  und 
ihrem  Bruder  den  Befehl  zuschickte,  sie  sollten  zu  ihm  auf  sein  Schloss 
kommen.  Da  man  um  dorthin  zu  gelangen  über  einen  großen  See  fahren 
musste,  so  zimmerte  der  junge  Bursche  ein  Boot  und  sie  fuhren  ab. 
Als  sie  eine  Strecke  weit  gerudert  waren,  kam  Haccis-aedne  an  den 
Strand  hinabgesprungen,  rief  ihnen  zu  und  bat  flehentlich,  sie  als  Magd 
begleiten  zu  dürfen.  Die  Schwester  jedoch  wollte  das  Anerbieten  nicht 
annehmen.  ^Ei,  sprach  der  Bruder,  warum  kannst  du  sie  nicht  als 
Magd  mitnehmen?'^  und  so  wurde  ihr  denn  erlaubt  mitzukommen.  Da 
nun  die  Schwester  auf  dem  Vordertheil  des  Bootes,  der  Bruder  hinten 
und  Haccis-aedne  in  der  Mitte  saß,  so  konnte  letztere  sehr  genau  hören, 
was  die  beiden  andern  sagten,  während  diese  dagegen  einander  nicht 
gut  hören  konnten.  Als  sie  so  eine  gute  Strecke  gerudert  wären,  fiengen 
sie  endlich  an,  das  Königsschloss  in  der  Ferne  zu  erblicken.  ^Zieh 
dir  nun  die  besten  Kleider  an,  sprach  der  Bruder  zur  Schwester, 
denn  schon  können  wir  da  unten  das  königliche  Schloss  sehen  "  — 
„Was  sagt  mein  Bruder?"  fragte  die  Schwester.  —  „Was  dein  Bruder 
sagt  ?  antwortete  Haccis-aedne ;  er  sagt ,  daß  du  dir  deine  besten 
Kleider  anziehen  und  ins  Wasser  springen  sollst,  dann  wirst  du  zu 
einer  Goldente."  Die  Schwester  hörte  nun  zu  rudern  auf  und  fieng  an 
sich  zu  schmücken.  „Mach  rasch,  sagte  der  Bruder,  denn  das  Schloss 
ist  schon  ganz  nahe.''  —  „Was  sagt  mein  Bruder ?**  fragte  wiederum 
die  Schwester.  —  „Er  sagt,  antwortete  Haccis-aedne,  daß  du  deine 
besten  Kleider  anlegen  und  ins  Wasser  springen  aollst,  dann  wirst  du 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  169 

eine  Goldente ,  und  der  Königssohn  wird  dich  dann  noch  viel  lieber 
haben  als  vorher."  Die  Schwester  that  wie  der  Bruder  sagte  und  sprang 
ins  Wasser.  Der  Bruder  wollte  sie  wieder  herausziehen^  allein  ehe  er 
«ie  fassen  konnte;  war  sie  in  eine  Öoldente  verwandelt  und  schwamm 
fort,  während  Haccis-aedne  alsobald  das  Kind  ergriff,  es  an  die  Brust 
legte  und  es  säugte.  Als  sie  an  dem  Ufer  anlangten,  wo  das  Königs- 
schloss  lag,  kamen  ihnen  Leute  entgegen,  welche  sie  in  das  Schloss 
fbhrten,  wo  aber  der  junge  Bursche  nicht  zu  erzählen  wagte,  was  un- 
terwegs vorgefallen  war.  Den  Tag  darauf  jedoch  nahm  er  das  Kind^ 
und  trug  es  an  den  Strand  und  fieng  an  zu  rufen :  „Liebe  Schwester  — 
komm  ans  Ufer!  —  das  Kind  weint,  —  die  Kuh  brüllt,  —  komm  ans 
Ufer!"  —  Sogleich  kam  die  Ente  ans  Ufer  geschwommen,  und  da  der 
Bruder  ihr  das  Kind  entgegenhielt,  verwandelte  sie  sich  wieder  in  seine 
Schwester,  nahm  das  Kind  und  säugte  es.  Als  sie  damit  fertig  war^ 
gab  «ie  es  dem  Bruder  zurück,  der  zugleich  auch  sie  selbst  festhalten 
wollte,  allein  sie  verwandelte  sich  wieder  in  eine  Goldente  und  schwamm 
in  den  See  hinaus.  Auf  dem  Rückwege  nach  dem  Schlosse  dachte  der 
Bruder  darüber  nach,  wie  er  es  anfangen  sollte,  um  seine  Schwester 
wiederzubekommen,  konnte  aber  nichts  ausfindig  machen  und  beschloß 
daher,  sich  an  Gieddegaes-galggo  zu  wenden.  Diese  gab  ihm  den  ßath, 
sich  eine  so  weite  Kleidung  zu  machen,  daß  zwei  Menschen  sie  zu 
gleicher  Zeit  anziehen  könnten,  ohne  deshalb  anders  als  ein  einziger 
Mensch  auszusehto;  dann  sollten  sie  an  das  Ufer  hinabgehen  und  wie 
fiüher  rufen:  ^Liebe  Schwester,  komm  ans  Ufer  u.  s.  w."  Der  junge 
Bursche  that  wie  ihm  gerathen  war,  und  als  die  Schwester  ihm  nun 
das  Kind,  nachdem  sie  es  gestillt,  zurückgab,  fasste  der  andere  Mann, 
den  sie  nicht  gesehen  hatte,  sie  um  den  Leib  und  hielt  sie  fest.  Den- 
noch wäre  sie  ihm  fast  wieder  entschlüpft;  denn  bald  verwandelte  sie 
sich  in  seinen  Händen  in  einen  ganz  kleinen  Wurm,  bald  in  eine  häß- 
liche Kröte,  bald  in  ein  Stück  Seegras,  bald  in  eine  Mücke,  aber  in 
was  sie  sich  auch  verwandeln  mochte,  er  ließ  nicht  los,  und  endlich 
nahm  sie  wieder  ihre  menschliche  Gestalt  an.  Da  sie  nun  mit  ihnen 
nach  dem  Königsschloss  kommen  sollte,  wollte  sie,  wie  sehr  sie  auch 
baten,*  durchaus  nicht  eher  mitgehen,  als  bis  Haccis-aedne  verbrannt 
und  jede  Spur  von  ihr  mit  Schwefel,  Feuer  und  Wasser  ausgetilgt  wäre. 
Der  Königssohn  wurde  daher  von  allem,  was  sich  zugetragen,  in  Kennt- 
niss  gesetzt,  so  daß  er  alsbald  eine  große  tiefe  Grube  graben,  sie  mit 
Pech  und  Theer  anfüllen  und  dies  dann  anzünden  ließ.  Hierauf  begab 
er  feich  mit  Haccis-aedne  dorthin  unter  dem  Vorwand,  das  Feuer  brennen 
2U  sehen,   und  während  sie   um  dasselbe  herumgiengen ,    gab  er  ihr 


17Ö  FELIX  LIEBRECHT 

pl5t2slic^  von  hinten  einen  tüchtigen  Stoß,  so  daß  sie  in  die  Grube 
fitürzte  und  verbrannte.  Nun  machte  et  das  arme  Mädchen  zu  seiner 
G-emahlin  und  hielt  eine  prächtige  Hochzeit;  ich  aber  reiste  von  dort 
weg  und  weiß  nicht,  wie  es  später  zugegangen  ist 

8.  Das  H&dohen  aus  dem  Heere, 

(Aus  Lebesby.) 

Ee  war  einmal  eifi  Baui^r,  der  hatte  einen  einzigen  Sohn.  Eines 
Tages  zog  dieser  auf  die  Jagd  und  kam  zu  einer  Meeresbucht,  wo 
der  Strand  mit  dem  feinsten  Sande  bedeckt  war  und  das  Wasser  weit 
hinaus  hell  und  klar  über  dem  weißen  Sandboden  leuchtete.  Der  junge 
Bursche  setzte  sich  an  dem  Waldrande  nieder  und  zog  seinen  Speise- 
vorrath  aus  der  Tasche.  Während  er  es  sich  nun  auf  das  Beste  schmecken 
ließ,  tauchten  drei  Mädchen  aus  dem  Meere  empor,  stiren  ans  Ufei^ 
und  legten  ihre  Kleider  auf  den  Rasen  hin ;  zwei  von  ihnen  an  dem- 
selben Ort,  die  dritte  aber  legte  die  ihrigen  ein  wenig  abseits  von  den 
andern.  Nachdem  sie  sich  nun  so  entkleidet  hatten ,  begaben  sie  sich 
wieder  hinaus  in  die  See,  um  sich  zu  baden.  Sie  wateten  hin  und  her, 
spielten  und  scherzten  und  plätscherten  mit  den  Händen  im  Wasser. 
Bann  giengen  sie  wieder  ans  Ufer,  zogen  ihre  Kleider  an  und  ver^ 
schwanden  so  plötzlich,  wie  sie  gekommen  waren.  Auch  der  junge 
Bursche  gieng  seines  Weges,  kam  aber  den  nächsten  Tag  wieder,  um 
zu  sehen,  ob  a;ach  die  Mädchen  sich  von  neuem  zeigen  würden,  wo- 
bei er  ein  Versteck  suchte,  von  wo  aus  er  sie  ganz  in  der  Nähe  be- 
obachten konnte,  ohne  von  ihnen  gesehen  zu  werden.  Er  hatte  auch 
wirklich  nicht  lange  dagesessen,  als  die  drei  Mädchen  sich  wieder  ein-' 
stellten  und  ganz  ebenso  thaten ,  wie  das  erste  Mal ;  doch  auch  an> 
diesem  Tage  störte  der  junge  Bauemsohn  sie  nicht,  bemerkte  indeß, 
daß  die  Kleider,  welche  das  eine  der  Mädchen  etwas  abseits  legte, 
hübscher  waren  als  die  der  andern  beiden.  Am  dritten  Tage  jedoch 
begab  er  sich  hin  mit  dem  Vorsatz,  daß,  wenn  er  die  Mädchen  noch  ein^ 
mal  zu  sehen  bekäme,  er  die  Kleider,  welche  die  eine  von  ihnen  be^ 
sonders  legte,  verstecken  wollte.  Wie  gedacht  so  gethan.  Die  Mädchen 
kamen  wieder,  und  während  sie  sich  badeten,  schlich  der  junge  Bursche 
herbei,  nahm  die  schmucksten  Kleider  mit  fort  und  versteckte  sie.  Als 
nun  die  Mädchen  sich  gebadet,  hatten  und  wieder  ans  Ufer  stiegen, 
landen  zwei  von  ihnen  ihre  Kleider  an  dem  Orte ,  wo  sie  dieselben 
hingelegt,  zogen  sie  an  und  vertichwanden ;  die  dritte  hingegen  fend 
die  ihrigen  nicht.  Sie  wtBrde  darüber  sehr  ba;nge  und  traurig,  lief  hin 
und  her  und.  rief  aus:  ^Wenn  du,  der  du  mir  die  Kleider  geB^mmen> 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  171 


ein  Mjänn  bist^  so  verspredbe  ich  dir  als  Liebste  dasjenige 
das  du  selbst  dir  wünschest ;  bist  da  aber  ein  Mädchen^  so  verspreche  ioh 
dir  denBräutigapi,  den  du  selbst  dir  wünschest.^  Da  kam  der  junge  Bursche 
aus  seinem  Versteck  hervor  und  rief:  ^Du  bekommst  deine  Kleider  nicht 
eher,  als  bis  du  mir  versprichst,  selbst  meine  Frau  zu  werden.''  Das  Mäd- 
chen weinte  und  jammerte  und  sagte,  daß  dies  nicht  möglich  wäre.  „Ich 
kann  hier  nicht  leben,  da  ich  hier  nicht  zur  Welt  gekommen  bin,  und 
du  kannst  da  nicht  leben ,  wo  ich  herkomme.**  Der  junge  Bursche 
meinte  indess^  daß  dies  doch  wohl  angienge,  und  er  sprach,  und  bat  so 
lange,  bis  sie  schließlich  nachgeben  und  ihm  versprechen  musste,  seine 
Frau  zu  werden,  obwohl  sie  dabei  heftig  weinte.  Er  fUhrte  sie  also  zu 
seinen  Eltern,  ließ  sie  taufen  und  gab  ihr  einen  christlichen  Namen, 
worauf  sie  sich  ehelich  verbanden  und  nach  einigen  Jahren  einen  Sohn 
bekamen.  Als  dieser  so  groß  geworden  war,  daß  er  gehen  konnte,  be- 
gleitete  er  eines  Tages  seinen  Vater  nach  dem  Vorrathshause.  In  dem 
Kasten  aber,  aus  welchem  dieser  etwas  herauszunehmen  hatte,  lagen 
obenauf  einige  Kleidungsstücke,  die  er  zuvörderst  bei  Seite  legte,  und 
da  sie  dem  Knaben,  der  dabei  stand,  ganz  besonders  schmuck  und  rar 
dünkten,  so  fragte  er  den  Vater,  wem  sie  denn  gehörten.  Der  Vater 
gab  aber  hierauf  keine  Antwort,  sondern  legte  die  Slleider  wieder  an 
ihre  Stelle.  Des  andern  Tags  jedoch,  als  er  in  den  Wald  gegangen 
und  die  Mutter  mit  dem  Knaben  allein  geblieben  war,  erzählte  er  ihr 
von  den  schmucken  und  raren  Kleidern,  die  er  mit  dem  Vater  im  Vor- 
rathshause  gesehen.  Die  Mutter  nahm  den  Knaben  bei  d^  Hand  xmd 
hieß  ihn  ihr  zeigen,  wo  denn  die  Rarität  läge.  Als  sie  den  Kasten  öff^ 
ndie,  erkannte  sie  gleich  die  Kleider  wieder,  die  sie  einst  axLS  dem  Meere 
mitgebracht  hatte  und  empfand  darüber  zugleich  Freude  und  Traurige 
keit;  doch  nahm  sie  dieselben  mit  in  die  Stube.  Hier  legte  sie  sie  an, 
küsste  das  Söhnchen,  welches  auf  der  Schwelle-  stehen  blieb  und  ihr 
nachhliokte^^  f^eng  dann  nach  dem  Strande  hinab  und  verschwand 
in  dem  Meere,  aais  dem  sie  gekommen  war;  Als  nnn  der  Mann  nach 
Hause  kehrte  imd  seine  Frau  nirgends  sah,  fragte  er  den  Knaben: 
„Wo  ist  deine  Mutter?**  —  „Die  Mutter,  sagte  dieser,  ist  ans  Meer 
gegangen.**  Der  Mann  dachte  sich  nun  gleich^  daß  sie  wohl  ihre  Meer- 
frauenkleider,  die  er  in  dem  Kasten  aufgehoben,  wiedergefunden  hätte 
und  in  ihre  alte  Heimat  zurückgekehrt  wäre.  Er  wurde  also  sehr  traurig 
und.  wusstoi  nicht ,  was  er  anfangen  sollte;  endlich  jedoch  suchte  er 
Oieddegaes-galggo  und  erzäUte  ihr  das  Vorgefallene.  „Hast  du  keine 
Kinder?"  fragte  sie.  —  „Ja,  antwortete  er,  einen  kleinen  Sohn.**  —  „So 
sei  nicht  länger  traurig,  sprach  jene;    sie  kommt  noch  dreimal  wieder 


172  FELIX  LIEBRECHT 

in  dein  Haus ;  lassest  du  sie  aber  das  dritte  Mal  fort ,  so  kehrt  sie 
mmmer  wieder.  Heute  Nacht  kommt  sie  das  erste  Mal ;  jedoch  darfst 
du  dich  in  deinem  Bette  nicht  rühren,  sondern  musst  thun,  als  ob  du 
«chliefest.  Sie  wird  sich  bei  dem  Kinde  niedersetzen  und  es  eine  Zeit 
lang  streicheln  und  liebkosen.  In  der  zweiten  Nacht  wird  sie  wieder 
kommen  und  eben  so  thun.  Sobald  es  nun  aber  am  dritten  Tage  Abend 
zu  werden  beginnt,  mache  dir  im  Winkel  bei  der  Thür  ein  Versteck 
zurecht,  und  das  Bett  laß  du  so  aussehen,  als  ob  du  darin  lägest  und 
schliefest.  Wann  sie  dann  das  dritte  Mal  kommt^  so  hält  sie  sich  am 
längsten  auf;  in  dem  Augenblick  aber,  wo  sie  fortgehen  will,  fasse  du 
sie  um  den  Leib  und  halte  sie  mit  allen  Kräften  fest,  sprich  ihr  liebe- 
voll zu  und  suche  sie  zu  überreden,  daß  sie  bei  dir  bleibe.  Wenn  sie 
nun  nachgibt  und  nicht  länger  versucht  sich  von  dir  lossnireißen ,  so 
führe  sie  zimi  Bett  und  lege  dich  mit  ihr  hinein.  Sobald  sie  aber  ein- 
geschlafen ist,  stehe  leise  auf,  geh  hinaus  und  sieh  zu,  daß  du  die 
Kleider  findest,  wejche  sie  trug,  als  sie  aus  dem  Meere  kam.  Sie  liegen 
an  der  Ecke  des  Hauses,  bring  sie  zu  mir,  und  ich  werde  sie  so  auf- 
heben ,  daß  sie  nimmer  wieder  von  irdischen  Menschenaugen  erblickt 
werden  sollen."  Es  gieng  alles  wie  Gieddegaes-galggo  vorausgesagt. 
Als  die  Mutter  zweimal  bei  ihrem  Kinde  gewesen  war  und  der  Abend 
des  dritten  Tages  sich  nahte,  that  der  Mann  wie  Gieddegaes-galggo  ihm 
gerathen  hatte.  Noch  brannte  die  Lampe,  da  hörte  er  seine  Frau  kom- 
men ,  leise  die  Thüre  öffiien  und  sich  nach  der  Stelle  hinschleichen, 
wo  das  Kind  lag.  Da  setzte  sie  sich  nieder  und  fieng  an  das  Söhnchen 
zu  streicheln  und  zu  liebkosen.  Als  sie  aber  wieder  fortgehen  wollte 
und  mitten  in  der  Stube  war,  ergriff  sie  ihr  Mann  und  hielt  sie  fest 
und  sprach  ihr  liebevoll  zu  mit  allen  überredenden  Worten ,  deren  er 
niächtig  war,  so  daß  sie  endlich  sich  beruhigte  und  nicht  länger  sich 
loszureißen  versuchte.  Dann  führte  er  sie  ans  Bett  und  legte  sicji  mit 
ihr  hinein.  Sie  versank  rasch  in  einen  tiefen  Schlaf,  in  welchem  der 
Mann  sie  ließ,  während  er  aufstand,  um  die  Kleider  zu  suchen,  die  sie 
vor  dem  Hause  abgelegt  hatte.  Er  fand  sie  und  brachte  sie  zu  Giedde- 
gaes-galggo, welche  sagte:  „Diese  Kleider  will  ich  so  verbergen,  daß 
kein  Menschenauge  sie  mehr  sehen  soll !"  worauf  der  Mann  wieder 
nach  Hause  kehrte  und  sich  an  seiner  Frau  Seite  legte.  Von  dieser 
Zeit  an  ftihrten  sie  ein  glückliches  Leben ;  alles  schlug  ihnen  nach 
Wunsch  aus,  und  die  Verwandten  der  Frau  brachten  ihr  aus  der  Tiefe 
des  Meeres  alles  was  sie  nöthig  hatte  oder  wünschte» 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  173» 

4.  Die  Hexe  und  Jes. 

(Aus  dem  schwedischen  Lappmarken.) 

Ein  alter  Lappe  hatte  sich  einmal  auf  der  Jagd  dermaßen  ver- 
irrt, daß  er  nicht  wieder  nach  Hause  fand.  Endlich  kam  er  zu  einer 
kleinen  Hütte  auf  einer  Lichtung  im  Walde.  Er  gieng  hinein,  um  da 
die  Nacht  über  zu  bleiben,  machte  Feuer  und  fieng  an,  in  einem  kleinen 
Kessel,  den  er  mit  sich  flihrte,  etwas  von  seiner  Jagdbeute  zu  kochen. 
Plötzlich  trat  eine  Hexe  (Troldkjerring)  herein  und  fragte :  »Wie  heißest 
du?"  —  „Ich  heiße  Jes  (Selbst),"  antwortete  der  Lappe,  nahm  aber 
in  demselben  Augenblick  einen  Schöpflöffel  voll  kochenden  Wassers 
und  goß  ihn  der  Hexe  in  die  Fratze.  Da  fieng  sie  an  jämmerlich  zu 
schreien  und  zu  heulen  und  rief  aus:  „Jes  muo  boldi,  Jes  muo  boldi! 
(Selbst  mich  verbrannte.  Selbst  mich  verbrannte)."  —  „Hast  du  dich 
selbst  verbrannt,  so  musst  du  selbst  daflLr  leiden!**  antwortete  es  von 
dem  nächsten  Berge,  wo  sich  die  Genossen  des  Trollweibes  befanden, 
80  daß  fiir  dieses  Mal  der  Lappe  mit  heiler  Haut  davon  kam,  obwohl 
sie  beim  Fortgehen  sagte:  „Selbst  kannte  mich  und  Selbst  verbrannte 
mich  imd  Selbst  soll  bis  zum  nächsten  Jahre  schlafen!"  Nach. der  Mahl- 
zeit legte  der  Lappe  sich  zur  Ruhe;  als  er  aber  des  Morgens  aufwachte 
und  in  seinen  Speisesack  griff,  fand  er  ihn  voll  Schimmel  und  Fäulniss 
und  verdorbener  Speisereste.  Er  konnte  nicht  begreifen,  wie  das  zu- 
gegangen; als  er  aber  weiterhin  Leute  traf^  so  erfuhr  er,  daß  er  ein 
ganzes  Jahr  fortgewesen  war. 

Jetanas  oder  Jetanis. 

Die  Lappen  besitzen  viele  Erzählungen  von  einem  furchtbar 
großen  Ungeheuer  in  Menschengestalt,  welches  sie  Jetanas  oder  Jetanis 
nennen.  Der  Schilderung  nach  ist  es  eins  mit.  dem  skandinavischen 
Jaette  oder  Riese  und  dem  finnischen  Jatuni  (oder  in  der  Mythologie 
Kalevan  pojat).  Ein  lappischer  Jetanas  war  so  viel  größer  als  ein  ge- 
wöhnlicher Mensch,  daß  er  mit  Leichtigkeit  einen  Lappen  zwischen  die 
Finger  nehmen  und  in  die  Westentasche  stecken  konnte ;  ja,  eine  Ka- 
levatochter  nahm  sogar  einen  Bauern  zugleich  mit  seinem  Pferde  und 
Pflug  in  die  Schürze,  trug  sie  zu  ihrer  Mutter  und  fragte:  „Was  ist  das 
för  ein  Käfer,  den  ich  da  draussen  auf  dem  Felde  fand,  wie  er  in 
der  Erde  wühlte?"  (vgl.  Grimm  DM.  505  ff.)  Wie  im  südlichen  Skan- 
dinavien, so  zeigt  man  auch  in  Lappmarken  ungeheuer  große  Steine, 
die  durch  Riesen  von  weit  entfernten  Bergen  sollen  herabgeschleudert  ^ 
worden  sein.    In  Torneä-Lappmark  haben  mehrere  Stellen  noch  ihren 


174  FELIX  LIEBRECHT 

Jetanisnamen  behalten;  so  findet  man  dort  ein  Jetanis-cielgge  (Riesen- 
rücken), Jetanisjänkä  (Riesenmoor)  n.  s.  w.  Üngefehr  eine  Meile  nörd- 
licli  von  Karasuando  befindet  sich  eine  große  Felsenplatte ,  die  weit 
in  den  Fluß  hineingeht  und  wie  eine  steinerne  BrtLcke  aussieht.  Diese 
t^latte  soll  von  einem  Riesen,  der  sich  eine  Brücke  über  den  Fluß 
tnachen  wollte,  dorthin  gelegt  sein,  und  daher  hat  auch  jene  Stelle 
ihren  Namen  Jatuni  niva  (Riesenstrom)  erhalten»  Die  sogenannten  Rie- 
öentöpfe  (Jaettegryder) ,  kleinere  oder  größere  vom  Wasser  gebildete 
Löcher  in  den  Bergfelsen,  finden  sich  auch  in  Lappmarken.  In  Betreflf 
dieser  glaubt  man  aber  nicht,  daß  sie  von  Riesen  herrühren  oder  von 
ihnen  benützt  wurden.  Man  nennt  sie  Kadnika  basatam  garre  (der 
Unterirdischen  oder  Bergweiber  Waschßlsser). 

5.  Der  Biese,  dessen  Leben  in  einem  EÜuierei  verborgen  war. 

(Am  Utcgok.) 

Eine  Frau  hatte  einen  Mann,  der  sieben  Jahre  lang  mit  einem 
Riesen  in  Fehde  lag.  Dieser  fand  nämlich  Wohlgefallen  an  der  Frau 
und  wollte  den  Mann  ums  Leben  bringen,  um  letztere  zum  Weibe  zu 
nehmen.  Nach  sieben  Jahren  gelang  es  ihm  endlich^  seinen  Zweck  zu 
erreichen;  jedoch  hatte  der  Getödtete  einen  Sohn,  welcher,  herange- 
wachsen, daran  dachte,  sich  an  dem  Riesen  zu  rächen,  der  seinen  Vater 
getödtet  und  seine  Mutter  zur  Frau  genommen  hatte.  Es  war  aber  dem 
jungen  Menschen  nicht  möglich,  dem  Riesen  mit  Feuer  oder  Schwert 
ans  Leben  zu  kommen^  alles  was  er  that  und  versuchte  half  nichts; 
es  schien  gerade,  als  ob  sich  in  dem  Riesen  kein  Leben  befände. 
„Liebe  Mutter,  sagte  eines  Tages  der  Sohn  zu  ihr,  du  weißt  wohl  nicht, 
wo  der  Riese  sein  Leben  verborgen  hat?"  Die  Mutter  wusste  es  nicht, 
versprach  aber,  den  Riesen  auszuforschen,  und  da  dieser  eines  Tages 
sich  bei  guter  Laune  befand,  fragte  sie  ihn  unter  anderm  auch,  wo  er 
denn  sein  Leben  hätte.  „Warum  fragst  du  mich  das?"  antwortete  der 
Riese.  —  „Ja,  meinte  die  Frau,  wenn  du  oder  ich  einmal  in  Noth  oder 
Gefahr  kommen ,  so  ist  es  tröstlich  zu  wissen ,  daß  wenigstens  dein 
Leben  wohl  bewahrt  ist."  Der  Riese,  der  keinen  Unrath  merkte,  er- 
zählte nun  der  Frau  von  seinem  Leben  und  sagte:  „Draußen  auf  einem 
brennenden  Meere  ist  eine  Insel,  auf  der  Insel  ist  eine  Tonne,  in  der 
Tonne  ein  Schaf,  in  dem  Schaf  eine  Henne,  in  der  Henne  ein  Ei,  und 
in  dem  Ei  steckt  mein  Leben  !*  Den  Tag  darauf  kam  der  Sohn  wieder 
zur  Mutter,  die  nun  zu  ihm  sagte:  „Jetzt,  lieber  Sohn,  habe  ich  Kunde 
über  das  Leben  des  Riesen  erhalten;  er  hat  mir  gesagt,  daß  es  sich 
weit  fort  von  hier  befindet**,    und  darauf  theilte  sie  ihm  mit,   was  sie 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  175 

von  dem  Riesen  erfahren.  Da  sprach  der  Sohn:  „So  muß  ich  mir  Ge- 
hilfen miethen,  mit  denen  ich  über  das  brennende  Meer  fahren  kann.** 
Er  miethete  sieh  also  einen  Bären,   einen  Wolf,    einen  Habicht  und 
einen  Seetaucher  (colymbus  glacialis)  und  machte  sich  in  einem  Boote 
iauf  den  Weg.  Er  setzte  sich  in  die  Mitte  des  Fahrzeuges  unter  einem 
eisernen  Zelte,  und  den  Habicht  so  wie  den  Tauohvögel  hatte  er  dort 
gleichfalls  bei  sich,  damit  sie  nicht  verbrennen  sollten,  den  Bären  und 
den  Wolf  aber  ließ  er  rudern.  Daher  kommt  es^  daß  der  Bär  schwarz- 
briiune  Haare  und  der  Wolf  schwarzbraune  Flecken  hat;    denn  beide 
haben  eine  Fahrt  über  das  brennende  Meer  gemacht,   dessen  Wogen 
wie  Feuerflammen  in  die  Höhe  schlugen.  So  gelangten  sie  zu  der  Insel, 
wo  das  Leben  des  Riesen  f^in  sollte.  Nachdem  sie  die  Tonne  gefunden, 
ßchlug  der  Bär  ihr  mit  der  Tatze  den  Boden  ein  und  ein  Schaf  sprang 
hervor ,  welches  jedoch  der  Wolf  einholte ,  am  Hinterschenkel  packte 
uud  in  Stücke  riß.    Aus  dem  Schafe  flog  eine  Henne,  auf  welche  der 
Habicht  sich  stürzte,  worauf  er  sie  mit  seinen  EJauen  zerriu.    In  der 
Henne  war  ein  Ei,    welches  ins  Meer  fiel  und  versank,   weshalb  der 
Seetaucher  ausflog  und  dem  Ei  nachtauchte.    Das  erste  Mal  blieb  er 
geraume  Zeit  fort:  da  er  es  aber  nicht  länger  unter  dem  Wasser  aus* 
hielt;  ohne  zu  athmen,  so  kam  er  wieder  auf  die  Oberfläche,  um  Luft 
zu  schöpfen     Dann  tauchte  er  wiederum  unter,   blieb  länger  fort  als 
das  erste  Mal,   fand  aber  gleichwohl  das  Ei  nicht     Zum  dritten  Mal  ' 
endlich  fand  er  es  auf  dem  Grunde  des  Meeres ,   brachte  es  auf  die 
Oberfläche  empqr  und  übergab  es  dem  jungen  Menschen,  der  sich  sehr 
darüber  fireute.  Alsbald  zündete  er  auf  dem  Ufer  ein  großes  Feuer  an, 
legte ^   als  es  gehörig  in  Brand  gekommen  war,   das  Ei  mitten  hinein 
und  ruderte  unverzüglich  wieder  über  das  Meer  zurück»  Sobald  er  ans 
Land  kam,  eilte  er  gerades  Weges  nach  dem  Gehöfte  des  Riesen  und 
sah  nun ,    daß  dieser  eben  jetzt  gerade  so  verbnsimte  wie  das  Ei  auf 
der  Insel.  Die  Mutter  war  nicht  minder  froh  als  der  Sohn^  daß  sie  dem 
Riesenungeheuer  den  Garaus  gemacht  hätten.  Noch  aber  war  ein  wenig 
Leben  in  dem  Riesen,   und  da  er  ihre  Freude  sah,   brach  er  in  die 
Worte  aus:  „Ich  Thor,  der  ich  mich  habe  verleiten  lassen,  dem  alteii 
bösen  Weibe  mein  Leb^a  zu  verrathen  I^    und  zugleich  ergriff  er  daa 
eiserne  Rohr,    womit  er  den  Menschen  das  Blut  auszusaugen  pflegte. 
Die  Frau  hatte  jedoch  dasselbe  mit  dem  einen  Ende  in  die  Gluth  de» 
Heerdes  gesteckt,  so  daß  er  glühende  Kohlen^  Asche  imd  Feuer  ein- 
schluckte und  sowohl  inwendig  wie  aufwendig  verbrannte.    Akdann 
verlosch  das  Feuer  und  mit  dem  Feuer  das  Leben  des  Riese». 


176  FELIX  LIEBRECHT 

6.  Der  Biese  und  der  kleine  Junge. 

Ein  kleiner  Junge  hütete  die  Schafe  ^    da  kam  ein  Riese  zu  ihm 
imd  wollte  ihn  als  Knecht  haben.  Der  Junge  gieng  darauf  ein.  ^Sobald 
du  die  Schafe  nach  Hause  getrieben  hast,  wirst  du  mich  hier  finden"^ 
«prach  der  Riese.     Als  nun  der  Junge  zurück  kam,   machten  sie  sich 
auf  nach  der  Wohnung  des  Riesen.  Unterwegs  wurden  sie  beide  einig 
darüber,    daß   sie  etwas  trockenes  Holz  zum  Kochen  mit  nach  des 
Riesen  Wohnung  bringen  müssten,  und  so  trafen  sie  denn  eine  Birke. 
^Ich  denke,  wir  nehmen  diese  Birke  da.*  —  „Sie  ist  ein  bischen  klein,** 
«agte  der  Junge.  So  giengen  sie  ein  Stück  wieder  und  fanden  eine  Eiche, 
^ine  große  Eiche,  die  der  Wind  umgebrochen  hatte.  „Ich  denke,  wir 
nehmen  diese  Eiche,"  sprach  der  Junge.  —  „Sie  ist  ein  bischen  groß**, 
meinte  der  Riese.   —    „Warum  nicht  gar,   sagte  der  Junge;  fasse  du 
am  Wipfel  an,  so  will  ich  am  Wurzelende  anfassen,^  und  zugleich  fieng 
«r  an,  ein  Paar  lange  spitze  Holzpflöcke  zu  schnitzen.  „Was  willst  du 
mit  den  Pflöcken?"  fragte  der  Riese.  —  „Sie  dir  in  die  Augen  stechen, 
wenn  du  hinter   dich  siehst,"    sprach  der  Junge.     Als  nun  der  Riese 
den  Wipfel  angriff  und  zu  schleppen  anfieng,  setzte  der  Junge  sich  auf 
■das  Wurzelende;    der  Riese  aber  wagte  nicht   hinter  sich   zu  sehen. 
Sobald  sie  eine  kurze  Strecke  weiter  waren,  sagte  der  Riese :  „Schau, 
*  schau,  das  ist  schwer!**  —  „Warum  nicht  gar,  sprach  der  Junge;  ich 
bin  noch  nicht  im  mindesten  müde."     Als  sie  nun  anfingen,    sich  der 
Wohnung  des  Riesen  zu  nähern ,    sprach  der  Junge :    „Du  wirst  den 
Baum  nicht  eher  zu  Boden  werfen,  als  bis  ich  es  dich  heiße.**  Als  nun 
der  Junge  es  hieß,  warf  er  den  Baum  nieder.    „Schau,  schau,  das  war 
schwer!  rief  der  Riese.  Nun  werde  ich  dir  einen  Rath  geben,  fuhr  er 
fort;  gehe  nicht  in  den  Pferdestall,  noch  auch  in  den  Viehstall."    Der 
Riese  war  aber  kaum  im  Hause,  als  der  Junge  schon  in  den  Pferde- 
stall lief.    Dort  fand  er  ein  Pferd,  welches  zu  ihm  sagte:  „Weißt  du 
was  ftlr  Arbeit  der  Hausherr  dir  morgen  aufgibt?"  —  „Woher  sollich 
das  wissen?"    erwiederte  der  Junge.   —    „Er  wird  zu  dir  sagen,    du 
sollst  das  Boot  ins  Wasser  schieben,  sprach  das  Pferd;   du  aber  ant- 
worte ihm:  „„Wenn  ich  das  Boot  anfasse,  um  es  ins  Wasser  zu  schieben^ 
so  geht  es  ganz  und  gar  in  Stücke.""  Am  andern  Tage  als  der  Riese 
sich  zum  Frtlhstück  setzte,  sagte  er  zu  dem  Jungen:  „Geh  und  setze 
das  Boot  aus."  —  „Soll  ich  das  Boot  aussetzen,  so  geht  es  ganz  und 
gar  in  Stücke,"  versetzte  der  Junge.  —  „Schau,  schau!  sagte  der  Riese, 
da  muss  ich  es  wohl  selbst  aussetzen."     Er  schob  also  das  Boot  ins 
Wasser,  denn  er  wollte  auf  den  Fischfang  fahren.    „Nimm  die  Ruder 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  177 

und  rudere!"    befahl  der  Riese.  —    „Wenn  ich  rüdem  soll,  sagte  def 
Junge,  so  gehen  die  Ruder  und  das  ganze  öeräth  in  Stücke."  —  „Nun 
gut,  so  will  ich  lieber  selbst  rudern,"  sprach  wiederum  der  Riese.  Sie 
fuhren  eine  kleine  Strecke.     „Hier  ist  meine  Schellfischbank,**   sprach 
der  Riese.  —  „Hast  du  ^eine  bessere  Bank  als  eine  Schellfischbank?* 
sagte  der  Junge.  Sie  fuhren  wieder  eine  kleine  Strecke.  „Hier  ist  meine 
Kabeljaubank  ^**  sagte  der  Riese.  —  „Hast  du  keine  bessere  Bank  als 
so  eine?"  fragte  der  Junge.     Sie  fuhren  wieder  ein  Stück.     „Hier  ist 
meine  Wallfischbank,  sagte  der  Riese;  nimm  die  Schnur  und  fange  an 
zu  angeln.**  Der  Junge  blieb  ruhig  sitzen  und  sah  bloß  die  Schnur  an. 
„Was  hast  du  auf  mein  Fischgeräth  zu  sehen?"  fragte  der  Riese.  — 
„Also  das  ist  dein  Fischgeräth?  sagte  der  Junge;  soll  ich  damit  fischen, 
so  geht  es  ganz  und  gar  in  die  Brüche!**  —  „Nun  gut,  dann  will  ich 
lieber  allein  fischen,"    sagte  der  Riese  und  ipachte  sich  selbst  daran. 
Kaum  hatte  er  angefangen,  so  bissen  zwei  Wallfische  auf  einmal  an  und 
er  ruderte  mit  ihnen  ans  Ufer.  Als  sie  dorthin  kamen,  ergriff  der  Riese 
mit  jeder  Hand  einen  Wallfisch  hinten  beim  Schwanz  und  zog  sie  ans 
Land ,   worauf  er  sie  zusammenband  und  im  Trockenhause  auf  hieng. 
„Geh  nun  und  mach  Feuer!**  befahl  er  seinem  Knechte.  —  „Wenn  ich 
Feuer  anblasen  soll,    so  blase  ich  das  Dach  vom  Hause,"    sagte  der 
Junge.  —  „Nun  gut,  sprach  der  Riese,  so  will  ich  es  lieber  selbst  thun;** 
als  er  aber  zu  blasen  anfieng,  flog  der  Junge  unter  das  Dach  hinauf 
imd  drehte  sich  da  henmi  wie  ein  Kreisel.  Der  Riese  schaute  auf  und 
fragte:  „Was  hast  du  da  oben  vor?**  —  „Ich  hole  ein  Paar  Schindeln 
zum  Unterzünden  des  Feuers,"   antwortete  der  Junge,  imd  der  Riese 
sagte  zu  sich  selbst:  „Ich  denke  gar,  der  Junge  kann  fliegen."  Hierauf 
kam  der  Junge  wieder  herunter  und  sie  kochten  sich  Essen.  Nachdem 
sie  gekocht  und  gegessen  hatten,  legte  der  Riese  sich  zu  einem  Mittag- 
schläfchen nieder.  Als  er  eingeschlafen  war,  lief  der  Junge  in  den  Stall 
zum  Pferde.  „Geh  in  den  Viehstall,  sagte  es  zu  ihm,  und  schlage  die 
Kuh  todt,  denn  das  Leben  des  Riesen  steckt  in  der  Kuh,  und  schneide 
das  Herz  mitten  entzwei;    dann  kehre  in  das  Haus  zurück,  und  sieh 
ob  ihm  der  Garaus  gemacht  ist;  dann  geh  wieder  zur  Kuh  und  schneide 
das  Herz  in  kleine  Stücke.  Hast  du  das  gethan,  so  komm  wieder  hier- 
her zu  mir,  binde  mich  los  und  nimm  eine  Büchse,  einen  Degen,  ein 
Stück  Schwefel,    einen  Feuerstein  und  einen  Kamm   mit."     Wie   das 
Pferd  ihn  hieß,  so  that  der  Junge.  Als  er  die  Kuh  todt  geschlagen  und 
ihr  das  Herz  gespalten  hatte,  gieng  er  zu  dem  Riesen  hinein,  um.  zu 
sehen,  wie  es  mit  ihm  stand;  dieser  war  aber  in  demselben  Augenblick 
gestorben,  als  der  Junge  der  Kuh  das  Herz  durchspaltete.  Dann  gieng 

OERUANIA.  N«ae  Reihe  TU.  (XV.)  Jahrg.  12 


m 


FELIX  LIEBRECHT 


der  Junge  zu  dem  Pferde,  vergaß  aber  vorher  das  Kuhherz  in  kleine 
Stücke  zu  zerschneiden,  wie  ihm  das  Pferd  gesagt  hatte.  Dann  machten 
sich  beide  auf  den  Weg  und  legten  eine  große  Strecke  zurück ,    eine 
ganze  Tagereise,  durch  Thäler  und  über  Berge,  deren  Namen  der  Junge 
nicht  einmal  wusste.     Sie  gelangten  zu  großen  Flüssen  mit  Furthen, 
die  der  Junge  gleichfalls  nicht  kannte.  Sie  kamen  jedpch  überall  vor- 
wärts und  zogen  immer  weiter.  Da  sprach  das  Pferd  zu  dem  Jungen: 
„Hörst  du  nichts  und  siehst  du  nichts?*  —  „Ich  höre  nichts  und  sehe 
auch  nichts,"    antwortete  der  Junge.     Sie  zogen  eine  kleine  Strecke 
weiter.  „Hörst  du  nichts  und  siehst  du  nichts?"  fragte  das  Pferd  aufs 
neue.    —    „Es  scheint  mir,    als  ob  ich  am  Himmel  das  Sausen  eines 
Windes  hörte,"  sprach  der  Junge.  —  „Dann  ist  der  Riese  wieder  auf- 
gelebt, sagte  das  Pferd;  wirf  das  Stück  Schwefel  hinter  dich  und  wünsche, 
daß  es  zu  einem  großen  Wasser  werde,  so  daß  der  Riese  weder  hin- 
über noch  hinum  kommen  kann."    Der  Junge  that  wie  das  Pferd  ihn 
hieß,  und  es  entstand  ein  solches  Wasser.  Als  der  Riese  bei  demselben 
anlangte,  rief  er:    „Ach,  ich  wollte  ich  hätte  meine  große  Schöpfkelle 
hier,  dann  tränke  ich  alles  aus  wie  nichts."  Er  lief  daher  zurück,  holte 
die  Schöpfkelle  und  kam  wieder  an  das  Wasser,  welches  er  ganz  und 
gar  austrank.  Dann  sprach  er  zu  der  Kelle:  „Bleib  hier,  bis  ich  wieder- 
kehre,"   Da  flog  ein  kleines  Vögelein  herbei,  welches  rief:   „Pip,  pip, 
wenn  du  deine  Schöpfkelle  hier  liegen  lassest,  so  nehme  ich  sie,  hacke 
sie  entzwei  und  trage  sie  zu  Walde."  —  „Ei  du  kleiner  Vogel,  sprach 
der  Riese ;  wenn  ich  dich  in  meiner  Gewalt  hätte,  so  hiebe  ich  dir  den 
Kopf  ab.  Lieber  will  ich  jedoch  meine  Kelle  zurücktragen,  ehe  ich  sie 
dir  gönne."  —  Dann  trug  er  die  Kelle  wieder  zurück  und  eilte  hierauf 
dem  Jungen  und  dem  Pferde  wieder  nach.    Da  wiederholte  sich  das 
Zwiegespräch  zwischen  dem  Pferde  und  dem  Jungen,  der  nun  auf  den 
Rath  jenes  den  Feuerstein  hinter  sich  warf.  Dieser  verwandelte  sich  in 
einen  Berg,  zu  dessen  Durchbohrung  der  Riese  sich  von  Hause  einen 
Bohrer  holte.  Als  er  das  Bohrloch  durchschnitten  und  den  Bohrer  liegen 
lassen  wollte,  musste  er  ihn  auf  die  Drohung  des  Vögleins  wieder  nach 
Hause  tragen.    Ebenso  gieng  es  mit  der  Axt,  die  er  gebraucht  hatte 
um  einen  langen  imwegsamen  Wald  zu  durchhauen,  der  aus  dem  Kamm 
des  Jungen  entstanden  war.     Als  er  sich  dann  dem  Jungen  und  dem 
Pferde  aufs  neue  näherte,  so  hatten  sie  nicht  weit  zu  einer  tiefen  langen 
Bergkluft,  und  über  die  B^luft  gieng  ein  schmaler  Steig.  Wenn  sie  nur 
wohlbehalten  über  die  Kluft  kommen  konnten,    so  waren  sie  gerettet 
und  konnten  ihren  Weg  in  Frieden  fortsetzen.  Der  Riese  lief  also  aus 
Leibeskräften,  um  sie  noch  vor  der  Kluft  zu  erreichen,  so  daß  er  sich 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  179 

die  eine  Hand  gegen  einen  Baumstumpf  abstieß.  Eben  waren  nun  Pferd 
und  Junge  im  Begriff,  über  den  Steig  zu  setzen ,  da  langte  der  Riese 
an  und  packte  das  Pferd  beim  Schwanz.    ^Ach^  wenn  ich  doch  meinö 
beiden  Hände  hätte,  dann  hielte  ich  dich  fest  wie  nichts,''  sprach  der 
Riese  und  in  demselben  Augenblicke  riß  der  Schwanz  glatt  weg.  Pferd 
und  Junge  kamen  glücklich  hinüber,  der  Riese  aber  stürzte  in  die  EUuft 
und  brach's  Genick.  „Jetzt  sind  wir  aus  aller  Gefahr,  sagte  das  Pferd, 
aber  nun  haben  wir  einen  kupfernen  Wald  vor  uns,  wo  wir  durchmüssen; 
wenn  du  da  nur  emen  einzigen  Zweig  abbrichst,  so  sind  wir  des  Todes." 
—  „Ich  werde  mich  wohl  hüten,"  antwortete  der  Junge.  So  zogen  sie 
durch  den  Wald;    aber  als  sie  eben  bei  dem  letzten  Zweige  vorüber- 
kamen^  brach  ihn  der  Junge  ab.  Da  erschien  der  Riese,  dem  der  Wald 
gehörte;    er  hatte  eifen  Kupferhamisch  an  und  einen  Kupferhut  auf 
dem  Kopfe  und  fragte:    „Wer  zieht  durch  meinen  Wald  und  bricht 
von  meinen  Bäumen?"  —  „Das  thun  wir,  antwortete  der  Junge;  wa& 
wiUst  du  von  uns?"  —   „Du  sollst  bald  sehen,    was  ich  will,"   sagte 
der  Riese,  und  nun  begann  ein  Kampf  zwischen  ihm  und  dem  Pferde; 
dies  aber  erhielt  den  Sieg  imd  schlug  ihn  todt,  nahm  dann  den  Kupfer^ 
hämisch  und  Kupferhut  und  zog  weiter.   „Nun  kommen  wir  zu  einem 
silbernen  Walde,  sprach  das  Pferd  zu  dem  Jungen,  und  wenn  du  einen 
einzigen  Zweig  abbrichst,    so  ist  es  mit  uns  vorbei."    —    „Ich  werde 
nichts  abbrechen,"  sagte  der  Junge,  brach  jedoch  einen  Zweig  von  dem 
letzten  Baume,  so  daß  der  Riese,  der  Herr  des  Waldes,  der  im  Silber- 
hämisch  und  mit  Silberhut  erschien,    einen  Kampf  begann,   aber  von 
dem  Pferde  erschlagen  wurde  und  dieses  wiederum  Harnisch  und  Hut 
mitnahm.  Bei  dem  nun  folgenden  goldenen  Walde  gieng  es  ganz  ebenso; 
der  Junge  brach  trotz  des  Verbotes  den  letzten  Zweig  ab,  und  der  mit 
Goldhamisch  und  Goldhut  erscheinende  Riese,  der  Herr  desselben,  ver- 
lor im  Kampfe  mit  dem  Pferde  nicht  nur  diese,  sondern  auch  das  Leben. 
So  nun  waren  Junge  und  Pferd  glücklich  allen  Gefahren  entkommen 
und  langten  bei  einem  Königsschlosse  an.    ^Du  kannst  mich   draußen 
lassen,  sprach  das  Pferd,  und  allein  in  das  Schloss  gehen;  vergiß  aber 
nicht,  daß  ich  hier  zurückgeblieben  bin."  Der  Junge  that  wie  das  Pferd 
ihn  hieß  und  sprach:  „Guten  Tag,  gnädiger  Herr  König!"  —  „Schönen 
Dank!"  antwortete  dieser.  Da  der  Junge  mit  der.Mütze  auf  dem  Kopfe 
stehen  blieb,  fragte  ihn  der  König:  „Warum  nimmst  du  nicht  die  Mütze 
ab?"  —  „Ich  habe  den  Kopfgrind,"    antwortete  der  Junge,  der  seinen 
Goldhut  nicht  zeigen  wollte.  Als  der  König  dies  hörte,  ließ  er  ihn  die 
Mütze  aufbehalten.  „Was  willst  du  hier?"  fragte  der  König  weiter.  — 
„Ja,  sagte  der  Junge,  ich  nehme  Dienste  bei  jedem,  der  mich  haben 

12* 


'  180  FELIX  LIEBKECHT 

will."  —  „Nun  80  kannst  du  hier  bleiben,"  sprach  der  König.  Da  war 
der  Tag  zu  Ende.  Am  nächsten  Morgen  schickte  der  König  den  Jungen 
an  die  Arbeit;    er  hatte  aber  drei  Töchter  und  von  diesen  war  die 
jüngste  die  schönste.    Während  nun  der  Junge  im  Garten  arbeitete, 
stand  die  jüngste  Prinzessin  am  Fenster  und  sah  ihm  zu.    Er  kratzte 
sich  den  Kopf  und  hob  dabei  die  Mütze  so  weit  auf,    daß  die  Prin- 
zessin ein  wenig  von  dem  Goldhute  sah.  „Sollte  nicht  der  Vater  bald 
daran  denken,    uns  Freier  zu  schaffen?"    sagte  sie  in  diesem  Augen- 
blick und  wandte  sich  vom  Fenster  zu  ihren  Schwestern.     „Ei  was, 
sprach  der  König,    da  müsset  ihr  selbst  zusehen."  —  „Nun  gut,   ant- 
wortete die  jüngste  Prinzessin,  so  nehme  ich  mir  den  Jungen  zum  Mann, 
der  gestern  hierher  gekommen  ist"  —  „Du  wirst  doch  nicht  den  Grind- 
kopf nehmen?"  fragte  der  König.  —  „Warum  dicht?  meinte  die  Prin- 
zessin; er  ist  gut  genug  flir  mich."  Aber  die  zwei  andern  Schwestern 
wählten  jede  einen  Bräiöigam  von  hoher  Geburt.     Den  nächsten  Tag 
schickte  der  König  die  zukünftigen  Schwiegersöhne  auf  die  Jagd  und 
gab  jedem  der  beiden  vornehmen  eine  neue  gute  Schrotflinte,  während 
der  Grindkopf  nur  eine  alte  bekam,  die  zu  nichts  taugte.  So  zogen  sie 
hinaus  in  die  Berge ;  aber  der  Junge  gieng  zu  seinem  Pferde ,  nahm 
da  seine  eigene  Flinte  und  schlug  dann  einen  besondern  Weg  ein. 
Nach  einiger  Zeit  trafen  sie  wieder  zusammen,   und    die  beiden  vor- 
nehmen Herren  sahen  nun,  daß  der  Grindkopf  so  viele  Vögel  geschossen 
hatte,  wie  er  nur  irgend  tragen  konnte,  während  es  ihnen  selbst  noch 
mit  keinem  einzigen  gelimgen  war;  sie  wollten  daher  dem  Jimgen  die 
Vögel  abkaufen.    „Ich  will  sie  euch  wohl  gerne  überlassen,  sagte  der 
Junge,   aber  dann  müsst  ihr  mir  auch  die  Geschenke  geben,    die  ihr 
von  euren  Bräuten  bei  der  Verlobung  bekommen  habet.  **   Sie  giengen 
darauf  ein  imd  erhielten  daftir  die  Vögel,  jeder  ein  großes  Bund,  wäh- 
rend der  Junge  dagegen  leer  blieb,  weshalb  er  unterwegs  doch  wenig- 
stens noch  eine  Nachteule  schoß   und  damit  nach  Hause  schlenderte. 
Als  sie  hierauf  vor  den  König  und  die  Prinzessinnen  traten,    sprach 
jener  zu  der  jüngsten:  „Was  willst  du  mit  dem  Grindkopf  da?  siehst 
du  nicht,  was  die  beiden  andern  nach  Hause  gebracht  haben?  und  er, 
er  hat  bloß  eine  'Nachteule."  —  „Was  thut's?  sagte  die  Prinzessin;  er 
ist  gut  genug  fdr  mic];^.''  Alsdann  fieng  man  an  Hochzeit  zu  halten  und 
zu  essen  und  zu  trinken  und  zu  tanzen,  so  daß  der  Junge  das  Pferd 
vergaß«  Es  wieherte  daher,  um  ihn  zu  erinnern ;  allein  der  Jimge  hörte 
nicht  darauf;  es  wieherte  noch  einmal,  da  fiel  ihm  sein  Pferd  ein  und 
er  lief  hinaus.  „Haue  mir  den  Kof  ab!"  sagte  das  Pferd.  —  „Dir  den 
Kopf  abhauen  ?    sagte  der  Junge ;    dir  sollte  ich  den  Kopf   abhauen. 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  181 

trotzdem  du  mir  soviel  Gutes  erwiesen?**  —  „Haust  du  mir  den  Kopf 
nicht  ab,  so  beiße  ich  dir  den  deinigen  vom  Leibe!"  sprach  das  Pferd', 
So  musste  der  Junge  wohl  Folge  leisten  und  warf  den  Kopf  hinter  sich. 
Dieser  verwandelte  sich  in  einen  schönen  Jüngling,  der  dem  Jungen 
in  das  Schloss  folgte  und  daselbst  der  Hochzeit  beiwohnte* 

7.  Der  Biese  und  sein  Knecht. 

(Aus  Tanen.) 

Es  war  einmal  ein  Junge,  der  auf  die  Wanderschaft  gieng  und 
an  eine  Stelle  kam,  wo  ein  Riese  wohnte.  Der  Riese  fragte  den  Jungen^ 
ob  er  als  Knecht  bei  ihm  in  Dienst  treten  wollte,   und  dieser  gieng 
darauf  ein.  Am  darauffolgenden  Tage  beabsichtigte  der  Riese,  wie  er 
immer  zu  thun  pflegte,  seine  Stärke  gegen  den  Jungen  zu  versuchen 
und  sagte  daher  zu  ihm:  „Komm  mit  in  den  Wald  hinaus!"  Der  Junge 
wollte  nicht  gleich  den  ersten  Tag  mitgehen,    sondern  that  dies  erst 
den  zweiten  Tag.   Als  sie  nun  im  Walde  waren,  sprach  der  Biese  zu 
dem  Jungen:  „Wenn  wir  mit  dem  Kopf  gegen  ein  Föhrenstamm  ren- 
nen, so  können  wir  sehen,  wer  von  uns  den  stärksten  Schädel  hat."  — 
„Nur  zu!*  sprach  der  Junge,  und  so  lief  jeder  von  ihnen  mit  dem  Kopf 
gegen  eine  Föhre.    Der  Kopf  des  Jungen  gieng  bis  an  die  Ohren  in 
den  Stamm  hinein;  denn  er  war  so  Ustig  gewesen,  den  Tag  vorher  in 
den  Stamm  ein  Loch  zu  bohren  und  dies  mit  Rinde  wieder  zuzudecken. 
Als  aber  der  Riese  gegen  die  Föhre  stieß,   so  flog  nur  die  Borke  los.. 
„Ei  der  Tausend,  stoß  noch  einmal,  rief  der  Biese  und  setzte  sich  nieder^ 
ein  wenig  wirr  im  Kopf;  stoß  noch  einmal  gegen  einen  Föhrenstamm!* 
Der  Junge  that  wie  ihm  geheißen,  und  wiederum  gieng  sein  Kopf  in 
einen  solchen  Stamm  hinein ,   in  den  er  gleichfalls  ein  Loch  gemacht 
hatte.  „Schau,  schau!  rief  der  Riese;  jetzt  kann  man  mir  wohl  glauben, 
daß  ich  einen  Knecht  bekommen  habe,  der  so  stark  ist  wie  ein  Stier  f 
wir  wollen  nun  weiter  gehen."     Sie  waren  nicht  lange  gegangen,    da 
sprach  der  Riese :    „Nun  wollen  wir  einmal  sehen ,    wer  am  lautesten 
rufen  kann;''  und  zugleich  erhob  er  ein  so  lautes  Geschrei,  daß  rings, 
umher  die  Berge  einstürzten.  Der  Junge  gieng  in  ein  Weidengebtisch 
und  suchte  sich  da  einen  Reifstab  aus.  „Was  wülst  du  damit  anfangen?** 
fragte  der  Riese.  —  „Ja,   sagte  der  Junge,   während  er  den  Reifstab 
glatt  schnitzte,  ich  will  der  Sicherheit  wegen  dir  erst  diesen  Reifen  um 
den  Kopf  legen,  ehe  ich  zu  schreien  anfange ;  ich  bin  bange,  daß  er  dir 
sonst  springen  könnte!**  —  „Nicht  doch,  bester  Junge!  bat  der  Riese; 
schrei  lieber  nicht,  denn  mein  Kopf  ist  ^twas  schwächlich.  Komm  nur 
weiter !**    Sie  waren  aber  nicht  lange  gegangen,   so  sprach  der  Riesa 


182  FELIX  LIEBREOHT 

wieder:  „Nun  wollen  Wir  sehen,  wer  von  uns  im  Werfen  am  tüchtigsten 
ist.  Sieh,  hier  habe  ich  einen  Hammer  von  jftinf  Centnern."  —  „Ja, 
Sprach  der  Junge,  wir  wollen  nur  einmal  einen  Wurf  versuchen."  So 
warf  denn  der  Riese  den  fllnf  Centner  schweren  Hammer  so  hoch  in 
die  Luft,  daß  er  nicht  größer  aussah  als  eine  Mücke.  Hierauf  sollte 
der  Junge  werfen;  als  er  aber  den  Hammerschaft  ergriff ^  war  dieser 
gerade  so  breit,  daß  er  ihn  aufstellen  konnte.  Indem  er  ihn  nun  so  fest 
hielt,  sah  er  zum  Himmel  empor.  „Was  hast  du  zu  gucken?  fragte  der 
Kiese;  warum  wirfst  du  nicht?"  —  „0^  sagte  der  Junge,  ich  sehe  bloß 
zu,  in  welchen  Wolketihaufen  ich  ihn  werfen  soll,  Soll  ich  ihn  in  eineu 
werfen,  der  still  steht,  oder  in  einen,  der  vor  dem  Winde  treibt?  — 
„Nicht  doch,  lieber  Junge!  bat  der  Riese;  wirf  nicht  meinen  Hammer; 
ich  habe  ihn  von  meinem  Großvater  geerbt.  Komm  lieber  nach  Hause." 
Dazu  war  der  Junge  sehr  gern  bereit,  und  so  kehrten  sie  nach  Hause 
zurück.  Als  es  nun  Abend  wurde,  flihrte  der  Riese  den  Jungen  in  ein 
abseits  liegendes  Haus  und  sagte,  daß  er  da  sein  Nachtlager  haben 
sollte,  „Wann  ist  dein  Schlaf  am  tiefsten?"  fragte  der  Riese  im  Fort- 
gehen. —  «Um  Mittemacht,"  antwortete  der  Junge  und  legte  sich  nieder. 
Als  aber  der  Riese  fort  war,  stand  er  wieder  auf,  holte  von  draussen 
eine  Anzahl  großer  üngespaltener  Holzkloben  herein  und  legte  sie  unter 
die  Bettdecke.  Er  selbst  gieng  wieder  hinaus,  bohrte  ein  Loch  in  die 
Wand  und  legte  sich  auf  die  Lauer.  Um  Mittemacht  kam  der  Riese 
mit  seinem  Schmiedehammer  und  begann  auf  die  Bettdecke  loszuhäm- 
mern, so  daß  die  EUoben  knackten  und  krachten;  er  dachte,  es  wären 
die  Knochen,  die  er  dem  Jungen  zerschlüge,  und  ^eng  dann  in  sein 
Haus  zurück.  Als  er  fort  war,  kam  der  Jimge  wieder  herein,  warf  die 
Klötze  vor  die  Thür  und  kroch  unter  die  Decke,  wo  er  bis  zum  Morgen 
in  Frieden  schlief.  „Hast  du  heute  Nacht  geträumt?"  fragte  ihn  der 
Biese  am  andern  Tage.  —  „Nein,  antwortete  der  Jimge;  ich  habe  nicht 
geträumt;  einmal  freilich  war  mir  so,  als  ob  mich  eine  Laus  bisse. ^ 
Den  folgenden  Abend  brachte  der  Riese  den  Jungen  wieder  zu  Bett; 
aber  da  er  fortgegangen  war,  stand  der  Junge  auf  und  legte  die  Holz- 
kloben ins  Bett  wie  das  erste  Mal.  Bei  Nacht  kam  der  Riese,  zündete 
Feuer  unter  dem  Bette  an  und  gieng  seines  Weges.  Bald  darauf  trat 
der  Junge  wieder  herein  und  löschte  das  Feuer  aus,  gleichwohl  aber 
verbranute  die  Hälfte  des  Bettes,  die  Hälfte  des  Rennthierfelles,  welches 
zu  Unterst  darin  lag  und  die  Hälfte  der  Pelzdecke.  Der  Junge  kroch 
indess  unter  die  halbe  Decke  und  schlief  den  Rest  der  Nacht  in  Frieden. 
Des  Morgens  kam  der  Riese  und  rief  dem  Jungen  zu :  „Hast  du  auch 
heute  noch  nichts  geträumt?*  —  „Nein^  antwortete  der  Junge;  ich  habe 


LAPPLÄNDISCHE  ÄIÄEGHEN.  l83 

nichts  geträumt;  einmal  freilich  war  es  mir,  als  hörte  ich  einen  Wind- 
stoß vorbei  sausen."  Der  Riese  fieng  nun  an  vor  dem  Jungen  Furcht 
zu  haben  und  dachte  in  seinem  Sinn,  es  wäre  wohl  am  besten,  wenn 
er  ihn  mit  guter  Manier  sich  vom  Halse  schafile,  ehe  es  noch  schlimmer 
würde.  „Komm  nur,  sagte  er  zu  ihm,  ich  will  dir  deinen  Lohn  bezahlen; 
ich  brauche  dich  nicht  länger.^    —    „Bis  jetzt  hast ,  du  mich  noch  zu 
sehr  wenig  gebraucht,   meinte  der  Junge;    aber  wie  du  willst"     Sie 
giengen  also  mit  einander  fort  und  der  Junge  nahm  einen  dreischeff- 
ligen  Sack  mit  sich.  Der  Riese  schüttete  erst  öine  Schaufel  mit  Silber- 
geld hinein  imd  fragte:  ^Kannst  du  noch  mehr  tragen?"  —  „Warum 
nicht?  antwortete  der  Junge^  schütte  noch  eine  Schaufel  hinein;  Geld- 
bürde ist  leicht  zu  tragen.^  Der  Riese  schüttete  also  noch  eine  Schaufel 
hinein  und  sprach:  „Du  musst  aber  alles  auf  einmal  mit  dir  forttragen, 
ohne  etvtsi»  unterwegs  zurückzulassen;   ich  komme  nach  und  sehe  zu, 
ob  du  etwas  abgelegt  hast"     Der  Junge  gieng  fort^  aber  da  er  über 
einen  Berg  weg  war,  leerte  er  die  Hälfte  des  Sackes  aus.  Dieses  Geld 
sah  der  Riese,  der  ihm  nachgegangen  war,  am  Wege  liegen,  lief  also 
wieder  zurück,  holte  seine  Frau  und  sie  machten  sich  zusammen  hinter 
dem  Jungen, her.  Als  sie  ihm  nahe  waren,  warf  er  ein  Blatt  hinter  sich, 
welches  er  von  einem  Baume  in  des  Riesen  Garten  genommen  hatte. 
Dieses  Blatt  wurde  zu  einem  großen  und  so  dichten  Walde,  daß  der 
Riese  nicht  durchkommen  konnte.  Er  musste  also  seine  Axt  holen  und 
sich  einen  Weg  durchhauen,   worauf  er  den  Jungen  weiter  verfolgte. 
Fast  hatte  er  ihn  erreicht,  als  der  Junge  einen  Feuerstein  hinter  sich 
warf,    der  sich  in  einen  großen  Berg  verwandelte^    so  daß  der  Riese 
seinen  großen  Bohrer  holen  musste,  womit  er  ein  Loch  durch  den  Berg 
bohrte.   Wiederum  verfolgt  warf  der  Junge  ein  Stück  Schwefel  hinter 
sich,  das  zu  einem  See  wurde.  Der  Riese,  der  ihn  nicht  umgehen  konnte, 
holte  deshalb  noch  seine  Tochter  herbei,  worauf  er  mit  dieser  und  sei- 
ner Frau"" den  See  auszutrinken  anfieng^   während  der  Junge  auf  der 
andern  Seite  saß.  Sie  tranken  und  tranken  in  einem  fort  und  bald  war 
fast  nichts  mehr  übrig.  „Halt  mir  das  hintere  Ende  zu,  sagte  die  Riesin 
zu  ihrer  Tochter,  dann  will  ich  es  versuchen,  den  Rest  auszutrinken." 
In  demselben  Augenblick  kam   ein  junger  Rabe  hinter  einem  Felsen 
hervor  und  fieng  an  zu  hopsen  und  zu  tanzen  und  sich  auf  so  schnur- 
rige Weise  zu  benehmen,  daß  die  Tochter  des  Riesen  schließlich  weder 
sich  noch  des  Hinterende  der  Mutter  länger  halten  konnte,   sonderü 
plötzlich  in  ein  heftiges  Lachen  ausbrach  und  jenes  losließ.    Da  lief 
dann  alles  Wasser  wieder  aus  der  Alten  heraus,  und  alle  drei  ertranken 
in  dem  See. 


184  FEUX  LIEBRECHT 

8.  Aschenputtel,  Biese  and  Teufel. 

(Aus  Lyngen.) 

Ein  Mann  hatte  drei  Söhne.  Zuerst  sollte  der  älteste  hinaus  in 
die  Welt,  um  sich  einen  Dienst  zu  suchen.  Er  machte  sich  also  Speise- 
vorrath  zurecht  und  zog  fort.  Nachdem  er  eine  Zeit  lang  gegangen  war, 
setzte  er  sich  nieder  um  zu  essen;  während  er  nun  aß,  kam  da  zuerst 
eine  Axt  herbeigesprungen,  dann  ein  Bohrer,  dann  ein  Hobel  und  so 
fort  allerlei  Arten  Werkzeuge  und  alle  baten  den  jungen  Burschen  um 
etwas  Speise;  dieser  aber  gab  keinem  von  ihnen  einen  einzigen  Bissen. 
Nachdem  er  gegessen,  stand  er  auf,  zog  weiter  und  kam  zu  einem 
Königsschloss.  „Wohin  des  Weges?"  fragte  der  König.  —  „Ich  suche 
^inen  Dienst,"  sprach  der  Bursche.  —  „Den  kannst  du  bei  mir  finden, 
antwortete  der  König;  ich  habe  in  meinem  Garten  einen  Baum,  auf 
dem  goldene  Blätter  wachsen:  wenn  du  eine  einzige  Nacht  den  Baum 
zu  bewachen  vermagst,  dann  sollst  du  meine  Tochter  und  die  Hälfte 
meines  Reiches  bekommen.^  —  „Ich  will's  versuchen,"  sagte  der  Bursche. 
Des  Abends  begab  er  sich  also  in  den  Garten,  wo  der  Baum^stand, 
setzte  sich  nieder  und  sah  zu ,  wie  die  Blätter  hervorsprossten  und 
immer  größer  wurden.  Endlich  war^n  sie  fast  ausgewachsen,  aber  da 
überfiel  ihn  ein  so  schwerer  Schlaf,  daß  er  nicht  länger  Widerstand 
zu  leisten  vermochte  und  einschlief.  Als  er  wieder  aufwachte,  waren 
alle  Goldblätter  fort,  so  daß  er  am  andern  Morgen  auf  die  Frage  des 
Königs:  »Nun,  hast  du  Wache  gehalten?"  bloß  antworten  konnte: 
„Nein,  es  war  mir  nicht  möglich."  Da  befahl  der  König,  daß  man  ihm 
das  Leben  nehmen  solle.  Nun  "wollte  der  zweite  Sohn  fort.  Der  Vater 
ließ  ihn  nur  ungern  ziehen,  aber  es  half  nichts ;  er  machte  seinen  Speise- 
vorrath  fertig  und  begab  sich  auf  den  Weg.  Es  gieng  ihm  mit  den 
Werkzeugen  und  dem  Dienst  im  Garten  des  Königs  ganz  ebenso  wie 
dem  altern  Bruder ;  er  schlief  ein  und  verlor  zur  Strafe  gleichfalls  das  Le- 
ben. Nim  wollte  der  dritte  Sohn  fort,  den  die  andern  Grindkopf(knöbba) 
oder  Aschenputtel  (gudnavirus)  nannten.  Der  Vater  wollte  ihn  nicht 
weglassen  und  meint  e,  es  wtlrde  ihm  anderwärts  schlimmer  gehen  als  zu 
Hause ;  der  Bursch  e  bestand  aber  auf  seinem  Sinn,  und  der  Vater  musste 
endlich  nachgeben.  Große  Speisevorräthe  bekam  er  indess  nicht;  so 
nahm  er  denn  die  Speisetasche  in  die  eine  Hand,  einen  großen  Hand- 
schuh in  die  andere  imd  zog  fort.  Nachdem  er  eine  tüchtige  Strecke 
gegangen  war,  setzte  er  sich  nieder  um  zu  essen.  Da  kam  mit  einem 
Mal  eine  Axt,  dann  ein  Bohrer,  dann  ein  Hobel,  dann  allerlei  Arten 
Werkzeuge  und  bettelten  um  et  was  Speise  und  der  Bursche  gab  allen 


LAPPLÄNDISCHE  MÄECHEN.  185 

von  den  paar  Brosamen,  die  er  hatte.  Dann  stand  er  wieder  auf,  zog 
weiter  und  kam  zu  dem  Königssehloss.  »Wohin  des  Weges  ?**  fragte 
der  Eöni^.  —  „Ich  suche  Dienst  bei  jedem ,  der  mich  haben  will,** 
antwortete  der  Bursche.  —  „So  kannst  du  bei  mir  in  Dienst  treten," 
sprach  der  König.  —  „Worin  sollte  ich  dir  wohl  dienen  können  ?** 
fragte  der  Bursche.  —  ^Ich  habe  in  meinem  Garten  einen  Baum,  auf 
dem  goldene  Blätter  wachsen,  versetzte  der  König;  weim  du  ihn  eine 
einzige  Nacht  zu  hüten  im  Stande  bist,  so  sollst  du  meine  Tochter  und 
das  halbe  Reich  bekommen."  —  „Ich  wilFs  versuchen,*  sprach  der 
Bursche.  Gegen  Abend  führte  man  ihn  in  den  Garten  zu  dem  Baumey 
hob  ihn,  da  er  klein  war,  auf  einen  der  untersten  Zweige  und  ließ  ihn 
da  sitzen.  Als  es  dunkel  wurde,  fiengen  die  Blätter  zu  wachsen  an, 
aber  je  mehr  sie  wuchsen,  desto  schläfriger  wurde  der  junge  Bursche. 
Gleichwohl  that  er  sich  eine  Zeit  lang  Gewalt  an  und  schlief  nicht  ein; 
endlich  aber  war  er  nahe  daran,  vom  Schlafe  überwältigt  zu  werden, 
da  hörte  er  plötzlich  ein  gräuliches  Getöse  in  der  Luffc,  so  daß  er 
Furcht  bekam  und  die  Sehläfrigkeit  verschwand.  Hierauf  sah  er  zwei 
häßhche  Kerle  herbeigefahren  kommen;  der  eine  war  ein  Riese,  der 
andere  war  der  Teufel;  aber  alle  beide  hatten  zusammen  nicht  mehir 
als  ein  einziges  Auge.  „Sieh  zu,  ob  da  ein  Wächter  bei  dem  Baume 
ist,*^  sagte  der  Riese  zum  Teufel,  der  das  Auge  trug.  „Ei  schäme  dich, 
sprach  der  Teufel;  wir  nehmen  die  Blätter  trotz  aller  Wächter;  wir 
haben  sie  ja  auch  früher  genommen  wie  nichts!"  —  „Nun  gut,  so  steig 
du  auf  den  Baum  hinauf,"  sagte  der  Riese.  —  „Nein,  steig  du  hinauf, 
antwortete  der  Teufel;  ich  werde  dir  das  Auge  reichen."  So  kletterte 
denn  der  Riese  auf  den  Baum.  „Gib  mir  nun  das  Auge",  sagte  er.  Der 
Teufel  reichte  ihm  das  Auge  hinauf,  aber  in  demselben  Augenblick 
griff  der  Bursche  zu  und  steckte  es  in  seinen  Handschuh.  „Gib  mir 
nun  das  Auge,  zum  Teufel  noch  einmal!"  schrie  der  Riese.  —  „Du  hast 
es  ja  bekommen,  du  Blindschleiche!"  sagte  der  Teufel.  Hierüber  wurde 
der  Riese  so  böse,  daß  er  von  dem  Baume  auf  den  Teufel  herabsprang 
imd  sich  mit  ihm  herumbalgte,  bis  sie  alle  beide  entzweisprangen. 
Hierauf  brach  der  Tag  an,  und  der  junge  Bursche  gieng  zu  dem  Könige. 
„Wie  ist's?  fragte  dieser,  hast  du  Wache  gehalten?"  —  „Ja  freilich, 
versetzte  der  Bursche.  Darauf  schickte  der  König  Leute  hin,  welche 
nachsehen  sollten,  und  es  wies  sich,  daß  der  Bursche  die  Wahrheit  ge- 
sagt hatte;  der  Baum  stand  voll  der  schönsten  goldenen  Blätter.  „Be- 
komme ich  nun  deine  Tochter?"  fragte  der  Bursche.  —  „Noch  nicht!" 
antwortete  d^r  König.  —  „Was  muss  ich  dann  noch  thun,  um  sie  zu 
bekommen?"    —    „Wenn  du  ein  Schiff  in  einer  Ns^cht  fertig   bauen. 


186  FELIX  LUSBRECHT 

und  es  vor  meine  Thür  herbringen  kannst^  so  sollst  du  meine  Tochter 
haben."  —  „Das  ist  ja  rein  unmöglich ^  sprach  der  Bursche;  wie  soll 
ich  in  einer  einzuigen  Nacht  ein  ganzes  Schiff  fertig  bauen  und  hierher 
bringen  können?  Doch  will  ich  es  versuchen."  Gegen  Abend  gieng  der 
Bursche  mit  einer  Axt  aufs  Feld  und  dort  angelangt,  hieb  er  sie  in 
einen  Baum  und  sprach :  „Nun  ihr  Werkzeuge  alle  mit  einander,  denen 
ich  zu  essen  gegeben  habe,  kommet  jetzt  herbei  und  machet  ein  Schiff 
bis  morgen  fertig  und  bringet  es  vor  des  Königs  Thür!"  Da  begann 
rings  umher  im  ganzen  Walde  ein  gewaltiges  Leben  und  Treiben ; 
man  hörte  überall  hauen  und  hämmern,  und  hobeln,  und  alles  war 
lauter  Geschäftigkeit.  Der  Bursche  setzte  sich  nieder  und  sah  zu.  Es 
dauerte  auch  nicht  lange,  so  stand  ein  Schiff  da,  imd  es  wurde  immer 
größer  und  größer,  bis  es  endlich  ganz  fertig  war.  Hierauf  stieg  er  in 
das 'Schiff  hinein  und  fuhr  fort.  Während  es  nun  so  fuhr,  erblickte  der 
Bursche  einen  Mann,  welcher  Knochen  benagte.  Als  er  zu  ihm  hinkam, 
fragte  er  ihn:  „Was  hast  du  da  vor,  lieber  Mann?  —  „Mein  Lebelang 
habe  ich  Knochen  benagt,  sagte  der  Mann,«  bin  aber  noch  nicht  satt 
geworden."  —  „Tritt  herein  in  mein  Schiff,  sagte  der  Bursche,  du 
sollst  Markknochen  bekommen."  Der  Mann  that  wie  ihm  geheißen, 
und  so  hatte  der  Bursche  einen  Kameraden.  Bald  nachher  fuhr  er  bei 
einem  andern  Manne  vorbei,  der  ein  Stück  Eis  benagte.  „Was  hast 
du  da  vor,  lieber  Mann?  fragte  der  Bursche.  —  „Mein  Lebelang  habe 
ich  Eis  genagt,  aber  noch  ist  mein  Durst  nicht  gelöscht."  —  „Tritt 
herein  in  mein  Schiff,  du  sollst  einen  Löschtrank  bekommen,"  sprach 
der  Bursche.  So  hatte  er  noch  einen  Geführten.  Dann  fuhr  er  weiter 
und  sah  wieder  einen  Mann,  welcher  da  stand  und  bald  das  eine,  bald 
das  andere  Bein  in  die  Höhe  hob,  aber  nicht  von  der  Stelle  kam. 
„Was  hast  du  da  vor,  lieber  Mann?"  fragte  der  Bursche.  „Mein  ganzes 
Lebelang  habe  ich  es  versucht  einen  Schritt  zu  machen,  aber  noch 
immer  bin  ich  auf  demselben  Fleck."  —  „Tritt  in  mein  Schiff,  du  sollst 
endlich  vom  Fleck  kommen/  sprach  der  Bursche  imd  hatte  nun  drei 
Kameraden.  Er  fuhr  noch  weiter  und,  sah  wieder  Einen,  welcher  zielte 
ohne  zu  schießen.  „Was  hast  du  vor,  lieber  Mann?"  fragte  der  Bursche. 
„Mein  ganzes  Lebelang  habe  ich  gezielt,  aber  es  noch  nicht  so  weit 
gebracht,  daß  es  losgeht."  —  „Tritt  in  mein  Schiff,  es  wird  dann  schon 
losgehen,"  sprach  der  Bursche.  Der  Mann  that  es,  und  so  hatte  der 
Bursche  nun  Mannschaft  genug.  Dann  setzte  er  seinen  Weg  fort,  kam 
des  Morgens  an  die  Thür  des  Königs  und  trat  zu  ihm  hinein.  „Nun, 
sprach  der  König,  ist  das  Schiff  fertig?"  —  „Ei  freilich,"  antwortete 
jener»  Der  König  gieng  hinaus  um  nachzuschauen,  und  allerdings  stand 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  187 

^as  Schiff  fix  und  fertig  vor  der  Thür.  —  „Gibst  du  mir  jetzt  deine 
Tochter?**  fragte  der  Bursche.  —  „Noch  nicht!**  sagte  der  König.  — 
„Was  hindert  nun  noch?"  fragte  jejier  weiter.  —  „Wenn  du  heute 
Nacht  von  dem  Könige  j  meinem  Nachbarn  j  seinen  goldenen  Becher 
holen  und  morgen  auf  meinen  Tisch  stellen  kannst ,  dann  sollst  du 
meine  Tochter  haben."  —  „Das  bin  ich  nicht  im  Stande^  sprach  der 
Bursche^  das  ist  unmöglich;  wie  soll  ich  in  einer  einzigen  Nacht  dort- 
hin gelangen  und  morgen  früh  wieder  hier  sein  können?"  —  „Ja,  das 
ist  deine  Sache,"  antwortete  der  König.  —  „Ich  will's  versuchen,  sagte 
der  Bursche,  gieng  dann  zu  dem  Weitschreiter  und  sprach  zu  ihm: 
„Wohlan  du  Weitstapfer,  wenn  du  niemals  früher  in  deinem  Leben 
einen  Schritt  hast  zu  thun  vermocht  y  so  sollst  du  ihn  jetzt  thun ! 
Schreite  zu  dem  Nachbarkönig  hin,  hole  seinen  Goldbecher  und  bringe 
ihn  bis  morgen  früh  hierher.*  Er  machte  sich  auf  den  Weg,  war  aber^ 
als  der  Morgen  zu  grauen  anfieng,  noch  nicht  wieder  da.  „Wohlan,  du 
Weitschießer,  sprach  der  Bursche ,  schieß  jetzt  dem  Weitschreiter  ins 
Fußblatt,  so  daß  er  sich  ein  bischen  sputet."  Der  Weitschreiter  war 
unterwegs  einem  Mädchen  begegnet  tmd  hielt  sich  mit  ihr  auf.  Als 
aber  der  Schütze  schoß,  so  erinnerte  er  sich  an  das  was  ihm  oblag, 
machte  sich  wieder  auf  den  Weg  und  war  mit  dem  öoldbecher  zur 
Stelle,  ehe  es  noch  ganz  Tag  geworden.  Der  Bursche  brachte  den  Becher 
zum  Könige  und  stellte  ihn  auf  den  Tisch.  „Bekomme  ich  nun  deine 
Tochter?"  fragte  er.  —  „Ja,  nun  bekommst  du  sie,"  antwortete  der 
König,  und  so  hielten  sie  Hochzeit;  ich  aber  giehg  meiner  Wege. 

Stalle. 

Ein  mehr  menschUches  Wesen  als  Jetanas  war  der  Stalle.  Nichts- 
destoweniger besaß  auch  dieser  eine  große  Vorliebe  ftlr  Menschenfleisch 
und  deshalb  war  das  Zusammentreffen  mit  ihm  sehr  gefährlich.  Er  wird 
übrigens  als  ein  großer  wohlbewafiheter  Mann  geschildert,  dem  man 
häufig  in  Einöden  oder  Wäldern  begegnete.  Er  war  gewöhnlich  mit 
einem  rothen  Rocke  bekleidet  und  trug  einen  silbernen  Qürtel,  woran 
ein  großes  Messer  mit  silbernem  Schafte  hieng.  Außerdem  hatte  er  noch 
zahlreiche  andere  Zieraten  aus  demselben  Metall  an  sich  hängen,  sa 
wie  er  auch  stets  einen  großen  Beutel  mit  Silbergeld  bei  sich  ülihrte. 
Sein  steter  Begleiter  war  ein  Hund,  der  sorg&ltig  Acht  gab,  daß  ihn 
Niemand  im  Schlafe  überfiel.  Allein  obwohl  Stalle  größer,  stärker  und 
besser  bewa£Ehet  war  als  die  kleinen  Lappen,  ließ  er  sich  doch  in  Folge 
seiner  Dummheit,  Leichtgläubigkeit  oder  Plumpheit  oft  von  diesen  über- 
Kfiten^  wenn  zuftllig  einer  von  ihnenan  »eine  Gewalt  kam;  besonders 


188  FELIX  LIEBBECHT 

geschah  ihm  dies  oft  von  den  sogenannten  Gudnavirucak  (Aschen- 
gräber,  Aschenputtel),  welche  ihre  meiste  Zeit  damit  zubrachten,  nicht  nur 
in  der  Herdasche  herumzuwühlen,  sondern  auch  den  Leuten  allerlei  Schel- 
menstreiche zu  spielen.  Zuweilen  ereignete  ea  sich,  daß  einer  oder  der 
andere  wegen  seiner  Stärke  bekannte  Lappe  von  Stalle  zum  Zweikampf 
herausgefordert  wurde  und  in  diesem  Falle  half  es  nichts ,  wenn  er 
denselben  auch  ablehnte;  denn  er  wurde  dann  fortwährend  von  Stallö 
verfolgt  und  schließlich  von  ihm  ermordet»  Ehe  ein  solcher  Zweikampf 
begann,  pflegten  die  Kämpfenden  erst  einander  zu  offenbaren,  wo  ihre 
Schätze  verborgen  lagen  ^  und  der  Sieger  behielt  das  ganze  Gut  des 
Gefallenen,  wie  dies  auch  bei  den.  Holmgängen  der  alten  Vikinger  der 
Fall  war.  Dergleichen  im  Kampf  mit  StaJlo  erworbenes  Silber  hieß 
„Stallosilber^.  Laestadius  erzählt,  daß  im  schwedischen  Lappmarken 
sich  noch  zu  seiner  Zeit  derartiges  von  Vater  auf  Sohn  vererbtes  Stallo- 
silber  vorfand»  Es  bestand  besonders  aus  Knöpfen  und  Spangen,  welche 
die  Lappen  an  ihre  Gürtel  befestigten.  Die  Form  dieser  Süberzieraten 
war  ganz  verschieden  von  der  Form  derjenigen,  die  bei  den  Lappen 
jetzt  in  Gebrauch  sind  oder  es  früher  waren.  —  In  den  Zweikämpfen 
mit  Stallo  wurde  der  als  Sieger  betrachtet,  welcher  den  andern  zu  Boden 
warf,  und  er  hatte  das  Recht,  denselben  zu  tödten.  Dies  geschah  in 
Bezug  auf  Stallo  gewöhnlich  mit  seinem  eigenen  silberschäfügen  Messer^ 
Schwert  oder  Beil;  denn  mit  andern  Waffen  war  er  nicht  leicht  ver- 
wundbar. Auch  seinen  Hund  musste  man  todtschlagen;  denn  wenn 
dieser  seines  Herrn  Blut  zu  lecken  bekam,  so  lebte  derselbe  wieder 
auf.  Blieb  Stallo  Sieger,  so  war  er  nicht  verpflichtet  den  Lappen  zu 
begraben,  sondern  konnte  ihn  liegen  lassen  oder  ins  Wasser  werfen; 
Stallo  dagegen  bedang  sich  jederzeit  aus^  daß  der  Lappe,  im  Falle  er 
siegte,  ihn  ordentlich  begraben  solle.  Der  Lappe,  der  einen  Stallo  über- 
wunden hatte,  musste  auch  dessen  zwei  Brüder  oder  im  Ganzen  drei 
Stalles  erlegen;  denn  eher  fand  er  weder  Ruhe  noch  Frieden.  War 
ihm  aber  jenes  gelungen,  so  brauchte  er  nachher  nie  wieder  Stallo  zu 
farchten,  wobei  er  außerdem  natürlich  in  den  Besitz  unermesslicher 
Schätze  kam.  Die  Lappen  weisen  noch  mehrere  Stellen,  wo  dergleichen 
Zweikämpfe  Statt  gehabt  und  Stalles  begraben  sein  sollen.  Man  sagt^ 
die  an  solchen  Orten  gefundenen  Menschengebeine  seien  doppelt  so 
groß  gewesen  wie  die  der  Lappen.  —  Das  Verhältniss  zu  Stallo  war 
jedoch  nicht  immer  feindlich,  und  zuweilen  geschah  es,  daß  der  Sohn 
eines  Lappen  eine  Stallotochter  zum  Weibe  nahm.  Laestadius  berichtet^ 
^daß  vor  nicht  langer  Zeit  in  Jukkajärvi  eine  Lappin  lebte  ^  welche 
im  24.  Gliede  von  Stallo  abzustanunen  behauptete.  Rechnet  man  drei 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  189 

Glieder  auf  jedes  Jahrhundert,  so  xnüsste  der  Stalle,  den  sie  ftir  ihren 
Ahnherrn  ansah,  ungef^r  um  das  Jahr  1000  vor  Christi  gelebt  haben.^ 
Hieraus  sowohl  wie  aus  mancherlei  Umständen,  welche  in  den  Sagen 
vorkommen,  ist  leicht  zu  ersehen,  daß  diese  Stalles  ursprünglich  nichts 
anderes  gewesen  sind,  als  altnordische  Vikinger,  die  in  dem  norwegi-' 
sehen  imd  schwedischen  Lappland  umherstreiften,  um  zu  rauben  und 
zu  plündern.  Stahl  heißt  auf  Lappisch  staUe,  und  StaUo  bedeutet  daher 
soviel  wie  Stahlmann  oder  der  in  Stahl  Gehüllte,  wozu  auch  noch 
kommt,  daß  man  in  den  Erzählungen  der  Lappen  von  Stalle  oft  auch 
dem  Ausdrucke  ruovde-gaJde,  d.  i.  Eisenrock  begegnet,  weil  Stalle  einen 
solchen  trug.  Man  hat  also  ganz  deutlich  einen  alten  Nordlandskrieger 
mit  seinem  Panzerhemd  oder  Brünne  vor  sich.  Auch  die  Helden* 
gewohnheit  hatte  Stalle,  daß  wenn  er  einmal  von  einem  Lappenkämpen 
zu  Boden  geworfen  war,  er  nicht  wieder  aufstand,  sondern  ruhig  liegen 
blieb,  bis  jener  Messer  oder  Axt  herbeigeholt,  um  ihm  das  Leben  zu 
nehmen,  wobei  man  wiederum  an  die  Vikinger  denkt,  wie  es  auch  in 
der  Frithjofssage  heißt: 

„Det  skall  ej  hinder  bringa", 

sad'  Atle,  stolt  i  häg. 

mG&  du  och  tag  din  klinga, 

jag  ligger  som  jag  lag." 

9.  Das  Stallomädchen. 

(Ans  dem  schwedischen  Lappmarken.) 

Es  war  einmal  ein  Ehepaar  aus  dem  Stallogeschlecht ,  welches 
zwei  Kinder  hatten,  einen  Sohn  und  eine  Tochter.  Nun  trug  es  sich  zu, 
daß  ein  Mangel  an  Lebensmitteln  eintrat,  weshalb  die  Eltern  daran 
dachten,  eins  von  den  Kindern  zu  schlachten  und  zu  verzehren;  nur 
konnten  sie  sich  nicht  darüber  einigen,  ob  es  der  Sohn  oder  die  Tochter 
sein  sollte.  Der  Mann  wollte  den  Sohn  schonto  und  sagte  deshalb  zu 
der  Frau:  ^Ich  schlage  meinen  Bogenträger  nicht  todt!^  Die  Frau 
dagegen  wollte  die  Tochter  geschont  sehen  und  rief  deshalb  mit  zor* 
niger  und  kreischender  Stimme:  ^Ich  schlage  meine  Spinnerin  nicht 
todt!"  Die  Tochter,  welche  vor  der  Thür  stand  und  horchte,  hörte 
diese  Unterhaltung,  so  wie  auch,  daß  schließlich  die  Mutter  nachgeben 
musste  und  sie  selbst  (die  Tochter)  dem  Tode  geweiht  war.  Sie  ergriff 
daher  die  Flucht  und  kam  zu  einer  Lappenhütte ,  wo  man  sie  fragte, 
wer  sie  wäre  und  woher  sie  käme.  „Ach,  antwortete  sie,  ich  bin  ge- 
flohen, um  mir  mein  Leben  zu  retten ;  meine  Eltern  wollten  mich  auf« 
fressen!  Möchtet  ihr  nicht  so  freundlich  sein,  mich  als  Wasserträgerin 


ßO  .       FELIX  LIEBRECHT 

axusunehinen?*^  (Dies  ist  aber  i^t  niedrigste  Dienst  bei  den  Lappen.) 
Sie  giengen  darauf  ein;  das  Stallomädchen  verblieb  bei  ihnen  und  wurde 
späterhin  die  Frau  des  Sohnes  vom  Hause.  Nach  einigen  Jahren  bekam 
letzterer  Lust,  seine  Schwiegereltern^  die  Stallofamilie;  zu  besuchen  und 
zugleich  zu  erfahren,  ob  er  nicht  einige  Mitgift  erlangen  könne«  Seine 
Frau  suchte  ihm  zwar  von  seinem  Beginne  abzurathen,  indem  sie  meinte, 
wenn  er  hingienge,  würde  er  gewiss  aufgefressen ;  allein  er  wollte  nicht 
glauben,  daß  das  Verlangen  nach  Menschenfleisch  bei  Stalle  so  groß 
wäre,  „Ich  habe  ja  Rennthiere,  sagte  er,  und  werde  ihnen  ein  fettes 
Thier  geben;  so  lange  also  das  dauert,  brauchen  sie  uns  nicht  zu 
Terzehren."  —  „Doch,  doch!  antwortete  die  Frau;  du  wirst  schon  sehen 
wie  es  geht."  So  begaben  sich  denn  die  jungen  Fheleute.  mit  Sack  und 
Pack  nach  der  Wohnstätte  Stalles  und  hatten  auch  ihr  kleines  Kind, 
ein  einjähriges  Knäblein,  bei  sich.  Sie  wurden  sehr  freundlich  empfangen, 
und  der  Lappe  gab  seinem  Schwiegervater  alsbald  ein  feistes  Renn- 
lliier,  so  daß  es  also  an  frischem  Fleisch  nicht  mangelte.  Auch  die 
Schwiegermutter  schien  sich  über  die  Angekommenen  sehr  zu  freuen; 
sie  nahm  das  Enkelchen  aus  der  Wiege,  küsste  es  imd  sprach:  „Liebe 
Tochter,  ich  kann  wohl  unterdess  das  Kind  halten,  während  ihr  das 
Zelt  aufstellt?"  Die  Tochter  hatte  freilich  keine  rechte  Lust,  ihrer 
Mutter  das  Kind  anzuvertrauen,  konnte  jedoch  nichts  dagegen  ein- 
wenden. Ludak  (das  Stalloweib),  die  Blutsaugerin,  ging  ohne  Verzug 
in  ihre  Hütte,  drehte  dem  Kinde  den  Hals  um,  und  fing  an  es  auf- 
zufressen. Ein  jüngerer,  erst  nach  der  Schwester  Flucht  geborener  Sohn 
Stalles,  welcher  dabei  stand  und  seiner  Mutter  zusah,  bekam  auch  Lust, 
von  dem  Fleische,  das  sie  verzehrte,  zu  kosten  und  verlangte  welches 
zu  wiederholten  Malen.  „Mamma,  Mamma,  gib  mir  etwas  von  meines 
Schwestersohns  Auge!"  —  „Morgen  sollst  du  deiner  Schwester  Brüste 
zu  kauen  bekommen,"  antwortete  Ludak.  Die  Tochter,  welche  draußen 
stand  und  horchte,  stieß  ihren  Mann  an  und  sagte:  „Glaubst  du  nun  was 
ich  gesagt  habe?  Jetzt  hat  sie  das  Kind  gefressen  und  morgen  kommen 
wir  an  die  Reihe."  Indess  konnten  sie  für  den  Augenblick  nichts  thun. 
Als  sie  ihr  Zelt  aufgestellt  und  alles  in  Ordnung  gebracht  hatten,  kam 
Stalle  und  sein  ältester  Sohn  zum  Besuch,  um  den  langen  Winterabend 
mit  Plaudern  hinzubringen.  Während  man  nun  über  dies  und  jenes 
schwatzte,  fragte  Stallo  seinen  Schwiegersohn  gleichsam  in  aller  Ver- 
traulichkeit: „Wann  schläfst  du  am  festesten?"  Der  junge  Lappe  that, 
als  merkte  er  nicht  den  eigentlichen  Zweck  dieser  Frage,  sondern  ant- 
wortete ganz  ruhig:  „Wenn  die  Morgenröthe  sich  zeigt,  schlafe  ich 
am  besten."     Dann  fragte  er  seinerseits  den  Schwiegervater :    „Wann 


LAPPLÄNDISCHE  MÄRCHEN.  19X' 

schläfst  du  denn  am  besten?"  —  ^Um  Mittemächt!**  antwortete 
Stallo.  Nachdem  nun  so  beide  einander  ausgefragt  y  schieden  sie ; 
Stallo  und  sein  Sohn  kehrten  in  ihre  Hütte  heim;  und  die  jungen  Ehe- 
leute  blieben  im  Zelte  zurück.  Um  Mittemacht  aber^  wo  Stalle  im 
tiefsten  Schlafe  liegen  sollte^  standen  sie  auf  und  flohen  in  aller  Stille 
auf  demselben  Wege,  den  sie  gekommen  waren.  Der  Mann  zog  voran 
mit  der  Rennthierheerde^  während  die  Frau  eine  Strecke  weit  Ton  dem 
Zelte,  welches  sie  hatten  stehen  lassen,  zurückbKeb,  um  zu  sehen,  was, 
ihr  Vater  zur  Zeit  der  Morgenröthe  vornehmen  würde;  auch  hatte  sie 
der  Sicherheit  wegen  eine  Stainak  oder  gelte  Rennthierkuh  (eine  solche 
wird  nämlich  fhr  ganz  besonders  schnell  und  ausdauernd  gehalten) 
vor  ihren  SchUtten  gespannt  und  wartete  nun  so  hinter  einer  großen 
TannC;  welche  ihr  Mann  quer  über  den  Weg  geworfen  hatte.  Als  die 
Morgenröthe  sich  zeigte  ^  kam  Stalle  mit  seinem  ältesten  Sohne  aus 
der  Hütte ,  beide  mit  Spießen  bewaffnet ;  sie  eilten  nach  des  Lappen 
Zelt  und  stachen  an  verschiedenen  Stellen  durch  die  Leinwand,  da 
wo  sie  eben  vermutheten,  daß  die  Schläfer  im  tiefsten  Schlafe  lagen, 
wobei  der  Sohn  noch  jedes  Mal  hinzufUgte :  „Das  gieng  in  des  Schwa- 
gers Herz!  —  Das  gieng  in  der  Schwester  Herz!"  Bald  nachher  kam 
Ludak,  die  Blutsaugerin,  mit  einem  Trog  und  rief:  „Liebe  Kinder, 
lasset  das  Blut  nicht  fortlaufen!"  Sie  wollte  wohl  Würste  daraus  machen. 
Nun  rief  Stalles  Tochter  hinter  der  Tanne  hervor:  »Hier  ist  noch  der 
Schwester  Herz!"  Da  sagte  Stallo :  „Das  konnte  ich  mir  wohl  denken!" 
worauf  er  und  seine  Frau  der  Tochter  nachzulaufen  anfiengen.  Da  sie 
aber  bald  merkten,  daß  sie  die  Stainak  nimmer  einholen  würden,  fieng 
der  Stallo  an  zu  rufen :  „Warte,  mein  Kind,  warte,  mein  Kind !  ich  will 
dir  einen  Schatz  als  Mitgift  in  den  Schlitten  werfen;  so  warte  doch, 
mein  Kind!''  l'fun  hielt  die  Tochter  das  Rennthier  an  und  wartete,  bis 
der  Vater  die  Hände  nach  dem  .Schlitten  ausstreckte ;  in  dem  näm- 
lichen Augenblicke  aber  hieb  sie  ihm  mit  einer  Axt,  die  sie  bei  sich 
führte,  die  Finger  ab  und  fuhr  dann  im  gestreckten  Qalop  davon. 
Stallo  wies  die  Stümpfe  seiner  Frau,  welche  nachgelaufen  kam  und 
rief:  „Mutter,  Mutter,  sieh  her!"  —  „Das  konnte  ich  mir  wohl  denken, 
daß  du  nicht  mit  ihr  fertig  wirst,  antwortete  Ludak,  ich  will  es  selbst 
versuchen."  Nun  fing  sie  an  HBchzulaufen  und  zu  rufen:  „Warte, 
warte,  Tochter,  ich  habe  hier  einen  raren  Schatz,  den  du  als  Mitgift 
bekommen  sollst;  so  warte  doch  nur  ein  bischen!"  Die  Tochter  hielt 
wiederum  an  und  wartete,  bis  die  Alte  den  Schlitten  anfasste,  dann 
aber  hieb  sie  auch  ihr  mit  der  Axt  die  Finger  von  den  Händen,  so 
daß  Schatz  und  Finger  in  den  Schlitten  fielen ,  worauf  sie  wieder  das 


1^  FELIX  LIEBBECHT 

Bennthier  peitschte  und  im  vollen  Galop  den  Spuren  der  Heerde  nach- 
jagte. Lange  aber  hörte  man  noch  Stallo  und'  seine  Frau  hinterher 
rufen:  „Wirf  die  Fingerstümpfe  zurück,  du  schamlose  Höllenbrut!** 
—  Dies  war  das  Ende. 

10.  Stallo  beim  Biberfang. 

(Aus  dem  schwedischen  Lappmarken.) 

Stalle  hatte  ein  Q^arn  aufgestellt,  um  Biber  zu  fangen,  und  in 
einiger  Entfernung  ein  Feuer  angezündet,  worauf  er  sich  bei  demselben 
auskleidete  tmd  zur  Ruhe  legte.  Um  aber  zu  wissen,  wann  ein  Biber 
ins  Garn  kam,  und  ihn  packen  zu  können,  ehe  er  sich  wieder  losmachte, 
hatte  er  eine  Schnur  an  das  Garn  gebunden  und  an  das  andere  Ende, 
welches  bei  ihm  an  dem  Feuer  lag,  eine  Schelle  befestigt,  die  ihn  davon 
in  Kenntniss  setzen  imd  nöthigenfalls  aus  dem  Schlafe  aufwecken  sollte. 
Ein  Lappe  hatte  aber  diese  Vorrichtung  wahrgenommen,  und  als  nun 
Alles  in  Ordnung  war  und  Stallo  sich  niedergelegt,  gieng  der  Lappe 
hin  und  zog  an  der  Schnur.  Stallo  eilte  nackt  nach  dem  Garn,*  fand 
jedoch  nichts.  Inzwischen  war  der  Lappe  nach  dem  Feuer  gelaufen 
und  hatte  alle  B3eider  Stalles  hineingeworfen,  daher  dieser  bei  seiner 
Zurückkunft  dieselben  verbrannt  fand  und  sich  schwer  ärgerte,  daß 
er  vor  lauter  Eile  die  Kleider  ins  Feuer  geschoben.  Er  setzte  sich 
indess  nieder  und  wärmte  sich  so  lange,  bis  die  Schelle  von  Neuem 
erklang,  worauf  er  wieder  zum  Garn  lief,  aber  darin  ebenso  wenig 
einen  Biber  fand  wie  das  erste  Mal.  Das  Schlimmste  war,  daß,  als  er 
zurückkam,  das  Feuer  nicht  mehr  brannte  und  er  nun  jämmerlich  zu 
frieren  begann,  in  welcher  Noth  er  endlich  zu  dem  Monde  gieng,  der 
eben  über  den  Horizont  heraufkam  und  ihm  zurief:  „Sieh,  Vater,  wie 
dein  Sohn  friert  1"  wobei  er  die  Hände  emporstreckte;  aber  es  half 
nichts,  er  erfror  trotz  allem  dem. 

LÜTTICH.  FELIX  LIEBRECHT. 

ZUR  LITTERATURGESCHICHTE  DES  WOLF- 
DIETRICH. 

(NACHTRAG  ZU  GERM.  XIV,  226.) 


Der  gelehrte  Graf  Albert  von  Circourt  zu  Paris  hat  mir  über 
meine  in  dieser  Zeitschrift  erschienene  Abhandlung  freundlicherweise 
manigfache  interessante  Bemerkungen  mitgetheilt,  von  denen  ich  die 
folgenden  aushebe^  da  sie  auch  zur  Berichtigung  des  von  mir  a.  a.  0. 
S.  234.  235  Gesagten  dienen  können: 


ZUR  LITTERATURGESCHICHTE  DES  WOLFDEETRICH.  19$ 

^Si  vous  voulez  poursnivre  k  Besanjon  vos  recherches  sur  le 
manuscrit  dont  a  pu  se  servir  du  Pinet,  vous  ne  pouvez  mieux  vous 
renseigner  qu'en  vous  adressant  k  M.  Castan^  biblioth^eaire  de  la  ville^ 
C'est  un  vöritable  örudit  et  un  digne  sueoesseur  de  Weiß.  Mais  je  nö 
crois  pas  que  le  manuscrit  existe  ^  ni  surtout  qu'il  ait  pu  se  trouver 
parmi  les  rares  documents  que  poss^dait  la  confr^rie  de  St.  George. 
Dans  le  livre  intitulö:  Apergu  sur  Tordre  de  St.  George  du  comtö  de 
Bourgogne.  Vesoul  1833;  qu'a  publik  le  Marquis  de  St.  Mauris^  je  lis 
que  les  registres  originaux  ont  dte  perdu. . .  Le  Marquis  donne  la  liste 

des  auteurs  qui  ont  traitö  avant  lui  de  Fordre  de  St  George 

Dans  ce  m^me  ouvrage  je  lis  que  d'apr^s  une  lettre  du  Marquis  de 
Ghrammont,  gouvemeur  de  Fordre  en  1767,   lettre  qui  se  trouve  dans 
les  archives  de  la  maison  de  St  Mauris,  les  registres  anterieurs  k  Fan- 
nie 1448  avaient  d^s  cette  ^poque  dispanu  Les  archives  fiirent  ou  bru- 
l^es  ou  anäanties  d'une  autre  mani^re  par  la  personne  chez  qui  elles 
avaient  ^t^  cach^es  pendant  la  Terreur  (page  9).   Page  14  est  dti  le 
passage  suivant  du  pfere  Fedorö   (p.  745  de  son  ouvrage):    „La  con- 
fr^rie  de  St  George  de  Chalon  a  ^t^  dtablie  sur  le  model  de  celle  de 
St.  Qeorge-les-Soeurs   en  1315 ,    et  cette  demifere  sur  le  model  de  St. 
George  de  Rougemont.   Celle-ci  est  donc  la  plus  ancienne  et  ses  con- 
fr^res  ätaient  Chevaliers  d'armes.''     A  Fappui  de  cette  assertion  Fon 
invoque  une  charte  d'Aimont,  archev&que  de  Besangen  qui  fait  appel 
k  plusieurs  seigneurs  et  aux  princes  issus  des  ducs  et  comtes  de  Bour- 
gogne   „Premiers  fondateurs  de  la  confrdrie  de  Fordre  des  Chevaliers 
de  St  George."     La  charte  est  de  1366.    Les  seigneurs   auxquels  il 
s'adresse  sont  la  plus  part  comtois   et  point  bourguignons.  .....  Le 

Marquis  de  St.  Mauris  en  conclut  que  la  confrdrie  de  St.  George  fiit 
fo^d^e  k  Rougemont  vers  Fan  1300,  par  les  souverains  du  duch^  et 
du  comt^  de  Bourgogne." 

„Ce  qu*il  y  a  de  certain  est  que  Philibert  de  Mo  11  ans  [also 
nicht  Mio  1  ans],  &anc-comtois,  ftit  le  restaurateur  de  cette  confr^rie 
en  1390  et  que  Fassemblde  des  confr^res  se  faisait  d^abord  k  Rouge- 
mont, ou  Philibert  avait  ddposä  dans  une  chapelle  qu^l  y  possedait, 
les  reliques  de  St  George,  rapportöes  par  lui  de  Terre  sainte.  (II  dut 
etre  le  compagnon  de  Bouciquaut  ou  du  comte  d'Eu,  pendant  le  voyage 
d'outremer  qu'ils  firent  en  1387,  1388,  1389).  Ce  Rougemont  n'est 
pas  celui  du  dept.  Cote  d*Or ,  comme  vous  Favez  pens^  ,*  mais  il  se 
trouve  dans  Farrondissement  de  Baume,  dept  du  Doubs  [aber  auch 
dieses  Rougemont  ist  von  Dijon  nicht  sehr  weit  entfernt],  et  a  donnö 
son  nom   k  Fune   des  familles   des  grands  barons   franc-comtois.  . . . . 

GERMANIA.  Neue  Reibe  IIL  (KV,)  Jahrg.  13 


194  K.  BARTSCH,  ZUR  HROSWITHAFRA  GE. 

L'assembl^e  des  Chevaliers  de  St.  George  se  fit  plus  tard  k  Besangen 
dans  le  couvent  des  Cannes.  L'ordre  ne  retrouva  qu'un  semblant  d'exi- 
stence  pendant  la  restauration  et  s'^teignit  de  lui-m§me  aprfes  1830." 
Noch  bemerkt  der  Herr  Graf  von  Circourt,  daß  zwischen  den  von  mir 
ä.  a.  0.  S.  236  erwähnten  Saulx  Tavannes  und  den  dAgoult  de 
Sault  keine  verwandtschaftliche  Verbindung  bestand. 

Aus  dem  Obigen  erhellt  also,  daß  der  St.  Georgenorden  von 
Rougemont  zwar  schon  vor  1390  existierte ,  daß  er  aber  in  diesem 
Jahre  erneuert  und  hierdurch  erst  recht  bekannt  wurde,  da  diese  Er- 
neuerung sich  oft  als  dessen  Stiftung  angeführt  findet,  das  fiühere  Be- 
stehen desselben  aber  im  Dunkeln  geblieben  ist.  Immerhin  indess  dari 
nunmehr  die  Möglichkeit  nicht  zurückgewiesen  werden,  daß  das  Kloster 
Tischen,  Kloster  Titschal  und  der  Fürst  St.  Jörge  im  Eckenliede  wie 
im  Wolfdietrich  schon  vor  dem  J.  1390  ihre  Stelle  gefunden  hatten. 

Noch  bemerke  ich,  daß  in  meiner  Abhandlung  S.  233.  Z.  19  v.  o. 
so  zu  lesen  ist:  „das  nicht  weit  von  Trawnik  entfernt  ist  und  in  dem 
oben  (S.  230)  erwähnten  Lehnbriefe  gleichfalls  genannt  sein 
mochte;"  femer  ebend.  jZ.  22:  „von  dem  er  gehört  haben  mochte, 
oder  aus  Salnecke,  Sebenico  und  Nakel  hat  Du  Pinet  sein  Sdben- 
necket  zusammengeschweißt. 

LÜTTICH.  FELIX  LIEBRECHT. 


ZUR  HROSWITHAFRAGE. 


Nachdem  neuerdings  der  Münchener  Codex,  der  die  Werke  der 
Gandersheimer  Nonne  enthält,  wieder  Gegenstand  sorgfältiger  Prüfling 
geworden,  wird  die  Mittheilung  von  Interesse  sein,  welche  mir  Herr 
Prof.  Const.  Höfler  in  Prag  macht.  Auf  der  Rückseite  des  letzten  Blattes 
stehen  acht  Zeilen  in  altglagolitischer  Schrift,  die  bisher  niemand  be- 
achtet hatte.  Sie  sind  nicht  in  den  langen  glagolitischen  Zügen  des 
XIV.,  sondern  in  den  älteren  des  X.  Jahrhunderts  gehalten,  und  nehmen 
den  leeren  Raum  ein,  der  nach  dem  Schluße  des  lateinischen  Textes 
übrig  blieb.  Wie  kommen  sie  in  den  Codex?  War  derselbe  in  einem 
böhmischen  oder  mährischen  Kloster?  Jedenfalls  dürfte  diese  Thatsache 
ein  neues  Moment  in  Bezug  auf  die  Controverse  über  die  Echtheit 
des  Codex  abgeben. 

K.  BARTSCH* 


195 


DIE  ERSTE  AUSGABE  DER  SPRICHWORTER- 
SAMMLUNG  DES  ANTONIUS  TUNNICIUS. 


Als  ich  im  Jahre  1855  die  Sprichwörtersammlung,  des  Tunnicius 
abschrieb  und  dann  im  Weimarischen  Jahrbuch  2,  Bd.  S.  178  ff.  eine 
nähere  Nachricht  darClber  mittheilte^  galt  die  Ausgabe  von  1515  fdr  die 
einzige  noch  vorhandene  so  wie  das  Berliner  Exemplar  Air  das  einzige. 
Bei  weiteren  Nachforschungen  fand  sich  ein  zweites  in  der  Wolfen- 
bütteler  Bibliothek;  dann  ein  älterer  Druck  (von  1514)  in  der  Lübecker 
Bibliothek  und  außer  diesem  Exemplar  noch  ein  unvollständiges  in 
der  Bibliothek  zu  Münster,  so  wie  neulich  ein  ebenfalls  unvollständiges 
in  der  Stadtbibliothek  zu  Hamburg.  Ich  begnügte  mich  damit  und 
suchte  meine  Ausgabe  nach  und  nach  zu  vollenden.  Kaum  ist  sie  nun 
erschienen,  so  überrascht  mich  Herr  Oberbibliothecar  Prof.  Dr.  Karl 
Hopf  in  Königsberg  mit  der  Nachricht,  daß  in  der  dortigen  Bibliothek 
die  'prima  editio'  vorhanden  sei.  Auf  sein  gütiges  Anerbieten,  mir  die- 
selbe mitzutheilen,  gieng  ich  dankbar  ein;  ich  erhielt  sie  sofort  zuge- 
schickt, und  so  kann  ich  denn  jetzt  über  das  Verhältniss  dieser  Aus- 
gabe von  1513  zu  den  beiden  späteren  (A  B)  von  1514  und  1515 
Näheres  mittheilen. 

Der  Titel  lautet  übereinstimmend  mit  A  also: 

ÄNtonzj    Tunnidj    Monaste 

riensis  .  in  germanorum  paroemi 

as  studiose  iuuentuti  perutiles 

Monosticha  .  cum  germanica  in- 

terpretatione  . 

q  Eiusdem  epigrammatuTn  Ubellus 
q  Ad  puerum  latinitatis  et  honeste  vite  studiosum 

Joannis  Murmellij  Epigramma 
Plena  bone  frugis  si  te  prouerbia  ducimt 

Conditus  salibus  si  tibi  sermo  placet 
Hunc  euolue  librum  .  dulceis  hos  perlege  versus 

Hec  edisce  libens  verba  venusta  puer 
Hinc  poteris  linguamqwö  tuam  moresqt^ß  polire 

ConuictU7iiqu6  bonis  exhilarare  iocis 
Que  subiecta  vides  epigrammata  .  ni  tibi  virtus 
Sordet .  erunt  vite  non  minus  apta  tue. 

13* 


196  HOPFMANN  VON  FALLEESLEBEN,  TÜNNICIUS. 

4®.   32  Blätter.    Auf  der  vorletzten  Seite: 

q  Impressum  Colonle  hoc  opusculum  in  domo  Quentell 
pnma  edittbne  Anno  domini  •  M .  ceccc .  xiij  . 

So  stimmt  auch  die  Zueignung  ganz  mit  A  bis  auf  die  Schluß- 
worte ^supra  Millesimum  quingentesimo  decimo  tercio'^  wie  sie  in  B 
vorkommen. 

Es  folgen  dann  in  fortlaufender  Bogenbezeichnung  g  i  —  i  iij 
14  Blätter  Epigrammata  Tunnicii^  gewidmet  Johannes  Pering^  dem 
Nachfolger  des  Johannes  Murmellius  im  Rectorate  der  Schola  Paulina 
zu  Münster.  Die  Widmung  ist  vom  October  1512.  Diese  Gedichte, 
32  an  der  Zahl;  sind  einigen  hohen  Personen,  verschiedenen  GreistUchen, 
Juristen  und  Freunden  zugeeignet.  Sie  sind  meist  didactischen  und 
ascetischen  Inhalts,  als:  de  virtute,  de  fortunae  varietate,  virtus  et 
scientiae  sunt  aetemae,  de  potorum  legibus,  moribus  et  obitu. 

Daß  die  Gedichte  der  Ausgabe  von  1514  beigedruckt  waren, 
sollte  man  nach  dem  Titel,  der  mit  dem  der  Editio  prima  überein- 
stimmt, vermuthen.  An  den  vier  Exemplaren,  die  mir  zu  Gesicht  ge- 
kommen, fehlten  sie,  ebenso  bei  der  Ausgabe  von  1515,  in  deren  Titel 
aber  auch  die  beiden  Schlußverse:  Quae  subiecta  vides  epigrammata 
cet  weggelassen  sind. 

Auslassungen. 

20  8ik  —  43.  60  it  —  72  god  —  116  lange  —  166  men  —  337  he  — 
357  Ä  —  697  to  —  723  dat  —  758  loagm  —  876  en  —  891  de  — 
1007  ü  —  1157  in. 

Druckfehler. 

130  sak  f.  hudel  —  164  deckt  f.  delt  —  205  snuffen  f.  snop  — 
232  dun  bregen  f.  dulbr^gen  —  258  horsch  f.  hovisch  —  304  hetwe  — 
415  stopen  f.  gtoken  —  593  holde  f.  aide  —  704  dur  f.  durer  —  729  is 
enis  {,  enis  —  799  syen  f.  teien  —  841  versuet  f.  vort&t  —  1019  wyttet 
f.  vnt  —  1036  daren  denge  —  1163  weynen  f.  wo  einem  —  1211  dl  lachen 
f.  al  lachende  —  1243  suuercTce  f.  suverlike  —  1293  h>oet  dor  f.  hode  dy 
vor  —  1322  vorseyn  sich  f.  vortein  sik  —  1335  otierscJiappen  f.  over- 
schatten  —  1345  ersten  f.  ernster, 

Eigenthümliches. 

Die  Partikel  ge  ist  öfter  weggelassen:  165  geven  —  355  love  — 
500  mälde  —  563  stolm  —  805  unlyke  —  1026  richte  —  1066.  1233. 
1337  nSch  —  1135  snifrdem —  1189  laden. 


K. .  GOEDEKE,  ZUB  GESCHICHTE  DES  MEISTERGESANGES.         197 

bolerer  f.  hokr  230.  750  —  ende  masc.  190.  614.  870.  1349.  1362, 
dagegen  1032  dat  ende  —  brennen  f.  bemen  —  gecke  f.  gecken  — 
krege  f.  kreie  —  me  f.  wen  —  ofi  f.  of  —  tot  {,  to  —  vryg  f.  vry. 

Lateinisches. 

Viele  Druckfehler  dieser  ersten  Ausgabe  sind  in  die  nachfolgen- 
den übergegangen,  zu  denen  dann  noch  neue  hinzugekommen,  die  nun 
nebst  einigen  durch  meine  Schuld  entstandenen  geändert  werden  mögen. 
228  muUiinlma  —  277  tetendit  —  391  connivere  —  527  nos  f.  non  — 
999  hlandttiae  —  1123  gaaae. 

163  findet  sich  ein  eigener  Vers :  Nemo  sma  assumit  ortus  möge 
viribus  altum,  für:  Est  licet  aUa  aedes,  non  presbyter  hinc  möge  clamat. 

Beachtenswerthe  Abweichungen. 

89  hefstu  f.  hesiu  —  149  vorwaren  f.  bewaren  —  153  monke  f.  mo- 
nike  —  168  lange  borgen  (auch  in  A)  f.  lank  geboreht  —  182  scJiapen 
f.  schäp  —  223  wy'Wyi.wo-wo  —  237  aide  (plde)  f.  sade  —  239  gr&t  — 
250  besoken  (wie  in  A)  f.  vorsuken  —  348  drysten  f.  drystigen  —  378 
du8  f.  sus  —  390  hed  f.  heß  —  414  löpt  f.ldp  —  471  messem  f.  messen 

—  487  des  f.  dat  dat  —  638  vele  geven  (jgegeven)  kebbe  f.  vele  to  geven 
(P.  Syrus  81 :  Beneficium  qui  dedisse  se  dicit,  petit)  —  723  we  i.  de  — 
911  wer-keren  f.  wedder-keren  —  927  he  de  {,  de  de  —  937  gewdnt  f.  gewSn 

—  969  he£.  it  —  979  alden  enden  f.  an  aUen  enden  —  1147  jo  f.  wo  — 

1204  socktet  f.  soke  it  —  1224  muse  unde  mauwe  nicht^  das  Richtige  für  A 

muse  en  mauwen  nicht» 
SCHLOSS  CORVEY,  6.  März  1870.  HOFFMANN  VON  FALLEBSLEBEN. 


ZUR  GESCHICHTE  DES  MEISTERGESANGES. 


I.   Der  unerkannte  Ton. 

Der  Schreiber  der  Eolmarer  Liederhandschrift,  deren  geno^ue 
Eenntniss  wir  Karl  Bartsch  und  dem  Litterarischen  Vereine  in  Stutt- 
gart verdanken,  berichtet,  daß  er  in  dem  unerkannten  Tone,  dessen  er 
sich  BL  478  als  des  seinigen  bedient,  kein  anderes  Lied  als  das  über 
die  Namen  der  Jungfrau  Maria  gedichtet  habe,  daß  aber  die  Meister 
zu  Nürnberg  ein  Bar  oder  drei,  das  heißt  eine  nicht  näher  zu  bestim- 
mende Anzahl  von  Meisterliedem,  in  diesem  Tone  gedichtet  haben. 
Da  unmittelbar  auf  jenes  Marienlied  ein  anderer  Meistergesang  in  dem- 
selben  unerkannten  Tone  folgt ^  ist  es  mit  der  ausschließlichen  Ver« 


198  K.  GOEOEKE 

Wendung  des  Tones  iUr  ein  Lied,  wie  es  scheint,  so  genau  nicht  zu 
nehmen y  es  müBste  denn  das  zweite  Lied,  das  Bartsch  nicht  hat  ab- 
drucken lassen,  nicht  von  dem  Schreiber  der  Hs.  verfasst,  vielmehr 
eins  von  denen  sein,  welche  die  Meister  zu  Nürnberg  gedichtet  haben. 
Der  Schreiber  der  Hs.  und  Erfinder  des  Tones  ist  imbekannt;  ein 
weiteres  Lied,  das  ihm  mit  Sicherheit  zugeschrieben  werden  könnte, 
findet  sich  nicht;  auch  kommt,  so  viel  bis  jetzt  zu  erkennen  ist,  der 
Ton  genau  ebenso  weder  bei  den  Nürnberger  Meistern,  noch  sonstwo 
vor.  Seine  Eigenthümlichkeit  besteht  darin,  daß  die  dreißig  Verse  der 
Strophe  (9:9  +  12)  32  Reime  haben,  da  dem  vorletzten* Verse  der 
Stollen  ein  Binnenreim  gegeben  ist.  Dagegen  findet  sich  bei  Meister- 
sängen! eine  ganz  ebenso  gebaute  Strophe  von  30  Versen  (9 : 9  -t- 12),  die 
sich  nur  durch  Weglassung  des  Binnenreims  unterscheidet.  Ph.  Wacker- 
nagel, der  in  seinem  Kirchenliede  einige  Gedichte  in  dieser  Form  mit- 
theilt, hält  sie  für  die  ältere  und  ist  nicht  ganz  abgeneigt,  sie  Frauen- 
lob zuzuweisen,  also  in  das  14.  Jhd.  hinaufzurücken,  wie  er  denn  die 
mitgetheilten  Gedichte,  die  noch  näher  zu  erörtern  sein  werden,  wirk- 
lich unter  die  Lieder  des  14.  Jhd.  gesetzt  hat.  Seine  Ansicht  ist  auch 
die  einiger  späten  Meistersänger ,  unter  denen  ich  nur  Valentin  Vogt 
nenne,  der  in  der  Jenaer  Hs.  seiner  Gedichte,  über  die  Wiedeburg, 
S.  140  ff.,  eine  ausfuhrliche  aber  imgenügende  Nachricht  gegebeij  hat, 
in  der  Abtheilung  über  die  Töne  Bl.  32  (121)  die  Noten  des  Tones  gibt 
und  diesen  selbst  den  unbekannten  Ton  Frauenlobs  nennt.  Der  als  Text 
beigeschriebenen  Strophe,  die  aus  Vogts  eigenem  am  1.  Sept.  1544  ver- 
fassten  Liede  über  die  Opferung  Isaacs  (Genes.  22)  entnommen  ist, 
BL  28  (40),  fehlt  der  Binnenreim  in  den  8.  und  16.  Zeilen  der  Stollen 
gänzlich.  Auch  Hans  Sachs,  der  größte  Kenner  meistersängerischer 
Töne,  von  denen  er  272  selbst  benutzte,  die  er  „in  seiner  Jugend  und 
auf  seiner  Wanderschaft,  auch  später  in  Nürnberg  mit  großer  ünkost 
und  Mühe  überkommen  und  gelernt"  hatte,  wie  er  im  Register  aller 
seiner  Gedichte  bemerkt,  hörte  in  seinen  jimgen  Jahren  diesen  „unbe- 
kannten Ton"  von  30  Versen  ohne  Binnenreim  als  einen  Ton  Frauen- 
lobs bezeichnen  imd  setzte  die  8  Gedichte,  die  er  in  seiner  Sammlung 
älterer  Meisterlieder  unter  diesem  Tone  vorfand,  unter  Frauenlobs  Namen 
(Berlin  ms.  germ.  4®,  414).  Wahrscheinlich  hatte  sein  Lehrer  Leonhart 
Nunnenbeck  ihm  den  Ton  als  einen  Frauenlobs  genannt,  da  ein  Gedicht 
dieses  Meisters  {Heiliger  geist  erleuchte  Bl.  74)  unter  der  Bezeichnung 
im  unbekannten  Tone  Frauenlobs  eingereiht  wurde,  während  die  übrigen, 
unter  denen  eins  von  Kunrat  Nachtigall  (  Von  Jease  ist  entsprossen  Bl.  414), 
drei  namenlose  und  drei  von  Hans  Folz  begegnen,  nur  den  Namen  des 


ZUR  GESCHICHTE  DES  MEISTERGESANGES.  199 

Tones,  nicht  auch  den  des  Erfinders  tragen.  Daß  aber  die  Tradition 
nicht  immer  zuverlässig  war  und  daß  ein  Ton,  dessen  Erfinder  man 
nicht  kannte,  auf  den  Namen  Frauenlobs,  des  Tönereichen,  gesetzt  wurde, 
geht  imter  anderm  daraus  hervor,  daß  dieselbe  Hs.  einen  „verholnen 
Ton**  dem  Frauenlob  beilegte,  der  sich  in  der  Folge  als  Eigenthum 
Fritz  Zorns  auswies.  Hans  Sachs  selblst  kam  von  seinem  Irrthume  zurück 
und  änderte  in  späteren  Jahren  den  Namen  des  Erfinders  bei  dem  Liede 
Nunnenbecks  und  im  Register  der  Töne,  hat  sich  auch  selbst,  nach 
Ausweis  des  Registers  über  alle  seine  Gedichte,  das  aus  dem  Raths- 
archive  der  Stadt  Zwickau  mir  vorliegt,  dieses  Tones  als  eines  Frauen- 
lobischen  niemals  bedient.  Unter  den  echten  Liedern  Frauenlobs  kommt 
keines  in  diesem  Tone  vor,  weder  mit  noch  ohne  Binnenreim;  die  Tra- 
dition der  Meistersinger  legt  ihm  auch  keinen  Ton  in  32  oder  30  Reimen 
bei.  Doch  ist  nicht  zu  verschweigen,  daß  die  Liedersamndung  von  der 
Hand  des  Hans  Sachs,  jener  Berliner  cod.  414,  Bl.  277,  274,  276  in 
dieser  Folge  drei  zusammengehörige  Lieder  imter  diesem  Tone  gibt, 
bei  deren  erstem,  Bl.  277^  H.  F.  als  Verfasser  genannt  wird.  Es  sind 
die  drei  Bar: 

Bl.  277^.   Ave  virgo  et  mater.   Das.  erst  par.    7  Lieder.   HF. 

Bl.  274\    Ave  fons  castitatis.   Das  ^  ander  par.    7  lieder. 

Bl.  276*.  Ave  tu  vitae  via.  Das  drit  par.  7  lieder. 
Eben  jene  Lieder,  die  Ph.  Wackemagel  theilweise  veröffentlicht  hat, 
doch  nicht  nach  dieser  lautem  Quelle,  sondern  das  dritte  nach  einem 
Drucke  (Kirchenlied  2  Nr.  433)  und  (Nr.  1443)  einen  Mischmasch  aus 
den  beiden  andern  nach  der  Heidelberger  Hs.  109,  in  welcher  durch 
Simprecht  Kröll  der  reine  Fluß  des  Gedichtes  oft  bis  zum  baaren  Un- 
sinn entstellt  ist.  Simprecht  Kröll  nennt  in  der  Überschrift  den  Ton 
den  imerkannten,  während  die  genaue  Hs.,  die  H.  Sachs  sich  anlegte, 
die  leise  Änderung  des  Namens  darbietet,  wie  sie  von  einem  älteren 
Dichter  vorgenommen  war,  um  die  Abweichung  von  der  ursprünglichen 
Zahl  der  Reime  anzuzeigen.  Daß  die  Buchstaben  H.  F.  nicht  auf 
Heinrich  Frauenlob  zu  beziehen  sind,  lehrt  der  Gebrauch  der  Hs.,  die 
den  Namen  des  älteren  Dichters  immer  ganz  ausschreibt  und  mit  H.  F. 
durchweg  Hans  Folz  bezeichnet.  Von  diesem  sind  jene  drei  Gedichte 
also  verfasst  und  gehören,  wie  auch  die  Sprache  und  Behandlung  des 
Reimes  ausweist,  keineswegs  Frauenlob  oder  seiner  Zeit,  sondern  der 
zweiten  Hälfte  des  15.  Jhd.  Jeden  Zweifel  an  der  Urheberschaft  de» 
Hans  Folz  beseitigt  dieselbe  Berliner  Hs.  414,  die  ich  als  N  2  an- 
zuftlhren  gewohnt  bin  und  in  einem  vorbereiteten  Meistergesangbuche 
vielfach  vorführen   werde,   völlig  durch  einen  von  anderer  Hand  ge- 


200  K.  GOEDEKE 

schriebenen  Anhang  von  sieben  Gedichten^  deren  seclis  erste  ausschließ- 
lich in  dem  unbekannten  Tone  gesungen  sind  und  unter  sich  im  Zu- 
sammenhange stehen.  Beim  ersten,  vierten,  fiinften  und  sechsten  wird 
Folz  ausdrücklich  als  Verfasser  genannt,  während  die  Bezeichnung 
beim  zweiten  und  dritten:  „im  unbekanten  don  Hans  volczen  5  lieder^ 
den  Zweifel  übrig  lässt,  ob  Folz  als  Erfinder  des  Tones  oder  als  Dichter 
genannt  oder  als  beides  bezeichnet  sein  soll.  Am  Schlüsse  des  sechsten 
Gedichtes  nennt  er  sich  mit  Namen  imd  Gewerbe:  Hans  Volcz  bar- 
birere.  In  diesen  Liedern,  die  für  die  dunkle  Geschichte  des  Meister- 
gesanges von  großem  Interesse  sind,  tritt  Folz  mit  aller  Lebhaftigkeit 
des  Begründers  einer  neuen  Richtung  gegen  Herkonmien  und  Gebrauch 
der  Meisterschulen  auf,  immer  nur  die  alten  Töne  der  angeblichen  alten 
Meister,  die  in  der  Regel  keiner  kenne,  zu  benutzen  und  dieselben  mit 
neuen  Worten  zu  versehen.  Wenn  ein  Dichter  einen  neuen  Ton  schaffe, 
finde  er  nur  missbilligende  Verächter,  wenn  er  aber  vorgebe,  sein  neuer- 
fundener Ton  sei  einer  eines  alten  Meisters,  z.  B.  des  Canzlers  Blütweis, 
so  heiße  es  einstimmig,  ja  das  sei  wahr,  er  bringe  in  alle  seine  Töne 
solche  Melodie.  Da  sich  Folz  in  diesen  polemischen  Gedichten  durch- 
weg des  unbekannten  Tones  bedient  imd  diesen  wie  die  neugeschaffenen 
Töne  überhaupt  weit  über  di^  der  alten  Meister  erhebt  und  sich  dabei 
gegen  „etlich  meistersinger  zu  vor  aus  unden  an  dem  Rein^  erklärt, 
so  scheint  daraus  zu  folgen^  daß  dieser  unbekannte  Ton  bei  der  Sing- 
Bchule  in  Mainz  Anfechtung  erfahren  und  daß  Folz  seine  Lieder  noch  in 
Worms  imd  zwar  zu  Gxmsten  eines  befi*eundeten  Sängers  und  Dichters 
abfasste,  der  aber  kein  anderer  sein  kann  als  der  Erfinder  des  Tones, 
Nun  sind  die  in  der  Berliner  Hs.  414  auf  Frauenlobs  Namen  geschrie- 
benen Lieder  durch  eine  spätere  Correctur  von  Hans  Sachsens  altern- 
der Hand  diesem  genommen  und  Nestler  von  Speier  zugewiesen,  wie 
denn  auch  die  zwölf  Meistergesänge,  die  H.  Sachs  im  unbekannten 
Tone  gedichtet  hat,  in  seinem  Register  über  alle  seine  Gedichte  unter 
dem  Namen  Nestlers  von  Speier  stehen.  An  der  Richtigkeit  dieser  An- 
gabe, daß  der  unbekannte  Ton  diesem  Nestler  von  Speier  gehöre,  zu 
zweifeln,  liegt  kein  zwingender  Grund  vor,  da  Hans  Sachs  sehr  wohl 
in  der  Lage  sein  konnte,  den  rechten  Namen,  den  Folz  mit  nach  Nürn- 
berg gebracht  hatte,  zu  erfahren.  Wir  hätten  somit  den  Namen  eines 
Dichters  gewonnen,  über  den  freilich  weiter  nichts  bekannt  ist  und 
dessen  Zeit  erst  durch  die  Kolmarer  Hs.  und  die  Lieder  von  Folz 
einigermaßen  bestimmt  wird.  Sein  Ton,  der  um  1460  fallen  mag  und 
wie  die  Hs,  anzeigt  schon  von  den  Meistern  zu  Nürnberg  benutzt  war, 
m^g  aber  von  Foh^  vereinfacht  sein  und  dann  dem  Kunrat  Nachtigal 


ZUR  GESCHICHTE  DES  MEISTERGESANGES.  201 

und  Lienhart  Nunnenbeck,  auch  wohl  Andern,  fiir  ihre  Lieder  gedient 
haben y  so  daß  man  mit  der  Berliner  Hs.  414  zweifelhaft  sein  könnte^ 
ob  der  durch  leichte  Änderung  vom  unerkannten  zum  unbekannten 
gewordene  Ton  nicht  auch  unter  die  Töne  Folzens  zu  setzen  sei.  Eine 
Stelle  9  wo  dies  ausdrücklich  geschehen  wäre^  ist  mir  nicht  bekannt 
geworden.  Als  feststehend  darf  aber  angenommen  werden,  daß  Gedichte 
in  diesem  Tone  nicht  über  die  Mitte  des  15.  Jhd.  hinaufgerückt  werden 
können  imd  daß  bei  den  von  Ph.  Wackemagel  veröffentlichten  Ge- 
dichten (2,  433  und  1443)  also  weder  an  Frauenlob  als  Verfasser  noch 
an  seine  Zeit  zu  denken  ist. 

n.  SchnachRegilräu. 

Eine  Sammlung  von  Meistergesängen  des  16.  und  17.  Jhd.  in 
Weimar  (Fol.  419)  enthält  ein  Lied;  das  die  drei  stärksten  Kämpfer 
feiert;  zuerst  Dietrich  von  Bern,  der  den  König  Fasolt,  das  ungefüge 
Weib  Räzen^  den  großen  Riesen  Sigenot^  den  starken  Ecken ;  den 
Hürnen  Seifiit  und  den  alten  Hillebrant  erlegt  habe.  Als  zweiter  wird 
Geoffi*oi;  Melusina  sun^  genannt  ^  und  als  dritter  ein  noch  lebender 
Kämpfer^  dessen  Schilderung  ich  folgen  lasse:  „Schnach  Begilräu  so 
war  der  drit,'  |  ein  kempfer  noch  im  leben;  |  der  holt  noch  gar  manchen 
tumier  |  im  spitalbier^  |  kein  zug  tut  er  verzagen;  |  Tag  unde  nacht 
kempfet  er  mit,  |  tet  nie  kein  zagen  geben;  |  kalt  oder  warm  imd  wie 
es  war,  |  so  ander  gar  |  mit  kämpf  darob  erlagen.  ||  Eins  morgens 
bstunt  er  ein  bierkampf  |  ungefer  auf  drei  stunde^  |  achzehen  saidlein 
in  eim  dampf  |  erleget  und  verschlunde  |  mit  seinem  weiten  rächen 
schon;  |  der  kunstreich  mon  |  hat  aller  Weisheit  gründe."  Das  ganz 
ernsthaft  anhebende  Gedicht  springt  im  dritten  Liede  in  persönliche 
Satire  um  imd  verhöhnt  einen  Bierschlund  ^  dessen  Name  zu  Anfangs 
offenbar  anagrammatisch,  genannt  wird  und  damals,  in  Nürnberg  wohl, 
sofort  erkannt  wurde.  Wer  war  dieser  Schnach  Regilräu?  Es  würde 
ohne  Interesse  sein,  den  Namen  eines  bloßen  Bierzapfen  kennen  zu 
lernen,  der  es  nur  bis  auf  18  Seidel  innerhalb  dreier  Stunden  gebracht 
hatte,  eine  Leistungsfähigkeit,  in  der  ihm  heutiges  Tages  mehr  als  ein 
akademischer  Bürger  überlegen  sein  mag.  Es  scheint  hier  vielmehr 
ein  Spottgedicht  vorzuliegen,  das  zunächst  innerhalb  der  Schule,  im 
Exeise  der  Meistersänger  seine  Beziehungen  hatte.  Gedichte  der  Art 
in  denen  der  Gegner  oder  Nebenbuhler  in  der  Kunst  mit  einem  Esel 
oder  sonstigen  übel  beleumundeten  Thieren  verglichen  wurde,  begegnen 
m  den  Schulgezänken  vielfach;  keines  aber,  soviel  ich  weiss,  in  welchen 
wie  hier  der  Gegner,  ganz  außerhalb  der  Kunst,  von  Seiten  seines 
Frivattreibens  angegriffen  und  mit  kenntlichen  Namen  bezeichnet  wurde.. 


202         K.  GOEDEKE,  ZUR  GESCHICHTE  DES  MEISTERGESANGES. 

So  misslich  es  erscheinen  mag,  diese  jetzt  dunkle  Bezeichnimg  zn  deu^ 
ten,  will  ich  doch  versuchen,  das  Anagramm  auf  einen  Namen  zurück- 
zuführen. Dabei  bevorworte  ich,  daß  die  Niederschrift  dem  17.  Jhd. 
angehört  und  daß  dem  Aufzeichner  die  Bedeutung  des  vielleicht  nur 
um  wenige  Jahre  älteren  Anagramms  wohl  nicht  mehr  zu  Gebote 
stand.  Er  konnte  deshalb  leicht  den  einen  oder  andern  Buchstaben 
anders  wiedergeben,  als  seine  Vorlage  ihm  darbot,  obwohl  ich  die  Treue 
und  Genauigkeit  seiner  Abschriften,  selbst  wo  es  sich  um  Namen  fremder 
Völker  und  entlegener  Zeiten  handelt,  ausdrücklich  bezeugen  muss.  Wa» 
das  Schnach  betrifft,  so  glaube  ich  darin  eine  bloße  mit  einigen  überflüs- 
sigen Zeichen  versehene  Umdrehung  des  Namens  Hans  zu  erkennen^ 
der  durch  die  Annäherung  an  Schach  ein  heldenhafteres  Ansehen  er- 
halten sollte.  Es  bliebe  nur  Regilräu  zu  deuten,  was,  rückwärts  gelesen^ 
Värliger  ergeben  würde.  Aber  der  eine  Name  zeigt  so  wenig  wie  der 
andere  auf  eine  sonst  bekannte  Persönlichkeit.  Dagegen  scheint  ein 
Igelauer  deutlich  durchzuschimmern,  wobei  nur  das  ä  in  ae  umzu- 
wandeln ist  und  freilich  ein  nicht  unterzubringendes  B  übrig  bleibt. 
Wir  hätten,  die  Richtigkeit  der  Deutung  vorausgesetzt,  also  einen  Hans 
Igelauer,  einen  Hans  aus  Iglau,  ein  Name,  mit  dem  jedoch  noch  nichts 
gewonnen  zu  sein  scheint.  Unter  den  von  Görres  herausgegebenen 
Meisterliedem  steht  S.  126  eins  mit  der  Aufschrift  'Ritt  zum  Mädchen, 
das,  nach  Mones  Anzeiger  VH,  386,  aus  der  Heidelberger  Hs.  Nr.  343 
entlehnt  ist.  Die  Anfangsbuchstaben  der  sechs  Strophen  dieses  Gedichtes 
bilden  den  Namen  Igelau,  entweder  den  Namen  des  Dichters  oder  der 
mährischen  Stadt;  in  beiden  Fällen  würde  ein  und  dasselbe  angedeutet, 
eine  Beziehung  zu  Iglau  und  einem  Iglauer.  Es  ist  wohl  nicht  allzu 
gewagt,  wenn  ich  das  Meisterlied  mit  diesem  Gedichte  in  Verbindung 
setze  und  das  erstere  auf  einen  Iglauer  Dichter  Hans  gerichtet  nenne, 
über  den  nichts  weiter  bekannt  ist,  wenigstens  mir  nicht.  Wäre  das 
Gedicht  erst  im  17.  Jhd.  gemacht,  so  würde  freilich  der  in  der  Heidel- 
berger Hs.  genannte  Igelau  nicht  heranzuziehen  sein,  aber  eine  Deutung 
auf  einen  Iglauer  noch  weniger  beanstandet  werden  können,  da  durch 
den  jtlngeren  Hager,  einen  Sohn  Georgs,  des  Schülers  von  Hans  Sachs, 
eine  Verbindung  zwischen  den  Iglauer  und  Nürnberger  Meistersängem 
urkundlich  erwiesen  ist.  Philipp  Hager,  Schuhmacher  und  Meistersänger 
wie  sein  Vater  Georg,  -war  in  Iglau  und  Gedichte  von  ihm  liefert  die 
von  Wolfskron  näher  bekannt  gemachte  Iglauer  Meistersängerhand- 
schrift, wie  er  von  dorther  Gedichte  mitbrachte,  die  in  späteren  Nürn- 
berger Sammlungen  vorkommen. 

GÖTTINGEN,  Nov.  1869.  K.  GOEDEKE. 


203 


RESTE  ALTDEUTSCHER  HANDSCHRIFTEN 

ZU  DARMSTADT. 


1  *    got  trug  an  siner  ceswen  hant  (Äpoe.  1,16) 

siben  steme  da  dar  iohannez  vant 

sin  ceswe  ist  die  cristenheit 

die  got  in  sinen  banden  treit 
5  daz  sie  nit  gevallen  mac  45 

▼ntz  an  den  iungstep  tac 

si  mac  wol  yf  der  ei^den 

so  sere  bekort  werden, 

daz  die  zwifelere  myt  des  han 
10  die  werlt  die  mvz  gar  zur  gan  50 

swie  sie  doeb  nimmer  vnder  glit 

vnz  ander  iungsten  stunde  zit 

so  die  cristenbeit  zur  git 

vnd  in  ein  pesezzer  uf  erstet 
15  des  nieman  zwifebi  darf  55 

ein  swert  beidentbalben  scbai-f  (ebd,) 

daz  gienc  uz  sine  munde 

daz  ist  die  leste  stunde 

so  got  an  de  sieb  riebet 
20  der  sin  gebot  bie  zubricbet  60 

vnd  er  dem  lonet 

der  sins  gebotes  bie  sebonet 

sus  tut  got  yenes  vn  dit 

daz  swert  bat  zweier  bände  snit 
25  der  ein  zu  berge  set  {aofllr  stet)  65 

swenne  man  da  mit  slet 

der  ander  zu  der  erden 

ynd  wezeicbent  die  werden 

cristenbeit  prelate 
30  die  mit  ire  gude  rate  70 

nacb  dem  sie  schult  vinde 

bie  binde  vnd  entbinde  -  c 

vnd  tutet  daz  geistlicb  swert 

daz  snidet  beiden  halben  wert 
35  Sin  anilitz  als  di  sunne  schin  (ebd,) 

75 

1^    die  künde  in  nit  wetruben 

do      schein  als  durch  einen  schaten 

sin     gern  in  sulchn  baten 

als  er  den  iungem  erschein 
40    docA  weis  des  zwifel  kein  80 


als  er  sich  veränderte 

mit  den  zwel]^oten  wanderte 

vnd  v{  montethabur  was 

do  moses  vnd  eHas 

beide  «chinlicb  ir  scheuen 

Iren  heimlichen  wienen 

den  sie  sich  da  scbolden  tugen  {lies 

also  kt^mt  er  ane  lugen  ugen) 

dem  ^te  zu  angeschibte 

zu  dem  aller  lesten  geribte 

dem  ar^e  wirt  er  sorcblich 

also  er  hoch,  er  ugent  sich 

vnd  Wirt  tunde  danne 

dem  gt^te  iohanne 

mit  als      Übte  in  lubten 

daz  er  der      unne  duhten 

sin  von       ewiclicb  mugent 

so  sie  scHnet  in  ir  pesten  tugent 

irs  lihte«  vnzubrochen 

ditz  ist  also  gesprochen 

daz  got  daz  hoch  geribte 

sin  scbep&isse  sich  gelichte 

Got  schein  zum  ersten  deine 

wan  erschein  alters  eine 

sint  mals  da  die  starcken 

Propheten  patriarchen 

zwelboden  bihtere  meygde 

merterer  von  ire  getreide 

durch  ih'm  .  x"  giengen 

vnd  den  tot  entpfiengen 


gotes  •  luterer  dan  e 
want  sines  schines  wart  me 
do  crist  erstunt  von  dem  grabe 
do  gie  sin  vinstemis  abe 
daz  er  wegonde  schinen 
den  vremden  vnd  den  sinen 
vnd  die  cristenbeit  nam  zu 
der  sunnen  glich  so  sie  vru 
schinet  daz  man  sie  kume  weiz 
vnd  sider  wirt  witer  ir  creiz 


204 


M.  RIEOEB 


also  schein  crist  znm  ersten 
sint  schein  er  mit  dS  her^^en 
zeigen  glich  der  sannen  tugen 
weYom  schein  er  in  d      ngem 
85  tonkel  so  ich  do  von  sprac 
sider  do  die  werlt  gesach 
daz  er  was  erstanden 
von  des  todes  banden 
ynd  die  iuden  bürden  vberrede 
90  vnd  ir  •plut  wort*  also  vertrede 
mit  zeichen  mit  vrkunden 
ynd  vz  irs  selbes  munden 
der  heidenschaft;  wart  vil  beA^rt 
vnd  den  gluben  gelert 
95  ynd  der  abgot  ere  gelag 
do  schein  got  vm  mitten  tag 
glich  der  vollen  sonnen  craft 
dar  mitte  si  das  geschaft 
Und  als  sach  de  snzzen  (Äpöe,  Jf ,  1 7) 

100  do  Til  ich  zn  den  vnzzen 
als  ich  erstorben  were 
do  sprac  er  nit  irrere 
von  minen  angeschihten  dich 
vnd  legete  san  vfe  mich 

105   sin  ceswS  hant  durch  n 


Yord  dan  er  mac  getragen 
durch  daz  ir  vrohte  daz  nit  iohan 
wan  min  gwalt  ist  so  getan 

130  daz  er  alles  des  geweidet 
daz  sin  leben  von  mir  heldet 
Durch  daz  heb  an  vnd  scrip  (Apoc. 
ynd  gruzze  man  ynd  wip       i,  19) 
vnd  sage  in  was  in  sal  geschehen 

135  vnd  was  du  tugen  has  gesehen 
daz  vrkunde  offenbare 
daz  die  cristenheit  zu  vare 
sol  stene  vnz  an  die  lesten  zit 
so  gestillet  der  argen  nit 

140  nn  merke  wenne  daz  gesche 


1*^      vnd  ich  pin  sprach  er  der  herste 
der  leste  vnd  auch  der  erste 
daz  bedutet  sus  ich  bringe 
begin  vnd  ende  der  dinge 

110  wan  alle  sache  beginnen 
vnd  enden  in  minen  sinnen 
ynd  ich  was  tot  vnd  leben  nv  (Äpoc, 
da  darf  man  vil  gosen  zu      ij  IS) 
wan  ich  sol  leben  ymmer 

115  der  got  gewint  mich  nimmer 
wan  an  mir  ist  nit  brodes 
die  sluzzel  des  todes 
han  ich  ynd  der  helle 
daz  sprac  sus  nieman  yelle 

120  von  vorhten  in  den  tot  sich 
daz  er  also  yrohte  mich 
oder  ir  yrochte  die  teufele 
daz  er  do  yon  verzwifelo 
daz  er  werd  verloren 
125  wan  ich  niman  bekoren 
laze  in  a  Ue  sinen  tagen 


2^      des  gieng  die  wäre  snnne 
menneschlichen  gesiebten 
tmder  des  gerehten 
daz  sie  der  werlte  nit  irschein 

145  durch  iren  ybelichen  mein 
stu  wart  ein  zwifelnisse 
Sit  nieman  nit  inwisse 
mit  keiner  irdischen  list 
waz  got  waz  ynd  waz  er  ist 

150  <mch  waz  daz  yolk  yerwildet 
sin  got  nac  im  gepildet 
von  rehte  sam  ein  wildez  tier 
daz  waz  des  leiden  tevfels  smier 
ez  was  sin  honlicher  spot 

155  des  spotes  erbarmte  got 

dsLZ  er  satzte  gotliche  gedulte 
durch  sine  gnade  vor  die  schulte 
er  liez  sin  liht  den  sinen 
«  von  verrens  vz  in  erschinen 

160  sine  .  die  werlt  gienc  irre 
vz  diser  verren  virre 
daz  got  der  werlde  zukumftic  waa 
der  toissage  sprac  ysaias 
der  herre  von  verrens  küftic  ist 

165  vil  tummen  irrende  red  er  dis 
M  den  sinen  lebenden  iaren 
meit  vns  mute  die  sint  waren 

werlde  kumfüic 
nu  si  wir  des  vemunftic 

170  vil  rechte  daz  got  sulde 
gebiete  als  er  wulde 
daz  wir  in  enpfingen 


KESTE  ALTDEUTSCHEB  HANDSCHRIFTEN  ZU  DARMSTADT.    206 

und  im  zukegen  giengen  daz  er  schinet  in  der  naht 

im  danketen  vnder  gnaden  vnd  ist  sines  schines  pfant 

175       iz  den  hohsten  graden  ein  plinder  hat  em  in  der  hant 

ich  wunne  künden  hiez  195  want  er  in  mac  sin  nit  entrinden 
— —  als  mohte  wir  nit  sehenden  plifuf en 


2^      den  dort  in  sinen  tagen  got  nit  erkennen  pi  der  vrist 

gesan  nie  kein  vgen  wan  wis  vns  q*m  ^is  wäre  gnht 

daz  den  got  vnser  angen  san  daz  got  vns  simdigen  armen 

180  vnd  noch  in  handelungen  han  200  sich  wolde  lazzen  erbarmen 
der  vns  von  nihte  geschuf  vnd  er  sich  vns  wolde  vgen 

ditz  was  der  wissagen  ruf  do  begunde  er  iz  an  den  vgen 

mit  samte  den  patriarchen  '  die  got  zum  ersten  vns  entslos; 

daz  sie  die  knmfte  des  starcken  daz  sich  die  werlt  sehe  sinnen  ^loz 

185  gottes  vns  hant  gekündet  205  vnd  rihte  sich  nah  der  angesih^ 
vnd  in  zu  vns  vrundet  wan  sie  gotes  erkante  nit 

von  siner  verhenchnisse  Die  vgen  der  wir  nit  heten 

den  nieman  wesen  wisse  die  langen  an  den  propheten 

wan  sin  schin  schein  also  tunkel  vnd  an  den  patriarchen  sam 

190  als  de  plindS  der  karuunkel  210  von  in  daz  liht  zum  ersten  quam 
der  stein  ist  also  geslaht  daz  in  von  gotes  gnaden  schein 

Die  vorstehenden'  Brackstücke  gehören  zu  H.  Heslers  poetischer 
Auslegung  der  Offenbarung  Johannis^  von  welcher  K.  Köpke  in  Hagen» 
Germania  X;  81—102  einen  Auszug  gegeben^  andere  Reste  durch  Karl 
Both  in  seinen  Dichtungen  d.  deutschen  Mittelalters  bereits  1845^  durch 
B.  Greiff  (in  dieser  Zeitschrift  XI,  70—74)  und  Pfeiffer  (Altd.  Übungs- 
buch S.  21 — 26)  veröffentlicht  sind.  Die  Handschrift,  aus  welcher  die  von 
Both  abgedruckten  Saarbrücker  Bruchstücke  stammen,  war  wie  die 
unsrige  zweispaltig  auf  Pergament  in  Folio,  und  eine  Vergleichung 
der  Orthographie  beweist  zuverlässig,  daß  wir  in  den  Darmstädter 
und  Saarbrücker  Bruchstücken  Beste  einer  und  derselben  Handschrift, 
nur  nicht,  wie  Both  meinte,  des  13.,  sondern  des  14.  Jahrhunderts, 
zu  erkennen  haben.  Es  findet  ^sich,  um  nur  die  auffallendsten  Über- 
einstimmimgen  hervorzuheben,  hier  wie  dort  ftLr  ou  regelmäßig  u,  was 
man  freiUch  bei  Both  nur  aus  den  Anmerkungen  ersieht,  da  er  es  im 
Texte  corrigiert  hat:  tilgen  lugen  ugen  D  (=  Darmstädter  Bruchstücke) 
47  f.  52.  83  f.  135.  177  f.  201  f.  207.  lugen  ugm  uch  hubt  druwm  S 
(=  Saarbrücker  Bruchstücke)  28.  83.  115.  136.  179;  j^  für  i  im  Anlaut: 
yenes  ymmer  ysaicullD  23.  114.  163.  ylJten  ytd  ymmer  S  85.  92.  147.  166. 
282;  to  ftLr  &  und  h  für  w  im  Anlaut:  wezeichent  wetruhen  wegonde  we- 
vom  uns  D  28.  36.  75.  84.  198.  vxdach  flir  Bedach  n.  pr.  westan  S  94. 128. 
Jmrden  für  wwrden  D  89.  webart  ftlr  hewart  S.  208;  c  ftlr  ch  im  Auslaut 
nach  Vocalen:  spracnac  D  85.  102.  119.  151.  sprac  nac  noc  S.  31.  223. 
260.  296;   desgleichen  in  der  Verbindung  scr  :  scrihen  D  132.    S  171. 


206         M.  RIEGER,  RESTE  ALTDEUTSCHER  HANDSCHRIFTEN  etc. 

174.  216;  dagegen  ch  fiir  c  im  Auslaut  nach  Liquida:  verhenchnisse 
sorchlich  D  187.  51.  wrsprinch  dinch  S  323  f.  Die  Mundart  ist  nach 
Roth  fuldisch  oder,  wie  er  sich  ausdrückt,  buchisch;  das  herrschende 
baierische  p  flir  &  im  Anlaut  und  ew  fiir  t2  =  m  (teufel  D.  122.  153. 
S  234.  251),  ew  für  iko  {ewer  rewe  trewe  häufig  in  S)  deutet  mehr  auf 
osterfränkische  als  hessische  Heimat  des  Schreibers.  Der  Dichter  sprach 
jedoch  nicht  teufel,  sondern  tifel  =  tiefet ,   denn  er  reimt  es  auf  ztmfel. 

Das  erste  der  beiden  Blätter,  auf  denen  die  obigen  Verse  stehen, 
ist  der  Länge  nach  in  der  Art  durchgeschnitten,  daß  auf  der  zweiten 
Spalte  der  ersten  Seite  die  Anfänge  und*auf  der  ersten  Spalte  der 
zweiten  Seite  theilweise  die  Schlüsse  der  Zeilen  abgetrennt  sind  und  sich 
je  auf  dem  andern  Stück  des  zerschnittenen  Blattes  vorfinden.  Leider 
fehlt  aber,  wenn  man  beide  Stücke  zusammenfügt,  dazwischen  ein 
schmaler  Streifen,  um  welchen  das  eine  beschnitten  worden  ist ;  daher 
die  Lücke  von  Z.  36 — 53,  die  ich,  wie  auch  die  fehlenden  Anfänge 
und  Schlüsse  des  zweiten  Blattes,  durch  cursiv  gedruckte  Ergänzungen 
größtentheils  ausgefiillt  habe. 

Außer  diesen  Bruchstücken  sind  folgende  nichts  Neues  enthal- 
tende im  vorigen  Jahre  auf  hiesiger  Hof  bibliothek  aufgefunden  worden : 

1.  Reste  einer  sehr  guten  Folio-Handschrift  des  Passionais,  Perg., 
enthalten  S.  138, 49—66.  69—78.  S.  141,52—68.  72—81.  S.  204, 43—71. 
S.  207,  51—79.  des  Druckes  von  Hahn. 

2.  Ein  Doppelblatt  zu  3  Spalten  und  50  Zeilen  aus  der  Welt- 
chronik Rudolfs  von  Ems,  Perg,,  reicht  in  dem  Drucke  von  Schütze 
(Die  histor.  Bücher  des  a.  Testam.  usw.  Hamburg  1779 — 81)  im  er- 
sten Theil  von  S.  188 — 205.  Die  Handschrifl;  zeigt  mitteldeutsches 
Sprachgepräge,  ist  aber,  einige  Auslassimgen  imgeachtet,  sehr  gut  und 
wird  noch  dem  13.  Jhd.  angehören. 

3.  Ein  zweispaltiges  Doppelblatt  aus  Enenkels  Weltchronik,  Perg., 
entspricht  dem  von  Maßmann  in  seinem  Eraclius  mitgetheilten  Stücke 
dieses  Werkes  von  V.  12 — 168  und  von  447  bis  ans  Ende,  nachher 
wird  noch  die  Geschichte  vom  klingenden  Bilde  zu  Rom  angefangen. 
Auch  diese  Handschrift  ist  in  den  Sprachformen  mitteldeutsch  gefärbt, 
aber  weder  alt  noch  gut. 

4.  Ein  Papierdoppelblatt,  das  den  Anfang  des  Namenbuches  von 
*Konrad  Danckortzheim*,  wie  er  hier  heißt,  enthält  und  in  dem  Druck 
von  Strobel  (Beiträge  zur  d.  Lit.  Straßb.  1827)  bis  S.  112  reicht 

DARMSTADT,  Juni  1869.  M.  RIEGEB. 


207 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.  *) 

VON 

HERMANN  KURZ. 


Ich  weii^  wolf  ir  tat  vil  gewesen, 
die  von  Goifride  hänt  gelesen, 
und  ist  ir  doch  niht  vil  gewesen^ 
die  Schöpfltnen  rehte  haben  gelesen. 

So  könnte  man  mit  einer  kleinen  Veränderung  der  Worte,  die 
Meister  Gottfried  von  seinen  Vorgängern  braucht,  dem  ganzen  Kreise 
seiner  Herausgeber,  Bearbeiter  und  sonstigen  Besprecher  zurufen,  wel- 
chem Schreiber  dieses  in  etwas  anzugehören  sich  so  geehrt  als  mit- 
schuldig fiihlt.  Denn  keiner  von  Allen  hat  bis  jetzt  den  Wegweiser 
entdeckt,  der  schon  seit  stark  hundert  Jahren  in  SchÖpflins  Alsatia 
illustrata  aufgerichtet  steht  imd,  ob  auch  weit  vom  eigentlichen  Ziel 
entfernt,  doch  redlich  nach  der  rechten  Straße  deutet.  Dort  im  zweiten 
Bande  brauchte  man  nur  den  Index  rerum  zu  befragen,  dann  fand  man 
s.  V.  „Strasburg"  eine  „Familia  nobilis"  und  wurde  auf  S.  634  ver- 
wiesen, wo  man  weiter  erfahr,  daß  ein  Mitglied  dieses  Geschlechts  in 
den  Jahren  1219  und  1220,  also  zu  Gottfrieds  Zeit  oder  doch  dieser 
Zeit  höchst  nahestehend,  sich  abwechslungsweise  Waltherus  de  Argen- 
tina und  Waltherus  de  Strasburg  geschrieben  habe«  Grund  genug, 
diesem  Namen  nachzugehen  und  zu  erkunden,  wie  Gottfried  „von 
Straßburg"  zu  dem  Namen  steht. 

Allein  Schöpflin  hat  sich  selbst  den  Weg  verrannt :  ohne  viel  nach 
Gottfried  umzusehen,  fiihrt  er  ihn  bloß  einmal  (Als.  ill.  I,  816)  neben- 
her imter  den  elsässischen  Dichtem  der  sogenannten  Manessischen 
Liederhandschrift  auf,  imd  zwar  imter  den  „bürgerlichen".  Dies  ist 
ohne  Zweifel  die  Ursache,  wa^^um  er  weder  bei  Gottfried  an  das  Ge- 
schlecht de  Argentina,  noch  bei  diesem  Geschlechte  an  Gottfried  denkt. 
Nun  hat  es  aber  bekanntlich  mit  bürgerlichen  Personen  zu  Anfang  des 
dreizehnten  Jahrhunderts,  so  historisch  richtig  an  sich  der  Ausdruck  ist, 
eine  eigene  Bewandtniss,  eine  ganz  andere  als  mit  den  Bürgern  des 
vierzehnten  und  flinfzehnten  Jahrhunderts ,    seit  dem  Aufkommen  der 


*)  Ich  habe  den  Wiederabdruck  dieser  vom  Verfasser  durchgesehenen  und  ver- 
mehrten Abhandlung  veranlasst,  weil  die  'Wochenausgabe  der  Allgemeinen  Zeitung', 
in  welcher  sie  erschien,  wohl  den  wenigsten  Fachgenossen  zu  Gesichte  kommt.    K.  B. 


208  HEEMANN  KURZ 

Zünfte.  Es  kann  wohl  nur  der  Titel  Meister  gewesen  sein,  der  den 
gewiegten  Historiker  verführte ;  denn  er  lässt  an  jener  Stelle  auf  die 
adelichen  und  „bürgerlichen"  Minnesänger  des  Elsasses  gleich  die  spä- 
teren Meistersänger  folgen,  die  ihm,  als  Gevatter  Schneider,  Hand- 
und  andere  Schuhmacher,  ziemlich  geringschätzenswerthe  „Poetaster" 
%ind.  Mag  ihm  nun  auch  Gottfried  als  Dichter  mehr  gewesen  sein,  von 
Seiten  des  Standes  scheint  ihm  dieser  „Meister"  einen  Übergang  zu 
den  bürgerlichen  Meistern  des  späteren  Mittelalters  gebildet  zu  haben. 
Aber  zu  Gottfrieds  Zeit  hatte  der  Titel  Meister  keinen  so  beschränkten 
Sinn.  Man  ersieht  dies  zunächst  bei  ihm  selbst  gleich  aus  der  Stelle, 
wo  Isolde  Herrn  Tristan,  als  Schiffsmeister  und  Seneschall,  mit  „Meister" 
anredet  (291,  16.  293,  20.  294,  7);  ein  genügender  Wink,  daß  es  da- 
mals Meisterschaften  gab,  die  sich  mit  adelicher  Geburt  vertragen. 
Schöpflin  dagegen  hätte  von  seinem  Standpunct  die  Namensbruder- 
schaft eines  im  modernen  Sinn  des  Worts  bürgerlich  vermeinten  Poeten 
mit  einem  gleichzeitigen  edeln  Geschlechte  nur  um  so  erstaunlicher 
finden  und  deshalb  in  Untersuchung  ziehen  sollen ;  allein  sie  fkllt  ihm 
gar  nicht  auf. 

So  steht  denn  der  berühmte  Verfasser  der  Alsatia  illustrata  selbst 
an  der  Spitze  derer,  die  der  Vorwurf  trifft,  den  Schöpflin  nicht  recht 
gelesen  zu  haben.  Im  gleichen  Falle  ist  sein  Schüler  Oberlin,  der  in 
der  Dissertation  „De  poetis  Alsatiae  eroticis  medii  aevi,  vulgo  von  den 
elsaessischen  Minnesingern"  den  großen  Landsmann  nach  Würden  preist, 
mit  dem  Bekenntniss  jedoch,  von  seinem  Geschlecht  und  seinen  Um- 
ständen nichts  zu  wissen,  nur  daß  er  ein  Bürgerlicher  gewesen  zu  sein 
scheine.  Mit  diesen  Vorgängen  in  des  Dichters  Heimath  selbst  und 
ihrer  Diplomatik  wie  Litterarhistorie  mögen  die  Späteren  wegen  des 
jetzt  zu  Tage  kommenden  Ubersehens  entschuldigt  sein. 

Gleichwohl  werden  wir  dem  Wegweiser,  den  uns  Schöpflin  hinter- 
liess,  dankbar  zu  folgen  haben.  Er  weist  uns  zu  den  Urkunden:  denn 
wo  anders  als  aus  diesen  käme  seine  Nachricht  von  Waltherus  de  Ar- 
gentina her?  Deren  nun  gibt  es  fär  gegenwärtigen  Bedarf  in  seiner 
Alsatia  diplomatica  fast  genug,  zumal  wenn  wir  zur  Ergänzimg  Würdt- 
weins  Nova  subsidia  diplomatica  herbeiziehen.  Nur  bleibt  bei  jenen 
meist  kaiserlichen  imd  bischöflichen  Urkunden,  in  welchen  oft  viele 
reichsständische ,  bischöfliche ,  städtische  und  landschaftliche  Zeugen 
neben  einander  auftreten,  immer  noch  ein  Zweifel  übrig,  ob  nicht  der 
Beisatz  de  Argentina  bloß  Angehörige  der  Stadt  bedeuten  könnte, 
gerade  wie  auch  Gottfried  so  lange  Zeit  bloß  filr  einen  Meister  aus 
Straßburg  gehalten  worden  ist. 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURÖ.  g09 

Wir  sehen  uns  daher  vorläufig  noch  nach  einem  weiteren  Zeugniss 
uni;  das  diesen  Zweifel  zu  beseitigen  geeignet  sein  möchte.  Zu  diesem 
Behufe  müssen  wir  die  alten  Straßburger  Rathsverzeichnisse  aufschlagen, 
welche  Schilter  in  seiner  Vorrede  zu  Königshofens  Chronik  gibt  Und 
siehe  da,  gleich  in  dem  ersten  derselben,  das  vom  Jahr  1220  ißt,  er- 
scheint unter  den  flinf  ersten  Rathsherren  Waltherus  de  Strasburg. 
Es  wird  einleuchten,  daß  das  Vorkommen  dieses  Namens  im  Schöße 
einer  Versammlung,  die  aus  lauter  Straßburgern  im  strengsten  Sinn 
des  Worts  bestand,  jede  andere  Erklärung  ausschließt :  der  Name  kann 
nur  ein  Familienname  sein. 

Jetzt  dtlrfen  wir  uns  ohne  Besorgniss  an  die  Urkunden  halten. 
In  diesen  nun  kommt  seit  den  achtziger  Jahren  des  vorangegangenen 
Jahrhunderts  bis  1215  wiederholt,  theils  mit  eineih  Bruder  Waltherus 
zusammen,  theils  allein,  ein  Rudolfus  unter  dem  Titel  Scultetus  oder 
Causidicus,  d.  i.  Schultheiß,  vor.  Im  Jahr  1219  sodann  taucht  der  auch 
bei  Schöpflin  verzeichnete  Waltherus  de  Argentina  auf,  der  weiterhin 
in  einer  Urkunde  von  1220  und  in  der  gleichzeitigen  Rathsliste  bei 
Schilter  Waltherus  de  Strasburg  heißt,  dazwischen  aber,  in  einer  Ur- 
kunde vom  Anfang  des  Jahrs  1220,  Waltherus  filius  sculteti  quondam 
genannt  wird.  (Als.  dipl.  I,  304.  338.  342.  344.  Würdtwein  X,  149. 
.151.  196.  201.  207.  226.  287.  Schilter  Vorrede  zu  KönigshofeA  §.  X.) 

Der  Name  gehört  somit  einer  schon  vor  dem  13.  Jahrhundert  in 
Straßburg  angesessenen  Familie  an.  Daß  es  in  Basel  damals  eine  Familie 
dieses  Namens  gegeben,  hat  man  längst  gewusst,  wie  denn  W.  Wacker- 
nagel (in  dieser  Zeitschrift  III,  260)  dieselbe  fiir  unsem  Dichter  ins 
Auge  fasst,  mit  rühmlicher  Entsagung  jedoch  zugibt,  daß  seine  Sprache 
nicht  gestatte,  in  Gottfried  einen  Basler  zu  erkennen.  Um  so  merk- 
würdiger, daß  noch  Niemand  darauf  gekommen  ist,  eine  Verzweigung 
dieser  Familie  nach  Straßburg  zu  vermuthen;  denn  die  wahrschein- 
lichste Annahme  ist  doch  wohl  die,  daß  ursprünglich  ein  Straßburger 
Geschlecht  in  Basel  einwanderte,  wo  es  den  Namen  de  Argentina  er* 
hielt,  imd  daß  ein  Zweig  dieses  Geschlechtes  später  mit  dem  festste- 
henden Familiennamen  von  Basel  nach  Straßburg  zurückkam,  dort 
also,  nach  neuerem  genealogischem  Brauch  zu  reden,  eine  Linie  Straß- 
burg-Straßburg bildete. 

Hiermit  haben  wir  ohne  Zweifel  Gottfrieds  Familie  aufgefunden, 
ihn  selbst  noch  nicht.  In  der  That,  von  den  großen  Dichtem  der  Vor- 
zeit hat  bis  jetzt  kaum  äner  seine  Person  der  liebevollen  Theilnahme 
nachlebender  Geschlechter  so  gründlich  zu  entziehen  gewusst,  wie  der 
Sänger  von  Tristan  und  Isolde.  Bezeugt  ist  nur  sein  Name,  und  neben 

GKUMANIA.  Neue  Reihe  ITI.  (XV.)  Jahrg.  14 


210  HERMANN  KURZ 

iBeinem  Dichterwerthe,  der  keines  Zeugnisses  bedurfte,  sein  der  Vollen- 
dung des  unsterblichen  Gedichtes  zuvorgekommener  Tod.  Die  Entste- 
hungszeit  des  Gedichtes,  zwischen  1200  und  1215,  lässt  sich  bloß  aus 
den  chronologischen  Verhältnissen  der  Gedichte  Wolframs  von  Eschen- 
bach entnehmen,  ist  aber,  da  dieselben  hierftlr  ausreichende  Anhalts- 
punkte bieten,  in  dieser  Allgemeinheit  über  jeden  Zweifel  festgestellt. 
Daß  der  eine  der  beiden  Fortsetzer  des  Tristan,  Ulrich  von  Ttlrheim, 
um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  den  Verlust  Meister  Gottfrieds  als  ein 
frisches  Ereigniss  zu  beklagen  scheint,  darf  nicht  täuschen:  der  andere, 
Heinrich  von  Friberg,  der  erst  um  1300  schrieb,  klagt  noch  viel  lauter, 
fast  als  ob  er  an  dem  "oflfenen  Grabe  stünde,  um  den  unersetzlichen 
Meister,  den  der  Tod  hingenommen  habe  von  dieser  schnöden  Welt. 

Dieses  nebelhafte  Lebensbild,  kaum  nur  der  Schatten  eines  Schat- 
tens,   ist  indessen   doch  jetzt  der  greifbaren  Wirklichkeit  um  so  viel 
tiäher  gerückt,  daß  wir  endliich  wenigstens  im  Stande  sind,  mit  einem  be- 
friedigenden Grade  von  Gewissheit  zu  sagen,  welche  Stellung  Meister 
Gottfried  im  Leben  eingenommen  hat.     Dem  Verfasser  einer  Schrift, 
die  mit  ihrem  übrigen  Inhalt  keinen  großen  Glauben  findet:   Walther 
von  der  Vogelweido  identisch  mit  Schenk  Walther  von  Schipfe  (S.  5), 
«Elard  Hugo  Meyer,  gebührt  das  Verdienst,  die  erste  Spur  aufgezeigt 
zu  habön,  die  auf  dem  hier  eingeschlagenen  Wege  nunmehr  mit  Sicher- 
heit verfolgt  werden  kann.   Sie  findet  sich  bei  Muratori  in  den  Esten- 
sischen  Antiquitäten  I,  383  (auch  in  Lünigs  Codex  Italise  dipl.  1, 1555). 
Am  18.  Juni  1207  stellte  König  Philipp  vor  Straßburg,  mit  wel- 
cher Stadt  er  seit  sieben  Jahren  im  besten  Einvernehmen  stand,  zwei 
Urkunden  zu  Gunsten  des  Markgrafen  Azzo  von  Este  aus.  Unter  den 
vielen  geistlichen  und  weltlichen  Zeugen  der  einen  dieser  Urkunden 
werden,  neben  Graf  Eudolf  von  Habsburg,  dem  Großvater  des  gleich- 
namigen Königs,  und  einem  Grafen  'Heinrich'  von  Wirtenberg  (offenbar 
verschrieben  oder  vielmehr  falsch  gelesen  fUr  Hartman;  vgl.  Stalin  H, 
J^J;^;;^^;^  .  481.  490),   zuletzt  aufgeflihrt  ^Rodulp'hus  de  Argentina,   Godefredus 
TviAwuiA>^  I  Rodelarius  de  Argentina,    et  alii  plures".    Zwei  Tage  zuvor  war  der 
X  ttÄ^  ^König  in  der  Stadt  gewesen,  um  einem  Feste  beizuwohnen,  bei  welchem 
^  a/r«2i»^'»*^^der  Bischof  nach  langen  Wirren  seine  bischöflichen  Bechte   ausüben 
^*>in^*«^ionnte.  Es  ist  somit  doppelt  begreiflich,  daß  unter  denen,  die  sich  jetzt 
***^ ^^äu!uV  ft°^  Hoflager  einfanden,  nicht  bloß  der  Bischof,  sondern  auch  hervor- 
i\^^'^'^^.'  ragende  Vertreter  der  Stadtgemeinde  waren,  daher  es  sehr  nahe  liegt, 
^vwi*^*^    die  letzteren  in  den  mit  „de  Argentina*  bezeichneten  Männern  zu  su- 
^«1»>^**^  chen.    Und  das  sind  sie  auch  gewesen,   nur  daß  sie  nicht  durch  den 
Namen  als  solche  bezeichnet  sind.     Jedoch  den  einen  kennen  wir  ja 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  TON  STRASSBURG.  211 

bereits :  es  ist  der  Schultheiß  Eudolf,  der  Vater  WaJthers  von  Straß- 
burg. In  dem  andern  begrüßen  wir  eine  neue  Bekanntschaft;  die  unsere 
Aufmerksamkeit  zunächst  von  Seiten  des  Amtes  in  Anspruch  nimmt. 
Eotulariusy  denn  so  heißt  eigentlich  das  Wort,  bedeutet,  wie  Notarius, 
einen  Schreiber,  geistlich  oder  weltlich.  Doch  über  diesen  Punkt  kann 
keine  Frage  entstehen:  denn  ist  der  vorletzte  Zeuge  der  Schultheiß, 
so  kann  der  Rotularius  hur  noch  der  Stadtschreiber  sein.  Einen  'meister 
Gotfrid'  hatten  die  Straßburger  auch  im  Jahr  1299  wieder  zum  *stette- 
schriber  (Monumenta  XVII,  92).  Der  Titel  Meister  passt  also  zu  dem 
Amte.  Das  bezeugt  auch  der  Kölner  Stadtschreiber  um  1270,  Gottfried 
Hagen,  der  sich,  nicht  in  seiner  Eigenschaft  als  Reimchronist,  sondern 
in  seiner  amtlichen  Stellung,  mit  vollem  Selbstgeftlhle  Meister  Gottfried 
nennt  Aber  auch  mit  adelicher  Abkunft  verträgt  sich  der  Titel  wie  das 
Amt,  laut  eben  genannter  Urkunde :  denn  neben  Rudolfus  aus  dem 
Geschlecht  de  Argentina  ist  Godefredus  selbstverständlich  nicht  als 
Rotularius  de  Argentina,  was  auch  eher  R.  Argentinensis  oder  R.  civi- 
tatis Argentinensis  heißen  müsste,  sondern  er  ist  als  Godefredus  de 
Argentina,  Rotularius,  bezeichnet. 

Dieser  Edelmann  von  der  Feder  nun  ftlllt  genau  in  die  Zeit,  die 
dem  unter  dem  Namen  Meister  Gottfried  von  Straßburg  bekannten 
Dichter  angewiesen  werden  muß  und  ohne  Widerspruch  angewiesen 
wird.  Die  beiden  Benennungen  decken  einander,  auch  wenn  man  nicht 
wüsste,  daß  ein  Familienname  in  ihnen  enthalten  ist.  Denn  man  braucht 
sich  nur  zu  erinnern,  daß  Meister  Gottfried  ein  Gelehrter  war.  So 
gibt  er  ßich  selbst  in  seinem  Gedichte,  und  so  ist  er  auch  auf  dem  im 
Übrigen  immer  noch  sehr  erklärungsbedürfügen  Bilde  der  Manessischen 
Handschrift  dargestellt:  ein  völliger  homo  litter atus  mit  Schreibtafel 
und  Griffel.  Da  er  nun  weder  Ritter  noch  Geistlicher  war  —  daß 
„Schildesamt"  nicht  seine  „Art"  sei,  gibt  er  in  der  Schwertleite  deut- 
lich zu  verstehen,  und  eben  so  deutlich  stellt  er  sich  an  andern  Stellen 
den  ^Pfaffen"  gegenüber  — ,  da  er  andererseits  den  fahrenden  Sängern 
durch  seine  ganze  Haltung  noch  viel  ferner  steht,  so  bleibt  gar  nichts 
Anderes  ftlr  ihn  übrig  als  eben  die  Stellung,  die  wir  seinen  Doppel- 
gänger von  1207  einnehmen  sehen.  Godefredus  Rotularius  de  Argentina 
und  Meister  Gottfried  von  Straßburg  sind  eine  und  dieselbe  Person. 
Durch  diese  Identität  wird  auch  die  bereits  festgestellte  !ß^deutung  dieses 
Rotularius  noch  nebenher  bekräftigt:  denn  die  Weltgesinnung,  welche 
Gottfried  gleich  zu  Eingang  seines  Gedichts  und  weiterhin  bekundet, 
besonders   aber  die  Freigeisterei,    die  er  sich  in  der  Schilderung  der 

14* 


212  HERMANN  KURZ  ' 

Feuerprobe  gestattet,  würde  einem  blschö fliehen^  einem  allerminde* 
stens  halbgeistlichen  Notar  nieht  so  leicht  hingegangen  sein. 

Da  hätten  wir  es  also  mit  dem  geliebten  Sänger  herrlich  weit 
gebracht  —  bis  zum  Stadtschreiber!  Freilich:  „Das  ist  ihm  zu  gönnen!** 
sagte  schmunzelnd  eine  altwirtenbergische  Biederseele,  der  Fleischtöpfe 
unseres  weiland  Stadt-  und  Amtsschreibereiwesens  eingedenk.    Allein 
mit  diesen  schmackhaften  Erinnerungen  wird  nicht  Jedermann  gedient 
sein.  Indessen  nur  gemach :  ein  Straßburger  Stadtschreiber  des  13.  Jahr- 
hunderts stand  auf  einem  Posten,    dem  sich  bei  der  heutigen  Arbeits- 
theilung  kaum  noch  eines  der  höchsten  Staatsämter  vergleichen  kann. 
Als  rechtsgelehrtes  und  geschäftskundiges  Mitglied  des  Raths  hatte  er 
die  Hand  in  allen  inneren  und  äußeren  Angelegenheiten  seiner  mäch- 
tigen Vaterstadt*),  die  zwischen  Bischofs-  und  Reichsstadt  eine  eigen- 
thttmliche  Mittelstellung  einnahm.  Dem  Bischöfe  stand  zwar  von  Alters 
her  die  Gerichtsbarkeit  zu :    er  ernannte  den  Burggrafen,  den  Schult- 
heiß, den  Münzmeister  und  den  Zoller  aus  seinen  Ministerialen ;   aber 
diese  Lehnsmannen  waren  eben  hiemit  zugleich  Vorsteher  einer  freien 
Bürgerschaft,  und  so  sehen  wir  schon  zu  Anfang  des  Jahrhunderts  sein 
Emennungsrecht  auf  dem  Wege ,  zur  bloßen  Bestätigung  selbständiger 
Wahlen  herabzusinken.  Sodann  war  die  Bedeutimg  der  Stadtgemeinde 
vom  Bischof  selbst  schon  im  Jahr  1201  so  sehr  anerkannt,  daß  er  bei 
einem  Vergleich  zwischen  dem  Bisthum  imd  dem  Grafen  von  Habsburg 
neben  der  Stiftsgeistlichkeit  imd  den  Ministerialen  auch  die  Bürger  als 
Rathgeber  zuzog  und  die  betreffende  ürkuüde  von  einer  großen  An- 


*)  Von  den  Verrichtungen,   die  einem  Mann  in  diesem  Amte  zufallen  konnten, 
mag  man  sich  nach  einigen  aus  dem  Leben  des  vorgenannten  Stadtschreibers  von  E6hi 
bekannten  Hergängen  ein  Bild  entwerfen.    Als  am  27.  September  1270  ein  päpstlicher 
Bannstrahl  gegen  die  Stadt  und  ihre  Verbündeten  in  der  Kölner  Domkirche  vor  Geist- 
lichkeit und  Volk  verkündet  werden  sollte,    unterbrach  der  Stadtschreiber  den  hiemit 
beauftragten   Subdecan   durch   Verlesung    einer   Appellationsschrift ,    welche   begann : 
„ . . .  ego  magister  Godefridus ,    clericus  Cploniensis ,   procurator  judicum ,    scabinorum, 
consilii  et  aliorum  civium  Coloniensium ,   habens  ab  eisdem  singulis  et  nniversis  pote- 
statem  et  speciale  mandatum**    etc.    Der  Subdecan  wagte  die  Publication  dennoch, 
worauf  aber  der  Stadtschreiber  die  Berufung  an  den  Papst  laut  wiederholte.    (Lacom- 
blet  Urkundenbuch  f.  d.  Gesch.  d.  Niederrheins  II,  ß51.  854.)   Und  als  im  folgenden 
Jahre  die  Versöhnung  zwischen  der  Stadt  und  dem  Erzbischof  zu  Stande  kam,  war  es 
wiederum  Meister  Gottfried  Hagen,    der,    wie  er  am  Schlüsse  seiner  Reimchronik  be- 
richtet, den  von  ihm  verfassten  Sühnebrief  öffentlich  verlas.  Auch  der  Fingerzeig,  den 
die  Übersetzung  seines  Meistertitels  ins  Lateinische  gibt,  ist  zu  beachten.  Den  gleichen 
Titel  fährt  der  päpstliche  Capellan  imd  Nuntius,   von  welchem  jener  Bannspruch  aus- 
gieng ;  er  ist  magister  Bemardus  de  Castaneto  genannt.  Man  sieht,  mit  den  „Meistern'' 
des  13.  Jahrhunderts  muss  säuberlich  verfahren  werden. 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRÄSSBUBG.  2I3 

zahl  derselben  mitbezeugen  Hess.  Diese  Bedeutung  wucLs^  als  König 
Philipp  1205  der  Stadt  eine  Urkunde  ertheilte,  durch  welche  er  sie  in 
seinen  „besondem  Schutz"  nahm.  Aber  eben  hiedurch  waren  die  Ver- 
hältnisse höchst  schwankend  geworden^  so  daß  man  sie  heutigen  Rechts- 
begriffen gemäß  mit  festen  und  klaren  Ausdrücken  nicht  bezeichnen 
kann.  Eine  unvollkommene  Oberherrlichkeit  des  Bischofs  und  eine  un- 
vollkommene Reichsunmittelbarkeit  der  Stadt:  welche  Kämpfe  musste 
dies  nach  sich  ziehen ! 

Die  Straßburgischen  de  Argentina  gehörten,  wie  ihre  Basler  Vet- 
tern,  zu  jenen  Ministerialen,  welche  die  ehrenvolle  und  schwierige  Auf- 
gabe hatten,  ihre  bischöfliche  Vasallenstellung  mit  der  Regierung  der 
Stadtgemeinde  zu  vereinigen.  Von  der  allmählichen  Änderung^  die  in 
dieser  Stellung  eintrat,  geben  die  früher  aufgeführten  bischöflichen  Ur- 
kunden in  gewissen  symbolischen  Äußerlichkeiten  ein  anschauliches  Bild. 
Die  älteren  ftlhren  theils  nach  den  Ministerialen  gar  keine  weiteren 
Zeugen  mehr  auf,  theils  stellen  sie  wenigstens  die  Ministerialen  von  den 
Bürgern  getrennt  und  ihnen  vorangehend  als  besondere  Zeugenclasse 
hin:  in  den  späteren  Urkunden  dagegen,  um  1220,  stehen  theils  still- 
schweigend, theils  ausgesprochenermaßen  Ministerialen  und  Bürger 
den  Zeugen  vom  Capitel  als  vereinigte  Zeugenschaft  geschlossen  gegen- 
über. Das  kann  nichts  Anderes  bedeuten,  als  daß  die  (aristocratisch-) 
republicanische  Umgestaltung  in  vollem  Gange  war. 

Mitten  in  diese  zugleich  politische  und  sociale  Bewegung,  die  ge- 
mäßigte, von  einer  mit  Recht  zu  rühmenden  Erbweisheit  getragene  Vor- 
läuferin späterer  Stürme  der  wildesten  Art,  &llt  Meister  Gottfrieds  Leben. 
Letztgenanntes  Jahr  indessen  hat  er  nicht  erreicht  Er  war  schon  1216 
nicht  mehr  unter  den  Lebenden.  Das  ersehen  wir  aus  einer  Urkunde 
über  den  Verkauf  eines  stiftischen  Zehntens  an  eines  der  herrschenden 
Geschlechter,  welche,  wie  die  Vergleichung  mit  andern  gleichzeitigen 
Urkunden  ergibt,  von  lauter  CoUegen  des  Käufers,  nämlich  von  Raths- 
herren,  vielleicht  nebenher  als  Bürgen  ftlr  die  Gegenleistung,  und  unter 
diesen  zuletzt  von  —  „Walthero  notario"  bezeugt  ist.  (WürdtweinX, 
290  f.)  Die  Umgebung,  worin  wir  den  letzten  Zeugen  finden,  beweist, 
daß  er  nicht  bischöflicher,  sondern  städtischer  Notarius,  also  der  Stadt- 
schreiber ist,  den  das  Capitel  als  besonders  geeignete  Urkundsperson 
beigezogen  wünschen  mochte.  Nun  hat  es  wenig  Wahrscheinlichkeit, 
daß  ein  so  schwer  zu  wechselnder  Posten,  wie  der  des  städtischen 
Kanzlers,  seinen  Inhaber  zu  andern  Magistratsämtem  enüassen  habe; 
auch  wäre  dann  unausbleibliche  Veranlassung  gegeben  gewesen^  daß, 
wir  ihn  noch  in  weiteren  Urkunden  als  in  der  von  1207  ftüaden^  was 


214  HERMANN  KURZ 

nicht  der  Fall  ist ;  und  so  dürfen  wir  also  für  gewiss  annehmen,  daß 
Meister  Gottfried  bei  Ausstellung  der  Urkunde  von  1216  nicht  mehr 
am  Leben  war. 

Dies  stimmt  auch  zu  den  Beziehungen  zwischen  dem  Tristan  und 
WiUehahni:  denn  um  die  Zeit,  da  Wolfram  den  letztem  dicti^rte,  um 
1215,  muss  der  erstere  nahezu  so  weit,  als  wir  ihn  besitzen,  fertig  ge- 
wesen sein,  da  die  Anklage,  die  Wölfram  zu  Anfang  seines  Gedichtes 
ankündigt,  zwar  im  Allgemeinen  der  ganzen  Richtung  des  Tristan,  im 
Besonderen  aber  offenbar  der  Stelle  vom  vü  tugenthaßen  Krist  ganz  vor- 
nehmlich gilt,  somit  ein  mindestens  bis  zu  dieser  Stelle  reichendes 
Bruchstück  voraussetzt.  Ob  der  Tristan,  wie  sich  wohl  eher  vom  Par- 
zival  vermuthen  lassen  möchte,  abschnittweise  an  das  Licht  getreten, 
steht  dahin.  Die  Erzählung  fließt  zum  größten  Theil  so  zusammen- 
hängend fort,  daß  sie  kaum  ohne  Schaden  in  nach  und  nach  erschei- 
nende Abschnitte  zerfällt  werden  konnte.  Auch  die  Ungleichheit,  mit 
welcher  die  eigenthümlich  gereimten  Vierzeilen  über  das  Gedicht  ver- 
theUt  suid,  spricht  dafUr,  daß  demselben,  bei  aller  innem  Vollendung, 
eine  letzte  Feile  bevorstand.  Vielleicht  also  hat  das  große  Bruchstück 
in  seiner  Gesammtheit  erst  dann  bekannt  werden  können,  als  die  Ar- 
beit durch  den  Tod  des  Dichters  unterbrochen  war.  Dies  sehließt  jedoch 
die  Möglichkeit  nicht  aus,  daß  Einzelheiten,  z.  B.  Einstreuungen  wie 
die  Schwertleite,  oder  auch  Stücke  der  Erzählung  wie  das  Gottes- 
gericht u.  a.,  vorher  abgesondert  in  die  Öffentlichkeit  kamen;  und  es 
bleibt  sonach  unentschieden,  ob  Wolfram  seinen  Angriff  gegen  einen 
Lebenden  oder  gegen  einen  Todten  gerichtet  hat. 

Wie  dem  jedoch  sein  möge,  wir  müssen  jedesfalls  aus  den  vor- 
liegenden Daten  mit  Bestinmiliieit  schließen,  daß  die  ftLr  alle  Zeiten 
schmerzliche  Unterbrechung  des  Tristan  zwischen  die  Jahre  1207  und 
1216  fkllt.  Auch  frlr  den  Beginn  der  Dichtung  ließe  sich  ein  annä- 
hernder Zeitpunkt  namhaft  machen,  der  Tod  des  in  der  Schwertleite 
verherrlichten  Reinmar,  der  Nachtigall  von  Hagenau:  aber  über  diesen 
Zeitpunct  ist  bis  jetzt  nichts  Sicheres  ermittelt.  Aus  der  Bemerkung 
endlich,  daß  er  Heinrich  von  Veldeken  nicht  mehr  gesehen  habe,  darf 
man  keineswegs  entnehmen,  daß  Gottfried  erst  nach  dessen  Tod  ge- 
boren, sondern  nur,  daß  er  beträchtlich  jünger  war.  Um  ihn  zu  sehen, 
musste  er  reisen  können,  und  dazu  bedurfte  er  eines  gewissen  Lebens- 
alters, das  mit  Heinrichs  Lebensfrist  nicht  mehr  zusammentraf.  Indessen 
wenn  dieser  auch  bis  an  den  Anfang  des  dreizehnten  Jahrhunderts 
heran  gelebt  haben  sollte,  so  streitet  das  nicht  gegen  die  Möglichkeit, 
daß  Gottfried  seine  Jahre  auf  eine  Grenze  brachte,    die  etwa  in  der 


ZUM  LEBEN  GOTTFEIEDS  VON  STRASSBUEG,  215 

Mitte  zwischen  einem  Dreißiger  und  Vierziger  liegen  mag,  und  die 
einerseits  dem  jugendwarmen  Tone  seines  Gedichts ,  andererseits  der 
Klage  Ulrichs  entsprechen  würde, 

da^  ime  der  tdt  sin  l^>ende  tage 

leider  S  der  zU  zehrach^ 

da^l^  er  di:^  huoch  mJd  voUeaprtieh, 

Daß  er  jung,  d«  fa*  ^icht  eben  als  Jüngling,  aber  iii  d^n  schönsten 
Jahren,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  geschieden  ist,  das  wird  durch  den 
Altersabstand  von  Veldeken  in  Verbindung  mit  dem  Hingang  vor  1216 
allerdings  über  jeden  Zweifel  hinaus  entschieden«  Kaum  weiß  man, 
was  man  bei  dieser  Jugend  mehr  bewundem  soll,  die  dichterische 
Vollendung  oder  die  Fähigkeit,  einem  Amte  vorzustehen,  das  so 
schwierig  wie  nur  irgend  eines  war.  Die  vorhin  bezeichneten  Verhält- 
nisse werden  dem  Gesammtminister  der  städtiBchen  Regenten,  dem 
Stadtschreiber,  wohl  am  meisten  zu  schaffen  gemacht  haben,  und  es 
kann  überhaupt  kein  Zweifel  ßein,  daß  das  Amt  einen  sehr  subtilen 
Kopf  erforderte.  Da  dürfte  denn  auch  die  mitunter  faßt  schlangenhafte 
Feinheit,  die  man  bei  unserm  Dichter  trifft,  mit  der  Ausübung  seines 
diplomatischen  Berufes  in  eiligem  Zusammenhange  stehen* 

Noch  eine  andere  persönliche  Eigenschaft,  die  sich  an  ihm  be- 
merklidbi  macht,  wird  jetzt  ihre  nähere  Erklärung  finden,  nämlich  die 
stolze  Haltung,  in  weldier  er  dem  ritterlichen  Adel  gegenüber  steht. 
Er  überlässt  es  den  ELnappen,  die  Schäfte  zu  zählen,  die  im  Turnier 
zerbrochen  wurden,  d.  h.  er  wendet  sich  gleichgültig  vom  Ritterspiel; 
imd  wo  er  über  sme  adelichen  Sanggenossen  Heerschau  hält,  da  macht 
er  gerade  mit  dem,  was  für  Wolfram  die  Hauptsache  ist,  mit  ihrem 
Ritterthum,  die  allerwenigsten  Umstände.  Den  eben  genannten  Gegner 
kennzeichnet  er,  ohne  ihn  zu  nennen,  und  im  Pr^se  Walthers  umgeht 
er  dessen  Titulatur  mit  einer  zierlichen  Wendung,  wie  sie  nur  ihm 
eigen  ist;  denen  aber,  die  er  mit  vollem  Namen  nennt,  versagt  er  beim 
reichsten  Dichterlobe  die  Standesbezeichnung,  womit  sie  selbst  gegen 
einander  so  freigebig  sind.  Wolfram  spricht  nicht  anders  alp  „Herr 
Walther"  oder  „.Herr  Vogelweid";  dagegen  „Hartman  der  Ouw«dre^S 
so  hebt  Gottfried  an,  indem  er  recht  geflissentlich  den  Auftact  unaus- 
geftillt  lässt,  und  „Von  Steinahe  BlikkSr'^  ist  ihm  gut  genug,  so  daß 
es  wie  eine  leise  Auflehnung  gegen  den  verehrten  Meister  klingt,  wenn 
Rudolf  von  Ems  nicht  umhin  kann,  ihm  „Von  Steinahe  her  Blikker'^ 
nachzubessern.  Zu  einem  so  unceremoniösen  Auftreten  hat  in  jenen 
Tagen  nicht  bloß  Character,  sondern  auch  eine  entsprechende  Stellung 
gehört.    Nim  begann  ja  eben  damals  die  Herrschaft  der  Geschlechter 


216  HERMANN  KURZ 

in  den  Städten  ihre  Blüthe  zu  entfalten,  und  es  versteht  sich  von  selbst, 
wenn  wir  auch  nichts  von  Gottfrieds  Herkunft  wtissten,  daß  der  Stadt- 
achreiber  zu  den  herrschenden  Familien  zählte.  Jener  städtische  Adel 
war  dem  Landadel  ebenbürtig  und  filhlte  sich  bald  wegen  seines  Reich- 
thums  hoch  über  ihm.  Wenn  aber  Wolfram,  der  arme  Ritter,  sich  auf 
seine  Soldatenschaft  etwas  einbildete,  so  konnte  Gottfried  den  gelehrten 
Meister  in  Amt  imd  Würden  dagegen  setzen.  Die  dichterische  Mei- 
sterschaft jedoch  war  er  gerne  mit  den  ritterlichen  Säugern  zu  theilen 
bereit,  soweit  er  sie  ihnen  zugestehen  konnte. 

Nicht  leicht  mag  sich  das  Bewusstsein  des  Dichterberufes  schöner 
aussprechen,  als  wenn  der  Inhaber  eines  so  arbeitseligen  Postens  sägt, 
er  würde  müßig  dahinzuleben  glauben,  wofern  er  nicht  dichtete. 
(Tristan  3,  1  ff.)  Und  ein  ganzer,  voller  Dichter  ist  er  gewesen,  wie 
viel  man  auch  über  die  Welt  streiten  möge,  der  er  gewerldet  wan 
Wohl  stand  jene  Welt  auf  nicht  ganz  gesundem  Boden  imd  deshalb 
welkte  ihre  frühe  Blüthe  schnell  dahin:  er  aber  hat  Alles,  was  man 
für  seine  Zeit  von  einem  Künstler  fordern  kann,  geleistet  oder  viel- 
mehr überboten.  „Auf  sich  selber  steht  er  da  ganz  allein'^,  imd  eitel 
ist  jeder  Versuch,  ihm  das  lorzuoi  zu  entreissen. 

Nun  wir  mit  Meister  Gottfried  etwas  näher  bekannt  geworden  sind, 
sollte  es  auch  nicht  mehr  so  gar  unmöglich  sein,  jenen  Dieterich 
zu  erkunden,  dem  er  sein  Gedicht  gewidmet  hat.  Einen  Gönner  oder 
Freund  des  Dichters  dürfen  wir  jetzt  nirgends  anders  mehr  suchen, 
als  in  den  Kreisen  seiner  vaterstädtischen  Aristocratie,  unter  den  Män- 
nern, die  im  Rath  zu  oberst  saßen;  und  seltsam  müsste  es  zugehen, 
wenn  sich  der  Name  nicht  in  den  Urkunden  fände.  Daß  Gottfrieds 
Name  in  denselben  (bis  jetzt  imd  vielleicht  flir  immer)  nur  einmal  vor- 
kommt, ist  nicht  verwunderlich:  bei  Verhandlimgen,  zu  welchen  damals 
städtische  Zeugen  zugezogen  wurden,  war  das  Zeugniss  des  Stadt- 
schreibers eigentlich  immer  als  selbstverständlich  mit  eingeschlossen, 
denn  er  war  es  ja,  der  für  diese  alle  zusammen  das  gemeinsame  Stadt- 
siegel,  das  ihn  stillschweigend  mitvertrat,  an  die  Urkunde  hängte.  Ja, 
Gottfrieds  Erscheinen  in  der  Urkunde  von  1207  dürfte  vielleicht  als 
eine  Auszeichnung  angesehen  werden,  die  der  staufische  König  im 
Geiste  meines  gesangliebenden  Hauses  dem  Dichter  erwies.  Aber  das 
Dasein  eines  Mannes  von  der  muthmaßlichen  Stellung  jenes  Dieterich 
muss  sich  nothwendig  öfter  in  den  Pergamenten  spiegeln. 

Wohlan  denn,  gleich  in  der  bereits  angeftthrten  bischöflichen  Ver- 
gleichsurkunde von  1201  finden  sich  unter  den  Zeugen  „Burchardus 
burggravius,  Deheodericus-  frater  ejus"  etc.  Schon  früher,  1196,  habeu 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBUßG.  217 

j,Burchardus  burgravius  et  frater  ejus  Deodericus"  eine  Urkunde  Hein- 
richs VI,  der  .damals  im  Lande  weilte,  mitbezeugt.  Im  Jahre  1209 
heißt  Burkard  befremdlicherweise  Schultheiß  und  die  Zeugschaf);  lautet: 
„Burchardus  scoltetus  et  frater  ejus  Theodoricus/'  Dies  darf  uns  aber 
jedesfalls  nicht  aufhalten,  denn  zwei  Jahre  nachher,  in  einer  Urkunde 
von  1211,  ist  Burchardus  wieder  Burgravius.  Im  Jahre  1216  sodann 
folgt  ihm  Diethericus  burgravius,  und  dieser  erscheint  in  Urkunden 
von  1216  und  1220  mit  einem  Oheim,  Dietherico  patruo  ejusdem,  zu- 
sammen. Ganz  übereinstimmend  hiermit  treten  auch  in  dem  ältesten 
Bathsverzeichniss,  das  Schilter  aus  dem  gleichen  Jahre  1220  beibringt, 
Dietericus  Burgkgraf  und  Dietrich  patruus  ejusdem  au£  Später  kommt 
Dieterich  Burggraf  noch,  allein  imd  offenbar  verwaist,  bis  1234  in  den 
Listen  der  Begimentsherren  vor,  und  weiterhin  entwickelt  sich  der  Amts- 
name zum  Familiennamen.  (Als.  dipl.  I,  304  344.  Würdtwein  X,  196. 
250.  263.  289.  290.  Schilter  Vorrede  zu  Königshofen  §.  X.  Königs- 
hofen  Cap.  IV.  §.  XXXVIH.  Bemhart  Hertzog  VI,  158,  Als.  ill. 
n,  330.) 

Da  nun  die  Burggrafenfamilie,  ganz  eben  so  wie  das  Geschlecht, 
welchem  Gottfried  angehörte,  die  Ministerialität  mit  einem  der  obersten 
Kathssitze  vereint  besaß,  so  würden  hiedurch  allein  schon  zwei  andere 
Dieteriche,  bloße  Ministerialen,  deren  einer  einmal,  der  andere  zwei- 
mal begegnet,  von  dem  Anspruch  auf  jenes  nähere  Verhältniss  zu  dem 
Dichter  ausgeschlossen  sein.  Aber  es  gibt  noch  einen  ganz  andern 
Grund,  bei  dieser  FamiUe  zu  verharren.  In  einer  schon  früher  ange- 
zogenen Urkunde  nämlich,  worin  der  Schultheiß  Rudolf  vorkommt, 
von  1208,  wird  Burggraf  Burkard  Burchardus  Burgravius  de  Arg  en- 
tin a  genannt,  und,  um  jedem  Zweifel  über  den  Namen  zu  steuern, 
folgt  ihm  ein  Eberhardus  filius  Waltheri  de  Argentina  auf  dem  Fuße 
nach.  (Würdtwein  X,  226.)  Die  Burggrafen  haben  somit  ursprünglich 
zu  dem  Geschlechte  der  Argentiner  gehört,  von  welchem  sie  sich  erst 
im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  durch  Annahme  ihres  Amtsnamens  ab- 
zweigten. Wie  ungleich  aber  imd  nachlässig  (weil  wohlbekannt)  die 
Zeugennamen  in  diesen  Urkunden  verzeichnet  worden  sind,  davon  gibt 
eben  die  gegenwärtige  ein  Beispiel^  die  den  Schultheiß  Rudolf,  als  ob 
er  die  Andern  de  Argentina  gar  nichts  angienge,  neben  ihnen  bloß  Ru- 
dolfus  scultetus  nennt.  Und  nicht  bloß  hier,  sondern  in  all  den  zahl- 
reichen sonstigen  Urkunden,  die  sich  aus  Schöpfiin  und  Würdtwein  bei- 
bringen lassen,  widerfährt  ihm  ausnahmslos  das  Gleiche,  so  daß  er 
überall  als  unbekannt  durchschlüpfen  würde,  wenn  er  nicht  in  jener 
Urkunde  von   1 220  4er  Vater  des  jüngeren  Walther ,    der  sich  von 


21 8  HERMANN  KÜEZ 

Straßburg  schreibt^  und  in  der  von  1207  geradezu  Rudolfus  de  Argen- 
tina genannt  wäre. 

Die  Erklärung  des  Namens  Burchardus  Burgravius  de  Argentina 
wird  durch  einen  weiteren  Zug  nicht  wenig  unterstützt  Anis  einer  Ur-r 
künde  von  1^15,  die  ebenfalls  schon  früher  benutzt  wurde^  ersehen  wir, 
daß  nicht  bloß  der  Burggraf,  sondern  auch  der  Zoller  zum  Gescfalechte 
derer  von  Straßburg  gehörte,  ja  daß  der  damalige  ein  Bruder  des 
Schultheißen  war.  (Würdtwein  X,  286.)  Hiemit  sind  von  den  vier 
höchsten  städtischen  Ämtern  mindestens  drei  als  im  Besitze  eines  und 
desselben  adelichen  G^eschlechts  befindlich  nachgewiesen,  und  es  öfinet 
sich  ein  Verwandtschaftshimmel,  von  dessen  Glanz  und  Macht  man 
beinahe  geblendet  wird.  Unter  solchen  Umständen  ist  es  kein  Wunder^ 
daß  das  S^aßburger  Oapitel  in  der  Urkunde  von  1216,  in  welcher 
sich  der  Stadtschreiber  Walther  findet,  bei  Verleihung  jenes  Zehntens 
an  die  Burggrafenfamilie  gegen  Lieferung  von  sechs  Fudern  guten 
rothen  Weines  jährlich,  von  diesen  Herren  als  von  domino  Theodo- 
rico  Burgravio  (et  fratribus  etc.)  ac  patruo  eorum  domino  Theodorico 
spricht  (Würdtwein  X^  29Ö);  eine  Betitelung,  die  ihres  Eindruckes 
auf  Herrn  Wolfram  von  Eschenbach  gewisslich  nicht  verfehlt  haben 
würde. 

Die  ganze  vornehme  Sippschaft  bleibt  uns  übrigens  gleichgültige 
nachdem  wir  den  ^inen  geliebten  Anverwandten  herausgeftmden,  wel- 
chen unser  Dichter  durch  die  acrostichische  Widmung  des  Tristan  ver- 
ewigt hat.  Er  muss  ein  Geistes-  und  Herzensverwandter  gewesen  sein, 
sonst  wäre  es  wohl  nicht  geschehen.  Von  Person  aber  ist  er  ofienbar 
kein  Anderer,  als  jener  Dieterich,  den  wir  aus  der  Zeit  von  1196  bis 
1220  als  Bruder  des  Burggrafen  Burkart  und  als  Oheim  des  Burg- 
grafen Dieterich  kennen*).  Da  er  schon  so  früh  als  Zeuge  auftritt, 
so  war  er  vermuthlich  ein  älterer  Freund  des  Dichters,  hat  jedoch 
diesen,  wie  die  Urkunden  von  1216  und  1220  zeigen,  noch  um  einige 
Jahre  überlebt.  Der  Dank,  den  ihm  Gottfried  zollt,  deutet  nicht  auf 
Verpflichtungen  gröberer  Art:  der  Dichter  scheint  nichts  bedurft  zu 
haben  als  Anerkennung.  Dieses  Bedürfrdss  spricht  er  zu  Eingang  de» 
Gedichtes  lebhaft  aus.  Ohne  Anerkennung  ist  alles,  was  in  der  Welt 
Gutes  geschieht,  so  viel  wie  nichts.  Ehre  imd  Lob  schaffen  Kunst, 
und  wo  diese  walten,  da  blühet  jede  Art  von  Kirnst.    Aber  die  Welt 


*)  Wollte  man  jedoch  den  Gegenstand  der  Widmung  nebenbei  anch  nnter  den 
gleiebzetUgen  Basler  Verwandten  suchen,  so  ist  zu  erwidern,  daß  es  unter  diesen 
keinen  beurkundeten  Dieterich  gibt  (TjouiJlat  Monument^  jetc.  I.) 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.  219 

ist  undankbar:  mit  ihren  schiefen  Urtheilen,  die  das  Gute  schlecht, 
das  Schlechte  gut  nennen,  droht  sie  alle  schöne  Bildung  zu  zerstören ; 
und  leider  helfen  die  Kunstgenossen  selbst  dazu,  denn  der  Neid  ver- 
derbt die  Besten.  O  Tugend,  wie  schmal  ist  dein  Steg,  wie  kümmer- 
lich dein  Weg:  wohl  ihm,  der  ihn  wandelt I  Den  Mittelpimct  dieser 
Betrachtungen  bildet  der  Zuru^  womit  der  Gegenstand  der  Widmung 

gefeiert  wird: 

Tiwr  unde  wert  ist  Tnir  der  man, 

der  guot  und  übel  hetrahten  kan^ 

der  mich  und  iegelithen  man 

ndeh  einem  werde  erkennen  kan. 

Indem  er  auf  diese  Weise  den  edeln  Vetter  Dieterich  an  den 
Eingang  des  Gedichtes  stellt,  begrüßt  er  ihn  gewissermaßen  als  einen 
Hauptvertreter  jener  andern  bessern  Welt,  die  er  der  oberflächlichen 
Tageswelt  entgegensetzt,  der  werlde,  in  die  min  herze  eiktf  ftir  die  er 
allein  dichten  wül  und  die  er  mit  jenen  unnachahmlich  schönen  Worten 
3,  15  ff.  schildert  Hinter  dem  kahlen  Namen,  den  die  Urkunden  bieten, 
steht  also  ein  feinsinniger,  geistreicher  Mann.  Und  wenn  wir  nochmals 
in  diese  Urkunden  blicken,  so  scheint  Dieterichs  eigenthümliohes  Zu* 
rückstehen  nicht  bloß  neben  dem  Bruder,  sondern  später  auch  neben 
dem  Neffen,  mehr  Würde  als  Bürde  zu  bedeuten,  scheint  somit  treff- 
lich zu  einem  Manne  zu  passen,  der  lieber  als  in  Rathssaal  oder  Amts- 
stube im  „engen  hochgewölbten  Zimmer^'  *)  über  seinen  Folianten  sitzt. 
Fragt  man  weiter  nach  seinen  Umständen,  so  ist  noch  anzumerken, 
daß  von  den  jährlich  an  das  Hochstift  zu  entrichtenden  sechs  Fudern 
Weins  Herr  Dieterich  der  Ältere  allein  die  Hälfte  trug. 

Vielleicht  haben  wir  noch  einen  andern  Verwandten  Gottfrieds 
gestreift,  von  dem  wir  doch  nicht  ganz  ohne  Theilnahme  scheiden  dürfen. 
Wie  nämlich  in  der  Burggrafenlinie  der  Name  Dieterich,  so  zeigt  sich 
in  dem  andern  Zweige  der  Name  Walther  vorherrschend,  daher  wahr- 
scheinlich audi  Gottfrieds  Nachfolger  dieses  Namens  (der  ebenfalls  nur 
einmal  in  den  Urkunden  erscheint)  dem  Gesammthause  Straßburg^ 
das  ja  ohnehin  die  wichtigsten  Amter  in  seinen  Händen  zu  vereinigen 
wusste,  angehört  haben  wird.  Einen  Sohn  des  Frühvollendeten  aber 
darf  man  gewiss  kaum  in  ihm  vermuthen.    Dagegen ,   was  der  große 


*)  Übrigens  ist  aus  der  inMennm.  XVII,  282—237  heransgegebeaen  Au&eich- 
mmg  De  rebus  alsaticis  ineniitis  saeeuli  XIII  hier  beisabringeii ,  daß  die  betreffende 
Wohnnng  Manches  in  wünschen  übrig  gelassen  haben  dürfte.  ^Civitates  Argenünennis 
et  BasUiensis  in  rnnris  et  edificiis  viles  fa6nmt,  sed  in  domibus  viliores.  Domus  fortes 
et  bone  fenestras  paucas  et  parviüas  habueront  et  lumine  canienmt"  (p.  236). 


220  HERMANN  KURZ 

Dichter  sich  selbst  nicht  leisten  konnte  üoch  zu  leisten  brauchte^ 
feilen  und  am  Zeuge  flicken,  das  wird  von  einem  späteren  Berufs- 
genossen gegen  die  Mitte  des  Jahrhunderts  gerühmt,  daß  er  es  Andern 
leistete.  Meister  Hesse  von  Strdi^rg,  der  schnhasre,  war,  wie  uns  Rudolf 
von  Ems  in  seinem  Wilhelm  von  Orlens  versichert,  der  rechte  Mann, 
öedichte  zu  „überhören"  und  zu  „bessern".  Er  besaß  also  von  Gott- 
frieds Ader  wenigstens  einen  Tropfen,  und  wer  wird  es  dem  wackem 
Rudolf  nicht  gerne  glauben ,  daß  derselbe  kein  ganz  unechter  war  ? 
Selbst  an  leibliche  Blutsverwandtschaft  zu  denken,  falls  Meister  Hesse 
unbedingt  als  städtischer  Schreiber  festgehalten  werden  dürfte^  wäre 
nicht  allzu  gewagt;  denn  in  dem  aristocratischen  Stadtregiment  jener 
Zeiten  herrschte  eine  gewisse  Stätigkeit^  die  in  manchen  Ämterbesetzun- 
gen bis  zur  Erblichkeit  gehen  konnte.  Bei  dem  spätem  Straßburger 
Stadtschreiber  vollends,  bei  dem  Meister  Gottfried  von  1299,  dient 
auch  noch  der  Name  zur  Erhöhung  einer  solchen  Wahrscheinlichkeit. 
Nur  ist  es  fraglich,  ob  eine  Untersuchung,  wenn  sie  auch  Aussiebt 
hätte,  einen  erfreulichen  Fund  verspricht :  denn  zur  Zeit  Gottfrieds  II 
war  die  Herrschaft  des  Adels  zwar  noch  fest,  aber  sehr  ausgeartet*) 
und  reif  zum  Übergehen  an  das  Bürgerthum,  das  freilich  erst  nach 
langen  Winter-  und  Frühlingsstürmen  eine  frische,  dauerhaftere  Geistes- 
blüthe  bringen  sollte. 

Das  Leben  eines  Mannes  besteht  jedoch  nicht  allein  in  seinen  persön- 
lichen Verhältnissen,  sondern  oft  weit  mehr  noch  in  der  Zeitgeschichte, 
die  er  mit  erlebt.  So  wenig  nun  Gottfried  in  seinem  fremden  Stoffe 
Veranlassung  hat,  von  heimischen  Dingen  zu  reden,  so  erwähnt  er  doch 
mit  einer  selbst  durch  die  leidigen  französischen  Brocken  hindurch 
sichtbaren  Vorliebe,  wie  Tristan  unter  anderem  nach  Deutschland  kommt 
und  dort  in  großem  Orlog  dem  römischen  Reiche,  dem  Scepter  und 
der  Krone  treffliche  Dienste  leistet.  Auf  welcher  Seite  aber  der  Dichter 
bei  Philipps  Lebzeiten  das  Reich  erblickte,  dem  er  einen  solchen  Kämpen 
wünschte,  das  thut  sein  Erscheinen  in  dessen  Hoflager  klärlich  dar. 
Viermal  zu  jener  Zeit,  in  den  Jahren  1200,  1205,  1207,  und  noch  ein- 
mal   zu  Anfang  des  folgenden  Jahres,  war  der  rechtmäßige  Inhaber 


*)  Königshofen  2.  J.  1308 :  Zu  dirre  zit  atunt  der  gewdU  dlrre  stette  miitenander 
an  den  edeln,  und  under  den  edeln  wart  etlicher  m  hochtragende^  wenne  yme  «in  enyder  oder 
ein  sehuchsüter  oder  ein  ander  antwergman  phennige  hieach ,  so  slug  der  edelman  den  ant- 
wergman  und  gap  yme  streiche  dran.  Su»  künde  under  den  aniwerglüten  nieman  wol  hezalei 
werden,  er  machte  eich  denne  an  einen  edeln  man  in  der  stat,  dem  erjoree  diente,  also  zu  den 
dörfem  ein  gebure  aime  herren  dienet,  der  beechirmete  den  antwergman  vor  gewalte  und  ludf 
ime  das  er  hezalet  wart. 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRA8SBURG.  221 

der  Krone  in  oder  bei  Straßburg.  Das  prächtigste  aber  und  heiterste 
dieser  Hof  iager  muss  das  von  1207  gewesen  sein.  Es  fiel  in  die  Zeit 
des  Festes  der  Freude,  das  da  feiern  Wald  und  Haide.  Die  glänzende 
Versammlung  also,  in  welche  uns  die  „apud  Argentinam"  ausgestellten 
Urkunden  vom  18.  Juni  blicken  lassen,  mit  dem  Patriarchen  Wolfger 
von  Aquileja  an  der  Spitze  der  Großen  des  Reichs,  weilte  im  Freien, 
auf* einer  grünen  Aue,  wo  reiche  Zelte  aufgeschlagen  waren;  und  wer 
sich  ein  volleres  Bild  von  diesem  Schauspiel  machen  will,  der  lese  nur 
die  reizende,  Schauspielen  solcher  Art  abgewonnene  Schilderung  von 
König  Markes  Hochgezeit. 

Ein  Jahr  nach  diesem  Feste ,  dem  der  Dichter  angewohnt,  lag 
der  edelste  Herrscher  aus  dem  staufischen  Hause  ermordet  in  Bamberg, 
und  seine  Witwe  Irene-Maria  floh  verzweifelnd  dem  Hohenstaufen  zu, 
wo  sie  den  Schicksalsschlag  nur  um  wenige  Wochen  überlebte.  ,Ju- 
dicia  Dei  abyssus  multa!"  beginnt  die  Urkunde,  krafb  welcher  sie  in 
ihren  letzten  Tagen  als  Erbin  aller  Güter  ihres  Gemahls^  wozu  er  sie 
lange  vor  seinem  Tode  einsetzte,  zum  Heil  seiner  Seele  eine  fromme 
Stiftung  macht.  Der  leise  Wehruf  des  gebrochenen  Herzens,  der  aus 
diesen  und  andern  rührenden  Worten  der  Urkunde  klingt,  zeigt  die 
^Rose  ohne  Dom**  ganz  jener  andern  weißen  Rose  gleich,  deren  stummes 
Zusammenbrechen  im  tödtlichen  Schmerz  der  Dichter  so  ergreifend 
schildert.  Überhaupt  ist  das  Ende  Philipps  und  Irenens  dem  Untergange 
Riwalins  und  Blancheflurs  so  vielfach  ähnlich,  daß  die  Übereinstimmung 
den  Zeitgenossen  nothwendig  aufgefallen  sein  muss.  Philipp  fiel  zwar 
nicht  in  der  Schlacht,  sondern  vom  Schwerte  des  Meuchelmörders,  aber 
im  jähen  Falle  zog  er  das  Weib  seines  Herzens,  die  verlassene  Tochter 
der  Fremde,  nach  sich,  daß  sie  in  Seelen-  und  Geburtswehen  starb. 
Von  ihrem  Kinde  kann  man  zwar  nicht  sagen,  wie  es  im  Gedichte  heißt: 
Seht,  da^  genas  und  lac  si  tdt]  aber  dennoch  findet  sich  zu  dem  Waisen 
Tristan  ein  Ebenbild,  das  verwaiste  Kind  in  Sicilien,  das  damals  als 
der  einzige  männliche  Nachkomme  des  kurz  zuvor  noch  so  blühenden 
staufischen  Geschlechtes  zurückblieb.  Und  auch  dem  Marschall  Rual 
kann  man  in  jenem  Trauerspiele  seinesgleichen  suchen:  den  Grafen 
Ludwig  von  Wirtenberg,  den  Beschützer  der  sterbenden  Königin  auf 
Hohenstaufen;  doch  mehr  noch  Heinrich  von  Kalentin- Pappenheim, 
den  unermüdlichen  und  imerbittlichen  Rächer  seines  erschlagenen  Herrn, 
den  getreuen  Marschall,  der  vom  Rothbart  bis  zum  zweiten  Friedrich 
mit  dem  Hause  Staufen  durch  die  Geschichte  geht. 

Die  Quelle,  nach  welcher  Gottfried  dichtete,  ist  (bis  auf  wenige 
Fragmente)  verloren:    man  weiß  also  nicht,  ob  er  in  der  Behandlung 


222  HERMANN  KURZ 

des  SägenstofFes  selbst  sich  Freiheiten  erlaubte^  und  besonders  ob  der 
blutige  Tod  Biwalins^  der  nicht  in  allen  Gestaltungen  der  Tristanssage 
tiberliefert  ist,  sdion  seiner  Vorlage  eignet.  So  viel  ist  jedoch  sicher, 
daß,  wenn  die  Bearbeitung  dieses  Abschnitts  zur  Zeit  der  Catastrophe 
von  1208  bereits  geschrieben  und  bekannt  war,  das  Zusammentreffen 
der  Geschichte  mit  der  Dichtung  den  Dichter  und  Jeden,  der  diese 
kannte,  tief  ergriffen  haben  muss.  Denn  daß  die  Aventiure  von  Biwalin 
und  Blancheflur,  die  für  sich  ein  geschlossenes  Ganzes  bildet,  abge- 
sondert von  dem  größeren  Gedicht  veröffentlifcht  werden  konnte  und 
eben  deshalb  auch  in  dieser  Weise  veröffentlicht  worden  ist,  dies  leidet 
wohl  keinen  Zweifel.  Ist  dem  aber  so,  dann  spricht  die  Gestalt,  in 
welcher  sie  vorliegt,  fUr  ein  Vorhandensein  vor  1208:  denn  andersfalla 
scheint  es  kaum  möglich,  daß  der  Dichter  sie  ohne  eine  bewegte  An- 
spielung auf  die  erschütternden  Begebenheiten  dieses  Jahres  zu  Ende 
hätte  fdhreti  können.  Noch  mehr :  der  etwas  kühle  Zuspruch,  mit  wel- 
chem er  sich  und  seine  Hörer  beim  Abschied  von  dem  „guten"  Riwalin 
tröstet,  müsste  nach  dem  Tode  Philipps,  dem  der  Dichter  erst  jüngst 
noch  huldigend  genaht  war,  fast  geradezu  wie  Spott  erschienen  sein. 
Andere  herzbrechende  Ereignisse,  wenn  er  das  Jahr  1212  erlebte, 
sah  Gottfried  in  seiner  Vaterstadt.  Damals  riss  der  wahnsinnige  Kinder- 
kreuzzug,  auf  welchem  Tausende  und  Tausende  armer  Geschöpfe  ver- 
kamen, aus  Straßburg  allein  über  sechzehnhundert  Personen,  Knaben, 
Mädchen,  Weiber,  Männer,  mit  sich  fort*  Im  gleichen  Jahre  brach  über 
diese  Stadt  das  erste  jener  Ketzergerichte  herein,  die  nun  auch  den 
deutschen  Boden  fUr  einige  Zeit  schänden  doUten.  Von  Innocenz  HI 
zum  Kampfe  für  die  Einheit  der  Eorche  angespornt,  über  die  der  Geist 
der  Geschichte  bereits  das  Todesurtheü  gesprochen  hatte,  begann  der 
fromme  Bischof  Heinrich  eine  Untersuchung,  die  ihm  fiinfhundert  ver- 
dächtige Personen  in  die  Hände  lieferte.  Achtzig  oder  mehr  derselben 
hielten  Stand.  Da  sie  ihren  Verfolgern  im  Disputieren  zu  stark  waren, 
so  nöthigte  man  ihnen  das  glühende  Eisen  auf,  durch  welches  sie  un- 
fehlbar überwiesen  wurden.  Von  diesem  Gottesurtheil  hat  der  Decan 
Konrad  von  Speier,  nachmals  Bischof  von  Hüdesheim,  der  wahrschein- 
lichdabeigewesen'*'), einem  gewissen  Abte  und  dieser  dem  guten  Mönche 
Cäsarius  in  Heisterbach  ein  erbauliches  Wunderhistörchen  aufgebunden, 
das  im  Verfolg  zur  Sprache  kommen  soll.  Dem  weltlichen  Arme  über- 


*)  Hierin  wird  er  häufig  mit  seinem  Freunde,  dem  schrecklichen  Kon'rad  von 
Marburg,  verwechselt.  Der  ViTortlaut  des  Cäsarius  aber  (Dialogns  miraculorum,  III, 
14 — 17    gestattet  keinen  Zweifel  an  der  Person. 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRAS8BURG;  223 

geben  („Eccieda  non  sitit  sanguinem^);  wurden  die  Vemrtheilten  unter 
dem  Wehklagen  ihrer  Verwandten^  Geschwister  und  Kinder^  die  sie 
vergebens  um  Widerruf  anflehten  ^  erst  auf  den  Frohnhof  vor  dem 
Münster^  wo  man  ihnen  vom  Erker  der  Pfalz  herab  ihre  gehässig  ent- 
stellten Glaubenssätze  verlas^  und  dann  vor  die  Stadt  zum  Hochgerichte 
geführt,  wo  sie  den  Heldentod  in  den  Flammen  der  Ketzergrube  starben. 

Da  sich  unter  diesen  Härterem;  neben  Priestern ,  auch  adeliche 
Personen  beiderlei  Geschlechts  befanden ,  da  es  femer  so  gut  wie  er- 
wiesen ist;  daß  ihnen  achtzehn  Jahre  nachher  gar  noch  ein  Mitglied 
des  Rathes  selbst  beigesellt  wurde  ^  so  mag  man  wohl  für  Jeden ,  der 
um  das  Jahr  1212  aus  den  Straßburger  Urkunden  verschwindet,  etwas 
bange  sein.  Zumal  für  ein  Weltkind,  welchem  gerade  um  diese  Zeit 
ein  frommes  Herz  eine  Anklage  in  Aussicht  stellt,  die  man  ihrem  voll- 
ständigen Titel  nach  etwa  als  „Klage  der  gesammten  Christenheit  von 
Anbeginn  bis  heute  über  den  Unglauben  und  die  Verderbtheit  dieser 
Welt^  zu  formulieren  hätte  *).  Mit  Meister  Gottfried  jedoch  hat  es  gute 
Wege:  der  ganze  Ton,  in  welchem  die  späteren  Dichter  des  13.  Jahr- 
hunderts von  ihm  reden,  setzt  es  außer  Zweifel,  daß  er  eines  natflr- 
lichen  Todes  gestorben  ist,  und  daß  sein  Fortsetzer  Heinrich  mit  dem 
Ausdruck,  der  Tod  habe  ihn  von  dieser  schnöden  Welt  hinweg- 
genommen, nichts  Absonderliches,  nichts  Schnöderes,  als  was  die  Welt 
i&u  allen  Zeiten  war  und  sein  wird,  bezeichnen  will. 

Dagegen  drängt  sich  hier  jene  schon  früher  berührte  Stelle  noch- 
mals auf,  an  welcher  Gottfried  die  Feuerprobe,  also  eben  das  gegen 
die  Straßburger  Ketzer  angewendete  Gottesurtheil,  in  so  merkwürdiger 
Form  verspottet  Und  zwar  wird  dieser  Stelle  eine  eingehende  Auf- 
merksamkeit gewidmet  werden  müssen,  nicht  bloß  weil  sie  immer  noch 
zu  einer  erschöpfenderen  Sinnerklärung  aufzufordern  scheint,  sondern 
hier  besonders  darum,  weil  sie  offenbar,  als  ein  von  einem  sonst  milden 
und  weichen  Gemüthe  mit  aufiallender  Schärfe,  in  seine  Zeit  hinein- 
geworfener Ausspruch,  eine  dem  zeitgeschichtlichen  und  persönlichen 
Leben  des  Mannes  angehörige  Bedeutung  hat    Um  nun  aber  einmal 


*)  Gan  mir  got  »d  vil  der  tage 

8$  eag  ich  nUne  und  ander  klagen 

der  mit  irhoen  pflac  wip  unde  man^ 

eii  JUu9  in  den  Jordan 

durch  toufe  wart  gestd^en, 
droht  Wolfram  von  Eschenbach  am  Eingang  des  Willehalm  den  „Vielen,"   die  seinen 
Parzival  smcehten 

und  ba%  ir  rede  wcehten 


224  HERMANN  KURZ 

ganz  zu  verstehen  >  was  Gottfried  mit  dem  Ausspruch  sa^en  wolHe^ 
der  manchem  Heutigen  bedenklich  und  jedesfalls  fbr  den  Dichter  selbst 
gefährlich  klingt^  müssen  wir  uns  so  gut  wie  möglich  in  dessen  eigene 
Zeit  zu  vernetzen  suchen. 

Die  Gottesurtheile^  um  hiemit  zu  beginnen^  waren  damals^  obgleich 
von  den  Päpsten  seit  Jahrhunderten  verworfen,  noch  immer  sehr  im 
Schwang.  Wenn  auch  der  sie  verdammende  Ausspruch«  welcher  Gregor 
dem  Großen  zugeschrieben  wird,  des  Beleges  entbehrt,  so  ist  es  doch 
sicher,  daß  sie  an  der  Spitze  der  Kirche  niemals  Billigung  und  schon 
von  zwei  Päpsten  des  9.  Jahrhunderts  ausdrtlckliche  Verwerfung  er- 
fahren haben.  Nicolaus  I  erklärte  im  Jahr  867  den  Zweikampf  ftlr 
eine  Versuchung  Gottes,  die  sich  auf  keine  kirchliche  Autorität  berufen 
könne,  und  um  das  Jahr  885  nannte  Stephan  V  die  Feuer-  und  Wasser- 
probe eine  abergläubische  Erfindung,  die  in  keinen  Canon  von  den 
heiligen  Vätern  aufgenommen  sei.  (Mansi  XV,  319—20.  XVIII,  25.) 
Aber  nur  zehn  Jahre  später  brannte  im  zweiundzwanzigsten  Canon  des 
großen  deutschen  Nationalconcils  vonTribur  das  glühende  Eisen;  imd 
während  die  Päpste,  freilich  fast  mehr  in  gutachtlicher  als  decretaler 
Form,  nebst  einzelnen  Bischöfen  gegen  die  Gottesurtheile  zu  prote- 
stieren fortfuhren,  hielten  die  ProvinziaJkirchen  mit  den  Völkern  und 
Fürsten  au  denselben  fest.  Noch  der  Rothbart  nahm  sie,  sehr  im  Gegen- 
satze gegen  Papst  Alexander  III  (Mansi  XXI,  934),  in  den  zwölften 
Artikel  seines  ersten  Landfriedens,  in  den  zehnten  seiner  Kriegsgesetze 
auf,  und  sie  stehen  auch  noch  im  Sachsen-  wie  im  Schwabenspiegel. 
Dem  weltlichen  Arme  jedoch  blieb  nur  das  der  Klirche  verhasste  Kampf- 
recht ganz  überlassen:  die  übrigen  Gottesurtheile,  wie  viel  er  sich  daran 
betheiligen  mochte,  waren  vorherrschend  in  den  Händen  der  Geistlich- 
keit. Sie  mussten  in  den  Kirchen  oder  auf  den  Kirchhöfen  vorgenommen 
werden,  und  Geistliche  segneten  das  zur  Probe  dienende  Feuer  oder 
Wasser  ein,  wobei  Gebete,  Messen,  Exorcismen  und  andere  reichliche 
Kitualien  stattfanden,  von  welchen  uns  (bei  Martene  u.  A.)  so  ausgie- 
bige Muster  aufbehalten  sind,  daß  der  historische  Roman  über  Mangel 
an  Verarbeitungsmaterial  nicht  zu  klagen  hätte. 

Man  wird  als  Regel  annehmen  können,  daß  die  Gottesurtheile, 
wo  sie  unvermeidlich  waren,  nur  Rechtlose  und  Leibeigene  getroffen 
haben^  und  obendrein  wird  man  zugeben  müssen,  daß  sie  auch  von 
diesen  in  sehr  vielen  Fällen  freiwillig  übernommen  worden  sind.  Allein 
das  sind  Begriffe,  bei  denen  viel  Blendwerk  mit  unterläuft.  Rechtlos 
konnte  Jeder  werden,  der  nicht  etwa  die  Macht  besaß,  sich  über  alles 
Recht  hinwegzusetzen.  Jener  Triburer  Canon  setzt  fest:  ein  edler  und 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.         2^5 

freier  Mann,  der  von  früherer  Verurtheilung  her  beßcholten  sei,  dürfe 
bei  einer  neuen  Anklage  nicht  mehr  zum  Eidschwur  zugelassen  werden, 
sondern  könne  sich  gleich  dem  Unfreien  nur  durch  das  glühende  Eisen 
reinigen.  Er  mag  aber  nicht  bloß  in  dem  neuen  Falle  unschuldig  sein, 
er  mag  es  schon  in  dem  früheren  gewesen  sein,  wenn  falscher  Schein 
oder  Ungerechtigkeit  ihn  verurtheilt  hatte.  Jener  Artikel  in  Friedrichs  I 
Landfrieden  verordnet:  wenn  ein  Bauer  einen  Ritter  wegen  Frieden- 
bruchs anklagt,  reinigt  sich  der  Ritter  mit  drei  Eideshelfem,  klagt 
aber  der  Ritter  den  Bauern  an,  so  hat  dieser  zwischen  dem  Gottes- 
urtheil  und  dem  weltlichen  Recht  zu  wählen;  wählt  er  das  Letztere, 
so  braucht  er  sieben  Eideshelfer,  und  dem  Richter  steht  deren  Auslese 
(d.  h.  Ablehnimg)  zu.  Der  Richter  hat  es  also  in  der  Hand ,  ihm  den 
Eid  unmöglich  zu  machen,  und  der  Bauer  mag  sich  dann  besinnen, 
ob  er  zur  Eisenprobe  oder  zum  Kesselfange  schreiten  will;  dieses  Be* 
wusstsein  schwebt  auch  dem  Gesetzgeber  vor,  indem  er  ganz  richtig 
das  Gottesurtheil  als  das  Näherliegende  voranschickt. 

Wahrhaft  freiwillige  Übernahme  des  Ordals  sodann  ist  allerdingd 
nicht  ohne  Beispiel,  und  wir  werden  demnächst  an  einen  Fall  kommen, 
der  keinen  Zweifel  duldet,    sich  aber  auch  mit  Händen  greifen  lässt. 
Schwärmer  andererseits   und  einfältige  Seelen ,    die  felsenfest   auf  ihre 
Gotteskraft  oder  ihre  Unschuld  bauten,    gab  es  nothwendig  in  jener 
glaubensvollen  Zeit,  nur  daß  sie  eben,    mit  Feuerkünsten  unbekannt, 
in  trauriger  Enttäuschung  dem  Naturgesetz  verfielen.     Doch  dies  sind 
Ausnahmen:  in  den  meisten  Fällen  aber  welche  Art  von  Freiwilligkeit! 
Peinlich  Angeklagte,  Männer,  die  es  nicht  zum  Reinigungseide  bringen 
konnten,  Frauen,  die  keinen  Rechtsbeistand  fanden,  hatten  nur  die  Wahl, 
ohne  Weiteres  in  den  schimpflichen  Tod  zu  gehen  oder  vorher  noch 
zu  versuchen,    ob  vielleicht  die  göttliche  Barmherzigkeit  ein  Wunder 
an  ihnen  thun  wollte.    Auch   der  unglückliche  Civilkläger,    dem   der 
Spruch  geworden,    daß  er  sein  Recht  nur  durch  ein  Gottesurtheil  be- 
weisen könne,  — je  nach  Beschaffenheit  des  Falles,  den  Verlust  der  Habe 
und  Ehre  nebst  dem  Untergang  der  Familie  vor  Augen,    sah  er  sich 
fast  in  ähnlicher  Weise  diesem  Äußersten  gegenübergestellt.  Wer  sich 
rein  flihlte,  hatte  wohl  an  seinem  Glauben  einigermaßen  eine  Stütze, 
ja  mitunter  einen  Sporn :    aber  bekanntlich  ist  auch  ein  guter  Glaube 
bald  groß  und  stark,  bald  wieder  klein  und  schwach,  und  mit  diesem 
Maße  muss  man  die  Freiheit  des  Entschlusses  messen.    Auch  der  to- 
bende Volkswahn,    der  sein  Opfer  gewaltsam   zur  Probe   drängt,    ist 
mit  einzurechnen.     Noch  tiefer  auf  der  Stufe  der  Freiwilligkeit  stehen 
Diener  und  Knechte,   die  im  Gottesurtheil  die  Sache  ihrer  Herrschaft 

GERMANIA.  Neue  Reihe  III.  (XV  )  Jahrg.  15 


226  HERMANN  KURZ 

vertraten:  denn  um  diese  willig  zu  machen^  boten  sich  selbsverständ- 
lich  mehr  oder  minder  gelinde  Zwangsmittel  dar.  Es  werden  freilich 
Wunderdinge  von  ihren  Leistungen  berichtet,  jedoch  meist  aus  stich- 
dunkler  Zeit;  man  hat  aber  auch  Erzählungen  anderer  Art,  z.  B.  wie 
ein  solcher  Stellvertreter,  nachdem  er  schon  halb  ohnmächtig  an  den 
wallenden  Kessel  getreten  war,  die  Hand  aus  demselben  gekocht  her- 
vorzog (Ducange  s.  v.  Aquae  ferventis  Judicium).  Der  angeklagte 
Leibeigene  vollends  war  gänzlich  ohne  freien  Willen :  denn  bei  der 
Aussicht,  die  Buße  Air  ihn  bezahlen  zu  müssen,  hatte  sein  Herr  das 
größte  Interesse,  es  (im  Sinne  Montesquieus,  Espr.  des  1.  XXV ULI,  17) 
darauf  ankommen  zu  lassen,  ob  nicht  seine  harte  Haut  der  Probe  trotzen 
werde ;  falls  die  Hofl&iung  fehlschlug,  war  ihm  wenigstens  ftlr  den  ver- 
ursachten Schaden  eine  gehörige  Marter  angethan* 

Rechtloser  endlich  und  imfreier  als  der  letzte  Knecht,  wes  Standes 
sie  auch  sein  mochten,  waren  Ketzer  und  Ketzereiverdächtige.  Es  ist 
daher  gleichgültig,   in  welcher  Form  und  unter  welchem  Titel  ihnen 
das  GottesurtheiL  auferlegt  wurde.    Nach   einer  gleichzeitigen  Quelle 
(s.  T.  W.  Röhrich  und  C.  Schmidt  in  der  Zeitschr.  f.  d.  bist.  Theol. 
1840,' I,  123.  ni,  38)   hat  man  den  Straßburger  Ketzern  so  zu  sagen 
freie  Wahl  gelassen,    indem  man  ihnen  erklärte,    aus  der  göttlichen 
Schrift  ohne  Erlaubniss  des  Papstes  zu  reden,  stehe  niemand  zu,   am 
wenigsten  einem  Ketzer;   wollten  sie  ihren  Glauben  beweisen,  sollten 
sie  solches  mit  dem  „gleügenden  eissen"  thim.  Ihr  Sprecher  entgegnete, 
man  solle  Gott  nicht  versuchen.  Daflir  wurde  er  verspottet,  „er  fercht, 
er  verbrenne  die  Finger" ;  er  erwiderte :  „Ich  habe  Gottes  Wort,  darauf 
begehr  ich  nit  die  Finger,  sondern  meinen  Leib  lassen  zu  verbrennen.* 
Daß  ihnen  dann  wirklich  das  Eisen  geglüht  wurde,  spricht  diese  QueUe 
nicht  förmlich  aus.    Um  so  bestimmter  aber  findet  sich  die  Thatsache, 
nämlich  daß  man  sie  mit  Hülfe  des  glühenden  Eisens  überführt  und 
verurtheilt  hat,  in  einer  andern  gleichzeitigen  und»  ebenfalls  in  der  Nähe 
des  Schauplatzes   geschriebenen  Quelle   mitgetheilt,    in   den  diesfalls 
durchaus  zuverlässigen  Marbacher  Amaalen*).  Es  hat  auch  wenig  Wahr- 
scheinlichkeit,    daß  sie  selbst  aus  freien  Stücken  bereit  gewesen  sein 
sollten,  eine  Überzeugung,  die  auf  geistigem  Grunde  ruhte,  einem  Ver- 
fahren preiszugeben,  bei  welchem  ihre  Niederlage  im  Voraus  entschieden 


*)  Monamenta  XVII,  174 :  Producti  vero  cum  negarent  heresim ,  judicio  ferri 
candentis  ad  legittimum  terminum  reservantor,  quomm  numeros  foit  octoginta  vel  am- 
plius  de  utroque  sexu.  Et  pauci  quidem  ex  eis  innocentes  apparaerunt, 
reliqui  omnes  coram  ecclesia  convictl,  per  adnstionem  manuum  dampnati  sunt, 
et  incendio  perienmt. 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.         227 

war.  Deshalb  wird  der  letzteren  Quelle  zu  glaul^en  seih,  welche  deut- 
lich genug  merken  lässt,  daß  sie,  ob  auch  ohne  Zweifel  opferbereit, 
zu  der  Feuerprobe  gezwungen  wurden.  Das  Verfahren  war  also  in 
diesem,  wie  eigentlich  in  allen  nicht  ganz  freiwilligen  Fällen,  eine  Art 
von  Folter,  die,  nur  ohne  das  Geständniss  des  Angeklagten  erpressen 
zu  müssen,  durch  rein  physische  Wirkung  den  gewünschten  Beweis 
erzielte ;  bei  aller  Abscheulichkeit  somit  immer  noch  leidlicher  als  die 
Tortur  des  späteren  Gerichtswesens,  wodurch  es  nachher  recht  wie  ein 
Teufel  durch  der  Teufel  Obersten  ausgetrieben  worden  ist. 

Innocenz  III  jedoch,  so  sehr  ihm  die  Vertilgung  des  „schlei- 
chenden Krebses  der  Ketzerei*  am  Herzen  lag,  war  dennoch  mit  der 
beliebten  Untersuchung  des  Übels  nichts  weniger  als  einverstanden. 
Er  schrieb  am  9.  Januar  1212,  zu  welcher  Zeit  also  das  dortige  Ketzer- 
gericht bereits  in  Arbeit  war,  an  den  Bischof  und  den  Gustos  von 
Straßburg:  bei  den  weltlichen  Richtern  zwar  seien  vulgäre  ürtheile, 
wie  Wasser-,  Feuerprobe,  Zweikampf,  gebräuchlich,  aber  die  Kirche 
lasse  dergleichen  ürtheile  nicht  zu,  nach  dem  Worte  der  Schrift:  Du 
sollst  den  Herrn  deinen  Gott  nicht  versuchen;  daher  will  er  correcte 
Behandlung  flir  den  Überbringer  des  Schreibens,  einen  gewissen  Reim- 
bold, ohne  Zweifel  einen  Cleriker,  den  er  ihnen  als  der  Ketzerei  be- 
schuldigt zur  Untersuchung  schickt  (Epistolae  Innocentii  HE,  L.  XTV, 
ep.  138).  Der  Papst  ist  somit  hinsichtlich  des  Gottesurtheils  (vulgare 
Judicium  nennt  er  es  im  Gegensatz  zu  der  canonischen  Purgation  durch 
den  Reioigungseid)  nicht  bloß  mit  seinen  Vorfahrern  auf  Petri  Stuhl, 
sondern  merkwürdigerweise  mit  dem  Straßburger  Oberketzer  selbst 
der  gleichen  Meinung.  Um  indessen  seinen  Standpunct  in  der  Frage 
genauer  kennen  zu  lernen,  müssen  wir  herbeiziehen,  was  er  an  andern 
Orten  darüber  spricht.  Er  schreibt  im  Jahre.  1202  dem  Bischof  von 
Besan$on:  Mit  Befremden  vernehme  er,  daß  man  in  diesem  Sprengel 
Geistliche  dem  Gottesurtheil  zu  unterwerfen  wage,  uneingedenk,  daß 
die  heiligen  Canones  dergleichen  Extorquierung  des  Bekenntnisses  nicht 
statuieren  (wobei  er  die  Worte  Stephans  V  wiederholt);  er  gebiete  hie- 
rait  der  dortigen  Kirche,  den  Schuldigen  solches  Vorgehen  bei  Strafe 
des  Kirchenbannes  zu  imtersagen.  Im  Jahre  1208  sodann  bescheidet 
er  denselben  Bischof  auf  ergangene  Anfrage,  daß  das  Gottesurtheil 
nicht  bloß  in  Ehe-,  sondern  in  Earchensachen  überhaupt  durch  cano- 
nische Satzungen  verboten  sei.   (Epp.  V,  107.  Xl,  46.) 

Wir  finden  also  das  Gutachten  allmählich  zum  Canon  fortge- 
schritten. Während  aber  der  päpstliche  Spruch  die  Saiten  anspannt, 
beschränkt  er   sich  zugleich  auf  einen  gewissen  engeren  Kreis.    Nur 

15* 


228  HERMANN  KÜBZ 

kirchliche  Angelegenheiten  und  kirchliche  Personen  sind  ausdrücklich 
dem  Richter  entzogen,  der  das  öottesurtheil  verhängt:  der  Bauer  in 
des  Rothbarts  Landfiieden,  der  Knecht  in  dessen  Kriegsgesetzen, 
werden  der  „abergläubischen  Erfindung,"  obgleich  sie  im  Allgemeinen 
verworfen  wird,  stillschweigend  preisgegeben.  Ein  Vorwurf  kann  des- 
halb den  Papst  nicht  trefien :  man  sieht  wohl,  daß  er  eben  nicht  ganz 
freie  Hand  hatte;  er  mochte  hoffen,  die  Welt  werde  den  Greuel  der- 
einst lassen,  wenn  nur  erst  die  Kirche  davon  gesäubert  sei. 

Welche  Wirkung  aber  das  päpstliche  Schreiben  in  Straßburg 
hatte,  ist  durch  das  Verfahren  gegen  die  achtzig  Ketzer  bereits  hin- 
länglich dargethan;  und  doch  gehörte  ein  Ketzergericht  in  eminentem 
Sinne  zu  den  Kirchensachen,  auf  welche  ja  kein  Gottesurtheil  ange- 
wendet werden  sollte,  und  waren  unter  den  Gefolterten  außer  ihrem 
Führer ,  einem  Priester  Johannes ,  noch  an  die  zwölf  andere  Priester 
(Zeitschr.  f.  d.  hist.  Theol.  III,  38),  die  ja  ganz  besonders  auf  Befreiung 
Anspruch  hatten.    Oder  kam  das  Schreiben  zu  spät  in  Straßburg  an? 

Die  Worte  des  Papstes  geben  zu  vermuthen,  das  Verfahren  falle 
bloß  dem  weltlichen  Richter  zur  Last:  allein  der  Ausdruck  des 
Marbacher  Annalisten,  die  Angeklagten  seien  durch  Verbrennung  der 
Hände  coram  ecclesia  überführt  worden,  scheint  eine  ganz  andere 
Deutung  zu  verlangen.  Jedesfalls  muss  man  die  Wendung  vorsichtig 
au&ehmen,  mit  welcher  Innocenz  vom  weltlichen  Richter  spricht.  Wenn 
er  damit  sagen  will,  daß  nur  der  weltliche  Richter  das  Gottesurtheil 
anwende,  so  ist  er  mit  sich  selbst  im  Widerspruch:  denn  vier  Jahre 
vorher  noch  musste  er  ja  im  Bisanzer  Sprengel  gerade  demjenigen, 
der  über  Ehe-  und  sonstige  Kirchensachen  zu  richten  hatte,  also  dem 
geistlichen  Richter,  die  Anwendung  desselben  verbieten.  Vier  Jahre 
aber  können  nicht  durch  alle  Kirchenprovinzen  hindurch  eine  solche 
Änderung  bewirkt  haben,  daß  der  Unfug  hinfort  nur  noch  dem  welt- 
lichen Richter  beizumessen  war.  Und  daß  die  Äußerung  in  der  That 
nichts  weniger  als  untrüglich  ist,  das  wird  sich  alsbald  zeigen.  Zwei 
Jahre  später  nämlich  hat  ein  deutscher  Bischof  durch  eiien  Rechts- 
spruch eine  Feuerprobe  angeordnet,  die  obendrein  einem  Priester  auf- 
erlegt wurde,  und  hat  am  heiligen  Orte  in  eigener  Person  das  glühende 
Eisen  geweiht.  Das  ist  jedoch  ein  Vorgang,  der  noch  ganz  andere  Seiten 
zeigt,  daher  wir  uns  vorderhand  mit  dieser  kurzen  Erwähnung  begnü- 
gen, um  gleich  nachher  im  geeigneten  Zusammenhange  ausAihrlich  auf 
den  Fall  zurückzukommen. 

Drei  Jahre  nach  dem  Straßburger  Ketzergerichte  endlich,  auf 
dem  großen  Lateranconcil  von  1215,   setzte  Innocenz  das  Verbot  der 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBUBG.  229 

kirchlichen  Einsegnung  von  Wasser-  und  Feuerproben  durch.  Diese 
Maßregel,  der  Anfang  eines  noch  sehr  entfernten  Endes,  ist 'nur  eben 
ein  Beweis,  wie  eng  bis  dahin  der  weltliche  und  der  geistliche  Richter 
Arm  in  Arm  gegangen  waren.  Daß  es  auch  in  Straßburg  so  gewesen, 
ist  schon  nach  dem  bisherigen  Thatbestande  nicht  zu  bezweifeln,  wird 
aber,  wenn  wir  an  den  rechten  Zeugen  kommen,  bald  vollends  ganz 
im  Klaren  sein.  Und  hätten  die  Geistlichen  sich  damals  auch  nur  im 
Verborgenen  arbeitend  des  weltlichen  Armes  bedient,  so  war  die  Wir- 
kung doch  die  gleiche;  und  so  blieb  es  auch  fernerhin:  denn  durch 
jenes  Verbot  war  es  ihnen  ja  keineswegs  niedergelegt,  den  weltlichen 
Arm  in  Bewegung  zu  setzen.  Man  sollte  nun  freilich  glauben,  die  Ent- 
ziehung der  kirchlichen  Weihe  habe  dem  Gottesurtheil  den  Boden  im 
Volke  untergraben,  und  das  hat  auch  offenbar  Innocenz  mit  dem  Ver- 
bote von  1215  bezweckt  Allein  es  scheint  nicht  einmal,  daß  das  Mittel 
zum  Zwecke  auch  nur  in  der  Kirche  selbst  überall  mit  dem  nöthigen 
Gehorsam  aufgenommen  worden  sei,  sofern  wenigstens  noch  um  das 
Jahr  1300  eine  Diöcesansynode  in  Bayeux  sich  veranlasst  sah ,  das 
Verbot  der  Einsegnung  von  Wasser-  und  Feuerproben  durch  Geistliche 
buchstäblich,  wie  es  im  achtzehnten  Canon  jener  vierten  Lateransynode 
steht,  zu  wiederholen  (Mansi  XXV,  67.  c.  35) ;  und  was  den  Volks- 
glauben betrifft,  so  hat  im  nördlichen  Deutschland  zum  mindesten  noch 
das  15.  Jahrhundert  zahlreiche  Beispiele  von  Gottesurtheilen  aufzu- 
weisen, ja  noch  das  16.  Jahrhundert  sah  sie  gedruckt  im  Landboek 
der  protestantischen  Ditmarsen*).  So  war  denn  also  mit  dem  Canon 
von  1215,  obwohl  er  übrigens  so  blutscheu  ist,  daß  er  den  Diaconen 
und  Priestern  die  Ausübung  der  Chirurgie  verbietet,  in  der  Sache  noch 
nicht  sehr  viel  gethan;  und  eines  ganz  andern  Verdienstes  kann  sich 
Friedrich  11  rühmen,  der,  allerdings  innerhalb  eines  imbeschränkten 
Machtgebietes,  die  Ordalien  mit  dem  stolzen  Hohne  des  wissenschaft- 
lichen Kopfes  aus  seiner  sicilischen  Gesetzgebung  strich. 


*)  Daß  aber  noch  1563  ein  Franenzimmer  dort  die  Eisenprobe  glücklich  be- 
standen habe,  wie  norddeutsche  Gelehrte  aus  der  Ditmarsischen  Chronik  des  Neoconis 
(n,  247)  schließen ,  das  beraht  auf  einem  kurzweiligen  3iissyerstaDd.  Der  Text  erzählt 
nämlich,  von  einer  Rüge  handelnd,  die  sich  jene  Person  abseiten  ihres  Pfarrers  zuzog, 
daß,  „deioile  na  Vorwerpinge  eines  laene  se  gelickwol  im  jungfruwlichen  Vlege 
(Kopfputz)  de  Kerken  besochte,  he  solches  mit  gehörender  JEmsthaffticheit  gestrafft' unnd 
under  andern  geseeht:  dar  sistu  und  dregst  dine  Blomen  im  Nacken  ^  averst  de  besten 
Blomen  de.  sindt  dar  all  van  wech"  Die  hervorgehobenen  Worte  aber  bedeuten  ganz 
und  gar  nicht  die  glückliche  Bestehung  einer  Eisenprobe ,  sie  lauten  vielmehr  hoch- 
deutsch :  ,,nach  Abwerfung  (Verlust)  eines  Hufeisens",  —  ein  allbekannter  volksthüm- 
lieber  Ausdrucki  der  keiner  Erklärung  bedarf.    (Vgl.  übrigens  Grimm  D.  W.  UI,  3^.) 


230  HERMANN  KUKZ 

Allein  nicht  nur  Ereignisse  des  Tages  waren  die  Gottesurtheile 
flir  den  damals  Lebenden :  sie  traten  auch  in  der  Gestalt  der  Vergan- 
genheit an  ihn  heran  und  forderten  auch  so  noch  seinen  Glanben.  Jene 
Richardis^  jene  Knnigunde^  die  uns  aus  den  Geschichts-  und  Legenden- 
büchem  so  fragend  ansehen  ^  ihm  standen  sie  nicht  bloß  in  diesen^ 
sondern  auch  im  Heiligenkalender:  sie  waren  von  der  Kirche  selbst 
seinem  Nachdenken  empfohlen,  die  eine,  man  weiß  nicht  recht  seit  wie 
lange,  die  andere  erst  ganz  neuerdings. 

Diese  Ksiseriii  des  11.  Jahrhunderts,  Gemahlin  Heinrichs  H,  ist 
als  angehende  Heilige  gewissermaßen  unseres  Dichters  Zeitgenossin 
geworden.  Am  3.  April  1200  hat  der  Bamberger  Clerus  ihre  Heilig- 
sprechung erlangt  In  der  noch  vorhandenen  Oanonisationsbulle  geht 
Papst  Linocenz  zwar  nicht  ganz  so  weit  wie  die  Acta  Sanctorum,  die 
von  ihr  erzählen,  sie  habe  einst  ihren  Handschuh  an  einem  Sonnen- 
strahle aufgehängt :  doch  rühmt  er  ihr  nebst  vielen  über  ihrem  Grabe 
geschehenden  .Wunderheilungen  nach ,  daß  Staub ,  von  dieser  Gruft 
genommen,  sich  häufig  schon  in  Korn  verwandelt  habe.  Auch  vergisst 
er  nicht,  in  ihrer  Lebensgeschichte  hervorzuheben,  daß  sie,  um  sich 
von  einem  ^gewissen  Verdachte"  zu  reinigen,  über  glühend  gemachte 
Pflugscharen  mit  nackten  Füßen  unversehrt  gewandelt  sei.  (A.  S.  Mart.  I, 
275.  282.)  Daß  sothaner  Wandel  in  den  Augen  der  Kirche  eine  Ver- 
suchung Gottes  war,  blieb  ihm  flir  diesmal  aus  dem  Spiele. 

Nun  haben,  wie  wir  ja  hinreichend  aus  Gottfried  wissen,  derlei 
Wimder  damals  so  gut  wie  heute  ihre  Critik  gefunden,  aber  die  da- 
malige Critik  hatte  einen  etwas  andern  Standpunct  als  die  heutige. 
Diese  wirft  legendenartige  Bestandtheile  der  Geschichte,  wie  die  Er- 
zählungen von  den  beiden  genannten  Kaiserinnen,  meist  stiUschweigend 
oder  ausdrücklich  weg:  jene  war  schon  durch  das  kirchliche  Gebot 
herausgefordert,  in  gewissem  Sinne  an  ihre  Thatsächlichkeit  zu  glauben. 
Auch  hatte  sie  dazu  ihre  guten  Gründe :  ftlr  die  Anschauung  der  Den- 
kenden jener  Zeit  nämlich  hat  die  betreffende  Wundergeschichte  einen 
greifbaren  Kern,  und  das  Wunder,  ob  es  sich  nun  zu  Gunsten  oder 
zu  Ungunsten  des  Angeklagten  entscheidet,  ob  dieser  feuerfest  und 
unschuldig  oder  versengt  und  schuldig  aus  der  Probe  hervorgeht,  das 
Wunder  ist  flir  sie  das  gleiche,  nur  daß  eö  in  ersterer  Form  dem  Tech- 
niker ein  wenig  mehr  zu  schaffen  macht.  Denn  die  Sache  verhielt  sich 
keineswegs  etwa  so,  daß  alle  Gottesurtheile  mit  glücklichem  Ausgang 
der  Vergangenheit  angehörten  und  die  entgegengesetzten  der  Gegen- 
wart, daß  man  jene  flir  zweifei-  und  fabelhaft  erklären  konnte  oder 
musstC;  weil  diese  nur  allzu  glaublich  Waren.  Nein,  Gottesurtheile  mit 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBUKG.  231 

glücklichem  Ausgang  gab  es  auch  jetzt  noch  im  zweifellosen  Tages- 
lichte der  Gegenwart,  imd  si&  waren  ganz  und  gar  keine  Fabeln*). 
Nur  zwei  Jahre  nach  der  scheußlichen  Straßburger  Feuerprobe  wurde 
in  Halberstadt  eine  ganz  andere  aufgeführt,  die  aufs  allerangenehmste 
ablief  und  uns  in  einer  mit  selbstvärrätherischem  Behagen  abgefässten 
Urkunde  überliefert  ist**). 

Dies  ist  jener  vorhin  kurz  berührte  Fall,  auf  den  wir  jetzt  aus- 
führlich zurückzukommen  haben.  Der  Vorgänger  des  dortigen  Bischofs 
Friedrich,  Bischof  Konmd,  hatte  im  Jahre  1206  ein  Nonnenkloster  ge- 
stiftet, welches  bald  hernach  aus  der  Stadt  in  ein  vor  dem  Thore  ge- 
legenes Haus  verlegt  wurde,  dessen  bisherige  Insassen,  Tempelherren, 
mit  den  Nonnen  tauschen  mussten.  Offenbar  haben  die  letzteren  bei 
dem  Tausche  gewonnen,  denn  noch  Caspar  Abel  in  seiner  Chronik 
von  1754  bezeichnet  ihr  oder  vielmehr  ihrer  Nachfolgerinnen 'Kloster 
als  ein  Haus,  „wonnnen  sich  diese  Nonnen  mit  ihrem  Probste  gar  wohl 
befinden.*  Sie  besaßen  aber  auch,  die  Vorfahrerinnen  nämlich,  einen 
Versorger,  der  seines  GHeichen  suchte,  Bruder  öoswin,  zugleich  ersten 
Probst  am  Chorhermstifte  zu  U.  L.  Frauen.  Unsere  Urkunde  rühmt 
von  ihm,  „er  habe  diesen  Weinberg  des  Herrn,  die  neue  Pflanzung 
der  heiligen  Jungfrauen,  als  ein  fleißiger  Pflanzer  angebaut  und  Grotte 
wie  dem  Nächsten  fruchttragend  gemacht,  also  daß  sozusagen  der  Reb- 
stock selbst  die  Süße  des  Geruchs  vervielfältiget  habe."  Er  war  es 
ohne  Zweifel,  auf  dessen  Betrieb  die  Templer  das  Haus  räumen  muss- 
ten, das  sie  als. Donation  vom  Bischof  inne  hatten;  ja  schon  die  erste 
Anlage  des  heiligen  Weinbergs  mag  sein  Werk  gewesen  sein. 


*)  Später  noch  berichten  die  Colmarer  Annalen  z.  J.  1278  lakonisch :  Item  ni- 
sticos  quidam  de  Villingen  candens  ferrum  portavit  nuda  manu  sine  corporis  laesione. 
Es  wäre  verdienstlich ,  sämmtliehe  einzelne  Fälle ,  die  man  als  historisch  beglaubigt 
ansehen  kann,  sowohl  die  glücklichen  als  die  unglücklichen,  besotiders  aber  diejenigen, 
über  welche  Näheres  berichtet  ist,  der  Zeitfolge  nach  zusammenzusteUen. 

**)  Diese  so  nützlich  als  lustig  zu  lesende  Urkunde  ist  von  Wigand  ohne  allen 
Commentar,  bloß  mit  der  Bemerkung,  sie  beweise,  „daß  man  damals  schon  die  Mittel 
kennen  musste,  durch  welche  in  unsem  Tagen  Unverbrennliche  bloß  im  Gaukelspiel 
getäuscht  haben,  **  im  Archiv  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  Westphalens  Y,  46  ff. 
veröffentlicht.  Über  die  Gründung  und  Verlegung  des  Nonnenklosters,  wovon  oben  ge- 
handelt wird,  gibt  es  eine  Urkunde  des  Bischofs  Eonrad  von  1208,  die  in  Leuckfelds 
Antiquitates  nummaiiae,  S«  119—124,  abgedruckt  ist,  nur  daß  man  S.  122  Gosvinum 
statt  Corvinum  lesen  muss«  Derselbe  wird  dort  vir  utique  providus  et  Domino  devotus 
genannt.  !Bine  Urkunde  von  1218  sodann,  worin  Gosvin  als  Praepositus  Novi  operis 
in  Halberstadt  vorkommt,  findet  sich  bei  Meibom  Rer.  germ.  T.  III^  150.  —  So  viel 
für  denjenigen,  der  sich  über  die  betreffenden  Verhältnisse  näher  zu  unterrichten  wünscht. 


232  HERMANN  KURZ 

Als  nun  Bischof  Konrad ,  der  Welt-^  und  Kirchenläufe  herzlich 
müde,  1209  mit  Gewalt  abgedankt  hatte,  trat  der  Probst  vom  neuen 
Werke  (wie  er  anderwärtig  heißt)  vor  den  neuen  Bischof  und  klagte 
die  bösen  Templer  an,  weil  sie  seiner  Pflanzung  anderthalb  Höfe  und 
ein  Wiesenland  nicht  in  Gutem  lassen  wollten.  Die  Angelegenheit  muss 
freilich  etwas  unklar  gewesen  sein,  denn  sie  wurde  nach  langem  Streite 
schiedsgerichtlich  dahin  entschieden,  daß  der  Probst  zwar  im  Besitze 
blieb,  den  Tempelbrüdem  aber  zur  Vergütung  zwanzig  Mark  —  nach 
heutigem  Sachwerth  beiläufig  zweitausend  Gulden  *)  —  zahlen  musste. 
Kaum  war  dieser  Handel,  der  bis  gegen  1214  gewährt  zu  haben  scheint, 
geschlichtet,  so  brachte  der  unverdrossene  Pflanzer  abermals  eine  Klage 
vor,  des  Inhalts,  die  Templer  hätten  bei  ihrer  Conventverlegung  (1208) 
verschiedene  kirchliche  und  weltliche  Geräthschaften,  dazu  Bücher  wie 
auch  Urkunden  mitgenommen  und  bisher  mäuschenstill  in  Verschluss 
behalten;  was  aber  diese  „beharrlich  leugneten".  Ob  hiebei  das  Mit- 
nehmen überhaupt  geleugnet  oder  ob  nur  in  Abrede  gezogen  wurde, 
daß  das  Mitgenommene  Eigenthum  des  neuen  HausQS  sei,  das  lässt 
die  Urkunde  weislich  im  Dunkeln. 

Um  nun  beiden  Theilen  gerecht  zu  werden  und  die  Wahrheit  an 
den  Tag  zu  bringen,  beschließt  der  Bischof  —  der,  wie  aus  dem  Winzer- 
liede  auf  seinen  in  Christo  geliebten  Probst  fast  überlaut  herausklingt, 
ein  jovialer  Herr  gewesen  sein  muss  —  der  Bischof  beschließt  im  Rathe 
nachbenannter  Cleriker  und  Laien,  den  Fall  durch  das  glühende  Eisen 
entscheiden  zu  lassen.  Nicht  etwa,  daß  die  Templer  Gott  versuchen 
sollten,  ei  bewahre:  der  Probst  vielmehr,  der  treue  Weinberghüter, 
durfte  für  seine  Eebst3cklein  durchs  Feuer  gehen,  und  siehe,  aus  wil- 
ligem Herzen  und  mit  heiterer  Stime  sagte  er  zu  dem  Spruche  Ja. 
Die  Templer  hatten  entweder  keine  Witterung,  welch  ein  Salamander 
in  dem  Manne  steckte,  oder,  was  wahrscheinlicher,  ihre  Einsprache 
war  ohne  Kfaft.  Und  so  geschah  es  den  14.  Juni  im  Jahre  des  Herrn 
1214,  daß  in  der  Domkirche  zu  Halberstadt  in  feierlicher  Synode,  vor 
geistlichen  imd  weltlichen  Zeugen,  der  Bischof  am  Altar  des  h.  Stephan 
das  Eisen  weihte  und  der  Probst  Feuerkönig  das  durchaus  glühende 
Eisen  von  diesem  Altar  durch  das  SchilflF  der  Kirche  bis  zum  Marien- 
altare  tragend  die  Probe  bestand.  Ja  und  er  bestand  sie  „mit  Eleganz" : 


*)  Walther  von  der  Vogelweide  klagt,  Herr  Gerhard  Atze  habe  ihm  zu  Eisenach 
ein  Pferd  erschossen,  das  wohl  drei  Mark  werth  gewesen  sei.  Nun  wird  der  Werth 
eines  damaligen  Kitterpferdes  mindestens  dem  eines  heutigen  guten  Cavaleriepferdes 
entsprechen,  den  man  durchschnittlich  zu  dreihundert  Gulden  anschlagen  kann.  (VgU 
S^d^If  Mensel  Da«  Leben  Walthers  von  der  Vogelweide  S.  251.) 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.  233 

denn  wenn  man  dem  in  seinem  Herrn  und  Gott  so  kreuzvergnügten 
Bischöfe  glauben  darf,  so  hatte  das  Eisen  die  Hand  nicht  bloß  in  keiner 
Weise  versengt,  sondern  sie  wurde  nachher  noch  viel  heiler, 
denn  sie  zuvor  gewesen.  Worauf  die  versammelte  Menge  in  Zuruf 
und  Lobgesang  ausbrach  und  die  Templer  den  Spott  zum  Schaden 
hatten.  Sie  werden  nämlich  jetzt  als  verblüffte,  überführte,  geständige 
und  genugthuungswillige  Sünder  dai'gestellt. 

Die  Urkunden,  die  sie  nebst  den  andern  kostbaren  Habseligkeiten 
herausgeben  mussten,  betrafen  ohne  Zweifel  wichtige  Besitzrecbte, 
deren  Geltendmachung  für  künftig  hintertrieben  war. 

Der  Bischof  aber  stellte  über  das  Geschehene,  „auf  daß  es  nicht 
mit  der  Zeit  in  Vergessenheit  gerathe  oder  in  Zweifel  gezogen  werde", 
eine  Urkunde  aus,  unter  welcher  nebst  seinem  gesammten  Capitel  zwölf 
Abte  und  Pröbste  der  zugehörigen  Klöster  und  siebzehn  edle  Laien, 
worunter  drei  Grafen,  im  Ganzen  dreiundvierzig  Genannte  „et  alii  quam 
plures",  als  Zeugen  stehen*).   Ein  Magister  Joannes,  den  man  in  der 


*)   Die  YoUständige  Urkunde,   die  der  Liebhaber  doch  wobl  ungern  hier  ver- 
missen würde,  lautet  (nur  mit  Weglassung  der  massenhaften  Zeugennamen)  wie  folgt: 

In  nomine  sanctae  et  individuae  Trinitatis. 
Fridericus  Bei  gratia  Halberst.  Episcopus  in  perpetuum.  Ut  ea,  quae  ad  bonum 
pacis  ordüiata  sunt,  robur  obtineant»  et  ne  illa,  quae  pro  muniendo  ipsius  Concordiae 
bono  in  nostra  Praesentia  facta  fuerunt,  diductu  temporis  deleantur  oblivione,  aut  vo- 
centnr  in  dubium,  idcirco  notum  esse  volumus  omnibus  et  singulis  Christi  fidelibus, 
qualiter  dilectum  in  Christo  fratrem  Goswinum  sanctae  Mariae  in  suburbio  civitatis 
nostrae  primum  praepositum,  qui  vineam  hanc  Domini,  noveUam  scilicet  plantationem 
sacrarum  Yirginum,  ut  sedulus  Plantator  ezcoluit  et  fructiferam  Deo  et  proximo  red- 
didit,  ut  ipsa  quasi  vitis  multiplicaverit  suavitatem  odoris,  et  dilectos  in  Christo  firatres 
militiae  Templi,  qui  ipsi  praeposito  in  restituendis  quibusdam  bonis,  quae  injusta  pos- 
sessione  retinuisse  argnebantur,  hucusque  graves  extiterunt,  dante  Domino  fecimus  con- 
cordari.  Jam  dictus  siquidem  praepositus  cum  firatribus  Templi  commutationem  locorum 
suorum,  procurante  venerabili  domino  nostro  Conrado  Episcopo,  Praedecessore  nostro, 
nunc  autem  Domino  in  contemplatione  mandatorum  suomm  serviente  in  Sichern,  com- 
muni  hinc  inde  consensu  fecisse  dinoscitur.  Super  quibusdam  autem  bonis,  uno  Manso 
scilicet  in  Campo  Langensteen,  dimidio  Manso  in  Neindorp,  uno  prato  juxta  Holtemma, 
diu  inter  se  disceptabant,  quae  tandem  causa  prudentum  virorum  studio,  quorum  arbi- 
trio  se  quaelibet  pars  sponte  submiserat,  eo  judicio  composita  est,  ut  praepositus  prae- 
dicta  bona  quidem  pro  usu  suae  Ecclesiae  retineat,  sed  fratribus  Templi  in  aliqualem 
recompensam  aut  solatium  viginti  Marcas  prae)l»eat,  quod  et  factum  est  in  praesentia 
plurium  Testium.  Sed  paulo  post  iteratam  ad  nos  Praepositus  retulit  querimoniam, 
quatenus  fratres  Templi  varia  Supellectilium  tam  ecclesiasticarum  quam  profanarum 
genera,  et  Libros,  seu  Chartas  in  translatione  Conventus  secum  tulissent  et  hucusque 
danculum  reservassent.  Unde  Nos  utrique  Justitiam  fieri  et  Yeritatem  eruere  cupientes,. 
habito  prius  tam  Clericorum  quam  Laiconmi;  quorum  nomina  subscripta  sunt,  ConsiUO| 


234  HERMANN  KURZ 

Reihe  der  Capitularen  liest^  ist  wahrscheinlich  der  unter  dem  Namen 
Johannes  Teutonicus  berühmte  Rechtslehrer  imd  Glossator  des  Decretum 
Gratiani^  der  in  dieser  Gewissensfrage  sein  allenfalls  rechthaberisches 
Herz  den  goldnen  Satz  „Gehorsam  ist  des  Christen  Schmuck^  lehren 
musstC;  seine  Glossen  über  das  Prodigium  jedoch  der  Nachwelt  vor- 
enthalten zu  haben  scheint ''^)« 

Papst  Innocenz  war  allerdings  herzlich  unschuldig  an  solcher  „vul- 
gären^ Justiz^  schon  deshalb ,  weil  er  diesen  Bischof  als  Anhänger 
Kaiser  Ottos  entsetzt  imd  in  den  Bann  gethan  hatte.  Bereits  im  vorher- 
gegangenen Jahre  hatte  er  geklagt^  daß  derselbe  trotz  derExcomniu- 
nication  öffentlich  Gottesdienst  halte^  und  hatte  Commissäre  gegen  ihn 
aufgeboten  (Ep.  XVI,  71),  obwohl,  wie  der  so  eben  erzählte  Vorgang 
aufs  Grellste  darthut,  ohne  allen  Erfolg.  Im  Sinne  des  Papstes  nun 
freilich  war  jene  Synode  eher  alles  andere  als  ein  geistliches  Gericht: 
allein  hiermit  ist  der  Beweis  nicht  entkräftet,  den  der  Vorgang  gegen 
die  päpstliche  Bemerkung  fOhrt,  daß  nur  der  weltliche  Richter  sich 
des  Gottesurtheils  bediene.  Nicht  daß  der  Bischof  eine  Feuerprobe  an- 
ordnete, sondern  daß  er  dem  päpstlichen  Bannsprach  zum  Trotz  sein 
Amt  auszuüben  fortfiihr,  war  der  große  Frevel  wider  das  Haupt  der 
Kirche,  den  jene  Zugabe  höchstens,  Angesichts  d^  wohlbekannten  ober- 
hirtlichen  MissbiUigung  der  Gottesurtheile,  ein  wenig  erschwert,  übri- 
gens hat  der  Rebell  zeitig  seinen  Frieden  mit  dem  Papst  gemacht; 
drei  Jahre  nach  der  Scandalsjnode  von  Halberstadt  finden  wir  (in  der 


ad  praelibatam  discordiam  sopiendam,  cum  Fratres  TempH  instanter  negarent,  caaasam 
igniti  fem  examinatione  determinandam  statuimns,  cm  sententiae  non  sponte  minufi  ac 
hilariter  Praepositus  annuebat.  Ergo  decima  octava  Calendas  Julii  in  majore  nostra 
Ecclesia  cnm  alüs  Dei  famulis,  nostri  videlicet  majoris  Capitoli  Canonieis,  AbbaÜbu» 
et  Praepositis,  Synodmn  celebrayimas  et  cum  ploribns  tarn  Clericis  quam  Laicis  con- 
venientes  ibidem  in  Altari  S.  Stephani  Protomartyris  Ferrum  benediximus,  quod  ferrum 
omnino  candens  et  plane  ignitum  Praepositi  manum  illud  per  Ecclesiae  navem  ad  Al- 
tare Stae.  Mariae  portantis  non  solum  nullatenus  combussit,  sed,  ut  Tidebatur,  multo 
aftniorem  postea  reliquit.  Quo  viso  omnis  praesentium  multitudo  acclamabat,  Laude» 
Deo  coneinens,  et  Fratres  Tempil  non  modice  stupefacti  eoque  prodigio  palam  confhsi 
nobis  ealpam  professi  sunt,  seque  in  omnibus  juste  satisfacere  aut  retenta  reddere  yelle 
sposponderunt.  Quod  et  placitum  fuit  utrobique.  Hujus  rei  Testes  snikt  etc.  Acta  sunt 
haec  Anno  Dominicae  Ineamationis  1214,  Indictione  prima,  Oonsecrationis  nostrae 
quinto.  Ne  igitur  super  hoc  £acto  aliqnod  impostemm  habeatar  ambigunm,  hanc  Pagi- 
nam  inde  conscriptam  Sigilli  nostri  Impressione  fecimus  insigniri. 

*)  t^brigens  steht  in  dem  Becretnm  Gratiani  bei  dem  Canon,  in  welchem  Papst 
ßtephan  V  von  den  Gottesurtheilen  als  von  einer  superstitiosa  adinventione  spricht 
(Causa  n,  quaestio  5,  c.  20),  die  getroste  Glosse:  Superstitiosa.  Utili  enim,  et  neces- 
saria  licet.  Zu  deutsch :  „Abergläubisch !  Heißt  das :  nützlich  und  allewege  nothwendtg.*^ 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.  235 

Ursperger  Chronik)  den  Bischof  Friedrich  in  Gemeinschaft  mit  Konrad 
von  Marburg  beflissen,  den  Kreozzug  zu  predigen.  Er  hatte  noch  zu 
Innocenz'  Lebzeiten  damit  begonnen  und  dauerte  jetzt  aus,  während 
nach  dessen  Tode  die  andern  Prediger  erkalteten;  das  sicherste  Mittel, 
die  Gunst  der  Curie  wieder  zu  gewinnen«  Auch  hat  er  von  da  an  un- 
angefochten  noch  zwanzig  Jahre  lang  regiert.  Es  ist  also  gleichwohl 
zureichend  dargethan,  daß  unter  Innocenz  HI  nicht  bloß  der  weltliche, 
sondern  auch  der  geistliche  Bichter,  wenn  es  ihm  beliebte,  zu  dem 
vom  Papst  verworfenen  Auskunftsmittel  griff,  ja  daß  selbst  ein  Bischof, 
imd  ein  gebannter  gar,  die  Posse  mit  dem  höchsten  kirchlichen  Pompe 
«mgestraft  in  Scene  setzen  konnte^  wenn  er  sich  nur  wegen  der  un- 
befugten Amtsführung  übeirhaupt  mit  der  Eorche  wieder  auszusöhnen 
wusste.  Und  welcher  Zustimmung  er  sich  dabei  in  der  eigenen  nächsten 
Umgebung  erfreute,  dafür  gibt  die  Synode  des  Halberstadter  Sprengeis 
einen  Vollbeweis.  Bei  solchem  Stand  der  Dinge  mag  man  die  Schüch* 
temheit  begreifen,  womit  der  Beschluß  des  Concils  von  1215  dem 
alten  Giftgewächse  eine  so  schwach  geschliffene  Axt  an  die  zähe  Wurzel 
legt.  Auch  fragt  es  sich  jetzt  sehr,  ob  nicht  Innocenz  mit  jener  Be- 
merkung in  dem  Schreiben  an  den  Bischof  von  Straßburg  —  wofern 
man  auf  eine  vulgäre  Sache  ein  vulgäres  Sprichwort  anwenden  darf  — 
den  Sack  schlug  und  den  Esel  meinte  *). 

Die  herausfordernde  Frivolität  indessen,  die  in  der  Veranstaltung 
und  Beurkundung  des  Halberstadter  Wunders  athmet,  macht  es  zur 
Pflicht,  aus  weiteren  Zeugnissen  zu  erforschen,  in  welchem  Geiste  die 
Pfaffheit  jener  Tage  von  dergleichen  Dingen  zu  reden  fähig  war.  Und 
zwar  wird  man  die  Predigt  zugleich  in  ihren  Wirkungen  kennen  lernen, 
wenn  man  sie  aus  dem  Munde  der  Unmündigen  hört,  in  deren  Kopfe 
sie  nicht  gewachsen  ist,  die  vielmehr  Andern  nachsprechen  und  atys 
ihren  Reden  jene  Füchse  und  Wölfe,  wie  Probst  Goswin  imd  Bischof 


*)  Man  muss  ihm  übrigens  das  Zeugniss  geben,  daß  er  in  Italien  selbst,  im  Mittel- 
puncte  seiner  Herrschaft;,  etwas  strenger  yerfdhr«  Im  Sprengel  des  Bischofs  von  Albenga 
war,  wie  ihm  berichtet  wurde,  ein  Mann  wegen  Diebstahls  angeklagt  worden  und  hatte 
sich,  sei  es  in  Verzweiflung,  sei  es  im  gottvertrauenden  Bewusstsein  der  Unschuld,  zum 
glühenden  Eisen  erboten.  Das  Eisen  verbrannte  ihm  die  Hand,  und  der  Bischof  ließ  ihn 
hängen.  Der  Papst  aber  erkannte  auf  erhaltenen  Bericht  hin,  der  Bischof  habe  sich  durch 
die  Anordnung  der  Feuerprobe  und  die  Hinrichtung  des  Mannes  schwer  vergangen,  daher 
derselbe  zu  entsetzen  sei.  Doch  ließ  er  sich  durch  zwei  Jahre  langes  Bitten  des  Suspen- 
dierten zu  einer  erneuerten  Untersuchung  bewegen,  deren  Ausgang  unbekannt  geblieben  ist; 
nur  daß  er  der  Behauptung  des  Bischofs,  der  Bericht  sei  nicht  ganz  wahrheitsgetreu  ge- 
wesen, mehr  Glauben  geschenkt  zu  haben 'scheint,  als  sie  offenbar  verdiente.  (Eptst  In* 
»ocentü  III,  XI,  187.  XIII,  134.) 


236  R-  HILDEBRAND,  ZU  GEEM.  X,  146. 

Friedrich,  leibhaftig  durchblicken  lassen.  Hierzu  eignet  sich  Niemand 
besser,  als  ein  unmittelbarer  Zeitgenosse  Gottfrieds,  der  schon  genannte 
Wimdemovellist  Cäsarius  von  Heisterbach.  Derselbe  wird  mit  Recht 
al»  eine  Fundgrube  flir  die  Culturgeschichte  gepriesen,  sofern  er  nämlich 
nicht  bloß  einen  reichen  Schatz  christlicher  und  christlich  verkleidet  fort- 
lebender heidnischer  Mythen  enthält,  sondern  auch  durch  imbewusste 
Winke  den  Leser  in  den  Stand  setzt,  denen,  welche  diese  Mythen  mehr 
oder  minder  arglos  verbreiteten,  psychologisch-critisch  in  die  Karten 
zu  schauen.  Dieser  imerschöpfliche  Fabulant  nun,  der  viel  zu  treu- 
herzig war,  um  bei  dem  Gedanken  zu  erschrecken,  daß  die  Beispiele 
des  Guten  und  Bösen,  die  er  für  seine  dämmerungsseligen  Kloster- 
brüder zusammentrug,  auf  eine  Behendere  Nachwelt  kommen  könnten, 
widmet  den  dritten  Abschnitt  seines  Dialogus  miraculorum  den  wunder- 
baren Wirkungen  der  Beichte,  des  kirchlichen  Gnadenmittels,  ohne 
welches  ihm  die  innere  Reue  und  Zerknirschung  gar  nicht»  ist.  Einigeia 
dieser  Geschichtchen  müssen  wir  auf  den  Zahn  fühlen,  *) 


zu  GERM,  X,  145. 

Die  kurze  Mittheilung  dort  über  das  mittelalterliche  höfische  dringen 
endigte  mit  einer  Nachweisung,  daß  die  wunderliche  Sitte  sich  in  Eng- 
land als  zierende  Zuthat  zu  Staatsactionen  bis  in  die  Gegenwart  er- 
halten habe,  von  der  öffentlichen  Meinung  aber,  z.  B.  von  den  Times, 
bekämpft  werde.  Ich  schloß  mit  der  Frage,  ob  der  wunderliche  Ge- 
brauch endlich  abgeschafft  worden  sei,  und  bin  darauf  die  Antwoi*t 
schuldig.  Wirklich  ist  wenige  Jahre  nachher,  im  J.  1867,  jener  lustige 
und  lästige  Rest  des  mittelalterlichen  Hoflebens  endlich  beseitigt  worden^ 
bei  der  Parlamentseröffnung  am  5.  Februar  jenes  Jahres.  Da  hat  zu 
diesem  Zwecke  vor  dem  Einrücken  in  den  Thronsaal  der  Sprecher 
eine  Ansprache  gehalten  an  die  Herren  vom  Unterhause,  nachdrücklich 
und  etwas  schulmeisterlich,  und  im  Corridor  ist  eine  eiserne  Barriere 
gezogen  gewesen,  daß  die  Herren  nur  zwei  Mann  hoch  antreten  konn- 
ten, und  so  ist  da  zum  ersten  Mal  seit  Jahrhunderten  die  edle  Schaar 
nicht  dringend  und  drängelnd,  wie  Kinder  des  dreizehnten,  sondern 
ehrbar  schreitend  wie  Kinder  des  neunzehnten  Jahrhunderts  in  den 
Thronsaal  eingerückt.  Genaueres  in  der  Augsb.  Allg.  Zeit,  vom  9. 
und  10.  Febr.  1867. 

LEIPZIG.  R.  HILDEBRAND. 


*)  Der  Bchluß  des  Artikels  folgt  im  näclisten  Hefte.     DIE  RED. 


237 


LITTEEATÜR. 


Lieder  und  sprüche  der  beiden  meister  Spervogel.  Mit  einleitung,  textkritik 

und  Übersetzung  herausgegeben  von  Heinrich  Gradl.  Mit  Subvention  der 
k.  k.  akademie  der  Wissenschaften  in  Wien,  (Auch  u.  d.  T. :  Zur  Literatur 
des  Egerlandes.  Herausgegeben  von  Heinrich  Gradl.  1«  band:  Lieder  und 
Sprüche  der  Spervogel.)  Prag,  J.  G.  Calve'sche  k.  k.  Üniversitätsbuchhandlung. 
1869.  Vn  und  71  Seiten.  8®. 

Bei  dem  Mangel  an  Nachrichten  von  dem  Leben  imserer  mittelalterlichen 
Dichter  ist  es  von  großem  Werthe,  ihre  Namen  in  Urkunden  nachweisen  zu  können. 
Und  wirklich  ist  es  unseren  Forschem  gelungen,  auf  diesem  Wege  unter  sorgfältiger 
Berücksichtigung  aller  Momente,  welche  hier  in  Betracht  kommen,  für  eine  Anzahl 
der  Dichter  bald  mit  größerer,  bald  mit  geringerer  Sicherheit  Zeit  und  Heimat 
festzustellen. 

Zu  denen,  welche  sich  bisher  allen  Bemühungen  entzogen,  gehört  Spervogel. 
Es  ist  ein  besonderer  Zufall,  daß  zwei  Versuche,  auch  diesen  Dichter  urkundlich 
nachzuweisen,  jetzt  fast  zu  gleicher  Zeit  hervortreten.  Der  eine  von  Seiten  des 
wackeren  Freiherrn  von  Laßberg,  von  dem  wir  allerdings  schon  früher  durch  Hoff- 
mann von  Fallersleben  in  seinen  Fundgruben  I,  268  und  durch  v.  d.  Hagen  in  den 
Minnesängern  IV,  655  dunkele  Kunde  hatten.  Der  eben  erschienene  Briefwechsel 
zwischen  Laßberg  und  Uhland,  der  uns  des  alten  Jägermeisters  Bild  und  Verdienste 
wieder  lebhaft  in  Erinnerung  bringt,  gibt  Näheres  auf  Seite  78,  82  und  84.  Ich 
bin  in  der  angenehmen  Lage,  die  urkundlichen  Mittheilungen,  auf  welche  Laßberg 
Seite  78  anspielt,  hier  geben  zu  können,  indem  mein  lieber  Freund  Wagner  seine 
zu  eigenem  Gebrauche  aus  Laßbergs  Nachlass  gemachten  Aufzeichnungen  mir 
bereitwilligst  zur  Verfügung  stellt. 

Im  Besitze  des  Bischofs  Keller  zu  Rotenburg  befand  sich  eine  Pergament- 
handschrift aus  dem  14.  Jh.  in  Großfolio  M,  Nr.  82 :  Jarzeit  buch  der  kirchen  in  der 
Uffiiau.  Daselbst  findet  sich  auf  Blatt  29^:  Item  do  man  zollt  nach  der  gehurt  unsera 
heren  Jesu  christj  MCCCClxxxvij  Jar  do  hat  gerold  apuogel  Amen  des  wirdig&a 
gotz  hua  eisidlen  buwen  die  cajppel  zu  hurden  und  die  lasen  wichen  in  der  ere  der  hei- 
ligen tryfaUikaity  unser  liehen  frowen  der  muter  gotz  und  der  heligan  appostlen  petri 
und  paulj  und  geualt  jarlich  kilchwichung  am  sontag  nach  sant  ferenatag  und  hat 
gehen.v  Ih,  geltz  ewiger  giSilt  an  de  huw  der  ohgemellten  cappel.  Auf  derselben  Seite 
kommt  der  Name  noch  zweimal  vor.  Andere  desselben  Geschlechtes  verzeichnet 
das  Necrologium  Bl.  18^:  august:ij  kal:  ohiit  Johes  Speruogel  de  Hürden» ,  ., 
Bl.  19":  Septeniber:  iiij,  non :  ohiit  Rudolfus  Speruogel  de  hurden,.,  und 
BL  19^:   Verena  Spervoglin  de  Hurden,  .  . 

Es  ist  nicht  zu  verwundem,  daß  unserm  Freiherm,  der  ja  alle  alten  Dichter 
so  gerne  zu  Schwaben  und  Alemannen  machte,  auch  für  unsem  Spervogel  alsbald 
die  schweizerische  Herkunft  einleuchtete.  Mit  dem  Nachweis,  daß  der  Name  irgend- 
wo und  irgendeinmal  vorkomme,  ist  indess  nichts  gewonnen.  Es  verhält  sich  hier 
wie  mit  d^m  Vogelweide.  Denn  mag  man  den  Namen  deuten  wie  Jacob  Grimm,  als 
*Zuruf  an  Vögel,  die  man  füttert,  aufzusperren'*),  oder  wie  Albert  Schott  als  'Sperr' 


*)  Gedrungene,  oft  harte  ja  herbe  Kürze  ist  bei  unsem  Fachgenossen  bekanntlich 
beliebt,  wo  es  sich  um  entgegenstehende  Meinungen  liandelt.  Tadeln  muss  ich  es  aber, 


238  LITTERATÜR. 

(den)  Vogel  (ein)  =  aviarios,  Vogelhalter'  oder  wie  Uhland  scUeclitliin  als  *Sper- 
liug',  er  ist  im  einen  Falle  der  Beiname  eines  niedem  Dienstmannes,  im  andern 
der  eines  Bürgerlichen  und  mag  häufig  vorgekommen  sein,  wenn  auch  alte  Ur- 
kunden seiner  nicht  erwähnen. 

Größeren  Wert,  als  den  eines  Citates  für  ein  Namenbuch,  hat  auch  der  zweite 
Versuch  unseren  Dichter  nachzuweisen,  mit  dem  wir  uns  hier  zu  beschäftigen 
haben,  nicht. 

Herr  Gradl  beginnt  S*  1  seines  Schriftchens  folgendermaßen :  In  Eger 
existirten  die  Spervogel  als  ein  uraltes  bürger*  und  patriziergeschlecht*  Bereits 
im  jähre  1292  treten  sie  schon  als  eines  der  reicheren  auf,  indem  sie  den  neu- 
bau  deshiesigen  dominikanerklosters  bedeutend  dotirten,  weshalb  auch  ihr  geschlechts- 
Wappen  früher  oberhalb  der  hauptpforte  aufgehängt  war.  Urkundlich  kann  ich  den 
namen  Spervogel,  der  vom  jähre  1292  tradizionell  erhalten  ist,  seit  1340  und  1342 
nachweisen/  In  einer  Egerer  Urkunde  vom  J.  1340  erscheinen  nämlich  Conra(n)d 
Forestarius  dictus  Spcrnvogel,  Nicolaus  Forestarius,  fratruelis  suus,  cives 
Egrenses',  und  in  einer  vom  J*  1342  Conradus  Spernvogel;  Nicolaus  dictus 
Forster,  fratres,  cives  Egrenses.  Also  ^iner  aus  dem  Geschlechte  der  Forster, 
Namens  Conrad,  fuhrt  1340  und  1342  den  Beinamen  Spemvogel,  den  Herr  Gradl 
urkundlich  nicht  früher  noch  später  bei  diesem  Geschlechte  nachweisen  kann,  welches 
im  Gegentheil  stets  das  der  Forster  oder  Forestarii  heißt.  Gleich  Nicolaus  hat 
diesen  Beinamen  nicht.  Es  war  also  unrichtig  ausgedrückt,  daß  sich  der  Name 
seit  1340  und  1342  nachweisen  lasse,  nein,  nur  in  den  genannten  Jahren  und  nur 
bei  der  ^inen  Person.  Traditionell  ist  der  Name  seit  1292  erhalten,  wie  es  Seite  2 
heißt.  Worin  diese  Tradition  besteht,  erfahren  wir  erst  später  deutlich.  Das  oben 
genannte  ^Geschlechtswappen'  von  1292  zeigt  'einen  vogel  unbestimmter  art  mit 
zum  finge  bereiten  fittigen,  der  auf  einem  schräg  gelegenen  spere  steht\  In  dem 
Vogel  und  in  dem  Speere  liegt  der  Nachweis  des  Namens'Spervogel' bereits  für  1292. 
Fadenscheiniger  ist  wahrlich  nicht  leicht  etwas  auf  diesem  Gebiete  gewesen,  und 
ich  könnte  mit  gutem  Gewissen  die  Anzeige  eines  Buches  schließen,  das  auf  der 
ersten  Seite  einen  so  gänzlichen  Mangel  an  historischer  Methode  aufweist  Die  Pa- 
riser Handschrift  hat  freilich  auch  ein  sprechendes  Wappen,  aber  es  kann  doch 
nicht  erlaubt  sein,  aus  einem  beliebigen  Wappen  nach  einem  Namen  zu  rathen, 
da  man  erstens  nachweisen  müsste,  daß  das  Wappen  ein  sprechendes  sei,  und 
zweitens,  daß  es  keine  andere  Aufiösung  zulasse.  Dazu  ist  es  noch  sehr  fraglich, 
ob  der  Vogel  wirklich  auf  einem  Speere  steht,  was  sich  bei  einem  aus  dem  Jahre 
1292  herrührenden  auf  Holz  gemalten  Wappen  nicht  so  ohne  weiters  wird  sagen 
lassen.  Jedesfalls  hätte  das  Wappen^  auf  das  der  Vf.  alles  baut,  in  Abbildung  mit- 
getheilt  werden  sollen. 

Dies  Wappen  spielt  dann  wieder  eine  große  Rolle  im  zweiten  Theile  der  Unter- 
suchung, worin  nachgewiesen  werden  soll,  daß  dem  Geschlechte,  das  Herr  Gradl  ge* 
funden  zuhaben  glaubt,  der  oder  die  Dichter  wirklich  angehören.  Das  Bild  der  Pariser 
Handschrift  wird  mit  den  Worten  v.  d.  Hagens  beschrieben :  'Der  sänger  steht  mit  einem 
spere  (gesperrt  auch  bei  H.  Gradl)  oder  spiesse  in  der  band,  an  welchem  viele 


wenn  Herr  Gradl  über  obige  Meinmig  Grimms  sich  äußert  'ist  abzuweisen .  Eine  so  ein- 
fache hochmüthige  Censur  verdient  Jacob  Grimm  noch  nicht,  in  keinem  Falle  ist  Herr 
Gradl  dazu  berechtigt,  der  aus  der  Form  *Spemvoger  schließt,  der  Name  sei  nicht  impe- 
rativisch  aufzufassen,  während  doch  gerade  diese  Form  noch  mehr  fflr  solche  Auf- 
fassung spricht. 


LITTERATÜR.  239 

Vogel  (wie  oben)  stecken;  vor  ihm  ein  mann  und  eine  fraü,  von  denen  er  etwa  sobe« 
wirthet  wird*  (S.  5).  *)  Das  Wappenbild  zu  Eger  zeigt,  wie  oben  erwähnt,  einen  Vogel 
'  unbestimmter  Art  mit  znm  Fluge  bereiten  Fittigen  auf  einem  schräg  gelegenen 
Speere.  Man  sieht,  wo  hinaus  der  Verfasser  will.  Das  unglückliche  Wappen- 
bild I  Weil  es  Speer  und  Vogel  führt,  so  muss  das  Geschlecht,  dem  es  gehörte, 
Spervogel  geheißen  haben.  Da  also  die  Sperrogel  in  Eger  Speer  und  Vogel  im 
Wappen  haben,  so  muss  ihr  Geschlecht  identisch  sein  mit  dem  der  Dichter,  deren 
einen  die  Pariser  Handschrift  an  einen  Speer  aufgespiesste  Vögel  als  Magenstär- 
kung anbieten  lässt.  Werje  einen  Beweis  zu  führen  gesucht,  mag  beschämt  sein  Haupt 
verhüllen.  Weiter!  ^Die  religiöse  pietät  und  der  moralische  ernst,  wie  sie  in  den  liedem 
beider  dichter  ausdruck  finden,  scheinen  charakterzüge  des  ganzen  geschlechtes  ge- 
wesen zu  sein ;  wenigstens  deuten  die  grossartige  Stiftung  beim  aufbaue  des  domini- 
kanerklosters  und  noch  manch  andere  kirchendotazionen  mit  ziemliclier  Sicherheit 
darauf  hin.  (So  stiftete  1.  Urkunde  vom  j.  1381  Erhart  Forster  von  Selb  zwei  jMhmes- 
sen,  die  könig  Wenzel  1387  und  im  gleichen  jähre  der  regensburger  bischof  Johannes 
bestätigten)'.  Da  der  Vf.  fortfährt:  Weitere  parallelen  zwischen  den  Spervogeln 
der  literaturgeschichte  und  denen  in  egerischen  Urkunden  ergeben  noch  andere 
punkte  für  deren  identität',  so  müssen  wir  auch  in  diesen  Bemerkungen  einen 
solchen  Punct*  sehen.  Ich  hielte  es  für  eine  Beleidigung  gegen  meine  Leser,  wollte 
ich  diese  Sätze  weiter  beleuchten.  Abgesehen  von  dem  umstände,  dass  das  Eger- 
land  und  dessen  Umgebung  in  der  präzis  der  bierconsumtion ,  wie  noch  die  gegen- 
wart  beweist,  eben  so  gut  vertreten  und  berühmt  sind,  als  das  Donauland  von  der 
Hagens  und  dass  demnach  des  jüngeren  dichten  bieranspielungen  und  malzvergleiche 
gerade  so  gut  an  den  Egerländem  und  umwohnem  erfahrene  zuhörer  und  kunst- 
verständige finden  konnten,  als  an  den  Südbaiem,  also  von  diesem  punkte  ab- 
gesehen —  es  passen  auch  alle  andern  namentlichen  ortsbeziehungen,  wie  sie  in 
den  gedichten  des  älteren  Spervogel  vorkommen,  zur  egerländischen  heimat.  Die 
darin  erwähnten  lokalitäten  fallen  sämmtlich  nach  Franken  und  zwar  derart,  dass 
man  fast,  vom  Egerlande  ausgehend,  eine  gebräuchliche  tour  in  den  reisen  auf- 
stellen konnte.'  Wo  ist  hier  nur  die  Spur  eines  Beweises  ?  Die  Bieranspielungen 
und  Malzvergleiche  gehören,  wie  ich  unten  zu  zeigen  hoffe,  einem  Dritten  und  die 
'gebräuchliche  Tour  in  den  Beisen  ist  eine  Erfindung.  Zur  Ejrönung  des  Ganzen 
folgen  weiters  noch  Bemerkungen  über  den  Dialect  der  Spervogel:  'Spuren  eines 
speciellen  mitteldeutschen  dialectes  finden  sich  in  den  gedichten  seltener,  und  es 
ist  ausserdem  dabei  noch  oft  die  frage,  ob  sie  vom  dichter  selbst  oder  nicht  viel- 
mehr vom  Schreiber  herrühren.'  Erwähnenswert  sei  indess  grcswe**)  und  darb.  Das 
erste  habe  auch  in  der  Mundart  des  Egerlandes  den  Umlaut.  Möglich,  aber  wenn 


*)  Herr  Gradl  schreibt  den  letzten  drolligen  Einfall  v.  d.  Hs.  nicht  etwa  hin,  um 
das  Citat  vollständig  zu  geben,  er  benutzt  ihn  auch  S.  7  ganz  ernstlich:  'Dass  man  in 
ihnen  fahrende  Sänger  erblicken  dürfe,  begründet  für  den  filtern. . .  ausserdem  das  bild 
der  pariser  handschrift,  auf  dem  er  bewirthet  erscheint*.  Ein  interessanter  Beitrag  zu  den 
deutschen  Hausalterthümem,  über  den  wir  uns  nur  weitem  Aufschluß  erbitten  möchten ! 

**)  Ohne  mich  in  die  allgemeine  Frage,  ob  der  Umlaut  von  a  bei  Spervogel  zulässig 
sei  oder  nicht,  einzulassen,  muss  ich  doch  die  angezweifelte,  seither  jedoch  öfter  nach- 
gewiesene Form  BechdoBre  aus  der  Mundart  vertheidigen.  Ich  habe  mir  von  mehreren 
Umwohnem  den  Namen  sprechen  lassen  und  hörte  stets  Peehfdm.  also  Bechelcere,  ein  un- 
umgelautetes  Beeheldre  müsste  heute  Fechlam^  mit  einem  nach  o  gefärbten  a  lauten. 
Derselbe  Unterschied  besteht  zwischen  Indicativ  warn  {=^  wären)  und  Conjunctiv  wätn 
(=  weeren). 


240  LITTERATUR 

iikbt  mit  PfeiffSer  und  Bartsch  grdwe  :  alwäre  zu  setzen  ist,  so  ist  doch  nicht  abzu- 
sehen, wie  eine  Nebenform  gränvi  -mitteldeutsche  Eigenthümlichkeit  sein  soll.  Das 
darb  der  Jenaer  Handschrift  wäre  besser  weggeblieben,  warum  wird  nicht  o/,  vur- 
sldnj  vurlom  derselben  Handschrift  angeführt?  Dem  gegenüber  behaupte  ich,  daß 
Spervogel  nicht  das  Oeringste  von  mitteldeutscher  Mundart  verräth,  die  wir  genau 
kennen  und  die  sich  bei  dem  mit  dem  jungem  Dichter  gleichzeitigen  Friedrich  von 
Hausen  deutlich  zeigt. 

Das  sind  die  Gründe,  welche  Herr  Gradl  für  seine  Ansicht  beibringt;  ich 
habe  keinen  verschwiegen  und  gezeigt,  wie  haltlos  sie  sind.  So  leicht  lässt  sich 
unsere  Litteraturgeschichte  nicht  bereichem  und  wir  müssen  an  der  alten  wohl- 
begründeten Ansicht  vor  der  Hand  festhalten,  welche  im  alten  Spervogel  einen 
Baier  sieht.  Um  nichts  verdient  Herrn  Gradls  Meinung  einen  Vorzug  vor  der  Laß- 
bergs. Im  Jahre  1827  konnte  dieser  treffliche  Mann  auf  seiner  alten  Burg  noch 
irren  in  BeÄug  auf  die  Zeit  der  Spervogel,  er  konnte  noch  an  die  Schlacht  bei  Mor- 
garten  denken  und  die  Schweiz  als  ihre  Heimat.  Wie  viel  besser  aber  hat  er  seine 
Handschriften  gekannt  und  das  Alemannische  von  A  und  C  herausgefühlt! 

Doch  genug  davon.  Was  sonst  die  Einleitung  enthält,  ist  das  was  Pfeiffer 
und  Bartsch  in  ihren  Recensionen  von  MF.  gesagt,  nur  breitgetretener,  fadenschei- 
niger. Seite  3  f.  spricht  Herr  G.  über  die  Scheidung  in  einen  jungen  und  alten  Dichter. 
Mit  Bartsch  hält  er  MF.  20,  18  für  die  Veranlassung  dazu.  Ich  werde  mich  unten 
darüber  weiter  aussprechen.  Wenn  er  aber  meint,  daß  ein  gegenseitiger  Einfluß 
nirgends  sichtbar  werde,  so  übersieht  er,  daß  die  Strophe  des  Jüngern  aus  der 
des  altem  entstanden  ist  und  das  Vorbild  des  letztem  im  ersten  unverkennbar  ist. 
Wer  das  so  einfach  leugnet,  hat  überhaupt  keinen  Blick  für  den  Zusammenhang 
litterargeschichtlicher  Thatsachen.  Wenn  Herr  Gradl  ferner  mit  einem  unrichtigen 
Ausdruck  meint,  Wackeraagel  Litteraturgeschichte  228,  Anm.  22  stimme  Bart- 
schen  bei  (man  kann  doch  nur  einer  früher  ausgesprochenen  Ansicht  beistimmen), 
so  hat  er  sich  das  Verhältniss  nicht  klar  gemacht.  Wackernagel  hält  nämlich  noch 
an  dinem  Dichter  fest  und  müsste  bei  der  Annahme  der  heutigen  Scheidung  die 
genannte  Strophe  einem  Dritten  zuschreiben.  Dafür  lässt  sich  vielleicht  ein  Grund 
beibringen,  wenn  man  die  Verse  20,  15  und  20,  17  vergleicht.  Man  kann  aber  auch 
die  Worte  der  habe  danc  betonen  und  meinen,  die  citierte  Strophe  müsse  auch 
diesen  letzten  Gedanken  enthalten  haben,  was  große  Wahrscheinlichkeit  für  sich 
hat  *).  Auch  der  ältere  Dichter  citiert  einen  Fahrenden  Kerlinc.  Nur  möchte  ich  die 
Anführung  mit  28,  3  schließen:  Ich  hörte  Kerlingen  sagen,  ein  Mann  kann  sich 
so  viel  gefallen  lassen,  daß  man  ihn  zuletzt  um  so  übler  behandelt.  Ist  er  aber 
widerhaarig,  so*^  wird  ihm  bald  geholfen.  Natürlich,  fährt  der  Dichter  fort,  es  ist 
die  alte  Geschichte  von  den  zwein  Hunden.  Diese  ausführlichere  Fabel  folgt  nun 
in  den  Handschriften,  welche  es  lieben  verwandte  Strophen  zusammenzustellen. 
Die  Strophe  des  Kerlinc  war  also  Veranlassung  zu  28,  6.  Man  thut  hier  einen 
kurzen  Blick  in  das  Schaffen  der  Fahrenden.  Der  Zeit  nach  setzt  Herr  Gradl  den 
altern  Spervogel  S.  9  in  die  Jahre  1130 — 1140,  die  Blütezeit  des  jungem  fällt 


*)  NACHTRÄGLICHE  BEMERKUNG.  Es  ist  übrigens,  wie  mich  Prof.  MüUen- 
hoff  belehrt,  weder  das  eine  noch  das  andere  nöthig.  Der  unter  dem  Namen  Spervogel 
Dichtende  meint  mit  *min  geselle  Spervogel'  Niemand  als  sich  selbst.  Es  ist  daher 
weder  die  Annahme  berechtigt,  daß  Spervogel  den  altem  Dichter  hier  anziehe,  noch 
darf  man  die  Strophe  ausscheiden. 

BERLIN,  2.  6.  70.  ST. 


LITTERATUR  ~^^  241 

«rst  mit  Dietmar  von  Eist  zusammen  (Seite  4)  zwiseben  1150  und  1160  (Seite  10), 
weil  auch  der  jüngere  sich  nicht  auf  politische  Didaxis  warf ,  welche  erst  mit  dem 
Bekanntwerden  der  provenzalischen  Troubadours  (1170 — 1180  nach  Hm.  G.)  in 
Deutschland  der  Poesie  einverleibt  worden  sei.  Man  braucht  die  Schranke  von  1170 
nicht  festzuhalten,  um  diese  ganze  Zeitbestimmung,  die  aller  besonnenen  Forschung 
widerstreitet,  absurd  zu  finden. 

Nachdem  nun  Heimat  und  Zeit  für  die  Dichter  festgestellt  ist,  geht  der  Ver- 
fasser einen  Schritt  weiter  und  findet,  daß  die  bisherigen  Herausgeber  —  er  kennt 
oder  nennt  wenigstens  nur  Lachmann  und  Haupt  —  irrten,  wenn  sie  den  Hand- 
schriften A  und  C  folgten,  denen  gegenüber  'als  aus  gegenden  stammend,  wohin 
der  Spervogel  heimat  schon  nach  den  andeutungen  in  den  gedichten  kaum  fallen 
koante,  J  mehr  beachtung  verdient  hätte.  Es  ist  das  eine  ganz  sonderbare 
Theorie,  die  nur  jemand,  der  sich  offenbar  nie  ernstlich  mit  Handschriftencritik  , 
beschäftigt  hat,  aufstellen  konnte,  die  auch  keine  Stütze  findet  durch  die  Note 
Seite  18,  welche  die  Ansicht  weiter  ins  Blaue  fuhrt»  Hier  erfahren  wir  nämlich, 
daß  bei  der  Verbindung,  in  der  die  Dominicanerklöster  Egers  und  Jenas  schon 
in  frühester  Zeit  *zu*  einander  standen,  leicht  eine  *Specialhandschrift*  des  Klosters 
in  Eger  dahin  gelangt  sein  und  der  Jenenser  zu  Gr runde  liegen  könne.  Nun,  wenn 
die  Spervogel  wirklich  Egerlander  waren  und  die  Dominicaner  daselbst  Hand- 
schriften von  ihren  Gedichten  besaßen,  so  haben  sich  die  letztern  einen  sehr 
schlechten  Spaß  erlaubt,  indem  sie  eine  unvollständige  und  theilweise  überarbeitete 
*Specialhandschrift'  nach  Jena  schickten. 

Diese  Specialhandschrift  hatte  nämlich  vom  altern  Spervogel  gar  nichts, 
vom  jungem  dreizehn  Strophen.  Ihr  Werth  für  Spervogel  —  von  einigen  Einzel- 
heiten abgesehen  —  besteht  darin,  daß  sie  fünf  Strophen,  die  in  andern  Hand- 
schriften fehlen,  gibt.  Hätte  Herr  Gradl  das  Handschriftenverhältniss  etwas  ge- 
nauer untersucht  und  nicht  mit  dieser  oberflächlichen  Ansicht  sich  begnügt,  so 
hätte  er  das  und  einiges  Andere  noch  finden  müssen.  Die  Handschriften  AC  geben 
die  Strophen  in  folgender  Eeihe :  MF.  20,  1  bis  22,  24,  hierauf  25,  13  bis  28,  12 
(Strophen  1 — 11  und  12 — 26  der  Hs.),  also  eilf  Strophen  des 'jungem  Spervogel' 
und  fünfzehn  Strophen  des  altem.  Dann  folgen  sieben  Strophen  in  A  und  C,  näm- 
Uch  MF.  242,  1.  13.  243,  25.  37.  244,  61.  30,  45.  244,  77,  die  Heidelberger 
allein  hat  noch  sieben  Strophen,  Neidhart  und  Leutold  von  Seven,  Wackemagel 
261,  15,  Bartsch  LD.XXVHI,  1—10.  Mit  Strophe  41  kehrt  A  wieder  zu  C  zu- 
rück und  es  folgen  in  beiden  dreizehn  Strophen  des  altem  Dichters,  womit*  A 
schließt.  C  hat  noch  weitere  sieben  Strophen,  welche  dem  jungem  angehören. 
Man  sieht,  es  ist  etwas  gestört.  Die  alten  Lieder,  denk*  ich  mir,  bildeten  ursprüng- 
lich ein  Liederbüchlein,  in  dasselbe  wurden  die  obigen  7+7  Strophen  hineinge- 
sprengt, denn  in  diesem  Heftchen  muss  Strophe  28,  6  den  Schluß  einer  rückwär- 
tigen Blattseite  gebildet  haben,  mit  28,  13  begann  die  Vorderseite  des  folgenden 
Blattes.  Nur  so  erklärt  sich  der  Einschub,  wahrscheinlich  von  zwei  Blättern  mit  je 
sieben  Strophen,  von  denen  die  zweiten  sieben  dem  Schreiber  von  C  noch  nicht 
vorlagen. 

Vollständig  war  jedoch  das  Liederbüchlein,  das  AC  zu  Grunde  liegt,  nicht, 
das  beweist  für  den  jungem  Dichter  J,  für  den  altem  MF.  20,  17  und  vielleicht 
noch  ein  anderer  Umstand.  Liutwin,  der  Dichter  von  Adam  und  Eva,  den  ich 
nächstens  vorführen  werde,  hat  folgende  Verse  324  ff. : 

GEBMANIA.  Neue  Reihe  III.  (XV.)  Jahrg.  IG 


242  LITTEIUTÜR. 

Wer  zimbem  "wil  und  drsBxne 

von  fülem  holze  guote  maz, 

der  sliffe  sin  isen  baz, 

onde  lä  mich  danne  sehen 

wes  ime  die  wisen  jehen 

and  wie  die  4se  sin  gestalt« 

daz  weter  si  warm  oder  kalt, 

doch  sei  der  gast  wesen  fruo. 

ich  gewan  nie  so  guote  ruo 

do  kom  ein  ungewiter  nach. 
Wie  die  vier  letzten  Verse  an  Spervogel  27,  6  tf.  erinnern,  so  mögen  auch  die 
erstem  einem  solchen  Gedichte  ihre  Entstehung  verdanken. 

Wie  kömmt  aber  —  die  Frage  darf  wohl  hier  erörtert  werden  —  A  zur  Be- 
zeichnung der  junge  Spervogel  ?  Wir  haben  oben  gesehen,  daß  das  Liederheft, 
aus  dem  AC  schöpfen,  C  früher  vorgelegen  haben  muss  als  A,  denn  letzteres  hat 
in  dem  bekannten  Einschube  noch  sieben  Strophen  mehr.  Als  es  C  vorlag,  war 
auch  noch  kein  junger  Spervogel  genannt.  Diese  Bezeichnung,  welche  die  Litte- 
raturgeschichte  für  den  Verfasser  der  Strophen  MF.  20,  1 — 25,  12  angenommen 
hat,  verwendet  aber  A  nicht  einmal  für  diese  Strophen,  sondern  bezeichnet  damit 
die  MF.  in  den  Anmerkungen  S.241  ff.  mitgetheilten,  sowie  auch  die  fremdartigen 
Leutolds,  Neidharts  usw.  und  auch  die  auf  den  Einschub  folgenden  Strophen  des 
alten  Dichters  aus  dem  ursprünglichen  Liederbüchlein.  Man  sieht,  die  in  den  An- 
merkungen gedruckten  Strophen  haben  Ursache  zu  der  Bezeichnung  gegeben,  viel- 
leicht gelingt  es  uns,  dieselbe  zu  finden. ' 
Strophe  242,  1—12  lautet: 

Ich  bin  ein  wegemüeder  man. 

nü  vert  mir  einer  vor, 

der  rennet  swenne  ich  drabe. 

als  ich  der  sträze  niht  enkan, 

so  volge  ich  süme  spor. 

na  wirfet  er  mir  abe 

die  brügge  d&  ich  über  sol. 

doch  het  er  mir  geheizen  woL 

ir  stimme  ist  bezzer  danne  ir  muot, 
die  mit  dem  blate  da,  glient. 

ein  valscher  vriunt  der  schät  noch  mör 
dan  offenbar  ein  vient. 
In  der  lehrhaften  Tendenz,  in  der  Strophe  zeigt  sich  deutlich  der  Nachahmer 
der  Spervogel.  Die  sechs  letzten  Verse  entsprechen  genau  den  sechs  letzten  der 
Strophe  des  jungen'  Spervogel.  Das  ist  aus  den  mitgetheilten  Versen  klar,  daß  der 
Dichter  sieh  über  einen  Mann  beklagt,  der  ihm  den  Rang  abgelaufen  hat  und  der 
ihm  ^och  als  nachahmungswürdiges  Beispiel  erschienen  war.  'Ich  bin  ein  müder 
Mann,  nun  geht  einer  vor  mir,  der  rennt,  während  ich  trabe.  Mir  ist  die  Straße 
fremd,  drum  folge  ich  seiner  Spur.  Nun  wirft  er  mir  die  Brücke  ab,  da  ich  hinüber 
soll,  und  doch  hat  er  mir  schöne  Versprechungen  gegeben .  . . '  Wer  sind  nun  die 
mit  dem  blate  da  gltent'i  Das  thun  nachUlr.  Trist.  550  jene,  welche,  die  Stimme 
des  Weibchens  nachahmend,  die  Männchen  der  Thiere  locken.  Das  kann  sprich- 
wörtlich gemeint  sein :    die  mit  süßen  Worten  ins  Verderben  locken.  Wie  aber, 


LTTTERATUR.  243 

wenn  eine  weitere  Beziebang  in  den  Worten  läge?  Noch  ist  das  Wort  Spervogel 
nicht  unzweifelhaft  erklärt;  es  kann  aber  wohl,  mag  man  die  erste  Silbe  deuten 
wie  immer,  einen  Vogelsteller  meinen.  Von  solchen  lässt  sich  wohl  sagen,  daß  sie 
mit  dem  blate  gUent  und  die  Worte  enthielten  dann  eine  Anspielung  auf  den  Namen 
Spervogel'.  Diesen  ahmt  der  Dichter  nach,  wird  aber  von  demselben  im  Stiche 
gelassen.  Jene  Hand,  welche  den  Einschub  des  Liederbüchleins  erweiterte,  oder 
sonst  ein  Fahrender,  der  es  beimtzte  und  um  die  Anspielung  wusste,  schrieb  .der 
junge  Spervoger  hin.  So  wäre  die  Überschrift  im  Heftchen  und  daraus'  in  A 
entstanden. 

Vielleicht  führt  uns  aber  die  Überschrift  in  A  überhaupt  irre,  und  ist  der 
junge  Spervogel  nur  ein  sammelnder  Fahrender  wie  Niune,  G-edrüt,  Reimar  der 
Fiedler  (Müllenhoff  zur  Cresch.  d.  NN.  S*  19),  dessen  Sammelheft  uns  in  diesem 
Einschube  vorliegt.  Bedenklich  für  diesen  Fall  bleibt  jedoch  das  Verhältniss  von 
A  und  C.  Das  ist  wohl  aber  klar,  daß  den  jungen  Spervogel  der  geselle  Spervogel 
nicht  verschuldet  hat.  Dieser  Vers  konnte  höchstens  Anlass  zu  dem  Namen  Sper- 
vogel  überhaupt  sein,  ähnlich  wie  der  Schreiber  des  sog.  SeiMt  HelbeHnc  diesen 
aus  einer  Stelle  der  Gedichte  u.  z.  fälschlich  gemuthmaßt  hat. 

f  ** 

Ich  habe  nun  noch  zu  sprechen  über  Text  und  Übersetzung,  welche  Herr  Gradl 
beizugeben  für  gut  gefunden  hat.  Den  erstem  rechtfertigt  er  damit,  daß  J,  als  der 
Heimat  des  Dichters  die  nächste,  mehr  Berücksichtigung  verdiene«  Es  ist  richtig, 
daß  die  Jenenser  in  vielen  Fällen  das  Bessere  hat ;  an  den  obigen  Grund  wird  aber 
Niemand  außer  Herrn  Gradl  denken,  der  auch  in  unzweifelhaften  Verderbnissen  J 
folgt.  So  34,  3  (=MF.  24,  3)  da»  si  Hl  schone  blüet  stät  oder  37,  1  (=MF.  23, 13) 
daz  ich  ungdUcklich  bin*  Es  widerstrebt  mir,  auch  hier  Alles  anzuführen,  wie  ich 
bezüglich  der  Einleitung  gethan,  denn  auch  wo  Herr  Gradl  seine  Vorlage  änderungs- 
bedürftig hält  und  von  den  Verbesserungen  in  MF,  abweicht,  ist  er  sehr  unglück- 
lich. Vers  31,  3  (=MF.  24, 19)  lautet  nach  der  einzigen  Handschrift  J  er  neme  in 
bestmder  Mn  dan,  was  Haupt  in  er  neme  besunder  in  hin  dan,  Bartsch  in  er  neme  in 
sunder  hine  dan  ändert,  Gradl  hingegen  gibt  das  unmögliche  er  neme  hin  in  besunder 
dan,  Vers  19,  6  (^MF.  29,  4)  lautet  in  A:  wol  im  daz  er  ie  wart,  C,  dem  der 
Vers  zu  kurz  vorkommt  oder  aus  einem  andern  Grunde,  schreibt  w,  i,  d,  er  ie  gebom 
wart  und  Herr  Gradl  w*  i.  d»  er  gd>om  wart,  das  richtige  Verhältniss  der  Texte  und 
den  geforderten  Sinn  des  Verses  verkennend.  Ein  schöner  Vers  ist  auch  —  me- 
trisch wie  grammatisch  —  züht  diu  wellent  grdwen  bart  und  25,  3  ime  erzomte  daz. 
Statt  Hergire  MF.  26,  21  setzt  Herr  Gradl  Hegcere,  Er  meint  nämlich  wie  Simrock, 
daß  der  Dichter  sich  hier  selbst  nenne.  Entschieden  richtig  hat  Haupt  MF.  238  über 
diese  Vermuthung  geurtheilt.  In  unserm  Büchlein  wird*  allerdings  diese  Stelle  wie- 
derholt, man  sieht  aber  nicht  recht  wozu,  denn  der  Verfasser  widerlegt  sie  nicht 
und  —  thut  gerade  das  Gegentheil  von  dem,  was  Haupt  lehrt.  Hegasre  soll  *pseu- 
donym  für  Forster  sein,  und  der  Dichter  sich  darunter  verstecken.  Ich  habe  diese 
Ansicht  der  Vollständigkeit  halber  angeführt,  sie  ernstlich  widerlegen  zu  wollen, 
fällt  mir  nicht  ein. 

Zum  Schlüsse  Einiges  über  die  Übersetzung.  Nirgends  verzeihe  ich  eine 
solche  eher  als  bei  den  trotz  scheinbarer  Einfachheit  oft  so  schwierigen  Lyrikern. 
Ich  werde  es  nächst  der  Erklärung  Wolframs  zu  den  größten  Verdiensten  der 
Deutschen  Classiker  des  Mittelalters'  rechnen,  wenn  man  zur  Herausgabe  eines  ' 
Liederbuches  schreitet  und  das  in  die  rechten  Hände  legt.  Es  kommt  aber  bei  der 
Übersetzung  nicht  bloß  darauf  an,  Wort  und  Sinn  zu  trefibn ;  manche,  fast  die 

16* 


244  UTTERATÜE. 

meisten  Strophen  bedürfen  einer  eigenen  Erklänmg,  nm  sie  in  das  rechte  Licht  za 
stellen,  was  dnrch  einfache  Überschriften  nicht  erreicht  wird«  Was  heißt  z.  B. : 

des  er  dem  biderben  [biderbem  G]  man  rerz^ch, 
desn  moht  [des  enmoht  G]  er  niht  gewinnen, 
daz  was  der  wiUe:  kom  diu  state 

si  schieden  sich  ze  jungest  mit  minnen. 
Herr  Gradl  übersetzt: 

wess'  er  dem  biedern  mann  verzieh, 
das  mocht'  er  nicht  gewinnen« 
So  war  der  wille:  kam  die  zeit, 
so  schieden  sie  zu  allerletzt  mit  minnen. 
Was  er  einem  braven  Mann  versagte,  davon  konnte  er  keinen  Gewinn  haben  (denn 
er  versagte  nichts).    Das  war  sein  Grundsatz,  den  er  auch  in  der  That  ausübte, 
wenn  die  Gelegenheit  kam.  Da  schieden  Bittender  und  Gewährender  in  Freund- 
schaft. So  wäre  meines  Erachtens  die  Strophe  zu  deuten ;  aus  der  Übersetzung 
wird  man  aber  schlechterdings  nicht  klug.  Aber  es  kommen  auch  arge  Bocke  vor. 
Ich  will  von  Absonderlichkeiten  im  Ausdruck,  wie :  'Das  kam  von  schlimmen  (!) 
Heile ,    Es  schaden  wol  dem  Bronne  schweigen,  ich  meine  Übersetzungen  wie : 
Es  geht  das  glück  schon  vor  der  kunst,  und  ärmlichkeit 
gar  oft  dem  feigen  reichen  nach  in  schlechtem  Kleid, 
für  MF.  21,  29 : 

Diu  ssBlde  dringet  für  die  kunst,  daz  eilen  gät 
vil  dicke  nach  dem  riehen  zagen  in  swacher  wät;    oder: 
WiU  er  sich  halten,  dass  er  docK 
als  bettler  nicht  verdirbet, 
das  muss  mit  gottes  hilf  geschehen 
wenn  er  mit  glück  erwirbet  (t)  — 
für  MF.  21,  25  (mit  triuwen  st.  riuwen  im  letzten  Verse,  wie  auch  Bartsch  schreibt): 

ob  er  sich  wil  als6  betragen 
dSr  arman  niht  verdirbet, 
daz  muoz  von  gotes  helfe  komen, 

wan  er  mit  triuwen  wirbet;  oder: 

Entworfen  ist  die  schlaue  List. 
Da  kommt  der  Spott  dazu 

nach  f rubrem  neidischem  späh*n,      für  MF.  S«  242 : 
Entwerfen  ist  ein  spaeher  list 
da  beeret  spotten  zuo 
alnäch  der  ougen  spehen. 
Ich  habe  drei  der  auffälligsten  Beispiele  hervorgehoben  und  bemerke  noch, 
daß  für  Herrn  W.  Busch,  den  geistvollen  Zeichner,  manch  ein  schönes  Verslein 
mit  dem  bekannten  Rhythmus  in  dem  Buche  zu  finden  ist,  z.  B. : 

Denn  reichthum,  wenn  er  recht  gedeiht, 
die  besten  freunde  schnell  entzweit,  —      oder: 
Der  eine  war  so  witzig, 
verschlagen  auch  und  hitzig, 
wo  'witzig  antlcBze  (den  Druckfehler  in  MF.  S.  240  für  antsmtze)  übersetzen  soll. 
Ich  habe  mich  mit  dem  Büchlein  lange  beschäftigt.  Zu  lange?  Man  beachte 
freundlichst  die  Bemerkung  auf  dem  Titel  des  Buches! 


LITTERATUB.  345 

Die  von  einer  Academie  der  Wissenscliaffcen  gewälirte  Unterstützung  hat 
bisher  —  und  mit  vollem  Beeht  —  immer  als  eine  Auszeichnung  gegelten.  Sie 
hört  aber  auf  es  zu  bleiben,  wenn  sie  an  Arbeiten  verschw^idet  wird,  welche,  wi» 
die  vorliegende,  offenkundige  Zeichen  von  Unfähigkeit  und  Unwissenheit  an  sich 
tragen.  Man  liebt  es  hierzulande  nicht,  an  Masteranstalten  anderer  Länder  erinnert 
zu  werden.  Sollte  ich  das  Verpönte  dennoch  wagen,  so  würde  ich  äkir  erlauben, 
den  —  mir  übrigens  unbekannten  —  Beurtheüem  des  Gradl'schen  Elaborates  das 
•Studium  der  Geschichte  einer  anderen,  etwas  nördlicher  gelegenen  Aeademie  sa 
empfehlen,  einer  Acadtmie,  in  deren  Schriften  allerdings  Arbeiten  von  Grimm, 
Lachmann,  Moriz  Haupt  u.  A.  niedergelegt  sind. 

Schließlich  auch  noch  ein  Wort  für  Herrn  GradL  Obwohl  er  sehr  zuvor- 
sichtlich  seine  Eroberung  (!)  des  Spervogel  für  Österreichs  Gaue  erst  als  eine  na- 
tionale That  herausstreieht,  klopft  am  Schlüsse  seiner  Vorrede  doch  das  böse  Ge- 
wissen an  und  er  bittet  um  eine  freundliche  Critik^  die  Schlechtes  nicht  verschweigt, 
ihm  aber  doch  den  Muth  erhielte  zu  weherem  Streben.  Nun,  das  Streben  wollen 
wir  ihm  nicht  verleiden ;  mit  weiteren  Veröffentlichungen  'zur  Litteratur  des  Eger* 
landes'  möge  er  uns  aber  verschonen,  bis  er  gereiftere  Früchte  wirklieher  Studien 
vorzulegen  hat. 

WIEN.  JOSEPH  STROBL. 


Philoflophiseh-hifttoriflche  Grammatik  der  deutschen  Sprache  von  B.  W  e  s  t- 
phal.  Jena  1869.*) 

Die  Erwartung  mit  welcher  ich  nach  desselbeD  Verfassers  scharfsinniger 
Arbeit  über  das  gotische  Auslautgesetz  diese  'deutsche  Grammatik'  in  die  Hand 
nahm,  ist  auf  den  ersten  Blick  in  Vorrede  und  Buch  elendiglieh  zu  Wasser  geworden. 
Eine  vollständige  Grammatik  darf  man  zunächst  so  wenig  erwarten,  daß  vielmehr 
auf  Begehren  noch  eine  zweite  gleichstarke  Abteilung  verheüSen  wird.  Am  meisten 
berücksichtigt  ist  das  Gotische,  nächst  ihm  das  Althochdeutsche  und  Altsächsische. 
Der  vorliegende  Teil  handelt  von  Wurzeln,  Vocalen  und  Consonanten,  von  Stämmen 
und  Flexionen,  vom  Verbnm,  insbesondere  von  der  germanischen  Conjugation. 
Den  eigentlichen  Kern,  an  den  ^ch  alles  andere  als  philosophische  Einleitung  und 
als  Fortsetzung  anlehnt,  bildet  die  oben  gmaante,  zum  T^l  unverändert  gebliebene, 
zum  größeren  Teile  ausgeführte  Abhandlung.  Aber  wenn  der  Vf.  in  dieser  lediglich 
die  ursprünglichere  Gestalt,  das  lautliche  Urbild  der  gotischen  Formen  und  ihrer 
Ausgänge  feststellen  wollte,  so  hat  er  nun  die  weiter  gehende  Absicht,  in  sie  selbst 
einzudringen,  ihre  Entstehung,  ihr  Werden,  ihren  Inhalt  so  weit  als  möglich  auf- 
zudecken. Anstatt  sich  jedoch,  wie  man  billig  erwartete,  hiebei  der  bisherigen 
Forschung  anzuschließen,  ihr  Verfahren  und  ihre  Ergebnisse  wo  nötig  oder  wo 
möglich  fester,  strenger  zu  bestimmen  und  auszubessern,  verlässt  er  sie,  die  er  von 
neuem  als  'Agglutinationstheorie'  brandmarken  zu  dürfen  meint  und  stellt 
ihr  zur  Abwechslung  wieder  einmal  die  alte,  abgetane,  halt-  und  wissenschaftslose 
Art  gegenüber,  welche  er,  gegen  die  'geistlose  Äußerlichkeit  der  mechanisch-mate- 
rialistischen' selbst  als  die  'idealistische,  suprauaturaHstische'  bezeichnet  und  gegen 
ein  im  voraus  befürchtetes  'Anathem  durch  Hinweis  auf  die  chemische  Bildimg  des 
Kristalles  schützen  will,  vgl.  S.  XIV.  Der  Vf.  geht  dabei  in  auffskllend  einseitiger 


♦)  Vgl.  hierzu  die  Anzeige  von  L.  Tobler  in  dieser  Zeitschrift  XIV,  380-383. 


246  LITTERATUR. 

Weise  von  einer  völlig  falschen  Vorstellung  über  die  Entstehung  der  Sprache  aus, 
die  er  sich,  weil  sie  in  verhältnismäßig  früher  Zeit  zu  einem  gewissen  Abschlüsse 
gelangt  und  überhaupt  körperlich  und  formell  dem  unbeschränkten  Fort- 
schritte des  Geistes  nicht  zu  folgen  vermag,  während  sie  sich  freilich  stets  berei- 
chert und  veredelt  und  ihm  innerlich  vollständig  zu  dienen  weiß,  —  formell  verengt 
und  verworden,  aber  innerlich  erweitert  und  neu  belebt,  vergeistigt,  —  schon  *in 
den  ersten  Anfangen  der  Menschheit,  wenn  nicht  innerhalb  der  ersten  Gene- 
ration, doch  bei  den  frühesten  Generationen  unserer  indogermanischen  Vorfahren 
im  rdehsten  und  vollkommensten  Zustande^  denkt,  XIV,  93.  Er  verkennt  das  un- 
ermeßliche Werden  der  Sprache  von  Anfang  an,  er  kennt  im  Grunde  nur  ein  Ge- 
wordensein und  ein  Verwerden,  er  verkennt,  richtiger  er  leugnet  die  ganze  gewal- 
tige, unerforschliche,  tausendjährige  Arbeit  des  Geistes  in  Sprache  bis  zu  ihrem 
Höhenpunkte  bin,  —  die  ersten  und  grösten  Zeiträume  aller  sprachlichen  Ent- 
wiekelung  in  Ur-  und  Vorzeit  sind  für  ihn  nicht  vorhanden,  ein  'einheitliches,  von 
Cnltur  unberührtes,  im  philosophischen  Denken  sich  noch  nicht  abmühendes  Volk^ 
ist  ihm  gleich  von  vorne  herein  im  Besitze  formell  fertigster  Sprache  gewesen  und 
er  beruft  sieh  für  solch  Wunderwerk  auf  den  Kristall!  und  —  auf  die  Zustimmung 
unseres  Jahrhunderts,  letzteres  leider  und  zum  Schaden  der  Sache  nicht  ohne  allen 
Grund,  zum  größeren  Teile  gottlob  mit  offenbarstem  Unrecht.  Und  mit  gröberem 
und  verderblicherem  Unrechte  stellt  er  die  Behauptung  auf,  daß  die  Wissenschaft 
unserer  Tage  die  Sprache  zu  'einer  geistlosen  Äußerlichkeit,  zu  einem  bloß  inecha- 
nischen  Gemenge  der  Erden  und  Steine  mache,  was  einfach  und  erweislich  unwahr, 
wogegen  er,  wenn  seine  Auffassung  die  richtige  wäre,  mit  besserem  Rechte  folgern 
dürfte,  daß  sprachliche  Forschung  *und  Begründung  an  der  Hand  der  Sprachge- 
schichte^ so  wie  man  sie  heute  anstrebt  und  mit  unvergleichlichen  und  hoffentlich 
auch  unvergänglichen  Früchten  bewährt  und  bewiesen  hat,  mehr  oder  minder  über- 
flüssige ja  unmöglich  werde. 

Der  Verf.  sagt  dies  nicht  so  klar  wie  jenes,  aber  er  verfährt  darnach.  Und 
man  lese  z.  B.  S.  92,  wie  noch  hundertmal  ähnliches  begegnet:  die  Bereicherung 
des  Wurzelbegriffes  um  eine  Bestimmtheit  führt  jedesmal  zur  Bereicherung  der 
Wurzelform  um  einen  Laut,  der  sowol  einer  der  Vocale  a,  »,  u,  wie  auch  einer 
der  zunächst  liegenden  Consonanten,  ein  Nasal  oder  Dental,^ Zischlaut  sein 
kann*  An  sich  besteht  ganz  und  gar  kein  Zusammenhang  zwischen  der  Be- 
deutung eines  dieser  Laute  und  der  begrifflichen  Bestimmtheit,  die  derselbe  in  der 
Verbalflexion  ausdrückt,  vielmehr  entsteht  eine  Congruenz  beider  erst  innerhalb 
der  letzteren,  oder,  wie  es  sonst  heißt,  bedeutungslose  Laute  werden  erst 
durch  den  Gegensatz  zu  einander,  die  dialektische  Reihenfolge  im  notwendigen 
Kategoriensystem  fähig  zum  Ausdruck  für  Beziehungen  der  Wurzel  oder  des  durch 
eben  dieselben  Laute  selbst  schon  ebenso  gebildeten  Stammes,  hinter  welchen  sie 
als  Flexionselemente  gesprochen  werden,  S.  XIV.  So  leugnet  er  denn  folgerichtig 
die  Bedeutung  der  Verbalen^ungen  m,  8,  t  und  ihre  Entstehung  aus  selbständigen 
Pronominibus,  die  nach  ihm  umgekehrt  vielmehr  wieder  aus  jenen  abgezogen  sein 
sollen.  Allein  dieser  ohnehin  sattsam  bekannte  Modus  scheint  noch  mäßig,  fast 
erträglich,  wenn  man  damit  die  Erklärung  anderer  Fürwörter  vergleicht,  in  denen 
wahrhaft  monströs  z.  B.  die  Anlaute  am,  aa,  tm,  is,  au  für  bedeutungslose  fulcra, 
Stützsüben  oder  paragogische  Erweiterungen,  deren  man  eben  glücklich  los  ge- 
worden zu  sein  glaubte,  ausgegeben  werden. 


LITTERATÜK.  247 

Und  Willkürlichkeiten  solcher  Art  die  hart  an  Unsinn  streifen  und  völMg 
unnütz  nichts  erklären  und  nichts  erhellen,  die  höchstens  die  Schwäche  und  Unzu- 
länglichkeit dieses  ganzen  Verfahrens  offen  legen,  begegnen  aller  Orten  in  Menge. 
Dennoch  maß  der  Verf.  selbst  eine  Beihe  ron  ^Zusammensetzungen  im  Sinne  der 
heutigen  Forschung,  Bildungen  wie  liebte,  amavi  u.  v.  a.  einräumen  und  überall  ist 
er  genötigt,  seine  inhaltlosen,  leren,  angeblich  zunächst  liegenden,  in  Wahr- 
heit willkürlichen  Laute  und  Silben,  seine  fulcra  und  Erweiterungen,  nichtigen 
Prä-  und  Suffixe  udglm.  antreten  zu  lassen.  Merkt  er  denn  nicht,  daß  er  dabei  in 
seiner  Weise  auch  *agglutinirt*,  —  ja  sein  Verfahren  verdieDte  noch  einen  derberen 
Ausdruck  an  dem  es  dem  Deutschen  nicht  fehlt,  —  daß»  er  aber  der  von  ihm  nach 
einem  bekannten,  längst  abgefertigten  Vorgange  so  genannten  'Agglutination' 
gegenüber  in  dem  erheblichsten  Nachteile  sich  befindet,  wenn  er  überall  nur  zu 
begrifflich  bestimmten,  lautlich  aber  unbestimmten  d.  h.  balbwahren 
Gebilden  kommt?  Da  ist  nirgends  Notwendigkeit  und  Wahrheit  des  Zusammen- 
hanges zwischen  Äußerem  und  Innerem,  beide  sind  von  Hause  aus  willkürlich 
oder  zufällig  in  der  yagesten,  laxesten  Weise  mit  einander  rerknüpft  und  wenn 
das  was  nun  einmal  9id<oiii,  dldmoi  lautet,  statt  dessen,  nach  seinem  Principe,  mit 
demselben  Rechte  didopi  oder  didöJd  hieße,  so  würde  unser  Verf.  sie  ebenso  gut 
oder  ebenso  schlecht  als  Formen  desselben  Inhalts  bezeichnen  und  erklären  können. 

Daß  der  hier  behauptete  Standpunkt  für  einen  noch  unaufgeklärten  Teil  der 
Sprachbildung  sowie  selbst  für  einzelne  Formen  nicht  ganz  abzuweisen  sei,  daß 
namentlich  Verhältnisse  wie  das  Nebeneinander  und  der  Gegensatz,  die  Spaltung 
und  Differenzirnng,  Individuaüsirung  und  wie  diese  längst  von  mir  selbst  benutzten 
und  nunmehr  weidlich  in  Schwung  gekommenen  Dinge  sonst  heißen  mögen,  im 
Leben  der  Sprache  ihre  Bedeutung  haben,  daß  ein  vollkommenes,  unmittelbares 
Decken  von  Laut  und  Begriff  nicht  stattfinde,  das  Innere  vielmehr  weit,  selbst 
himmelweit  über  das  Äußere  hinausgehe,  dies  und  anderes  ist  ja  alles  längst  an« 
erkannt,  ohne  daß  man  deshalb  die  Ansicht  des  Verf.  und  sein  unerquickliches 
Verfahren  als  gerechtfertigt  ansehen  oder  Idlligen  könnte. 

Und  was  lässt  sich  denn  gegen  diese  über  alle  Zweifel  hinweg  gehobene  s.  g. 
Agglutinationstheorie  mit  gutem  Fug  einwenden?  Leistet  sie  nicht  was  die  Wissen- 
schaft zu  fordern  berechtigt  ist,  indem  sie  für  die  wesentlichsten  Teile  der  Formen 
den  entsprechenden  Ausdruck  darbietet?  Geht  sie  dabei  nicht  den  Weg  den  die 
Sprache  als  Ausdruck  vernünftig  denkender  Wesen  selbst  gegangen  sein  muß?  Um 
zu  einem  Ausdrucke  wie  dadd-mif  8lS<oitij  da-dd-ti  9Cd(oai  zu  gelangen,  muß  der 
erweiterten  oder  durch  neue  Begriffe  bestimmten  Vorstellung,  dem  Inhalte  des  da 
oder  dctdä  nicht  auch  äußerlich  ein  neues  Lautliches  hinzugetreten  sein,  das,  wenn  es 
verständlich  und  wahr  sein  sollte,  nicht  willkürlich  x,  sondern  wirkliches  ich,  er 
oder  das  was  ich,  er  einschließt,  hier,  da  sein  muste?  mi,  ti  die  sich  nicht 
neben  W.  da  allein,  sondern  neben  allen  Verbal  wurzeln  mit  gleicher  Kraft  fin- 
den, können  nicht  aus  ihnen  herausgewachsen,  noch  gleichsam  herausgequollen, 
ausgeschwitzt  sein ;  sie  müssen  also  von  außen  —  eine  andere  Möglichkeit  gibt  es 
eben  nicht,  —  neu  und  mehr  oder  minder  fertig  und  entwickelt  hinzukommen.  Will 
man  dabei  sagen,  der  volle  Begriff  des  ich,  er  entstehe  nicht  an  sich,  sondern  in 
Verbindung  mit  anderen  Begriffen,  so  ist  dagegen  nichts  einzuwenden;  aber  das 
ist  zu  behaupten  und  das  bildet  den  gewaltigsten  Unterschied  der  verschiedenen 
Auffassungen,  daß  selbständiges  mi^  ti  äußerlich  hinzugefügt,  von  außen  anwuchs 
und  wenn  nicht  schon  volles  ich,  er  war,  dieses  vollständig  enthielt^  einschloß. 


248  LITTERATÜß. 

Wie  das  bei  m,  t  möglieb  war,  wie  m,  t  von  Hause  aus  Ausdruck  aucb  nur  für 
bier,  da  werden  konnte,  dcmnäcbst  für  icb,  er,  das  ist  im  vorliegenden  Falle 
nicbt  eben  rätselbaft,  gebort  aber  genau  zusammen  mit  der  Frage,  wie  dd  geben, 
Btä  stehen,  hhar  tragen  als  seinen  Inhalt  erlangen  konnte.  Ob  mi  sieb  für  sieb  als  No- 
min, ich  erhielt  oder  vielleicht  entwickelte,  ist  vollständig  gleicbgiltig,  es  liegt  klar 
genug  in  mai  oder  in  me,  mik  usw.  vor^  die  an  sich  aucb  keine  unmittelbaren  Ac- 
cusative  sind.  Und  das  ist  biebei  wichtig  und  beweisend  zugleich,  daß  die  Sprach« 
diesen  ihr  mit  Grund  zugetrauten  und  auch  hinreichend  erwiesenen  Weg  teilweise 
von  neuem  betritt:  denn  indem  sie  später  sagt:  ich  gebe,  er  gibt,  der  Mensch, 
6  Xoyog^  wiederholt  sie  nur  den  Process  den  die  ursprünglichen  Formen  schon  ein- 
mal durchgemacht  haben,  wenn  auch  auf  etwas  andere  Art.  Die  statt  dessen  von 
dem  Verf.  aufgestellte  und  durch  das  Buch  durchgeführte  Theorie  von  den  zu- 
nächst liegenden  Lauten*  stützt  sich  im  Grunde  auf  die  vorzugsweise  Ver- 
wendung eben  dieser  Laute  in  Wortbildungen  und  Flexionen  und  hat  sonst  nichts 
zu  bedeuten«. 

Und  was  veranlasste  denn,  fragt  man  erstaunt  weiter,  den  Verf.  zu  seinem 
völlig  abenteuerlichen  und  nutzlosen,  ja  verderblichen  neuen  Versuche?  Außer 
inancbem  anderen  was  man  in  der  Vorrede  liest  —  auch  Beckers  Auffassung  hat 
poch  mitgewirkt  —  verführt  ihn  seine  grundverkehrte  Vorstellung  von  der  Sprach- 
geschichte ;  beide  Theorieen,  meint  er,  seien  nichts  anderes  als  unerwiesene  Hypo- 
thesen; der  Nachweis,  den  die  geöchicbtliche  versucht,  wird  bei  der  s.  g.  or- 
ganischen, sagen  wir  lieber  bei  der  Wundertbeorie  unnötig  oder  unmöglich ; 
endlich  die  Leistungen  jener,  die  immerhin  noch  unvollkommen  genug  sind,  befrie- 
digen ihn  nicht;  so  gibt  es  ihm,  wie  schon  erwähnt,  unüberwindlichen  Anstoß, 
daß  mi,  ma  ich  bedeuten  soll  und  doch  als  Nominativ  nicht  nachweislich,  vielmehr 
durch  (iham,  ego,  ik  (d.  h.  ihm :  ich  habe  es  gesagt,  ich  der  Sprechende  bin  es) 
ersetzt  wird ,  obgleich  er  die  gewöhnliche  Erklärung  von  amabam  einräumt ,  ohne 
(am  für  sich  nachzuweisen ;  so  ist  ihm  femer  z.  B.  anstößig,  daß  die  Länge  des  i  im 
lat.  fuisti  (ihm  fuistai)  bisher  unerklärt  geblieben,  während  ihm  meder  plintir  slub 
Ißindas  keine  Schwierigkeit  macht,  —  das  und  anderes  der  Art  was  sich  bei  seiner 
dürftigen  Auffassung  völlig  erledigen  soll,  ist  ihm  Hindernis  den  gewöhnlichen  Weg 
zu  verfolgen  und  treibt  ihn  mit  zur  Verwerfung  der  glänzendsten  Errungenschaft 
unserer  Tage. 

Dabei  werden  nicht  selten  die  schönsten  und  sichersten  Erklärungen  statt 
fruchtloser  Äußerlichkeiten  bei  Seite  geworfen,  wie  denn  z.  B.  a-0/i£g  für  a/u/ufg 
einem  cift-fttg  weichen  muß,  um  mit  fulcrum  am  zu  m  statt  zu  ü'ham  zu  gehören ; 
Verwinungen  der  Personalendungen,  wie  sie  wol  für  das  gotische  Medium  beliebt 
sind,  werden  weiter  auf  das  Altsächsische  und  Altnordische  übertragen,  wo  die 
eine  Endung  unorganisch  aus  der  anderen  herübergenommen  sein  soll ;  Ungenauig- 
keiten  und  auch  falsche  Behauptungen  laufen  hie  und  da  mit  in  den  Weg :  daß 
die  Hs.  des  Ludwigsieichs  verschwunden  sei  und  anderes  Auffällige  im  Quellen- 
verzeichnisse übergehe  ich ,  aber  daran  ist  doch  zu  erinnern,  daß  für  gaganga  des 
Stiraßburger  Eides  bei  Roquefort  Grimm  nebst  allen  neueren  Herausgebern  gegangu 
gibt,  und  zu  S.  224,  daß  nicht  bloß  im  Taufgel.  hdlogan  gdst^  sondern  im  H^L 
1,71,  7  Mlag  dthö,  wie  ib.  2  kcelago  dag  im  Mon.  (H.  v.  5773  hilag,  5766  hilago) 
vorkommt;  außerdem  ist  abd.  sa^dta  u.  dgl.  bekannt  genug. 

Dennoch  begegnet  einige  Male  Lehrreiches  oder  doch  Beachtenswertes^ 
kb.  4«ibte  jeclQQh  iu  dem  ganzen  Buche  uur  vier  oder  fmi  Stellexu    So  istj  e^ 


LITTERATUR.  249 

ein  feiner,  wenn  auch  nicht  gerade  glücklicher ,  für  amaham  absolut  unbrauch- 
barer Einfall,  in  legehamy  um  die  Lange  des  e  zu  rechtfertigen  und  der  Zu- 
sammensetzung mit  dem  Stamme  los  zu  werden.,  le^  als  einen  alten  zu  legier 
gehörigen  Infinitiv  zu  nehmen*  Wichtiger  ist  was  weiterhin  über  den  germanischen 
Conjunctir  und  Optativ,  got.  nimau,  imp«  nimam,  die  bekannten  ahd*  ^-Formen^ 
(legam  neben  attingem)  gesagt  wird ,  freilich  weder  ganz  neu  noch  auch  voll- 
ständig, wie  denn  z.  B«  die  plur.  Gonjunctive  nemdn,  Idzdny  geloufän  nicht  er- 
wähnt sind.  Endlich  ist  auch  wol  einiges  Brauchbare  über  den  Zusammenhang 
zwischen  dem  Part*  ans,  anir  (ana,  dna)  und  dem  Infin.  an  neben  den  grieclu 
^£vop,  lisvai,  Bvai  und  den  Suffixen  man  imd  an  zu  finden. 

Allein  wenn  dergleichen  hier  nicht  völlig  vermist  wird,  and  spärlich  ge- 
nug begegnet  es  überdies,  so  ist  das  nur  ein  Grrund  mehr  zu  bedauern,  daß 
der  scharfisinnige  und  kenntnisreiche  Verfasser  sich  nicht  entschließen  kannte, 
auf  dem  gebahnten  und  man  sollte  meinen  glänzend  bewährten  ,^  allein  rechten 
Pfade  aller  heutigen  Sprachforscher  fortzuschreiten,  auf  dem  ihm  sicher  mehr 
Wahres  und  Schönes  zu  finden  beschieden  gewesen  wäre« 

Der  Weg,  den  statt  dessen  der  Verf.  betritt,  führt  von  Neumn  in  mühsam 
gelichtetes  Dunkel  und  Dickicht  zurück,  ein  Unweg,  den  man  zumal  für  die 
Zeit  der  Formenbildung  der  vernünftigen  Sprache  gar  nicht  zutrauen  sollte. 
Und  so  ist  es  denn  leider  Pflicht,  vor  dem  Gebrauche  dieses  Buches,  was  die 
bedeutendste  Aufgabe  desselben  angeht,  auf  das  Nachdrücklichste  zu  warnen. 
GKEIFSWALD,  im  August  1869.  A.  HCEFER. 


Zupitza,  Julius,  Verbesserungen  zu  den  Draclienkämpfen.  Geschrieben  behufs 
Habilitation  an  der  Breslauer  Universität«  Oppeln  1869.  Reisewitz.  32  S«  8^. 

Als  Vorläufer  seiner  für  das  'Deutsche  Heldenbuch'  bestimmten  Ausgabe 
behandelt  der  Verf.  eine  Anzahl  verderbter  Stellen  der  Drachenkämpfe,  nachdem 
er  im  Eingange  die  handschriftlichen  Hilfsmittel  und  deren  Verhältniss  zu  einander 
dargelegt  hat.  Die  Verbesserungen  sind  meist  besonnen  und  scharfsinnig,  ich  hebe 
namentlich  21,  11.  197,  6.  225,  12.  277,  1.  318,  8.  626,  4  hervor.  In  Str.  21 
wird  aber  die  letzte  Zeile,  auch  wenn  die  Überladung  der  ersten  Hebung  keinen 
Anstoss  erregt,  wegen  des  zweimaligen  in  zu  bessern  sein :  statt  in  kelden  sich  man- 
heit  nie  verbarc  ist  zu  lesen  sich  helde  manheit  nie  verbarc,  -^  96,  2  wird  statt  us 
balten  der  Hs.  vermuthet  Hz  spalten,  was  die  stufenweise  Entstellung  üfs  spalten  — 
uz  palten  —  uz  balten  voraussetzt.  Allein  'das  Schwert  spaltete  wohl  manchen 
Nagel  heraus'  ist  nicht  sehr  glaublich ;  ich  halte  vielmehr  balten  verschrieben  für 
blaten,  —  109,  1  ist  trUckd  mit  Z.  in  dürkel,  vielmehr  aber  in  türkel  zu  ändern  i 
t  steht  nach  alter  Weise  für  d  nach  dem  vorausgehenden  z,  —  230,  12  ist  nur 
theilweise  befriedigend :  die  Hs.  hat  die  (ihre  Augen)  erbrechent  vensch  vnd  tum 
ir  hertze  die  sü  vindet  ganz.  Z.  schreibt  diu  erbrechent  wünschen  tür  in  herzen  diu 
si  vindent  ganz.  Wahrscheinlich  ist  mir  diu  erbrechent  venster  unde  tilr  in  herze^ 
denn -auch  herzen  zu  schreiben  ist  nicht  nothwendig.  —  244,  10  ist  die  Besserung 
in  iender  statt  siu  irgent  annehmbar,  aber  pinen  in  pine  zu  verändern  mindestens, 
unnöthig,  da  es  substant.  gebrauchter  Infinitiv  ist.  —  269,  5  ist  richtig  erkannt, 
daß  der  Fehler  in  siu  steckt,  aber  es  steht  nicht  für  sin,  auch  in  der  folgenden  Zeil^ 
ist  nichts  zu  ändern.  Die  Besserung  v.  d.  Hagens  wie  für  und  hat  Z«  mit  Becht 
aufgenommen  \  beide  Zeilen  sind  daher  zu  schreiben : 


250  LITTERATUB. 

wie  wir  sin  (=  si  in)  ganzer  vrihtden  wer 

und  endeltche  enphdhen, 
296,  12  er  unde  sin  swert  stürten  mich  schlägt  Z.  für  das  überlieferte  durfent  mich 
vor.  Ich  halte  durtent  eher  für  entstellt  aus  derwerten  oder  demerten»  Die  Abkür- 
zung c^werten  oder  d^nerten  konnte,  wenn  das  Abkürzungszeichen  yerwischt  war^ 
sehr  leicht  duerten,  durten  gelesen  werden.  Auch  fällt  dann  twert  richtiger  in  die 
Hebung  als  in  die  Senkung.  —  342,  7  ff.  ist  mehr  als  nöthig  geändert:  die  ver- 
suchte Umstellung  ist  nicht  gut,  da  das  Adj.  ganz  besser  zu  doste  vr^ude  als  zu 
hochgemüete  passt.  Der  Fehler  liegt  im  ersten  Reimworte:  statt  wunneclicher  white 
ist  zu  schreiben  in  wunnecUch  erhlUete,  Vgl.  do  erblUete  ir  liehtiu  varwe  Nib.  240,  4. 
Auch  in  der  Schlußzeile  der  Strophe  ist  fromde»  nicht  in  unvremdez  zu  ändern^ 
sondern  zu  schreiben  friundes  küssen,  friunt  kann  Geliebter  und  Geliebte  heißen  r 
die  Vertauschung  von  fremde  und  friunde  ist  in  Hss.  sehr  häufig:  zwei  Beispiele 
außer  der  ersten  Zeile  in  Eürenbergs  Liedern  geben  meine  Liederdichter,  Anm« 
zu  I,  1;  andere  sind  Erec  2682.  j.  Titurel  764,  4.  1140,  4.  Nib.  323,1b. 
1082,  la.  1324,  3a.  1449,  ID.  —  367,  6  ist  lip  schwerlich  in  leit  zu  verwandeln^ 
vielmehr  statt  gemiret  ist  gunSret  zu  bessern  und  zu  lesen  tun  Up  wirt  drumb  guneret^ 
Auch  in  der  angezogenen  Stelle  258,  12  ist  die  Änderung  lip  in  leit  ungut;  vielmehr 
statt  lip  zu  schreiben  liep:  die  hdnt  ir  liep  und  ouch  ir  gruoz, .  .gesant  liep  in  Gruß- 
formeln ist  sehr  gebräuchlich,  vgl.  auch  S.  16  zu  416,  5.  —  393,  3  wird  daz 
prissen  in  daz  krizen  verändert:  wenn  man  jedoch  bedenkt,  daß  hraht  358,  3  in 
h-uch  entstellt  ist,  so  scheint  sich  zu  ergeben,  daß  prissen  eher  aus  prehten  =  brehten 
verderbt  ist:  p  steht  für  h  wiederum  nach  »,  vgl.  zu  109,  1.  —  407,  3  hie  ist 
wohl  nicht  in  uns  zu  verwandeln,  sondern  ganz  zu  streichen;  der  Schreiber  setzte 
es,  weil  er  die  Stelle  falsch  verstand.  In  der  folgenden  Zeile  ist  bi  eine  besser  al& 
in  bt  deme  in  bime  zu  verbessern :  Meme  stände  der  Überlieferung  noch  näher ,  wie 
man  ö/ewc,  aneme  u.  s.  w.  findet.  —  559,  10  statt  rock  ist  nicht  rittery  sondern 
das  näher  liegende  recken  zu  schreiben.  —  687,  7  diu  edeZe  herzoginne  ist  durchaus 
nicht  unrichtig,  und  diu  nicht  in  du  zu  ändern,  denn  der  bestimmte  Artikel  beim 
Vocativ  ist  nicht  selten.  Vgl.  Nibel.  1539,  2.  1542,  4.  —  696,  5  echowen  ist 
ohne  Frage  unrichtig  und  wahrscheinlich  aus  der  folgenden  Zeile  eingedrungen,^ 
wo  auch  sulen,  wenn  auch  nicht  unmittelbar,  vorhergeht.  Z.  schlägt  vor  zouweny 
doch  wird  dies  Verbum  so  absolut  wie  hier  kaum  gebraucht,  sondern  entweder 
mit  reflex.  sich  oder  mit  dem  Genetiv.  Der  häufigste  Gebrauch  ist  aber  der 
unpersönliche  mir  zouwet,  und  hier  setzen  es  jüngere  Hss.  häufig  für  zogen^ 
vgl.  Nibel.  738,  3.  767,  1.  1649,  3  meiner  Ausgabe.  Daher  ist  am  wahr- 
scheinlichsten wir  sulen  zogen  ftlr  den  berc»  —  718,  12  wird  und  in  end  geändert, 
eine  von  Lachmann  in  seiner  Nibelungenausgabe  mit  Vorliebe  gesetzte,  aber 
nicht  durch  die  Hss.  bestätigte  Form:  «na,  wie  Hagen  besserte,  ist  ganz  richtig, 
nur  muß  es  in  der  Bedeutung  'während',  nicht  'bis*  genommen  werden.  — 
745,  11  ist  clagestu  nicht  in  dagestu  zu  ändern,  weil  dagen  in  der  hier  gefor- 
derten Construction  nicht  vorkommt,  sondern  zu  schreiben  hügestu  an  Ecken  not» 
w  hat  denselben  Sinn:  denkst  du  nit  an  des  Ecken  tdt,  —  1068,  10  ist  richtig 
erkannt,  daß  mit  in  niht  zu  bessern  ist ;  aber  es  muß  auch  die  Wortstellung 
verändert  werden,  und  wohl  auch  iwer  in  «r,  also  ich  hdn  ir  niht  Verluste.  So 
wenig  man  sagen  kann  ich  hdn  niht  des  ere,  ebensowenig  ich  hdn  niht  iwer  Verluste, 
ROSTOCK,  December  1869.  K.  BARTSCH. 


LITTERATÜR.  251 

Der  von  Sahsendorf.  Carmina  quot  supersunt  recognovit  emendavitque  F.  G.  P. 
Storck.  Monaaterii  1868.  40  S.  gr.  8. 

4 

Die  Lieder  dieses  österreichischen  Dichters  sind  uns  allein  in  der  Pariser  Hs. 
überliefert  und  nicht  frei  von  Verderbnissen,  daher  der  Conjecturalcritik  nicht 
selten  Spielraum  gegeben  werden  musste.  Der  Herausgeber  hat  zum  ersten  Mal 
den  Text  der  Lieder  critisch  hergestellt  und  ihn  mit  einer  geschmackvollen  Über- 
setzung in  der  Form  des  Originals  und  mit  fleißigen  Anmerkungen  begleitet.  Ein 
Dichter,  dessen  Werke  so  wenig  zahlreich  sind,  gibt  wenig  Anlass  seine  Eigenart 
kennen  zu  lernen  und  erschwert  damit  der  Critik  ihre  Aufgabe.  Denn  dadurch  ist 
bei  verderbten  Stellen  der  ELreis  des  Wahrscheinlichen  größer  als  wo  es  sich  um 
eine  bestimmter  ausgeprägte  dichterische  Persönlichkeit  handelt.  Gleich  die  ersten 
Verse  des  ersten  Liedes  zeigen  eineVerderbniss;  überliefert  ist  i>i«e  Ziehten  tage  dnt 
uns  komen  und  des  meien  zit  vil  kleinen  vogel  sang.  Dafür  schreibt  Storck  des  meien 
scMn  gU  vil  der  kleinen  vögele  sanc*  schtn  hatte  schon  Hagen  gesetzt.  Die  Besserung 
ist  scharfsinnig  und  man  kaim  etwa  nur  an  der  Satzverbindung  durch  und  geringen 
Anstoss  nehmen.  Einfacher  scheint  mir  jedoch,  statt  zit  für  Fehler  aus  schin  git  zu 
halten,  zit  für  Schreibfehler  statt  schin  zu  erklären:  des  meien  zit^  eine  häufige 
Ausdrucksweise,  kam  dem  Schreiber  in  die  Feder.  Dann  wäre  etwa  zu  schreiben 
des  meien  schin  und  der  vil  kleinen  vögele  sanc.  —  10  ist  PTen,  wie  die  Hs»  liest^ 
nicht  in  Wenne  zu  ändern,  denn  es  müsste  Swenne  heißen,  sondern  wen  steht  nach 
alemannischer  Art  für  wein :  der  Dichter  schrieb  wohl  Weln^  —  16  wapen  der  Hs . 
ist  ohne  Noth  mit  Hagen  in  wäfen  verändert  worden.  —  55  ist  überliefert  iw  künde 
min  herze  nie  nebringen,  St.  schreibt  ich  enkunde  daz  herze^  und  entfernt  sich  damit 
zu  weit  vdh  der  Überlieferung.  Die  unregelmäßige  Betonung  in  kundh^  die  nament- 
lich bei  Burkart  von  Hohenfels  häufig  ist,  darf  man  wohl  beibehalten  (zu  m.  Lie- 
derdicht. 34,  62) :  scheint  sie  anstößig,  dann  ist  zu  schreiben  in  kund*  et  mtn  herze, 
ich  konnte  nun  einmal  nicht',  kund  in  der  Senkung  ist  wie  rehte  82.  —  69  ist 
hite  statt  des  hs.  bit  geschrieben  worden,  aber  der  Imper.  bit  ist  ohne  Anstoss ; 
dagegen  war  bitte  7 1  nicht  in  bite,  sondern  in  bit  zu  ändern,  weil  es  in  der  Senkung 
steht.  Die  Orthographie  bedarf  auch  wohl  noch  kleiner  Nachhilfe:  74  1.  dan  ich 
statt  danne  ich ;  8 1  lies  soWlouVich ,  denn  wenn  der  Vers  auftactlos  ist ,  muss  auf 
so  die  Hebung  fallen  5  82  1.  reht\  153  1.  wolt  diu  statt  wolde  diu,  —  84  ist  daz 
in  dez  verwandelt,  wahrscheinlich  um  den  Vers  auftactlos  zu  machen,  aber  auch 
so  dez  kann  nicht  die  erste  Hebung  bilden,  man  müsste  dann  schon  schreiben  so  ea. 
Indess  in  der  Regulierung  des  Auftactes  ist  der  Herausgeber  wohl  überhaupt  zu 
strenge  und  ergänzt  aus  diesem  Princip  vielfach  kleine  Worte,  so  Z.  2^.  140  wan^ 
119  dar,  127.  133.  150  »e,  131.  136  cw,  139  ww,  144.  154  vil,  146.  152  daz, 
148  doch,  157  nü,  159  aZ,  und  dabei  bleibt  Z.  130  doch  auftactlos.  Ich  glaube 
kaum,  daß  die  Critik  so  weit  gehen  darf.  —  128  höhte  in  hcehe  zu  verändern  ist 
kein  genügender  Grund  vorhanden:  höhte  ist  Conj.  im  Sinne  'erhöhen  dürfte'.  — 
141.  Wenn  man  auch  den  Versuch,  den  Inreim  herzustellen,  in  V.  132  gelten 
lassen  will,  wiewohl  nicht  zu  leugnen,  daß  der  Ausdruck  in  aller  reine  mit  trivjwen 
gestdt  etwas  befremdliches  hat,  so  ist  doch  gegen  die  zu  kühnen  Änderungen  der 
letzten  Strophe  Bedenken  zu  erheben,  namentlich  was  die  letzte  Zeile  betrifft: 
doch  wollen  wir  damit  dem  Scharfsinn  des  Herausgebers  nicht  zu  nahe  treten,  der 
hübsch  darthut,  wie  aus  der  verderbten  Stelle  das  Bild  der  Hs.  sich  erklärt.  Im 
Hinblick  auf  den  nicht  seltenen  Mangel  der  Durchführung  des  inneren  Reimes 


252  MISCELLEN. 

(vgl.  diese  Zeitschrift  Xu,  155 — 156)  werden  wir  die  dritte  Strophe  und  schoji 
den  Schluß  der  zweiten  als  nicht  mit  Inreimen  versehen  betrachten.  Von  guten 
Besserungen  des  Textes  heben  wir  die  zu  Y.  26.  41.  76.  85.  130  hervor. 
ROSTOCK,  December  1869.  K.  BAETSCIL 


MISCELLEN. 


FFEIFFERFEIEE  IK  BETTLACH  29.  MAI  1870. 

Die  Idee,  PfeifPers  Andenken  durch  Errichtung  eines  G-edenksteines  in  seinem 
Heimatorte  Bettlach*)  zu  festigen,  gieng  aus  von  dem  durch  Herausgabe  von  Ge- 
dichten und  Sagen  in  Solothumer  Mundart  bekannten  Dr.  F.  J.  Schild  in  Gren> 
eben  **).  Der  Ausfuhrung  des  einmal  gefassten  Gedankens  unterzogen  sich  die 
Bettlacher  auf  bewunderungswürdige  Weise.  Mit  S4  Pferden  und  einem  Aufwände 
von  außerordentlicher  Mühe  —  das  ganze  Dorf  war  mehrere  Tage  hindurch  in 
Bewegung  —  wurde  der  als  passend  erkorene  Granitblock,  ein  sogenannter  Find- 
ling, im  Gewichte  von  nahezu  300  Centnem,  nachdem  er  durch  Sprengen  handlich 
geworden,  von  einem  hochgelegenen  Acker  auf  seinen  Platz  vor  dem  Schulhause 
gebracht,  und  ihn  hier  aufzustellen  kostete  nicht  geringere  Arbeit. 

Der  unterzeichnete  Berichterstatter,  von  Sr.  Exe.  dem  Statthalter  für  Tirol 
und  Vorarlberg  telegraphisch  aufgefordert,  als  Vertreter  der  österr.  Regierung  an 
der  Feier  theilzunehmen,  begab  sich  Sonntag  den  2&.  Mai  in  Begleitung  des  Kec- 
tors  -  der  Cantonsschule  in  Solothum,  Prof.  G.  Schlatter,  jenes  um  das^Andenken 
Pfeiffers  so  hochverdienten  Mannes,  auf  den  Festplatz.  Der  mit  Epheu  bekränzte 
und  von  einem  Gebüsche  junger  Tannen  umgebene  Denkstein  bot  einen  über- 
raschend imposanten  Eindruck.  Die  in  den  Stein  gemeißelte  Inschrift  lautet  also : 

DEM  ANDENKEN 

AN 

DR.  FRANZ  PFEIFFER  VON  BETTLACH 

GEBOREN  ZU  SOLOTHÜRN  27.  FEBRUAR  1815 

GESTORBEN  ALS  PROFESSOR  DER  DEUTSCHEN  SPRACHE  UND 

LITTERATUR  AN  DER  UNIVERSITAET  WIEN  29.  MAI  1868. 

SEINE  MITßUERGER  1870. 

Die  Gastfreundschaft  des  Hm.  Pfarrers  Tro^xler  hatte  mir  über  die  Stunden 
bis  zum  Beginn  des  Festes  hinübergeholfen.  Mittags  1272  ^^^  begann  die  Feier, 
angekündet  durch  vier  Kanonenschüsse ;  die  Regienmg  von  Solothum  hatte  nämlich 
zum  Feste  eigens  eine  Kanone  aus  dem  Zeughause  nach  Bettlach  geschickt,  welche 
von  Artilleristen  aus  Bettlach  bedient  wurde.  Um  1  Uhr  versammelten  sich  die 
Festtheilnehmer  vor  dem  Hause  des  Herrn  alt-Statthalters  Paul  Marti,  in  wel- 
chem Pfeiffers  Vater  seine  Kindheit  zugebracht  hatte  und  noch  jetzt  entfernte  Ver- 
wandte von  ihm  wohnen.    Es  war  bekränzt  und  trug  die  Aufschrift:    ^Pfeiffera 


*)  Nach  Mittheilmig  des  Hm.  Rectors  Schlatter  ist  es  durch  die  Angaben  der 
Kirchenbücher  außer  allen  Zweifel  gesetzt,  daß  Pfeiffer  in  Solothum  geboren  ist. 
In  Bettlach  aber  als  dem  Heimatorte  seines  Vaters  besaß  die  Familie  das  Bürgerrechte 

**}  Grenchen  ist  ein  von  Bettlach  Va  Stunde  westlich  entferntes  Dorf.. 


MISCELLEN.  253 

Stammliaas.'  Von  da  bewegte  der  Zug  sich  unter  Musik  und  Kanonensalven  durch 
die  festlich  geschmückte  untere  Dorfstraße  nach  dem  Festplatze  in  der  durch  das 
Programm  vorgeschriebenen  Ordnung: 

L  Abtheiiung* 

Militärmusik  des  Bat.  Nr.  44.  —  Schützengesellschaft  Grenchen.  —  Ab- 
ordnung der  h.  Regierung.  —  Bezirksbeamte.  —  Festredner  mit  dem  Abgeord- 
neten des  k.  k.  Ministerii.  —  Hochw.  HH.  Pfarrer  der  Nachbarsgemeindeut  — 
HH.  Professoren  der  Cantonsschule  in  Solothum  und  historischer  Verein.  —  In- 
stitut Breidenstein  in  Grenchen.  —  Studentenvereine  Zofingia,  Helvetia  und  die 
übrigen  Studenten  in  Solothum.  —  Lehrerseminar  in  Solothum. 

n.  Abtheilung. 

Militärmusik  von  Selzach.  —  Schützengesellschaft  von  Selzach.  —  Fest- 
-comitö.  —  Gemeindebehörden  von  Grenchen,  Selzach  und  Bettlach.  —  Leseverein 
von  Grenchen.  —  Turnverein  von  Grenchen.  —  ^Liederkranz*  von  Grenchen.  — 
Männerchor  von  Bettlach.  —  Freunde  imd  Bekannte  des  Gefeierten.  —  Einwohner- 
schaft von  Bettlach  u.  A. 

Die  Schützenvereine  bildeten  einen  weiten  Kreis  um  das  Denkmal,  hinter 
ihnen  stellten  die  übrigen  festfeiemden  Vereine  und  das  zahlreich  zusammen- 
geströmte Publicum  sich  auf. 

Die  Feierlichkeit  wurde  erö&et  durch  ein  Begrüßungslied  von  Seiten  des 
Männerchors  Bettlach,  welchem  eine  Production  der  Musik  von  Selzach  folgte  und 
ein  Chorlied  (Schweizerpsalm  von  Zwyssig) :  'Trittst  im  Morgenroth  daher .  Sodann 
hielt  Bector  Schlatter  folgende  Festrede: 

„Um  die  gleiche  Tageszeit,  zu  welcher  wir  hier  beisammen  sind,  bewegte 
sich  h«ute  vor  zwei  Jahren  ein  Wagen  von  dem  nah  bei  Wien  gelegenen  Curorte 
Baden  nach  der  Residenz.  Ein  Gelehrter  mit  seiner  Frau  und  seinen  beiden  Söhnen 
saß  darin,  ein  kranker  Mann,  dem  die  Überanstrengung  in  seiner  Thätigkeit  ein 
Kopfieiden  zugezogen^  das  ihn  schon  den  ganzen  Winter  über  ans  Schmerzens- 
lager  gefesselt.  Auf  Anrathen  seiner  Ärzte  hatte  er  sich  in  den  Frühlingstagen  des 
Jahres  1868  nach  jenem  Orte  begeben,  um  in  dessen  milder  Luft  Linderung  seiner 
Leiden  zu  finden.  Dieser  Zweck  schien  erreicht.  Gestärkt  durch  die  Bewegung  im 
Freien  kehrte  der  Kranke,  jetzt  nach  seinem  Wohnorte  zurück,  um  sich  zu  rüsten 
zu  einem  Ausfluge  in  die  steierischen  Alpen.  Von  der  reinen  Luft  der  Berge  hoffte 
er  gründliche  und  dauernde  Heilung  des  lange  eingewurzelten  Übels.  In  solch  froher 
Hoffiiung  sprach  er  heiter  mit  Frau  und  Kindern  von  der  nahen  Reise ,  seiner  Ge- 
nesung und  den  Plänen  für  die  Zukunft.  In  fröhlicher  Stimmung  und  gesprächig 
wie  lange  nicht  mehr  traf  er  in  Wien  ein*  Er  fühlte  sich  so  munter,  daß  er  der 
Gewöhnung  an  freie  Luft  nicht  gleich  wieder  entsagen  wollte,  um  sich  in  die 
Krankenstube  einzuschließen.  In  Begleitung  eines  Freundes  begab  er  sich  noch 
in  den  nahen  Stadtpark^  um  dort  die  Kühle  zu  genießen.  Mit  dem  lebhaftesten 
Interesse  unterhielt  er  sich  mit  seinem  Begleiter  über  die  neuesten  Erscheinungen 
und  Ereignisse  im  geistigen  Leben  der  Hauptstadt.  Doch  mitten  im  Fluße  der  Rede 
ereilte  ihn  ein  neuer  Anfall  des  Übels,  tückischer  als  alle  früheren.  Sprachlos,  ein 
verlorner  Mann,  wurde  er  nach  seiner  Wohnung  gebracht  und  zwei  Stunden  später, 
um  1 0  y^  Uhr,  war  er  eine  Leiche.  — 


254  MISCELLEN. 

Wohl  achtzig  Jahre  früher  war  im  Derfe  Bettlach  ein  fremder  Knabe  er- 
schienen. Niemand  hatte  ihn  noch  gesehen,  niemand  kannte  ihn.  Aus  den  Schriften 
und  Briefen,  die  er  mitbrachte,  erfuhr  man  aber,  daß  er  ein  Bürger  von  Bettlach 
sei,  den  seine  in  Savoyen  lebenden  Altem  den  Verwandten  nach  Hause  schickten, 
um  für  seine  Erziehung  zu  sorgen.  Und  er  wurde  erzogen  in  dem  Hause,  vor  welchem 
unsere  Festgenossen  heute  zum  feierlichen  Zuge  sich  versammelten  •).  Der  arme 
fremde  Knabe  ist  später  der  Vater  des  Wiener  Gelehrten  geworden.  Der  Gelehrte 
aber  ist  der  Bürger  von  Bettlach  Franz  PfeiflEer,  unser  Pfeiffer,  dessen  Andenken 
dieser  Denkstein  heute  geweiht  wird. 

Schön  und  sinnig  trifft  sichs,  daß  aus  diesem  Stammhause  ein  berühmter 
Kenner  deutscher  Sprache  und  deutschen  Alterthumes  hervorgehen  musste,  aus 
diesem  Hause,  von  dem  die  Volkssage  berichtet,  daß  in  uralten  Zeiten  in  ihm 
zu  nächtlicher  Stunde  die  Erdweiblein  zusammenkamen  um  zu  spinnen,  und  in 
welchem  man  noch  lauge  in  den  Vertiefungen  des  Getäfels  die  Löcher  zeigte,  worein 
dieselben  ihre  Spinnrocken  steckten. 

Aber  lang,  mühsam  und  voller  Klippen  war  der  Weg,  der  von  jenem  Hause 
zum  Wohnsitze  des  geachteten  Gelehrten  in  Wien  führte **). 

Heute  feiern  wir  das  Andenken  des  früh  Dahingeschiedenen  durch  das  Setzen 
eines  Denksteines  und  fragen  uns:  Was  bewegt  Pfeiffers  Mitbürger,  ihm,  den  sein 
Schicksal  früh  dem  Vaterland  entrissen,  der  seine  Stellung  im  Auslande  hatte  und 
der  sein  schweizerisches  Bürgerrecht  sogar  aufgeben  musste,  was  bewegt  seine 
frühem  Mitbürger,  sein  Andenken  so  festlich  zu  begehen  ?  Wir  sagen :  Es  ist  der 
gerechte  Stolz,  daß  dies  Rind  unserer  Berge,  unseres  Volkes  durch  die  Energie 
seines  Willens  zu  einer  so  hoch  geachteten,  von  den  Gelehrtesten  der  deutschen 
Nation  anerkannten  Stellung  sich  emporgerungen  hat.  Nicht  vornehme,  nicht  reiche 
Altem  oder  Verwandte  standen  an  der  Wiege  des  Gefeierten ;  seine  Heimat  war 
ein  kleines  Dorf,  dessen  Name  kaum  je  genannt  wurde  außer  den  Grenzen  des 
Vaterlandes,  und  dennoch  hat  er  es  weiter  gebracht  als  tausend  Andere,  denen  vor- 
nehme Geburt  oder  Heichthum  die  Wege  zu  Ruhm  und  Ehren  ebnen,  und  Ihm 
haben  wir  es  zu  danken,  wenn  der  Name  seiner  Heimat  heute  ein  weithin  ge- 
kannter ist.  —  Der  heutigen  Feier  liegt  der  Stolz  des  ßepublicaners  zu  Grunde, 
der  nur  den  durch  eigene  Kraft  errungenen  Erfolg  achten  soll  und  Jeden  verehrt, 
der  durch  die  Anstrengung  des  eigenen  Willens  sich  emporgeschwungen,  doppelt 
verehrt,  wenn  er  in  ihm  seinen  Mitbürger  begrüßen  kann.  — Pfeiffer  ist  für  seine  jün- 
geren Mitbürger  ein  leuchtendes  Beispiel  geworden,  was  mit  ernstlichem  Streben 
erreicht  werden  kann.  Darauf  möchten  wir  namentlich  seine  jungen  Landsleute  hin- 
weisen, die  an  derselben  Anstalt  sich  den  Wissenschaften  widmen,  an  der  Er  sich 
die  Grundlage  seines  Wissens  geholt.  Unsere  Zeit  ist  nicht  reich  an  energischen 
Characteren,  am  wenigsten  an  solchen,  die  mit  Begeistemng  und  ohne  Bücksicht 
auf  materiellen  Erfolg  dem  keuschen  Dienste  der  Wissenschaften  sich  hingeben; 
achtet  somit,  meine  jungen  Freunde,  in  Pfeiffer  nicht  bloß  den  großen  Gelehrten, 
sondern  auch  den  edelen  Menschen,  der  als  Mann  die  Ideale  seiner  Jugendtage  fest- 


*)  Das  Haus  führt  heute  noch  den  Namen:  Savoyerhaus.  Von  Clemens  Pfeiffer, 
dem  Vater,  weiß  man  in  Solothum  noch  viele  histige  Heldenthaten  zu  berichten,  die 
er  während  seiner  Kriegsjahre  vor  den  Augen  Napoleons  ausgeführt  haben  will. 

**)  Was  der  Redner  hier   aus  dem   Leben  und  Wirken  des  Gefeierten   einfügt, 
darf  als  in  weiteren  Kreisen  bekannt  überganwen  worden. 


MISCELLEN.  255 

gehalten  und  ihrem  Dienste  sein  ganzes  Leben  geweiht  hat:  Wenn  die  heutige 
Feier  in  Euch  den  Funken  der  Begeisterung,  den  heiligen  Vorsatz,  edelen  Zwecken 
Euer  Leben  zu  widmen,  zur  hellen  Flamme  anfacht,  so  hat  sie  ihren  schönsten 
Zweck  erfüllt. 

Aber  auch  noch  aus  einem  anderen  Grunde  hat  Pfeiffer  es  wohl  um  uns  yer- 
dient^  daß  in  seiner  Heimat^  in  der  Schweiz,  ihm  ein  dauerndes  Andenken  für 
immer  gesichert  bleibe«  Ist  auch  das  Ausland  der  Schauplatz  seines  Wirkens  ge- 
wesen, so  ist  er  doch  ein  treuer  Schweizer  geblieben  sein  Lebelang  und  nie  hat  er 
seine  Heimat  verläugnet.  Recht  schweizerisch  war  der  Freimuth,  mit  dem  er  in 
seinen  gelehrten  Kämpfen  auch  den  besten  Freunden  rücksichtlos  seine  Meinung 
sagte.  Die  Wahrheit  sagen  und  vertheidigen  gieng  ihm  über  Alles.  'Als  Schweizer 
mnss  ich  sagen,  was  meine  Überzeugung  ist',  schrieb  er  einem  seiner  Gegner. 
Viele  hat  er  dadurch  zu  seinen  Feinden  gemacht,  denn  ungeschminkte  Wahrheit 
zu  ertragen  ist  nicht  Jedermanns  Sache.  Gerade  die  Edelsten  aber  zollten  ihm 
wegen  seines  Freimuths  die  höchste  Achtung.  Ein  Schweizer  ist  Pfeiffer  auch  ge- 
blieben durch  seine  fortwährende  Anhänglichkeit  an  seine  Heimat.  Nahm  er  auch 
warmen»  Antheil  an  den  Geschicken  seines  Adoptiwaterlandes  Österreich,  so  l^at  er 
doch  die  Schweiz  und  seine  Heimat  Solothurn  nie  vergessen,  und.  seine  ersten  Ver- 
suche eine  Lebensstellung  zu  gewinnen  galten  seinem  Vaterlande  *).  Wenn  auch 
durch  die  Verhältnisse  gezwungen,  seinen  heimischen  Herd  sich  auswärts  zu  grün- 
den, kehrte  er  doch  immer  gern  in  die  heimatlichen  Berge  zurück,  so  oft  seine 
Beisen  ihn  in  ihre  Nähe  führten.  Noch  wenige  Monate  vor  seinem  Tode,  auf  seiner 
letzten  Ferienreise,  trieb  ihn  unbezwingliche  Sehnsucht  dahin.  An  Allem,  was  in 
seinem  Heimatorte  Löbliches  geschah,  hat  er  immer  den  regsten  Antheil  genommen. 
Nie  besuchte  er  Solothurn,  ohne  daß  er  von  seinen  Freunden  aufs  genaueste  sich 
hätte  berichten  lassen,  was  für  Hebung  der  Schulen  und  des  Unterrichtes  daselbst 
geschehen  war.  Eines  seiner  letzten  Geschäfte  war,  der  Solothurner  Cantonsschule 
eine  Sammlung  aller  von  ihm  herausgegebenen  Werke  zu  schenken,  und  er  war  nicht 
beruhigt,  ehe  er  die  Sendung  richtig  angekommen  und  nach  seinem  Wunsche  auf- 
gestellt  wusste. 

Diese  Anhänglichkeit  an  seine  Heimat  zeugt  von  seinem  tiefen  Gemüthe ; 
und  von  tiefem  Gemüthe  auch,  daß  er  seine  Mutter  imd  Schwester  nie  vergaß 
und  beide  nach  ELräften  unterstützte,  so  lange  er  lebte.  Zu  seiner  Mutter  nach 
Solothurn  flüchtete  er,  als  ihm  seine  erste  Frau  gestorben;  bei  ihr  wollte  er  Trost 
suchen  für  seinen  herben  Verlust.  Sowenig  wie  seiner  Altem  vergaß  er  derjenigen, 
die  in  den  Tagen  der  Noth  ihn  unterstützt  hatten.  Seine  Dankbarkeit  fand  stets 
einen  sinnigen  zartgefühlten  Weg  sich  zu  äußern.  In  lebendigem  Angedenken  steht 


*)  Ende  des  J.  1844  und  Anfangs  1845  bewarb  er  sich  eifrig  um  die  Stellung 
eines  Stiftsbibliothecars  zu  St.  Gallen,  war  aber  in  seinen  Unterhandlungen  nicht  glück- 
lich; sieh  die  Briefe  des  Frhm.  von  Laßberg  an  Pfeiffer  im  Anhange  des  von  ihm 
herausgegebenen  Briefwechsels  zwischen  Jos.  Frhm.  von  Laßberg  und  Ludwig  Uhland 
(Wien  1869)  S.  288  u.  295.  *Es  ist  keineswegs  meine  Absicht,  in  Deutschland  länger 
als  ich  muss  zu  bleiben.  Es  ist  vielmehr  schon  längst  mein  lebhaftester  Wunsch,  in 
meiner  Heimat  einen  Wirkungskreis  zu  finden,  und  ich  halte  mich  nun 
genug  vorbereitet,  um  meinem  schweizerischen  Vaterlande  auf  irgend 
eine  Weise  nützlich  zu  werden  ,  so  schrieb  er  damals  an  einen  einflußreichen 
Mann  in  St.  Gallen.  Auch  ein  Gedicht  aus  seiner  Studentenzeit,  das  Bartsch  in  seiner 
dem  erwähnten  Buche  beigegebenen  Biographie  S.  XXI  f.  mittheilt ,  spricht  die  tiefe 
Sehnsucht  aus,  womit  es  den  jungen  Maim  nach  seinem  Vaterlande  zog. 


256  MSCELLEN. 

er  bei  seiner  Frau  und  seinen  beiden  Söhnen,  steht  er  bei  seinen  Wiener  Freunden 
und  Schülern.  Davon  legt  Zeugniss  ab  das  lebhafte  Interesse,  mit  dem  man  in 
Stuttgart  und  Wien  das  Zustandekommen  dieses  Denkmals  verfolgte.  Zwei  Tele- 
gramme, welche  bekunden,  wie  man  an  beiden  Orten  unser  Fest  im  G-eiste  mit- 
feiert, geben  dieser  Theilnahme  Ausdruck. 

I.  Aus  Stuttgart. 

Wittwe  und  Sohne  von  Franz  Pfeiffer  nehmen  gerührt  im  Geiste  am  heutigen 
Feste  Theil,  dankbar  für  die  dem  Gefeierten  von  seinen  Mitbürgern  erwiesene  Ehre, 
und  entbieten  ihren  Grui^  und  Handschlag. 

Emilie  Pfeiffer. 

Berthold  und  Hermann  Pfeiffer.^ 

n.  Aus  Wien. 

*Die  Wiener  Freunde  und  Schüler  Pfeiffers  den  Bettlachem  Festgenossen 
herzlichen  Gruß  zur  Feier  ihres  berühmten  Mitbürgers! 

Aschbach.  Bathay.  Thausing. 

V.  Bergmann.  v.  Rosner.  Thumwald. 

Braumüller.  Schenkl.  Johann  Tomaschek. 

Kuh.  Schröer.  Karl  Tomaschek. 

Kürschner.  Schulz  v.  Strasznitzky.  Vahlen. 

Lambel.  Sickel.  Vemaleken. 

V.  Lang.  Siegel.  Wagner. 

Lorenz.  Simony.  Welleba. 

Mareta.  Strobl.  Womatzka. 

Mussafia.  Stülz.  Zeißberg.' 

In  lebendigem  und  dankbarem  Andenken  steht  sein  Wirken  auch  bei  der 
österreichischen  k*  k.  Kegierung,  die  einen  besonderen  Abgeordneten  zu  der  heu 
tigen  Feier  abgeschickt  hat,  der  nach  mir  zu  Euch  sprechen  wird. 

Bürger  von  Bettlach,  lasset  mich  heute,  in  diesem  festlichen  Augenblicke 
Euch  danken  im  Namen  der  Angehörigen  und  der  vielen  Freunde  und  Verehrer 
Eueres  berühmten  Mitbürgers  für  die  sinnige  Art,  wie  Ihr  sein  Andenken  ehrt. 
Ihr  habt  dadurch  Euch  selbst  geehrt  und  gezeigt,  daß  auch  in  jenen  Kreisen,  von 
denen  man  gewöhnlich  glaubt,  alle  Thätigkeit  gehe  auf  in  der  Sorge  für  das  leib- 
liche Wohlsein  des  Tages,  doch  Sinn  fortlebt  für  die  höheren  Güter  des  Lebens 
und  die  Anerkennung  für  Diejenigen,  welche  diesen  höheren  Gütern  ihr  Dasein  ge- 
weiht. Seid  überzeugt,  daß  man  was  Ihr  für  das  Andenken  Pfeiffers  gethan  habt, 
in  Deutschland  zu  schätzen  weiß,  daß  man  den  Namen  Eueres  Dorfes  mit  Achtung 
nennen  wird,  weil  es  seines  Mitbürgers  Verdienste  so  zu  ehren  versteht. 

Für  Euer  junges  Geschlecht  aber  möge  das  Andenken  an  den  berühmt  ge- 
wordenen Heimatgenossen  ein  Sporn  sein  zur  Arbeit  und  zu  tüchtigem  Streben. 
Nicht  Alle  können  Gelehrte  werden  und  sollen  es  auch  nicht.  Aber  Jeder  ist  ach- 
tungswerth,  der  alle  Kräfte  seines  Geistes  daran  setzt,  im  Leben  ein  tüchtiger 
Mensch  zu  werden.  Hängt  Pfeiffers  Bildniss,  das  dessen  Wittwe  der  Gemeinde 
Bettlach  zur  Erinnerung  an  den  heutigen  Tag  schenkt,  in  Euerem  Schulhause  auf 
und  sagt  Eueren  Knaben :  'Seht,  wir  bilden  nur  ein  kleines  Dorf,  und  Wenige  haben 
von  uns  gewusst;  dennoch  ist  aus  unserer  Mitte  der  Mann  hervorgegangen,  dessen 
Bildniss  ihr  hier  seht,  ein  Mann,  der  durch  seine  Verdienste  um  die  Wissenschaft 
und  seinen  trefflichen  Character  weithin  sich  einen  Namen  gemacht  hat.  Er  sei 


MSCELLEN.  257 

Euer  Vorbild;  wenn  ihr  aach«  nicht  Gelehrte  werdet,  brsire^  tüchtige  MeDscben 
sollet  ihr  Alle  werden  wie  Er  es  war«' 

Dir  aber^  verklärter  Freund,  wenn  Da  vernehmen  kannst,  wie  heute  Deine 
alte  Heimat  und  das  Vaterland  Deiner  Wahl  wetteifern  Dein  Andenken  zu  ehreii> 
Dir  darf  ich  mit  dem  Dichter  zurufen : 

Wer  den  Besten  seiner  Zeit  genug 
Gethan,  der  bat  gelebt  für  alle  Zeiten  1*^ 

Nach  dieser  von  der  zahlreich  versammelten  Menge  mit  lautloser,  fast  an- 
dächtiger Stille  aufgenommenen  Bede  folgte  wieder  ein  Chorlied:  'Wir  fühlen  uns 
zu  jedem  Thun  entflammet/  Hieran  schloß  sich  eine  Ansprach^  des  Unterzeich- 
neten, worin  er  Dank  und  Anerkennung  der  österr.  Regierung  für  die  Beehrung 
des  Mannes  auss^Hrach,  den  auch  Osterreich  den  Beinen  nennen  dürfe,  diejenigen 
pries,  welche  den  Werth  eines  solchen  Mannes  so  zu  würdigen  verstünden  und 
Pfeiffem  in  kurzen  Strichen  zu  schildern  versuchte,  wie  er  war  als  Lehrer  und 
Mensch,  dessen  hervorstechendste  Züge  Herzensgüte,  Natursinn  und  unerschrocke- 
ner Freimuth  bildeten«  Dadurch  habe  er  sich  immer  als  ächten  Schweizer  bewiesen« 
Schließlich  legte  er  unter  der  Versicherung,  daß  man  in  Österreich  an  der  erhe- 
benden Feier  gerührten  Antheil  nehme  und  Pfeiffers  Name  ewig  grünen  würde-, 
einen  Lorbeerkranz  auf  den  Stein« 

Nun  folgte  eine  Production  der  Liebhabermusik  von  Grenchen  und  darauf 
eine  mit  großem  Beifalle  aufgenommene  Kede  des  Dr.  Franz  Joseph  Schild,  pract. 
Arztes  in  Grenchen,  im  Schweizerdeutsch : 

„Mjni  liebe  BetÜecher, 
myni  Fründ  und  Noehbure  l 

'Du,  Bethlehem,  bist  nicht  die  geringste  unter  den  Städten  Judäas !'  so  stoifs 
g^schribe.  Und  du,  Bettleeh,  bisch  au  nit  die  g'ringschti  Ortschaft  im  Schwyzer- 
ländli,  au  nit  i-n-üsem  Kanton  und  nit  emol  im  Läberbärg*).  Me-n-übergit  dir 
hüt,  festb'ger  Wys,  e  Gidenkstei,  da  eine  vo  dyne  Bürgere-n-ehrt,  däm  sj  Name 
wyt  ußer  üse  Gränze  hochgeachtet  und  g'ehrt  wird;  da  Name  heißt:  'Franz Pfeiffer'« 
Was  über- e -Pfeiffer  z'säge  -n-isch,  het  sy  Fründ,  der  Herr  Rector  Schlatter  vo 
Solothum,  und  sy  Schüeler,  der  Herr  Pzofässer  Schmidt  as  Abg'ardnete  vo  der 
östrichische  Regierig,  scho  g'seit»  Ig  erlaube  mer  numme  no-xi-es  paar  Wort 
i  fründnoehburligem  Sinn  a-  n-  ech  z'riehte. 

Bettleeh  und  Grenche  sy  vo  jeher  guet  Fründ  gsy,  sie  heiV  gäng^  guet  mit 
enangere  chönne,  'aß  es  besser  nüt  nützt«  Isch  z'Grenche-n-äne-n-es  Festli  g'sy, 
syt  dir  zue-n-üs  übere  cho  und  heit  mitg'macht;  isch  by-n-euch  öppis  los  g'sy, 
sy  mer  uff  Bettleeh  cho,  wie's  Fründ  solle  mache.  I  mueß  ech  säge,  am  Afang, 
wo's  g'heiße  het,  dir  wellet  'em  Pfeiffer  es  Dänkmol  stelle,  hei  mer  ech  schier  welle 
benyde;  aber  nei,  het's  do  g'heiße,  Bettleeh  isch  keis  Steifching,  üsem  Fründ 
isch  au  einisch  öppis  z'gönne,  er  soll  au  einiseh  öppis  ha.  'Aß  mer  üsi  Freud  d'ra 
hei,  chasch  a  dem  g'seh,  wil  mer  hüt  so  zahlrych  ufg'rückt  sy,  au  sy  no  angeri 
Nochbure  do  und  hei  ihri  Freud  d'ra ;  Selzech  isch  do,  Solothum  isch  do,  d'Re- 
gierig  isch  do  und  sogar  e«n- Abordnig  vo  Wien  us  isch  'em  hütige  Tag  z'lieb  acho 
und  macht  mit 

Bettleeh!  Wie  g'sehseh,  fyrisch  hüt  e-n-Ebretag,  vo  dem  dyniChinder  und 
Chinds-Chinder  na  rede  werde!  Schueljuged  vo  Bettleeh!.  Me  het  dir  da  Gidenkstei 


*)  So  heißt  der  Bezirk,  in  welchem  die  Dörfer  Bettlach  und  Grenchen  Hegen» 

&EKMA.NIA«  N«a«  Reih*  lU.  (ZV.)  Jabr^.  17 


258  MISCELLEN'. 

absichtlig  Tor's  SchuelboB  gestellt ,  'sl&  du-n-es  Bjspiel  d'ra  nä  ehasch ,  wie-n-es 
möglig  isch,  *aß  es  Eine  mit  Talent,  Fljß  und  Usdar  vom  Acher-  oder  Herbstweid- 
bueb  dohi  bringe  cba,  wo'«  der  Pfeiffer  broeht  het.  Dermit  will  ig  aber  nit  säge, 
-n-'aß  me-n-ns  jedem  Bettlecher  e  ^Pfeiffer'  mache  «511,  'aß  es  aber  e  jede  mit  Flyß 
und  Usdor  dohi  zubringe  suechi,  wie-n-em's  's  Talent  erlaubt  und  wie's  em  müg- 
lig  isch. 

Bürger  vo  Bettlech!  Mit  obe  so  tu  Fljß,  Entschlosseheit  und  Usdur  as 
es  der  Pfeiffer  dohi  broeht  het,  was  er  worde-n-iseh,  mit  ebe  so  vi^l  Entschlosse- 
heit und  Chraffcansträngig  heit  dir  da  mächtig  Granit  yor*s  Schuelhus  g*fuert,  um 
dermit  Eue  groß  Bürger  z^ehre.  Dir  syt  werth,  der  Pfeiffer  zum  Mitbürger  z'ha. 

Bettlech!  Du  fyrisch  hüt  e-n>Ehretag!  Wen  süseh  e  Grencher  im-e-Johr 
demo,  wo  d'r  Wy  g'rothet,  uff  Solothum  ne  chunnt,  und  me  frogt  e:  *Wohär 
chunnscli?'  do  setzt  er  nj  H»et  uff  d'Syte-n-und  seit:  *Vo  Grenche-n-obe-n-abe, 
hy  Gott!*  Chunnt  er  aber  im-e  Fehljohr,  so  redt  er  ganz  angersch.  Du,  Bettlecher, 
aber  darfisch  i*me  Grotbjohr  oder  Tme  Fehljohr,  i-n-eim  vo  de  siebe  feiße,  oder 
«im  vo  de  aiebQ  magere  Johre  d*r  Huet  uff  d'Syte  setze,  und  frogt  me  di :  ^Wohär 
chvnnsch?'  «o  darfsck  du  mit  Fueg  und  Rächt  au  säge :  ^Vo  BetÜech  obe-n-abe, 
bj  Gott!  TO  dort  här,  mo  d*r  Pfeiffer  deheime-n-isch!* 

Bettlech!  Du  fyrisch  hCt  e-n-  Ehretag,  wo  di  ehre-n-  und  empfähle  wird, 
and  «o  wyt  der  Name  'Pfeiffer  reicht,  «o  wyt  wirseh  du  g*aehtet  sy  und  anerkannt. 
—  Ig  ersueche  d*Militibrmusig  ro  Grenche,  de  BetUechere  zur  Gratulation  für  ihre 
hiitig  TsLg  Eis  a-z  stimme.'' 

Nachdem  noch  die  Militärmusik  des  Bat.  44  der  Aufforderung  des  Redners 
nachgekommen,  schloß  die  Feierlichkeit,  welche,  wie  nicht  mit  Unrecht  von  den 
Bednem  henrorgehoben  wurde,  «tets  einen  ehrenvollen  Punet  in  der  Geschichte 
des  Dorfes  büldea  wird  und  durch  den  regen  Antheil  aller  Anwesenden  den  erhe- 
bendsten Eindruck  machte.  Nicht  wenig  trug  zur  Erhöhung  der  Festlichkeit  bei 
das  von  Fraa  Prof*  Pfeiffer  gespendete  Lkhtbild  ihres  Gatten,  das  auf  einer  be- 
kränzten Terrasse  hinter  dem  Denksteine  aufgehängt,  von  den  B&rgem  Bettiachs, 
deren  Wenigste  den  Verewigten  gekannt,  in  Menge  umdrängt  wurde. 

Das  Fest  endete  naeh  Schweizersitte  mit  einem  Gelage  im  Freien,  das  durch 
mancherlei  Gesang  der  Studiosen  aus  Solothum  und  zahlreiche  Trinksprüche  belebt 
und  erheitert  wurde.  Wie  in  seinem  ersten  Theile  ernst  und  würdig  ,  verlief  das 
Fest  heiter  iznd  ohne  jeden  Missklsuig  in  diesem  zweiten«  Auf  dem  Festplatze 
prangte  der  von  Dr.  Schild  angegebene  acht  volksmäßige  Spruch: 

'Was  aus  dem  Bauer  werden  kann. 
Wenn  er  poliert  und  fein  geschliffen, 
Hat  um  der  Pfeiffer  vorgepfiffen: 
Ob  klein  der  Ort,  doch  groß  der  Mann.* 

Die  Reihe  der  Toaste  eröffnete  der  um  die  Besorgung  und  Anortoing  des 
ganzen  Festes  viel  verdiente  Präsident  des  Festaussohusses  J.  Stellimit  einem  Preis 
des  Vaterlands.  Ihm  folgte  der  Gerichtspräsident  Urs  Vigier,  der  anknüpfend  an 
obige  Xnsehrilt  die  Volksbildung  erhob.  Daran  schloßen  sich  Seminardirector 
Domherr  F*  Flala,  Professor  J.  Affolter,  Pfarrer  Walser,  Student  Vögtli  und  Be- 
zirksschullehrer F^enmutsch.  Ein  vom  Berichterstatter  anknüpfend  an  den  be- 
kannten Scherz  Maßmanns  üb^  Pfeiffer  als  Solo-Turner  auf  die  Solothumer  aus- 
gebrachter T^i^ksp^^ph  wurde  durch  Adv.  J.  Amiet  ungefähr  auf  folgende  Weise 
erwiedertf 


MISCELLEN.  259 

^Die  Abordnung  eines  Repräsentanten  deutscher  VVissensehaft  von  Seite  der 
hohen  Regierung  ron  Oaterreich  au  das  Fest,  das  die  kleine  Ortschaft  Bettlach 
ihrem  um  die  Wissenschaft  hochrerdienten  Mitbürger  Pfeiffer  gibt^  ist  ein  Beweis 
des  großen  Antheils,  welchen  das  Ausland  an  dieser  Feier  nimmt.-  Die  Wissenschaft 
kennt  keine  Orts-,  keine  Landesgrenzen.  Der  Mann  der  Wissenschaft  ist  überall 
Bürger,  wirke  er  in  seinem  engeren  Yaterlande,  in  dem  Lande  wo  er  geboren, 
oder  in  weit  entfernten  Landen.  Das  Bürgerrecht  der  Wissenschaft  ist  universell. 
Wie  der  Schweizer  Pfeiffer  in  Deutschland  und  Österreich  durch  seine  Wissenschaft 
wirkte,  so  verdankt  die  Schweiz  unendlich  Vieles  so  manchen  Männern,  die  auf 
deutschem  Boden  geboren  zu  uns  hergekommen  und  hier  bei  uns  ihre  zweite  Hei- 
mat fanden.  Ich  erinnere  an  den  Deutschen  Zschokke,  der  eine  Geschichte  der 
Schweiz  gesehrieben,  an  Folien ,  Wackemagel,  Schnell,  Vogt  und  die  vielen  An- 
deren auf  jedem  Gebiete  des  Wissens,  die  in  der  Schweiz  einst  gewirkt  oder  gegen- 
wärtig noch  da  wirken. 

Im  J.  1834  saß  ich  mit  Pfeiffer  auf  der  gleichen  Schulbank  in  Solothurn. 
Damais  empfieng  Pf.  die  erste  Anregung  zu  seinen  germanistischen  Stadien  in 
dem  Curse,  den  Prof.  Weishaupt  über  gothische  und  altdeutsche  Sprache  gab. 
Wir  lasen  auch  in  den  Fabeln  des  Bonerius,  der  an  einer  Stelle  u.  a.  auch  vo^ 
der  thörichten  Schulweisheit  «pricht  im  Gegensatz  zur  eigentlichen  Wissenschaft« 
Pfeiffer  war  keiner  der  Vielen,  die  da  fortgegangen,  um  sich  Bildung  zu  erwerben; 
ohne  diese  zum  Nutzen  Anderer  zu  verwerthen ;  keiner  Derjenigen,  die  Bonerius 
lächerlich  macht,  wenn  er  spricht: 

Wer  von  natür  ist  unbesint, 

und  minr  hat  witzen  denn  ein  rint, 

den  mag  diu  schuole  ze  Parts  • 

an  sinnen  niemer  machen  wts. 

Ist  er  ein  esel  und  ein  gouch, 

daz  selb  ist  er  ze  Parts  ouch. 

Waz  hilft,  daz  einr  ze  schuole  vert, 

und  grdz  guot  äne  nutz  verzert? 

er  hoert  vil  hoher  meister  lesen, 

ein  tdr  muoz  er  doch  iemer  wesen. 
Ein  solcher  Thor  war  Pfeiffer  nicht,  sondern  er  hat  sein  Wissen  segensvoll  ver- 
werthet  zum  Nutzen  des  großen  weiten  Vaterlandes,  das  alle  Männer  der 
Wissenschaft  als  Bürger  aufnimmt  und  keine  Landesmarken  kennt  in  Sachen  der 
Bildung,  Wissenschaft  und  Kunst. 

Dem  Repräsentanten  der  österr.  Regierung  und  der  deutschen  Wissenschaft, 
der  auch  bei  uns  heute  Bürger  geworden,  all  den  Männern  deutscher  Wissenschaft, 
die  in  unserem  engeren  schweizerischen  Vaterlande  ihr  Wissen  verwerthet  und 
segensreich  gewirkt,  mein  dreifaches  Hoch!" 

Um  6  Uhr  Abends  war  das  Fest,  ein  Volksfest  im  schönsten  Sinne  und  ganz 
in  des  Gefeierten  Greiste  gehalten,  vorbei;  es  bildete  einen  lebendigen  Beleg  zu 
den  Worten,  welche  der  an  letzter  Stelle  genannte  Redner,  Jacob  Amiet,  an  einer 
Stelle  seiner  Werke  geschrieben:  „Was  der  Sohn  der  Schweiz  außer  seinem  Vater- 
lande Großes  vollbringt,  das  Vaterland  hat  ein  Anrecht  darauf." 

Ich  habe  schließlich  noch  mitzutheilen  ein  Dankschreiben  der  Solothumer 
Regierung  und  meinen  eigenen  Dank  und  die  Versicherung  steter  freundlicher  Er- 
innerung auszusprechen  Hm.  Fürsprech  J.  Ainiet,  Hm»  Rector  Schlatter  und  Hm. 

17* 


260  MISCELLEX. 

Dr.  Schild  für  die  bereitwillige  Mittbeilang  der  Niederschriften  ihrer  gehaltenen 
Beden,  wie  nicht  minder  den  Grenannten  und  den  Herren :  Staatsschreiber  J.  J. 
Amiet,  Director  Fiala,  Prof.  Zetter  —  sämmtlich  alten  Freunden  Pfeiffers  —  für 
die  angenehmen  und  genußreichen  Stunden,  die  ich  in  ihrer  Gesellschaft  verlebte. 
Da»  erwähnte  Schreiben  lautet  also : 

^»Solothum  den  29.  Mai  1870. 

Der  Begienmgsrath  des  Cantons  Solothum  an  Herrn  Professor  Schnndt  aus  Feld- 

kirch,  d.  Z.  in  Solothum. 

Hochgeachteter  Herr! 
Im  Auftrage  und  im  Namen  der  k.  k.  österr.  Regierung  haben  Sie  heute 
dem  Volksfeste  beigewohnt,  das  bei  Errichtung  eines  Gedenksteines  zu  Ehren  des 
den  29.  Mai  1868  als  Professor  und  als  Mitglied  der  Academie  der  Wissenschaften 
in  Wien  verstorbenen  Mitbürgers  Dr.  Franz  Pfeiffer  in  Bettlach,  dem  gewesenen 
Heimatsorte  desselben,  veranstaltet  wurde. 

Als  oberste  administrative  Behörde  des  Cantons,  dem  der  Gelehrte. von  Ge- 
burt angehörte,  fühlen  wir  uns  verpflichtet,  sowohl  Ihnen,  als  auch  zu  Händen  der 
hohen  Behörde,  welche  die  anerkennenswerthe  Aufmerksamkeit  hatte,  Sie  zu  dem 
Feste  aus  so  weiter  Feme  abzuordnen,  unseren  aufrichtigen  Dank  abzustatten. 

Wir  danken  Ihnen  zu  Händen  Ihrer  zuständigen  Behörden  sowohl  für  die 
hohe  Anerkennung,  die  Sie  den  Verdiensten  unseres  gelehrten  Mitbürgers  im  Leben 
zollten,  als  auch  für  die  Erinnerung,  die  Sie  ihm  noch  nach  dem  Tode  bewahrten 
und  in  so  ehrender  Weise  äußerten. 

Empfangen  Sie,  verehrtester  Herr  Professor,  die  Versicherung  unserer  voll- 
kommensten Hochachtung. 

Der  Landammann: 
(gez.)  A.  Jecker. 
Der  Staatsschreiber: 
(gez,)  Amiet." 

FELDKIRCH  IN  VORARLBERG.  JOHANN  SCHMIDT. 


NACHTRÄGLICHE  BEMERKüNa 

au  S.  160,  Z.  13  if.  v.  u.  Nach  meiner  Ansicht  versteckt  sich  hinter  diesen 
Worten  eine  Prahlerei  des  Dichters,  der  sich  rühmt,  durch  seine  Schöpfungen  die 
Namen  früher  gefeierter  Dichter  verblassön  z^  nrachen.  Das  Wortspiel  ist  aller- 
dings weniger  als  mittelmäßig,  allein  die  Stellung  der  geistlichen  Dichtung  der 
weltlichen,  höfischen  gegenüber  scheint  mir  die  vorstehende  Deutung  sehr  nahe 
SU  legen.  STROBL. 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN. 

VOM 

K  FÖRSTEMANN. 

(Zweite  Sammlung.    Vgl.  Jahrgang  XIV,  1— *26.) 


Je  mehr  die  einzelnen  Zweige  der  Wissenschaft  sieh  bis  ins  Ün^ 
übersehliche  ausdehnen,  desto  mehr  ist  ein  gewisser  Organismus  nöthig* 
Der  neue  Stoff  muss  zu  rechter  Zeit  und  am  rechten  Orte  mitgetheilt 
werden;  versprengte  Miscellen  sind  möglichst  zu  meiden,  das  Sammeln 
muss  gleich  beim  ersten  Wurfe  nach  Möglichkeit  ausgedehnt  werden» 
Was  hätte  es  viel  geholfen,  wenn  zu  meinem  ersten  Aufsatze  übel* 
gewerbliche  Straßennamen  etwa  ein  Dutzend  Männer  in  verschiedenen 
Zeitschriften  oder  Tagesblättem  je  ein  Häuflein  von  Nachträgen  nieder* 
gelegt  hätte? 

Indem  ich  solches  erwog,  beschloß  ich,  die  fernere  Sammlung 
auch  nach  dem  Erscheinen  jener  Abhandlung,  so  weit  es  gieng,  noch 
in  der  Hand  zu  behalten  und  habe  deshalb  sowohl  in  dem  Aufsatze 
selbst  als  auch  bei  anderer  Gelegenheit  herzlich  gebeten,  die  Nachträge 
nicht  zerstreut  zu  veröffentlichen,  sondern  mir  einzusenden.  Der  Erfolg 
hat,  wie  das  Folgende  zeigt,  die  Erwartung  weit  übertrofföü.  Zunächst 
hat  mir  eine  Anzahl  von  Männern  aus  den  verschiedensten  Gegenden 
des  Vaterlandes  handschriftliche,  zum'  Theil  sehr  reichhaltige  Beiträge 
eingeschickt ;  ich  nenne  deren  Namen  hier  mit  innigem  Dankgeftihl,  imd 
zwar  in  der  Reihenfolge,  wie  ihre  ersten  Zusendungen  (denn  mehrere  haben 
deren  zwei,  ja  drei  geliefert)  in  meine  Hände  kamen:  Prof.  Bartsch  in  Ro- 
stock, Dr,  Euler  in  Frankfurt  sS.  M. ,  Oberlehrer  Frahnert  in  Halle, 
Dr.  Dzialas  in  Breslau,  Oberstlieutenant  Gauby  in  Weimar,  Prediger 
Bertheau  in  Hamburg,  Prof.  Weigand  in  Gießen,  Lehrer  Wurth  in 
Münchendorf  bei  Laxenburg  nächst  Wien  (f  8,  Juli  1870),  Gymnasial- 
director  Krause  in  Rostock,  Prof  Dr.  Ilwof  in  Grätz,  Primaner  Spengel 
in  Hamburg,  Gymnasialdirector  Borrmann  in  Stralsund,  Realschullehrer 
Dr.  Bülau  in  Bern,  Bürgermeister  Francke  in  Stralsund.  Dazwischen 
fiel  die  Zusendung  einer  Sammlung  von  Sammlungen;  Prof.  Dr.  Reuß 
in  Straßburg  hatte  nämlich  nicht  allein  seine  Notizen  über  diese  Stadt 

GERMANIA.  Nene  Reihe  III.  (XV.)  Jnhrg.  18 


262  E.  FÖKSTEMANN 

zusammengestellt,  sondern  auch  Beiträge  aus  dem  ganzen  Elsaß  ver- 
einigt mir  zugeschickt,  und  zwar  von  Pfarrer  Hirt  in  Hagenau,  Pfarrer 
Zwilling  in  Schlettstadt^  Pfarrer  Schnell  in  Buchsweiler,  Prof.  Oleyer 
in  Weißenburg,  Oberconsistorialrath  Reuß  in  Zabem^  Prof.  Stoeber  in 
Mühlhausen,  Pfarrer  Dr.  Schäflfer  in  Colmar  (ich  bitte  um  Verzeihung, 
wenn  bei  einem  der  Herren  der  Titel  unrichtig  angegeben  sein  sollte). 
Dieser  überaus  dankenswerthen  Sendung  hatte  der  genannte  Dr.  Schäflfer 
eine  nur  in  50  Exemplaren  gedruckte  Schrift  (Les  enseignes  de  Colmar 
au  moyen-äge,  Colmar  1858.  8.)  beigefügt,  die  höchst  werthvoUe  No- 
tizen Tind  darunter  auch  einiges  in  unser  Fach  Einschlagendes  enthält 
und  unten  mehrmals  citiert  ist.  Dr.  Fr.  Latendorf  in  Schwerin  schickte 
mir  die  Mecklenburgische  Zeitung  von  1869  Nr.  187,  worin  er  die  ge- 
werblichen Straßennamen  aus  Mecklenburg  in  Folge  der  Anregung  durch 
meinen  Aufsatz  in  großer  Reichhaltigkeit  vereinigt  hatte. 

Alle  diese  Zusendungen  nach  einander  einzeln  abgedruckt,  würden 
eine  große  Anzahl  von  Blättern  fiillen.  Hier  kürzen  sie  sich  aus  meh- 
reren Gründen  merklich  ab.  Denn  erstens  war  öfters  dieselbe  Notiz  in 
zweien  oder  dreien  jener  Mittheilungen  enthalten,  zweitens  habe  ich 
einiges  wegen  undeutlicher  Handschrift  übergehen  müssen,  drittens 
aber  hatten  meistens  die  Zusender  den  Gegenstand  etwas  weiter  be- 
gränzt  als  ich;  namentlich  zwei  naheliegende  Classen,  die  Straßen- 
namen von  Gebäuden  und  die  von  Producten,  liegen  außerhalb  meines 
Kreises;  ich  sammle  beispielsweise  nur  für  die  Müllergassen,  weder 
für  die  Mühl-  noch  für  die  Mehlgassen  und  erwähne  höchstens  gelegent- 
lich eine  Form  der  letzten  beiden  Arten*). 

Zu  alle  dem,  was  mir  von  den  Genannten  zur  Verfiigung  gestellt 
wurde,  kommt  nun  noch  manches,  was  ich  selbst  nachträglich  gesam- 
melt habe.  Unter  den  hiezu  benutzten  Quellen  befindet  sich  eine,  wegen 
deren  Benutzung  ich  mich  entschuldigen  muss.  Ich  meine  PhiHpp  von 
Zesen  Beschreibung  der  Stadt  Amsterdam,  Amst.  1664.  4.  In  diesem 
Buche  findet  sich  zerstreut  eine  Anzahl  von  Straßennamen  jener  Stadt, 
aber  theils  in  niederländischer,  theilfe  in  hochdeutscher,  theils  in  einer 
zwischen  beiden  Sprachen  mitten  inne  stehenden  Form.  Wenn  ich  so 
mangelhaftes  Material  dennoch  benutzt  habe  (obwohl  ich  sonst  für  die 
Niederlande  nichts  beibringe),  so  möge  man  darin  nichts  als  eine  freund- 
liche Herausforderung  an  unsere  niederländischen  Brüder  sehen,  gleich- 


*)  Ein  nagelneu  erfundener  Straßenname  in  Wien  ist  Anilingasse  in  einem 
Bezirke,  der  stark  von  Färbern  bewohnt  wird.  Ähnlich  daselbst  die  Seidengasse. 
Man  sieht  hieraus  das  Bestreben,  die  alte  Gewohnheit  der  Straßenbezeichnung  nach 
Gewerben  wieder  auf  den  Plan  zu  bringen,   nur  freilich  in  modemer  Abschwächung. 


8TRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  263 

falls  Hand  anzulegen  an  eine  Sammlung  der  Art;  vielleicht  ist  mein 
Freund  de  Vries  in  Leiden  in  der  Lage,  solche  Arbeit  zu  unternehmen 
oder  zu  veranlassen. 

^  Die  ganze  so  entstandene  Sammlung  bringe  ich  wieder  wie  das 
erste  Mal  in  alphabetischer  Ordnung.  Wo  eine  Bezeichnung  eines  Ge- 
werbes schon  in  meinem  früheren  Aufsatze  vorkommt,  habe  ich  dies 
durch  ein  vorgesetztes  Sternchen  bemerkt;  wo  also  dies  Zeichen  fehlt, 
kommt  das  betreffende  Wort  neu  zur  alten  Sammlung  hinzu. 

Aalstechergasse  Rostock.  Aalstecher  fehlt  bei  Grimm.  Das 
Aalstechen  geschieht  mit  einem  Dreizack,  zwischen  dessen  Eisen  der 
Aal  sich  klemmt,  besonders  im  Winter  durch  Löcher,  die  ins  Eis  ge- 
hauen sind.  Eine  zu  Stade  im  14.  Jahrhundert  begegnende  Stekerstrate 
soll  gleichfalls  den  Namen  davon  haben. 

Ackerbürgerstraße  Böbel  (Mecklenburg),  wahrscheinlich  neu. 
*Aldböterstraße  Wismar.    Die  Altböttcherstraße  in  Stralsund 
ist  aus  diesem  Worte  verdreht,    sie  heißt  urkundlich  Oldbuterstrate, 
platea  antiquorum  sutorum.  Vgl.  unten  Oltmakenigenstrate. 

Altschmiedestraße  Rostock;  sie  scheint  nicht  von  einem  be- 
sondem  Gewerbe  der  Altschmiede  herzukommen,  sondern  nur  die 
Schmiedestraße  der  Altstadt  (urkundlich  platea  fabrorum  major)  zu 
sein,  während  die  Schmiedestraße  der  Neustadt  die  pl.  fahr,  minor  ist 
^Amidammacher.  Daß  die  Amiunggasse  zu  Mühlhausen  im 
Elsaß  hieher  gehört,  würde  niemand  ahnen,  wenn  nicht  der  französische 
Name  rue  des  Amidonniers  daneben  bestände.  Dort  ist  ein  altes  Ar- 
beiterquartier und  in  der  Nabe  liegen  Fabriken  von  Stärkemehl. 

Ammengasse  Wien  (Hormayr  Gesch.  Wiens  11.  Jahrg.  4.  Bd. 
2.  3.  Heft  S.  121). 

Amtmannsgasse  Reichenbach  in  Sachsen,  Wernigerode. 
^Apothekergasse  Lengenfeld  in  Sachsen  (in  welcher  der  ein- 
zige Apotheker  der  Stadt  aber  jetzt  nicht  mehr  wohnt) ,  Marburg  in 
Steiermark,  Merseburg.  Apothekerstraße  Parchim,  Schwerin.  Auch 
die  Apothekenstraße  in  Lüneburg  mag  hier  erwähnt  werden. 
„Apothekergasse,  genannt  die  Neue  Gasse  hinter  den  Karthäusem" 
schon  1485  in  Nürnberg ;  s.  Anzeiger  flir  Kunde  der  deutschen  Vorzeit 
1869,  S.  329.  Ältere  Nachweise  für  die  deutsche  Form  Apotheker 
(aus  K.  V.  Megenberg,  Beheim  usw.)  gewährt  Lexers  Handwörterbuch 
s.  V.,  wo  allenfalls  noch  die  Belege  aus  des  Teufels  Netz  ed.  Barack 
V.  9926  und  in  den  Lesarten  zu  V.  10056  nachzutragen  wären.  In 
Frankfurter  Urkunden  erscheint  das  Wort  besonders  häufig  seit  1438 
und  wohl  auch  schon  früher,  s.  Kriegk  D.  Bürgerthum  im  Mittelalter 

18* 


264  E.  FÖRSTEMANN 

(1868)  S.  560  Note  273  und  an  vielen  anderen  Stellen.  Lateinisch  ist 
das  Wort  aus  noch  älterer  Zeit  als  in  Deutschland  eingebürgert  nach- 
zuweisen; in  Hamburger  Urkunden  begegnet  ein  Heinricus  apotheca- 
rius  schon  a.  1264,  während  er  1266  heißt  Heinricus  dictus  Crudenere* 
Letzteres  (auch  als  Familienname  Krüdener)  ist  das  niederländische 
kruidenier  pharmacopola ;  das  mhd.  Wb.  enthält  nur  kriutelcere  her- 
barius. 

*B äckergang  Hamburg,  dsgl.  Hamm  bei  Hamburg.  Bäcker- 
gasse Breslau  (früher,  jetzt  ein  Theil  der  Kupferschmiedstraße),  Col- 
mar,  Mtihlhausen  im  Elsaß.  Bäckerstraße  Dömitz  (Mecklenburg), 
Lüneburg,  Parchim,  Posen,  Rostock  (pistorum  platea  a.  1292;  die  große 
Bäckerstraße  in  R.  verlor  1856  ihren  Namen).  Eine  platea  pistorum 
a.  1290  in  Stade. 

Bademutterstraße  Wismar.  Bademutter  ist  Hebamme,  vgl.  bei 
Grimm  sowohl  Bademutter  als  Bädemuhme. 

*Badergasse  Zürich,  Zittau  (a.  1604,  Pescheck  Handb.  der  Gesch. 
von  Zittau'  I,  630).  Die  Badergasse  in  Breslau  hieß  früher  Aschkorbe- 
gässchen,  von  den  Aschkörben,  welche  die  dort  wohnenden  Seifensieder 
hinaussetzten.  Badergässchen  Breslau  (jetzt  Röhrgasse)»  Bader- 
straße Schwerin.  Badgässchen  Grätz,  Badgasse  Wien. 

*ßadstüberstraße  Neubrand enburg  (Mecklenburg) ,  Rostock 
(stupenatorum  platea) ,  Stralsund,  Greifswald  (Gesterding ,  Beitr.  zur 
Gesch.  Greifsw.  S.  301).  Die  Stralsunder  Straße  hieß  früher  Heilgeist- 
badstüberstraße ,  von  der  Badstube  des  Heiligengeisthospitals ,  stupa 
sancti  Spiritus,  welche  schon  im  13.  Jahrhundert  dort  lag.  Zu  Rostock 
begegnet  die  platea  stupenatorum  a.  1324,  die  mit  der  später  dort  vor- 
kommenden pl.  balneatorum  identisch  sein  muss.  Die  balneatores  sind 
wohl  die  eigentlichen  Bader,  die  stupenatores  die  Badstubeneigenthümer, 
von  denen  jene  mietheten.  Von  diesen  Badstuben  haben  auch  den 
Namen  z.  B.  die  Stubenstraße  in  Northeim  bei  Göttingen,  die  Staven- 
brtigge  in  Stade ,  die  Stavenpforte  in  Hamburg  an  der  Alster ,  das 
Stubenviertel  und  Stubenthor  in  Wien  (Ich  stuont  hi  stuhen  hurctor 
Seifr.  Helbling),  welche  alle  eigentlich  nicht  hierher  gehören. 

*Bandschneider.  Über  diese  geht  erst  jetzt  Licht  auf:  die 
hentsnidere  gehörten  in  Hamburg  zum  Amt  der  Böttcher;  sie  verfer- 
tigten das  Gebinde  zu  den  Tonnen,  s.  Koppmann  Hamburg.  Kämmerei- 
rechnungen I,  S.  XXX.  In  der  Magdeburger  Zeitung  vom  18.  Jan.  1870 
zeigt  ein  Böttcher  Bände  (so)  und  Bandstöcke  als  verkäuflich  an ; 
beide  Ausdrücke  fehlen  bei  Grimm.  Vgl.  auch  unser  nhd.  Fassbinder 
{d^n,  fadbinder)  und  Gebinde-Fas». 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  265 

Barbergasse  Amsterdam  (Zesen  S.  322).  Holländisch  schreibt 
man  jetzt  wie  hochdeutsch  hcurhier. 

Battinmacherstraße  Stralsund;  früher  Fatinemakerstrate ;  in 
einer  Feuerordnung  von  1710  Patenemacherstraße.  Sie  ist  die  Fort- 
setzung der  Bechermacherstraße  {also  von  lat.  patina  ?).  Im  Mittelalter 
hieß  sie  Travenemunderstrate  nach  der  Patricierfamilie  von  Travene- 
munde;  in  einer  Urkunde  von  1492:  patinemakerstrate  alias  dicta 
Travenemunderstrate. 

Bauerngasse  Colmar.  Baurensteg  Amsterdam  (Zesen  S.  310). 
Bauernmarkt  Wien. 

Bechermacherstraße  Stralsund. 

*Beckmacher.  In  Hamburg  bildeten  die  Bekemaker  seit  1464 
ein  Amt  mit  den  Bütten-  und  Eimermachem  (Eoppmann  a.  a.  0.). 

Beinsiedergasse  Wien. 

Besenbinderhof  Hamburg  (St.  Georg). 

*Beutler.  In  Lübeck  erscheinen  sie  urkuudlich  als  tudelmakere, 
in  Hamburg  a.  1265  als  bursariL 

Bierbrauergasse  Mühlhausen  im  Elsaß;  seit  1798  nie  des 
brasseurs. 

*Bindergasse  Grätz,  Wien.  Die  Bindergasse  in  Frankfurt  a*  M. 
heißt  a.  1324  unter  den  Bindern,  a.  1358  Bendirgasze  (s.  Battonn  Be- 
schreibung der  Stadt  Frankfurt  a.  M.,  herausgegeben  von  L.  H.  Euler. 
Frankfurt  1861  ff.  8.  Bd.  IV,  S.  294). 

*Bleicher Straße  Crivitz  (Mecklenburg),  Parchim,  Rostock  (ist 
erst  neu,  in  der  Vorstadt).  Bleicherweg  Enge  (Cant  Zürich),  Zürich. 
Zu  berichtigen  ist  noch,  daß  der  Bleichergang  sich  noch  jetzt  in  Ham- 
bürg  imd  zwar  außer  der  Bleicherstraße  findet  (let2rtere  in  St.  Georg)» 
Bleichergasse  Wien. 

*Böttchergasse  (so)  Amsterdam  (Zesen  S.  322;  der  Böttcher 
pflegt  holländisch  huiper  zu  heißen).  Böttcherstraße  Rostock  (ur- 
kundlich platea  bodicariorum  oder  doliariorum),  Stralsund  (urkundlich 
pL  doleatorum,  doch  ist  ihr  älterer  Name  pI.  sacerdotum  oder  cleri- 
corum),  Wismar  (um  1270  pl.  dolificum,  doliatorum).  Auch  in  Ham- 
burg heißen  die  Böttcher  dolifices,  doleatores,  bodekare,  bodekarii. 
Dagegen  ist  die  Böttchergasse  in  Weimar  eine  ganz  neue  Benennung 
und  gehört  zum  Familiennamen  Böttcher. 

*Brauergasse  Wien.  Brauersgraft  Amsterdam  (Zesen  S.  222). 

*Brauerknecht.  Der  Brauerknechtgraben  in  Hamburg 
•xistiert  noch  jetzt. 


266  E-  FÖRSTEMANN 

Breitschmiedstraße  Stralsund,  urkundlich  pl.  fabrorum.  Ich 
kann  ein  besonderes  Gewerbe  der  Breitschmiede  (den  Kleinschmieden 
entgegengesetzt?)* bis  jetzt  weder  aus  sprachlichen  noch  aus  technolo- 
gischen Quellen  nachweisen. 

Buchbinderstraße  Neu-Buckow  (Mecklenburg),  Rostock.  Buch- 
binder scheint  im  Mhd.  noch  nicht  nachgewiesen  zu  sein. 

Burmeisterstraße  Lüneburg,  nach  demBur-  oder  Bauermeister, 
einem  städtischen  Diener. 

*Btittelstraße  Ribnitz  (Mecklenburg),  Wismar,  Hamburg 
(a.  1268 ;  die  zwei  Büttelhäuser  darin  heißen  donaus  praeconis,  bödels- 
hus,  kaakhus).  Bedelersbrücke  Stade  (daran  lag  die  Straße  „by  der 
bödelie",  früher  St.  Odilienstraße,  jetzt  Rosenstraße).  Nach  den  Bütteln 
hatte  auch  die  Blücherstraße  in  Rostock  (wo  Bl.  geboren  ist)  ursprüng- 
lich ihren  Namen;  urkundlich  heißt  sie  „by  der  rakeryo**,  später  miss- 
verstanden Altbedelmönchsstrate. 

*Caffamacher.  Die  Caffamacherreihe  in  Hamburg  ist  noch 
jetzt  vorhanden. 

*Diener.  Eine  kühne  Bildung  Reitende -Dienerstraße  be- 
gegnet in  Lüneburg.  Den  Dienern  sind  überall  die  Herren  entgegen- 
gesetzt, worunter  man  nach  alter  Sprechweise  die  Senatoren  oder  Raths- 
herren  versteht;  daher  z.  B.  der  Herrengraben  in  Hamburg.  Der  oben 
genannten  Lüneburger  Straße  entspricht  begrifflich  genau  die  Ro- 
stockische Bezeichnung  „hinter  dem  Herrenstall **. 

Drahtschmiedgasse  Nürnberg,  sie  verschwindet  gegen  Ende 
de»  16.  Jahrhunderts.  Drahtschmid  fehlt  sowohl  bei  Ghrimm  als  im 
mhd.  Wb. 

*Dreher^  Drechsler«  Die  Drehergasse  in  Frankfurt  a.  M. 
heißt  schon  a.  1321  inter  tomatores,  a.  1353,  1388,  1409  xmter  den 
Dresselem,  a.  1417  Dresselergasse  (Battonn  IV,  213).  Drechsler- 
gasse Colmar. 

*Eimermacher.  In  Hamburg  bilden  sie  seit  1464  ein  Amt  zu- 
sammen mit  den  Bekemakem.  In  Osterode  am  Harz  haben  die  Eimer- 
macher ein  schwunghaftes  Gewerbe ,  besonders  auf  der  sogenannten 
Freiheit. 

Eseltreibergasse  Weißenburg  im  Elsaß,  ,jetzt  auf  Begehren 
der  Bewohner  in  me  du  muletier  verwandelt". 

*FärbergasseGrätz,  Marburg  (Steiermark).  Färbergässchen 
Merseburg.  Verberstrazze  Wien  a.  1314  (Hormayr  Gesch.  Wiens 
I.  Urk.  LH.)  Färbergassel  das.  (a.  1770).  Färbersgraft  Amster- 
dam (Zesen  S.  306).  Färberstraßo  Gadebusch  (Mecklenburg)» 


STRASSENNAMEN'  VON  GEWERBEN.  267 

Fassziehergasse  Wien. 
Fechtergasse  Wien. 

*Filterstraße  Schwerin  (früher,  jetzt  Königsstraße),  Stralsund 
(urkundlich  platea  pileatorum).  Die  Filterstraße  in  Hamburg,  welche 
seit  1842  nicht  mehr  existiert,  ist  schon  a.  1269  bekannt;  sie  wird 
auch  Hutwalkerstraße  genannt.  Vilzerstrazz  Wien  a.  1272  (Hor- 
mayr  Gesch.  Wiens  I.  Urk.  S.  XCI). 

*Fischerbruch  Rostock.  Fischerbrunnen,  früher  in  Frank- 
furt a.  M.  (a.  1350  puteus  piscatorum.  Battonn  IH,  31).  Fischergang 
Stralsund.  Fi  seh  er  gas  se  Amsterdam  (Zesen  S.  225),  Colmar  (kommt 
schon  a.  1479  vor ,  Les  enseignes  de  Colmar  S.  20) ,  Frankfurt  a.  M. 
(Battonn  I,  47  usw.),  Merseburg,  Nürnberg,  Solothum  (a.  1666),  Wien. 
Fischergässchen  SchaflThausen,  Straßburg.  Fischerpforte,  früher 
in  Frankfiirt  a,  M.  (a.  1350  porta "piscatorum.  Battonn  I,  193).  Fi- 
scherreiho  Wismar.  Fischerstaden  Colmar  (auch  schon  a.  1384, 
Les  enseignes  de  Colmar  S.  19),  Hagenau  im  Elsaß,  Straßburg.  Fi- 
scherstadt Eisenach.  Fischerstiege  Wien.  Fischerstraße  Cri- 
vitz, Dömitz,  Grabow  (alle  drei  in  Mecklenburg),  Hamburg,  Kiel,  Rib- 
nitz  (Mecklenburg) ,  Rostock  (pl.  piscatorum  a.  1324) ,  Schwerin  (bis 
a.  1778,  seitdem  Münzstraße),  Stemberg  (Mecklenburg),  Stralsund,  Neu- 
strelitz  (jetzt  Georgsstraße).  Fischerthor  Rostock.  Fischerweg 
Basel.  Dafür  öfter  als  erster  Theil  bloß  Fisch-,  z.  B.  Fischbank 
Rostock,  Fischplatz  Grätz ,  Fischstrate,  Fischstraße,  Fisch- 
straßenthor Greifswald.  Eine  tmpasse  des  pechemrs  zu  Schlettstadt 
im  Elsaß.  Der  Ausdruck  Fischmenger  (engl,  fishmonger),  der  z.  B.  in 
Lüneburg  gebräuchlich  war,  scheint  sich  in  keinem  Straßennamen  mehr 
zu  finden.  Die  in  Rostock  noch  jetzt  getrennten  Bruchfischer  und 
Straßenfischer  bezeichnen  nicht  verschiedene  Classen  des  Gewerbes, 
sondern  die  aus  dem  Fischerbruch  und  die  aus  der  Fischerstraße. 

Flecksiedergasse  Wien  (Horm.  H.  Jahrg.  4,  132).  Synonym 
mit  Kuttlergasse,  s.  d. 

•Fleischergasse  Dresden,  Marburg  in  Steiermark.  Fleischer- 
thor, Fleischer  vor  Stadt  Greifswald.  In  Frankfurt  a.  M.  a.  1316 
inter  macella  vetera  (Böhmer  Cod.  dipl.  moenofrancof.  I,  429.)  In  Wien 
ssec.  Xin.  XIV  inter  maceUas  (Hormayr  V.  2.  3.  Heft  Urk.  S.  CII). 

*Fleischhauerdhörke  Greifswald  a.  1491.  Fleischhauer- 
straße  Lübeck.    Fleischhauergasse  Wien. 

Flössergasse  Marburg  in  Steiermark. 
Fütterergasse  Wien,  vgl.  Schmeller  I,  578. 


268  E.  FÖRSTEMANN 

Garb räters traße  Rostock  (urkundlich  pL  popinariorum).  In 
Hamburg  a.  1308  pl.  assatorum  oder  Garbraderstraße.  Auch  das 
Bremisch-niedersächsische  Wörterbuch  kennt  garhrader  als  einen  ham- 
burgischen Ausdruck  fiir  das  gewöhnlichere  Garkoch, 

*Gärtnergasse  Mühlhausen  im  Elsaß,  einst  von  Gärtnern  be- 
wohnt. Gärtnerstraße  Rostock  (früher Kohlgärtnerstraße),  desgleichen 
in,  dem  Dorfe  Eppendorf  und  auf  der  Uhlenhorst  (beides  bei  Hamburg). 
Der  Gartnersmarkt  in  Straßburg  (jetzt  place  GvUenherg)  hieher 
oder  zu  einem  Familiennamen? 

Geigergasse  Zürich.  Schön  mhd.  gigcere. 

*Gerberbruch  Rostock.  Gerbergasse  Basel,  Colmar  (noch 
jetzt ,  aber  auch  schon  a.  1422 ,  s.  Les  enseignes  de  Colmar.  S.  20), 
St,  Gallen  (früher,  später  Neugasse),  Mühlhausen  im  Elsaß  (hieß  früher 
mit  Recht  so,  da  ein  Arm  der  111  hindurchfloß),  Reichenbach  in  Sach- 
sen. Gerwergasse  früher  in  Zürich,  jetzt  Badergasse.  Gerbergäss- 
chen  Basel.  Gerbergraben  Hagenau  im  Elsaß,  Straßburg.  Der 
GerberHofa.  1373  in  Colmar  (Les  enseignes  de  Colmar  S.  11).  Ger- 
berngasse, Gerberngraben,  Gerbernlaube  Bern.  Gerber- 
Straße  Posen,  Treuen  in  Sachsen. 

Gießergasse  Wien. 

Gläsergässchen  früher  in  Frankftirt  a.  M.;  a.  1350  vicus  ar* 
tus.  (arctus)  vitrorum  (Battonn  m  104).  Davon  zu  unterscheiden  Gl e- 
S.ergasse  a.  1412,  ssec.  XV  und  XVI  auch  unter  den  Glesern 
genannt,  jetzt  Saalgasse  (Battonn  IH,  59,  61).  Glaser  führt  schon  das 
mhd.  Wb.  auf. 

*Glocknergasse  Colmar  a.  1388,  1419,  1489  (Les  enseignes  de 
Colmar  S.  28).  Glockengießerstraße  Lübeck.  Glockengießer- 
wall Hamburg,  ein  seltenes  Beispiel  von  einer  ganz  neuen  Namen- 
gebung  der  Art ;  sie  erfolgte  erst  1842  (nach  der  Bieberschen  Glocken- 
gießerei). 

♦Goldschmidgasse  Straßburg,  noch  jetzt  mit  Recht  so  be- 
nannt ;  früher  in  Frankfurt  a.  M.  (Battonn  IH,  122) ,  früher  in  Nürn- 
berg. Li  Eisenach  sagt  man  Goldschmiedengasse. 

*Gräbschnergasse.  Diese  in  meiner  ersten  Sammlung  aufge- 
führte Straßenbezeichnung  ist  zu  streichen;  sie  ist  genommen  von  dem 
Dorfe  Gräbschen  bei  Breslau;  mir  ist  damit  also  dasselbe  Unglück 
passiert  wie  früher  mit  der  Laufergasse  in  Nürnberg. 

*Grapengießer Straße  Anclam,  Lüneburg,  Rostock  (a.  1285 
Gropengheterestrate).  In  Hamburger  Urkunden  begegnen  gleichfalls 
QUarum  fusores. 


STRA.SSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  269 

'  *Gröpertwiete  frühei*  in  Hamburg,  jetzt  Springeltwiete.  Da  sie 
seit  a.  1325  als  twita  figulorum  begegnet ,  so  erledigt  sich  damit  eine 
Ungewissheit  in  Bezug  auf  die  Bedeutung  (s.  meine  erste  Sammlung). 
Eine  sonst  mir  nicht  vorgekommene  Erweiterung  des  Wortes  durch 
ein  Suf5fix  findet  sich  in  Gräplerstraße  Güstrow  (welcher  Name  sich 
gleichfalls  auf  Töpfer  bezieht).  Die  urkundlichen  Bezeichnungen  flir 
Töpfer  sind  in  Hamburg  groper,  ptitger,  figuli. 

*örützmachergang  Hamburg  (St.  Georg).  Grtitznerstraße 
Glogau.  Grützmacherstraße  Wismar.  Eine  von  den  Grützmachern 
(avenatici)  hergeleitete  Straße  in  Hamburg  heißt  auch  Gruttetwiete 
jetzt  Görttwiete,  früher  auch  holtene  twiete. 

Haltergasse  (s.  v»  a.  Hirtengasse)  Wien  (Horm.  H.  Jahrg.  3, 
Urk.  &.  CCLXI). 

*Höckergässchen  Reichenbach  in  Sachsen.  Hökerstraße 
Stade  (ssßc.  XrV  platea  penesticorum).  Dazu  gehört  auch  die  Haken- 
straße a.  1271  in  Hamburg,  identisch  mit  der  Garbraderstraße  (wahr- 
scheinlich ein  Theil  davon),  femer  die  Hakstraße  in  Stralsund^  schon 
im  ältesten  Stadtbuche  hokestrate,  platea  penesticorum. 

*Hafnergasse  Qrätz,  Marburg  in  Steiermark.  Hafnerriegl 
(d.  h.  Hafherhügel)  Grätz.  Hafnersteig  Wien.  Unter  den  Hafnern 
das.  a.  1340  (Zappert  Über  das  Badewesen  mittelalt.  und  späterer  Zeit 
S.  35)  und  bei  den  Hafnern  (platöa,  quae  dicitur  vicus  figulorum) 
in  Regensburg  (Gemeiner  ad  a.  1181). 

Helmsleghere  hus,  juxta  domum  galeatorum  in  platea  fabro- 
rum,  contra  domum  helmsleghere  a.  1344  u.  1352  in  Hamburg.  Vgl. 
die  Platenaleghere  zu  Lübeck  (erste  Sammlxmg). 

*Hänfergässchen  Straßburg. 

*Hirtengasse  Ghrätz,  Merseburg.  Hirtenstraße  im  Dorfe 
Hamm  bei  Hamburg. 

Holz  sägersteg  Amsterdam  (Zesen  S.  306) ;  hell,  hmdzager. . 
In  Danzig  sagt  man  Bretschneider. 

Unter  den  Holzschuern  Frankfurt  a.  M.  a.  1417,  dafiir  un- 
der  den  Schuchkremen  a.  1438,  Holtzergasse  a.  1536  (Battonn 
IV,  277). 

Unter  den  Holzern  Wien  (Schlager,  alterthüml.  Überliefe- 
rungen usw.  S.  13). 

Hufschmiedgasse  früher  in  Frankfurt  a.  M.  Man  würde  aber 
in  der  Deutung  fehlgehen,  wenn  man  nicht  wüsste,  daß  die  Straße 
a.  1368  untern  Hubensmeden  genannt  wird.  Sie  ist  also  von  den 
Verfertigem  der  Stahlhauben   (vgl.  mhd.  bickelkOhe,  tsenhuot ,   stahel- 


270  E.  FÖRSTEMANN 

huoi)  benannt;  später  hieß  sie  aucli  Schmiedgasse.  Auf  das  wirkliche 
Hufschmied  mag  gehen  die  impasse  des  mc^eehatix  zu  Schlettstadt 
im  Elsaß. 

Jlundemetzelerhof  a,  1421  in  Frankfurt  a.  M.  (Battonn  U, 
l&l).  Was  soll  man  von  diesem  sonderbaren  Gewerbe,  wenn  es  wirk- 
lich eins  gewesen  ist,  denken? 

Hueterstraß  Wien,  ssec.  XTTL  XIV.  (Hormayr  V.  2.  3.  Heft. 
Urk.  S.  CII). 

*Hutfilter.  In  Bremen  gilt  nicht  die  hochdeutsche,  sondern  die 
niederd.  Form  Hutfilterstraße,  eben  so  in  Rostock. 

Hutwalker  Straße  =  Filterstraße  in  Hamburg,  existiert  seit 
1842  nicht  mehr. 

„Huydevettersgraft  das  ist  Gerbersgraft"  Amsterdam  (Zeseu 
S.  206).  Hell  kuidvetter  Gerber. 

*Irrer.  Die  frühere  Irrerstraße  in  Nttmberg  lag  ganz  wo  anders 
als  die  jetzige.  Aber  die  Irervorstadt  in  St.  Gallen  hieß  so  vom  Ira- 
bach,  gehört  also  nicht  hieher.  Hinter  den  Irhern  Wien  a.  1477 
(Schlagers  Wiener  Skizzen  I,  176). 

Jägerstraße  Berlin,  Potsdam,  Schwerin  und  gewiss  an  vielen 
andern  Orten,  Jägerzeil  Wien.  Die  Jäger  schlagen  meistens  (doch 
nicht  immer)  ins  militärische  Fach  ein  und  ich  hatte  deshalb  fiir  sie 
nicht  gesammelt. 

*Kannengießer.  Die  Kannengießergasse  in  Frankfurt  a.M. 
hieß  ssec.  XV  vicus  Cantrifusorum  (Battonn  IV,  214)  oder  unter  den 
Kangießem  (ebds.  IV,  228) ,  ssec.  XVII  platea  fiisorum  poculariorum 
(ebds.  IV,  228).  Der  noch  jetzt  vorhandene  Kann^ngießerortin  Ham- 
burg ist  schon  a.  1582  nachzuweisen. 

Kaufleuten-  (oder  Kirch-)  gässlein  Bern. 

Kellnergasse  Halle;  kelncere  schon  im  mhd.  Wb.;  cellenarius 
schon  ssec.  IX. 

Kesslergasse  Bern.  Kessler  ist  =  Kaltschmid,  Kupferschmid; 
vgl.  (ärimm  Wb. 

Kibbenibberstraße  Rostock  (früher  Scharfrichterstraße).  Kie- 
benhieberstraße  Stralsund  (urkundlich  Kibbenibberstrate ,  Kybe- 
nibberstrate).  Das  dunkle  Wort  habe  ich  sonst  nirgend  angefahrt  oder 
gedeutet  gefunden ;  der  Rostocker  Tradition  nach  soll  wirklich  der  Sinn 
von  Scharfrichter  darin  liegen.  Dort  hat  früher  auch  eine  Familie  Ky- 
bcnibbe  gewohnt,  eben  so  kommt  der  Familienname  Kibbenibbe  in  den 
Hamburger  Kämmereirechnungen  vor;  in  Stralsund  ist  eine  solche  Fa- 
milie bisher  urkundlich  nicht  nachgewiesen. 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  271 

Kistenmacherstraße  Rostock,  wahrscheinlich  die  urkundliche 
platea  capsariorum  Unter  den  Kistnern  a.  1395  in  Frankfurt  a.  M. 
(Battonn  II,  179).  Kistenmakere,  cistifices,  bilden  Amter  in  Hamburg  und 
Lübeck  und  kommen  auch  in  Stade  vor. 

Klefekerstraße  in  Hamburg,  wie  zu  verstehen?  Ob  unmit- 
telbar zu  dem  Familiennamen  Klefeker  (Pott.  FN.  S.  548)? 

Kleffergasse  Hagenau  im  Elsaß.  Ein  zweifelhafter  Ausdruck; 
klaffer  heißt  ein  Röhrenkasten,  Röhrenbrunnen  (s,  Schmeller  H,  353). 

Kleinschmiedstraße  Stade  (jetzt  kleine  Schmiedestraße), 
Stralsund,  Wismar.  Kleinschmiedgasse  Wien,  vielleicht  nur  kleine 
Schmiedgasse,  da  man  in  Wien  sonst  von  Kleinschmieden  nichts  weiß 
und  nach  dem  Mangel  urkundlicher  Belege  zu  schließen  auch  früher 
nichts  wusste. 

*Knochenhauerweide  vor  Stade.  Auch  in  Buxtehude  bei  Stade 
ist  ein  Knochenhaueramt.  In  den  mecklenburgischen  Städten  wechseln 
urkundlich  Knakenhowere  (Rostock  etc.),  Schlächter  (Rostock),  Vlesch- 
howere  (Neu-Brandenburg). 

Kohlgärtnerstrasse  Rostock  (innerhalb  der  Stadt).  Wohl  vom 
Krauthandel,  wie  auch  die  mehrfachen  Petersilienstraßen,  die  nicht 
hieher  gehören. 

Körblergasse  Grätz,  Wien.  Körbler  =  Korbflechter  (gebildet 
wie  Tischler). 

Kohlmessergasse  Wien.  Die  Ordnung  der  Kohlmesser  vom 
J.  1420  s.  bei  Hormayr  V,  2.  3.  Heft  ürk.  S.  CCXXXI. 

♦Korbmacher.  Die  Korbmachertwiete  in  Hamburg  ist  seit  dem 
Brande  von  1842  eingegangen.  Korbmachersteglein  Amsterdam 
(Zesen  S.  228). 

*Korkenmacher.  Auch  litauisch  bedeutet  kurke  Pantoffel. 

*Kornträger.  Der  Komträgergang  in  Hamburg  existiertnoch  jetzt. 

*Krämergasse  Einsiedeln  (nach  dem  Plan  in  Zeillers  topogr. 
Helvet.  a.  1654),  Straßburg. 

*Kramergässel  Wien  a.  1770  (Weiskem  Beschreib,  v.  Wien) 
und  heute  noch.  Krämerstraße  Neubrandenburg,  Parchim,  Rostock 
(urkundlich  institorum  platea,  jetzt  Poststraße),  Wismar,  Woldegk 
(Mecklenburg).  In  Colmar  begegnet  a.  1362,  1422  eine  Straße  unter 
den  Krämern,  a.  1540  eine  Krämergasse,  daneben  auch  a.  1373 
usw.  ein  Krämerbrück  (Les  enseignes  de  Colmar  S.  28  f.).  Unter  den 
Kramen  Regensburg  a.  1332  (Gemeiner).  Kram-  oder  Kronwinkel 
das.  (Gem.  1 ,  318).  Eine  platea  institorum  zu  Stade  bezeichnet  einen 
Theil  der  späteren  Hökerstraße;  eben  so  ist  es  zweifelhaft,  ob  die  zu 


272  E.  FÖRSTEMANN 

Colmar  und  die  zu  Schlettstadt  im  Elsaß  begegnende  rue  des  marchands 
von  den  Krämern  ausgeht:  Gerhard  Kremer,  der  große  deutsche  Geo- 
graph, hat  sich  in  Mercator  übersetzt. 

Krugerstraße  (so)  Wien  a.  1770  (Weiskem  Beschr.  von  Wien 
Anhang  S.  28)  und  heute  noch.  In  den  Grundbüchern  des  XIV.  XV.  Jh. 
Strata  amphorarum  oder  anfrorum,  Krugerstrazz  (Hormayr  V.  2.  3. 
Heft  Urk.  S.  CIV).  Also  synonym  mit  der  in  Wien  auch  vorkommen- 
den Kri  e  gier-  (Krügler-)  gasse. 

*Küfergasse  Hagenau  im  Elsaß;  ungenauer  geschrieben  Kie- 
fergasse Straßburg,  Küferplätzchen  Mühlhausen  im  Elsaß.  Dazu 
auch  vielleicht  die  impasse  des  haquetiers  zu  Schlettstadt  im  Elsaß. 

Kunstpfeiferstraße  Neubrandenburg  (Mecklenburg^. 

*Kupferschmidgasse  Hagenau  im  Elsaß.  Kupferschmid- 
g  äs  sei  Wien  a.  1770  (Weiskem  Anhang  S.  43)  und  heute  noch. 

Küt  er  Straße  Kiel.  Küterwall  Hamburg;  ebendaselbst  be- 
gegnen a.  1394  Küterhäuser  (domus  fartorum),  a.  1356  Küter- 
buden  im  Fleischschrangen  (bodas  der  kutere),  a.  1375  porta  farto- 
rum (später  die  Stavenpforte).  In  Rostock:  Küterbruch  (fartorum 
palus  a.  1279)  und  Küt  er  haus  (domus  fartorum,  mactatorum).  In 
Stralsund:  Küterthor  (urkundlich  valva  camificum) ;  hier  lag  im 
Mittelalter  das  Kuterhus  (domus  camificum,  mactatorum).  In  Wis- 
mar: Kütermühle,  Küterhaus  (domus  kutere  schon  vor  1300, 
sonst  domus  fartorum,  mactatorum).  In  Stemberg  (Meckl.):  Küter^ 
Straße  (auch  Kütinerstraße)  und  Küterbrink.  Die  Küter  (vgl.  dän. 
kjoed,  schwed.  JcöU  Fleisch)  sind  die  eigentlich  Schlachtenden,  während 
die  Knochenhauer  das  geschlachtete  Thier  zerlegen  und  das  Fleisch 
verkaufen. 

Kutscher wirthgasse  Grätz;  also  wohl  von  eii^er  Fuhr- 
mannskneipe. 

Kuttlergasse  Zürich.  Schon  mhd.  kutelcere  fartor  (also  =  Küter) 
von  kutel  Eingeweide.  In  Nordhausen  führt  die  Kutteltreppe  aus  der 
Oberstadt  in  die  Unterstadt. 

Lackirergasse  Wien. 

*Lakemacher.  Laken  hieß  auch  in  Hamburg  im  vorigen  Jahr- 
hundert noch  Tuch. 

Landreiterstraße  Grabow  (Mecklenburg),  Schwerin.  Land- 
reiter sind  die  ünterbedienten  der  Domanialämter. 

"^Laucher.  Die  Lauch ergasse  in  Eisenach  könnte  auch  auf 
Gemüsehändler  gehen.  Vgl.  oben  Kohlgärtner. 


'     STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  275 

*Lederergasse  Gtätz.  Ledererhof  Wien  a.  1770  und  da- 
selbst heute  noch  Lederergasse.  Eine  jetzt  nicht  mehr  bestehende 
Straße  in  Wien  hieß  unter  den  Lednern,  Urk,  a.  1349  im  Stif- 
tungsbuch des  Klosters  St.  Bernhard  ed.  Zeibig  (1853)  S.  298.  Lede- 
rerthürlein  Nürnberg  a.  1383;  die  frühere  Ledergasse  in  Nümberg^ 
heißt  jetzt  Tuchersstraße  und  lag  ganz  wo  anders  als  die  beiden  jetzigen 
Ledergassen  daselbst.  Die  Ledergasse  in  Luzern  mag  wie  andere 
desselben  Namens  aus  Lederergasse  corrumpiert  sein. 

Linweidirgasse  Frankfurt  a.  M.  a.  1322—1326;  Linwedir- 
gasse  a.  1337,  1351;  unter  den  linwedern  a.  1353;  Lynwid- 
dergasze  a.  1372,  sonst  auch  inter  linifices,  Lengademgasse  a.  1399 
(Battonn  IV,  282).  Das  Wort  ist  wohl  eine  sonst  noch  unbekannte  un- 
mittelbare Ableitung  von  mhd.  Vmw6a  Leinwand  (wie  Tucher  von  Tuch 
u.  dgl.).  In  Frankfurt  begegnen  urkundlich  auch  Tuchgader;  vgl.  ebds. 
a.  1475  die  Gewandgader,  letztere  also  von  mhd.  gadem.  Linnen- 
gäzzlein  Wien  a/ 1382,  im  Stadtbuche  von  1382  Gässlein,  so  man 
das  leinein  tuch  veil  hat  (Schlager  W.  Skizzen  L  238  f.) 

*Loder.  Die  Loderstraße  in  Nürnberg  heißt  so  bis  a.  1866, 
jetzt  Ottostraße. 

*Löher-  oder  Löwerp  forte  (porta  cerdonum)  früher  in  Frank- 
furt a.  M.  (schon  a.  1330  wohnt  daselbst  ein  L(ywer ,  Battonn  I,  47), 
Ebendaselbst  gab  es  auch  eine  Lörgasse,  jetzt  kleine  Fischergasse 
(Battonn  III,  37).  Lojersgraft  xmd  Lojersgasse  (von  Lohgerbern 
genannt)  Amsterdam  (Zesen  S.  208).  Hieher  auch  vielleicht  die  rae 
des  tcmneurs  und  der  quai  des  tanneti/rs  zu  Schlettstadt  im  Elsaß? 

Lohgerberstraße  Rostock  (urkundlich  platea  cerdonum;  sie 
hat  noch  jetzt  mit  Recht  den  Namen). 

*Mälzergasse  Merseburg. 

Maurergässchen  Straßburg.  Maurerstubgasse  Hagenau 
im  Elsaß  (früher,  jetzt  Rauchhausgasse). 

Mehlhändlerstraße  Teterow  (Mecklenburg). 

*Metz gerbruck,  gegen  der  Metzig,  hinter  der  Metzig  Colmar 
a.  1408  (Les  enseignes  de  Colmar  S.  13  f.).  Metzgergasse  und 
Metzgerthörchen  (-thörle)  St.  Gallen.  Metzgergasse  Bern,- 
Mühlhausen  im  Elsaß,  Riesbach  (Canton  Zürich),  Zürich.  Metzger- 
gießen Straßburg,  in  der  Nähe  des  Metzgerthors  (porte  d' Austerlitz). 
Metzgerstraße  Grätz  ssec.  XVI;  die  Gegend  heißt  jetzt  allgemein 
„das  kälbeme  Viertel".  Metzgasse  (abgekürzt  aus  Metzger- oder  aus 
Metziggasse)  Straßburg,  Weissenburg  im  Elsaß. 


274  E-  FÖRSTEMANN 

♦Metzlerpforte,  porta camificum, porta lanionum Frankfurt  a. M. 
a.  1^9  (Battonn  I,  48). 

*Müll ergang  Hamburg  (St.  Pauli).  Müllergässchen  Straß- 
burg. Mtillergasse,  Mtillerläube,  Müllerläublein  Bern.  Müller- 
thor St.  Gallen  a.  1683.  Molerthor  (wohl  Müller-),  früher  in  Nürn- 
berg, kommt  noch  a.  1493  in  der  xmverstandenen  Form  Malerthor  vor 
(am  Ausgange  des  Heugässleins).  Mühlgasse  u.dgl.  überall,  wird 
hier  übergangen. 

Multergasse  xmd  Multerthor  früher  in  St.  Gallen  (daselbst 
wohnten  Bäcker).  Etwa  zu  mhd.  multer  =  Mulde  (nihd.  Wb.  II,  232). 
Etwa  Multerer  =  Muldenmacher? 

♦Münzerstraße  Wien  ssec.  XIIL  XIV  (Hormayr  V.  2.3.  Heft 
ürk.  S.  CHI)  und  daselbst  noch  jetzt  eine  Münzgasse  und  eine 
Münz  war  deingasse. 

*Nadlergasse  Wien. 
*Nagelschmidgasse  Hagenau  im  Elsaß. 
Naglergasse    Grätz,    Wien.     Nagler  begegnet  noch  nicht  im 
mhd.  Wb. 

*Oehlschlägersteg  Amsterdam  (Zesen  S.  302). 

Oltmakenigenstrate,  renovatorum  platea  Rostock  a.  1289. 
Das  kühne  Wort  bietet  eine  anziehende  Bereicherung  der  zahlreichen 
Synonyma  fiir  Altbüßer. 

„P asseer der straat  oder  Lederbereitersgasse"  Amsterdam  (Ze- 
sen S.  208).  Zesen  setzt  hinzu :  „vom  Lederbereiten,  das  man  hier  zu 
Lande  passeeren  nennet".  In  neueren  Wörterbüchern  vermisse  ich 
das  Wort. 

*Pelzer.  Die  Pelzerstraße  in  Hamburg,  welche  noch  jetzt 
existiert,  kommt  schon  seit  1266  vor.    . 

*Pergamentergasse  Erfurt,  Straßburg.  Palmentirerstraße 
Stralsund  (wegen  des  Lautwandels  vgl.  die  gewöhnliche  Form  Baibier). 
Früher  wurde  die  letztere  Straße  Perminterstrate  geschrieben.  Die  Per- 
gamentmacher heißen  in  lateinischen  Stralsunder  Urkunden  permintarii. 

Pfännerhöhe  Halle,  von  den  Salzpßlnnem  sogenannt,  zu  mlat. 
phanna  aus  patina. 

Pfistergasse  Luzem.  Auch  in  Bern  ist  Pfister  ganz  gewöhnlich 
für  Bäcker. 

Pflastorgasse  Grätz;  dort  wohnt  der  städtische  Pflastermeister. 

*Pläterstraße  Rostock  (wahrscheinlich  die  urkundliche  platea 
aeramentariorura). 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  275 

Pümperstraße  Rostock.  Pumperstraße,  urkundlich  Pumper- 
strate,  früher  in  Stralsund,  jetzt  Papenstraße,  Vielleicht  von  Pumpen- 
macher, Brunnenmacher,  schwerlich  von  einer  noch  im  Stettiner  Haff 
gebräuchlichen  Art  des  Fischens,  die  'pumpen   genannt  wird, 

Pütterweg  Rostock  (in  der  Vorstadt),  vgl.  vor  Stade  ^bei  den 
Pütjerkulen",  den  Thongruben  der  Töpfer.  Dann  also  hier  zu  niedd. 
pot  =  Topf,  während  der  Familienname  Pütter  sonst  immerhin  auch 
zu  putearius  Brunnengräber  (Pott  FN.  365,  645)  gehören  mag. 

Rackerstraße  Lüneburg.  Niedd.  rackery  hoU.  rakkery  schwed. 
rackare  =  Schinder. 

*Rademacher.  Der  Rademachergang  in  Hamburg  besteht 
noch  jetzt.  * 

Rauchfangkehrergasse  Wien  (Hormayr  H.  Jahrg.  4.  Band, 
2.  3.  Heft,  S.  119.  122).   Rauchfangkehrergässchen  Grätz. 

*Reperhagen  Stralsund.  Reifergraben  (Repergrave) ,  Rei- 
ferweg (Repergang)  Rostock.  Reiferbahn  Schwerin.  Reperbahn 
vor  Lüneburg.  Reifer straße  Neubrandenburg  (Mecklenburg).  In 
Lüneburg  sollen  sich  Reper  und  Seiler  so  unterscheiden,  daß  jene  das 
Tau  mit  der  linken,  diese  mit  der  rechten  Hand  drehen. 

Remensniderstrate  früher  (schon  1369)  in  Hamburg,  jetzt 
Schmiedestraße.  Unter  den  Riemensnydern  a.  1428  u.  1444  in 
Frankfurt  a.  M.  (Battonn  H,  59). 

Riemerzeile  früher  in  Breslau,  jetzt  die  nördliche  Seite  der 
Häuser  „am  Rathaus".  Riemerstraße  oder  Römerstraße  Wien 
a.  1770  (Weiskem  Anhang  S.  20). 

Rüdlerg^asse  (jetzt  Rindsfußgasse  von  einem  Bierhausschilde, 
wie  in  Wien  eine  Kühfußgasse)  Weißenburg  im  Elsaß ,  soll  vom  Dres- 
sieren der  Rüden  (Hunde)  genannt  sein.  Die  Rüdengasse  in  Wien 
fährt  ihren  Namen  von  dem  ehemals  sogenannten  Hundsthurm,  einem 
Jagdschlosse  Kaiser  Karl  VI. 

*Säger.  Auf  dem  Sägerplatz  in  Hamburg  werden  jetzt  nicht 
Bretter,  sondern  Sandsteine  gesägt,  was  wegen  der  Bedeutung  nicht 
irre  führen  darf, 

Sargmacherstraße  Wismar. 

Sattlerstraße  (seit  1293  platea  sellificum)  früher  in  Hamburg, 
jetzt  ein Theil  der  Schmiedestraße.  Unter  den  Sattlern  Wien  a.  1770 
(Weiskem  Anh.  S.  33),  unter  der  Bezeichnung  sub  sellatoribus  schon 
im  XIII.  XIV.  Jh.  (Hormayr  V.  2.  3.  Heft  Urk.  S.  CIV).  Auch  die 
Cölner  Straße  inter  sellatores,  bei  welchen  ich  in  der  ersten  Sammlung 
auf  Stuhlmacher  rieth,  wird  wohl  hieher  zu  rechnen  sein.  Dagegen  die 


276  E.  FÖRSTEMANN 

impasse  des  seUiers  zu  Weißenburg  im  Elsaß  gehört  nicht  hieher;  sie 
ist  nur  falsche  Übersetzung  fiir  dtt,  ceUier  (Kellerhofgasse).  Sattel- 
macherstraße Stade  (urkundlich  a.  1340^  woselbst  die  „Sadeler- 
boden"  Sattlerbuden  schon  a.  1320  vorkommen). 

*Schäferkamp  in  der  Hamburgischen  Ortschaft  Eimsbüttel. 
Schäferstraße  Grevismühlen  (Mecklenburg),  Schwerin. 

*Scharfrichterstraße  Dömitz  (Mecklenburg),  Schwerin ;  früher 
in  Rostock  (jetzt  Bäbbenibberstraße^  s.  d.). 

*Schauflergasse  a.  1314  Schowfelluchen  (Hormayr  Gesch. 
Wiens  I.  ürk.  LH. 

Schenkenstraße  Wien. 

Scherenschleiferstraße  Lüneburg. 

*Scherer.  Unter  den  Scherern  a.  1243  in  Regensburg  (Ge- 
meiner I,  348)  und  a.  1463  in  Frankfurt  a.  M.  (auch  lat.  inter  raso- 
res,  tonsores;  Battonn  III,  121).  Dagegen  unter  den  Scherläden 
oder  Scherlauben  in  Wien  ssec.  XIV.  XV.  von  den  dort  sesshaften 
Tuchscherem. 

*Schilterstrazze  Wien  a.  1325  (Hormayr  IL  Jahrg.  2 ,  Urk. 
S.  CCXV). 

Schüferdekkersteglein  (so)  Amsterdam  (Zesen  S. 337).  Etwa 
Druckfehler  fiir  Schilferdekker? 

*Schiffbauerbrook  früher  in  Hamburg  (jetzt  blos  Bropk); 
die  Gegend  heißt  a.  1380  palus  ubi  naves  construimtur  imd  ist  Straße 
seit  1535.  Schiffbauer  dämm  Berlin. 

*Schiffergässlein  Amsterdam  (Zesen  S.  309).  Schiffer- 
straße Dömitz,  Fürstenberg  (beides  in  Mecklenburg).  Schiffer- 
thor Stade; 

Schiffleutstaden  Straßburg. 

*Schildergas  sei  oder  (volksetymologisch)  Schultergassel 
Wien  a.  1770  (Weiskem  Anhang  S.  32). 

*Schindergasse  Mühlhausen  im  Elsaß,  seit  1 798  rwe  de  la  justice. 

*Schlachterstraße  Schwerin,  Sternberg.  *Schlachterwiese 
Rostock.  Auch  in  Hamburg  sagt  man  nicht  Schlächtergasse,  sondern 
Schlachterstraße. 

*Schlägertwiete  Lüneburg. 

*Schleifergä8slein  Bern. 

*Schlossergasse  Colmar,  Erfurt,  Grätz,  Marburg  in  Steiermark, 
Straßburg.  Schlossergässel  Wien  a.  1770.  Schlossergässlein 
Bern.  Rue  des  serruriers  Schlettstadt  im  Elsaß. 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  277 

•■^Schmidgasse  (Schmiedegasse)  St.  Gallen,  Grätz,  Herisau 
(Canton  Appenzell),  Mühlhausen  (Elsaß),  Straßburg  (früher,  jetzt 
Schlossergasse),  Weissenburg  (Elsaß),  Zürich  (früher,  jetzt  Thorgasse). 
Schmidgässchen  Grätz.  Schmiedestraße  Rostock,  Schwerin, 
Stade ,  Wismar.  Die  Schmiedestraße  in  Hamburg  hieß  früher  auch 
Remensniderstrate  (s.  oben) ,  Schusterstraße ,  ein  Theil  davon  auch 
Sattlerstraße.  Die  Schmiedestraße  in  Stade  a.  1328  platea  fabrorum. 
Schmidtenthörlein  Schafhausen  (nach  dem  Plan  zu  Zeillers  Topo- 
graphia  Helvetiae  a.  1654).  Eine  porta  fabrorum  begegnet  auch  ur- 
kundlich in  Schwerin.  Bei  Battonn  11,  7  wird  die  Fahrgasse  zu  Frank- 
furt a.  M.  (in  der  ich  verderbtes  lat.  faber  vermuthete)  von  der  Furt 
über  den  Main  hergeleitet ;  eine  handschriftliche  mir  zugegangene  Mit- 
theilung spricht  die  Vermuthung  aus,  das  Wort  komme  „vom  vielen 
Fahren"  vor  der  Schmiede  (?). 

*Schneidergasse  Basel.  Schneidergraben  Straßburg. 
Schneiderwall  Greifswald^  Rue  des  taiUeurs  Schlettstadt  im  Elsaß, 
In  der  Gegend  des  in  meiner  ersten  Sammlung  erwähnten  Schneider- 
bergs zu  Hannover  lag  die  Schneiderburg,  erbaut  vom  Inhaber  des 
Schneiderschen  Galanteriegeschäfts  (also  nicht  hieher  gehörig). 

*Schreibergasse  Merseburg,  Wien,  Schreiberstubgasse 
Straßburg. 

*Schröderstraße  Lüneburg.     Der  Schrödersplatz   in  Rostock 
dagegen,  wie  auch  die  Form  andeutet,  zu  einem  Familiennamen. 
Schrottgießergasse  Wien. 

*Schuhmachergasse  Straßburg.  Schuhmacherstraße  Dö- 
mitz  (Mecklenburg),  Kiel,  Lübeck.  Schustergasse  Weißenburg  im  El- 
saß. Schusterstraße  Dömitz  (MeckL),  Schwerin,  früher  in  Hamburg 
(jetzt  Schmiedestraße).  Schoisters-  oder  Straß enleulSfer steglein  Amster- 
dam (Zesen  S.  337).  Schuhgasse  Erfurt.  Inter  calcifices  oder  die 
Schuhgasse  a.  1341  Frankfurt  a.  M.  (Battonn  IV,  275). 

Schützenstrasse  Berlin,  St.  Gallen,  Goldberg  (Mecklenburg), 
Posen,  Rostock.  Schützengasse  Wien;  ich  hatte  ursprünglich  hiefür 
eben  so  wenig  wie  fftr  die  Jäger  gesammelt.  Der  Schützenhof  in 
Hamburg  ist  seit  1387  als  curia  sagittariorum  bekannt.  In  Hamburg 
gehören  schon  ^a.  1350  die  sagittarii  als  Stadtsöldner  zur  familia  con- 
sulum.  Das  Schützenfest  heißt  im  Göttingischen  noch  beständig  Schützen- 
hof (vgl.  die  verschiedenen  Artushöfe). 

*Schwertfeger.  In  Frankfurt  a.M.  ssec.  XVI  vicus  gladiatorum, 
a.  1378  u.  1443  Swertfegergasse  (Battonn  IV,  281). 

QERVIANIA.  Neue  Reihe  Tit.  (XV.)  Jahrg.  19 


278  E-  FÖKSTEMANN 

Unter  den  Segnern,  ante  portam  insularum  Wien  saec.  XIII. 
XIV  (Horm.  V,  2.  3.  Heft  S.  Cm).  Sind  hier  die  s.  g.  Segenfischer 
gemeint,  Fischer  nämlich,  welche  das  Recht  hatten,  mit  Segen  (großen 
Zugnetzen)  zu  fischen,  im  Gegensatze  der  Klein fi scher  (Schmeller 
m,  213)  oder  etwa  die  Verfertiger  solcher  Netze  ?  Schmeller  a.  a.  O. 
fitlhrt  auch  noch  an:  Segener,  Segner,  kleinere  Art  SchiflFer  auf  dem 
Bodensee.  In  Österreich  ist  Segner  ein  häufig  vorkommender  Per- 
sonenname. Die  Karpfenseigen,  eine  Gegend  in  Danzig  (am  Wasser). 

*ünter  den  Seilern  Frankfurt  a.  M.  a.  1476  (Battonn  IV,  284). 
Seilergasse  Weißenburg  im  Elsaß.  Seilergässchen  Straßburg. 
Seilerstatt  Wien  a.  1770  und  jetzt  noch  Seilerstätte. 

'^'Siebenmacherstraße  Stralsund,  urkundlich  Sevemakerstrate. 

*S  peermache  r.  Sie  kommen  in  Hamburger  Kämmereirechnungen 
seit  1262  als  Sperwarii  vor.  Giebt  es  nicht  irgendwo  dahingehörige 
Sperbergassen? 

Speisergasse  imd  Speiserthor, früher  in  St.  Gallen.  Daselbst 
wohnten  Krämer  imd  Elaufieute,  daher  wol  zu  mhd.  sptsaere  Speise- 
meister, dispensator.  Die  Speisergasse  in  Cöln  hatte  ich 'dagegen  in 
meinem  ersten  Aufsatze  zu  den  Spermachern  gesetzt. 

*Spenglergasse  Bern,  irüher  zu  Weißenburg  im  Elsaß.  Un- 
ter den  Spängiern  Wien  saec.  XIII.  XIV  (Hormayr  V.  23.  Heft 
Urk.  S.  CH)  und  noch  a.  1770  (Weiskem  Anhang  S.  34),  jetzt 
Spängiergasse. 

Spindlergasse  Wien. 

*Sporgasse  Grätz. 

Stampfmüll  er  Straße  Rostock.  Die  Stampfmühle  ist  die  Loh- 
mühle. Sollten  dahin  auch  die  Stempfer  in  Grätz  gehören?  Doch  ist 
fUr  meine  frühere  Erklärung  zu  erwähnen,  daß  sich  dort  eine  sehr  alte 
Papierhandlung  und  die  älteste  Buchdruckerei  von  Grätz  befindet. 

Stärkmachergasse  Wien  (Hormayr  IL  Jahrg.  4.  Bd.,  2.  3.  Hft. 
S.  125). 

Steinhauer  Steg  Amsterdam  (Zesen  S.  322). 

Stekerstrate  Stade  seßc.  XIV,  soll  sich  auf  die  Aalstecher  (s.d.) 
beziehen.  Sollte  damit  auch  Licht  auf  die  Stechergasse  in  Braunschweig 
fallen? 

Stellmacher  Straße  Flau  (Mecklenburg). 

*Strohschnitter.  Die  Strohschnitter  zogen  früher  (z.  B.  in  der 
Wetterau)  mit  einer  Schneide-  oder  Häckselbank  auf  der  Schulter 
bei  den  vermögenden  Bauern,  Pächtern  usw.  umher  und  schnitten 
Häckerling. 


'     STRASSENNAMEN  VON  aEWERBEN.  279 

Taschenmacherstraße  Stralsund,  vielleicht  von  den  Beutlem 
unterschieden.  Taschnergässlein  Wien  ssec.  XIII.  XIV  (HormayrV, 
2.  3.  Heft  ürk.  S.  CV). 

Todtengräbergasse  Merseburg. 

*Töpferberg  Neustrelitz.  Töpfergasse  Treuen  in  Sachsen, 
Weimar;  die  Töpfergasse  in  Breslau  ist  jetzt  ein  Theil  der  Weißgerber- 
gasse. Töpferplan  Halle.  Töpfersteg  Amsterdam  (Zesen  S.  348). 
Töpferstraße  Wittenburg,  Zarrentin  (beides  in  Mecklenburg).  Der 
ehemalige  Töpfenmarkt  (so)  in  Weimar  heißt  jetzt  Herderplatz. 

*Trägerstraße  Rostock,  urkundlich  platea  bajulorum.  DasAmt 
der  Träger,  welche  die  Kaufmannsgüter  usw.  besorgen,  besteht  in  Ro- 
stock noch  als  Realgerechtsame.  Eine  platea  bajularum  (so)  a.  1389 
in  Stade  ist  vielleicht  verwechselt  mit  baginarum. 

Trompetersteg  Amsterdam  (Zesen  S.  337);  holl.  trompetter, 

Tüchergasse  Frankfurt  a.  M.  a.  1603,  1611  (Battonn  HI,  80), 
wahrscheinlich  von  Tuchläden  benannt.  Tuchergasse  Mühlhausen  im 
Elsaß,  seit  1798  rue  des  drapiers]  hier  waren  ehemals  Tuchläden.  Öa- 
gegen  heißt  die  Tucherstraße  in  Nürnberg,  früher  Ledergasse,  so  von 
dem  Geschlechte  der  Tucher.  Tucherstubgasse  Straßburg.  Unter 
den  Tuchlauben  (inter  lubiis  a.  1288)  Wien. 

*Tuchmacherstraße  Flau  (Mecklenburg).Tuch  scher  er  gas  se 
Reichenbach  in  Sachsen,  Muhlhausen  im  Elsaß,  seit  1798  ruedestondeurs. 

*üllnergasse  a.  1405  in  Frankfurt  a.  M.,  schon  ssec.  XIV  vicus 
oUarum,  a.  1398  unter  den  Ulnern  (Battonn  IH,  104  f.) 

Wachsbleichgasse  Wien  (Horm.  U.  Jahrg.  4.  Bd.,  2.  3.  Hft. 
S.  132),  Dresden. 

*Wachtergasse  Wien. 

*Wagnergasse  Grätz,  Merseburg,  Wien;  doch  die  Wagnergasse 
zu  Mühlhausen  im  Elsaß  heißt  so  von  einer  Familie,  nicht  vom  Hand- 
werk, scheint  deshalb  auch  nicht  französisch  übertüncht  zu  sein. 

Walkerdamm  Kiel,  wohl  vom  Walken  des  Tuches.  „VuUers- 
graft,  das  ist  Walkersgraben,  weil  an  demselben  die  Walker  gewöhnet**, 
Amsterdam  (Zesen  S.  295;  vgl.  holl.  volder  Walker). 

*Wandbereiter.  Sie  sind  nicht  bloß  vom  Krempen,  sondern 
auch  vom  Weben  des  Tuches  benannt.  Es  sind  die  pannorum  rasores 
(Tuchscherer),  auch  pannorum  praeparatores  in  Hamburg;  sie  liefern 
das  noch  weiße  Tuch  (wand,  laken)  an  die  Wandftlrber. 

Wandfärberstraße  Lüneburg. 

Wäschergasse  Wien,  Grätz. 

*Waytmengere.  Sicherlich  Watmenger,  Tuchhändler. 

19* 


280  E.  FÖRSTEMANN 

*Webergasse  Basel,  Colmar,  St.  Glallen,  Marburg  in  Steiermark, 
Mühlhausen  im  Elsaß  (auch  neue  Gasse  genannt),  Reichenbach  in 
Sachsen.  Weberstraße  Hamburg  (früher,  um  1250  platea  textorum), 
Penzlin,  Stavenhägen,  Wismar  (alle  drei  in  Mecklenburg). 

Weinstichergasse  früher  in  Straßburg,  jetzt  Blauwolkengasse, 
wenn  ich  recht  lese.  Wtnsticher  werden  mhd.  Wb.  III,  677  erwähnt, 
fehlen  jedoch  11 ,  2 ,  S.  624.  Bei  Schmeller  begegnen  die  Ausdrücke 
Stichwein  und  Stichmaß  fUr  Probewein. 

*Weißgerberstraße  Rostock.  Unter  den  Weißgärbern 
Wien  a.  1770  und  jetzt  noch  (amtlich  Weißgärberstraße).  Cam- 
pus der  Wisgerber  Frankftirt  a.  M.  a.  1350,  unter  den  wis- 
gerwern  a.  1448  (Battonn  I,  197;  11,  107).  Weißgerbergraben 
Regensburg  (Gemeiner  ad  a.  1181).  Der  Gerberhof  (Verkaufshalle  der 
Weißgerber)  heißt  in  den  Hamburger  Kämmereirechnungen  seit  1355 
die  Weißbeutelei. 

Untern  Wendkremen  Wien  saec.  XIV  (Schlager  W.  Skizzen 
I,  242  f.).  Wendkremer  wohl  sva.  Kurzwaarenhändler,  vgl.  den  Schied- 
spruch Herzog  Albrecht  H.  a.  1432 :  Wenn  so  die  kaufleut  in  vre  gewelbe 
alle  die  klein  ding  verkaufen,  die  vormals  die  Wendkremer  ...  Meten 
verkauft  usw.  (Kurz  Österreichs  Handel  S.  401). 

Wendlerstraße  Wien,  schon  a.  1770  verschollen  (Weiskem 
Anhang  S.  55).  Zu  mhd.  wandelcere  viator?  Wendler  ist  auch  ein  Fa- 
milienname (ahd.  wohl  Wandilhari,  BavSctXäQwg  bei  Procop). 

Wildwerkerstraße  oder  Wildbergerstraße  Wien  a.  1770  (Weis- 
kem Anh.  S.  30),  in  älteren  Urkunden  Wiltwercherstrazze,  z.B. 
a.  1272  (Hormayr  Gesch.  Wiens  I.  Urk.  S.  XC) ,  später  zu  Wiltperger- 
strazz  entartet  (Schlager  W.  Skizz.  I,  251)  und  jetzt  Wipplingerstraße. 
Mhd.  wiltwerc  Pelzwerk  (vgl.  auch  nhd.  Rauchwerk),  wiltwerkcere 
Kürschner. 

Windemachergasse  soll  in  München  sein,  doch  weiß  ich  nichts 
Näheres  darüber. 

*Wollenwebergasse  früher  zu  Weißenburg  im  Elsaß  (jetzt 
Wollengasse).  WuUwebergasse  früher  in  Zürich.  Wollenweber- 
straße Bützow,  Neubrandenburg,  Rostock^  urkundlich  platea  lanificum), 
Woldegk;  sämmtlich  in  Mecklenburg. 

Zieglerhäuser  (Tegelerhus),  domus  lathomorum  vor  Hamburg : 
dieselben  kommen  auch  seit  a.  1293  als  domus  laterum  vor.  Vor  Stade 
liegt  ein  Teielcamp,  Teigelcamp.  Zieglergasse  Wien.  Ziegelgassen 
gibt  es  manche. 


STRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  281 

Zimmerieutgasse  Straßburg,  Weißenburg  im  Elsaß,  an  bei- 
den Orten  von  der  ehemaligen  Zunftstube  so  genannt. 

Zuckerbäckersteglein  Amsterdam  (Zesen  S.  228;  holl.  sui- 
Jcerhakker), 

So  weit  das  neue  Material.  Dadurch  werden  aber  auch  die  An- 
merkungen, die  ich  in  meinem  ersten  Aufsatze  dem  alphabetischen  Ver- 
zeichnisse folgen  ließ,  bedeutend  bereichert.  Zu  S.  20  bemerke  ich^ 
daß  das  bis  dahin  nur  aus  Cöln  nachgewiesene  unter  (unter  Gewand- 
schneider  usw.)  seitdem  auch  in  Colmar,  Frankfurt  a.  M.,  Passau,  Wien 
begegnet  ist  (überall  mit  dem  Dat.  Plur.) ;  es  wird  wohl  in  den  meisten 
rheinischen  Städten  vorkommen.  In  Wien  (Horm.  I,  Urk.  LVIII)  be- 
gegnet a.  1398  sogar  die  Bezeichnung  'In  der  vergezznen  gassen  inter 
cerdones'  —  also  unter  den  Handwerkern  xaz  i^oxTJv.  Diese  Wendung 
ist  echt  deutsch ;  vgl.  Grimm  Gr.  IV,  289.  Selbst  ülfilas  scheint  mit  die- 
ser Art  von  Namengebung  schon  vertraut  gewesen  zu  sein;  Luc.  19,  23 
übersetzt  er  ijcl  TQdns%av  durch  du  skaUjam  (ad  numularios)  und 
1.  Cor.  10,  25  iv  (laxelkoj  (zur  Fleischbank)  mit  at  sküjam  (apus  la- 
nios).  Grimm  a.  a.  O.  führt  auch  als  alte  Straßennamen  an  zen  metze- 
Iceren  (rue  avjx  houchers)  j  zen  webcereuy  die  ich  beide  noch  nicht  auf- 
gefunden habe ;  zum  rechten  Beweise ,  daß  noch  immer  viel  nachzu- 
sammeln  ist. 

Zu  der  S.  21 — 25  von  mir  gegebenen  sachlichen  Übersicht  über 
die  in  den  Straßennamen  vorkommenden  Gewerbe  unterlasse  ich  es, 
die  zahlreichen  neugewonnenen  Bereicherungen  beizufligen;  das  kann 
jeder,  den  es  näher  interessiert,  nun  leicht  selbst  thun. 

S.  25  hatte  ich  auf  den  gewaltigen  Gewerbesprachschatz  unserer 
Sprache  hingewiesen  und  seinen  Reichthum  durch  die  Lübeckischen 
Zunftrollen  dargethan.  Wer  dergleichen,  wie  ich  wünsche,  zusammen- 
zustellen gedenkt,  findet  ein  Verzeichniss  der  Nürnberger  Hand- 
werke aus  ssec.  XVI  im  Anzeiger  flir  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1869 
Nr.  4,  S.  97  f.  Merkwürdige,  zum  Theil  aber  sehr  moderne  Verzeichnisse 
der  Wiener  Gewerbe  s.  in  Pezzls  Beschreibung  von  Wien  7.  Aufl. 
(1826)  S.  543  u.  566;  Wienerisches  aus  alter  Zeit  bieten  Jos.  Feils 
Beiträge  zur  älteren  Geschichte  der  Kunst-  und  Gewerbsthätigkeit  in 
Wien  (Berichte  und  Mittheilungen  des  Alterthumsvereines  zu  Wien  1860, 
und  besonders  abgedruckt^  104  SS.  4®*). 


*)  Zu  erwähnen  wäre  hier  auch  G.  Zapperts  Abhandlang:  TVlens  ältester  Plan 
[nach  Z.  etwa  aus  den  JJ.  1050—1150]  in  den  Sitzungsberichten  der  phil.-hist.  Classe 
der  kais.  Academie  der  Wiss.  XXI.  Bd.  (1857)  S.  399—444,  wenn  nicht  gegen  di& 
Echtheit  dieses  Planes  gegrOndete  Bedenken  von  Kennern  vorliegen  würden. 


282  E.  FÖRSTEMANN 

Mehr  liegt  mir  am  Herzen  diesmal  darauf  hinzuweisen^  daß  das 
jetzt  zusammengebrachte  Material  für  einzelne  Gewerbebezeichnungen 
schon  ein  hübsches  Bild  davon  gibt,  in  welchen  Gegenden  das  betref- 
fende Wort  wirklich  volksthümlich  war ;  denn  so  ein  Straßenname  lie- 
fert hiefür  immer  einen  besseren  Beweis  als  das  Vorkommen  des  Wortes 
bei  einem  Schriftsteller,  der  den  Ausdruck  vielleicht  aus  seiner  Heimat 
mitgebracht  oder  an  einem  andern  Orte  sich  angeeignet  und  an  einem 
dritten  niedergeschrieben  hat.  Ich  gebe  hier  eine  Anzahl  von  Beispielen 
über  den  Umfang  des  Gebrauchs  solcher  Worte;  diejenigen  Städte, 
in  denen  das  Wort  durch  meine  beiden  Sammlungen  nachgewiesen  ist, 
fahre  ich  dabei  in  geographischer  Reihenfolge  an. 

Unter  den  norddeutschen  Ausdrücken  scheinen  einige  bloß 
den  nördlichen  Küstenlandschaften  anzugehören.  Dahin  rechne  ich : 

Reper  (Reifer).  Hamburg,  Lüneburg,  Lübeck,  Rostock,  Schwerin, 
Neubrandenburg,  Stralsund,  Stettin,  Danzig,  Elbing,  Königsberg. 

Badstüber.  Lübeck,  Rostock,  Neubrandenburg,  Stralsund,  Cöslin. 

Küter.    Hamburg,  Kiel,  Rostock,  Wispiar,  Stemberg,  Stralsund. 

Schlächter  (Schlachter).  Glückstadt,  Altena,  Hamburg,  Schwe- 
rin, Sternberg,  Rostock. 

Andere  Worte  erstrecken  sich  weiter  durch  das  niederdeutsche 
Gebiet,  sowohl  durch  die  Binnenländer  als  die  Küstenstriche : 

Filter  (Hutfilter).  Sowohl  in  Cöln  und  Braunschweig,  als  in 
Bremen,  Hamburg,  Schwerin,  Rostock,  Stralsund. 

Grapengießer  (Gröper,  Gröpler).  Sowohl  in  Hannover  imd 
Halberstadt  als  in  Hamburg,  Lüneburg,  Lübeck,  Rostock,  Güstrow, 
Anclam,  Stettin. 

Knochenhauer.  Sowohl  in  Hannover,  Braimschweig,  Magdeburg, 
Zerbst ,  ja  sogar  im  hochdeutschen  Nordhausen ,  als  auch  in  Stade, 
Hamburg,  Lübeck,  Rostock,  Stettin. 

Merkwürdig  ist  mir  ein  ganz  gewöhnliches,  der  Schriftsprache 
überall  angehöriges  Wort  durch  das  Gebiet  seines  Gebrauches  in  die- 
sen Straßennamen: 

Töpfer.  In  Thüringen  und  dem  preußischen  Sachsen:  Mtihlhau- 
«en,  Nordhausen,  Weimar,  Halle,  Eilenburg.  Im  Königreich  Sachsen: 
Zwickau,  Leisnig,  Colditz,  Dresden,  Bautzen.  In  Brandenburg:  Jüter- 
bogk,  Kalau.  In  Schlesien:  Breslau.  In  Mecklenburg:  Neustrelitz,  Wit- 
tenburg,  Zarrentin.  In  Pommern:  Gartz.  In  Preußen:  Danzig,  Elbing. 
Das  Wort  erstreckt  sich  also  weiter,  als  die  oben  angeflihrten  nieder- 
deutschen Ausdrücke,  scheint  aber  in  den  Ortsnamen  doch  dem  ganzen 
Westen  und  Süden  Deutschlands  abzugehen. 


8TRASSENNAMEN  VON  GEWERBEN.  283 

Nun  einige  speciell  süddeutsche  Wörter: 

Küfer.  Mühlhausen,  Schlettstadt,  Hagenau,  Straßburg ^  alle  im 
Elsaß,  femer  Mainz  und  Saarbrücken.  Also  nur  im  Westen^  auffallend 
außerdem  in  Göttingen. 

Le derer.  Nürnberg,  München,  Passau,  Wasserburg,  Salzburg, 
Grätz,  Wien.  Einfaches  Leder-  als  erster  Theil  der  Composition  auch 
in  Luzem,  femer  im  norddeutschen  Duderstadt,  wo  die  geographische 
Lage  dafiir  spricht,  daß  in  dem  letzteren  Orte  *Leder  nicht  aus  Lederer 
gekürzt  ist. 

Spengler.  Bern,  Weissenburg,  Mainz,  Augsburg,  Wien. 

Seiler.  Straßburg,  Weißenburg,  Prankfurt  a.  M.,  Passau,  Wien. 
Auffallend,  und  deshalb  fast  verdächtig  oder  neu,  in  Hannover. 

Hafner.  Augsburg,  Grätz,  Marburg  in  Steiermark,  Wien.  Der 
nördlichste  Ort  ist  Schleusingen,  welches  auf  der  fränkischen  Seite  des 
Thüringer  Waldes  liegt. 

Am  weitesten  tmter  den  süddeutschen  Ausdrücken  verbreitet  ist: 

Metzger.  In  der  Schweiz:  St.  Gallen,  Bern,  Riesbach,  Zürich. 
Im  Elsaß:  Colmar,  Mühlhausen,  Straßburg,  Weißenburg.  In  Schwaben: 
Heilbronn,  Heutlingen.  In  Rheinfranken:  Frankfurt  a.  M.,  Seligenstadt, 
Wiesbaden,  Alsfeld.  Man  würde  dem  Worte  den  Character  eines  süd- 
westlichen zuschreiben,  wenn  man  es  nicht  außerdem  noch  in  Grätz  fände. 

Ich  gerathe  hier  unabsichtlich  ganz  auf  dasselbe  Gebiet  der  Sprach- 
geographie, das  ich  in  meinen  deutschen  Ortsnamen  S.  253 — 293  zum 
ersten  Male  zu  betreten  wagte,  ein  Gebiet,  auf  welchem  ich  bald  Nach- 
folger zu  sehen  wünschte;  die  Resultate  würden  nicht  ausbleiben. 

In  diesem  Sinne  würden  auch  die  Grundwörter  der  Compositionen 
einiges  ergeben.  In  meinem  eben  angeführten  Buche  S.  74  hatte  ich 
das  Wort  twiete  nur  aus  Holstein,  Hamburg  und  Braunschweig  nach- 
gewiesen; oben  habe  ich  eine  Schlägertwiete  aus  Lüneburg  beigebracht 
imd  außerdem  kann  ich  nun  auch  eine  nicht  zu  den  Gewerbenamen 
gehörige  Hahntwete  aus  Homburg  bei  Halberstadt  nennen.  Meine  in 
dem  genannten  Werke  gemachten  Bemerkungen  über  die  Verbreitung 
der  Namen  auf  -hrink,  -gracht  {-grafft)  u.  a.  lassen  sich  nun  durch  Zu- 
ziehung der  Straßennamen  noch  bestimmter  fassen.  In  meiner  dies- 
maligen Sammlung  tritt  auch  ein  wie  es  scheint  bloß  elsässisches  -staden 
auf,  von  dem  ich  noch  nicht  weiß ,  wie  nahe  es  etwa  zu  dem  süd- 
deutschen Stadd  (Scheune)  gehört. 

Noch  manche  andere  Untersuchungen  drängen  sich  beim  Anblick 
dieses  Materials  auf.  Wie  mag  z.  B.  das  sprachgeschichtliche  oder  geo- 
graphische Verhältniss  der  Ableitungen  Beutler ^   Grützner,   Kistner, 


284  REINHOtD  KÖHLER 

Schuster,    Sieber,   Tücher  zu  den  schwerfMligen  Zusammensetzungen 
Beutelmacher,  Grützmacher  usw.  sein? 

Alle  solche  Fragen  dürfen  fiir  jetzt  nur  angedeutet,  noch  nicht 
erledigt  werden.  Es  zeigt  sich  nämlich,  daß  der  für  diese  Gegenstände 
vorhandene  Stoff  über  alle  Erwartung  hinaus  reichhaltig  und  auch  mit 
dieser  meiner  zweiten  Sammlung  noch  lange  nicht  erschöpft  ist.  Mit 
einer  dritten  Sammlung  könnte  man  sich  der  Vollständigkeit  des  Stoffes 
schon  um  ein  ganz  Bedeutendes  nähern.  Darum  möchte  ich  die  aber- 
malige Bitte  aussprechen  in  der  Zusendung  von  Beiträgen  und  Berich- 
tigungen fortzufahren,  namentlich  aus  kleineren  Städten,  denn  ftlr  die 
großen  wird  nicht  mehr  viel  zu  thun  sein.  Besonders  aus  dem  Süden, 
der  in  meinen  Sammlungen  weit  weniger  vertreten  ist  als  der  Norden, 
würden  mir  weitere  Sendungen  höchst  willkommen  sein.  Ich  bemerke 
noch,  daß  ich  die  dritte  Sammlung  nicht  vor  dem  Beginne  des  nächsten 
Jahres  zu  schließen  gedenke;  auch  die  Bemerkung  ist  practisch,  daß 
jeder  unter  meinem  Namen  nach  "Dresden  gerichtete  Brief  sicher  in 
meine  Hände  kommt,  auch  ohne  Hinzufügung  meiner  Wohnung  und 
der  leidigen  Titulatur. 

DEESDEN,  den  23.  Januar  1870. 


ZUR  LEGENDE  VON  GREGORIUS  AUF  DEM 

STEINE. 


1.  Die  Gregoriuslegende  in  schwedischer  Sprache. 

Daß  in  der  deutschen  Legendensammlimg,  welche  unter  den  Ti- 
teln *Der  Heiligen  Leben  oder 'Passional  der  Heiligen  seit  dem  Jahre 
1471  bis. in  die  Zwanziger  Jahre  des  16.  Jahrhunderts  oft  gedruckt 
worden  ist  *),  auch  ein  Prosaauszug  aus  Hartmanns  Gedichte  Gregorius 
sich  findet,  ist  bekaimt  (s.  Lachmann  in  Haupts  Zeitschrift  V,  33  und 
Wackemagel,  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  S.  165  imd  354. 
Ich  erinnere  mich  aber  nicht,  irgendwo  erwähnt  zu  finden,  daß 
dieser  Prosaauszug  auch  ins  Schwedische  übersetzt  worden  ist.  Diese 
schwedische  Übersetzung  findet  sich  in  folgender  Greifswalder  Doctor- 
dissertation ;   Legenda  Sancti  Gregorii  Svecana,   prooemio  thesibusque 

*)  Man  sehe    über  dieT  verschiedenen  Ausgaben  Panzers   Annalen    der  altem 
deutschen  Litteratur  und  E.  Weller,    Die  deutsche  Literatur  im  ersten  Viertel   des 
16.  Jahrhunderts,   Nördlingen  1864,   an  den  in  den  Begistem  beider  Bücher  unter 
'lieben  der  Heiligen   verzeichneten  Stellen. 


ZUR  LEGENDE  VON  GREOORIUS  AUF  DEM  STEINE.  285 

adjunctis ,  quse ,  venia  ampl.  fac.  phil.  Giyph.  praeside  öust.  Salom. 
Tillberg,  phil.  doct  aa.  U.  mag.  math.  et  physie.  prof.  reg.  et  ord. 
p.  p.  Sam.  Th.  Ostman,  a  sacris  Ostrogothus,  in  audit  maj.  die  XIV. 
aug.  MDCCCXV.  h.  a.  m.  s.  Gryphise  litteris  P.  W.  Kunike,  reg. 
acad.  typogr*  4®.  Über  die  schwedische  Legende  äußert  sich  der 
Herausgeber  im  Vorwort:  Legendam  Sancti  Grregorii,  ex  codice  Mo- 
nasterii  Wadstenensis  [nunc  Regii  Gymnasii  Lincopensis]  membranaceo 
descriptam,  non  ut  materiam  de  qua  disputabimus,  sed  ut  monumentum 
inprimis  linguse  nostrae  medii  sevi,  cultoribus  jam  florescentis  forsan 
haud  ingratum,  divulgasse  juvabit.  Hanc  Sancti  Gregorii  Legendam, 
quse  sine  dubio  ficta  est,  in  vitas  saltem,  quantum  nos  audiverimus, 
Pontificum,  qui  hoc  nomine  sunt  insigniti,  non  quadrat,  Monachus,  se- 
cundum  Diarium  Wadstenense,  Johannes  MatthisB,  qui  in  Monasterio 
Wadstenensi  anno  MDXXIV  mortuus  est,  a  Monacha,  Christine  Elff- 
dotter  svetice  nominata,  acceptam  et  ex  Teutonica  in  Svecanam  lin- 
guam  versam,  sie  tradidit. 

Daß  die  schwedische  Legende  eine  Übersetzung  aus  'Der  Hei- 
ligen Leben  ist,  möge  der  Anfang  zeigen,  der  im  Schwedischen  also 
lautet: 

I  Aquitania  i  Waland  war  en  aedhla  riker  man.  han  haffde  med 
sine  hwstru  ij  bam,  en  son  oc  ena  dotter,  the  waro  ganzska  daeghliken, 
oc  ther  aepther  doo  hans  hwstru.  tha  bamen  waro  widh  X  aar,  tha 
wart  oc  theras  fadher  sywker ,  oc  wiste  wael  at  han  skulle  döö ,  oc 
saendhe  aepther  the  yppersta  ther  i  landet,  them  han  baest  trodhe.  tha 
the  waro  komne,  tha  saa  han  sorgelika  oppa  sin  bam,  oc  sagdhe,  nw 
skal  jak  fran  idher,  jak  wille  nw  haelst  haff^a  glaedhi  äff  idher ,  oc 
antwardadthe  tha  bamen  enom  thera.  tha  han  saa  sin  bam  grata  oc 
sörghia,  tha  sagdhe  han  til  sonen,  hwi  grather  thu,  thu  faar  een  deel 
äff  landet,  jak  sörgher  meer  om  thina  syster,  thy  war  henne  tro,  oc 
aelska  henne,  oc  aelska  gud  ower  altingh,  swa  gömer  han  idher  badhen, 
de  laat  mina  siael  wara  tik  beffalna,  oc  ther  med  doo  han. 

Der  Anfang  der  deutschen  Legende  lautet  in  der  von  Anth.  Ko- 
berger  zu  Nürnberg  1488  gedruckten  Ausgabe  des  Passionais  S.  CCLP : 

Es  was  ein  reycher  edelman  in  Aquitania  in  den  welschen  landen 
er  het  zwey  kind  bey  seiner  frawen  einen  sun  vnd  ein  t  echter,  dy 
waren  gar  schön,  da  starb  in  ir  muter  schier,  vnd  da  die  kind  bey 
zehen  iaren  waren  da  ward  der  vater  auch  siech,  vnd  west  wol  das 
er  sterben  must.  vnnd  sandt  nach  den  besten  in  dem  land  den  er  wol 
getrawet.  vnnd  da  sy  nun  zu  im  kamen  da  sach  er  seine  kind  mit 
grossem  iamer  an.    vnd  sprach.    Sol  ich  yetzund  von  euch  scheyden. 


286  REHraOLD  KÖHLER 

nun  wolt  ich  erst  freud  mit  euch  haben  gehabt,  vnd  beuaihe  die  kind 
den  herren.  vnd  da  er  sach  das  die  kind  weynten.  da  sprach  er  zu 
dem  sun.  warumm  weynest  du.  nun  gefeit  dir  doch  ein  michel  land. 
ich  sorg  nur  vmb  dein  Schwester,  vnd  sprach.  Sun  biß  deiner  Schwe- 
ster getrew.  vnd  hab  sie  lieb,  vnd  hab  vor  allen  dingen  gott  lieb  der 
muß  ewer  beyder  pflegen,  vnd  laß  dir  mein  sei  empfolhen  sein,  da- 
mit verschyed  er. 

2.  Die  Gregoriuslegende  als  spanisches  Drama. 

Eine  arge  Entstellung  hat  die  Gregoriuslegende  in  einem  Drama 
des  im  17.  Jahrhunderte  lebenden  spanischen  Dichters  Juan  de  Matos 
Fragoso  erlitten.  In  diesem  Stück,  welches  *E1  marido  de  su  madre* 
betitelt  ist  *) ,  ist  Gregorio  der  Sohn  des  Fürsten  Carlos  von  Antiochia 
und  seiner  Schwester  ßosaura.  Carlos  hat  der  Bosaura  Gewalt  ange- 
than  und  hierauf  heimlich  das  Land  verlassen.  Bosaura  hat  einen 
Knaben  zur  Welt  gebracht,  den  sie  bald  nach  seiner  Geburt  in  einem 
Kasten  auf  den  Fluß,  der  durch  ihren  Park  fließt,  setzt.  Der  Kasten 
trieb  ins  Meer  und  ein  am  Meer  wohnender  Landmann  Enrique  be- 
merkte den  schwimmenden  Kasten,  ließ  ihn  ans  Land  schaflen  und  zog 
den  Findling  als  seinen  Sohn  auf.  Als  Gregorio  herangewachsen  ist, 
entdeckt  ihm  Em'ique  eines  Tages  —  im  Zorn  darüber,  daß  Gregorio 
für  das  ihm  zu  wirtschaftlichen  Einkäufen  in  der  Stadt  gegebene 
Geld  Bücher**)  und  einen  Degen  gekauft  hat  —  daß  er  nicht  sein  Sohn, 
sondern  ein  Findelkind  ist,  und  übergibt  ihm  ein  bei  ihm  gefundenes 
Täfelchen,  worauf  eingraviert  steht,  daß  er  der  Sohn  einer  unglücklichen 
Mutter  und  eines  verrätherischen  Vaters  sei  ***).  Damals  hatte  gerade 
der  Herzog  von  Tyrus,  dessen  Heiratsantrag  Bosaura  zurückgewiesen 
hatte,  mit  ihr  Krieg  begonnen.  Gregorio  tritt  in  das  Heer  der  Fürstin, 
nimmt  den  Herzog  gefangen,  wird  zum  General  gemacht  und  besiegt 
die  Tyrier,  die  ihren  Herzog  befreien  wollen.  Auf  den  Wunsch  ihres 
Volkes  muß  ihm  Bosaura  ihre  Hand  reichen.    Kurz  vorher  aber  war 


*)  Y.  Schack,  Geschichte  der  dramatischen  Literatur  und  Kunst  in  Spanien  III, 
365 ,  hat  es  kurz  erwähnt ,  indem  er  es  *  eine  merkwürdige  Bearbeitung  der  bei  uns 
durch  das  Gedicht  Hartmanns  von  der  Aue  bekannten  Legende  von  Gregorius  auf 
dem  Steine'  nennt. 

**)  Darunter  *el  grande  Plutarco*. 

***)  Sabed,  si  acaso  los  Cielos 

en  salvo  este  Infante  admiten, 
que  siendo  traydor  su  padre, 
naciö  de  madre  infeliee. 


ZUR  LEGENDE  VON  GBEGOBIÜS  ,ÄUF  DEM  STEINE.  287 

gerade  Fürst  Carlos,  der  seine  Schwester  noch  immer  leidenschaffclich 
liebt,  verkleidet  an  Rosauras  Hof  gekommen  und  hatte  sich  fiir  einen 
gewissen  Gerardo ,  der  in  der  Armee  des  tapfem  Gottfrieds  (von 
Bouillon)  gedient  habe,  ausgegeben.  Rosauren  war  sogleich  die  Ähn- 
lichkeit Gerardos  mit  ihrem  Bruder  aufgefallen,  und  sie  konnte  den 
Verdacht  nicht  los  werden,  daß  es  wirklich  Carlos  sei.  Daher  erklärte 
sie  dem  Gregorio  am  Hochzeitstage,  sie  habe  gelobt,  nicht  eher  zu 
heiraten,  als  bis  sie  Nachricht  von  ihrem  Bruder  habe,  und  sie  hoffe 
sie  bald  zu  erhalten,  bis  dahin  aber  solle  die  Ehe  zwar  vor  der  Welt 
als  vollzogen  gelten,  in  der  That  aber  nicht  vollzogen  werden.  Gre- 
gorio ist  damit  zufrieden.  In  derselben  Nacht  will  der  Herzog  von 
Tyrus,  durch  eine  Hofdame  Rosauras  befreit,  Gerardo  ermorden,  aber 
Carlos,  der  den  Herzog  belauscht  hat,  macht  noch  zeitig  Lärm.  Bei 
dieser  Gelegenheit,  wo  Gregorio  halb  angekleidet  aus  seinem  Schlaf- 
zimmer kommt,  bemerkt  Rosaura  das  an  seinem  Hal^e  hängende  Tä- 
felchen und  erfährt  so  seine  Herkunft.  Sie  gibt  sich  ihm  aber  nicht 
als  seine  Mutter  zu  erkennen,  sondern  erklärt  ihm  nur,  daß  sie,  da  er 
ein  Findelkind  sei,  niemals  wirklich  seine  Gemahlin  werden  könne. 
Gregorio  verlässt  hierauf  Antiochia  heimlich,  um  in  dem  wilden  Ge- 
birge Syriens  Einsiedler  zu  werden.  Dahin  versetzt  ims  der  dritte  und 
letzte  Act  des  Sttlcks.  Wir  treffen  dort  den  Gregorio  als  Einsiedler, 
der  im  Rufe  großer  Heiligkeit  steht.  Enrique  erscheint^  um  dem  heiligen 
Einsiedler,  von  dem  er  natürlich  nicht  weiß,  daß  es  sein  Pflegsohn 
Gregorio  ist,  ein  flir  das  ganze  Reich  wichtiges  Geheimniss  anzuver- 
trauen. Ziemlich  gleichzeitig  kommt  Rosaura  mit  ihren  Damen,  um  den 
Heiligen  zu  sehen,  imd  Abgesandte  des  Clerus,  um  ihn  nach  Anwei- 
sung einer  himmlischen  Stimme  zum  Patriarchen  von  Syrien  zu  er- 
klären. Enrique  entdeckt,  daß  Carlos  nicht  der  leibliche  Bruder  Ro- 
sauras sei,  sondern  von  ihren  Altem,  um  einen  männlichen  Erben  zu 
haben,  heimlich  als  Sohn  angenommen  worden  sei,  er  sei  übrigens 
von  edler  Abkunft  gewesen.  Sofort  gibt  sich  der  im  Gefolge  Rosauras 
befindliche  Gerardo  als  Carlos  zu  erkennen,  und  Rosaura  erklärt,  ihm 
ihre  Hand  reichen  zu  wollen.  Dagegen  wendet  Gregorio  ein,  sie  sei 
ja  bereits  an  Gregorio  verheiratet.  Da  entdeckt  Rosaura,  daß  Gregorio 
ihr  und  Carlos  Sohn  sei,  und  beklagt  sein  Verschwinden.  Gregorio 
gibt  sich  zu  erkennen,  nachdem  vorher  ein  Engel  ihm  den  Patriarchen- 
stab überreicht  hat. 

Bekanntlich  befindet  sich  auch  in  Juan  Timonedas  1576  zu  Al- 
cala  erschienener  Novellensammlung  'el  Patranuelo'  eine  Bearbeitung 
der   Gregoriuslegende    (Nr.  5).    Auch    hier    wie    b^  Matos   Fragoso 


288  REINHOLD  KÖHLER 

kommt  die  Ehe  Gregors  mit  seiner  Mutter  nicht  zu  wirklichem  Voll- 
zug. Timoneda  scheint  aus  den  Gresta  Romanorum  Cap.  81  geschöpft 
zu  haben,  Woftlr  besonders  spricht^  daß  bei  ihm  ein  Fürst  von  Bur- 
gund ,  wie  in  den  Gesta  Bomanorum  ein  Herzog  von  Burgund ,  der 
Bedränger  der  Mutter  des  Gregor  ist.  Auch  Matos  Fragoso  wird  die 
Legende  aus  den  Gesta  Romanorum  unmittelbar  oder  mittelbar  haben. 

3.  Die  Legende  von  Paul  von  Cäsarea. 

Aus  einer  bulgarischen  Handschrift  des  17.  Jahrhunderts,  welche 
aus  Kopitars  Nachlass  in  die  Gyminasialbibliothek  zu  Laibach  ge- 
kommen ist,  hat  ein  russischer  Gelehrter  Lamansky  im  Journal  des 
(russischen)  Ministeriums  der  Volksaufklärung  (Schumäl  Ministdrstva 
Narödnago  Prosvjeschtschenija)  CXLIV,  2,  112 — 114,  eine  Legende 
herausgegeben,  die  an  eine  apokryphe  Homilie  des  h.  Johannes  Chry- 
sostomus  über  die  Herzensreue  angefügt  ist  imd  mit  der  Gregoriusle- 
gende  sehr  übereinstimmt.  Mein  Freund  A.  Schiefher  in  St.  Petersburg, 
der  mir  von  dieser  Legende  geschrieben  hatte,  hat  mir  auf  meine  Bitte 
eine  wörtliche  Übersetzung  derselben  geschickt^  die  ich  hier  mit'  seiner 
Erlaubniss  mittheile. 

Wie  sehr  sich  die  Apostel  im  Himmel  freuen  über  einen  Sünder, 
wenn  er  Buße  thut,  mehr  als  über  einen  Gerechten,  höret  zu,  geseg- 
nete Christen ,  wenn  wir  euch  ein  Wunder  erzählen ,  das  sich  zuge- 
tragen hat. 

Es  war  ein  gewisser  König  Namens  Anthon  in  der  Stadt  Cäsarea, 
und  er  zeugte  einen  Sohn  und  eine  Tochter,  und  endlich  starb  der 
König  Anthon  imd  die  Königin,  und  es  blieb  ein  Sohn  nach  und  eine 
Tochter,  und  sie  regierten  das  väterliche  Land,  imd  von  einem  andern 
König  wurde  verlangt  die  Schwester  und  die  Hälfte  des  Landes,  und  es 
besprachen  sich  der  Bruder  und  die  Schwester  und  sagten:  'Was  werden 
wir  thun,  wenn  einer  die  Schwester  und  die  Hälfte  nimmt?  So  wird  das 
väterliche'Land  zerstückelt  werden.'  Und  es  nahm  der  Bruder  die  Schwe- 
ster imd  sie  zeugten  einen  Sohn  und  sagten :  'Es  ist  nicht  anständig,  dies 
Kind  zu  halten,  weil  es  von  Bruder  und  Schwester  ist.'  Und  sie  mach- 
ten eine  Kiste  und  schrieben  einen  Brief  und  legten  ihn  auf  die  Kiste 
mit  dem  Kinde  und  besagten :  'Dies  ist  ein  Kind  von  Bruder  und  Schwe* 
ster,'  und  warfen  sie  in  das  Meer,  daß  wer  sie  finde  wisse  wer  es  sei. 
Und  endlich  starb  der  Vater,  und  es  blieb  die  Mutter  nach  und  regierte 
das  Reich.  Und  der  Wind  hatte  jene  Kiste  damals  ergriffen  und  trieb 
sie  an  das  Land  des  Herodes.  Und  es  fand  sie  ein  Mönch,  Namens 
Hermolaus,  und  er  verbarg  den  Brief,  das  Kind  aber  erhielt  er  am  Leben, 


ZUB  LEGENDE  VON  ÖREÖORIUS  AUF  DEM  STEINE.  289 

und  es  wuchs  und  wurde  sehriftkundig  und  gar  tapfer.  Er  erbte  das 
Land  des  Herodes.  Und  es  erfuhr  die  Mutter,  daß  es  einen  jungen 
König  in  jenem  Lände  gebe,  und  sie  wusste  nicht,  daß  es  ihr  Sohn  war, 
und  sandte  ein  Schreiben  an  ihn,  um  ihn  zum  Mann  zu  nehmen.  Und 
er  feierte  die  Verlobung  mit  seiner  Mutter  und  nahm  sie  sich  zur  Kö- 
nigin und  wurde  König  in  der  Stadt  Cäsarea.  Seine  Name  war  Paul, 
imd  er  kam  zum  Mönche  Hermolaus,  damit  dieser  ihn  segnete.  Und 
es  sprach  zu  ihm  Hermolaus:  'O  Sohn  Paul,  wenn  du  wüsstest,  wer 
du  bist,  wäre  es  dir  nicht  anständig,  auf  dieser  Welt  zu  wandeln, 
geschweige  zu  herrschen  1'  Und  es  sagte  ihm  Paul:  'Weshalb  ist  es 
mir  unanständig  zu  herrschen?  Ich  bin  weise,  ich  bin  tapfer,  ich  bin 
schriftkundig  imd  verstehe  mich  auf  alles,  sowohl  schlechtes  als  gut^s.' 
Und  es  nahm  Hermolaus  den  Brief  und  gab  ihm  denselben  und  sagte : 
'Lies  imd  du  wirst  sehen,  wer  du  bist*  Paul  aber  nahm  den  Brief  und 
wollte  ihn  nicht  lesen,  sondern  gab  ihn  einem  Knappen,  setzte  sich  aufs 
Pferd  imd  ritt  nach  Cäsarea.  Und  dann  dachte  er  an  den  Brief,  wel- 
chen Hermolaus  ihm  gegeben  hatte,  und  gieng  an  einen  geheimen  Ort 
und  las  ihn  und  sah,  was  er  besagte,  und  fieng  an  heftig  zu  weinen 
und  schlug  sich  sehr  und  dachte:  'O  weh  mir,  weh  mir,  dem  Ver- 
dammten! Wie  duldet  es  die  Erde,  daß  sie  mich  nicht  lebend  ver- 
schlingt! Ich  aber  wollte  über  sie  herrschen!'  Und  von  da  an  nahte 
er  nicht  mehr  seiner  Mutter,  imd  die  Königin  wunderte  sich,  daß  er 
nicht  mehr  zu  ihr  aufs  Lager  kam.  Paul  aber  gieng  jeden  Abend  in 
sein  Zimmerlein  und  weinte  sehr,  und  die  Königin  rief  einen  Knappen 
und  fragte  ihn,  weshalb  der  König  in  Kummer  sei.  Und  es  sprach  der 
Knappe:  ^Er  hat  einen  Brief,  den  ihm  der  Mönch  Hermolaus  gegeben 
hat,  und  liest  ihn  und  weinet?'  Und  es  sprach  die  Königin:  *Auch  ich 
will  gehen,  um  zu  vernehmen,  was  der  Brief  besagt,'  und  sie  gieng 
hin  und  las  ihn  und  sprach:  *0  weh  mir,  weh  mir,  wie  ich  gefehlt 
habe,  weh  mir,  ^mein  Sohn,  da  ich  nicht  nur  mit  meinem  Bruder  Sünde 
verübt  habe,  sondern  auch  mit  dem  Sohn  in  Verblendung  gerathen 
bin.'  Und  sie  erzählte  dem  Sohn  alles,  wie  es  in  Wahrheit  gewesen  war. 
Und  von  Stund  an  kleidete  sich  die  Königin  in  einen  Sack  und  jeg- 
lichen Tag  nahm  sie  fünf  Bissen  Brot  mit  Asche  zu  sich.  Und  es  kam 
Paul  zu  Johannes  Chrysostomus  und  erzählte  ihm  alles.  Als  Johannes 
seine  Unthat  vernommen,  da  wich  seine  Seele  in  ihm,  und  die  Haare 
richteten  sich  empor  auf  seinem  Haupte,  und  sein  Herz  zog  sich  zu- 
sammen*).    Und  er  sprach:    'Bruder,  wo  wird  solche  iSünde  Beichte 


*)  Im  Original:  'als  ich  Johanaes*,  "deine  Unthat',  'meine  Seele  in  mir'  usw. 


290  REINHOLD  KÖHLER,  ZUR  LEGENDE  VON  OREGORIUS  etc. 

oder  Vergebung  finden?'  Da  erhob  Paul  gar  sehr  seine  Stimme,  schrie 
imd  sagte:  'O  großer  Chrysostomus,  übergib  mich  dem  Tode!'  Und 
Johannes  kannte  *)  eine  kleine  Insel  im  Meere,  wo  das  Wasser  ringsum 
fließt  und  darin  eine  marmorne  Säule  ist.  Und  dort  band  er  den  Paul 
inmitten  der  Säule  an  und  fesselte  ihm  Hände  und  Füße  und  schloß  ihn 
innerhalb  der  Säule  ein  mit  den  eisernen  Schlüsseln.  Und  Paul  sprach 
zu  ihm:  'Wann  wirst  du  wieder  zu  mir  kommen,  großer  Meister?* 
Und  er  warf  die  Schlüssel  ins  Meer  und  sprach  **)  :  ^Wenn  diese 
Schlüssel  aus  dem  Meere  hervorkommen,  dann  werde  ich  zu  dir  kommen.' 
Und  er  gieng  fort  in  seine  Patriarchei.  Und  es  vergiengen  zwölf  Jahre, 
und  an  einem  Tage ,  am  Tage  der  Verkündigung  der  allerheiligsten 
Mutter  Gottes,  brachte  man  ihm  frische  Fische,  und  er  fand  in  einem 
Fische  die  Schlüssel  und  wunderte  sich,  und  er  erkannte  sie  nicht, 
weil  so  viele  Jahre  verflossen  waren,  und  in  einer  Nacht  erinnerte  er 
sich  des  Paul  imd  am  Morgen  erzählte  er  es  den  Brüdern  und  sprach: 
*Lebendig  ist  der  Herr  und  lebendig  meine  Seele!  Lasset  uns  gehen 
und  dort  auf  jene  Säule  sehen!'  Und  er  gieng  und  versuchte  die  Schltlssel, 
imd  sie  fassten,  und  er  öffnete  und  sah  den  Paul  strahlen  wie  die  Sonne, 
und  Salbe  floß  ihm  vom  Antlitz,  und  er  sagte  ihm:  'Wie  wohl  ist  mir! 
Freue  dich,  guter  Lehrer!'  Und  er  ward  von  ihm  gesegnet  und  bewies 
ihm  Verehrung,  und  darauf  übergab  er  seine  Seele  in  die  Hände  Gottes. 
Und  endlich  kam  zu  ihm  die  Mutter,  und  sie  fand  Rettung  ihrer  Seele, 
weil  sie  von  ganzem  Herzen  Buße  gethan  hatte.' 

Lamansky  bemerkt  ohne  Zweifel  mit  Recht,  daß  uns  in  diesem 
bulgarischen  Texte  gewiß  eine  Übersetzung  aus  einem  griechischen  — 
noch  nicht  nachgewiesenen  —  Original  vorliege,  daß  aber  die  Erwäh- 
nung des  Johannes  Chrysostomus  vielleicht  erst  eine  Interpolation  des 
slawischen  Übersetzers  oder  Erzählers  sei.  Er  vergleicht  sodann  die 
serbischen  epischen  Lieder  von  Simon  den  Findling,  welche  uns  aus 
Talvjs  und  Gerhards  Übersetzungen  bekannt  sind  und  jieuerditigs  von 
AI.  D^Ancona  in  seiner  Einleitung  zu  *La  Leggenda  di  Vergogna  e 
la  Leggenda  di  Giuda',  Bologna  1869,  S.  77  ff.  und  von  Friedr.  Lip- 
pold,  Über  die  Quelle  des  Gregorius  Hartmanns  von  Aue,  Leipzig  1869, 
S.  55  ff.  mit  der  Gregoriuslegende  verglichen  worden  sind. 

Die  Legenden  von  Paul  von  Cäsarea,  von  Simon  dem  Findling 
und  von  Gregorius  sind  verschiedene  Gestaltungen  einer  und  derselben 
Grundlage;    ob  das  Geburtsland  dieser  letztem  der  Westen  oder  der 


*)  Im  Original:  'und  ich  Johannes  kenne*. 
**)  Im  Original:  'Und  ich  warf  . ..  und  er  sprach' , 


KONRAD  MAURER,  ÜBER  ARI  THORGILSSÖN  etc.        291 

Osten  Europas  ist,  darüber  eine  bestimmte  Ansicht  zu  gewinnen,  würde 
vielleicht  die  Entdeckung  des  griechischen  Originals  der  Legende  von 
Paul  von  Cäsarea  uns  ermöglichen. 

WEIMAR.  EEINHOLD  KÖHLER. 


ÜBER  ARI  THORGILSSÖN  UND  SEIN  ISLÄNDER- 
BUCH. 


Soeben  hat  Theodor  Möbius  die  in  Kiel  tagende  Versammlung 
deutscher  Philologen  und  Schulmänner  durch  eine  neue  Ausgabe  der 
Islendingabök  des  alten  Ari  begrüßt  *).  Der  Text  jfreilich,  welchen  diese 
neue  Ausgabe  bietet,  ist,  von  wenigen  orthographischen  Punkten  ab- 
gesehen, derselbe,  wie  ihn  J6n  Sigurdsson  bereits  vor  einer  Reihe  von 
Jahren  in  den  Islendinga  sögur  gegeben  hatte  (1843)*  Die  Übersetzung 
ferner  hat  ebenfalls  in  derjenigen ,  welche  Dahlmann  in  seinen  „For- 
schungen auf  dem  Gebiete  der  Geschichte'*  veröffentlichte  (1822),  be- 
reits eine  Vorgängerin,  und  wenn  sie  zwar  dieser  ohne  alle  Frage  sehr 
erheblich  überlegen  ist,  so  wird  doch  solcher  Vorzug  kaum  von  Je- 
manden seinem  vollen  Umfange  nach  gewürdigt  werden ;  der  des  Ori- 
ginals  Mächtige  wird  ja  kaum  jemals  nach  der  Übersetzung  greifen, 
der  des  Isländischen  Unkundige  dagegen  schwerlich  tief  genug  in  das 
Studium  des  Werkes  sich  einlassen,  um  an  Dahlmanns  doch  immerhin 
nur  minder  wichtigen  Übersetzungsfehlern  vielen  Anstoß  zu  nehmen. 
Die  sonstigen  Zuthaten  des  Herausgebers  endlich  verrathen  eine  ge- 
wisse Unsicherheit  de^r  Begrenzung,  und  mancher  Leser  wird  wohl 
der  Meinung  sein,  daß  hinsichtlich  derselben  entweder  zu  wenig  oder 
zu  viel  geschehen  sei,  —  daß  zumal,  wenn  der  Herausgeber  zu  der 
Beigabe  fortlaufender  erläuternder  Anmerkungen  sich  einmal  nicht  ent- 
schließen konnte,  besser  auch  die  dürftigeren  von  ihm  gebotenen  weg- 
gelassen worden  wären.  Indessen  wird  doch  durch  die  hübsch  ausg^ 
stattete  und  sehr  handliche  Ausgabe  das  nach  Form  und  Inhalt  gleich 
interessante  Werk  sicherlich  an  Verbreitung  gewinnen,  und  zumal  durch 
das  mit  bekannter  Sorgfalt  ausgearbeitete  Wörterverzeichniss  dessen 


^)  Are^s  Isländerbuch,  im  isländischen  Text  mit  deutscher  Übersetzung,  Namen- 
und  Wörterverzeichniss  und  einer  Karte ,  zai  Begrüßung  der  Germanisten  bei  der 
XXV 11.  deutschen  Philologenversammlung  in  Kiel  27./30.  September  1869,  herausge- 
geben von  Dr,  Theodor  Möbius,  Professor  an  der  Universität  zu  Kiel.  Leipzig,  Druck 
und  Verlag  von  B.  a.  Teubner,  1869.  XXIV  und  88  S.  8«  sammt  Karte. 


292  KONBAD  MAUKER 

Verständniss  auch  dem  Anfänger  gar  sehr  erleichtert  werden.  So  mag 
es  denn  verstattet  sein,  anknüpfend  an  die  Erörterungen,  welche  M. 
in  seinem  Vorwarte  über  Aris  Person  und  Schriften  gibt,  hier  ein  paar 
eigene  Scherflein  nach  beiden  Richtungen  hin  beizuschießen,  um  soviel 
möglich  noch  streitige  Puncte  feststellen,  oder  nicht  hinreichend  ge- 
würdigte in  ein  helleres  Licht  rücken  zu  helfen;  da  M.  mehrfach  auf 
früher  von  mir  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  über  Ari  gethane 
Äußerungen  Bezug  genommen  hat,  flihle  ich  mich  zu  solchem  Beitrage 
nur  um  so  mehr  berechtigt  sowohl  als  verpflichtet. 

An  erster  Stelle  möchte  ich  aber  eine  Berichtigung  des 
Textes  anregen,  welche  freilich  nicht  nur  dieser  neuesten  Ausgabe, 
sondern  auch  den  meisten  ihrer  Vorgängerinnen  gegenüber  nothwendig 
zu  werden  scheint.  Die  Islendingabök  enthält  bekanntlich  an  ihrem  Ende 
die  Namen  der  Vorfahren  ihres  Verfassers  bis  zu  Yngvi  hinauf,  dem 
Stammvater  der  Ynglfngar,  und  sie  schließt  in  unserer  Ausgabe,  S.  14, 
mit  den  Worten:  y^XXXVL  Geller  falper  peira  porkels  oc  Brands  oc 
porgilsy  föpor  mins,  en  ec  heiter  Are,^  Eine  Anmerkung  unter  dem  Texte 
belehrt  uns  aber,  daß  die  Lesung  oc  Brands  auf  einer  Conjectur  des 
Arni  Magnussen  beruht,  wogegen  die  beiden  Abschriften,  welche  sfera 
J6n  Erlendsson  im  Jahre  1651  von  der  nunmehl*  verlorenen  Perga- 
menths.  nahm,  und  auf  welchen  allein  unsere  Textesüberlieferung  be- 
ruht, übereinstimmend  anstatt  oc  ein  /,  d.  h.  fopur,  geben.  Wirklich 
liest  die  Skälholter  Ausgabe  der  Islendingabök  (1688)  noch  porkels 
F.  Brannsj  wogegen  Bussseus  (1733),  welcher  Arnis  handschriftlichen 
Apparat  zu  der  Quelle  benützte ,  das  /  bereits  tilgte  •) ,  die  Kopen- 
hagener Ausgabe  von  1829  aber  ebensowohl  wie  die  von  1843  unter 
Berufung  auf  Amis  Conjectur  oc  setzten.  Wie  Christen  Worms  Aus- 
gabe von  1696,  resp.  1716,  liest,  weiß  ich  nicht  anzugeben,  da  sie 
mir  nicht  zur  Hand  ist ;  da  indessen  auch  er  schon  auf  Arnis  Beihilfe 
sich  stützte,  mag  auch  bei  ihm  schon  dessen  Emendation  zu  lesen  sein. 
Fragt  sich  also  nur,  ob  diese  Änderung  des  handschriftlich  überlieferten 
Textes  wirklich  nothwendig  und  gerechtfertigt  sei?  Dieselbe  stützt  sich, 
soviel  ich  sehen  kann,  lediglich  auf  die  Thatsache,  daß  Ari  selbst  in 
cap.  1  seines  Werkes  den  ])orkel  Gellisson  seinen  Vatersbruder  (S.  3), 
und  in  cap.  9  den  Gellir  })orkelsson  seinen  Vatersvater  nennt  (S.  10); 
die  Möglichkeit,  daß  })orkell  Gellisson  der  Vater  des  Brand  sowohl 
als  })orgils,  und  damit  der  Großvater  Aris  gewesen  wäre,  ist  dadurch 
allerdings  ausgeschlossen,    aber  lässt  denn  nicht  vielleicht  die  hand- 


')  Ebenso  Fiimr  J6nsson,  Hist.  eceles.  Island.,  I,  S.  196,  Anm. 


ÜBER  ARI  THORGILSSON  UND  SEIN  ISLÄNDERBUCH.  298 

schriftlich  überlieferte  Lesart  noch  eine  weitere  Deutung  zu?  Ich  meine 
ja  und  interpungiere:  OeUir  fa^ir  peirra  porkeU  ^  foSmr  Brands  ^  ok 
(sc.fdäir)  porgtlsy  fodur  mins]  J)orkell  und  J)orgils  sind,  so  verstanden, 
als  Brüder  und  Söhne  öellis  bezeichnet,  zugleich  aber  J)orkell  als 
Vater  Brands,  und  J)orgil8  als  Vater  Aris;  die  einzige  Schwierigkeit 
aber,  welche  den  Ami  Magnussen  zu  seiner  Conjectur  bestimmte,  ist 
damit  vollständig  beseitigt,  da  Ari  bei  dieser  Auslegung  immerhin 
Sohnessohn  des  öellir  und  Bruderssohn  des  J)orkell  bleibt,  und  nur 
Brand  gegenüber  seine  verwandtschaftliche  Stellung  vertauscht,  was 
mit  den  angefiihrten  Stellen  ganz  wohl  verträglich  ist.  Ich  wüsste  nicht, 
was  meiner  Auslegung  der  Textesworte  von  sprachlicher  Seite  her  im 
Wege  stehen  könnte,  und  ebenso  wenig  ist  mir  irgend  eine  Quellen- 
stelle bekannt^  welche  einen  Brand  Gellisson  in  den' Stammbaum  Aris 
einzuschieben  zwingen  würde;  dagegen  weiß  ich  allerdings  noch  einen 
Uiiistand  anzuftlhren,  welcher  meine  Vermuthung  entschieden  bekräf- 
tigen dürfte.  In  dem  Verzeichnisse  eingeborener  isländischer  Priester, 
welches  im  Jahre  1143  aufgenommen  wurde,  figuriert  neben  J)orgils 
Arason ,  dem  Sohne  unseres  Q-eschichtschreibers ,  auch  ein  Brandr 
})orkelsson^).  Wenn  wfr  bedenken,  daß  Ari  selbst  im  Jahre  1067  oder 
1068  geboren  war,  und  seinen  Vater  noch  bei  Lebzeiten  seines  Groß- 
vaters, welcher  letsitere  im  Jahre  1073  starb,  verloren  hatte  *) ,  liegt 
die  Vermuihung  nah«,  daß  Jxirgils  der  ältere  und  J)orkell  der  jüngere 
der  beiden  Brüder  gewesen  sein  möge;  aber  auch  wenn  man  dies 
nicht  annehmen  will,  kann  nicht  auffallen,  daß  Brandr  })orkelsson  und 
})orgils  Arason  gleichzeitig  als  Priester  genannt  werden,  da  ja  der 
letztere  jedesfalls  mit  seinem  eigenen  Vater,  dem  Geschichtschreiber, 
gleichzeitig  die  Priesterwürde  bekleidete.  J6n  Sigurdssons  Versuch,  den 
Brand  mit  einem  Gudmundr  prestr  Brandsson  aus  ganz  anderem  Hause 
in  Verbindung  zu  bringen  •),  mag  hiemach  als  überflüßig  aufgegeben, 
daftr  in  seiner  Erwähnung  in  jenem  Priesterverzeichnisse  ein  Beleg 
ftir  die  Richtigkeit  der  obigen  Deutung  unserer  Textesworte  gesehen 
werden. 

Zweitens  möchte  ich  etwas  eingehender  als  dies  von  Anderen, 
und  zumal  auch  jetzt  wieder  von  M.  geschehen  ist,  die  Abkunft 
und  die  durch  sie  bedingte  Lebensstellung  Aris  betont  und 
beiilcksichtigt  wissen.  Wir  erfahren,  daß  schon  der  erste  unter  den 
Vorfahren   dieses  letzteren  im  Mannsstamme,    welcher  sich  in  Island 


«)  Vgl.  Diplom.  Island.  I,  Nr.  29,  S.  186.       ♦)  Vgl.  islendingabök,  cap.  9,  S.  10, 
und  Laxdsela,  cap.  78,  S.  334.        *)  Diplom.  Island.  S.  191. 

OEBMANIA.  Neue  Reihe  HI.  (XV.)  Jahrg.  20 


294  KONEAD  MAURER 

niederließ,  Olafr  feilan  nämlich,  ein  „großer  Häuptling",  und  zu 
Hvammr  im  HvrammsQördr  wohnhaft  war  ").  Dessen  Sohn,  J)6rdr  gellir, 
wird  um  930  zu  den  mächtigsten  Häuptlingen  des  Landes  gezählt^), 
und  etwas  später  als  „der  größte  Häuptling  im  Breidi^ördr'*  bezeich- 
net®); in  Hvammr  wohnhaft**),  war  er  es,  der  um  965  die  Ordnung 
der  Bezirksverfassung  Islands  durchzusetzen  wusste  '**),  und  bald  nach 
dieser  Neuerung  setzte  er  das  Viertelsding  auf  der  Halbinsel  })6rsn6B 
ein,  welches  flir  das  ganze  Westland  gelten  sollte  ^^);  seine  hervor- 
ragende Stellung  in  diesem  Landesviertel  ist  endlich  recht  deutlich 
auch  aus  jener  Sage  zu  erkennen,  welche  gerade  seine  Fylgja  al& 
Schutzgeist  dieses  Landestheiles  dem  von  H.  Haraldr  Gormsson  ge- 
schickten  Zauberer  gegentibertreten  lässt  '*).  Wiederum  zählt  der  Sohn 
des  eben  genannten  J)6rdr,  Eyjulfr  hinn  gräi,  gegen  das  Ende  des 
10.  Jahrhunderts  zu  den  angesehensten  Häuptlingen  der  Insel  *®) ;  er 
wohnte  freilich  im  Otrardalr  im  Amarfjördr  **),  während  zu  Hvammr 
ein  Bruder,  J)6rarinn  fylsenni,  und  später  dessen  Sohn  Skeggi,  hauste  **), 
aber  als  godi  wird  er  ebenso  gut  bezeichnet  ^**) ,  wie  })6rarin8  Frau^ 
Fridgerdr,  als  gydja  *'),  und  es  scheint  somit,  daß  die  Brüder  an  dem 
ererbten  Q-odorde  gleichmäßig  Antheil  hatten,  wenn  auch  der  väter- 
liche. Hof  nur  ^inem  unter  ihnen  zu  ausschließlichem  Besitze  zufiel. 
Nach  den  Annalen  im  Jahre  979  geboren,  konnte  Eyjdlfs  Sohn,  })orkell, 
unter  solchen  Umständen  mit  vollem  Rechte  als  ein  junger  Mann  be- 
zeichnet werden,  der  schon  durch  seine  Abkimft  berufen  sei,  ein  Häupt- 
ling zu  werden  ^®) ;  er  erwuchs  denn  auch  zu  einem  solchen,  gab  aber 
zugleich  seinem  Hause  in  einer  flir  uns  bedeutsamen  Weise  einen  neuen 
Wohnsitz.  Er  heiratete,  als  der  letzte  von  vier  Männern,  die  Gudrun 
Osvifsdöttir  '®),  und  gelangte  durch  diese  Heirat  in  den  Besitz  de& 
Hofes  zu  Helgafell,  welchen  diese  kurz  zuvor  von  Snorri  godi  einge- 
tauscht hatte  ***).  Von  J)6r61fr  Mostrarskegg  errichtet,  und  dann  in  ge- 
rader Linie  auf  dessen  Sohn  J)orsteinn  J)or8kabitr  und  Enkel  J)orgi'imr 


•)  Laxdsela,  cap.  7,  S.  16.  ')  Landnima,  V,  cap.  16.  S.  321.  •)  Eyrbyggja, 
cap.  10,  S.  11.  •)  Ebenda,  cap.  9,  S.  9;  H8BnsaJ)6ris  s.,  cap.  11,  8.  161.  ••)  fslend- 
ingabök,  cap.  6,  S.  6—7;  H8en8a)>6ris  s.  cap.  14,  S.  173,  Anm.  **)  Eyrbyggja,  cap,  10, 
8.  12;  Landnima,  H,  cap.  12,  8.  98.     ^*)  Heimskr.  Olafs  s.  Trjggvasonar,  cap.  37,  8.152. 

'^)  Kristnis.,  cap.  1.  8.4;  daß  es  wirklich  des  ])6rdrgellir  Sohn  war,  welcher  den 
hier  genannten  Beinamen  führte,  zeigt  die  Eyrbyggja,  cap.  13,  S.  15,  und  Lazdsela, 
cap.  7,  S.  16.  **)  Gisla  s.  Sürssonar,  I,  S.  40;  Eyrbyggja,  cap.  13,  S.  15.  '*)  Kristni  s.» 
cap.  2,  8.  6;  Grettla,  cap.  26,  8.  62.  VgL  Laxdsela,  ang.  O.  141.      *«)  ÖlkofraJ).,  8.  68. 

")  Kristni  s.,  ang.  O. ;  ))orvalds  J).  vfdförla,  cap.  4,  8.  42-43  u.  dgl.  m.  *»)  Laz- 
dsela,  cap.  58,  8.  252;  vgl.  cap.  68,  8,  292.  *»)  Ebenda,  cap.  68  S.  294;  Landnima, 
II,  cap.  17,  8.  213.       '•    ^  n^^.«ia,  cap.  56,  8,46-48;  Eyrbyggja,  cap.  56,  S.  103» 


ÜBER  ARI  THORGILSSON  UND  SEIN  ISLÄNDERBUCH.  295 

J)orstein8Son  vererbt,  nach  dessen  Tod  ihn  hinwiederum  des  letzteren 
Sohn,  eben  jener  Snorri  godi,  überkommen  hatte,  war  dieser  Hof  hart 
bei  der  Dingstätte  des  ))6rsness]3inges  gelegen ;  die  Nachkommenschaft 
des  jjörölfr  Mostrarskegg  hatte  darum  bisher  den  Namen  der  jjörsnes- 
Ingar  getragen,  ganz  wie  man  die  Nachkommenschaft  des  Olafr  feilan 
als  Hvammuerjar  bezeichnet  hatte  * ') ;  von  jetzt  ab  konnte  der  letztere 
Name  selbstverständlich  ftlr  die  von  J)orkell  Ejrjülfsson  abstammende 
Linie  nicht  mehr  passen,  dagegen  der  erstere  auf  sein  Haus  statt  auf 
das  des  Snorri  Anwendung  finden.  Auf  Helgafell  wohnend,  wurde  übri- 
gens J)orkell  bald  höfdingi  mikill  ok  heradsrikr  **),  wie  denn  nach  seinem 
Tode  Gudrun  selber  von  ihm  sagt,  er  sei  unter  ihren  vier  Männern 
maär  rikastr  ok  höfdingi  mestr  gewesen**);  im  Jahre  1026  aber  ertrank 
er  im  BreidiQördr  **).  In  einem  Alter  von  nur  14  Jahren  übernimmt 
sofort  Gellir ,  der  Sohn  ))orkels  und  der  Gudrun ,  das  manna  förrad 
seines  Vaters***);  als  Inhaber  eines  Godordes  wird  er  uns  auch  sonst 
noch  genannt  ^^) ,  und  außerdem  erfahren  wir  von  ihm ,  daß  er  zu 
Helgafell  wohnen  blieb,  bis  er  als  alter  Mann  eine  Romfahrt  unternahm 
und  auf  der  Rückreise  in  Roeskilde  starb  *') ;  die  Annalen  setzen  sei- 
nen Tod  in  das  Jahr  1073,  und  Aris  eigener  Bericht  über  seines  Groß- 
vaters Tod  stimmt  hiermit  überein*').  Da  Aris  Vater,  J)orgils,  noch 
bei  Gellirs  Lebzeiten  ertrunken  war,  übernahm  den  Hof  zu  Helgafell, 
und  mit  ihm  doch  wohl  auch  das  Godord,  der  andere  Sohn,  ])orkell*®), 
und  mag  beiläufig  bemerkt  als  eine  weitere  Bestätigung  meiner  obigen 
Auslegung  des  Schlusses  der  Islendingabök  dienen,  daß  von  einem 
dritten  Bruder  bei  dieser  Gelegenheit  keine  Erwähnung  geschieht;  in- 
dessen muss  bald  auch  die  andere  Linie  Antheil  am  Hofe  und  Godorde 
erlangt  haben,  da  wir  sie  nach  kurzer  Frist  wieder  an  diesem  wie 
jenem  berechtigt  finden.  Ari  frödi  selbst  wird  bekanntlich  unter  die 
isländischen  Häuptlinge  gezählt ,  welche  sich  vom  Bischof  Gizurr  die 
Priesterweihe  ertheilen  ließen^®),  und  im  Mitbesitze  wenigstens  eines 
Godordes  muss  er  sich  somit  befunden  haben.  Wir  wissen  femer,  daß 
er  einen  Sohn  Namens  ])orgils,  und  daß  dieser  wieder  einen  Sohn  hatte, 
welcher  Ari  hinn  sterki  hieß  ^^);  es  kann  auch  keinem  Zweifel  unter- 


'')  l^rsteres  in  der  Ejrbyggja)  passim;  letzteres  z.  B.  in  der  LaxdsBla,  cap.  16, 
8.  50.  ")  Laxdfela,  cap.  70,  8.  298;  vgl.  cap.  76.  8.  326.  ")  Ebenda,  cap.  78,  8.  322. 
")  Ebenda,  cap.  76  8.  326;  Anndlar.  ")  Laxdsela,  cap.  76,  8.  328.  **)  Banda- 
manna  s.,  8.  20;  über  die  falsche  Bezeichnung  als  })6rdarson  statt  ])orkelsson  in  den 
Ausgaben  der  8age  vgl.  Gudbrand  Vfgfiisson,  in  den  Nj  fölagsrit,  XVIII,  8.  167—68. 
*')  Laxdaela,  cap.  78,  8.  334.  **)  Islendingabok ,  cap.  9,  8.  10.  ")  Laxdaela, 
cap.  78,  8.  334.       »®;.Kristni  s.,  cap.  13.  8.  29.       »')  Laxdsela,  cap.  78,  8.  332. 

20  .*. 


296  KONHAP  MAURER 

liegen,  daß  jener  J)orgils  Arason,  welchen  das  obenerwähnte  Priester- 
verzeichniss  im  Jahre  1143  unter  den  angesehensten  Priestern  des  We&t- 
landes  nennt,  dann  jener  J)orgiIs  prestr  Arason,  welchen  die  Annalen 
im  Jahre  1170  sterben  lassen,  mit  diesem  Sohne  unseres  Q-eschicht- 
schreibers  identisch  sei.  Nun  wissen  wir  einerseits,  daß  eben  dieser 
])orgil8  prestr  Arason,  welcher  zu  Stadr  wohnte,  eine  Tochter  Namens 
Hallfridr  hatte ,  w:elche  den  Priester  Magnus  Pä^lsson  aus  dem  Hause 
der  Beykhyltingar  heiratete,  upid  mit  ihm  auf  Helgafell  wohnte,  bis  er 
nach  seines  Vaters  Tod  Hof  ifnd  Kirche  zu  Eeykbolt  übernahm  ® •) ; 
andererseits  aber  auch,  daß  Ari  binn  sterki,  gleichfalls  zu  Staär  ä  Sneß- 
fellsnesi  wohnhaft,  seine  Tochter  Helga  dem  J^ördr  Sturluson  74ur  Ehe. 
gab,  und  den  Hof  sowohl  als  sein  mannaforrä4  diesem  seinem  Se^wie-^ 
gersohne  überließ ,  als  er  n^^ph  Norwegen,  hinüberfuhr  ¥) ,  wo  er„  am 
18.  Juni.  1188  starb  **).  Nup,  ist  klar,  daß.  weder,  der  Hof  zu  Helgafell' 
der  Hallfridr,  noch  das  Godpr/J  dem  Ari  yon,  anderer  als  von  väter- 
licher Seite  her  angefallei^  sein  koi^nte^  i^nd  in  der  letzteren  Beziethung 
beseitigt  vollends  allen  Zweifel^  wenn  uns  an  einer  anderen  Stelle  ge- 
sagt wird,  es. sei  d^  Hälfte  des  J)6rsnesinga  godord  gewesen,  welche; 
Ari  hinn  sterki  auf  seinen  Schwiegersolm  übertragen  habe®*);  das. 
zwar  weiß  ich  nicht  zu  erklären,  wie  die  andere  Hälfte  dieses  Godordes 
in  die  Hand  des  Priesters  J>6tgils  Snorrason  von  den  Skardsströnd 
geskommen  war,  der  solche  hinterher  ebenfalls  dem  JxSrdr  Sturluson. 
tiberließ  ^^) ,  und  ebensowenig  vermag  ich  anzugeben ,  wann  und  in 
welcher  Weise  die  Linie  unseres  Geschichtschreibers  wieder  zu  einem 
Antheile  am  Godord  und  Hofe  gelangt  war,,  —  aber  soviel  wenigstens 
kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  unter  dem  J)6rsnesingagodord 
nur  das  Godord  verstanden  werden  kann,  welches  dem  seit  dem  An-. 
fange  des  11.  Jhd.,  zu  Helgafell  sitzenden  Hause  des  })orkeU  Eyjiilfsson 
gehörte,  und  nicht  etwa  das  von  dem  eben  damals  vpn  Helgafell,  ab- 
ziehenden Snorri  godi  auf  seine  Nachkommen  vererbte  Godord,  denn  dieses 
letztere  wird  als  Snorrünga  godord  ausdrücklich  d^m  ))örsnesingagodord. 
entgegengesetzt,  und  war  ein  Erbstück  in  dem  Hause  der  Sturlüngar, 
nicht  erst,  wie  dieses  letztere,  später  von  ihnen  .erworben  '').  —  Man 
sieht,  ganz  abgesehen  von  den  verwandtschaftlichen  Beziehungen,  in 
welchen  Ari  zu  den  mächtigen  Häusern  der  Oddaverjar,  der  Reyknes- 

")  Sturlünga,  II,  cap.  38,  S.  106,  und  III,  cap.  20,  S.  224.        ")  Ebenda,  lU, 

cap.  37,  S.  192,  und  cap.  38,  S.  194.     ")  Ebenda.  HI,  cap.  38,  S.  194;  AnnÜar,  a...ll88j 

Nekrologium  Islandicum,  bei  Langebek  II,  S.  511.     *^)  Sturlünga,  III,  cap.  4^,  S,,198„ 

3ß)  Ebenda.'     »^)  Sturlünga,  II,  cap.  9,  S.  65,  und  IV,  cap^  64,  S.  94;    vgl.  HI, 

cap.  41,  S.  198. 


ÜBER  ARI  THORQILSSON  UNB  SEIN  ISLÄNDERBUCH.  297 

fngar  u.  dgl.  m.  stand,  tvar  derselbe  auch  durch  den  persönliclien  Be- 
sitz oder  doch  wenigstens  Mitbesitz  eines  der  angesehensten  und  älte- 
steü  Godorde  des  Landes  aü  der  Regierung  seiner  Heimat  selbst  auf 
das  Engste  betheiligt.  Wie  seih  eigener  Stammbaum  ihn  mit  dem  nor- 
wegischen Königshause,  dann  den  Jarlen  und  Heerkönigen  des  We- 
stens in  Verbindung  brachte,  ändere  Traditionen  seines  Hauses  an  diö 
Geschichte  der  grönländischen  Colonie  oder  selbst  der  noch  weiter  iiii 
Westen  gemachten  Entdeckungen  anknüpften,  zumal  aber  die  innere 
Geschichte  Islands  selbst  mit  der  Geschichte  seines  eigenen  Hauses 
«ehr  genau  verflochten  war,  und  somit  geschichtliche  Forschungen  dein 
alten  Ari  schon  durch  seine  Herkunft  hiehr  als  Anderen  nahe  gelegt 
waren,  so  musste  ihm  nicht  nur  seine  Eigenschaft  als  Priester  die 
Eirchehgeschichte ,  sondern  auch  seine  Stellung  innerhalb  der  herr- 
schenden Aristocratie  seiner  Heimat  deren  weltliche  Verfassungsge- 
schichte ganz  besonders  nahe  legen;  die  genealogische,  die  kirchen- 
geschichtliche und  vor  Allem  die  rechtshistorische  Richtung  sind  aber 
gerade  das,  Was  seiner  Geschichtschreibung  ihren  eigenthümlichen  Cha- 
rakter und  ihren  hohen  Werth  verleiht.  Chronologisch  geordnete  Auf- 
zeichnungen über  die  äußeren  geschichtlichen  Ereignisse  hat  auch 
anderwärts  im  Mittelalter  der  Fleiß  der  Mönche  und  Weltpriester  zu 
Tage  gefördert;  eine  mit  so  tiefem  Bück  und  so  gesundem  politischem 
Verständnisse  entworfene,  alles  Nebensächliche  vermeidende  und  alles 
durchgreifend  Bedeutsame  mit  sicherer  Hand  hervorhebende  Gesammt- 
geschichte  der  inneren  Entwickelung  des  Landes  konnte  dagegen  nur 
von  einem  Manne  ausgehen,  der  mit  den  gelehrten  Kenntnissen,  wie 
sie  dazumal  nur  der  Geistlichkeit  eigen  waren,  zugleich  den  feinen 
Blick  des  geborenen  Aristocraten  und  die  ötaatsmännische  Einsicht  eines 
regierenden  Herrn  verband.  Es  ist  ein  trauriges  Symptom  dürrster 
Buehgelehrsamkeit,  wenn  einer  der  verdientesten  Schriftsteller  auf  alt- 
nordischem Gebiete  gerade  Aris  Schrift  „wenig  wichtig"  nennen  konnte, 
^da  sie  nur  eine  trockene  Darstellung  von  Begebenheiten  sei,  die  wir,' 
mit  wenigen  Ausnahmen,  aus  anderen  Quellen  viel  vollständiger 
kennen^  3®). 

Drittens  möchte  ich  noch  der  litter  aris  eben  Thätigkeit  Aris 
eine  kleine  Erörterung  widmen,  welche  die  Zahl  und  den  Inhalt  der 
Schriften  des  Mannes,  sowie  deren  Verhältniss  zu  ^einander  zwar  nicht 
erschöpfend,  aher  doch  nach  einigen  Seiten  hin  zu  behandeln  beab- 
sichtigt, die  mir  gerade  jetzt  besonders  wichtige  brennende  Fragen  dai?- 


38 


)  P.  E»  Müller,  SagabibUothek,  I,  S.  36. 


298  KONRAD  MAURER 

zubieten  scheinen.  Ich  »ehe  dabei  völlig  ab  von  denjenigen  Werken, 
welche  man,  wie  etwa  die  Eyrbyggja-,  Laxdsela-  oder  Gunnlaugssaga 
ormstdngu,  die  Olafssaga  ens  helga  oder  Vigagliima  u.  dgl.  m.  ohne 
irgend  welchen  ernsthaften  Anhaltspunkt  dem  Ari  zugeschrieben  hat, 
und  lasse  mich  auch  auf  die  meines  Erachtens  einer  sorgfältigeren 
Prüfung  allerdings  werthe  Frage  nicht  specieller  ein,  wieweit  etwa  auf 
ihn  der  erste  Entwurf  der  Kristnisaga  zurückgeführt  werden  dürfe; 
ich  erwähne  endlich  nur  im  Vorübergehen  jenes  schon  mehrfach  an- 
gefiihrte  Priesterverzeichniss  aus  dem  Jahre  1143,  von  welchem  J6n 
Sigurdsson  allerdings  wahrscheinlich  gemacht  hat,  daß  es  von  unserm 
Ari  herrühren  möge,  welches  aber  jedesfalls  mit  Rücksicht  auf  seinen 
Inhalt  nicht  zu  dessen  litterarischen  Producten  gezählt  werden  kann. 
So  bleiben  mir  denn,  neben  dem  uns  allein  erhaltenen  Isländerbüchlein, 
noch  viererlei  wirkliche  oder  angebliche  Werke  Aris  zur  Besprechung 
übrig,  dessen  Schrift  nämlich  über  das  isländische  Alphabet,  dessen 
Aufzeichnungen  über  die  norwegische  Königsgeschichte,  dessen  auf  die 
ersten  Ansiedelungen  in  Island  bezügliches  Werk,  endlich  dessen,  uns 
verlorene,  erste  Redaction  der  Islendingabök,  —  dieselben  Werke  also, 
welche  auch  Möbius  im  Vorworte  zu  seiner  neuen  Ausgabe  der  uns 
erhaltenen  Schrift  in  Kürze  besprochen  hat. 

Über  Aris  Thätigkeit  för  die  Feststellung  eines  isländi- 
schen Alphabets  gibt  lediglich  das  Vorwort  zu  den  grammatischen 
Tractaten  der  jüngeren  Edda  Aufschluß;  es  heißt  hier,  S.  4 — 6  (ed. 
Arnamagn. ,  II)  :  Skal  ydr  syna  hinn  fyrsta  Utrs  hdtt ,  snd  ritinn,  eptir 
aeosjtdn  stafa  stafrofi  %  danskri  tungu,  eptir  pvi  sem  pöroddr  runameistari 
ok  Ari  prestr  hinrif  frödi  hafa  seit  i  möti  Latinuraanna  stafrofi^  er  meistaH 
Priscianus  hefir  seit  Arngrimr  Jönsson,  und  ihm  folgend  Peter 
Johann  Resen^?),  hat  diese  Worte  so  verstanden,  als  ob  damit  dem 
Ari  die  Verfasserschaft  einer  Abhandlung  über  die  Runen  zugeschrieben 
werden  wolle.  Arni  Magniisson  ist  denselben  Weg  gegangen*^); 
Bussseus  dagegen  (1733)  hat  als  zweifelhaft  bezeichnet,  ob  Ari  wirk- 
lieh  eine  Grammatik  verfasst,  oder  etwa  nur  das  überlieferte  Alphabet 
für  den  Gebrauch    zweckmäßiger    eingerichtet  habe  *  *) ,    und    Niels 


*')  Im  Anhange  zu  dem  Vorworte,  welches  seine  Ausgabe  der  jüngeren  Kdda  be- 
gleitete (1666).  *°)  In  seinem  ungedruckten  Commentar  zur  Islendingabök ;  siehe 
das  Citat  bei  Werlauff,  S.  59.  *Ö  ^^  ^^^  ^^**  ^^'^ «  welche  er  seiner  Ausgabe  der 
Islendingabök  vorangesetzt  hat;  ob  schon  vor  ihm  Chr.  Worm  denselben  Weg  gegan- 
gen, wie  dies  Werlauff  S.  60  andeutet,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden,  da  mir  seine 
Ausgabe  der  IsUnduigabök  abgeht. 


ÜBER  ARI  THORGILSSON  UND  SEIN  ISLÄNDERBUCH.  299 

Äe inhold  Brocman  in  ganz  ähnlichem  Sinne  sich  geäußert  (1762)*'). 
Werl  au  ff  folgt  wesentlich  dieser  letzteren  Meinung  (1808),    wenn  er 
meint ,    daß  Aris  Thätigkeit  sich  auf  eine  neue  Anordnung ,    bessere 
Erklärung  und  allenfalls  eine  Vermehrung  des  Runenalphabetes  durch 
Punctierung  beschränkt  habe**);    J6n  Olafsson  aus  Grunnavik 
aber  hatte  inzwischen  die  andere  Vermuthung  ausgesprochen,  daß  Ari 
wohl  eine  Anpassung  des  fremden,  d.  h.  doch  wohl  lateinischen  Alpha- 
betes an  die  isländische  Sprache  in  seiner  Abhandlung  versucht  haben 
möge  **).    Im  gleichen  Sinne  wird  es  zu  verstehen  sein,  wenn  Hdlf- 
dan  Einarsson    (1777)    den  Ari  zu  den  ersten  Grammatikern  der 
Insel   zählt**),    und    die   neuesten  Herausgeber    der  Snorra- 
Edda  erklären  sich  in  einer  Anmerkung  zu  deren  oben   angeführter 
Stelle  ausdrücklich  ebendahin    (1852) ;    es  ist  im  Grunde  auch  nichts 
Anderes,  wenn  Munch  **)  (1855)  und  R.  Keyser)  **)  (1857)  die  Sache 
näher  dahin  ausfahren,    daß  Ari  im  Vereine  mit  ])6rodd  gelegentlich 
der  im  Winter   1117 — 18   erfolgten  Aufzeichnung   der  Haflidaskrä  in 
officiellem  Auftrage  eine  gemeinsame  grammatische  Abhandlung  ver- 
fasst  hätten,    um  die  lateinische  Buchstabenschrift  für  den  verfolgten 
legislativen  Zweck  erst  brauchbar  zu  machen.  Ohne  mich  auf  die  Wider- 
legimg  dieser  verschiedenen  Ansichten  im  Einzelnen  einzulassen,   be- 
schränke ich   mich    darauf  im    vollen  Einverständnisse    mit  Möbius, 
S.  VI,  auszusprechen,  daß  meines  Erachtens  die  oben  angeführten  Worte 
der  jüngeren  Edda  überhaupt  nicht  von  irgend  einer  besonderen  Ab- 
handlung, sei  es  nun  des  Ari  allein  oder  des  Ari  und  J)6rodd  zusammen, 
sprechen  wollen,    sondern  nur  von  der  Aufstellung  eines,    vorwiegend 
aus  lateinischen  Buchstaben  gebildeten  Alphabetes  flir  die  isländische 
Sprache ,    wie  ein  solches  von  Ari  schon  um  seiner  eigenen  Schriften 
willen  nöthig  befunden  worden  sein  mochte.   Eine  eigene  Abhandlung 
grammatischen  Inhalts  brauchte  darum  noch  keineswegs  von  ihm  ge- 
schrieben worden  zu  sein,  und  fftr  die  Existenz  einer  solchen  scheint 
es  mir  denn  auch  an  jeglichem  Beweise  zu  fehlen;  ein  vollkommenes 
Phantasiestück   ist  es  aber,    wenn  die  angeblichen  Bemühungen  Afis 
und  J)6rodd8    mit  der  Gesetzgebung  des  Jahres   1118   in  Verbindung 
gebracht  werden  wollen.    Nichts  berechtigt  ims,    an  ein  gleichzeitiges 
und  gemeinsames  Wirken  der  beiden  Männer  zu  denken,   und  in  Aris 


*^)  In  der  Untersuchung  über  das  Alter  der  nordischen  Runensteine ,  welche 
seine  Ausgabe  der  Ingvärs  s.  vidförla  begleitet;  vgl.  zumal  S.  277.  *^)  In  seiner 
Abhandlung  De  Ario  multiscio,  S.  60—61.  **)  In  seinem  ungedruckten  Werke  über 
tdie  Edda;  vgl.  Werlauff  S.  59.  "**)  Sciagraphia,  8.  14.  *^)  Norweg.  Geschicljte,  II, 
ß.  636.      *')  Norweg.  Litteraturgeschichte,  .^.  96  und  438. 


300  KONKAD  MAUBEB 

eigenem  Berichte  über  jene  Legislation  weist  nichts  darauf  hin,  daß 
gelegentlich  derselben  eine  officielle  Regelung  der  Schriftsprache  oder 
Schrifkzeichen  stattgefunden  habe ;  endlich  ist  auch  nicht  einleuchtend, 
warum  eine  solche  im  Jahre  1117  hätte  nöthig  erscheinen  soUen,  nach- 
dem man  doch  um  reichlich  20  Jahre  früher  bei  der  Einfiüyrung  der 
Zehentlast  von  ihr  absehen  zu  können  gemeint  hatte. 

Ließ  sich  diese  erste  unter  den  vier  auf  Aris  schriftstellerische 
Thätigkeit  bezüglichen  Fragen  recht  wohl  einer  gesonderten  Prüfung 
unterziehen^  so  ist  bezüglich  der  drei  anderen  das  gleiche  Verfahren 
einzuhalten  in  keiner  Weise  möglich ,  vielmehr  muss  die  Erörterung 
der  Frage  nach  Aris  Betheiligung  an  der  Entstehung  der 
Landnäma  und  der  anderen  nach  seiner  Wirksamkeit  für  die 
norwegische  Königsgeschichte  nothwendig  zugleich  mit  der 
Prüfung  des  Verhältnisses  verbunden  werden,  in  welchem  die  beiden 
Redactionen  seines  Isländerbuches  zu  einander  standen.  Ich 
setze  darum  die  drei  in  erster  Linie  nach  diesen  drei  Seiten  hin 
maßgebenden  Quellenstellen  zunächst  sämmtlich  hieher,  und  gehe  dann 
zur  gleichzeitigen  Besprechung  ihres  Inhaltes  über.  Es  sagt  aber  die 
Hauksbök  über  Aris  Antheil  an  der  Landnäma  Folgendes*®):  JVS 
er  yfir  farü  um  landndm  pau,  er  verit  hafa  d  lalandi  eptir  pvi  aemfrödir 
menn  hafa  ahrifat,  fyrst  Ari  prestr  hinn  froWi,  porgihson,  ok  Kohkeggr 
hinn  vitri.  En  pessa  bök  rüada  ek  Hauhr  Erlendsson  ep^r  peirri  hök  sem 
ritad  hafdi  hefrra  Sturla  lögmadr,  hinn  frödasti  madr ,  ok  &pUr  peirri 
bök  annarri,  er  ritad  hafdi  Styrmir  hinn  frödy  ok  hafda  ek  pat  ör  hverri 
seni  framar  greindi ,  en  mikiU  porri  var  pat  er  pcer  sögdu  eins  bddar^f 
ok  pvi  er  pat  ekki  at  und/ra  pö  petsi  landndmabök  sd  lengri  enn  nokhur 
ttanttr-  Die  entscheidende  Stelle  über  Aris  Leistungen  auf  dem  Gebiete 
der  norwegischen  Geschichte  steht  in  dem  Prologe  zur  Heims- 
kringla,  und  wenig  abweichend  in  dem  der  geschichtlichen  Olafssaga 
ens  helga  *") ;  sie  lautet  nach  der  ersteren  Fassung  folgendermaßen : 
ffÄri  prestr  hinn  frödi  porgilsson  Oeüissonar  ritadi  Jyrstr  manna  hh*  d 
landi  aJt  norrcenu  mdli  froedi  hcedi  foma  ok  nyjaj  ritadi  hann  wie«***) 
{  upphafi  sinnar  hökar  um  Islands  bygd  ok  lagasetning,  sidan  frd  lögsögur 
monnumy  hversu  lengi  hverr  hafdi  sagt,  ok  hafdi  dratal  fyrst  til  pess  er 
hristni  kom  d  Island,  en  sidan  alt  til  sinna  daga.  Hann  tök  par  ok  viS 
mörg  önnu/r  dcemi,  boßdi  konunga  o^fi  i  Noregi  ok  Danmörk  ok  sud  i  Eng- 


")  Landnima,  V,  cap.  16,  S.  320.  *^  Heimskringla,  S.  2-3  (ed.  Unger);  vgl. 
Olafs  8.  ens  helga,  S.  1—2  (ed.  Munch  und  Unger).  Ich  bemerke  nm:  die  für  den  Sin» 
erheblichen  Abweichungen.       *«)  Fyrst  Olafs  s. 


ÜBER  ARI  THORGIL880N  UND  SJöIN  ISLÄNDERBUCH.  301 

landi,  eda  enn  störtiäindiy  er  gerzt  höffu  hir  d  landi,  ok  pffkld  mSr  hans 
ßögn  öU  merkiligvM  :  var  hann  forvitri  ok  8vd  gamall,  <xt  hann  varfoeddr 
>fueeta  vetr  eptir  faU  Haralds  ßigu/rdarsonar,  Hann  ritaSi,  sem  hann  sjdlfr 
segir,  cefi  Noregs  konümga  eptir  eögn  Odds  Kolsaonar  Hallesonar  af  Sidu; 
en  Oddr  nam  at  porgeiri  afrddakoü,  peim  manni  er  vUr  var  ok  evd  gamaU, 
(U  turnn  bfö  pd  t  Niäameeiy  er  Hdkonjarl  hinn  riki  var  d/repinn,  1  peim 
^sama  stad  IM  Ölqfr  konüngr  Tryggvaaon  efna  til  kaupdngs,  par  sem  nü 
0r  ^^)-  AH  jpreftr  kom  7  vetra  gamall  i  Haukadal  til  Halls  pörarinssonar 
ok  var  par  14  vetr.  Hdlir  var  ma/dr  störvitr  ok  minnigr ,  hann  mtmdi 
pal  er  pangbrandr  prestr  skirdi  hann  prevetran ,  pat  var  vetri  fyrr  en 
hristni  voeri  i  log  tekin  d  Islandi.  Äri  prestr  var  12  vetra  gcmiaüy  pd  er 
Isle^  hyskup  andadist.  HaUrfdr  miüi  landa  ok  hafdi  fih^  Olafs  kofiüngs 
hins  hdga  ok  f^kk  af  pvi  uppreist  miMa  y  var  honum  pvi  kunnigt  wm 
riki  hans.  Im  pd  er  Isleifr  hyskup  andaäist,  var  lidit  frd  falli  Olafs 
konüngs  Tryggvasonar  nasr  **)  80  vetra»  HaVr  andadist  9  veirum  sidar 
en  Isleifr  hysksup,  pd  var  HaUr  at  vetratali  nircedr  ok  4  vetra,  hann  hafdi 
gert  hü  i  Bdvkadal  prÜugr  ok  lj6  par  60  vetra  ok  4  vetr,  8vd  ritaSi 
Ari.  Teitr  son  Isleifs  hyskups  var  med  HaUi  i  Haukadal  at  föstri  ok  hj6 
par  sidan;  hann  leerdi  Ära  presty  ok  marga  fro^i  sagdi  harnt  honwm, 
pd  er  Art  ritadi  sidan.  Ari  Tiam  ok  marga  frcedi  at  puridi  döttur  Snorra 
godSa ;  hon  var  spök  at  vüiy  hon  mundi  Snorra  födwr  sinn^  en  hoakn  vor 
pd  nasr  hdlfjfertügr,  er  kristni  kom  d  Island,  en  andadist  einum  vetri  eptir 
faU  Olafs  konüngs  hins  helga.  pat  var  eigi  undarligt,  at  Ari  vceri  sann-- 
frddr  at  fomum  iidindum,  heedi  hdr  ok  vtanlands,  at  hann  hafdi  numit 
0t  göndwn  mönnwm  ok  vitruMy  en  var  sjdlfr  ndmgjam  ok  minnigr.^ 
Endlich  über  das  VerkältnisB  seiner  beiden  Redactionen  des  Is* 
länderbaches  zu  einander  äußert  sich  Ari  selbst  in  der  Vorrede  zu 
der  uns  yorliegenden  jüngeren  wie  folgt  ^*):  y^Islendingahöc  görpa  ecfyrst 
byscopom  örom  porldke  oe  CaÜe  oc  syndae  hoepa  peim  oc  Scemunpi  preste, 
JSn  mep  pvi  at  peim  licape  s^d  at  hafa  epa  par  vipr  auca,  pd  sorifapa 
ec  pessa  of  et  sßma  far ,  fyr  ntan  oRttartölo  oe  conunga  asfe  oc  jöcc  pvi 
es  mer  varp  sipan  cunnara  oc  nü  es  gerr  sagt  d  pesse  en  d  pdri,  iSn 
hvatke  es  missagt  es  i  fraepom  pessom,  pd  es  scyU  at  hafa  pat  heidr  es 
sannara  regnisc,^  —  Die  Schlüsse^  welche  man  aus  diesen  Hauptstellen, 
allenfalls  unter  Zuhülfenahme  einiger  anderer  zerstreuterer  Notizen  in 
Bezug  auf  Aris  litterarische  Leistungen  ziehen  zu  sollen  geglaubt  hat, 
gehen  weit  auseinander^  und  zwar  handelt  es  sich  dabei  ganz  und  gar 


^*)   TU  kaupdngMttu  en  Olafr  etvn  heigt  rsUti  kauptttuUfin  ^  Öl.  s.      **)  Fehlt, 
ÖL  8.       ")  Ed.  Möbius,  S.  3. 


302  KONKAD  MAURER 

nicht  bloß  um  eine  der  neuesten  Zeit  angehörige  Meinungsverschieden- 
heit zwischen  J6n  Sigurdsson  einerseits  und  Gudbrandr  Vigfusson, 
dann  meiner  selbst  andererseits,  wie  man  dies  nach  den  Worten  glauben 
könnte,  welche  bei  Möbius  S.  XIII  zu  lesen  stehen,  sondern  um  einen 
Conflict  von  Ansichten,  welche,  im  Einzelnen  sehr  manigfaltig  aus- 
geprägt, schon  seit  den  ersten  Zeiten  sich  gegenüberstehen,  in  welchen 
man  mit  den  älteren  isländischen  Quellen  sich  einlässlicher  zu  beschäf- 
tigen überhaupt  anfieng.  Ohne  irgend  welchen  Anspruch  auf  litterar- 
geschichtliche  Vollständigkeit  zu  machen,  will  ich  nur  zur  Erläuterung 
und  zugleich  Begründung  meiner  Behauptung  eine  Reihe  von  Aus- 
sprüchen nahmhafterer  Männer  zusammenstellen,  wobei  ich  vorläufig 
lediglich  die  chronologische  Ordnung  einhalte,  im  Übrigen  aber  neben 
Äußerungen,  die  sich  auf  alle  Seiten  der  Geschichtschreibung  Aris 
beziehen,  auch  andere  berücksichtige,  welche  nur  einzelne  Zweige  der- 
selben ins  Auge  gefasst  haben. 

Es  hat  aber  bereits  Björn  .Jönsson  von  Skardsd  (f  1656) 
im  Vorworte  zu  seinen  Annalen  **)  sich  dahin  ausgesprochen,  daß  Ari 
die  ersten  Niederlassungen  im  Nord-  und  Westviertel,  Kolskeggr  aber 
die  im  Ost-  und  Südviertel  Islands  aufgezeichnet  habe,  und  er  meint, 
aus  den  uns  erhaltenen  Texten  der  Landndma  lasse  sich  noch  wohl 
erkennen,  wie  genau  Beide  dabei  zu  Werke  gegangen  seien.  Bischof 
J)6rdr  J)orläk8son  von  Skälholt,  welcher  im  Jahre  1688  die  Islend- 
ingabök  sowohl  als  die  Landnäma  zum  ersten  Male  drucken  ließ, 
bemerkt  nicht  nur  am  Rande  des  Prologes  zur  ersteren,  daß  unter  der 
von  Ari  erwähnten  ersten  Redaction  derselben  die  Landnäma  zu  ver- 
stehen sei  **),  sondern  er  rechnet  auch  sowohl  in  seinem  Vorworte  zur 
Islendlngabök  als  in  einer  Randglosse  zu  der  oben  angefllhrten  Stelle 
der  Landnäma  den  Ari  ausdrücklich  unter  die  Verfasser  dieser  letzteren. 
J)orm6dr  Torfason  erwähnt  in  seiner  Series  Dynastarum  et  Regum 
Datiis^  (1702)  S.  45.  6  der  doppelten  Redaction  der  Islendingabök, 
dann  auch  der  Schrift  Aris  über  die  nordische  Königsgeschichte  und 
seine?  AntheÜQs  an  der  Entstehung  der  Landnäma,  und  zwar  der  letz- 
teren unter  Bezugnahme  auf  Björn  von  Skardsä  und  in  seinem  Sinne, 
jedoch  ohne  sich  irgend  über  das  Verhältniss  zu  erklären,  in  welchem 
diese  verschiedenen  Arbeiten  zu  einander  gestanden  seien;  in  den  Pro- 
legomena  dagegen  zu  seiner  Historia  rerum  Norvegicarum  (1711)  nennt 
er  einerseits  den  Ari  gan?  entschieden  als  den  ersten  Verfasser  der 


**)  Gedruckt  zu  Hrappsey,  in  2  Bändep,  1774—76.        ?*)  hlendinyabok  meinasl 
Landnäma  sind  seine  Worte. 


ÜBER  ARI  THOKGILSSON  UND  SEIN  ISLÄNDERBUCH.  303 

Landndma,  und  zwar  der  ganzen,  indem  er  ausdrücklich  die  von  Björn 
aufgestellte  Scheidung  als  in  den  Quellen  nicht  begründet  zurückweist, 
während  er  andererseits  diese  Landnäma  sehr  bestimmt  von  der  Islend- 
ingabök,  und  zwar  nicht  nur  in  ihrer  uns  erhaltenen  zweiten,  sondera 
auch  in  ihrer  uns  verlorenen  ersten  Redaction  scheidet :  ob  er  die  Ar- 
beiten Aris  für  die  nordische  Königsgeschichte,  deren  er  gleichfalls  ge- 
denkt, ebenfalls  als  gesonderte  ansah,  oder  aber  in  der  älteren  Redacr 
tion  der  Islendingab6k  begriffen  glaubte,  ist  mir  nicht  völlig  klar,  doch 
das  letztere  wahrscheinlicher.  Übrigens  scheint  er  in  seinen  Ansichten 
über  diesen  Punct  sich  nicht  immer  gleich  geblieben  zu  sein.  Da  näm-: 
lieh  der  jüngere  Otto  Sperling,  der  selber  in  einer  handschriftlich 
erhaltenen  Abhandlung  die  Meinung  aussprach,  die  ältere  Islendlnga- 
b6k  habe  die  Königsgeschichten  sowohl  als  Genealogieen  mit  enthalT 
ten*"),  ihn  um  seine  Ansicht  über  Aris  Werk  und  dessen  Verhältniss 
zur  Heimskringla  interpellierte,  antwortete  er  (1704),  daß  er  jenes  flir 
eine  ziemlich  kurze  Schrift  halten  möchte,  übrigens  aber  nicht  zugeben 
könne,  daß  dessen  Schede,  d.h.  unsere  Islendingab6k  ein  bloßer  Aust 
zug  aus  einem  älteren,  weitläufigeren  Werke  seien,  da  ja  der  Verfasser 
selber  von  Zusätzen  spreche,  die  er  gemacht  habe  *^).  Arni  Mag- 
nussen sowohl,  als  durch  ihn  bestimmt  Christen  Worm ,  unter- 
scheiden wiederum  die  ältere  Islendingabök  von  Aris  Arbeiten  zur 
norwegischen  Königsgeschichte  *^) ;  Bussseus  aber  in  seiner  Vita  Arü 
(1733)  spricht  dem  Ari  die  ganze  sowohl  als  halbe  Verfasserschaft  der 
Landnä^ma  ab,  indem  er  meint,  daß  die  oben  angeführten  Worte  der 
Hauksbök  lediglich  auf  die  uns  vorliegende  Islendingabök  zu  beziehen 
seien,  und  scheint  andererseits  dessen  Arbeiten  über  die  norwegischeu 
Könige  als  vollkommen  selbständige  zu  betrachten,  obwohl  allerdings 
seine  Äusserungen  in  dieser  Beziehung  nicht  völlig  concludent  sind. 
Bischof  Finnr  J6nsson  (1772)  ^^)  erklärt  des  Busssdus  Ansicht  be- 
züglich der  Landnäma  mit  aller  Bestimmtheit  flir  falsch,  und  scheint 
im  Übrigen  Aris  Arbeiten  über  die  norwegische  Königsgeschichte  eben- 
sogut wie  dessen  Landnäma  von  beiden  Recensionen  der  Islendingabök 
scheiden  zn  wollen;  dessen  Sohn  und  Nachfolger  aber,  Dr.  Hannes^ 
Pinnsson,  beschränkt  sich  wieder  auf  die  Angabe  (1774),  daß  Ari 
der  erste  Verfs^sser  unßerer  Landnäma  sei,    welche  nur  hinterher  von 


")  Vgl.  Werlauflf,  S.  18,  Anm.    Ob  schon  Bischof  Brynjölfr  Sveinsson  (f  1676) 

4er  gleichen  Anstellt  war,  sAa  er  von  dem  „ingens  Yolumen  Historiarum  ab  Odino  ad 

sua  tempora  oontextum**  des  Ari  schrieb  (Stephanii  notse  ad  Saxonem,  p.  15,  resp.  17) 

weiß  ich  nicht  zu  sagen;    doch  i^t  es  mir  wahrscheinlich.  ^^)  Torfseana,    S.  142. 

")  So  nach  Werlauff,  S.  18.       *»)  Ri^toria  ecclesiaatica  Lslandiae,  I,  S.  194. 


804  KONKAD  MAUBER 

Anderen  überarbeitet  worden  sei"* ).  HÄlfdan  Einarsson  behandelt 
die  Biographieen  der  norwegischen  Könige  dieses  Verfassers  als  ein 
Werk  f&r  sich,  von  welchem  er  die  Islendingabök  sowohl  als  die  Land- 
näma  sorgfUtig  scheidet,  welche  letztere  er  ebenfalls  von  ihm  zuerst 
bearbeitet  sein  lässt  (1777)  •').  Schöning  spricht  (1777)  von  einer 
Lebensbeschreibung  der  norwegischen  Könige,  die  Ari  geschrieben 
habe**),  und  Suhm  wiederholt  diese  Angabe  (1781),  womit  Beide 
die  weitere  Annahme  verbinden,  daß  dieses  Werk  eine  der  wichtigsteü 
Quellen  der  Heimskringla  gewesen  sei**);  zugleich  berichtet  der  letztere 
aber  auch,  daß  Jon  Eiriksson  „mit  gutem  Grunde^  vermuthe,  daß 
die  von  uns  sogenannte  Fagrskinna  nur  ein  in  späterer  Zeit  inter- 
polierter und  mit  einer  Fortsetzung  versehener  Auszug  aus  Ari  sein 
möge.  Dem  gegenüber  trat  Werlauff  mit  der  Behauptung  auf,  daß 
die  Angaben  über  Aris  Betheiligung  an  der  Abfassung  der  Landndma 
sowohl  als  die  über  seine  Thätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  norwegischen 
Geschichte  lediglich  auf  die  uns  verlorene  erste  Redaction  seiner  Islend- 
ingabök zu  beziehen  seien  (1808)  **),  eine  Behauptung,  die  er  zugleich 
durch  eine  Reihe  von  Argumenten  zu  begründen  suchte.  Umgekehrt 
hat  Bischof  P.  E.  Müller  trotz  alles  Fleißes,  welchen  er  auf  die  Ge- 
schichte der  isländischen  Sagenschreibung  verwandte,  es  nicht  der  Mühe 
Werth  gefunden,  auf  die  uns  hier  vorliegenden  Fragen  sich  irgend  ge- 
nauer einzulassen.  In  keiner  seiner  zahlreichen  Schriften  auf  diesem 
Gebiete  wird  das  Verhältniss  der  beiden  Redactionen  der  Islendingabök 
zu  einander,  dann  zu  Aris  Antheil  an  der  Landnäma  oder  den  Noregs 
koniinga  sögur  einer  ernsthaften  Prüfung  unterzogen,  und  nur  aus  ge- 
legentlichen Äußerungen  lässt  sich  schließen,  daß  der  Verfasser  die 
Landnäma  wesentlich  fttr  Aris  Werk  hielt,  und  somit  doch  wohl  von 
unserer  IslendingalxSk  principiell  unterschieden  wissen  wollte,  —  daß 
er  femer  jene  Chronologie  der  norwegischen  Könige,  auf  welche  er 
Aris  Verdienst  um  die  norwegische  Geschichte  beschränken  zu  müssen 
glaubte,  als  einen  Anhang  ansah,  welcher  ursprünglich  der  ersten  Re- 
daction eben  dieser  islendingabök  angefugt  gewesen  sei  ®*).  Eine  Ver- 
nachlässigung des  zugleich  ältesten  und  wichtigsten  Geschichtschreibers 
lonter  den  Isländern,  welche  sich  nur  aus  dem  geringen  Werthe  erklärt, 
den  der  dänische  Bischof  Aris  Isländerbuch  beimiöst,  die  aber  zugleich 
für  seine  ganze  Auffassung  der  isländischen  Litteraturgeschichte  in  hohem 

••*)  Vorrede  zur  LandnÄma.         •*)  Soiagraphia,  8.  115  Und  119.         •')  Vorwort 

au  Bd.  I  der  Heimakrfngla,   8.  XII.  «•)  CritiBk  Historie  af  Danmark,    IV,  8.  V. 

**)  De  Ario  multiscio,  8.  14—26;        •*)  Vgl.  zumal  seine  Schrift  „Om  den  islandske 

Historieskrivning'' ,  8.  34  u.  40,    in  der  Kordisk  Tidsskrift  for  Oldkyndighed,  I  (1832). 


ÜBER  AM  THORGILSSON  UND  SEIN  tSLÄNDERBUCH.  305 

Grade  characteristisch  ist  In  Werlauffs  Sinn  spricht  sicK  dagegen 
wieder  Dabl^La^n  aus  (1822)  "•).  Nach  ihm  hatte  Ari  „zuerst  ein 
ziemlich  großes  Buch  zu  Stande  gebracht^  welches  aber  mit  den  Nach-> 
richten  über  Island  die  Geschlecht&tafeln  und  Lebensgeschichten  yieler 
norwegischen,  dänischen  imd  englischen  Könige  verflocht,  und  das  wir 
leider  nicht,  mehr  besitzen,  außer  daß  Snorre  Sturleson  und  Andere  es^ 
zu  unserem  Besten  benutzt  haben.  An  dem  Werke  fänden  die  erfahrenen 
Männer,  deren  Urtheile  er  es  vertraute,  mancherlei  zu  berichtigen; 
Ari  samnielte  diese  Bemerkungen,  vervollständigte  seine  Nachrichten 
über  Island,  schied  hierauf  alle  fremdartige  Zusätze  ab,  so  entstand 
das  schlichte  Buch,  dessen  wir  uns  freuen."  Einigermaßen  abweichende 
Ansichten  trug  sodann  Finn  Magnus son  vor  (1838  und  1843*''). 
Er  unterschied  von  dem  uns  vorliegenden  Isländerbuche  Aris  sowohl 
dessen  Schriften  über  die  norwegische  Königsgeschichte,  als  auch  die 
Landnäma,  deren  ersten  Entwurf  auch  er  diesem  Verfasser  vindiciert, 
übrigens  dahingestellt  lassend ,  wieweit  Björn  Jönssons  Angabe  über 
die  Arbeitstheilimg  zwischen  Ari  und  Kolskegg  begründet  sei;  er  ver- 
muthete  aber  zugleich,  daß  es  gerade  dieser  erste  Entwurf  der  Land- 
näma  sei,  welchen  Ari  ursprünglich  als  Islendingabök  bezeichnet  habe, 
und  daß  der  uns  erhaltene  libellus  Islandorum  ursprünglich  nur  eine 
historisch-chronologische  Einleitung  oder  Vorerinnerung,  oder  allenfalls 
auch  ein  Supplement  und  einen  späteren  Zusatz  zu  einer  zweiten  Be- 
arbeitung derselben  gebildet  habe.  Umgekehrt  nimmt  Munch  (1855) 
an,  daß  Alles  was  Ari  über  die  norwegische  Königsgeschichte  ge- 
schrieben habe,  in  der  verlorenen  ersten  Redaction  der  Islendingabök 
entboten  gewesen  sei,  wogegen  er  den  ersten  Entwurf  der  Landnäma, 
welchen  er  ihm  auch  seinerseits  zuschreibt,  als  ein  selbstständiges  Werk 
ansehcA  zu  wollen  scheint  <^®).  Ebenso  meint  auch  N.  M.  Petersen 
in  seiner :  altnordischen  Litt^ratu^geschichte  ®^),  daß  die  erste  Redaction 
der  Islendingabök  über  die  Könige  des  Nordens  mitgehandelt  habe^ 
während  die  uns  vorliegende  zweite  Redaction  wesentlich  nur  als  ein 
Auszug  aus  jener  ersteren  betrachtet  werden  dürfe  ^  bei  dessen  Her- 
stellung zumal  alles  auf  f]?emde  Lande  Bezügliche  beseitigt,  und  dafUr . 
das  auf  Island  Bezügliche  hin  und  wieder  näher  ausgeführt  und  ergänzt 
wprden.  sei;  er  bestreitet  aber  auch,  ausdriücklicb  Finn  Magniissons, 
Vermuthung,  daß  jene  erste  Redaction  mit  der  urspxünglichen  Grundlage  . 

*•)  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte,  I,  S.  346.  7.  *')  Grönlands 
historiske  Mindesmserker,  T,  8.  12 — 15,  25,  und  öfter;  Vorwort  zu  Bd.  I  der  fslendinga 
sögur,  S.  m  und  XIII— IV.  «*)  Det  norske  Folks  Historie,  II,  S.  634  -  5;  vgl.  I,  1, 
S.  68  und  308.         ";  Annaler  for  nordisk  Oldkyndighed,  1861,  S.  37. 


306  KONRAD  MAURER 

der  Landnäma  identisch  gewesen  sei,  und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil 
diese  letztere  keine  Königssage  sei.  Hinwiederum  kehrt  R,  Keyser 
in  seiner  altnorwegischen  Litteraturgeschichte  (1857?)  '®)  wiederum  zu 
der  älteren  Ansicht  zurück,  welche  den  ersten  Entwurf  der  Landnäma, 
die  Noregs  konünga  sefi  und  die  Islendlngabök  als  eben  so  viele  ver- 
schiedene Werke  Aris  scheidet;  er  erwähnt  dabei  der  zweifachen  Re- 
daction  dieser  letzteren,  und  gedenkt  auch  der  Vermuthung  Finns, 
daß  deren  ältere  mit  jener  ersten  Bearbeitung  der  Landnäma  zusam- 
mengefallen sei,  jedoch  ohne  sich  derselben  anzuschließen.  Gudbrandr 
Vigfiisson  hat  gelegentlich  die  Überzeugung  ausgesprochen  (1864)'*), 
daß  die  sogenannten  verlorenen  Schriften  Aris  mit  jener  älteren  Re- 
daction  seines  Isländerbuches  zusammenfielen,  welche  Ari  allein  als 
Islendingabök  oder  liber  Islandorum  bezeichnet  habe,  wogegen  der  uns 
allein  erhaltenen,  vielfach  verkürzten  Umarbeitung  desselben  von  ihm 
nur  der  Titel  eines  libellus  Islandorum  beigelegt  worden  sei :  in  münd- 
lichem sowohl  als  brieflichem  Verkehre  hat  mir  derselbe  seine  Ansicht 
über  die  hier  in  Frage  stehenden  Puncto  auch  noch  des  Näheren  aus- 
einandergesetzt, und  stimmt  dieselbe  wesentlich  mit  derjenigen  überein, 
welche  ich  selber  in  ein  paar  academischen  Abhandlungen  ausgesprochen 
habe,  welche  man  bei  Möbius  S.  XXII  angeflihrt  findet.  Andererseits 
hat  sich  aber  nicht  nur  J6n  Sigurdsson  gegen  Möbius'*),  sondern 
auch  J6n  J)orkelsson  gegen  mich  selber  brieflich  dahin  ausgespro- 
chen, daß  in  der  uns  vorliegenden  Islendingabök  nicht  etwa  eine  we- 
sentlich geänderte  Umarbeitung,  sondern  nur  eine  wenig  modificierte 
Ausgabe  des  ursprünglichen  Werkes  zu  erkennen  sei,  bei  welcher  nicht 
etwa  die  früher  vorhandenen  Genealogieen  isländischer  Häuser,  aus 
welchen  hinterher  die  Landnäma,  und  Notizen  über  die  norwegischen, 
dänischen  und  englischen  Königsgeschichten,  aus  welchen  hinterher  die 
Noregs  konünga  sögur  geschöpft  haben,  weggelassen,  vielmehr  umge- 
kehrt die  früher  nicht  vorhandenen  Genealogieen  der  isländischen  Bi- 
schöfe einerseits  und  der  Breidfirdingar  andererseits  erst  hinzugeftlgt 
worden  seien.  Bis  auf  den  heutigen  Tag  herab  sind  demnach  die  ein- 
schlägigen Fragen  in  hohem  Grade  bestritten,  und  zwar  bestritten 
nicht  etwa  bloß  in  Bezug  auf  wenig  bedeutsame  Einzelnheiten,  sondern 
in  Hauptpunkten,  von  deren  Entscheidung,  wie  Möbius  mit  vollem 
Rechte    geltend  macht,    „nicht  allein  unser  Urtheil  über  den  Umfang 


'")  Efterladte  Skriffcer,  I,  S.  438.  9.  '*)  In  der  Vorrede  zu  den  von  ihm  und 
Th.  Möbius  herausgegebenen  Fomsögur,  ß.  XIV,  Anm.  ")  Vgl.  S.  XIII— XVI  in  des 
letzteren  Vorwort. 


ÜBER  ARI  TH0RGIL8S0N  UND  SEIN  ISLÄNDERBUCH.  307 

von  Are's  schriftstellerischer  Thätigkeit  abhängt,  sondern  auch  einzelne 
Fragen  und  Zweifel,  die  theils  in  der  Islendingabök  selber,  theils  in 
den  Verweisungen  auf  Are  begegnen ,  zum  Theil  mindestens  ihre  Er- 
ledigung finden".  Da  M.  sich  der  von  mir  früher  schon  verfochtenen 
Ansicht  ausdrücklich  angeschlossen,  aber  die  für  sie  sprechenden  Gründe 
nur  sehr  kurz  angedeutet  hat,  halte  ich  nicht  flir  überflüßig,  etwas 
einlässlicher  auf  deren  Motivierung  hier  meinerseits  einzutreten. 

Als  vollkommen  sicher  darf  aber  zunächst  bezeichnet  werden^ 
daß  Ari  über  die  Geschichte  der  norwegischen  Könige  irgend  etwas 
geschrieben  habe,  gleichviel  übrigens  wieviel  und  in  welcher  Gestalt 
und  Richtung ;  der  Prolog  zur  Heimskr.  sowohl  als  so  manche  Citate, 
welche  sich  in  älteren  Quellenschriften  zerstreut  finden,  lassen  über 
diesen  Punkt  nicht  dem  mindesten  Zweifel  Raum,  und  über  ihn  hat 
denn  auch  zu  keiner  Zeit  irgend  welche  Meinungsverschiedenheit  be- 
standen. Als  eben  so  sicher  glaube  ich  aber  auch  die  zweite  Thatsache 
bezeichnen  zu  dürfen,  daß  von  Ari  irgend  welche  Aufzeichnungen  ver- 
fasst  wurden,  welche  hinterher  die  erste  Grundlage  fClr  die  verschie- 
denen Bearbeitungen  unserer  Landnäma  abgaben.  Es  ist  vollkommen 
willkürlich,  wenn  Björn  von  Skardsä,  und  durch  ihn  verftlhrt  so  manche 
Andere,  auf  Ari  nur  die  erste  Bearbeitung  der  Ansiedelungen  im  Nord- 
lande und  Westlande  zurückfuhren,  dagegen  die  Bearbeitung  der  dem 
Ostlande  und  Südlande  angehörigen  dem  Kolskeggr  Asbjamarson  zu- 
weisen wollen.  Wir  wissen,  daß  dieser,  seiner  Abkunft  nach  selber  dem 
Ostlande  angehörig'*),  über  die  Ansiedelungen  von  Hüsavlk,  im  jetzi' 
gen  Borgarfjardarhreppur  der  Nordrmüla  sysla,  ab  südwärts  Aufzeich- 
nungen gemacht'*),  und  daß  er  sich  auch  noch  über  eine  das  Haus 
des  Sidu-Hallr  betreffende  Thatsache  ausgesprochen  hatte''*);  aber 
nirgends  wird  uns  gesagt,  wie  weit  seine  Aufzeichnungen  reichten, 
nirgends  auch  gesagt,  daß  Ari  das  Süd-  und  Ostland  nicht  mitbehandelt 
habe,  so  daß  also  jene  mit  apodictischer  Bestimmtheit  ausgesprochene 
Behauptung  sich  nur  als  eine  durch  kein  Quellenzeugniss  gestützte 
Vermuthung  des  an  solchen  Einfällen  so  fruchtbaren  Bauern  von  Skardsä 
herausstellt.  Vollends  verkehrt  ist  es  aber,  wenn  Bussseus  dem  Ari  allen 
Antheil  an  der  Entstehimg  der  uns  vorliegenden  Landnäma  aberkennen, 
und  die  einschlägige  Angabe  der  Hauksb6k  lediglich  auf  die  uns  er- 
haltene Redaction  der  Islendingabök  beziehen  will;  die  einfachste  Ver- 
gleichung  einer  Reihe  von   Citaten  aus  Aris  Schriften ,    welche  islän- 


")  LandnÄma,  IV,  cap.  3,  S.  245.      '^^}  Landnäma,  IV,  cap.  4,  8.  249.     '*)  Ebenda, 
cap.  9,  S.  261—2. 


308  KONRAD  MAURER 

dische  VerhältniBse  und  zumal  auch  Genealogieen  betreffen,  und  doch 
in  unserem  Texte   des  Isländerbuches  nicht  zu  finden  sind,    genagt^ 
um  die  Haltlosigkeit  jener  Behauptung  darzuthun,  und  wie  sollte  über^ 
dies  Herr  Haukr  darauf  verfallen  sein,    den  Mann    als  deb  ersten  zu 
bezeichnen,  der  über  die  Ansiedelungen  auf  Island  geschrieben  hahe, 
wenn  von  ihm  weiter  nichts  in  dieser  Beziehung  gesagt  worden  wäre, 
als  was  die  beiden  ersten  Capitel  jeries  Schriftchens  enthalten?  In  der 
That  könnte  man  mit  ganz  gleichem  Bechte  auch  Snorris  Angabe  Qber 
die  Leistungen  Aris  für  die  norwegische  Königsgeschichte  auf  unser 
tsländerbuch  beziehen ,    das  ja  auch  in  dieser  Bichtung  ein  paar  ver- 
einzelte Angaben  enthält,  eine  Verkehrtheit,  welche  vielleicht  nur  darum 
Niemanden  eingefallen  ist,  weil  Snorri  zufilllig  die  Gewährsleute  nennt, 
auf  deren  Aussage  hin  der  Geschichtsforscher  seine  auf  Norwegen  sich 
beziehenden  Angaben  gemacht  hatte,    und  deren  Namen  in  unserem 
Büchlein,  nicht  wiederkehren.  —  Steht  aber  fest,  daß  Ari  sowohl  über- 
die  ersten  Ansiedelungen  auf  Island,  als  auch  über  die  nordische  Kö*- 
nigsgeschichte  geschrieben,  und  zwar  weit  mehr  geschrieben  hat,  als 
was  unsere  Becension  der  islendingabök  enthält,    so  bleibt  lediglich 
die  Frage  offen,    ob  jene  ersteren  Arbeiten,   oder  doch  die  eine  oder 
andere  von  ihnen  vollkommen  selbständig  ausgegeben  worden  seien, 
oder  ob  dieselben,    sei  ed  nun  beide  oder  doch  die  eine  oder  andere 
von  ihnen,  mit.  der  älteren  Bedaction  der  lslendingab6k  in  einem  we- 
sentlichen Zusammenhange  gestanden  sei?    Diese  Frage  ist  es  demi 
auch,  über  welche  die  Ansichten  so  weit  auseinandergehen,  ohne  daß 
freilich  immer  der  Punkt,   um  den  es  sich  handelt,    gehörig  klar  ins 
Auge  gefasst  worden  wäre.     Schon  Torfaeus  scheidet  wenigstens  die 
Landnäma  Aris  völlig  von  seiner  islendingabök,  und  umgekehrt  trennen 
Arni  Magniisson  und  Chr.  Worm  von  dieser  wenigstens  dessen  Konünga 
sßfi ;  Finnr  J6nsson,  Hilfdan  Einarsson  und  neuerdings  wieder  B.  Eeyser 
halten  alle  drei  Werke  getrezmt,    während  Bussseus,   Schöning,    J6n 
Eiriksson,  Suhm  wenigstenfi  die  norwegische  Eönigsgeschichte,  und  P.  A. 
Munch,  dann  N.  M.  Petersen  umgekehrt  wenigstens  die  Landndma  als 
ein   selbstständiges  Werk  betrachtet  wissen  wollen.    Dem  gegenüber 
scheint  aber  bereits  Brynjölfr  Sveinsson  nur  den  Verlust  eines  einzigen  • 
Werkes  unseres  Geschichtschreibers  zu  bedauern,  welches  denn  doch 
nur  jene   erste  Bedaction   seines  Isländerbuches   gewesen   sein   kann, 
und  })6rdr  })orläksson  erklärt  ausdrücklich,  daß  in  dieser  dessen  erster 
Entwurf  der  Landndma  enthalten  gewesen  sei;   sehr  bestimmt  spricht 
sich  Otto  Sperling  darüber  aus,   daß-  Aris  Arbeiten  über  die  Königs- 
geschichte des  Nordens  sowohl   als  über  die  isländischen  Landnamen 


ÜBER  ARI  THORGILSSON  UND  SEIN  ISLÄNDERBUCH.  309 

ebendaselbst  zu  finden  gewesen  seien,  und  WerlaujBr,  sowie  Dahlmann 
halten  die  gleiche  Ansicht  mit  aller  Entschiedenheit  fest;  während 
P.  E.  Müller  und  P.  A.  Munch  wenigstens  die  norwegische  Königs- 
geschichte;  Finnr  Magnussen  umgekehrt  wenigstens  die  Landnäma  in 
der  älteren  Islendingabök  mitinbegriffen  glauben.  Es  ist  somit  eine  alt? 
überlieferte  Controverse,  um  welche  es  sich  hier  handelt,  und  insbesondere 
die  von  Gudbrandr  Vigfdsson  und  mir  neuerdings  gelegentlich  ausge- 
sprochene Meinung  keine  von  uns  erfundene,  vielmehr  dieselbe,  welche 
0.  Sperling,  Werlauff  und  Dahlmann  bereits  ihrem  vollen  Umfange 
nach  scharf  formuliert ,  imd  Andere  frtLher  oder  später  ebenfalls  we- 
nigstens theilweise  vertheidigt  haben;  die  Entscheidung  der  Controverse 
aber  wird  zunächst  von  einer  genauem  Betrachtung  der  Worte  aus- 
zugehen haben,  in  welchen  Ari  selbst  sich  über  die  zwischen  beiden 
Redactionen  seines  Isländerbuches  bestehenden  Unterschiede  ausspricht. 
jiOf  et  sama,  fair,^  sagt  er,  habe  er  die  zweite  Redaction  geschrieben, 
und  die  gleiche  Grundanlage  wie  die  zweite  muss  demnach  auch  die 
erste  bereits  gezeigt  haben;  er  fiigt  aber  auch  sofort  einschränkend  bei 
yfyr  utan  astbartöh  oc  conünga  cefi,^  und  bemerkt  überdies  noch,  daß  er 
nur  hinzugesetzt  habe,  was  er  etwa  inzwischen  durch  neue  Erkundi- 
gungen erfahren  habe,  und  daß  in  Folge  dessen  die  neue  Bearbeitung 
in.  Manchem  vollständiger  sei  als  die  frühere.  Die  Worte  „mit  Aus- 
nahme des  Geschlechtsregisters  und  des  Lebens  der  Könige^  sind 
neuerdings  verschieden  ausgelegt  worden.  J6n  Sigurdsson  sowohl  als 
Jon  })orkelsson  beziehen  solche,  völlig  übereinstimmend,  auf  einen  zwei« 
fachen  Zusatz,  welchen  Ari  in  seiner  zweiten  Bearbeitung  gemacht  hätte, 
und  wollen  die  »ttartala  in  jenen  Genealogieen  der  ersten  Bischöfe 
Islands  finden,  welche,  ausdrücklich  als  settartala  bezeichnet^  am  Schlüsse 
des  Buches  sich  finden,  die  koniinga  »fi  aber  in  dem  ebendaselbst 
aufgenommenen  Stammbaume  der  Ynglingar  und  Breidfirdingar;  sie 
legen  dabei  ein  entscheidendes  Gewicht  auf  die  jenen  Genealogieen 
und  diesem  Stammbaume  unmittelbar  vorhergehenden  Worte:  hdrlyksk 
8jd  bök,  hier  schließt  dieses  Buch,  womit  doch  der  Schluß  des  ursprüng- 
lichen Werkes  imd  der  Beginn  des  später  gemachten  Anhanges  deut- 
lich bezeichnet  sei.  Ich  meinerseits  dagegen  habe,  hierin  mit  Gudbrandr 
Vigfüsson  übereinstimmend,  jene  Worte  auf  einen  Theil  des  Inhaltes 
der  ersten  Redaction  bezogen,  welche  bei  deren  Überarbeitung  gestri- 
chen worden  sei>  und  ich  glaube  diese  Deutung  auch  jetzt  noch  fest- 
halten zu  müssen,  wie  sich  denn  auch  Möbius  derselben  angeschlossen 
hat.  Daß  der  Ausdruck  an  und  für  sich  mehrdeutig  ist,  wird  wohl 
zugegeben  werden  müssen.    Er  weist  eben  nur  auf  die  Thatsache  hin| 

GERMANIA.  N«a«  R«lh«  III.  (XV.)  Jabr|,  21 


310  KONRAD  MAURER 

daß  neben  principieiler  Gleichartigkeit  beider  Redactionen  eine  Diffe- 
renz zwischen  denselben  darin  bestehe  ^  daß  die  eine  vor  der  andern 
eine  settartala  und  koniinga  sefi  voraus  habe^  aber  er  sagt  nicht^  wel- 
ches die  reichere  und  welches  die  ärmere  Bedaction  gewesen  sei,  und 
insoweit  sind  wir  demnach  lediglich  auf  Vermuthungen  angewiesen. 
Auf  das  Wiederkehren  des  Ausdruckes  »ttartala  bei  den  Bischofs- 
genealogieen  vermag  ich  dabei  eben  so  wenig  Grewicht  zu  legen  ^  als 
darauf;  daß  Ari  den  Singular  und  nicht  den  Plural  braucht,  der  doch 
bei  einem  genealogischen  Materialc;  wie  es  die  Landnäma  enthält; 
näher  zu  liegen  scheine.  Auch  der  Bischofsgenealogieen  sind  es  vier^ 
nicht  bloß  eine,  und  wenn  auf  sie  der  Singular  statt  des  Pluralis  An- 
wendung finden  konnte^  so  war  dasselbe  doch  wohl  auch  noch  gegen- 
über einer  größeren  Zahl  von  Stammbäumen  zulässig;  indem  eben  hier 
wie  dort  settartala  collectiv  genonmien  werden  kann  und  muss;  das 
Wiederkehren  des  Ausdruckes  aber  beweist  meines  Erachtens  gar  nichts^ 
da  dasselbe  lediglich  dadurch  bedingt  ist,  daß  hier  und  dort  gleich- 
mäßig von  Genealogieen  die  Rede  ist.  Ebensowenig  vermag  ich  aber 
auch  dem  Satze  „hier  schließt  dieses  Buch^  entscheidende  Bedeutung 
zuzuerkennen.  Er  hätte  meines  Erachtens  solche;  wenn  er  sich  in  der 
ersten  Bedaction  fände ;  in  der  zweiten  aber  weggelassen  wäre;  nun 
er  aber  in  der  zweiten  steht,  die  doch  unzweifelhaft  nicht  mit  cap.  10 
schließt;  wird  doch  wohl  gefragt  werden  müssen,  ob  die  Worte  nicht 
etwa  in  einem  etwas  anderen  als  dem  zunächst  liegenden  Sinne  ge- 
nommen werden  dürfen,  imd  wirklich  bietet  sich  ungesucht  eine  ziem- 
lich nahe  liegende  anderweitige  Erklärung  derselben  dar.  Mit  dem 
Inhalte  des  Werkes  stehen  weder  die  Bischofsgenealogieen  noch  die 
Namen  der  Vorfahren  Aris  in  irgend  welchem  Zusammenhang.  Bischof 
KetiU  wenigstens  wird;  abgesehen  vom  Vorworte;  in  diesem  gar  nicht 
einmal  genannt;  imd  ebensowenig  bietet  dieses  irgend  welchen  An- 
haltspunct  zur  gesonderten  Aufftihrung  von  Aris  Stammbaum;  wollte 
er  diesen  dem  Werke  als  solchem  einverleiben;  so  fand  sich  in  cap.  2 
gelegentlich  der  Erwähnung  der  Stammmutter  der  Breidfirdingar  Gele- 
genheit, —  war  es  ihm  um  die  Mittheilung  des  Stammbaumes  der  Bi- 
schöfe zu  thuu;  so  musste  deren  Erwähnung  im  Verlaufe  seiner  geschicht- 
lichen Darstellung  hiezu  die  passlichste  Veranlassung  bieten;  wie  deim 
wirklich  isleifs  und  Gizurs  Stammbaum  bei  solchem  Anlasse  sich  be- 
reits eingestellt  findet  (cap.  7;  S.  7;  und  cap.  9 — 10;  S.  10 — 11);  und 
B.  Ketill  im  Grunde  ebensogut  wie  B.  })orläkr  in  cap.  10  sich  noch 
hätte  erwähnen  lassen.  Als  etwas  außerhalb  des  Buches  Stehendes 
wollten  demnach  beiderlei  Stammbäume  offenbar  betrachtet  sein,  und 


ÜBER  ARI  THORGELSSON  UND  SEIN  ISLÄNDERBUCH.  311 

aus  diesem  Qrunde  konnte  schon  vor  ihrem  Beginn  jenes  als  beendigt 
bezeichnet  werden ;  eine  von  öudbrandr  Vigfiisson,  wenn  ich  nicht  irre, 
mir  einmal   ausgesprochene  Vermuthung  hat  in  der  That  viel  Wahr- 
scheinliches^ daß  nämlich  die  Bischofsgenealogieen  nur  die  Stelle  einer 
Widmung   an  die  beiden  Landesbischöfe ;    und   der  Stammbaum   der 
Breidfirdingar^  mit  den  Worten  schließend:  »ich  aber  heiße  Ari",  nur 
die  Stelle  eines  Vor-  oder  Nachwortes  des  Verfassers  vertreten  sollte. 
Beides  kann  hiernach  wohl  bereits  der  ersten  ßedaction  des  Isländer- 
buches gefolgt  sein,  und  wird  ihr  wohl  schon  gefolgt  sein,  da  die  zweite 
Bedaction  desselben,  wie  sich  zeigen  wird,  nicht  vor  dem  Jahre  1134 
abgeschlossen  worden  sein  kann,  sondern  erst  nach  dem  Tode  Bischof 
})orläks  ''®)  zu  Ende  gebracht  wurde,  und  somit,  wenn  erst  gelegentlich 
ihrer  jene  Genealogieen  beigeftLgt  worden  wären,  gewiss  die  des  Bischofs 
Magnus  Einarsson  nicht  weggeblieben  wäre,  welcher  bereits  im  Sommer 
1133  zu  dessen  Nachfolger  gewählt  worden  war  ^^).  Als  positive  Gründe 
für  meine  Auslegung   aber  möchte  ich  zimächst  noch  anführen,    daß 
der  Zusammenhang  die  Deutimg  des  fyr  läan  auf  eine  Weglassung 
statt  auf  eine  Zufligung  zu  fordern  scheint ,    da  nur  unter  ihrer  Vor- 
aussetzung der  richtige  Gegensatz  zu  der  sofort  folgenden  Bemerkung 
über  wirklich  gemachte  Zusätze  sich  ergibt,  —  dann  aber  auch,  daß 
die  Bezeichnung  als  konünga  cefi  auf  den  in  cap.  12  enthaltenen  Stamm- 
batun  Aris  in  keiner  Weise  zu  passen  scheint.    Wenn  nämlich  in  die- 
sem Stammbaume  zwar  die  älteren  Glieder  bis  auf  den  rothen  ])orsteinn 
herab  sich  allentalls  als  Könige  bezeichnen  lassen,  so  ist  diese  Bezeich- 
nung doch  auf  die  späteren  von  Olafr  feilan  ab  nicht  mehr  anwendbar, 
imd  der  alte  Ari  hätte  sich  gewiss  nicht  beigehen  lassen,  als  konünga 
cßß  eine  Namensliste  anzufahren,  die  mit  seiner  eigenen  Person  schUeßt; 
ein  »ttartala  und  nichts  anderes  ist  auch  diese  Namensliste,   und  un- 
möglich konnte  Jemand  darauf  verfallen ,    sie  als  konünga  sefi  direct 
einer  »ttartala  gegenüberzustellen.  Führt  mich  aber  die  Auslegung  des 
von  An  selbst  geschriebenen  Vorwortes  zu  der  Überzeugung,  daß  die 
erste  Kecension  seines  Isländerbuches  um  die  cettartölu  ok  konünga  cefi 
reicher  gewesen  sei  als  deren  zweite,    so  glaube  ich,    mit  Gudbrand 
auch  hierin  übereinstimmend,  eine  Bestätigung  dieser  Annahme  in  Dem 
sehen  zu  dürfen^  was  derselbe  Ari  über  die  Namen  sagt,  die  er  beiden 
Bedaotionen  beilegte.  Als  hlendingabök  bezeichnet  er  selbst  in-  seinem 

^*)  Als  dessen  Todestag  nennt  die  Hiing^ryaka,  cap.  12,  S.  74—5,  den  31.  Januar 
1133;  das  Jahr  wird  von  denAunalen  bestätigt,  wogegen  das  Kecrologium  islandicum, 
bei  Langebek  U,  IS.  ö05,  als  Tag  den  1.  Februar  nennt.  ^')  Hüngrvaka,  cap.  13, 

S.  76.  Vgl  übrigens  aucb,  was  unten, noch  über  diesen  Punct  gesagt  weffdien  wii*d. 

21* 


312  KONRAD  MAURER 

Prologe  seine  erste  Bedaction;  die  zweite  Redaction  dagegen  scheint 
er  nicht  ebenso  betitelt  zu  haben^  obwohl  die  neueren  Ausgaben^  ohne 
alle  handschriftliche  Gewähr ;  auch  auf  sie  die  gleiche  Bezeichnung 
ausdehnen,  sondern  liheUus  Islandorum,  was  sich  nur  durch  hlendinga 
bceklingr  wiedergeben  ließe.  Diese  Überschrift  haben  die  Hss.  unmit- 
telbar vor  cap.  1,  während  sie  freilich  vor  dem  Prologe  die  andere 
Aufschrift  setzen:  Schedes  Ära  prests  fr6da\  diese  letztere  kann  un- 
möglich acht  sein,  da  Ari  den  Beinamen  hinn  frödi  sich  nicht  selbst 
beilegen  konnte,  und  überdies  noch  weit  später  erweislich  nicht  führte '®), 
—  sie  wird  demnach  wohl  eine  Zuthat  des  Abschreibers  aus  dem 
17.  Jh.  sein,  wogegen  die  erstere  Überschrift  eben  durch  diese  spätere 
Beigabe  um  so  entschiedener  als  von  dem  alten  Ari  selber  herrührend 
sich  erweist.  Daß  in  dem  Büchlein  selbst  dieses  dennoch  wiederholt 
als  hök  bezeichnet  wird,  wie  M.  richtig  bemerkt  und  nachgewiesen  hat 
(S.  VIII,  Anm.  1),  wird  Niemand  als  Gegengrund  gegen  diese  Annahme 
anführen  wollen;  als  namentliche  Bezeichnung  ist  der  Ausdruck  dabei 
nicht  gebraucht,  und  unter  den  Gattungsbegriff  des  Buches  fällt  ja 
immerhin  auch  das  Büchlein.  Betitelte  aber  Ari  selbst  seine  zweite  Be- 
daction des  Isländerbuches  nur  noch  als  Isländerbüchlein,  so  ist  doch 
auch  hieraus  zu  entnehmen,  daß  sie  die  bedeutend  kürzere  war,  und 
daß  wesentlich  in  Weglassungen,  nicht  aber  in  Zusätzen  der  Unter- 
schied bestand ,  der  sie  von  jener  ersten  Bedaction  trennte ;  einzelne 
Zusätze  geringeren  Umfanges,  wie  solche  allerdings  in  unserem  Pro- 
loge angedeutet  werden,  sind  dadurch  natürlich  in  keiner  Weise  aus- 
geschlossen, womit  sich  der  von  })ormödr  Torfason  gegen  O.  Sperling 
erhobene  Einwand  von  selber  erledigt.  —  Zu  einem  gleichen  Ziele 
flihrt  aber  auch,  und  hierauf  hat  Möbius  (S.  XIV — V)  mit  vollem  Bechte 
hingewiesen,  eine  genauere  Erwägung  des  Prologs  der  Heimskringla. 
Indem  Snorri  hier  die  Quellen  bespricht,  die  er  für  seine  Königssagen 
benützte,  konunt  er  auch  auf  Aris  Leistungen  zu  reden;  es  ist  aber 
nur  ein  einziges  Werk,  dessen  er  dabei  erwähnt  (i  v/pphafi  dtmcvr  bökar)^ 
und  dieses  einzige  Werk  handelte  einerseits,  wie  unser  Isländerbüch« 
lein,  von  den  Ansiedelungen  auf  Island  und  der  Ordnung  der  dortigen 
Gesetze,  dann  von  der  Chronologie  imd  Beihenfolge  der  Gesetzsprecher, 
und  wie  es  scheint  auch  von  der  Einftihrung  des  Christenthumes  auf 
der  Insel,  sowie  manchen  anderen  erheblicheren  Begebenheiten  daselbst, 

^')  In  der  älteren  Abhandlung  der  Snorra  Edda,  um  stafrofit,  cap.  1,  S.  12,  heißt 
er  schlechthin  Ari  ])orgils8on,  in  der  Eiistni  s»  cap.  12,  S.  26,  Ari  hinn  gamü,  aber 
freilich  eben  da  S.  27  und  cap.  13,  S.  29,  hinn  frödi,  doch  wohl  nur  in  Folge  späterer 
Überarbeitung. 


ÜBEB  ABI  THOBGItSSON  UND  BEIN  ISLÄNDEBBUCH.  313 

andererseits  aber  auch  von  den  hmünga  asfi  in  Norwegen,  Dänemark 
und  England,  und  zwar  dieses  in  einer  Weise,  die  von  der  Diarstellung 
des  uns  erhaltenen  Wf^rkehens  deutlich  sich  unterscheidet.  Also  keine 
Rede  davon,  daß  Ari  ein  der  Heimskringla  ähnliches  Werk,  wie  dies 
eine  Überschrift  in  der  Frissbök  andeutet  ''^^),  oder  ein  der  Fagrskinna 
entsprechendes,  wie  dies  J6n  Eiriksson  angenommen  hatte,  oder  jenes 
ingena  volumen  historiarum,  an  welches  Bischof  Brynj61fr  geglaubt  hatte, 
—  keine  Bede  überhaupt  von  einem  selbstständigen  Werke  Ans  über 
die  nordische  Königsgeschichte,  während  doch  Snorri  von  einem  solchen 
hätte  sowohl  wissen  als  sprechen  müssen,  wenn  überhaupt  ein  solches 
vorhanden  gewesen  wäre;  was  der  Mann  fiir  diese  Geschichte  geleistet 
hatte,  lag  vielmehr  lediglich  in  einem  Werke  vor,  welches  vorzugs- 
weise von  der  isländischen  Geschichte  handelte ,  und  of  et  aama  far 
wie  unser  Isländerbüchlein  geschrieben  war,  nur  daß  es  noch  konünga 
{ßfi  vor  diesem  voraus  hattC;  d.  h.  mit  andern  Worten  in  dem  größeren 
Isländerbuche,  aus  dessen  Überarbeitung  unser  Isländerbuchlein  hervor- 
gegangen ist.  Bei  den  sämmtlichen  Citaten  aus  Ari,  die  sich  bei  Oddr 
Snorrason  und  Gunnlaugr  Leifsson,  dann  in  der  Olafssaga  Tryggva- 
sonar  und  Olafssaga  helga  der  Heimskringla,  wie  auch  deren  späteren 
Bearbeitungen,  oder  wieder  in  der  Kristnisaga  finden®®),  handelt  es 
sich  in  der  That  auch  nur  um  einzelne  chronologische  Daten  oder  doch 
so  abgerissene  Notizen,  daß  solche  recht  wohl  in  einem  wesentlich 
der  isländischen  Geschichte  gewidmeten  Werke  Platz  gefunden  haben 
konnten.  ,  Man  sieht,  bezüglich  der  konilnga  sefi  führt  Snorris  Prolog 
auch  seinerseits  ganz  entschieden  zu  dem  Ergebnisse,  daß  diese  in  dem 
größeren  Isländerbuche  mit  enthalten  waren,  und  erst  hinterher  bei 
dessen  Überarbeitung  und  Abkürzung  weggestrichen  wurden,  und  durch 
nichts  sind  wir  berechtigt,  in  denselben  ein  für  sich  bestehendes  selb- 
ständiges Werk  zu  sehen.  —  In  Betreff  der  auf  die  Landnäma  bezüg- 
lichen Arbeiten  Ari's  fehlen  uns  gleich  bestimmte  Behelfe.  Snorri,  der 
selber  nur  die  norwegische  Geschichte  behandelte,  hatte  keine  Ver- 
anlassung, über  sie  sich  zu  äußern,  und  wenn  zwar  die  Angabe,  daß 
Ari  in  seinem  Werke  unter  Andern  um  Islands  hygd  gehandelt  habe,  ' 
auf  die  ältere  Islendingabök,  falls  diese  jene  Arbeiten  enthielt,  ganSs 
vortrefflich  passen  würde,  so  lässt  sich  doch  nicht  bestreiten,  daß  sie 
zur  Noth  auch  auf  unser  jüngeres  Isländerbüchlein   bezogen  werden 

")    Vor   dem  Beg^inne   der  Ynglinga  s. :    JShr  he/r  upp  Konünga  bökf  eptir  aÖgu 
Ära  presU  fr6da.  •*)    Siehe   deren  Nachweise  in  meinen  Quellenzeugnissen  über 

das  erste  Landrecht  und  die  Ordnung  der  Bezirksverfassung  des  isländischen  Freistaats, 
Anm.  22,  S.  98—99. 


314  KONRAü  MAURER 

könnte,  und  somit  insoweit  einen  erheblich  anderen  Inhalt  jener  er- 
steren  nicht  nothwendig  voraussetzen  müsste.  Die  Worte  der  Hauksh6k 
ferner  stellen  nur  die  Existenz  derartiger  Arbeiten  Aris  fest,  s:eben 
aher  über  deren  Character  und  Erscheinungsform  nicht  den  mindesten 
Aufschluß ;  wir  können  hiemach  zwar  N.  M.  Petersen  nicht  Recht  geben, 
wenn  er  gegen  die  Annahme,  daß  auch  sie  der  ersten  Redaction  des 
Tsländerbuches  angehört  hätten,  einwendet,  daß  der  Character  einer 
norwegischen  Königssage  mit  dem  der  Landnima  unverträglich  sei, 
aber  wir  können  doch  insoweit  auch  noch  nicht  schlechthin  die  Mög- 
lichkeit abweisen,  daß  sie  ein  gesondertes  Werk  ftlr  sich  gebildet  haben 
mögen.  Indessen  wird  doch  die  Thatsache,  daß  Aris  Prolog  nach 
meiner  Ausle^ng  neben  der  kominga  aefi  auch  eine  settartala  als  in 
der  zweiten  Redaction  seines  Isländerbuches  weggelassen  bezeichnet, 
und  daß  der  Prolog  Snorris  diese  Ausleanmg  bezüglich  der  ersteren 
entschieden  bestätigt,  auch  bezüglich  der  letzteren  dieselbe  um  so  wahr- 
scheinlicher machen,  und  wird  andererseits  anerkannt  werden  müssen, 
daß  Aufzeichnungen,  wie  solche  unserer  Landnäraa  zu  Grunde  liegen, 
als  „Geschlechtsregister"  recht  wohl  bezeichnet  werden  konnten.  Ich 
glaube  aber  auch  noch  andere  Gründe  flir  die  von  mir  verfochtene 
Ansicht  anfiihren  zu  können.  Dahin  gehört  zunächst  die  Thatsache, 
daß  von  den  auf  isländische  Verhältnisse  bezüglichen  Citaten  aus  Ari, 
welche  sich  in  späteren  Quellen  finden,  zwar  einzelne  sich  auf  unser 
Isländerbüchlein  beziehen  lassen  ®')?  andere  dagegen  nicht  ®?),  während 
doch  hier  wie  dort  immer  nur  Aris  Name  genannt,  nie  aber  das  Werk 
angreffthrt  wird,  aus  welchem  im  einzelnen  Falle  geschöpft  wurde ;  das 
erklärt  sich  vollkommen,  wenn  alle  diese  Citate  aus  einem  und  dem- 
selben Hauptwerke,  dem  großen  Isländerbuche  nämlich,  entlehnt  waren, 
neben  dem  sich  das  kleinere  als  ein  bloßer  Auszug  allenfalls  ignorieren 
ließ,  ganz  wie  dies  Snorri  wirklich  that,  würde  aber  kaum  erklärlich 
sein ,  wenn  dieselben  aus  verschiedenen  Werken  entnommen  wären, 
deren  keines  mit  dem  anderen  irgendwie  zusammenhienge.  Dahin  rechne 
ich  aber  auch  den  anderen  Umstand,  daß  in  unserem  Isländerbüchlein 
noch  hin  und  wieder  Spuren  einer  früheren  weit  umfangreicheren  Re- 
daction stehen  geblieben  sind ,  'welche  zumal  auch  auf  einen  mit  der 


•^)  Kristni  s.,  cap.  12,  S.  27;  Pals  bps  s.,  cap.  18,  S.  145;  Jons  bps  s.,  I,  cap.  6, 
S.  158,  und  Gunnlaugs  Recension,  cap.  18,  S.  231.  •")  Eyrbyggja,  cap.  7,  S.  8 ;  Lax- 
daela,  cap.  4,  S.  8,  und  cap.  78,  S.  330—2;  Njdla,  cap.  115,  S.  173;  auch  Landnama, 
II,  cap.  14,  S.  106 ,  Anm.  1 ,  welche  Stelle  man  nicht  mit  Möbius,  S.  TII,  auf  unsere 
Islendingabök,  cap.  6,  beziehen  darf,  wo  gerade  das  nicht  steht,  wofür  die  Hauksbök 
auf  Ari  sich  beruft.   Vielleicht  auch  Flate^arbök,  I,  S.  526. 


ÜBEB  AM  THORÖIL880N  UND  SEIN  ISLÄNDERBÜCH.  316 

Landnäma  wesentlich  verwandten  Inhalt  der  letzteren  hinweisen^  wäh- 
rend andererseits  wieder  in  der  Landnäma  zahlreiche  Stellen  sich  zer- 
streut finden,  welche  fast  wörtlich  aus  der  Islendingabök  geschöpft  «ich 
erweisen.  Möbius  hat  (S.  XV— VI)  bereits  darauf  hingewiesen ,  daß 
unser  Büchlein  in  seinen  Bischofsgenealogieen  den  ])orläk  Runölfsson 
(t  1133)  als  denjenigen  bezeichne,  es  nü  es  hyscop  i  ScdiahoUej  zugleich 
aber  doch  in  seinem  cap.  10  dem  Gesetzsprecher  Gudmundr  ])orgeirs- 
son  eine  Amtsperiode  von  12  Sommern  zuweise,  was  zwar  an  und  für 
sich  richtig  ist,  aber  unmöglich  vor  dem  Sommer  1134  geschrieben 
sein  kann,  da  ja  erst  nach  diesem  jene  12jährige  Amtsfrist  abgelaufen 
war,  und  erst  im  Sommer  1135  Gudmunds  Nachfolger  ins  Amt  trat. 
Es  liegt  kein  Grund  vor,  die  Zahlangabe,  wie  wohl  vorgeschlagen 
wurde,  fUr  ein  hinterher  von  fremder  Hand  eingeschobenes  Glossem 
zu  erklären;  richtiger  dürfte  die  Annahme  sein,  daß  Ari  selbst  bei 
der  Überarbeitung  seines  ursprünglichen  Werkes  den  Zusatz  gemacht, 
aber  die  Berichtigung  und  Ergänzung  der  Bischofsgenealogieen  ent- 
weder übersehen,  oder  auch  absichtlich  unterlassen  habe,  weil  er  die 
ursprünglich  mit  ihnen  gemeinte  Dedication  fortgelten  lassen  wollte. 
Auch  auf  die  zerhackte  Art  hat  M.  aufmerksam  gemacht,  wie  in  cap.  1 
die  Notiz  über  K.  Haralds  Lebens-  und  Regierungsdauer  mitten  in 
einen  andern  Bericht  hineingeschoben  ist,  dessen  ganzer  Zusammen- 
hang durch  dieselbe  unterbrochen  wird,  oder  wie  zwischen  den  Prolog 
und  das  Capitelverzeichniss  eine  Notiz  über  desselben  K.  Haralds  Vor- 
fahren imd  die  ihm  selber  gelungene  Herstellung  der  Alleinherrschaft 
in  Norwegen  zu  stehen  gekommen  ist.  Das  sind  nun  freilich  Beispiele, 
die  mit  unserer  Landnäma  wenig  zu  thun  zu  haben  scheinen;  aber 
sie  characterisieren  doch  bereits  die  ziemlich  mechanische  Art,  in  wel- 
cher bei  der  Überarbeitung  des  größeren  Isländerbuches  verfahren  wurde, 
und  in  welcher  man  fast  versucht  sein  möchte,  die  Spur  von  Aris 
höherem  Greisenalter  herauszufühlen,  und  der  zuletzt  erwähnte  Beleg 
wenigstens  flihrt  überdies  auch  schon  direct  zu  unserem  Thema  herüber, 
sofeme  sich  in  Landnäma,  I,  cap.  1,  S.  24 — 5  noch  ziemlich  deutlich 
die  Stelle  und  der  Zusammenhang  erkennen  lässt,  an  welcher  und  in 
welchem  jene  Notiz  ursprünglich  gestanden  sein  musste.  Deutlicher 
noch  spricht,  wenn  in  dem  Verzeichnisse  der  Capitel  unseres  Büchleins 
das  erste  frd  Islandshygä,  das  zweite  aber  frd  landndTosmJmnum  6k  laga- 
setning  überschrieben  wird,  was  sehr  genau  der  Angabe  Snorris  ent- 
spricht, daß  Ari  i  upphaß  sinnar  bökar  um  Islands  hyg^  ok  lagasetning 
gehandelt  habe.  Der  Landnämsmenn  brauchte  Snorri  keine  Erwähnung 
zu  thun,  da  sie  in  der  hygd  des  Landes  mitbegriffen  werden  konnten; 


316  KONRAD  MAURER 

aber  wenn  wir  nun  in  jenem  zweiten  Capitel  neben  dem  über  die  Ge- 
setzgebung Gesagten  nur  vier  Landnämsmenn  erwähnt  finden,  je  einen 
aus  jedem  Landesviertel,  und  dann  sofort  den  Verfasser  zu  jener  Zeit 
hinüberspringen  sehen,  es  Island  vas  vipa  hygd  arpit,  so  regt  sich  un- 
willkürUch  die  Vermuthung,  daß  gerade  hier  ursprünglich  jene  »ttar- 
tala  eingeschaltet  gewesen  sein  werde,  welche  die  Hauksbök  als  die 
erste  Grundlage  der  Landnäma  bezeichnete,  nämlich  eine  ungleich  aus- 
gefilhrtere  Aufzählung  der  wichtigeren  Geschlechter,  die  sich  in  jedem 
einzelnen  Landestheile  niedergelassen  hatten.  Ich  habe  anderwärts 
wahrscheinlich  zu  machen  gesucht  ®^) ,  daß  eine  Reihe  von  Notizen, 
welche  unser  Isländerbüchlein  in  geschichtlicher  Reihenfolge  auflftihrt, 
in  dem  älteren  Isländerbuche  noch  in  jener  settartala  zerstreut  gewesen 
waren.  Leicht  ließen  sich  die  dort  zu  bestimmt  begrenztem  Zwecke 
hervorgehobenen  Belege  durch  weitere  vermehren;  ich  beschränke  mich 
aber  hier  darauf,  beispielsweise  bemerklich  zu  machen,  wie  die  Worte 
/  pann  tip  vas  Island  vipi  vaxit  d  mipli  fjalls  oc  fj'&ni  (cap.  1,  S.  4) 
in  der  Landnäma,  I,  cap.  1,  S.  28  wiederkehren :  oh  var  pd  skögr  miUi 
fjaUs  ok  ßöru,  —  femer  cap.  1,  S.  4:  pd  vöro  hdr  menn  cristnir  usw. 
im  Prologus  Landn.,  S.  23.  24:  En  dar  Island  hygdist  af  Ntyregi,  vom 
par  peir  menn  usw.,  —  die  Bemerkung  über  Gunnar  Ülfljotsson  in  cap.  2, 
S.  4  in  Landn.  III,  cap.  liß,  S.  219,  und  die  Nachrichten  über  die  Ülf- 
Ijötslög  ebenda,  IV,  cap.  7,  S.  257 — 9,  —  die  Angaben  über  das  Kjalar- 
ness})ing,  cap.  3,  S.  5,  in  Landn.  I,  cap.  9,  S.  38,  und  der  Satz :  Svd 
hafa  oc  spaker  menn  sagt,  at  d  LX  vetra  yrpi  Island  albygt  svd  at  eigi 
vcere  meirr  sipan  fast  wörtlich  in  Landn.  V,  cap.  15,  S.  321  u.  dgl.  m. 
Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  schloßen  die  Worte,  welche  jetzt  im 
letzten  Capitel  der  Landnäma  stehen,  bereits  im  älteren  Isländerbuche 
den  auf  die  ersten  Niederlassungen  bezüglichen  Abschnitt,  indem  sie 
zugleich  den  Übergang  zum  nächstfolgenden  Gegenstande  bildeten. 
Snorri  sagt,  daß  auf  den  um  Islands  bygS  ok  lagasebning  handelnden 
Abschnitt  die  Chronologie  der  Gesetzsprecher  gefolgt  sei,  und  zwar 
zunächst  bis  zur  Reception  des  Christenthums,  dann  aber  von  hier  ab 
bis  auf  Aris  Zeit  herunter.  Dem  entspricht  nun  vollständig,  daß  im 
Schlußcapitel  der  Landnäma  nach  einer  Recapitulation  der  mächtigsten 
Landnämsmenn  im  Südlande,  wie  eine  solche  am  Ende  jedes  Landes- 
viertels vorkommt,  dann  nach  jener  Notiz  über  den  Abschluß  der 
Niederlassungen  innerhalb  einer  Frist  von  60  Jahren,  und  einem  Ver- 
zeichnisse der  mächtigsten  Häuptlinge,  die  am  Ende  dieser  Frist  lebten, 


'^)  Quellenzeugnisse  über  das_erste  Landrecht,  zumal  S.  70  u.  ff. 


ÜBER  AEl  THORGü^SSON  UND  SEIN  ISLÄNDERBUCH.  317 

die  Bemerkung  folgt:  Hrafa  Hcengsson  hafdi  pd  lögsögu,  worauf  dann 
das  Werk  mit  einer  Bemerkung  über  die  einzelnen  Christen  schließt^ 
welche  sich  unter  den  Landndmsmenn  befanden.  Für  die  Landnäma^ 
wie  sie  uns  vorliegt,  ist  dieser  letztere  Schluß  völlig  unerklärlich;  er 
wird  aber  vollkommen  begreiflich,  wenn  wir  ihn  auf  die  ältere  Islend- 
Ingabök  zurückfuhren.  In  ihr  hatte  das  Verzeichniss  der  am  Schlüsse 
der  landndmatid  mächtigsten  Häuptlinge  ganz  naturgemäß  den  von  den 
Landnämsmenn  handelnden  Abschnitt  abgeschlossen ;  die  Erwähnung 
aber  des  Hrafii  Hsengsson  als  des  ersten  Gesetzsprechers,  welche  sich 
auch  noch  in  imserem  Isländerbüchlein ,  cap.  3,  S.  5,  unmittelbar  an 
jene  Notiz  über  die  öOjährige  Dauer  der  Landnamszeit  anschließt, 
hatte  sodann  das  Verzeichniss  der  Gesetzsprecher  eingefiihrt,  und  waren 
die  auf  dieses  bezüglichen  Angaben,  die  nun  in  cap.  3,  S.  5,  und  cap.  5, 
S.  7  des  neueren  Werkchens  getrennt  stehen ,  ursprunglich  wohl  hier 
vereinigt  gestanden,  worauf  dann  jene  Bemerkung  über  die  christlichen 
Landnimsmänner  und  über  den  hundertjährigen  Bestand  des  Heiden- 
thumes  im  Lande  einen  ganz  sachgemäßen  Übergang  zu  der  nun  fol- 
genden Schilderung  der  Bekehrung  des  Landes  zum  Christenthume 
bildete.  Hält  man  diese  Folgerung  ftlr  stichhaltig,  so  wird  man  auch 
sofort  zugeben  müssen,  daß  die  bisher  noch  unbesprochenen  Nach- 
richten, welche  die  6  ersten  Capitel  unseres  libellus  enthalten,  auch 
ihrerseits  in  dem  auf  die  Landname  bezüglichen  Abschnitte  zerstreut 
gewesen  waren.  So  muss  die  in  cap.  4,  S.  5 — 6  enthaltene  Angabe  über 
die  Ordnung  des  Kalenders  ursprünglich  in  Landn.  H,  cap.  23,  S.  131 
gestanden  sein,  wo  ihrer  in  der  That  noch  Erwähnung  gethan  wird, 
und  sie  ist  in  unserem  Isländerbüchlein  wirklich  nicht  an  der  richtigen 
Stelle  eingeschoben,  da  der  Vorgang  in  die  Amtsperiode  des  ))orkell 
roäni  (970—84),  also  erst  in  spätere  Zeit  als  die  Ordnung  der  Bezirks- 
verfassung filllt;  mag  sein,  daß  der  in  einer  alten  computistischen  Hs. 
enthaltene  Bericht  über  jenen  Vorgang  ®*),  welcher  in  der  Wortfassung 
einigermaßen  abweicht,  aus  dem  älteren  Isländerbuche  abgeschrieben 
ist  Der  Bericht  über  die  Ordnung  der  Bezirksverfassung,  welchen 
cap.  5,  S.  6 — 7  gibt,  mochte  ursprünglich  in  Landn.  II,  cap.  12,  S.  98 
und  cap.  18,  S.  115,  vielleicht  auch  cap.  19,  S.  116,  gestanden  sein, 
wie  denn  einzelne  Bestandtheile  desselben  sich  wirklich  noch  an  den 
ersteren  beiden  Stellen  finden ;  die  Nachricht  endlich  über  die  Ent- 
deckung und  Besiedelung  Grönlands,  welche  sich  in  cap.  6,  S.  7  findet, 
hatte  unzweifelhaft  ursprünglich,  nur  in  etwas  ausflihrlicherer  Fassung, 


**)  Abgedruokt  in  den  Islendinga  sogar,  I,  8.  386  (1843). 


318  KONEAD  MAURER 

in  Landn.  11 ,  cap.  14,  S.  105—6  ihre  Stelle  gehabt,  wo  ja  noch  jetzt 
entsprechende  Notizen,  und  in  der  Hauksbök  so^ar  eine  ausdrückliche 
Verweisung  auf  Ari  zu  finden  sind.  Wenn  also  Snorri  von  Islands  bygS 
ok  lagasetning  spricht,  ist  dies  nicht  etwa  so  zu  verstehen,  als  wäre 
damit  gesagt,  daß  Ari  zuerst  von  den  Ansiedelungen  auf  der  Insel  und 
dann  von  der  Ordnung  ihrer  Gesetzgebung  gehandelt  habe,  sondern  so, 
daß  Gesetzgebung  und  Landname  als  in  einem  Abschnitte  vermischt 
besprochen  bezeichnet  werden  wollten.  Was  sodann  den  weiteren  Ver- 
lauf des  älteren  Werkes  betrifft ,  so  ist  bereits  bemerkt  worden ,  daß 
an  die  Notiz  über  die  christlichen  Landnamsmänner  sich  zunächst  die 
Bekehrungsgeschichte  Islands  schloß.  Diese  wird  in  cap.  7  des  Büch- 
leins nur  sehr  unvollständig  vorgetragen;  in  dem  älterem  Buche  da- 
gegen dürfte  sie  weitläufiger  behandelt  worden  sein,  und  fehlt  es  nicht 
an  Spuren,  die  hierauf  hinweisen.  In  cap.  8  wird  Bischof  Friedrich  er- 
wähnt als  einer,  der  schon  im  Heidenthume  die  Insel  besucht  hatte. 
Ari  hatte  «omit  Kenntniss  von  seiner  Mission ,  und  konnte  sie  eben- 
darum kaum  ignoriert  haben.  Die  Ej'istnisaga  femer,  welche  ganz 
ex  professo  die  Kirchengeschichte  Islands  behandelt,  beginnt  gerade 
mit  dieser  Mission,  ohne  mit  einem  Worte  der  ersten  Christen  irischer 
Abkunft,  oder  wieder  jener  christlicher  Landnamsmänner  zu  gedenken, 
deren  doch  der  auf  Ari  zurückzufiihrende  Anfang  und  Schluß  der 
Landnäma  Erwähnung  thut.  Nun  ist  uns  die  Kristnisaga  nur  in  der 
Hauksbök  erhalten,  und  bildet  in  dieser,  wie  Gudbrandr  Vigfilsson 
•bereits  bemerkt  hat  ®*),  nur  eine  Fortsetzung  der  Landnäma ;  während 
jene  mit  jener  Notiz  über  die  christlichen  Landnamsmänner  schließt, 
beginnt  diese  mit  den  Worten :  Nu  hefr  pat^  hversu  kristni  kom  d  Island, 
und  geht  sogleich  auf  jjorvaldr  vidforli,  den  Begleiter  B.  Friedrichs  über. 
Ein  Verzeichniss  der  mächtigsten  Häuptlinge  auf  Island^  die  zur  Zeit 
der  Ankunft  dieses  letzteren  daselbst  lebten,  ist  ganz  im  Geschmacke 
der  entsprechenden  Zusammenstellungen  in  der  Landnäma  gehalten, 
die  doch  zweifellos  den  synchronistischen  Bestrebungen  Aris  ihre  Ent- 
stehung verdanken ;  Grund  genug  zu  der  Vermuthung,  daß  wir  in  der 
Kri'Stnisaga  eine  selbstständige  Überarbeitung  der  letzten  Abschnitte 
des  älteren  Isländerbuches  erhalten  haben,  welche  denn  auch,  wenn 
ich  von  ein  paar  abgerissenen  und  offenbar  est  später  ihr  angehängten 
Notizen  absehe,  genau  mit  demselben  Zeitpuncte  schließt,  wie  unser 
Isländerbüchlein.  Die  weitere  Fortsetzung  des  Cataloges  der  Gesetz- 
sprecher einerseits ,    und  das  nunmehr  hinzutretende  Verzeichniss  der 


•^)  Vorrede  zu  den  Bibkupa  sögur,  I,  S.  XX. 


ÜBER  ABI  THORGILSSON  UND  SEIN  ISLÄNDEBBüCH.  31^ 

Bischöfe  andererseits  schloß  das  Werk ,  wobei  wohl,  wie  in  unserem 
Büchlein,  die  hervorragenderen  Begebenheiten,  welche  sidi  während 
der  Amtsperiode  der  einzelnen  Bischöfe  und  Gesetzsprecher  ereigneten, 
in  die  Verzeichnisse  mit  eingeschoben  wurden.  Die  Notizen  aber  zur 
Eönigsgeschichte  des  Nordens  dürften ,  wie  Snorri  dies  ausdrücklich 
andeutet,  und  wie  es  im  Grunde  audi  schon  der  Titel  des  Werkes  als 
IslmiingaMk  mit  sich  bringt,  lediglich  in  derselben  Weise  gelegentlich 
an  verschiedenen  Stellen  desselben  eingeschaltet  gewesen  sein,  wie  sie 
dies,  so  weit  sie  überhaupt  in  demselben  stehen  geblieben  sind,  noch 
in  unserem  Isländerbüchlein  sind,  mit  alleiniger  Ausnabme  der  Nach- 
richten über  K.  Haraldr  hdrfagri,  seine  Vorgänger  und  die  ihm  gleich- 
zeitigen Könige  Dänemarks ,  Schwedens  und  Englands ,  welche ,  wie 
oben  schon  bemerkt,  eine  außerhalb  des  Buches  stehende  Einleitung 
zu  demselben  gebildet  zu  haben  scheinen. 

Man  sieht,  meine  Ansicht  über  die  schriftstellerischen  Leistungen 
Aris ,  soweit  sie  überhaupt  hier  in  Frage  kommen ,  geht  dahin ,  daß 
derselbe  weder  über  die  norwegische  Königsgeschichte  noch  über  die 
Ansiedelungen  auf  Island  selbstständige  Werke  geschrieben  habe,  son- 
dern lediglich  eine  doppelte  Redaction  des  Isländerbuches,  von  welcher 
die  ältere,  ungleich  umfassendere  auch  seine  Arbeiten  in  jenen  beiden 
Richtungen  in  sich  begriff,  während  diese  aus  der  zweiten ,  weniger 
umfassenden,  weggelassen  worden  waren.  Insoweit  also  stehe  ich  mit 
Gudbrandr  Vigfüsson  nicht  nur,  sondern  auch  mit  Dahlmann,  Werlauff 
und  weiter  hinauf  mit  O.  Sperling  auf  derselben  Linie,  und  mit  Gudbrandr 
theile  ich  auch  die  Überzeugung,  daß  bereits  Ari  selbst  diesem  Ver- 
hälüiisse  der  beiden  Redactionen  zu  einander  durch  die  Titel  Rück- 
sicht getragen  habe,  die  er  ihnen  beilegte.  Was  aber  meine  Ansicht 
über  das  Aussehen  des  älteren  Isländerbuches  betrifft,  nähere  ich  mich 
am  meisten  den  Anschauungen  Finn  Magnüssons,  wiewohl  ich  auch 
von  ihnen  nicht  unerheblich  abweiche.  Ich  halte  nämlich  dafür,  um '  es 
kurz  zusammenzufassen^  daß  die  ältere  Islendingabök  mit  einer  Ein- 
leitung begann,  welche  von  K.  Harald  härfagri  und  seinen  Vorfahren 
handelte,  und  einerseits  die  Herstellimg  der  Alleinherrschaft  in  Nor- 
wegen durch  ihn  berichtete,  andererseits  in  synchronistischer  Weise 
der  mit  ihm  'gleichzeitigen  Regenten  in  einer  Reihe  anderer  Staaten 
gedachte.  Dann  folgte  die  Geschichte  der  Entdeckung  Islands,  und 
mit  ihr  zusammenhängend  eine  Besprechung  der  wichtigeren  Ansiedler- 
familien, bereits  nach  Landesvierteln  geordnet  und  am  Schhiße  jedes 
Viertels  mit  einer  Zusammenstellung  der  mächtigsten  landnämsmenn 
versehen,  wie  in  unserer  Landnäma ;  mittelst  zerstreuter  Bemerkungen 


320  KONKAD  MAURER 

war  dabei  zugleich  gelegentlich  bemerkt  worden,  was  der  Verfasser 
ttber  die  Geschichte  der  Rechtsordnung  auf  der  Insel  anzugeben  wusste, 
und  der  Abschnitt  schloß  mit  einer  Zusammenstellung  der  Häuptlinge, 
welche  am  Schluße  der  Landnamszeit,  oder  was  dasselbe  ist,  zur  Zeit 
des  Todes  K.  Haralds,  die  mächtigsten  waren.  Hier  schloß  sich  nun 
zunächst  die  Chronologie  der  Gesetzsprecher  an  bis  zu  jjorgeirr  Ljds- 
vetningagodi  (985 — 1001)  herab,  und  mag  sein,  daß  bei  dieser  Gelegen- 
heit  auch  die  gleichzeitig  im  Norden  regierenden  Könige  und  Kö- 
nigsgeschlechter kurz  besprochen  wurden;  sodann  aber  führte  eine 
kurze  Notiz  über  die  christlichen  Landnämsmänner  zur  Besprechung 
der  Missionen  B.  Friedrichs ,  Stefnis  und  Dankbrands ,  sowie  zu  der 
Schilderung  der  endlichen  Bekehrung  Islands  im  Jahre  1000  hinüber. 
Mit  ihr  verband  sich  ungesucht,  was  der  Verfasser  über  K.  Olaf  Tryggva- 
son  und  seine  Gegner  zu  sagen  hatte ;  von  da  ab  aber  fUhrten  dann 
einerseits  die  Verzeichnisse  der  Gesetzsprecher  und  andererseits  die 
der  Bischöfe  die  Geschichte  Islands  bis  zum  Jahre  1120  herab,  mit 
welchem  das  Werk  schloß,  wobei  die  Synchronismen  der  Königsregie- 
rungen und  was  sonst  etwa  noch  der  Erwähnung  werth  schien ,  sich 
leicht  am  einen  oder  andern  Orte  mit  einflochten.  Anhangsweise  end- 
lich waren  dann  noch  die  Bischofsgenealogieen  als  eine  Art  von  Wid- 
mung an  die  regierenden  Bischöfe,  und  war  der  Stammbaum  Aris 
selbst  als  eine  Art  von  Einfahrung  seines,  des  Verfassers,  Namens  bei- 
gegeben, diese  wie  jene  als  ein  nicht  mehr  zum  Werke  selbst  gehöriges 
Parergon.  Bei  seiner  zweiten  Bearbeitung  aber  beseitigte  Ari  nicht 
nur  die  konünga  sefi  und  die  settartala  bis  auf  wenige  von  beiden 
stehen  gebliebene  Spuren^  sondern  er  sah  sich  durch  diese  Weglassung 
der  früheren  Notizen  über  die  einzelnen  einwandernden  Geschlechter 
auch  genöthigt,  die  einzelnen  Angaben  zur  Verfassungsgeschichte  der 
Insel,  welche  er  an  diese  angeknüpft  hatte,  aus  diesem  Zusammenhange 
zu  lösen ,  und  zu  einer  fortlaufenden  Geschichtserzählung  zusaramen- 
zufUgen;  manche  interessante  Nachricht  über  einzelne  Puncto  der  islän- 
dischen Rechtsgeschichte  gieng  bei  dieser  Umgestaltung  verloren,  ganz 
wie  die  Kirchengeschichte  der  Insel  aus  derselben  Veranlassung  we- 
sentlich abgekürzt  wurde,  und  hin  und  wieder  mag  es  gelingen,  aus 
anderen  Quellen,  welche  die  ältere  Islendingabök  noch  benutzt  und 
ausgeschrieben  haben,  noch  einzelne  erhebliche  Angaben  herauszuziehen, 
die  sich  mit  voller  Bestimmtheit  oder  doch  hoher  Wahrscheinlichkeit 
auf  dieses  Werk  zurückfiihren  lassen,  —  in  einzelnen  anderen  Fällen 
mag  freilich  auch  umgekehrt  der  Text  des  jüngeren  Isländerbüchleins 


ÜBER  Aßl  THOßÖILßSOK  tJKD  SEIN  ISLÄNBERBUCH.  321 

kleinere  Zusätze  oder  Berichtigungen  erhalten  haben;  welche  den  Inhalt 
des  älteren  und  größeren  Werkes  in  etwas  verbesserten  oder  ergänzten. 
Sehr  au£[kllig  ist  aber  die  mechanische  Art;  in  welcher  Ari  bei  seiner 
Überarbeitung  verfuhr.  Er  strich  zahli:eiche  Stellen  aus  seinem  älteren 
Werke  weg,  —  er  stellte  die  einzelnen  Stücke ;  welche  er  aus  ihm 
herübemahm,  dem  neuen  Plane  gemäß  vollständig  um;  aber  die  ein- 
zelnen Stellen,  welche  er  in  die  neue  Bearbeitung  überhaupt  aufiiahm, 
ließ  er,  soviel  sich  erkennen  lässt,  in  ihrem  Wortlaute  so  gut  wie  völlig 
unverändert,  und  daraus  erklärt  sich  die  gehackte,  nicht  selten  übel 
zusammenhängende  Haltung  der  Darstellung  in  unserem  Isländerbüch- 
lein, welche  mit  dem  markigen,  wohlgeordneten  Vortrage  in  größeren 
einheitlichen  Stücken,  wie  etwa  in  cap.  5  oder  cap.  7,  auffallend  con- 
trastiert, —  erklärt  sich  femer  das  Stehenbleiben  so  mancher  Sätze 
der  ersten  Kedaction,  welche  zu  der  Abfassungszeit  und  dem  dadurch 
bedingten  anderweitigen  Inhalte  der  zweiten  in  keiner  Weise  harmo- 
nieren. Man  möchte  annehmen,  daß  Ari,  durch  die  Critik  der  beiden 
Bischöfe  und  des  gelehrten  Ssemunds  unangenehm  berührt,  nur  ungern 
an  die  Umgestaltung  seines  Werkes  gegangen,  imd  darum  bei  dieser 
so  wenig  sorgfältig  verfahren  sei,  —  oder  noch  lieber,  daß  er,  wie 
dies  oben  schon  gelegentlich  angedeutet  wurde,  in  den  10,  15  Jahren, 
die  zwischen  dem  Abschlüsse  beider  Bedactionen  in  der  Mitte  liegen 
mochten,  sehr  gealtert,  und  darum  nicht  mehr  die  frühere  geistige  Kraft 
besessen  habe;  im  Jahre  1067  oder  1068  geboren,  musste  er  im  Jahre 
1134  schon  volle  66 — 67  Jahre  alt  sein,  alt  genug,  um  zu  einer  in  der 
Schriftstellerei  noch  ganz  und  gar  nicht  bewanderten  Zeit  nur  mit 
lahmer  Kraft  an  das  neue  Werk  zu  gehen.  Wie  dem  aber  auch  sei, 
an  dem  Ergebnisse  meiner  Beweisführung  wird  durch  die  Stichhaltig- 
keit oder  UnStichhaltigkeit  derartiger  Vermuthungen  nichts  geändert; 
ich  kann  nur  wünschen,  daß  sachkundige  Leser  dieselbe  vorurtheilslos 
prtlfen,  und  in  ihren  Hauptpuncten  eben  so  günstig  au&ehmen  mögen, 
wie  dies  Th*  Möbius  soeben  zu  meiner  großen  Befriedigung  ge- 
than  hat. 

MÜNCHEN,  18.  Oct.  1869.  KONRAD  MAUREB. 


322  HEBMANN  KURZ 


ZUM  LEBEN  GOTTFßlEDÖ  VON  STB ASSBÜßG  *). 


VON 

HERMAfßf  KURZ. 


Am  j  besten  beginnt  sichs  mit  dem  gottesgerichtlichen  Wunder, 
dessen  früher  schon  gedacht  worden  ist  Unter  den  zu  Straßburg  durch 
die  Feuerprobe  tiberfährten  Ketzern  war  einer^  der  sich  auf  dem  Gang 
zur  Flammengrube  von  einem  theilnehmenden  Begleiter  überreden  ließ, 
daß  das  Leben  doch  schön  sei.  Er  widerrief  also  und  gieng  zur  Beichte, 
und  siehe,  stracks  war  seine  vom  glühenden  Eisen  verbrannte  Hand 
wieder  heil.  Jetzt  aber  begab  sich  noch  ein  ganz  anderes  Wunder. 
Seine  Frau  war  nicht  bloß  eine  so  verstockte  Ketzerin,  daß  sie  mit 
sehenden  Augen  der  geheilten  Hand  nicht  glaubte,  sondern  übte  auch 
obendrein  mit  ihrem  Munde  einen  Zauber,  der  ihn  selbst  verblendete 
imd  zum  Rückfall  bewog.  Daß  hierauf  erstens  blitzplötzUch  an  der  Hand 
des  Mannes  der  Brand  wieder  ausbrach  und  zweitens  sich  auch  der 
Hand  der  Frau  mittheilte,  ist  sicherlich  fdr  das  kleinere  Wunder  zu 
achten.  Allein  der  unschuldige  Cäsarius  ahnt  nichts  hiervon:  er  erzählt 
vielmehr  ganz  ehrlich,  wie  die  Frau  den  Mann  beschwor,  des  kurzen 
Schmerzes  nicht  zu  achten,  ja  lieber  hundertmal  den  Leib  dem  Feuer 
preiszugeben,  als  von  dem  einmal  bewährt  erfundenen  Glauben  abzu- 
fallen; so  daß  man  den  wahren  Hergang  leicht  erräth.  Das  Ende  ist 
natürlich,  daß  beide  zusammen  in  die  Gluth  gestossen  werden. 

Dies  ist  die  Tonart,  aus  welcher  diese  Legenden  gehen.  Mit  den 
andern  kann  man  jetzt  schneller  fertig  sein.  Nur  zuvor  noch  ein  paar 
kurze  Bemerkungen  über  einen  Punct,  in  welchem  sich  die  erste  von 
den  übrigen  unterscheidet.  Sie  enthält  nämlich,  ob  auch  eine  raschere 
Critik  sie  leicht  mit  Haut  und  Haar  ins  Kehricht  werfen  dürfte,  offen- 
bar dennoch  eiuen  Bestandtheil  von  Wirklichkeit.  Hiemit  stimmt  auch 
der  angeführte  Marbacher  Annalist  überein,  nach  dessen  strengem 
Wortlaut  unter  denen,  die  in  Straßburg  das  gltlhende  Eisen  tragen 
mussten,  einige  Wenige  unschuldig,  also  unversehrt  befanden  worden 
wären;  das  steht  nun  einmal  Schwarz  auf  Weiß  und  gibt  zu  denken, 
um  so  mehr,  als  es  nicht  allein  steht  **).  Welche  Hände  es  aber  waren^ 


*)  Vgl.  oben  S.  207  ff. 

**)  Im  Jahr  1183  hauste  in  Arras  ein  Ketzergericht,   von  welchem  eine  gleich- 
zeitige Feder  im  benachbarten  Kloster  Anchin  (die  sogenannte  Continuatlo  Aquicinctin« 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBÜRÖ.  323 

die  das  Eisen  nach  Gefallen  heiß  oder  kalt  zu  glühen  wussten,  darüber 
wird^  nachdem  wir  den  Hauptzeugen  gehört  haben ;  kein  Wort  mehr 
zu  verlieren  sein. 

Und  nun  die  andern  Geschichtchen. 

Ein  Geistlicher  hat  Ehebruch  mit  der  Frau  eines  Ritters  getrieben, 
der  ihn,  als  er  halben  Wind  davon  bekommt,  einem  Besessenen  zu- 
führt, aus  welchem  ein  allwissender  Dämon  spricht.  Der  Priester  aber 
findet  Zeit,  geschwind  vorher  im  Stall  dem  Ejiecht  des  Ritters  zu 
beichten,  der  ihm  klüglich  auferlegt,  aich  seine  BuÜe  selbst  zu  bestimmen, 
wie  er  selbst  sie  einem  andern  Priester  im  gleichen  Falle  vorschreiben 
würde.  Als  nun  der  Ritter  mit  ihm  zu  dem  Dämon  kommt,  erklärt 
dieser,  er  wisse  nichts  über  den  Mann  zu  sagen,  der  —  wie  er  bos- 
haft auf  lateinisch  beisetzt  —  im  Stall  gerechtfertigt  worden  sei. 

Ein  drittes.  Der  Ejiecht  eines  Ritters,  der  mit  dessen  Frau  ge- 
sündigt, wird  von  seinem  Herrn  in  gleicher  Absicht  zu  dem  gleichen 
Orakel  gefilhrt.  Unterwegs  schützt  er  ein  natürliches  Bedürfiiiss  vor 
(womit  sich  auch  der  Priester  im  vorigen  Geschichtchen  den  Weg  zur 
Beichte  bahnte)  und  springt  in  den  Wald,  um  einem  dort  wahrgenom- 
menen Holzhauer  seine  Nothbeichte  aufzudringen  imd  seine  Buße  von 
ihm  zu  empfangen.  Der  Erfolg  ist  derselbe:  „ich  habe  allerlei  von  dem 
Mann  gewusst,"  sagt  der  Dämon,  „aber  jetzt  weiß  ich  nichts  mehr 
von  ihm.** 

Ein  viertes.  Ein  Hauskobold,  dem  es  Spaß  macht,  die  Leute  ans 
Messer  zu  liefern,  ruft  in  Frauengesellschaft  einer  mit  ihrer  Tochter 
anwesenden  Mutter  zu,  sie  habe  ihr  Kind  schlecht  gehütet,  es  sei  nicht 
mehr  rein.  Die  Tochter,  auf  diese  Worte  hin  jählings  Verstössen,  ent- 
fernt sich  mit  heuchlerischen  Thränen  (so  sagt  Cäsarius)  und  lauten 
Unschuldsbetheuerungen ,   läuft  aber   (durch  Eingebung  Gottes,    sagt 


des  Sigebert  von  Gembloux,  Mon.  YIII,  Scr.  VI,  421)  erzählt,  daß  die  wunderbare 
Kraft  der  Beichte  Viele  der  Angeklagten  aus  der  Feuer-  und  Wasserprobe  unverletzt 
habe  hervorgehen  lassen.  ,,Hic  apparuit  preclara  virtus  confessionis.  Nam  ut  ab  his, 
qui  interfuerunt,  veraciter  probatum  est,  multi  ante  in  heresi  culpabiles  per 
Dei  misericordem  gratiam  a  ferri  cauterio  et  aque  periculo  evasemnt  incolumes.  In 
Castro  Yprensi  duodecim  ad  iudicium  ferri  sunt  adducti,  sed  per  eamdem  confessionis 
virtutem  omnes  salvati«**  Es  ist  treilich  kaum  recht  abzusehen,  warum  man  sie,  nach- 
dem sie  gebeichtet  oder  beichten  zu  wollen  erklärt,  also  jedesfalls  widerrufen  hatten, 
doch  noch  dem  Gottesurtheil  unterwarf.  Daß  es  in  Wirklichkeit  geschehen,  daß  irgend 
ein  entsprechender  Hokuspokus  vorgenomm^i  worden  ist,  kann  gegenüber  der  Yersi^ 
cherung  von  Augenzeugen  nicht  bezweifelt  werden«  Vielleicht  wollte  man  die  Hart- 
näckigeren, ehe  man  die  letzten  Schritte  that,  durch  ein  Wunder  bekehren;  und  ein 
Wunder  war  im  Übrigen  immer  Tortheilhaft 


324  HERMANN  KÜRZ 

Cäsarius)  zu  einem  benachbarten  Priester  und  beichtet  diesem,  daß 
der  Dämon  die  Wahrheit  gesagt  habe.  Der  absolviert  sie  und  heißt  sie 
thun,  was  folgt.  Das  gehorsame  Beichtkind  nämlich  kehrt  zur  Gesell- 
schaft zurück  und  macht  der  Mutter  die  größten  Vorwürfe  über  die 
schwere  Sünde,  dem  Lügner,  dem  Sohn  des  Vaters  der  Lügen,  geglaubt 
zu  haben.  Hierüber  zur  Rede  gestellt,  erklärt,  der  Dämon  verschüchtert, 
er  habe  ja  gar  nichts  Böses  von  dem  Mädchen  gesagt  und  könne  auch 
nichts  Böses  von  ihr  sagen,  sie  sei  gut  und  rein. 

So  der  glaubensstarke  Novizenmeister  und  Prior  von  Heisterbach, 
ftir  dessen  novellistische  Kraftstücke  natürlich  die  Berichterstattung 
jede  Verantwortlichkeit  ablehnt.  Wenn  man  ihm  gerecht  sein  will,  so 
muss  man  beifügen,  daß  er  neben  der  Beue^  Beichte  und  Buße  auch 
von  den  Vorsätzen  für  das  künftige  Verhalten  spricht.  Deren  aber 
scheint  ihm  eigentlich  nur  Einer  zur  Qnadenwirkung  absolut  unerläss- 
lich,  der  Vorsatz,  die  auferlegte  Buße  (z.  B.  das  Beten  eines  Psalms) 
auch  wirklich  zu  erfiillen ;  wofür  er  gleich  wieder  ein  Beispielchen  weiß. 
Indessen  gibt  er  sich  zufrieden,  wenn  der  Sünder  sogar  mit  dem  Vor- 
sätze des  Wiedersündigens  zur  Beichte  kommt,  weil  er  hofft,  der  Beich- 
tiger werde  ihm  den  bösen  Willen  schon  austreiben;  wofür  er  alsbald 
wieder  ein  Exempel  in  Bereitschaft  hat. 

Die  Idealität  des  dritten  Innocenz  auf  sich  beruhen  gelassen  — 
die  Zeugnisse  echt  und  tief  religiösen  Geistes,  die  uns  von  hervor- 
ragend.en  Predigern  jener  Zeit  hinterlassen  sind,  in  vollen  Ehren  und 
Würden  gehalten  —  das  also  war  die  Art,  mit  Predigtmärlein  und 
LehmoveUen  von  helfershelferischen  Gnadenwundem  —  und  durch 
wahrhaft  fromme  Seelen,  die,  wie  ein  Cäsarius  und  seine  Novizenschaar, 
wahrhaftig  dem  zahmen  Elephanten  gleichen,  der  zur  Einfangung  des 
wilden  abgerichtet  wird  —  die  Geister  in  das  Joch  der  allherrschenden 
Kirche  zu  spannen  I  Mag  man  nun  auch  diesen  Geschichtchen  andere 
gegenüber  stellen,  worin  der  Legendenschreiber  allerdings,  und  beson- 
ders jungen  Clerikem  zur  Warnung,  die  Zügel  etwas  straffer  führt, 
mag  man  dazu,  was  unwidersprechlich,  geltend  machen,  daß  er  über- 
haupt mit  reinem  Herzen  schrieb,  so  bleibt  nicht  bloß  bei  alledem 
einmal  der  Welt  die  Theorie  von  den  für  den  Nothfall  so  billigen 
Stallknechten  oder  Holzhauern  gepredigt  (denn  Predigten  sind  es,  zu 
welchen  die  vielverbreitete  Beispielsammlung  diente);  sondern  neben  der 
Predigt  thut  sich  eine  Praxis  auf,  die  über  jegliche  Theorie  hinausgeht: 
ja,  hundertmal  billiger  noch  als  jene  Stall-  und  Waldbeichtväter  ist, 
wenn  man's  versteht,  der  sonst  so  wüthende  Zelot  zu  finden,  der  Glau-^ 
bensrichter  und  Kreuzprediger,  der,  während  er  zahllose  Ketzer  ver» 


Zmi  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.  325 

meintlich  zur  Hölle  sendet;  während  er  einen  Engel  durch  die  schmälste 
Pforte  in  den  Himmel  zu  quälen  sich  abmüht^  fUr  ausgemachte  Höllen- 
braten ein  wagenweites  Paradiesesthor  ofifen  hat*). 

Was  von  solcher  Theorie  und  Praxis  zu  halten  sei,  das  sollte 
man  nachgerade  auf  jeder  Kanzel  sagen  können.  So  viel  ist  gewiß: 
wenn  das  Halberstädter  Wunder  imd  Seinesgleichen  mit  übernatürlichen 
Dingen  zugegangen  wäre,  so  wären  wir  mit  einer  Weltregierung  heim- 
gesucht, die  unter  polizeiliche  Aufsicht  gestellt  zu  werden  verdiente; 
und  wären  vollends  die  ausgehobenen  Geschichtchen  des  Cäsarius  wahr, 
so  hätten  wir  ja  einen  Gott,  der  zur  Übertretung  des  in  seinem  Namen 
gegebenen  Gesetzes  selber  mithilft,  einen  Gott  des  Luges  und  des  Truges, 
der,  schlimmer  als  der  Teufel,  selbst  diesen,  wo  er  die  Wahrheit  sagen 
will,  zum  Lügen  zwingt! 

Nun,  und  gerade  das  ist  es,  was  auch  Gottfried  ausspricht,  nur 


*)  Eonrad  von  Marburg,  der  geistliche  Vater  nnd  Peiniger  der  heiligen  Elisa- 
bei,  nahm  bekanntlich  als  päpstlicher  Eetzerrichter  das  yerworfenste  Gesindel  an, 
das  durch  Denunciation  und  Verfolgung  wirklicher  oder  angeblicher  Häretiker  sowohl 
entsündigt  wurde ,  als  auch  Gelegenheit  erhielt ,  neue  Schandthaten  straflos  (so  lang 
der  Inquisitor  lebte)  zu  begehen.  Eine  gewisse  Alaidis,  die  ihm  zulief,  brachte,  wie 
der  Chronist  Alberich  (Leibnitz  Accessiones  bist.  11,  544)  erzählt,  ihre  nächsten  Ver- 
wandten auf  den  Scheiterhaufen,  weil  sie  von  ihnen  enterbt  zu  werden  fürchtete.  Aber 
freilich,  Gregor  IX.  hatte  ihm  ja  Vollmacht  ertheilt,  selbst  excommnnicierte  Mörder 
nnd  Mordbrenner  (nur  besonders  schwierige  und  „enorme**  Fälle  dem  apostolischen 
Stuhle  Torbehalten)  zu  absolvieren,  wenn  sie  das  Kreuz  zur  Ausrottung  der  Ketzer 
nehmen.  (Bullarium  Ord.  F.  F.  Praedicatorum  op.  Th.  RipoU,  I,  62;  vgl.  Henke 
Konrad  yon  Marburg,  Anm.  30.)  Ein  großer  Sündenyergeber  war  auch  sein  Ketzer- 
jagdgenosse, der  Bischof  Konrad  yon  Hildesheim.  Es  gibt  eine  Urkunde  yon  ihm,  die 
einen  einschlägigen  Fall  berichtet  Ein  Edelmann  hatte  eine  Reihe  yon  Verbrechen 
begangen,  in  Folge  deren  er  sich  ohne  allen  Zweifel  nicht  mehr  halten  konnte.  Der 
Bischof  bewog  ihn  zu  dem  Entschlüsse,  freiwillig  seinem  Eigenthum  zu  entsagen,  sich 
auf  Nimmerwiedersehen  mit  dem  Kreuze  zeichnen  zu  lassen ,  im  Wege  des  Selbst- 
schubes und  des  Bettels  dem  deutschen  Hause  in  Jerusalem  zuzuziehen,  dort  den 
Übersehuss  der  gesammelten  Almosen  niederzulegen  und  den  Rest  seines  Lebens  im 
Dienste  Gottes  zu  verbringen ,  zu  welchem  Behufe  er  ihm  ein  Empfehlungssehreiben 
an  alle  Christ^äubigen  mitgab,  das  denen,  die  ihm  hilari  animo  ihre  Spenden  reichen 
würden,  stattlichen  Ablass  ertheilt  und  den  Wallfahrer  selbst  als  unverletzlichen  homo 
religiosus  in  den  Schutz  der  Kirche  nimmt,  mit  folgender  Aufzählung  seiner  Verbrechen: 
„Sex  vires  interfecit;  spoliis  interfuit;  predonibus  a  puericia  se  miscuit;  ecclesias  de- 
predatus  est;  sorori  sue  accubuit,  que  per  ipsum  puerum  unum  (sie)  peperit"  (Parerga 
Gottingensia,  I,  4,  S.  34—36).  —  Diese  Thatsachen,  die  als  besonders  sprechende  Bei- 
spiele zeigen,  wie  sehr  unsere  Herren  Missethäter,  zumal  die  stiftungsfähigen,  sich  in 
das  milde  Mittelalter  zurückzusehnen  Ursache  haben,  fallen  immer  noch  in  Gottfrieds 
Zeit,  obgleich  er  selbst  sie  nicht  mehr  erlebt  hat;  übrigens  wird  es  ja  unbestritten 
bleiben,  daß  die  Praxis  (wie  man  sie  auch  wenden  und  deuten  möge)  älter  ist 
QBRUANIA.  Ncutt  Reihe  TU.  (XV.)  Jahrg«  22 


326  HERMANN  KURZ 

sagt  er  es,  bei  aller  Wärme,  etwas  weniger  hitzig  und  in  seiner  Weise; 
Auch  hat  er  in  jenem  Abschnitt  des  Gedichtes  einen  höchst  eigenthüm- 
lichen  Standpunct,  der  mit  in  Betracht  gezogen  werden  muss.  Allein 
hier  fragt  es  sich  zuvor  abermals,  wie  weit  er  etwa  in  der  Behandlung 
der  Sage  selbstständig  ist,  und  wir  müssen  daher  zunächst  auf  seine 
schon  früher  berührte  Quelle  noch  einmal  zurückkommen. 

Gottfried  sagt,  er  habe  sich  den  Thomas  von  Bretagne  zur  Vor- 
lage genommen,  und  gibt  dabei  zu  verstehen,  er  ziehe  denselben  wegen 
seiner  zuverlässigeren  Berichterstattung  andern  Quellen  vor.  Diese  hi- 
storische Gewissenhaftigkeit  zunächst,  dieses  Wichtignehmen,  ob  Ri- 
walin  Herr  von  Lohnois  oder  Parmenien  war,  muss  dem  Heutigen 
befremdlich,  ja,  sofern  Gottfried  und  sein  Fortsetzer  Heinrich  über  den 
Thomas  in  offenem  Widerspruche  sind,  fast  verdächtig  scheinen.  In- 
dessen der  merkwürdige  historisch  sein  sollende  Excurs  über  das  Lehns- 
verhältniss  zwischen  Komwall,  Irland  und  Rom  macht  es  dennoch 
wahrscheinlich ,  daß  der  Dichter  dem  chronicalischen  Geschmacke 
seiner  Zeit,  wenn  er  ihn  nicht  gar  in  etwas  theilte,  doch  ein  wenig 
huldigte.  Weitere  Zweifel  könnte  die  Angabe  erregen,  durch  welche 
Gottfried  jenen  Thomas  als  einen  Geschichtschreiber  zu  bezeichnen 
scheint,  während  Spuren  vorliegen,  die  es  wahrscheinlich  machen,  daß 
er  vielmehr  ein  Gedicht,  wenigstens  so  weit  dessen  erhaltene  Frag- 
mente reichen ,    zur  Vorlage  hatte  *).    Allein  wie  dem  sein  möge ,  die 


♦)  Sine  sprächen  in  der  rihte  nihtj 

als  Thdmas  von  Britanje  giht, 
der  dventiure  meiater  was 
und  an  hritünschen  btioehen  las 
aller  der  lanthirren  leben 
und  ez  um  ze  künde  hat  gegeben. 

Die  Bezeichnung  dventiure  meisUr  spricht  zwar  mehr  für  als  gegen  die  Annahme,  daß 
ein  Dichter  gemeint  sei,  und  würde  vortrefflich  zu  den  mit  Gottfried  so  auffallend 
verwandten  Fragmenten  stimmen,  deren  Dichter  sich  Thomas  nennt.  (Vgl.  diese  Zeit- 
sehr.  XI,  495.)  Dieser  Thomas  beruft  sich  ganz  mit  den  gleichen  Worten,  mit  welchen 
sich  Gottfried  auf  Thomas  von  Britanje  beruft,  auf  einen  Breri«  Das  wäre  also  eines 
der  bretonischen  Bücher,  von  welchen  Gottfried  redet,  und  so  weit  kSme  Alles  mit 
einander  überein.  Aber  Gottfried  sagt,  sein  Thomas  habe  das  Leben  sSmmtlicher 
Landesherren  geschrieben ,  und  das  scheint  doch  etwas  mehr  als  eine  bloße  Vorge- 
schichte der  Trifltansage,  wie  die  Aventiure  von  ßiwalin  und  Blancheflur,  es  scheint 
vielmehr  eine  förmliche  Geschichte  oder  Chronik  der  Bretagne  zu  bedeuten,  die,  ob 
in  Prosa  oder  in  Reimen  abgefasst,  nur  einen  kurzen  Abriss  der  Sage  hätte  enthalten 

9 

und  nur  gleichsam  zum  Leitfaden  hätte  dienen  können,  um  die  in  widersprechenden 
Gestaltungen  vorliegenden  längeren  Bearbeitungen  auf  das  richtige  Maß  zu  bringen. 
Dem  entsprechend  scheinen  auch  die  Y.  327  (M.  10,  9)  bezeichnete!»  Aventiuren  mehr 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VOX  8TEASSBURG.  327 

Angabe,  daß  er  nach  einer  fremden  Quelle  gearbeitet  habe,  lässt  auf 
alle  Fälle  keinen  Zweifel  zu.  Jede  Zeit  hat  ihre  eigene  Art:  wie  man 
heutzutage  auf  den  Schultern  der  Classiker  des  vorigen  Jahrhunderts 
(nicht  bloß  der  großen)  meist  besser  fortkommt,  als  auf  eigenen  Beinen, 
so  war  man  damals  in  der  Regel  darauf  beschränkt,  tiberlieferte  und 
bereits  behandelte  Stoffe  abermals  in  Behandlung  zu  nehmen.  Obgleich 
großentheils  vom  Auslande  stammend,  waren  sie  eben  bei  jener  Welt 
in  Gunst  Das  Geschäft  des  Bearbeiters  bestand  in  nicht  viel  mehr  als 
einer  Übersetzung ,  die  er  mit  seinen  Bemerkungen  und  Gesinnungs- 
äußerungen, mit  fortwährendem  subjectivem  Dreinreden  begleitete.  Ob 
auch  Gottfried  sich  hieran  genügen  ließ ,  oder  ob  er  es  wagte  und 
wagen  konnte,  in  die  Sage  selbst  gestaltend  einzugreifen,  das  eben 
wäre  zu  wissen  wünschenswerth ;  daher  es  auch  hier  wieder,  wie  früher 
bei  der  Frage  vom  Tode  Riwalins,  zu  beklagen  ist,  daß  wir  seine 
Quelle  nicht  haben. 

Jedesfalls  aber  fand  er  die  Tristansage  in  abweichenden  Gestal- 
tungen vor,  zwischen  welchen  er  zu  wählen  hatte,  und  hierin,  wenn 
auch  in  nichts  anderem,  lag  eine  gewisse  Selbstständigkeit.  Er  spottet 
über  seinen  Vorgänger  Eilhard,  weil  dieser  einer  (mythisch  übrigens 
ganz  unverwerflichen)  Sagenspur  folgt ,  nach  welcher  eine  Schwalbe 
ein  Frauenhaar  über  das  Meer  von  Irland  nach  Komwall  getragen 
hätte.  Eilhards  Bearbeitung,  obwohl  von  ihr  nur  Bruchstücke  erhalten 
sind,  ist  uns  doch  insofern  zugänglich,   als  sie  in  jüngeren  Überarbei- 


historischer  Natur  und  somit  ihr  Meister  in  diesem  Falle  mehr  Chronist  als  Poet  zu 
sein.  Dieser  Punct  dürfte  eine  nähere  Untersuchung  erfordern.  Koch  fraglicher  wird 
die  Sache  hei  Heinrich  von  Friberg,  der,  in  einem  ganz  andern  Sagengeleise  als  Gott- 
fried wandelnd,  dennoch  ebenfalls  yersichert,  er  erzähle  die  wahre  Märe  nach  Thomas 
von  Britania.  Und  zwar  setzt  er  hinzu,  derselbe  habe  in  lampar tischer  Zunge  ge- 
sprochen. Das  ist,  wie  die  alten  deutschen  Übersetzungen  der  Goldenen  Bulle  bestä- 
tigen, nichts  anderes  als  Italienisch,  während  Gottfried  sich  sprachlich  zu  einer 
nordfranzösischen  Vorlage  bekennt.  Da  muss  man  wahrlich  sagen: 

Jci  diverse  la  matyre, 

weiz  gotf  hie  epellet  sich  der  leieh^ 

hie  liepet  daz  mare. 

Oder  sollte  die  Bedeutung  des  Ausdrucks  Lampartisch ,  wegen  der  Verwandtschaft 
zwischen  dem  Norditalienischen  und  ProvenzaUschen,  bis  auf  dieses  erstreckt  werden 
müssen?  Während  Wolframs  „Provenzale''  Ejot  immer  sicherer  nach  Kordfrankreich 
rückt,  würde  das  alte  Leiden  auf  Gottfrieds  Thomas  übergehen?  Kein, 

<£te  fabeleriy  die  hier  under  nnt^ 

die  eol  ich  werfen  an  den  wint. 

fiUr  ist  doch  mit  der  wärheit 

ein  michel  arbeit  üfgeleit, 

22* 


328  HERMANN  KURZ 

tungen  bewahrt  und  in  das  noch  vorhandene  Volksbuch  übergegangen  ist. 
Diese  Sagenform  nun  weiß  von  der  Feuerprobe  nichts;  und  da 
wir  soeben  gesehen  haben,  daß  Gottfried  in  der  Ablehnung  eines  Sagen- 
zuges mit  Bewusstsein  und  Absicht  verfuhr,  so  können  wir  nicht  mehr 
im  Zweifel  sein,  daß  er  in  der  Aufnahme  eines  solchen  das  Gleiche  ge- 
than  habe.  Ob  er  nun  frei  erfinden  durfte,  ob  er  einzelne  Sagenzüge 
.  nach  Belieben  bald  aus  dieser,  bald  aus  jener  Vorlage  nehmen  konnte, 
oder  ob  er  gar  nur  im  Ganzen  die  Wahl  der  Vorlage  frei  hatte  und  dann 
an  den  Gang  derselben  gebunden  war  —  selbst  in  dem  letzteren  Falle 
zog  er  doch  augenscheinlich  diejenige  vor,  die  ihm  die  Feuerprobe  ent- 
gegenbrachte. Sei  es  also  reine  Erfindung,  sei  es  Anlehnung  an  eine 
bereits  bestehende  Erzählung,  die  Feuerprobe  ist  sein  eigenes  Werk. 
Wenn  sie,  was  immerhin  das  Wahrscheinlichere  sein  dürfte,  schon  bei 
seinem  Thomas  vorgezeichnet  war*),  so  hatte  er  an  diesem  eine  gleich- 
gesinnte  Autorität,  mit  welcher  er  sich  für  gewisse  Bedenklichkeiten 
decken  konnte.  Dies  läge  so  recht  im  Geiste  seiner  Zeit,  wäre  eine 
dieser  Zeit  durchaus  angemessene,  ins  Gegentheil  verkehrte  Anwen- 
dung des  Satzes:  quod  quis  per  alium  facit,  id  ipse  fecisse  putandus  est. 

Wer  nun  auch  zuerst  die  Feuerprobe  in  die  Tristansage  gebracht 
haben  mag,  er  hat  einen  äußerst  glücklichen  Griff  gethan,  denn  sie  ist 
hier  wie  nicht  leicht  anderswo  an  ihrem  Platze.  Ob  der  erste  Erfinder 
(falls  es  nicht  Gottfried  gewesen)  sich  der  ganzen  Bedeutung  dieser 
Einlage  bewusst  war,  bleibt  in  Frage :  sicher  aber  ist  es^  daß  er  dem 
Gottesurtheil,  dieser  Pestbeule  des  mittelalterlichen  Culturlebens,  einen 
Stoss  versetzen  wollte ;  denn  auch  in  der  weltlichen  Sage  ist  gar  nicht 
Alles  so  absichtlos  entstanden,  wie  die  fromme  Denkungsart  der  my- 
thologischen Forschung  zu  glauben  scheint. 

Unserm  Gottfried  jedoch,  mag  er  nun  Erfinder  oder  Entlehner 
der  Aventiure  sein,  ihm  darf  man  standhaft  vertrauen,  daß  er  die  Be- 
deutung,  die  dem  Gottesurtheil  in  diesem  Gedichte  zu  geben  war, 


*)  Die  Wahrscheinliclikeit,  daß  Gottfried  die  Fenerprob«  bereits  in  seiner  Vor- 
lage fand,  wird  yerstärkt  durch  eine  Vergleichung  dieses  Sagenznges  mit  den  indischen 
und  mongolischen  Sagen  ähnlichen  Inhalts,  die  so  besonders  sprechende  Beispiele  für 
den  Zusammenhang  des  gesaramten  ostwestlichen  ErzShlungssehatzes  sind.  (Theodor 
Benfey  Pantschatantra  I,  457  f. ;  in  Gott.  Gel.  Anz.,  1867,  S.  679  f.  Anton  Schiefner  im 
'■  Bull.  hist.-phil.  de  TAcad.  de  St.  P^,tersb.  XV,  71.  Bernhard  Jülg  Mongolische  Märchen, 
1867;  1868,  S.  111  ff.;  Felix  Liebrecht  in  Orient  und  Occident  I,  124;  in  Heidelb.  Jahrb. 

1866,  S.  936;  zu  Dunlop  Anm.  383,  4;  Karl  Bartsch  in  dieser  Zeitschr.  V,  94  f.;  Rein- 
hold  Köhler  im  Lit.  Centralblatt ,  1867,  S.  968  f.;    D.  Comparetti  in  der  Bevue  crit, 

1867,  I,  185  ff.) 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.        329 

vollkommen  klar  überschaut  habe.  Die  Sage,  die  er  sich  erkoren, 
handelt  von  einem  Liebespaare,  das  göttlichen  und  menschlichen  Satzun- 
gen entgegentritt.  Diese  Schuld  zu  tilgen  oder  doch  zu  überschleiem, 
griflf  die  Sage  nach  dem  Minnetrank,  und  sie  hat  ihren  Zweck  so  gut 
erreicht,  daß  die  beiden  Liebenden  unantastbare  Ideale  des  Mittelalters 
wurden*).  Gleichwohl  bleibt  zwischen  der  Dichtung  und  der  Satzung 
ein  Widerspruch  bestehen,  gegen  welchen  man  die  Augen  nicht  ver- 
schließen kann.  Ein  modemer  Dichter  wie  Immermann  sagt  in  diesem 
Fall :  „Gesetze  kämpfen  mit  Gesetzen**,  und  greift  in  die  eigene  Brust, 
greift  in  die  Tiefen  des  Geistes  seiner  Zeit,  um  der  vervehmten  Leiden- 
schaft eine  Rechtfertigung  zu  finden.  Dem  Dichter  und  Juristen  des 
13.  Jahrhunderts  aber  wird  es  nicht  so  gut:  ihm  steht  nicht  bloß  das 
Sittengesetz  und  ein  weltlicher  Strafcodex  im  Wege,  sondern  das  cano- 
nische Recht.  Nicht  etwa  so,  daß  von  diesem  seiner  Feder  eine  Ver- 
folgung droht:  aber  ein  Geist  wie  Gottfried  gewinnt  es  nicht  über  sich, 
an  dem  aufgehobenen  Finger  der  höchsten  Strafgewalt  auch  nur  von 
ferne  niedergeschlagenen  Auges  oder  blinzelnd  vorbeizugehen.  Seine 
Liebenden,  schuldig  wie  sie  vor  dem  Gesetze  sind,  ftihlt  er  auch  durch 
die  liebevollste  Theilnahme,  die  er  ihnen  widmet,  nicht  durchgreifend 
fi*eigesprochen :  sie  bedürfen  noch  einer  weiteren  Absolution,  die  er 
selbst,  ohne  das  Amt  der  Schlüssel,  nicht  ertheilen  kann.  Er  wendet 
sich  also  zu  der  einzigen  Behörde,  die  hier  auszuhelfen  geeignet  ist, 
die  nicht  bloß  die  Macht  hat,  sondern  auch  die  Mitschuld. 

Welche  Behörde  konnte  Gottfried  auch  ftlr  seine  sündigen  Lieb- 
linge besser  in  Anspruch  nehmen,  als  eben  jene,  die  ganz  die  gleichen, 
ja  noch  weit  andere  Sünder  •  (falls  sie  nur  keine  Ketzer  waren)  frei- 
sprach, sie,  die  im  Verzeihen  oft  fast  noch  stärker  als  im  Nichtverzeihen 


*)  Und  bis  in  dessen  späteste  Zeiten  blieben.  Es  ist  ein  sehr  großer  Zeftranm, 
den  das  hiergegen  gerichtete  Verdammnngsurtheil  zu  bekämpfen  hat,  tmd  erreicht  in  Zeiten 
hinein,  die  sonst  vornehmlich  um  ihrer  sittlichon  Gesundheit  willen  gepriesen  werden.  Man 
lese  nur,  wie  sich  das  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  in  der  protestantischen  Stadt  Frankfurt 
bei  dem  berühmten  Sigmund  Fejerabend  erschienene  Buch  der  Liebe  über  die  Ver- 
urtheilung  Tristans  und  Isoldens  zum  Tode  ausspricht.  „Höret,  wie  ungleiche  und  un- 
gerechte Urtheile  das  sind!  Wie  ist  die  Gerechtigkeit  allda  hinter  sich  gedrungen 
worden!  Wer  hat  je  gehöret,  daß  zwei  liebhabende  Menschen  von  Liebe  wegen  offen- 
barlich  zu  dem  Tode  verurtheilet  sind  worden  (es  seien  denn  andere  Ursachen  dabei 
gewesen,  dadurch  solches  geschehen  sei)?  Aber  was  sage  ich  von  diesen  zweien 
Menschen?  Es  war  ihnen  von  allererst  von  Neids  wegen  erdacht  und  zugerichtet, 
darum  hatte  die  Gerechtigkeit  nichts  da  zu  schicken  oder  zu  schaffen,  allein  Neid  und 
Hass  war  da  Richter  und  Ankläger,  alles  mit  einander. **  Die  in  Klammem  stehenden 
Worte  klingen  freilich  ein  yrenig  duckmäuseriBclu 


830  HERMANN  KURZ 

war?  Die  Geneigtheit  der  Kirche,  einen  Übelthäter  unter  ihre  Flügel 
zu  nehmen,  der  sich  ganz  an  sie  ergab,  mag  er  in  seiner  eigenen  Amts- 
thätigkeit  wohl  mehr  als  einmal  erfahren  haben.  Auch  wird  ihm  die 
Predigt  von  den  Gnadenwundem  ,  wie  wir  sie  aus  Cäsarius  kennen, 
gewiss  nicht  unbekannt  geblieben  sein.  Am  nächsten  aber  lag  ihm  jene 
jüngst  mehr  als  losgesprochene  Angeschuldigte,  die  Heilige  des  Tages 
nämlich,  und  diese  war  es,  die  sofort  auch  jedem  Leser  der  Aventiure 
von  der  Feuerprobe  in  den  Sinn  kommen  musste.  Denn  mochte  das 
Motiv  kein  neues  sein,  mochte  es  aus  Veranlassung  eines  ähnlichen 
Falles  —  und  der  Fall  hat  sich  merkwürdig  oft  wiederholt  *)  —  schon 
einem  fiüheren  Erzähler  eingeleuchtet  haben:  jetzt  angewandt,  hatte 
es  dennoch  den  Werth  der  Neuheit ,  es  griff  durch  die  stille  Hindeu- 
tung auf  St.  Kunigunden' mitten  in  des  Dichters  Zeit  hinein. 

Die  Legende  erzählte  derselben  von  dieser  Kaiserin,  der  Teufel 
habe  einst,  um  ihr  einen  Streich  zu  spielen,  die  Gestalt  eines  schönen 
Ritters  angenommen,  in  welcher  er,  von  Mägden  und  andern  Personen 
gesehen,  ihnen  auch  unbegreiflich  bekannt  erscheinend,  drei  Tage  nach 
einander  früh  Morgens  aus  dem  Schlafgemach  der  jungfräulichen  Ehe- 
genossin des  gleichfalls  heiligen  Heinrich  hervorgegangen  sei;  desshalb 
nun  bei  ihrem  Gemahle  angeklagt,  habe  sie  die  Feuerprobe  gefordert 
und  bestanden.  (Mon.  scr.  IV,  789,  n.  27.  819.  805.)  Wenn  Letzteres 
Wahrheit  ist,  so  hat  die  höchstgestellte  Frau  der  Christenheit,  während 
ihr  Herr  und  Gemahl  dem  Verfahren,  das  er  niederschlagen  konnte, 
den  Lauf  ließ,  in  dessen  ganzer  Ritterschaft  nicht  einen  einzigen  Käm- 
pfer zu  ihrer  Vertheidigung  gefunden^  wie  Ottos  I  Tochter  Liutgarde 
in  ähnlichem  Falle  einen  fand.  Der  Zweikampf  nämlich  war  gerade 
im  Sinne  jener  Zeit  das  oberste  der  Gottesurtheile ,  das  vorzugweise 
adelige,  so  daß  um  eine  angegriffene  und  trotzdem  schuldlos  geglaubte 
Kaiserin  sich  der  gesammte  wehrbare  Adel  hätte  drängen  und  vom 
Kaiser  fordern  müssen,  daß  er  einen  Ankläger  in  die  Schranken  sende. 
Die  Legende  sagt  aber  nicht  einmal,  daß  die  Beschuldigte  auch  nur 
im  Fall  gewesen  sei,  das  Kampfrecht  ablehnen  zu  können,  betont 
vielmehr  bloß  den  schweren  Verdacht,  der  auf  ihr  geruht,  wonach  nur 


*)  Aus  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  erzählt  Joannes  Eantakuzenos  von  einem 
Bischof,  den  er  persönlich  gekannt  hat  und  hoch  verehrt,  wie  derselbe  einer  ihrem 
Manne  wegen  Untreue  ^mit  Recht"  verdächtigen  Frau  durch  die  Feuerprobe  durch- 
geholfen habe  (Hist  III,  27).  Der  kaiserlithe  Geschichtschreiber  weiß  das  Wunder, 
dem  er  vollen  Glauben  zollt,  zwar  nur  vom  Hörensagen,  aber  er  spricht  davon  als 
von  einem  zeitgenössischen  Ereigniss ,  so  daß  der  Erzählung  doch  nicht  wohl  jede 
thatsächliche  Unterlage  fehlen  kann. 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.  331 

noch  der  Schluß  übrig  bliebe,  der  Teufel  sei  ein  großer  Schelm  ge- 
wesen und  der  Schein  habe  so  überwiegend  gegen  sie  gezeugt,  daß 
Niemand  mehr  offen  filr  sie  einzustehen  wagen  konnte.  Geschieht  ihr 
mit  dieser  Folgerung  Unrecht,  so  kommt  das  eben  auf  Rechnung  ihrer 
Heiligkeit. 

Die  Legende  negativ-critisch  abthun  oder  rationalistisch  hin- 
nehmen —  in  Ermangelung  von  Urkunden  ist  eines  so  willkürlich  wie 
das  andere :  nur  hatte,  wie  bereits  angedeutet,  einer  frischen  Apotheose 
gegenüber  der  Schalksglaube  sein  billiges  Theil  von  Recht.  Und  auf 
dem  Boden  der  Thatsachen^  welche  die  Legende  feilbietet,  wenn  man 
sie  menschlich-natürlich,  was  allein  geschichtlich-möglich  ist,  deuten 
sollte,  konnte  man  nichts  anderes  erheben,  als  die  Summe,  die  der 
muthwillige  Nie.  Hieronymus  Gundling  (Otia  III,  Cap.  3)  in  seiner 
drolligen  Zopfsprache  über  jene  „so  galante  als  bigotte  Dame''  zieht: 
nämlich  daß  gewisse  heilige  Männer  aus  der  kaiserlichen  Umgebung 
mit  ihr  unter  der  Decke  gespielt  haben  müssen.  Der  Vocativus  hätte 
sich  übrigens  noch  viel  fester  auf  besagten  Boden  stellen  können: 
denn  wenn  die  Legende  von  dem  morgendlichen  Gespenst  erzählt, 
es  sei  den  Leuten  miro  modo  bekannt  vorgekommen,  ohne  daß  sie 
doch  aus  der  Person  klug  werden  konnten,  so  gibt  ja  der  unbekannte 
Urheber  dieses  Legendenzuges  gleichsam  durch  die  Blume  zu  ver- 
stehen, daß  es  ein  geistlicher  Herr  in  Rittertracht  gewesen  sei.  Mag 
das  jedoch  an  seinem  Ort  verbleiben :  unter  allen  Umständen  dankte 
Frau  Kunigunde,  falls  sie  wirklich  „auf  den  glühenden  Pflugscharen 
tantzete,**  die  Freundlichkeit  des  Elements  ganz  andern  Waffen  als 
ihrer  Unschuld  oder  ihrer  Heiligkeit:  denn  die  Gesetze,  welchen  die 
Natur  gehorcht,  sind  in  Bamberg  wie  in  Halberstadt,  sind  allerwärts 
und  jederzeit  dieselben  gewesen. 

Wie  es  also  auch  um  die  geschichtliche  Gemahlin  Heinrichs  II 
bewandt  sein  mag,  die  Kunigunde  der  Legende  ist  im  allergünstig- 
sten  Falle  hochverdächtig,  und  als  ihre  Mitverschworene,  zum  min- 
desten als  ihre  geheime  Helferin,  muss  die  Kirche  angesehen  werden, 
unter  deren  ausschließlicher  Gewalt  und  Aufsicht  ja  das  Gottesurtheil 
stand. 

In  der  gleichen  Lage  befindet  sich  nun  auch  Gottfrieds  Heldin, 
wenn  schon  nur  äußerlich:  wie  freigesprochen  und  wie  tausendfach 
reiner  sie  ihm  vor  Gott  erscheinen  mag,  vor  menschlichem  Urtheil  ist 
sie  derselben  Sünde  bloß,  wie  die  heilige  Kunigunde;  und  deren  un- 
zweifelhafte Mitschuldige,  die  Kirche,  ist  ihr  darum  auch  dieselbe  Ab- 
solution schuldig.  Gedacht  also  und  gethan.  Der  Dichter,  sei  es  in  der 


332  HERMANN  KUKZ 

Maske  des  Thomas  oder  auf  Grund  des  Thomas^  jedesfalls  auf  diesen 
Namen  gestützt^  lässt  den  König  Marke  ein  Concilium  berufen,  um 

den  vntzegen  arUüten, 
die  gotes  reht  vx>l  tcisten, 

die  auf  seine  Gemahlin  und  seinen  Neffen  gefallene  Bezieht  zu  klagen. 
Da  erhebt  sich  ein  alter  Bischof,  greis  und  weise,  und  leitet  das  Ver- 
fahren ein  mit  Worten  so  voll  Theilnahme  fUr  die  Königin,  so  voll 
Glaubens  an  ihre  Unschuld,  daß  man  sogleich  sieht:  die  Kirche  ist  auf 
ihrer  Seite  und  wird  das  Mögliche  fftr  sie  thun.  Der  König  (der  welt- 
liche Richter)  verweist  sie  an  das  glühende  Eisen,  sie  erklärt  sich  be- 
reit, imd  der  Spruch  wird  von  dem  Concilium  genehmigt.  Die  Zeit  bis 
zum  Tage  des  Gottesurtheils  verbringt  die  Angeklagte  in  Gebet  und 
Fasten ;  all  ihr  Silber  und  Gold,  ihren  Schmuck,  ihre  Pferde  und  Ge- 
wände gibt  sie  hin  (an  wen?  sagt  der  Dichter  nicht),  um  Gottes  Huld 
zu  erwerben;  dem  gnädigen  hilfreichen  Christ  befiehlt  sie  ihre  Noth 
und  macht  dabei  einen  Anschlag,  flir  dessen  Ausführung  sie  sich  auf 
Gottes  Courtoisie  (hövescheit)  verlässt.  Daß  zu  Gebet  und  Fasten  kirch- 
licher Beistand  nicht  fehlen  darf,  versteht  sich  auch  ungesagt  von  selbst, 
und  ebenso  versteht  sich  die  Beichte,  ohne  welche,  wie  wir  aus  Cäsa- 
rius  wissen,  alles  Beten  und  Fasten  vergeblich  wäre.  Der  Dichter  ge- 
denkt deren  freilich  mit  keiner  Silbe^  weil  es  nicht  räthlich  war,  an 
die  Beichte  zu  rtlhren:  aber  der  Anschlag,  um  den  es  sich  handelt, 
gilt  dem  vor  der  Feuerprobe  abzulegenden  Reinigungseide,  der  auch 
eine  Art  von  Beichte  enthält,  so  zwar,  daß  die  Aufgabe  gestellt  ist, 
in  unschädlicher  Form  die  Wahrheit  zu  sagen;  und  das  Recept  zu 
diesem  Kunststücke  steht,  preiswürdig,  nur  sehr  verfeinerungsbedürftig, 
in  den  Beichtgeschichten  des  Cäsarius  *). 

Durchsichtiger  als  die  Aventiure  dem  modernen  Leser  sein  mag, 
war  sie  dem  aufgeklärten  Zeitgenossen.  Der  verlor  die  Kirche  nicht 
aus  den  Augen,  obgleich  sie  sechs  Wochen  lang  im  Hintergrunde  bleibt; 
denn  sichtbar  wird  sie  erst  wieder,  als  alles  zum  Gottesurtheil  bereit  ist: 

hiachove  und  preläten^ 
die  da:^  ambet  täten 


*)  Nicht  als  ob  Gottfried  dmnim  stofflich  aus  OSsarios  oder  Seinesgleichen 
gescbOpft  h&tte.  Er  trifft  ja  in  der  Fassung  viel  näher  mit  den  vorhin  angefahrten 
orientalischen  Sagen  vom  listigen  Beinigungseide  zusammen  ,  so  daß  man  auf  eine 
diesen  näher  stehende  Vorlage  schließen  darf.  Aber  der  Geist  jener  zeitgenössischen 
Beichtgeschichten  ließ  den  Dichter  ganz  gewiss  nicht  unberührt,  ja  er  muss  ihn  theil- 
weise  cur  WaM  seiner  Vorlage  herausgefordert  haben. 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.  333 

und  Regenten  da:^  gerihte, 
die  wären  ouch  enrihte 
mit  ir  dinge  bereit 
da:^  isen  da:;  wcts.in  geleit. 

Wie  viel  oder  wenig  das  geistliche  „Ding**  bedeuten  soll,  will  der 
Dichter  dem  Leser  zu  rathen  überlassen.  Als  Meister  in  der  Farben- 
gebung  aber  weiß  er  noch  anschaulich  mit  einem  grauen  Klecks  zu 
malen,  was  eigentlich  dem  Blick  entzogen  bleiben  soll. 

Jetzt  nur  noch  der  Eid,  mit  welchem  heimlich  vor  Gott  die  Wahr- 
heit gebeichtet  und  öffentlich  vor  den  Menschen  gelogen  wird,  und  dann : 

y,nu  neniet  da:;  isen  üf  die  hant, 
und  ah  ir  uns  habt  vor  genant^* 
als  helfe  iu  got  ze  din*e  not,^ 
j^Ajnen^,  sprach  diu  schome  Is$t, 
in  gotes  nameri  greif  si.:;  an 
und  truog  e;,  da:;  si:;  niht  verbran. 

Da  haben  wir  das  Wunder.  Auch  in  andern  Aventiuren  von  wun- 
derbarer Färbung,  Minnetrank,  Drachen-  und  Riesenkampf,  Hündlein 
Peticriu  —  nirgends  mag  der  Dichter  im  Reiche  des  Übernatürlichen 
recht  heimisch  werden  *) :  in  der  Feuerprobe  aber  ist  er  vollends  ganzer 
Rationalist.  Den  wahren  Hergang  erzählt  er  dem  einsichtigen  Leser 
nur  leise  ins  Ohr ;  allein  so  stillschweigend  aus  dem  kirchlichen  Gnaden- 
schatze seinen  Vortheil  zu  ziehen,  das  genügt  ihm  nicht :  er  hat  etwas 
auf  dem  Herzen,  und  heraus  muss  es.  Indem  er  sich  die  Miene  gibt, 
als  ob  er  an  das  so  eben  vorgetragene  Wunder  glaube,  zieht  er  die 
nothwendig   hieraus    erfolgenden   Schlüsse    imd   plötzlich   losbrechend 

fährt  er  fort: 

dd  wart  wol  goffenbceret 

und  al  der  werlt  bewceret, 

da:;  der  vil  tugenthafte  Krist 

wintschaffen  als  ein  ermel  ist: 

er  viieget  unde  suochet  an^ 

dd  man^  an  in  gemochen  kan, 

als  gevUege  und  alse  wol, 

als  er  von  aUem  rehte  sol, 

erst  allen  herzen  bereit 

ze  dumehte  unt  ze  trilgeheit. 


*)  So  weist  er  auch   (mit  Berofong  auf  sein  Buch  nnd  die  wahre  Märe)    den 
Berieht  snrück,  daß  der  Zwerg  Melot  verborgene  Dinge  im  Qestim  habe  lesen  können. 


334  HERMANN  KURZ 

ist  6>  etmesty  ist  e^  spil, 
er  ist  ie  swie  sd  man  wil, 
da:^  wart  lool  offenbeere  schtn 
an  der  gevilegen  künegin: 
die  generte  ir  trügeheit 
und  ir  gelüppeter  eit, 
der  hin  ze  gote  gelä:^en  was, 
da:^  si  an  ir  eren  genas    usw. 

Dies  die  vermeintliche  Lästerung.  Neben  dem  Texte  des  Cäsa- 
rius,  in  dessen  Sprache  sich  die  Erzählung  vom  Gottesurtheil  unge- 
zwungen übersetzen  lässt,  wird  die  Glosse  Gottfrieds  nichts  religiös 
Anstößiges  mehr  haben. 

Aber  hat  das  kecke  Wort  nicht  zu  seiner  Zeit  kirchlich  um  so 
mehr  herausgefordert?  Im  Gegentheil,  weniger  als  jetzt.  Er  sagt  es  ja 
nur  von  Christus.  Ja,  wenn  ers  von  Papst  und  Barche  gesagt  hätte, 
das  möchte  ihm,  der  dena  Krummstab  des  Bischofs  so  nahe  wohnte, 
vielleicht  nicht  allzu  wohl  bekommen  sein.  Allein  wir  haben  gesehen, 
daß  der  Papst,  daß  die  Kirche  als  solche,  als  Einheit  von  Haupt  und 
Gliedern,  an  den  Gottesurtheilen  nicht  schuldig  war:  der  Dichter  konnte 
somit,  falls  man  ihm  etwa  seine  Worte  deuteln  wollte,  vor  jedem  geist- 
lichen Gerichte,  glücklicher  als  der  Kobold  des  Cäsarius  in  jenem  Fall, 
den  Beweis  fähren,  daß  er  die  Kirche  nicht  gemeint  habe,  nicht  habe 
meinen  können.  Vielmehr  kommt  er,  genau  besehen,  den  Päpsten  selbst 
mit  seinem  Ausspruch  ziemlich  nahe:  denn  Gott  versuchen  und  Gott 
missbrauchen,  läuft  nahezu  auf  Eines  hinaus. .  Der  Sinn  der  Rede  ist 
ja  doch  nichts  anderes  als  was  vor  und  nach  ihm,  innerhalb  wie  außer- 
halb der  Kirche,  so  mancher  fromme  Seufzer  ausgesprochen  hat:  daß 
das  imsichtbare  Oberhaupt  derselben  seinen  Namen  zu  Schlechtigkeiten 
aller  Art  hergeben  müsse.  Die  Form  allerdings,  in  welcher  er  es  sagt, 
würde  ihm  bei  einem  protestantischen  Glaubensgerichte  späterer  Zeiten 
vermuthlich  geschadet  haben;  allein  die  Kirche  der  Innocenze  hatte 
Anderes  zu  thun.  Im  Ringen  mit  dem  Kaiserthum,  im  Kampfe  gegen 
Sonderkirchen  und  Sonderlehren,  fand  diese  Kirche  wenig  Zeit,  gegen 
ein  hingeworfenes  Witzwort,  mochte  es  auch  bitter  sein,  ins  Feld  zu 
ziehen.  Ja,  bei  ihr  war  ein  Weltkind  wie  Gottfried  sicherer,  als  sein 
geistlich  gesinnter,  aber  etwas  separatistisch  gefärbter  Gegner  Wolfram, 
der  Einzige,  dessen  religiös  verletzliches  Gefllhl  an  dem  Worte  Anstoss 
genommen  zu  haben  scheint*). 


*)  Doch  hat  eine  niederdeutsche  Ab-  und  Umschrift  des  14.  Jahrhunderts  (di* 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.  335 

• 

So  ist  es  denn  nicht  die  Kirche  in  ihrem  unangreifbaren  Bestände, 
die  der  Spott  des  Dichters  trifft:  und  doch  ist  es  die  Kirche,  gespalten, 
wie  wir  sie  aus  der  Bemerkung  des  Gratianischen  Glossators  kennen; 
es  ist  die  Geistlichkeit,  die  dem  Papst  zum  Trotze  das  Gottesurtheil 
hegt  und  pflegt,  das  Werkzeug  des  schändlichsten  Betruges ;  auch  die 
öcumenische  Kirche  selbst  ist  nebenher  wieder  mitgetroflfen,  sofern  ihr 
die  Duldung  des  Unkrauts  zur  Last  gelegt  werden  kann,  und  mehr 
noch,  sofern  sie  zweideutige  Heiliginnen  aufstellt,  die  ausgesprochener- 
maßen einen  Theil  ihrer  Heiligkeit  dem  schnöden  Gaukelspiel  ver- 
danken. Diese  eben  so  kenntliche  als  unfindbare  Barche  ist  es ,  bei 
welcher  er  die  Freisprechung  seiner  Heldin  borgt,  das  Anlehen  zugleich 
mit  einem  brennenden  Hiebe  verzinsend,  dessen  Empfang  ihm  nicht 
einmal  canonisch  bescheinigt  werden  kann.  Ein  Meisterstreich,  den  ihm 
Vetter  Dieterich  mit  seinem  feinsten  Lächeln  lohnen  mochte. 

Und  doch  konnte  es  einem  unbestochenen  Kunstverstande  kaum 
verborgen  bleiben,  daß  mitten  im  Glänze  der  Polemik  ein  kleiner 
ästhetischer  Riss  durch  die  Stelle  geht.  Daß  diese  Stelle  keineswegs 
so  frivol  ist,  wie  sie  auf  den  ersten  Blick  aussieht,  davon  haben  wir 
uns  bereits  überzeugt :  sie  ist  vielmehr  nicht  bloß  eine  der  ernsthaf- 
testen Äußerungen  in  dem  ganzen  Gedichte,  sondern  sie  ist  nur  etwas 
gar  zu  ernsthaft.  Statt  sich  des  glücklichen  Ausgangs  eines  für  seine 
Lieben  so  gefahrvollen  Handels  zu  freuen,  wird  der  Dichter  auf  ein- 
mal über  das  ganze  Rettungswerk  böse  und  Retter  wie  Gerettete  er- 
fahren seinen  zornigen  Spott.  Obgleich  er  auch  iin  Zorne  die  Anmuth 
nicht  verleugnen  kann,  seine  Ausdrücke  zeugen  bei  alledem  von  be- 
trächtlicher Wärme  und  Erregung;  und  im  Gefüge  des  Gedichtes, 
einem  Wunder  gegenüber,  das  doch  nicht  offen  für  Betrug  erklärt  wird, 
einer  Entscheidung  gegenüber,  die  nach  allem  Vorangegangenen  und 
Folgenden  als  gerecht  gelten  sollte ,  nimmt  das  plötzliche  Scheltwort 
eine  Stellung  ein,  die  denn  doch  einigermaßen  an  das  alte  Facit  in- 
dignatio  versum  erinnert. 


Berliner  Handschrift,  vgl.  die  Ausgabe  von  Groote,  V.  15748  ff.)  die  Hauptstelle  eben- 
falls zu  stark  befunden  und  also  abgeändert: 

dat  der  dogenthofte  Criat 
zu  nüden  eyn  erloser  Ut, 

während  die  übrigen  Verse  dem  Erlöser  in  den  Köthen  unverändert  das  Gleiche  nach- 
sagen, wie  die  des  Originals.  Die  Verbesserung  ist  ungefähr  so  glücklich  wie  jene, 
die  ein  Reisender  in  einem  frommen  ländlichen  Gasthause  an  dem  vielbekannten  Bilde 
vom  Köhrle  und  Napoleon  bewerkstelligt  fand,  wo  das  Kemwort  Napoleons  so  emen- 
diert  war:  „Röhrle   Röhrle,  Er  ist  ein  —  braver  Mann." 


336  HERMANN  KURZ 

Ein  Seitenstück  zu  dieser  pathologischen  Erscheinung  findet  sich 
im  ersten  Theil  von  Shakespeares  Heinrich  VI  (IV,  7,  Globe  Ed.  [489] 
60  flF.,  72  ff.),  wo  der  Dichter  ebenfalls  einen  Augenblick  aus  dem  Tone 
Mit.  Auch  dort  entladet  sich,  obwohl  unter  andern  Verhältnissen,  ein 
wohlgezielter  Witz  mit  einer  Leidenschaftlichkeit,  die  das  Grieichgewicht 
der  Dichtung  ein  wenig  gefehrdet.  Große  Meister  kommen  ohne  erheb- 
lichen Schaden  über  eine  solche  Klippe  hinüber ;  doch  ist  sie  ein  Wahr- 
zeicHen  eines  innem  Vorgangs  in  dem  Dichter,  der  dem  Gedichte  mehr 
oder  weniger  äußerlich  bleibt.  Und  zwar  ist  bei  Shakespeare,  der  bloß 
einem  persönlichen  Grolle  Luft  macht,  die  Anwandlung  dem  Gedichte 
gänzlich  fremd:  aber  auch  bei  Gottfried  wird  sie  nur  sehr  von  ferne 
durch  dasselbe  hervorgerufen. 

Dem  heutigen  Geflihle  zwar  drängt  es  sich  unabweislich  auf, 
daß  die  beiden  Liebenden  von  der  idealen  Höhe,  die  ihnen  die  Dich- 
timg angewiesen  hat,  mit  dem  durchsichtig  geschilderten  Trugwerke 
mehr  als  wünschenswerth  herabsteigen:  allein  wir  würden  uns  irren, 
wenn  wir  annähmen,  daß  dies  der  Grund  von  Gottfrieds  Aufwallung 
sei.  Er  hat  vorher  eine  Reihe  von  ähnlichen  Ränken  und  Trügereien 
berichtet,  bei  welchen  es  ihm  erstaunlich  leicht  zu  Muthe  war,  und 
die  Anschauung,  die  er  hierin  an  den  Tag  gelegt,  ist  von  der  heutigen 
offenbar  verschieden.  Übrigens  muss  diese  Anschauung  nicht  mit  unserem, 
sondern  mit  dem  Maße  seiner  Zeit  gemessen  werden,  einer  Zeit,  in 
der  das  Recht  selbst,  wenn  es  sich  behaupten  wollte,  krumme  Wege 
einzuschlagen  genöthigt  war. 

Wir  haben  also  ftlr  seinen  Unwillen  schon  eine  mehr  äußerliche 
Ursache  zu  suchen.  Es  ist  nicht  sowohl  der  Trug  selbst,  als  vielmehr 
das  Mittel ,  durch  welches  der  Trug  ausgeübt  wird ,  die  Feuerprobe 
ist  es,  was  ihn  diesmal  ungewöhnlich  in  Harnisch  bringt.  Obgleich  sie 
ihm  zu  einer  seiner  geistreichsten  Wendungen  dient,  so  will  er  ihr 
dennoch  ganz  und  gar  keinen  Dank  schuldig  sein,  sondern  beeilt  sich, 
dem  angewandten  Beweisverfahren  das  schärfste  Verdammungsurtheil 
zu  sprechen.  Auch  hierin  wird  ihm  das  moderne  Gefühl  sofort  zu- 
stimmen :  aber  auch  hier  muss  man  sich  wieder  vor  einem  raschen 
Schlüsse  hüten,  der  die  Bedeutung  der  Stelle  unmöglich  ganz  erschöpft. 
Dieselbe  lässt  allerdings  keinen  Zweifel  darüber  bestehen,  daß  unser 
Dichter  das  Gottesurtheil  überhaupt  verwarf:  allein  wie  sehr  Gefühl 
und  Verstand  des  Einzelnen  gegen  eine  Einrichtung,  die  nun  einmal 
seiner  Zeit  gefällt,  ankämpfen  mögen,  die  nothgedrungene  Gewöhnung 
an  das  ftir  jetzt  noch  Unabänderliche  ist  dennoch  mächtiger  und  muss 
das  Menschengemüth  bis  zu  einem  gewissen  Grade  abhärten.  Wenn  die 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STEASSBURG.  337 

vom  Mittelalter  her  noch  immer  vielbeliebte  Kopfabhackerei  endlich 
einmal  beseitigt  sein  wird,  so  mag  sich  wohl  der  Nachlebende  wundem, 
daß  diesen  oder  jenen  Heutigen,  die  er  etwa  auf  besonderer  Wage  zu 
wägen  geneigt  sein  sollte,  durch  die  Gegenwart  der  Menschenfleisch- 
bank nicht  das  ganze  Leben  verdorben  und  vergiftet  war.  Hohe  und 
milde  Geister  haben  gelebt,  als  noch  die  Folter  wüthete:  das  jetzige 
Geflihl  ist  von  ihnen  zu  fordern  geneigt,  was  sie  aus  Unmacht  und 
Gewohnheit  unterlassen  haben.  So  dachte  auch  zur  Zeit  der  Gottes- 
urtheile,  an  welchen  ja  sogar  die  Päpste  vergebens  Tüttelten,  Niemand 
an  einen  täglichen  und  stündlichen  Protest. 

Je  weiter  aber  eine  Zeit  zurückliegt  und  je  größer  die  Rohheit 
der  Zeitgenossen  ist,  um  so  mehr  kann  man  versichert  sein,  daß  der 
Angriff  eines  Einzelnen  auf  einen  bestehenden  Missbrauch  oder  Greuel 
nicht  bloß  von  diesem  allgemeinen  hilflosen  Protestgeflihl ,  sondern 
durch  eine  bestimmte  nähere  Veranlassung  eingegeben  wurde.  Als  Gott- 
fried den  Stoff  seines  Gedichtes  anordnete  oder  sich  die  Quelle  wählte, 
nach  welcher  er  arbeiten  wdftte,  schwebte  ihm  ohne  allen  Zweifel  be- 
reits die  heilige  Kunigunde  mit  ihrer  Feuerprobe  vor.  Einerseits  darf 
man  ja  nach  den  über  seine  Lebenszeit  gemachten  Erhebungen  zuver- 
sichtlich annehmen,  daß  er  seine  unmüe^^ekheit  eher  nach  als  vor  dem 
Jahre  1200 ,  in  welchem  jene  Unverbrennliche  canonisiert  wurde^  be- 
gonnen hat:  da  musste  ihm  das  Vorbild  in  die  Augen  springen;  und 
andererseits  würde  die  Wahl  des  Motivs  allein  schon  zu  dem  Schluß 
berechtigen,  daß  er  ein  frisches  Vorbild  dieser  Art  vor  Augen  hatte. 
Die  Bamberger  Heilige  jedoch,  wenn  sie  mit  einem  angemessenen 
Ehrenschuss  begrüßt  werden  sollte,  verdiente  einen  zierlichen  Eohrpfeil 
mit  leicht  geglühter  Spitze ,  nicht  aber  einen  zürnenden  Blitzstrahl, 
der  zugleich  gegen  den  Himmel  selbst  gerichtet  schien.  Bis  der  Dichter 
sich  zu  dieser  scheinbaren  Gotteslästerung  hinreißen  ließ,  musste  noch 
ein  ganz  anderer  Fall  hinzugekommen  sein,  ein  Fall,  der  ihn  aufs 
Persönlichste  berührte,  eine  Anwendung  des  gottesgerichtlichen  Ver- 
fahrens unter  besonders  empörenden  Umständen  und  in  seiner  eigenen 
nächsten  Umgebung- 

Mit  all  der  Wahrscheinlichkeit  also ,  die  in  Ermanglung  eines 
urkundlichen  Beweises  geltend  gemacht  werden  kann,  dürfen  wir  als 
Gegenstand  seines  Angriffs  den  Fall  bezeichnen,  den  wir  bereits  kennen 
gelernt  haben:  die  Straßburger  Feuerprobe  von  1212.  Gerade  wie  aus 
der  Kühlheit,  womit  der  Dichter  Riwalins  Tod  behandelt,  zu  schließen 
war,  daß  er  diesen  Abschnitt  vor  König  Philipps  Ermordung  ge- 
schrieben habe,  so  ist  noch  weit  mehr  aus  der  Wärme,  womit  er  dem 


338  HERMANN  KÜRZ 

Gottesurtheil  gegenübertritt,    zu  schließen,    daß  die  heftige  Stelle  in 
Folge  jenes  Ketzergerichts  geschrieben  sei. 

Abermals  jedoch  gilt  es,  einer  voreiligen  Folgerung  auszuweichen, 
die  wenigstens  dem  protestantischen  Bewusstsein  nahe  liegen  möchte. 
Gottfrieds  unmittelbare  Theilnahme  an  jenen  Ketzern,  obgleich  sie 
wahrscheinlich  großentheils  der  achtungswerthen  vorprotestantischen 
Partei  der  Waldenser  angehörten,  wird  zweifelsohne  mäßig  gewesen 
sein.  Ein  Geist  seiner  Art  war  nothwendig  allem  Secten-  und  Conven- 
tikelwesen  fremd,  und  wie  er  von  theologischen  Subtilitäten,  oder  was 
ihm  so  schien,  dachte,  lässt  er  in  seiner  Botanik  des  Paradiesgartens 
(Vers  17947  f.,  M.  450,  29  f.)  lachend  durchblicken.  Er  war  sichtlich 
einigermaßen  geistesverwandt  mit  Kaiser  Friedrich  II,  der  die  Ketzer 
gewiss  nicht  bloß  aus  Wohldienerei  gegen  die  Kirche  verfolgte*);  nur 
daß  in  diesem  zum  Freigeist  noch  der  Despot  hinzukam,  der  in  jeder 
Häresis  einen  Act  der  persönlichen  Freiheit  empfindet  und  instinct- 
mäßig  hassen  muss.  „Pendez  les  bougres !"  sagte  Napoleon  I  zum 
Landesherm  einer  Secte,  die  ihn  selbst  äts  Gesandten  Gottes  verehrte. 

Mag  hienach  der  Dichter  gegen  die  häretische  Richtung  selbst 
sich  völlig  kühl  verhalten  haben  —  dennoch,  wenn  er,  wie  wir  anzu- 
nehmen gedrungen  sind,  die  Tage  des  Ketzergerichtes  mit  durchgelebt 
hat,  muss  seine  Goethe'sche  Ruhe  stark  erschüttert  worden  sein.  Wel- 
chen Eindruck  in  einer  ohnehin  schrecklichen  Zeit  die  Grausamkeit 
gegen  die  Angeklagten  und  das  Jammergeschrei  der  Ihrigen,  das  die 
Stadt  erfüllte,  auf  ein  humanes  Gemüth  ausüben  mochten,  daflir  hat 
unser  Jahrhundert  schwerlich  das  rechte  Maß:  aber  es  gab  noch  An- 
deres, was  auf  Meister  Gottfried  einstürmen  musste.  Ihn  selbst  dürfen 
wir  uns  als  rein  bei  dem  Trauerspiele  denken:  der  Verleser  der  Sen- 
tenz, welche  die  Glaubenssätze  der  Häretiker  enthielt,  war  selbstver- 
ständlich kein  städtischer  Schreiber,  sondern  ein  bischöflicher  Notar. 
Der  weltliche  Arm  aber,  der  sich  mit  der  Hinrichtung  befleckte  und 
vorher  mit  dem  Antheil  an  der  Feuerprobe  befleckt  hatte,  das  waren, 
wie  wir  früher  gesehen  haben,  lauter  Verwandte  des  Dichters.  Am 
Tiefsten  jedoch,  und  wenn  sein  Gefühl  ganz  stumpf  gewesen  wäre, 
musste  einen  Geist  wie  ihn  das  viehische  Thun  empören,  eine  geistige 
Kraft,  der  man  nicht  gewachsen  war,  mit  dem  glühenden  Eisen  nieder- 
zudisputieren.  Der  Makel,  der  durch  diese  That  seiner  Stadt  und 
seiner    Sippschaft  angehängt   wurde ,    er  ist  doch    allein    vermögend, 


*)  Wiewohl  der  pfaffische  Ton  seiner  in  den  verschiedensten  Phasen  seines  Ver- 
hältnisses zu  der  Kirche  wiederholt  promulgierten  Ketzergesetze  höchst  auffallend  bleibt. 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.  339 

nns  ganz  die  Temperatur  des  Ausrufs  zu  erklären,  daß  der  Strohmann, 
den  die  PfaflFen  aus  ihrem  Gotte  machen,  nach  Belieben  zur  Wahrheit 
und  zum  Truge,  zum  Ernst  und  zum  Spiele  zu  gebrauchen  sei. 

Wir  haben  uns  der  Überzeugung  hingeben  zu  dürfen  geglaubt, 
daß  Q-ottfried  vom  geistlichen  Richter  fiir  dieses  Zornwort  keine  Strafe 
zu  befahren  hatte.  Gleichwohl  musste  er  sich  bewusst  sein,  mit  dem- 
selben in  ein  Wespennest  zu  stechen,  und  so  wird  sein  Characterbild 
durch  den  Zug  erweitert,  daß  er  nicht  bloß,  wie  wir  aus  seinem  An- 
griflF  auf  Wolfram  wissen,  bei  aller  Weichheit  Schneide,  sondern  daß 
er  Mannesmuth  besaß.  Bei  seiner  Verwandtschaft  auf  ungetheilten  Bei- 
fall zu  rechnen,  kam  ihm  sicher  nicht  in  den  Sinn:  unbedingt  aber 
musste  er  sich  sagen,  daß  ihm  die  Straßburger  Cleriker  den  „eriweZ^ 
nie  vergessen  werden.  So  hat  denn  auch  eine  geistliche  Feder,  die  am 
Schlüsse  des  Jahrhunderts  über  elsäßische  Zustände  aus  dessen  erster 
Hälfte  schrieb  und  selbst  durchwandernder  Dichter  zu  gedenken  nicht 
verschmähte,  neben  einem  Freidank,  den  ihr  Zeugniss  über  jeden  wei- 
teren Streit  hinaus  feststellt,  neben  einem  Konrad  von  Wirzburg,  den 
sie  wegen  eines  zweifellosen  Lobgesangs  auf  die  Jungfrau  Maria  preisen 
konnte,  einen  Gottfried  von  Straßburg  richtig  zum  ungesehenen  Mann 
zu  machen  vermeint  (Monum.  XVII,  233.)  Thörichter  Versuch  freilich 
eines  späten  Todtschweigens:  denn  daß  der  Todte  den  Lebendigen  be- 
gräbt, das  gelingt  doch  höchstens  so  lange  dieser  selbst  noch  über  Gräbern 
wandelt. 

So  würde  sich  denn  schließlich  den  früher  erhobenen  Zeitbestim- 
mungen noch  eine  weitere  anreihen,  die  ganz  mit  denselben  in  Ein- 
klang steht.  Um  1215  föUt  die  Entstehungszeit  des  Willehalm,  dessen 
Eingang  eine  Bekanntschaft  Wolframs  mit  dem  Tristan  wenigstens  bis 
zu  Vers  15768  (M.  396,  10)  voraussetzt:  die  Aventiure  vom  Gottes- 
urtheil  aber,  die  mit  diesem  Verse  schließt,  ist,  wie  man  annehmen 
darf,  im  Laufe  des  Jahres  1212  geschrieben.  Dies  stimmt  einerseits  zu 
jener  Bekanntschaft,  während  es  andererseits  die  Wahrscheinlichkeit 
der  Annahme  erhöht,  daß  die  ersten  1750  Verse,  welche  die  Erzählung 
von  Riwalin  und  Blancheflur  enthalten,  im  Jahre  1208  schon  eine  Strecke 
hinter  dem  Dichter  lagen;  Vom  Schlüsse  des  Gottesurtheils  endlich  bis 
zur  Unterbrechung  des  ganzen  Gedichtes  sind  es  gerade  noch  3786  Zei- 
len, welche  Gottfried  seit  längerer  oder  kürzerer  Frist  vollendet  hatte, 
als  an  einem  ungenannten  Tage  des  Jahres  1216  seine  Geschäftsfeder 
in  den  Händen  eines  Andern  und  Tristan  wieder  Waise  war. 

Pausanias  in  seiner  wunderlichen  (übrigens  vielleicht  noch  nicht 
ganz  erklärten)  Weise  liebt  es,  die  Beschreibung  eines  Ortes  oder  einer 


340  HERMANN  KURZ 

Gegend  mit  den  Worten  abzuscUießen,  außer  dem  Geschilderten  gebe 
es  hier  nichts  Bemerkenswerthes  mehr.  Wir  sind,  am  Ende  des  in  Be- 
tracht genommenen  Lebensweges  anlangend,  im  entgegengesetzten  Fall, 
obgleich  uns  das  keine  Veranlassung  geben  wird,  allzu  lang  mehr  zu 
verweilen.  Gerade  zum  Schlüsse  nämlich  tritt  uns  noch  etwas  sehr 
Merkwürdiges  entgegen,  über  welches  wir  jedoch  nur  sagen  können,  daß 
unser  Wissen  davon  nicht  einmal  Stückwerk  ist. 

Es  handelt  sich  um  das  schon  erwähnte  Bild  der  Pariser  Lieder- 
handschrift, um  jenes  beredte  Bild,  das  uns  so  viel  erzählen  könnte, 
wenn  wir  seine  Sprache  verstünden. 

Statt  dessen  jedoch  lässt  sich  an  diesem  Bilde  nur  ein  Nebenpunct 
richtig  stellen,  der,  daß  man  zu  viel  geschlossen  hat,  wenn  man  in  dem 
Fehlen  des  Wappens  die  Andeutung  erblicken  wollte,  daß  Gottfried 
bürgerlichen  Standes  gewesen  sei.  Dieselbe  Handschrift  gibt  dem 
Schmiedmeister  Barthel  Regenbogen,  den  sie  als  solchen  darstellt,  ein 
Wappen  mit  Hammer  und  Zange  in  silbernem  Feld:  sie  hätte  also 
auch  dem  Meister  Gottfried ,  selbst  wenn  er  ihr  ftlr  bürgerlich  im 
gleichen  Sinne  galt,  ein  Wappen  geben  können.  Die  Bürger  seines 
Standes  aber  fiihrten  zu  der  Zeit,  da  die  Handschrift  gefertigt  wurde, 
bereits  durchaus  rittermäßige  Siegel  (Heusler,  Verf.-Gesch.  der  Stadt 
Basel  im  Mittelalter,  S.  136);  und  da  sein  Geschlecht,  wie  Schöpflins 
Aufzeichnungen  beweisen,  noch  um  1318  geblüht  hat,  so  musste  — 
besonders  wenn  es  mit  Zürich  als  Heimat  der  Handschrift  richtig  stehen 
sollte  —  die  Erkundung  seines  Wappens  dem  Maler  ein  Leichtes  sein. 
Das  Wappen  fehlt  vermuthlich  darum,  weil  Gottfried  nicht  allein,  son- 
dern von  andern  Gestalten  umgeben  ist,  welche  offenbar  meist  oder 
durchgängig  Ebenbürtige  vorstellen,  deren  Wappen  neben  dem  seinigen 
wegzulassen  nicht  thunlich  schien:  der  Künstler  bringt  also  lieber  gar 
keines  an  und  hilft  sich  dafiir  mit  dem  an  goldenem  Knaufe  befestigten 
Baldachin,  unter  welchem  er  die  Gesellschaft  versammelt. 

Wir  müssten  ihm  freilich  dankbar  sein,  wenn  er  das  Gegentheü 
gethan  und  uns  Gelegenheit  geboten  hätte,  durch  die  Wappen  den  Namen 
auf  die  Spur  zu  kommen;  er  aber  mochte  denken,  es  sei  genug,  die 
Mehrzahl  dieser  Wappen  einmal  'gegeben  zu  haben:  denn  es  kann 
doch  wohl  nicht  im  Zweifel  bleiben,  daß  sie  auf  andern  Bildern  der 
Handschrift,  nur  für  uns  unausfindbar,  vorhanden  sind. 

Daß  nämlich  die  fünf  Gestalten,  in  deren  Mitte  der  Dichter  mit 
Schreibtafel  und  Griffel  sitzend  abgebildet  ist,  wenigstens  der  Mehrzahl 
nach  aus  hervorragenden,  also  noth wendig  in  der  Liederhandschrift 
mitvertretenen  Sanggenossen  bestehen,    und  daß  ihre  zum  Theil  sehr 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG.  341 

lebhaften  Gebärden  dem  Inhalte  der  Schreibtafel  sowie  dem  Dichter 
selbst  gelten,  das  geht  aus  dem  Bilde  mit  sprechender  Deutlichkeit 
hervor:  aber  nebst  den  Personen  bleibt  —  auch  nach  Zuziehung  ver- 
wandter Bilder,  die  etwas  zur  Deutung  beitragen  mögen  —  der  eigent- 
liche Inhalt  der  Verhandlung  ein  Räthsel.  Gäbe  es  fUr  die  mittelalter- 
liche Hand-  und  Fingersprache  ein  vollständiges  Formular,  so  könnte 
man  diese  Gebärden  in  Reden  übertragen,  die  einigen  Aufschluß  ge- 
währen würden:  allein  so  manches  Einzelne  wir  von  jener  Symbolik 
wissen,  im  Ganzen  ist  sie  doch  immer  noch  ein  Buch  mit  vielen  Sie- 
geln, das  auch  der  mächtige  Bezwinger  der  Rechtsalterthümer  (S.  142) 
nicht  völlig  eröffnet  hat. 

Von  den  Dreien,  die,  jeder  mit  der  einen  Hand  auf  dem  Knie, 
zur  Rechten  des  Meisters  sitzend  dargestellt  sind,  hebt  der  Erste  den 
linken  Zeigefinger  gerade  in  die  Höhe.  Nimmt  man  hiezu  das  andere 
Manessische  Bild,  auf  welchem  sich  der  Ritter  Nithart  unter  den  un- 
geschlachten Händen  der  Bauern  befindet,  so  zeigt  der  hinterste  Bauer 
zur  Rechten  der  Hauptfigur  fast  die  gleiche  Gebärde,  die  diesmal  nur 
eine  Drohung  oder  Schelte  bedeuten  kann.  Eine  ähnliche  ist  auf  dem 
Bild  des  Wartburgsängerkrieges  bei  dem  letzten  rechts  Sitzenden  wahr- 
zunehmen, der  fUr  Biterolf  gilt;  aber  dieser  spricht  mit  dem  Zeigefinger 
der  Rechten;  und  hinwieder  hält  der  Bauer  auf  dem  Nithartsbilde  sei- 
nen Finger  nicht  steilrecht,  sondern  ziemlich  rückwärts  gekehrt;  so 
daß  wir  zwar  auf  sämmtlichen  drei  Manessischen  Bildern  eine  und  die- 
selbe Gebärde  haben,  aber  doch  der  streng  genommenen  Form  nach 
dreierlei ,  die  vielleicht  mehr  als  man  glaubt  von  einander  abweichen. 
Und  streng  muss  man  es  mit  diesen  Abweichungen  nehmen :  denn  wir 
stehen  hier  einer  Zeit  gegenüber,  die  ganz  in  Formel-  und  Zeichen- 
wesen lebte,  demgemäß  auch  in  der  Darstellung  mehr  Sinn  als  Kunst 
besaßt  und  keinen  Strich  machte^  der  nicht  bedeutsam  war. 

Unzweideutiger  ist  das  Gebahren  der  letzten  Figur  auf  der  Gegen- 
seite, welche  die  Linke  gegen  Gottfried  ausstreckt  und  mit  der  Rechten 
seinen  Oberarm  erfasst:  in  dieser  Gebärde  kann  man,  wenn  man  das 
so  ähnliche  Angreifen  der  gewaltthätigen  Bauern  auf  dem  Nithartsbilde 
vergleicht,  nur  eine  feindselige  Antastung  erkennen.  Gleiche  Verwandt- 
schaft scheint  zwischen  der  zweiten  Figur  auf  'dieser  Seite  und  den 
beiden  ebenfalls  links  befindlichen  letzten  Figuren  der  beiden  andern 
Bilder,  dem  Bauer  hinter  dem  linken  Angreifer  des  Nithartbildes  und 
dem  tugendhaften  Schreiber  des  Wartburgbildes,  zu  herrschen:  sie 
holen  sämmtlich,  mehr  oder  minder  gewaltsam,  mit  der  Rechten  wie 
zum  Höhnen   oder  gar  zum  Schlagen  aus.     Zwar  hält  die  ausholende 

GERMilNIA.  Neue  Reihe  111.  (XV.)  Jahrjr.  23 


342  HEKMAXN  KUEZ 

Figur  des  Gottfirledbildes  hierin  noch  am  meisten  Maß:  doch  zeugt 
ihre  Haltung  und  ihr  einverstandenes  Daherkommen  mit  dem  anta- 
stenden Gefährten  nicht  von  freimdschaftlicher  Gesinnung. 

Da  nun  diese  beiden  Figuren,  die  man  fhr  feindselig  ansprechen 
darf,  links  hinter  dem  Dichter  stehen,  während  die  drei  andern,  die 
jedenfalls  eine  friedlichere  Haltung  zeigen,  rechts  bei  ihm  sitzen,  so 
könnte  man  nach  bekanntem  Symbol  annehmen,  daß  Rechte  imd  Linke 
hier  Freund  und  Feind  bedeuten  sollen:  hienach  müssten  alsdann  die 
Gebärden  der  drei  Sitzenden  zu  erkläi^en  sein»  Der  aufgehobene  Zeige- 
finger des  Ersten  wäre  etwa  ein  zu  Gunsten  des  Dichters  gebotenes 
„Hört!"  oder  eine  Abwehr  der  Gegner,  wenn  man  nicht  lieber  dem 
Zweiten,  dessen  Kopfbewegung  und  mit  der  Fläche  nach  außen  ge- 
wendete Rechte  ablehnend  aussieht,  diese  Abwehr  überlassen  will.  Der 
Dritte  macht  wohl  am  wenigsten  Schwierigkeit,  der  mit  der  dem  Ge- 
sicht zugekehrten  rechten  Handfläche  ruhige  Erwägung,  wo  nicht  Zu- 
stimmung zu  dem  Vortrag  des  Meisters  ausdrücken  möchte. 

Dieser  selbst  sitzt  mit  übergeschlagenen  Beinen,  den  GriflFel  zier- 
lich gegen  die  Tafel  haltend,  den  Kopf  mit  kaum  merklicher  Bewegung 
nach  den  Gegnern  wendend,  in  unzerstörbarer  Ruhe  und  Heiterkeit  da. 

Wenn  aber  auch  hiemit  das  Bild  richtig  gedeutet  wäre,  was  noch 
immer  sehr  fraglich  ist,  so  wäre  doch  nicht  viel  gewonnen.  Ob  dieses 
Bild  ein  verlorenes  Stück  Geschichte  aus  dem  Leben  Gottfrieds  oder 
eine  später  aufgekommene  Sage  darstellt,  ob  es  bloß  eine  spielende 
Zusammenstellung  seiner  Lobredner  und  Tadler  sein  will,  ob  es  unter 
die  letzteren  Wolfram  von  Eschenbach,  unter  die  ersteren  Rudolf  von 
Ems  und  Konrad  von  Würzburg  oder  seine  Fortsetzer  Ulrich  und 
Heinrich  aufnahm,  das  Alles  bleibt  nach  wie  vor  ungewiss.  Ja  es  ist 
obendrein  noch  in  Frage  gestellt,  ob  nicht  vielleicht  die  Beisitzer  rechts, 
statt  als  Zustimmende,  vielmehr  bloß  als  wohlgesinnte  Berather,  Zweifler 
und  Warner  aufzufassen  sind,  während  links  der  entschiedene  Wider- 
part an  den  Dichter  herantritt;  oder  ob  er  gar  mit  lauter  Gegnern, 
mit  vieren  wenigstens,  zu  kämpfen  hat,  und  mit  welchen?  Soll  der 
Antaster  Wolfram  sein,  wer  ist  dann  sein  GefUhrte?  Oder  aber,  wenn 
die  Figur  mit  aufgehobenem  Zeigefinger,  die  einzige,  die  ein  ritter- 
liches Barett  trägt,  obgleich  die  andern  sicher  nicht  minder  adelig  sind, 
wenn  die  Figur  durch  die  Ähnlichkeit  mit  dem  (so  gedeuteten)  Wolfram 
des  Wartburgbildes  als  solcher  gekennzeichnet  ist,  dann  ist  die  ver- 
suchte Deutung  der  rechten  Seite  unseres  Bildes  freilich  von  Grund 
aus  umgewälzt;  aber  dann  werden  die  beiden  Figuren  zur  Linken  nur 
um  so  räthselhafter. 


ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSE ÜRG.  343 

4 

So  müssen  wir  es  denn  bei  der  schon  früher  ausgesprochenen 
Klage  bewenden  lassen,  daß  das  Bild  eben  immer  noch  sehr  erklärungs- 
bedürftig sei.  Q-ewiss  ist  nur  so  viel,  daß  dasselbe  nicht  auf  die  in  der 
Schwertleite  genannten  Dichter  bezogen  werden  kann:  schon  desshalb 
nicht,  weil  da  gerade  Walther  von  der  Vogelweide  fehlen  würde,  dessen 
bärtige  Gestalt  mit  dem  Ritterbarett  dem  ihm  selbst  vor  seinen  Liedern 
gewidmeten  Bilde  so  ähnlich  auf  dem  Wartburgbilde  wiederkehrt,  daß 
die  Handschrift  ihn  bei  abermaligem  Auftreten  durchaus  in  der  gleichen 
Gestalt  hätte  bringen  müssen. 

Daß  die  Darstellung  unseres  Bildes  auffallend  an  die  des  Wart- 
burgkrieges (wo  übrigens  Klingsor  und  Heinrich  von  Ofterdingen  rechts 
und  links  von  Gegnern  umgeben  sind)  erinnert,  das  hat  sich  der  For- 
schung längst  aufgedrängt.  Ob  Gottfried  einen  ähnlichen  Wettstreit  zu 
bestehen  gehabt  habe,  wie  der  Wartburgische,  dem  es  ja  selbst  an 
fester  geschichtlicher  Grundlage  fehlt,  das  mag  dahingestellt  bleiben. 
Dagegen  wird  sich  eine  von  der  Forschung  bis  jetzt  nicht  berück- 
sichtigte Vermuthung  wiederholt  geltend  machen  dürfen,  nämlich,  daß 
Gottfried  selbst  zu  der  Wartburgsage  in  einer  verdunkelten  Bezie- 
hung steht. 

Unser  dreizehntes  Jahrhundert  hat  zwei  Dichterkriege  aufzuweisen, 
einen  geschichtlichen  und  einen  sagenhaften.  Ersterer  ist  nicht  etwa 
in  dem  Zwiste  Reinmars  und  Walthers,  der  nur  das  persönliche  Miss- 
verhältniss  zwischen  älterem  und  jüngerem  Dichter  war,  oder  in  ähn- 
lichen Reibungen  zu  erblicken,  sondern  in  dem  Kampfe  von  Schule 
gegen  Schule,  der  sich  an  die  Namen  Gottfrieds  und  Wolframs,  an  die 
Vertreter  zweier  Principien,  knüpft.  Dieser  Kampf  zwischen  zwei  großen 
Richtungen,  von  den  beiden  ersten  Dichtergrößen  der  Zeit  geführt, 
die  sich  gegenseitig  Mysticismus  und  Unglauben  vorwarfen,  hat  die 
bedeutenderen  Geister  der  Zeit  nothwendig  in*  ihren  Tiefen  bewegt; 
und  wie  stumm  uns  auch  das  Manessische  Bild  Meister  Gottfrieds  ge- 
blieben ist,  so  kann  doch  kein  Zweifel  sein,  daß  aus  ihm  ein  Nachklang 
jener  geschichtlichen  Bewegung  redet. 

Andererseits  erscheint  in  dem  sagenhaften  Wartburgkriege  und 
dessen  mit  unserem  Bilde  so  verwandter  bildlicher  Darstellung  Gott- 
frieds Gegner  Wolfram  in  einem  Kampfe  begriffen,  der,  wenn  er  nicht 
leere  Erfindung  sein  soll,  nur  den  gleichen  Nachklang  enthalten  kann. 
Leere  Erfindung  aber  wird  in  modernen  Zeiten  ausgebrütet,  dergleichen 
bis  jetzt  am  Schlüsse  größerer  Zeiträume  eingetreten  sind :  in  der 
Frühe  des  Zeitraumes  bildet  sich  keine  Dichtung,  die  nicht  auf  irgend 
einer  Art  von  geschichtlichem  Grunde  ruhte.  Die  Wartburgsfage  stam- 

23* 


344      HERMANN  KURZ,  ZUM  LEBEN  GOTTFRIEDS  VON  STRASSBURG. 

melt  —  neben  einer  geschichtlichen  Erinnerung  an  den  Wetteifer  ver- 
schiedener Höfe  in  Glanz  und  Freigebigkeit  —  von  einer  ebenfalls 
geschichtlichen  Erscheinung,  von  dem  Parzivalsdichter,  wie  er  (nach 
San  Hartes  gewiss  treffender  Auffassung)  nicht  als  Sänger,  sondern  als 
Mann  des  Glaubens  sich  im  Andenken  der  seit  der  Mitte  des  Jahrhunderts 
immer  mehr  sinkenden  Kunst  erhielt.  In  verworrener  und  doch  durch- 
sichtiger Erinnerung  macht  ihn  die  Sage  zum  Mittelpunct  und  Helden 
eines  Kampfes,  der  nach  kurzem  Geplänkel  auf  anderem  Felde  sofort 
das  theologische,  dogmatische,  mystische  Gebiet  betritt:  daß  er  wirklich 
in  seinem  Leben  ein  Glaubenskärapfer  war,  der  dem  Unglauben  Fehde 
ansagte,  ist  ihr  verwischt  und  doch  nur  halb  erloschen,  denn  was  sie 
ihm  statt  des  Unglaubens  zum  Kampfe  gegenüberstellt,  das  ist  die 
Magie,  mit  welcher  bekanntlich  die  Sage  den  Unglauben  gerne  über- 
kleidet. 

Dieser  sagenhafte  Kampf  ist  gleichsam  eine  von  dem  Geschicht- 
lichen zurückgelassene  Staubwolke ,    die ,    ihre  Straße  dahinwirbelnd, 
ursprüngliche  Bestandtheile  abgesetzt  und  neue  fremde  aufgenommen  hat. 
Daß  Gottfried  dabei  gänzlich  aus  der  Sage   schwand,    deutet  auf  ein 
uniühmliches  Vergessen,    dessen  Schuld  besonders  auch   die  Meister- 
sänger  trifft:  aber  wundem  wird  man  sich  nicht  über  die  Entstellung, 
wenn  man  liest,   wie  Herman  der  Damen,  der  doch  noch  sehr  tief  in 
das  dreizehnte  Jahrhundert  hereinreichen  muss,  unter  den  verstorbenen 
großen    Dichtem    der   nächsten   Vergangenheit   neben  Wolfram    alles 
Ernstes  einen  Klingsor  von  Ungerland  und  einen  Heinrich  von  Ofter- 
dingen  aufführt.  Die  Sage  wird  wohl  zeitig  in  der  wirren  zweiten  Hälfte 
des  Jahrhunderts   entstanden  sein.     Schon  1289  weiß  ja  Dietrich  von 
Apolda  in  seinem  Leben  der  h.  Elisabet  von  sechs  Rittern  an  Land- 
graf Hermans  Hofe  und  ihrem  Sangesstreite ,    welchen  zu  entscheiden 
der  Philosoph,    Necromant  und  Astronom  Klingsor  aus  Siebenbürgen 
in  Ungarn  berufen  wird,    der  dann  zugleich  die  Geburt  der  Heiligen 
in  den  Sternen  liest;    und  die  Namen  der  Sechs,    die  sein  schwerlich 
um  viel  mehr  als  zehn  Jahre   späterer  Bearbeiter  in  Reimen*)  über- 
einstimmend mit  der  Sage  nennt,  hat  Dietrich  vielleicht  nur  der  Kürze 
halber  beizusetzen  unterlassen. 

So  liegen  sie  denn  seltsam  neben  einander,  die  beiden  Bilder  in 
ihrer  Ähnlichkeit  und  ihrem  Gegensatz,    das  eine  mit  Gottfried,    das 


*)  In  der  Bibliothek  des  Litterarischen  Vereins  ron  Max  Rieger  herausgegeben. 
—  Eine  neue  Ausgabe  des  Tristan ,  von  Reinhold  Bechstein ,  liegt  in  den  von  Pfeiffer 
begründeten  i^eutschen  Classikem  des  Mittelalters  vor.  / 


FRIEDRICH  KEINZ,  MITTHEILUNGEN  etc.  345 

andere  mit  Klingsor  in  der  Mitte.  Aber  in  dem  Kreise,  aus  welchem 
jenes  in  die  Handschrift  übergieng,  muss  sich  mehr  oder  weniger  un- 
getrübt die  Erinnerung  an  den  geschichtlichen  Kampf  erhalten 
haben,  die  in  dem  Wartburglied  und  -Bilde  ganz  versunken  ist.  Wieder 
und  wieder  lenkt  sich  daher  der  Blick  auf  die  Gruppe,  die  unsern 
Meister  in  so  lebhafter  Verhandlung  umgibt:  und  wenn  wir  uns  schließ- 
lich fragen^  ob  nicht  doch  hier  vielleicht  vom  tugenthafien  Krist  die  Rede 
sein  könnte,  so  dürfte  die  früher  geäußerte  Muthmaßung,  daß  dieses 
Wort  wohl  nur  einem  Einzigen  anstößig  gewesen  sei,  wenigstens  in 
BetreflF  der  Einzahl  einen  Stoß  erleiden.  Um  so  tröstlicher  bleibt  dann 
die  Wahrnehmung,  daß  der  Held  des  Bildes  sich  den  AngriflF  der  Wider- 
sacher, wie  viel  oder  wenige  deren  sein  mögen,  so  ganz  und  gar  nicht 
anfechten  lässt. 

Doch  genug  der  üngewissheiten.  Spärlich  und  an  vereinzelten 
Stellen  ist  der  Nebelschleier  gelüftet,  der  das  Leben  des  großen  Dich- 
ters deckt:  aber  nur  ein  Geringes  ist  damit  erreicht;  gerade  das  Haupt- 
bild, räthselhaft  sieht  es  uns  an  und  will  nicht  lebendig  werden;  und 
über  diesem  Leben  oder  doch  über  dem  größten,  bedeutungsvollsten 
Theil  desselben  „waltet",  wie  Pfeiffer  jene  reiche  Abhandlung  schloß, 
^das  frühere  undurchdringliche  Dunkel". 
TÜBINGEN. 


MITTHEILUNGEN  AUS  DER  MÜNCHENER 

K.  BIBLIOTHEK, 


.  TON 

FRIEDRICH  KEINZ. 


Unter  dieser  Überschrift  beabsichtige  ich,  den  Lesern  der  Ger- 
mania den  Inhalt  der  wichtigeren  altdeutschen  Bruchstücke  der  hiesigen 
Bibliothek,  wie  es  mit  einigen  schon  in  den  Sitzungsberichten  der 
k.  b.  Akademie  der  Wissenschaften  (Phil.-hist,  Classe,  1869,  I,  4  und 
11?  3)  geschehen  ist,  sowie  verschiedene  deutsche,  in  lateinischen  Hand- 
schriften vorkommende  kleinere  Stücke  vorzuflihren;  gelegentlich  auch 
litterarische  Notizen  nach  Art  der  am  Schlüsse  dieses  Berichtes  sich 
befindenden  beizufügen.  Den  Anfang  mögen  ungedruckte  althoch- 
deutsche Glossen  machen. 

Von  mehr  als  sechzig  der  hiesigen  Glossenhandschriften  habe  ich 
mir  in  fiilheren  Jahren  genaue  Abschrift  angefertigt;  darunter  ist  die 


346  FRIEDRICH  KEINZ 

Mehrzahl  von  Docen,  Graff  und  Schmeller  für  ihre  lexicographischen 
Arbeiten  benützt  worden:  einige  aber  sind  dem  allgemeinen  Gebrauche 
noch  nicht  zugänglich  gemacht.  Bei  ersteren  halte  ich  eine  erneute 
Veröffentlichung  vorläufig  fiir  unnöthig,  da  bei  ihnen  gegebenen  Falls 
eine  genaue  Collation  genügen  möchte;  letztere  aber  dürften,  wenn 
gleich  die  Ausbeute  der  meist  wenig  umfangreichen  Stücke,  wie  jede 
Nachlese  hinter  großen  Arbeiten,  nur  beschränkten  Nutzen  bietet,  den 
Abdruck  wohl  verdienen.  Der  Genauigkeit  wegen  bemerke  ich,  daß 
die  meisten  von  diesen  auch  schon  Schmeller  seinen  handschriftlichen 
Auszügen  einverleibt  hat. 

1.  Clm  6355.  IX.  Jahrh.  2"  min.  270  BU.  aus  Freising. 

Inhalt:  Canones  conciliorum.  Constituta  paparum.  Am  Schlüsse 
ist  auf  Palimpsestblättem  eine  Sammlung  von  lateinischen,  wohl  auf 
die  Canones  bezüglichen  Glossen,  unter  welchen  sich  folgende  deutsche 
befinden : 

seditiosua  ungareh  proteruus  abuh 

pernitiosum  fi*auali  emergentes  farsenehen 

pernitio  est  freisa  ist  ignauia  unuuistuam 

suggestionem  manunga  ludricis  (so)   einuuigi. 
sollicitare  holon 

2.  Clm  6375.  IX.  J.  2^   227  Bll.  aus  Freising. 

Inhalt:  Eusebii  bistoriarum  über  XL  (i.  e.  cum  duobus  a  Rufino 
additis).  Die  erste  Glosse  ist  übergeschrieben;  die  andern  sind  am 
obem  Rande  der  letzten  Seite  eingetragen,  welche  außerdem  ein  lat. 
Vocabular  aus  den  Buchstaben  t  und  u  enthält. 

signiferi  —  cundfanara 

de  monarchia  —  suntriger  hertom 

propria  conspiratione  —  eiganeru  piratidu 

conitiebant  —  dahtun 

demolumentis  (so)  uuouu  und  noch  3  vergilbte  Buchstaben, 

die  wie  ast  aussehen,   also  wohl  uuouuast  =  uouiiahsty 

vgl.  Graff  I,  687. 

3.  Clm  6225.  IX.  J.  4^  115  BU.  aus  Freising. 

Inhalt:  Vom  alten  Testament  die  Bücher  Job,  Tobiae,  Judith, 
Esdrae,  Nehemiae  und  Hester.  Die  deutschen  Glossen  nebst  einigen 
lateinischen  sind  von  mehreren  Händen  theils  übergeschrieben,  theils 
am  Rande  mit  Verweisungszeichen  angebracht.  Die  Schrift  derselben 
zeugt  in  ihrer  Schwerfälligkeit  von  sehr  wenig  geübten  Schreibern. 


MITTHEILUNGEN  AUS  DER  MÜNCHENEß  K.  BIBLIOTHEK. 


347 


Liber  Job. 

testa    (saniem   deradebat)      mit 

hauen  scripine  (1.  scirpine) 
molesta  ungimago 
in  porta  vrteUi 
onager  uuildar  esill 
concuties  horrore  gigruzes 
Buspendium  altasunga 
ut  gluttiam  daz  ih  uirsUnta 
fulciet  gispruz& 
de  loco  suo    (commouit  terram) 

uuonna  hir. . . 
confutaberis  giualscot  iiird[ist] 
odorem  fvhti 

adteratur  (caelum)  zigange 
excauant  irholont 
et  alluuione  ynta  uona  anagaulu- 

zido 
attonitos  (habes  occulos)  stornenti 
turnet  mertisot  (1.  meitisot;  vgl. 

GraflF  II,  701  ff.) 
tyrannidis  vuotrihtuomeB 
aruina  spint 
redactae  (domus  in  tumulos)  pi- 

kertiu 
onerosi  ungimaha 
rugae   zuhhun 
maxillam  meam  min  kinni 
sorduimus  pismah&om  (so,  d.  h. 

pismahetomes) 
maculis  marcun 
decipula    valla 
inedia  azalosi 
Biccentur  gidorrit 
exorruit  leidezta 
sicut  paleae  iso  stro 
sicut  fauilla  ioso  ualauisco 
torrentes  cihisilinga   (1.  chisilin- 

ga,  vgl.  GrafflV,  501.) 
obstetricante  foUeistantero 


commutatione     chouffe     (das  u 

über  dem  o) 
in  nidulo  meo  in  minemo  nesta 
squalentes  unsupronta 
(sub)  sentibus   domun 
deuoluti  sunt  picalt  urtun 
nefas  est  ubil  ist 
lineam  sprattun 
rinocerus  einhurno 
hinnitum  uueihot 
plumiscet  uidirith 
accipiter  hapoh 
cartilago   qrustali 
calami  rorahes 

gurgustium  auarhaco  und  ein  ra- 
dierter Buchstabe 
frustrabitur  pitriugit 
fusilia  gozana  (unter  dem  o  steht 
von  der  Glossenhand  ein  lan- 
ges Ä) 
Bternutatio  uanastunga  (filr  fna- 

stunga?  Grafflll,  782). 
ted^  kihena  (über  dem  i  ein  c, 

GrafflV,  451), 
incus  anapoz 
thorax  prunna 
paleas  stro 
fund^  slingun 
malleum  hama^ 
bulliunt  uualent 
quasi    senescentem     iso    eruer- 
denten 

Liber  Tobiae. 
nutaret  ttduiloti 
carta  prieue 

de  cassidile  suo    vonna    sinero 
tascim. 

(f.  52*)  Liber  Judith, 
sandalia  scuoha 
dextraliola  pouga 


348 


FKIEDRICH  KEINZj 


ascopam  flascun 

polentam  polla 

industria  ginmimtrido 

expendet  ginuzit 

copia  frist 

egredi  usc  (fehlt  weiteres,  das  c 

könnte  auch  der  erste  Strich 

eines  ^  sein) 
suade  speni  (das  i  ist  unsicher) 
agendo   sih  ueriento 
ut  inmunis   das  ungemein 
non  uereatur  ni  scame  sih 
grandi  (strepitu)   cradame 
tdulatu  screie 
perstrepentes  luittonta. 

Liber  Hesdrae. 
cimentariis  murarun 
ut  urguerent  daz  sa  frumitiu 
salis  SYOzi 
lesiones  vnhuldi 
recensuerunt  lartvn. 

Liber  Nehemiae. 
leuitae  ampatman. 

Liber  Hester. 
deferant     (uxores   maritis)    era 

irpite 
(mundum?)  sconiu 
percrebuisset  irmarit  uurti 
excoleret  pisahi 


triclinio   stuola 

permagnificum  (convivium)   filo- 

stiurra 
principalem  (magnificentiam)  her- 

tuomliha 
sententiam  vuillun 
experimento  ursohunga 
duxit  (pro  nihilo)   ahtota 
mutuo  vnterin 
scita  panna 
insolescat  irgeillisota 
(per)  licentiam   muoza 
arcariis  trisachamarun 
anulum  das  fingir. . . 
pependit  (edictum  regis)  ziuuiz- 

zanne  vuart 
pareris   irscinis 
reputans  trahtunter 
tyrannis  her?  (herren) 
redundat  (cuius  crudelitas  —  in 

regem)   qmmit 
opprimere  piliccan 
machina  mahhunga 
librariis  prieuarun 
ueredarioa  potun 
ueteres  erirun 
§renis  lust  üben 
inhiabant  kerotun 
dignitas  hertum 
redUndauit  irgoz. 


uertebatur  irginc 

4.  Clm  6413.  IX/X.  6.  8^  24  BU.  aus  Freising. 

Inhalt:  Grammatäker.  Auf  der  letzten  Seite  sind  folgende  meist 
deutsche  Worte  am  obern  und  untern  Rande  eingetragen  (Federproben  ?) : 
kiloup  mit  imten  durchstrichenem  p  (also  kilouper)  —  ficpoum  uas  imte 
in  den  niuorun  poetis  —  orde  das  seltonost  —  cigiualgane  is  cutinna  — 
Adnexique  globum  zephy  —  uscerscrechan  den  uesan,  transiliendum 
est  —  durah  urloup,  per  licen[tiam]* 

Obiges  ^adnexique/  eine  Schreiblehrformel,  findet  sich  auch  in  an- 
dern Freisinger  Handschriften. 


MITTHEILUNGEN  AUS  DER  MÜNCHENER  K.  BIBLIOTHEK.  349 

5.  Clm  6230.  X.  J.  4^   126  BU.  aus  Freising. 
Inhalt:  Epistolae  canonicae. Apocalypsis. 

potens  (in  scriptura)   qunftiger  stelle  tero  stemo 

possunt  megin  castra  heriperga. 

ergo  gauuisso  (undeutlich) 

Fol.  56  steht  am  Rande  einer  Zeile,  in  der  'Sadducei'  vorkommt : 

pero,  pucko,  und  ebenda  über  'Pharisäorum' :  ratolt  (Namen  von  damit 

geneckten  Schulkameraden?). 

6.  Clm  6295.  X.  J.  4^.  224  BIL  aus  Freising. 
Inhalt:  Gregorii  homiliae.   f.  65**  folgende  Glossen: 

contusionibus  (oliua  expressa)  torculun  pizsuaridun 

per  trituram  driscun 

a  paleis  uon  dem  helluun 

portico  forcih  frithof. 

7.  Clm  6414.  X.  J.  8^  53  BU.  aus  Freising. 

Inhalt:  'Erchanberti  tractatulus  super  Donati  grammaticam.'  (Vgl. 

Keil,  De  Grammaticis  quibusdam  lat.  Erlangae  1868,  pag.  23.) 
cortex  rinta  linx  luhs 

grus   chreia  (Ä  nachgetragen)  comprehenditur  farsten  ist 

bubo  uuo  herodio  falcho. 

damma  steingeiz 
f.  51  ist  in  dem  vergilianischen  Verse    *aut  parthus   ararim   (so) 

bibit  aut  germania  tygrim'    von  einem  geographischen  Glossator    (wio 

es  scheint  von  derselben  Hand,  wie  die  obigen  Glossen)   über  ararim 

geschrieben  suovua. 

8.  Clm  14737.  X.  J.  4».  226  BU.  aus  S.  Emeramm. 
Inhalt:  Grammatiker. 

tuber  moltsuuom  colus  chunecla 

puber  grana  sprunger  acus  aceris  agana 

concolor  ebanuaro  carex  riot. 

fomes  zunterah 

Auf  der  letzten  Seite  der  Handschrift  sind  unter  der  Überschrift 
'Glosa  incipit  de  arte  Albini'  23  Glossen  eingetragen,  wovon  obige 
lat.-deut8ch ,  die  übrigen  lateinisch.  Unter  letzteren  findet  sich  auch: 
'Duumuir:  qui  senos  digitos  habet.' 

9.  Clm  15965.  X.  J.  4^  28  BU.  aus  Salzburg. 
Inhalt:  In  Persii  satiras  commentarius. 

garum  sulci  tesserula  chrinna 

sumine  spunnirunse  cannabe  hanaf. 

uelina  chastinari 


350  FRIEDRICH  KEINZ 

10.  Clm  6411.  X.  J.  4^  96  Bll  aus  I^reising. 
Inhalt:  Grammaticalia.  Einige  von  den  deutschen  und  sehr  viele 
lat.  Glossen  dieses  Codex  sind  in  jener  Geheimschrift  geschrieben,  in 
welcher  a  durch  .,  e  durch  :-,  i  durch  :,  • ,  o  durch  :•:,  u  durch  : 
dargestellt  ist. 

1)  cassilide  pursa  impostura' kitroc 
mataxa  uuid  serum   chasiuazar 
alfita  prio  fungus  suam 

sciutile  &  teca  uesa  amaglosa  uuegarih  maior 

peripsima  agana  &  cliuua  plantago  minor  uuegarih. 

Diese  Glossen  stehen  auf  der  frei  gebliebenen  Rückseite  eines 
halben  Blattes  zugleich  mit  griechisch-lateinischen  Glossen,  den  hebräi- 
schen Namen  der  Monate  und  anderen  Erklärungen,  von  denen  der 
Curiosität  halber  angeführt  werden  mögen:  alemnus  fluuius  unde  di- 
cuntur  alamanni;  Scotta  fuit  filia  pharaonis  &  fuit  meretrix  unde  di- 
cuntur  scotii;  außerdem  hilta.  huf.  catax.  qui  dolorem  hüte  habet;  am 
untern  Rande:  carbonan  al.  musach. 

2)  muscus  m  :  •  :  • :  s  vectis  krintil 
asseres  1  .  tt : . :  n                                anulus  rinc 
tigna  r  *  u  : . :  n  ansala  nestila 
incastratura  nvoa                                  acetabulum  ezzihuaz 
pellis  ianctina  losces  hüt  cyatvs  stovph. 
basis   svelli 

Diese  sind  am  Ende  einer  Regel  über  die  Accente  beigefügt  von 
zwei  Händen;  [über  der  Mehrzahl  der  lat.  Worte  ist  das  Geschlecht 
durch  m.  f.  n.  bemerkt. 

3)  depretio   giuntiuro  missio  apostolatus  santunga 
lenio   slihto                                               inspico   splizon 

decurio  inthingon  trutino  libro  uuigo 

insignio  zehhino  quadro  quadras  fierekgon 

domum  paruam  statuo  selidon  hibemo  uuintran 

uerriculum  besemo  colum  siha 

salax  schrichilmar  ari&o  turro 

uas  uadis  burgo  doto  uuidamo 

fulchrum   banch  vel  quicquid  aero  aeras  gieron 

domum  fulcit  merx  scaz 

lenimentum  slihtunga  molo  malo 

polio  &  quatio   epinunga  odoror  stincho 

tonstrina  scurt  rum  itaruchi 

textrina  giuuebida  procrastino  furdirscalto 


MITTHEILUNGEN  AUS  DER  MÜNCHENER  K.  ^BIBLIOTHEK.    '  35I 

uellico  zuangon  arcesso  holon 

fidico   seito  texo   uuibo 

oscito    cheuuom    (vom  m  der  nexo  hefto 

letzte  Strich  radiert)  quisquiliae  aganahi 

caicius  scuoh  zabema  ceu  tabema  pulga 

venor  iagon  satyra  sehem? 

Diese  Glossen  stehen  unter  einer  großen  Anzahl  von  lateinischen, 
auch  lateinisch-griechischen;  die  Schrift  ist  so  klein ^  daß  die  kleine 
Quartseite  52  Zeilen  zeigt. 

4)   exactor  sculdhaizo  muscus  m : .  :  • :  s 

catilo   ch  •  zilon  colus  rocho 

stupa  uspunna  coepe  forr  : . : 

cholossis  irmansül  tuber    quod    nos    nominamus 

limbus  linz  h  : . :  u  .  r    &    tuber    alio 

therm^  padasteti  modointerpretaturgenuscibi 

fata  (si  —  uirum  servant)  heil  quod  nos   dicimus   s  : :   am 

inproperabant  ituizotun  Cancer  genus  morbi  Cancer 

fortuna  salida  dicitur  er  : .  p.  z  : : 

Von  diesen  Glossen  steht  die  erste  in  der  Zeile  mitten  unter  latei- 
nischen Erklärungen  biblischer  Namen  und  Wörter,  die  weiteren  bis 
therme  am  Rande,  ohne  Beziehung  auf  den  eigentlichen  Text,  die  übrigen 
endlich  sind  übergeschrieben»  Auf  f.  44  findet  sich  mitten  unter  gram- 
matikalischen Regeln  folgender,  wohl  auf  die  Heimat  des  Schreibers 
verweisender  Satz :  Slone  flumen  in  finibus  longinensium.  Ille  locus  in 
dextrali  parte  hibemi^  situs  est  et  uicus  ipse  chedni  dicitur  quod  nos 
cellam  interpretamur  a  uiro  quodam.  Den  Schluß  dieser  Seite  bilden 
lat.  Verse,  die  sämmtlich  mit  'sub  illo  schließen.  Übrigens  scheinen 
die  beiden  Blätter,  welche  die  sub  3)  und  4)  gegebenen  Glossen  ent- 
halten, willkürlich  mit  der  Handschrift  vereinigt  zu  sein:  sie  zeigen 
starke  Verschiedenheit  sowohl  in  Pergament  als  Schrift. 

Das  erste  Blatt  des  Codex  enthält  eine  lat.  Urkunde  des  Passauer 
Bischofs  Hartwich  (940 — 966),  welche  bei  einer  andern  Gelegenheit 
zum  Abdruck  kommen  wird. 

11.  Clm  22038.  XH.  J.  4«.  142  BU.  aus  Wessobrunn. 
Inhalt:  Gregorii  dialogi. 

operimentum  uberloch  intimauerit  chonte. 

12.  Clm  22307.  XIL  J.  8«.   195  Bll.  aus  Windberg. 

Inhalt :  DifSfinitiones  diversarum  dictionmn  in  veteri  &  novo  testa- 
mento.  Glosula  vocabulorum  in  genesi.  Grammaticalia.  Die  im  ersten 
Stücke  weit  verstreuten  Glossen  sind  sämmtlich  von  öiner  Hand  über- 


352  FRIEDRICH  KEINZ 

schrieben,  mit  Ausnahme  der  dritten,  welche  schon  der  Schreiber  des 

Codex  in  die  Zeile  gesetzt  hat. 

praesagio   forauuizzictuomo  mnliebria   vuipzieridä  seu  lii- 

obtrectatorum  pispraharo  stunga 

cudere,  scribere  mächun  clamor  ruora 

cudo  munizun  velamen  heli  (?) 

proferamus  furiziomes  dure  vnfroliho 

deliramenta  topazunga  agnas   chilpur 

hispanicas  uanitates  spaniskiu  ad  meditandum  zi  vopanne 

giposi  coUidebantur   spumtun 

paedagogus  magazoho  imposuisti  pitrugi 

contulisse  chöscvn  copulae  hirates 

emendatiora  puozvuirdigorun  respondebit  gihillit 

exemplaria  pilidpuoh  castra  h^ri 

«ubire  hintersten  vadimonium  uuetti 

ßtamen  vuarf  rubus   domstuda 

subtemen  vuöual  odorem  liumunt. 
desierant  stalgapun 

13.  eim  22258.  XH.  J.  4^  111  BU.  aus  Windberg. 

Inhalt:  Euangelium  Matthei  cum  commentario  anonymi  copioso. 
Expositio  prologorum  Hieronymi.  In  letzterer  die  Glossen  in  der  unten 
folgenden  Abtheilung,  sämmtlich  übergeschrieben,  von  ^iner  Hand. 
Nach  einem  Eintrag  auf  f.  1  liess  diese  Handschrift  'secundus  eiusdem 
ecclesiae  (in  Windberg)  abbas  Gebehardus'  schreiben.  In  der  Abtreihe 
der  Mon.  Boica  ist  dieser  als  'primus  abbas'  mit  dem  Todesjahr  1191 
angegeben. 

Für  Solche,  welche  sich  eingehender  mit  unsern  alten  Glossatoren 
beschäftigen,  bemerke  ich  noch,  daß  sich  diese  Glossen  größtentheils 
(vom  Evang.  s.  Joh.  an  bis  zu  der  Glosse  cremium  —  spahha)  genau 
in  derselben  Reihenfolge  in  der  Weingartner  Handschrift  B.  110  in  4® 
befinden,  welche  GraflF  in  der  Diutisca  H,  p.  41 — 54  ausgebeutet  hat. 
Nach  obiger  Glosse  hat  die  hiesige  Handschrift  mehrere,  die  sich  in 
der  Weingartner  nicht  finden.  Die  vorliegenden  stehen  bei  Graff  1.  c. 
S.  42,  dann  49  und  50. 

Super  Matheuo  (so).  paraliticus  firgihta 

Ventilabrum  wint  scuuala  nent  spingent 

reficientes  psozenta*)  utres  putiustar 


*)   So  deutlich.    Da  schon  aus   der  Übereinstimmung  mit  der  Weingarter  Hs., 
so  wie  aus  den  vorliegenden  Wortformen  ersichtlich  ist,    daß  diese  Glossen  aus  einer 


MITTHEILUNGEN  AUS  DER  MÜNCHENER  K.  BIBLIOTHEK.  353 


sinapis  senapher 

fantasma  pitroch 

seceösum  gisuasi 

nummulariorum  Tuechsilara 

peregre  in  ellent 

, .,     ^    ,      f  phouchar  (Graff  I, 
philactena  j  ^_j.  ^^^^ 

mentam  minzan 
anetum  tilli 
ciminum  chumi 
excolantes  sihinta 
culicem  muccan 
pasca  oster  frisginc 
figuli  hauanari 
clamidem  mantel 
caluariae  gepales. 

Euangelium  secundam  Marcum. 
luscum  enocun 
vapulabitis  kiuillit  vuerdat. 

Euangelium  secundum  Lueam. 

timoratus  giuorhtelarer 
euertit  irsturit 

,      .,.     .     (  cheua 
de  sihquis   {  ^^^^ 

ßicomorum  wildimulpouma 
:    ieiuno  bis   (in  sabbato)   in  dero 
wecha 
cribraret  ritereta 
confertis   chosat. 

Euangelium  secundum  Johannem. 
ydrie  waze  uaz  (so) 
architriclino     demo    wirsistemo 

(1.  uuristemo)  stulsazan 
seenophegia    gizeit    (1.    gizelt) 

wahta 


Bcribebat  reiz 

natatoria  (Syloe)   ursprinch 

scinma  gistrita 

encenia  (nova  templi  dedicatio) 

chir  wahta  (es  steht  ohir) 
veniit  firchoufit 
sudarium   suezuanch. 

Super  prologum  libri  psalmorum. 
unus   sumi  welcher 
exaltans  kihoheitter. 

Psalterium  Romae  et  rel. 
cursim  kizalo 
cissum  kiprachotaz 
obliquis   duerehan 
editionem  antfristunga 
non  defluet  nirder  niriset. 
vasa  mortis  (sagittas)   kizwinga 
exacerbauit  irgremit 
magniloquam  uila  sprachila 

conuenticula    cusaminachunsta 

(so) 
corruptionem  fuulnussida 

.„         (  aphol 
pupillam   <    \ 
^  ^  (  sehan 

peruerteris  kunur  siriduwirdist 
(Vorlage  kauur  oder  kiuur- 
sirit?) 

sole   offani 

foderunt  durichstachun 

refloruit  piquam 

( laster 
vituperationem   <       , 

'  sceiiax 

imputabit  wizzeit  (-ett?) 

enge  wach 


emulari 


.    (  hazzan 


(  pilid 


an 


älteren  Handschrift  abgeschrieben  sind,  so  dürfte  obige  unmögliche  Form  sich  als 
Lese-  oder  Schreibfehler  des  Abschreibers  erklären  lassen.  Chn  4606  (Graffs  Bib.  G), 
der  zu  dieser  Handschrift  in  ähnlichem  Verhältnisse  steht,  wie  die  Weingarter,  hat  an 
dieser  Stelle  reficientes  —  pozzenta. 


354 


FRIEDRICH  KEINZ 


,        .     ( hazzist 
celauens  <      ,     , 
(  vehest 

intenderunt  spiennunt  (so) 

piagas  chestigan 

tabescere  slaffan 

refrigerer  irchuole 

afaeam  tuuorda 

mutationibas  chouffan 

conclutinatus  est  zuokilimit  ist 

calamus  rora 

vacate  virat 

propositionem  ratinisca 

,  ( uersina 

calcaneo   {      , 
f  sola 

depascet  frizit 

desursum  üf 

,    ,    ( machota 
concinnabat   ^    ,.  i  , 

(  stiphta 

nouaciila  scara  scahis 

precipitacionis  kahi 

emigrabit  uzitripit 

despexit  firmanat 

dimidiabunt  kimitti  uerhunt 

obdurantis  pituontes 

incantantis  kalstruntes 

ramnum   agalein 

significationem  puochun 

macerie   steinzunes 

stateris  wagun 

stillicidiis  rophazunga 

cleros  (graece;  lat.  sors)  herden 


ascia  dechsala 

de  post  fetantes  aflfter  zuhtingun 

singularis  char 

cophino   chorpa 

contestabor  zurcundi  ziuho 

adinuentionibus  irouindungan 

meridiano  mittagolichemo 

decachordo  zehan  seitigemo 

cremium  spahha 

merges  carpa 

frixorium  rost  phanna 

nocticora  nathram 

domicilio  husilin 

opertorium  decha 

longanimis  lagmuotiger 

herinaeiis  higli 

cinomia  huntasfliuga 

quasquilas  wahtala 

salsuginem  sulzi 

lebes  kezili 

scabellum  scamal 

f  vterpalch 

i  putüstar 
eruetabunt  wiriprigant  (so) 
nouelle  phlanzun 
timporibus  tuniwingan 
vir  linguosus  viliehosiger 
incensum  rouch 
ancipites  zui  yuassi 
manieis  hantiröhon    (1.  hantdrö- 
hun) 


tympanistriarum   spiliwipa 

14.  Verzeichniss  der  von  Graff  benützten  Glossenhandschriften. 
Da  die  jetzt  gebräuchliche  Bezeichnung  der  hiesigen  Handschriften 
zur  Zeit^  als  Graff  sie  benützte,  noch  nicht  eingeführt  war,  die  Kennt- 
niss  derselben  aber  dem  Forscher  im  einzelnen  Falle  von  Wichtigkeit 
ist,  so  wird  mit  der  Bekanntgabe  derselben  Manchem  um  so  mehr  ein 
angenehmer  Dienst  erwiesen  sein,  als  ein  vollständiges  solches  Ver- 
zeichniss bisher  noch  gar  nicht  vorhanden  gewesen  war.  Die  Herstel- 
lung desselben  hat  selbst  mir  in  einzelnen  Fällen  viele  Mühe  verursacht. 


MITTHEILUNGEN  AUS  DER  MÜNCHENER  K.  BIBLIOTHEK. 


355 


Ich  führe  dabei  die  Handschriften  in  derselben.  Reihe   auf,    die 
Graff  in  der  Vorrede  zum  ersten  Bande  seines  Wortschatzes  aufstellte. 


AI. 

2  — 

Clm 

6404 

Ep.  can 

.6 

n 

Bib.  5 

Ar. 

n 

1) 

19451 

»   n 

7 

» 

Bib.  6 

Bibl 

.     1  » 

n 

18140 

Ep.  P. 

,  1 

n 

Kp.  can.  1 

» 

2  . 

n 

19440 

n  n 

2 

» 

Clm  14345 

» 

3  n 

V 

18036 

n      B 

3 

n 

Bib.  6 

n 

4  „ 

w 

6217 

n      » 

4 

n 

Bib.  4 

t) 

5  „ 

n 

13002 

Eut. 

n 

Clm  18145 

n 

6  . 

rt 

4606 

Fulg. 

n 

Ar. 

n 

7  „ 

n 

14689 

öc. 

1 

n 

Bib.  1 

» 

8  , 

n 

14584 

n 

2 

y> 

Clm  3767 

Bo. 

2  „ 

7) 

18765 

» 

3 

n 

„   6277 

Can, 

.   5  „ 

n 

3860» 

7) 

4 

» 

„  18550(4 

6  „ 

r> 

6242 

n 

5 

n 

„     21525 

7  » 

n 

Bib.  7 

71 

6 

n 

Bib.  2 

8  „ 

n 

14407 

.  » 

7** 

)» 

Bib.  7 

9  „ 

♦7 

19417 

Gd. 

1 

77 

Bib.  1 

* 

10  „ 

Bib 

.  1 

• 

2 

77 

Bib.  2 

11  n 

Bib.  2 

rt 

3 

77 

Bib.  7 

12  „ 

Gh. 

1 

77 

Bib.  1 

DT. 

V 

Clm  19415 

n        ' 

2&3 

77 

Bib.  2 

E. 

n 

n 

6244 

n 

4 

79 

Clm  9573 

Ec. 

(Ecl)  „ 

Bib. 

1 

Hör. 

71 

«.   375 

Ec. 

2 

Bib. 

2 

Hs. 

7» 

,   2612 

Em. 

1-24  „ 

Clm  14747 

Is. 

2 

75 

Em    25 

rt 

25   , 

71 

14461 

Juv. 

2 

77 

Clm  6402 

n 

26   „ 

7) 

14804 

7i 

3 

77 

Eut. 

n 

27   „ 

T) 

14754 

Ky. 

77 

Cbn  6260 

n 

28*), 

n 

14429 

Le. 

J» 

Bib.  2 

» 

30   „ 

» 

14117 

» 

2 

77 

Bib.  7 

w 

31   , 

Bib. 

7 

» 

3 

77 

Bib.  1 

n 

33   , 

Clm  14098 

t 

4 

77 

Bib.  4 

Ep.  can.  1   „ 

fl 

18530  (, 

71 

5 

» 

Bib.  6 

» 

r  3   „ 

Bib. 

1 

Mart. 

75 

Clm  18547 

» 

«  4   „ 

Bib. 

2 

Mon. 

» 

„   1231 

n   ! 

n  5   , 

Clm 

6217 

77 

2***)„ 

,  17153 

*)  Em  29  scheint  nie  auf  der  Bibliothek  gewesen  zu  sein, 
**)  Gc  9  ist  mir  noch  nicht  zur  Hand  gekommen. 
**»)  Die  dabei  erwähnte  Schäftlamer  Handschrift  ist  Clm  17194. 


356 


FRIEDBICH  KEINZ,  MITTHEILUNGEN  etc. 


NO. 

Clm 

7607 

Sal. 

3 

■   —  Clm  22201 

OA. 

?) 

55 

9534 

Tg. 

r 

.      „     19410 

Or. 

2 

5? 

55 

14754 

55 

2 

„      „     18059 

Ph. 

» 

Bib. 

7 

55 

3 

„      „     18628 

n 

2 

r) 

Bib. 

2 

57 

4 

„      „     18522(2 

n 

3 

J9 

Eut 

55 

5 

„  Bib.  2 

Pn. 

rt 

Clm 

6330 

V 

G 

„  Ar. 

Pr. 

e 

» 

55 

14456 

V. 

„  Tg.l 

V 

f 

7? 

N 

6408 

,  Ve. 

1 

„  Clm      614 

n 

m 

55 

» 

280  A. 

55 

2 

r,      „       4660 

V 

t 

55 

55 

18375 

Virg. 

„      „     180.59 

Prud. 

1 

» 

75 

14395 

77 

2 

„      „     21562 

» 

2 

n 

55 

18922 

VP. 

„  Bib.  1 

n 

3 

?7 

5> 

2622  (?) 

n 

2 

„  Bib.  2 

7) 

4 

7? 

57 

475 

55 

3 

„  Bib.  7 

Ps. 

2 

57 

Bib. 

2 

Wb. 

,   Clm  22236 

Ran. 

» 

Clm 

12625 

Wess. 

„      „     12053 

RR. 

» 

Bib. 

1 

Wm. 

1 

r  Cgm        19 

Sal. 

1 

M 

Clm  17152 

X  frtJher 

in  Clm  14429,  j< 

2 

55 

Bib. 

5 

Cgm  i 

5153*. 

15.  Herzog  Friedrich  von  Schwaben. 

In  den  jüngsten  Bänden  der  Bibliothek  des  Litterarischen  Vereins 
in  Stuttgart  ist  die  bevorstehende  Ausgabe  des  unter  obigem  Titel  be- 
kannten, bisher,  kleine  Stücke  daraus  abgerechnet,  ungedruckten  Ge- 
dichtes angekündigt.  Da  die  hiesige  Handschrift  wegen  ihrer  ünbe- 
kanntheit,  so  viel  ich  weiß,  hiezu  nicht  benützt  ist,  so  wird  es  vielleicht 
dem  Herausgeber  angenehm  sein,  auf  diesem  Wege  ihr  Vorhandensein 
zu  erfahren.  Ihre  Bezeichnung  ist  Cgm  5237. 

Dieselbe  kam  einige  Zeit,  nachdem  der  deutsche  Handschriften- 
catalog  veröflfentlicht  war,  durch  Kauf  in  den  Besitz  der  Bibliothek. 
Sie  trägt  auf  einem  Vorsetzblatte  folgende  schriftliche  Angaben  von 
unbekannter  Hand :  ^Olim  Codex  Rinckianus  8611 ,  cf  Bibliotheca 
Rinckiana,  Lips.  1747,  Tom.  II.  p.  1033.  Gräter,  Bragur,  Leipzig  1798 
Bd.  VI.  St.  1  S.  181',  womit  auch  ein  Stückchen  Geschichte  der  lange 
verschollenen  Handschrift  bereits  gegeben  ist.  Auf  dem  Rückenschilde 
sind  folgende  Worte  gedruckt :  'WoUr.  ab  Eschenb.  Leb.  Hertz.  Frid. 
Aus.  Schw.  Mst.',  womit  die  Angabe  obiger  'Bibliotheca'  übereinstimmt: 
'Auetor  huius  codicis  est  Wolframus  ab  Eschenbach,  qui  Ludovici  pii 
vitam  iisdem  rhythmis  sub  nomine  ficto  Parcefalis  descripsit.'  Weitere 
Angaben  halte  ich  unter  dem  obenangegebenen  Verhältnisse  vorläufig 
für  überflüßig. 


K.  BARTSCH,  BRÜCHSTÜCKE  EINER  HS.  DER  ERLÖSUNG.  357 

16.  Zu  Helmbrecht  V.  1418: 

des  morgens  gie  si  Itne  stap. 
Eine  gewöhnliche  Redensart,  mit  der  man  junge  Frauen  nach  der 
Hochzeitnacht  neckte,  wie  aus  nachstehendem  Beispiel  erhellt,  das  dem 
Rennewart  des  Ulrich  von  Türhoim  entnommen  ist. 

Nachdem  Rennewart  und  Alise  die  erste  Nacht  mit  einander  zu- 
gebracht : 

nu  kom  Heimrich  von  Naribon 

guoten  morgen  er  in  gap : 

'Alise,  mäht  du  ane  stap 

gen?  daz  laze  uns  besehen; 

ist  dir  leides  iht  geschehen, 

daz  geamet  Rennewartes  lip*. 

AUse  daz  vil  reine  wip 

sprach  ^herre  lieber  ane, 

ganc  mit  der  künigin  hin  danCi 

und  laze  uns  beide  uf  stan; 

geloube  mir,  ich  mac  wol  gan 

ane  stap  swar  ich  wil  hin.' 
In  meiner  Abschrift  des  Gedichtes  sind  dies  die  Verse  5370 — 81. 
Obige  Verse  sind  zunächst  nach  dem  hiesigen  Cgm  .42  gegeben,  nur 
ohne  Beachtung  der  Orthographie  des  bairischen  Abschreibers  aus  dem 
XrV.  Jh.,  z.  B.  ch  für  ft,  j  fllr  i  u.  dgl.  Das  gen  der  4.  und  gan  der 
vorletzten  Zeile  steht  in  der  Handschrift. 


BRUCHSTÜCKE  EINER  HANDSCHRIFT  DER 

ERLÖSUNG. 


In  seinem  LXXIV.  Cataloge  unter  Nr.  1131  (S.  37)  theilte  Herr 
Antiquar  Heberle  in  Cöln  einige  Verse  eines  altdeutschen  Gedichtes 
mit,  von  welchem  er  eine  Anzahl  von  Pergamentblättem  besitzt.  Auf 
eine  Anfrage  hatte  er  die  G-efälligkeit,  mir  zwei  der  Blätter  zur  Ein- 
sicht zu  übersenden.  Sie  gehören  der  von  mir  (Quedlinburg  1858) 
herausgegebenen  Erlösung  an.  Im  Ganzen  sind  acht  vollständige  und 
fünf  halbe  Blätter  erhalten.  Das  erste  der  mir  mitgetheilten  umfasst  die 
V.  5087 — 5226  meiner  Ausgabe.  Der  Text  stimmt  sehr  mit  dem  Nürn- 
berger ^  und  die  Einrichtung  ist  auch  insofern  dieselbe,  als  vor  5170 
sich  die  Auferstehung  in  roher  Federzeichnung  abgebildet  findet;  die 
Darstellung  ist  genau  entsprechend.    Bemerkenswertbe  Lesarten  sind 

aSRMANIA.  M«tt«  Reihe  UI.  (XV.)  Jjüirf.  24 


358    K.  BARTSCH,  BRÜCHSTÜCKE  EINER  HS.  DER  ERLÖSUNG. 

5100  da]  sa,  5109  sie  sa,  und  so  häufig  sa  für  so,  vgl.  zur  Erlös.  5694. 
5111  und  mit  ime  erfrauwete.  5114  der  eren  got  5115  liehten.  5117  in  dirre. 
5118  herre]  er»  5124  in  vinstemisse.  5125  seht  —  gewisse.  5151  Den  mil- 
ten  henken  godeheü.  5142.  43  vertauscht.  5142  des  fehlt,  tounedicher,  5143 
seien,  5144  «i  sungen  vn,  5145  a2fe  aW  5149  da  du,  5140  Ain^  in  dirre. 
5156  erlanget.  5158  Di».  5163  {sol)ich.  5168  cJa  &K&6W  «te  die  t?.  5171 
der]  daz.  5177  &2etcA  «am  als  eyn.  5186  tcA  fehlt.  5188  mit  deme  da,  5190 
Daz  si  mokte,  5191  ia  meide  manne  fr.  5195  cZa  er.  5197  erhiebet,  5199  der 
AVe  heilant,  5210  t^on  de«.  5212  ich  fehlt.  5219  re^te  «am  ein  linden  laut. 
5226  tn  aller  wise  det  alsus. 

Das  zweite  Blatt  enthält  die  Schlußverse  des  Gedichtes  6580 — 6593 
mit  den  Varianten  6580  vmlle  auch  an.  6584  die  quäle  also  —  erlieden. 
6585  da  er  sa.  6592  ie  fehlt.  Nach  6593  folgende  Schreiberverse,  die 
abwechselnd  roth  und  schwarz  geschrieben  sind: 

Nu  höret  der  rede  ein  lützel  fort 

waz  uns  bedudent  diese  wort 

die  geschribent  stant  hie  bi 

post  anno  domini 

die  dudet  man  als  ich  sie  las 

von  cristes  geborthe  daz  iz  was 

do  man  zalte  sunder  bar 

dusent  und  dru  hundert  iar 

drizzig  und  auch  siesse  do 

in  dem  siebende  vememet  so 

als  ein  nuwe  iar  ensthat 

und  (durchstrichen)  den  zwelften  dag  begangen  hat 

darnach  an  me  sesthen  dage 

daz  waz  der  fritdag  horich  sage 

der  in  dem  mande  gefil  alsus 

der  da  heizzith  ianuarius 

da  wart  dit  buchg  geschriben  da 

in  marien  kindes  hende  iesa 

müzze  auch  hie  bevalen  sin 

an  deme  diese  schrift  hie  wirdet  shin 

Uli  auch  kurzliche  kume  dar 

in  der  heiigen  engel  shar 

des  hielf  ime  un  uns  der  heiige  crist 

der  aller  dinge  geweidig  ist.    Amen. 
Der  Rest  des  Blattes  (Sp.  b— d)  ist  leer. 

KARL  BARTSCH, 


359 


BRUCHSTUCK  AUS  ALFRICS  ANGELSACH 

SISCHER  GRAMMATIK. 


(a)  tnfinitiao  quire  ueneo  tc  gange  to  ceape.  odde  ic  beo  geseaid 
uenibam,  ueaivl,  uenibo.  et  cetera.  Sum  ic  emn.  is  eävistlic  vord.  aüd 
gebyrad  to  gade  anum  synderlice,  forJ)aii  J)e  god  is  cefre  unbegunnen, 
and  ungeendod.  on  himsylfum,  and  purh  hine  sylfiie  Ynmigende,  Sum 
ic  eom.  es.  \>vi  eart.  est.  he  is.  and  pluraL  sumus  ve  sind,  estis  gesind, 
sunt,  hz  sind.  Preterito  imperfec,  eram.  ic  vaes.  eras.  erat,  preterito  per- 
/ecto  fiii.  and  sva  ford.  sva  on  promgendlicnm  vorde  stent  avriten, 
futuTO.  ero.  ic  beo.  eris.  erit.  et  plwraliter  erimus  eritis.  erunt.  Impera- 
tiuo.  sis.  heo  pu,  sit.  beo  he.  and  pl'r  simus.  beon  ye.  sitis  sint.  futuvo. 
esto.  beo  })a.  sit  et  plv/raliter  estote  beon  ge,  sunto  Tel  suntote.  beon  hi. 
Optatiuo  futuro  t^tinam  sim.  cum  sim  etc.  EaU  sva  gad  of}>isum  gie . . . 


(b)  • . .  s  feos  vana.  Desunt  mihi  nvmmi.  me  sind  vana  penegas 
et  similia. 

De  verbis  defectiuis  (roth). 

Sum>e  vord  sindon  gehatene  cJefectiva.  J)8et  sind  sA,eorigendlice,  for- 
pan  ]>e  hi  ateoriad  on  sumer«  stove.  ferio.  ic  slea,  nsefd  nanne  pteritum. 
perfectum.  buton  hit  nime  of  o})rum  yorde.  })sbs  yUan  andgites,  percutio. 
ic  slea.  percussi.  ic  shh.  fero  ic  bere  macad  preteritum  tvli.  of  pam 
vorde  toUo  ic  nime.  odde  bere.  sisto  ic  sitte  nimd  preteritum.  of  statuo. 
tc  sette  staiui.  furo  ic  vede.  furis.  furit.  macad  insaniui  of  insanio.  ic 
vede.  uescor.  ic  gereordige.  wesceris.  uescitur.  is  deponerw.  and  nim>d 
preteritum  pastus  sum.  of  J)am  vorde  pascor.  ic  eom  afed  oJ)J)e  gelaes- 
vod.  medeor.  ic  lacnige  nimp  preteritum  of  medicor  medicattLS  sum.  re- 
miniscor.  ic  gemune,  nimd  of  recordor.  recordatus 

Ein  Pergamentblatt  des  11.  Jahrhunderts,  an  beiden  Seiten  und 
oben  beschnitten;  oben  fehlen  vermuthlich  sieben  Zeilen,  so  daß  die 
volle  Seite  26  Zeilen  hatte.  Das  Blatt  fand  ich  beim  Notar  Strauven 
in  Düsseldorf;  gegenwärtig  gehört  es  der  fllrstl.  Hohenz.  Bibliothek 
in  Sigmaringen.  In  der  Ausgabe  von  Somner  (im  Anhange  zu  seinem 
Dictionariura  Saxonico-Latino-Anglicum,  Oxonii  1659)  steht  das  ent- 
sprechende Stück  S.  36;  danach  ist  das  Fehlende  in  Cursivschrift  er- 
gänzt worden. 

BONN.  ^-  BffiLINGEB. 

24* 


360  A.  BIBLINGER 


BRUCHSTÜCK  AUS  DEM  BOEK  VAN  DEN 

HOUTE. 


1*    Ic  bin  bereet  te  doen  algader    (66) 
Du  lief  is  efi  ghi  ghibiet 
Her  ic  en  kan  des  wegen  niet 
Soene  gaet  op  minen  troest 
Efi  Yocht  ene  wech  int  oest 
Dat  ic  seg  merct  wael 

1^    Bi  ghinc  alden  selue  pat    (88) 
Als  hem  sijn  vader  had  beuolen 
Hi  gheraecte  donder  dolen 
,  D*  die  voetsporen  stonden 
V^ualaet  van  adams  senden 
Die  uolchde  hi  soe  lange  naer 

2"    Dander  riuier  die  ic  mene    (146) 
heit  gion  na  mine  wane 
Efi  loept  om  Üant  yan  Moriane'^) 
Die  derde  in  corte  bedtide 
heit  tygruB  als  ic  Y^stae 
Efi  loept  om  tlant  ran  A»ia 
Die  vierde  riuier  sijt  gheiwea 
Is  gheheiten  effi:ates 
Efi  loept  om  die  YfQveU  al 
haer  groeth*  is  ghene  tal 
Op  dese  fontein  scoe  cn  daer 
Die  seth  ghesien  had  doer 
Stent  ene  boem  gewmsen  groet 
Alle  sijn  telge  waren  hloet 
Hi  en  droech  vrucht  noch  blade 
Noch  scorse  docht  hem  weaen  scads 
Dat  hi  Stent  soe  hog^ 
Efi  verdorret  also  drogA« 
Hi  sloech  sijn  oge  neder  en  sack'**) 
Een  serpent  enstelic  efi  groet 
Die  wortel  vande  boem  hhet 


«)  Fehlt  eine  Zeile.        •*)  Pehlt  eine  Zeile. 


BRÜCHSTÜCKE  AUS  DEM  BOEK  VAN  DEN  HOUTE.  361 

Liep  doer  die  eerde  in  die  helle 
Jy  Bach  hi  die  ziel  van  cibdle 
Hi  sach  d^  Bond^linge  vfonder 
An  den  boe  boue  eSi  onder 
0     Opt  haegete  vande  boem  lach 
Een  Joint  als  ic  v  segge  mach 
Niboren  in  doelie  ghewonden 
Hi  hordet  wenen  tot  dien  stonden 
AUe  hi  die  stede  wel  had  ghesien 
Keerdi  weder  na  dien 
Daer  hi  den  engel  ataen  vant 
Iffi  hi  vraghede  he  te  hant 
Wut  dat^Une  kint  meenden 
Dat  op  dem  boem  lach  eil  weendd 
Die  daer  soe  verdorret  stont 
Die  enghd  eprac  ic  maect  v  cont 
Dat  kint  daer  ghi  na  vraget 
Dat  sal  van  ener  maget 
ontfa>en  menscheWo  figuer 
boven  den  loep  d^  natuer 
aal  god  hehhen  dz  kijnt  ghemeen 
bi  ener  maghet  die  alleen 
weder  sal  vinde  die  ghenade  ' 
die  adam  bi  even  rade 
V^loes  bi  oTz^Aehoersamhede 
dat  se  doe  beede  misdeden 

K 

dat  moet  dz  kint  alleen  becopen 
als  aUe  die  jaeren  syn  om  lopen 
volcomelijc  te  bore  tiden 

3*    Om  tsayons  te  neme  rüste 
LXXn  paulcoe  vondense  daer 
Efi  XX  fonteinen  ciaer 
Beslote  op  dat  grone  weit 
Neue  dz  wat^  haer  getelt 
(    )  es  and^  dagen  sijt  ghewes 

3**     ....  droevet  seere 
Doe  bat  hi  onsen  here 
Dat  hi  hem  gaue  sulc  boet 
Dat'twatf  werde  zoet 


362  A.  BIBLINGER 

Dat  volc  en  liet  hem  ni  geroen 
Doe  ghinc  hi  m  een  paulcoen 

4'    Mochtmen  openbaer  ßien 
Dat  hi  v^ßceide  was  in  drien 
Die  CO.  dede  ten  seluS  tiden     (499) 
Sing  hof  lenge  en  widen 
Datme  den  boe  d*in  brocht 
Efi  mit  eng  tum  omwrocht 
Doe  hi  d^een  iaer  had  ghestaen 
Ded^  die  cö,  om  slaen 
Van  silu^  ene  rinc 
Die  den  boem  al  om  vinc 
En  wies  al  tot  XXX  iaren 
En  elc  iaers  int  twaren 
Ded^  dauid  die  coninc 
Om  slaen  enen  rinc 
Dit  waren  die  XXX  ringen 
Die  vele  lüde  heten  penninge 
Want  iudas  vercoft  d^om 
Den  gods  sone  ihm     (514) 
Hi  versamende  silu^  en  gout    (519) 
Om  te  copen  steen  en  hout 
En  wende  t^stat  een  bedehois  maken 
Mer  god  v^baerde  hem  in  spraken 
Du  bist  ein  orlogus  man*)    (524) 
Du  ensult  ghene  tempel  richten 
Dz  heuet  geda6n  dijn  vechten 

C)    En  onderwynti  nz  te  doen  > 
Het  sal  seien  bi  salemoen 
Die  na  di  sal  besittS^'dat  rijc 
Lange  tijt  eerwerdelijc 
Soe  coninc  dauid  sterf 
En  trijc  an  salemö  y^steri 
En  wH  een  weldich  h*e 
Bracht  hem  god  tot  sulc  eer 
Dz  hi  een  bedehuis  dede  maken 
Vanden  alre  besten  saken^ 


*)  Fehlt  eine  Zcüe. 


BRÜCHSTÜCKE  AUS  DEM  BOEK  VAN  DEN  HOUTE.  363 

Diemen  dHoe  vynden  mocht 

Het  was  lange  eerment  volbrocht 

Soe  dieren  werc  wit  vorwaer 

Ene  balc  ontbrac  hem  d* 

Die  meester  voeren  eli  sochten 

Tlant  doer  mer  si  en  mochten 

Ghenen  balc  vjmden  soe  groet 

Die  hem  docht  tot  höre  noet 

Des  waren  si  bedrouet  zeer 

En  qnamen  weder  tot  horö  beer.    " 

Efl  seiden  wy  en  connen  vynden 

Ghenen  balc  die  wy  int  werc  mögen  bynden 

Ten  si  dat  ghi  doet  houwen  of 

Den  boem  die  staet  in  uwg  hof 

Ghebonden  mitten  XXX  ringhen.  ''^ 

5*    Hangen  die  hoep  d*  werelt  al    (644) 
Die  vrou  was  als  ic  v^sta 
Coningin  van  saba 
Si  gaf  d^töe  siluer  eü  gout 
D^  men  mede  besloech  dz  hout 
En  salemon  die  wise  here 
Dedet  nemen  in  groter  eer 
En  deedt  wt  den  tempel  dragen  doe 
En  mit  stenen  metsen  toe 
AI  die  doren  groet  en  cleen 
Die  d*  waren  sonder  een 
D*  dede  hijt  dwers  in  voegen 
Op  dat  niemant  en  soude  mögen 
D*  inspreken  sijn  ghebede 
Hi  en  nege  thout  d^  stede 
Diet  te  uoren  hadden  betreden 
Mosten  d^  allen  anbeden 
Salemon  starf  en  d*  na  quam 
Een  coninc  biet  robaam 
En  een  ander  d^  na 
Die  was  gheheiten  abia 
Die  nam  vande  hout  reen 
Tgout  siluer  en  duere  stene 
Dert  in  was  beslagen 
En  deedt  wt  den  tempel  draghen 


364      A.  BIRLINGER,  BRUCHSTÜCKE  A.  D.  BOEK  VAN  DEN  HOUTE. 

Q)    Daert  in  was  bewrocht 

Die  ioden  waren  säen  bedocht 

En  nament  heymelic  bi  nacht 

En  grouent  wel  XX  ghelacht 

Onder  die  eerde  daert  lach 

n*'  jaer  dat  niemant  sach 

Daer  na  vielt  als  god  woude 

Datme  een  pissijn  grauen  soude 

D*  men  tflees  in  soude  dwaen 

Dz  inden  tempel  wH  ontfaen 

Van  de  volc  vandS  lande 

Alsme  brenct  ter  offerhande 

Het  was  sede  int  oude  wit 

Datmen  lammer  eü  caluer  vet 

Te  offeren  plach  en  ander  beesten 

Alsme  hoechtijt  hielt  en  feesten 

Men  groef  enen  put  t*  stede 

D*  thout  lach  onser  salicheden 

Het  was  v^geten  lange  stonde 

Het  hief  he  seluen  tot  de  gronde 

Efi  dreef  in  dz  water  ciaer 

S*  ian  seget  ouerwaer 

Dat  alle  daghe  voer  middachtijt 

Een  engel  quam  en  dreef  ioHjt 

En  roerde  twater  in  die  pissijn. 
Die  voraufgehenden  Bruchstücke  sind  erhalten  in  dem  Reste  eines 
Doppelbattes,  einem  der  Länge  nach  durchschnittenen  einfachen  Blatte, 
und  einem  vollständigen  Doppelblatte.  Jenes  erste  Doppelblatt  war  aus 
der  ersten  Lage  der  Hs.,  das  zweite  und  sechste  der  Lage ;  erhalten  ist 
nur  der  untere  Streifen  von  je  sechs  Zeilen.  Von  dem  folgenden  Doppel- 
blatte ist  die  vordere  Hälfte,  Bl.  3  der  Lage,  erhalten.  Das  vollstän- 
dige Doppelblatt  ist  aus  der  zweiten  Lage  der  Hs,  und  bildete  in  der- 
selben das  dritte  und  sechste  Blatt.  Die  Handschrift  ist  aus  dem 
14.  Jahrhundert,  Pergament:  jede  Seite  hat  25  Zeilen. 

Der  Text  weicht  von  dem  durch  Tideman  (Dboec  van  den  heute, 
Leiden  1844)  herausgegebenen,  so  wie  von  der  niederdeutschen  Über- 
setzung (ed.  Schröder,  Erlangen  1869)  an  manchen  Stellen  ab,  stimmt 
aber  mehr  zu  jenem  als  zu  diesem.  Ich  habe  in  ELlammem  die  Zahlen 
der  niederländischen  Ausgabe  und  in  Cursiv  das  Fehlende  beigefligt. 

BONN.  A.  BIELINGEß. 


365 


THOMAS  A  KEMPIS. 


▼an  goeden  woerden  to  hören  ende  die  to  spreken.  *) 

Onse  Heue  here  ihesus  christus  secht. 

Salich  sijn  sy  die  dat  woert  godes  hören  ende  dat  bewaren. 

Nu  meret  dat  hier  na  volghei 

Een  goet  woert .  is  loues  weert. 

Een  ydel  woert .  is  beter  ghesweghen. 

Een  oetmoedich  woert .  dat  stychtet  meest 

Een  sacht  woert .  breet  den  toem. 

Een  hart  woert .  verstuert  die  horten« 

Een  bescheiden  woert .  gheuet  verstandenisse. 

Een  zuet  godlic  woert .  maket  vroude. 

Een  troestlic  woert .  is  goldes  weert. 

Een  wijslic  woert .  is  seer  uut  in  sijnre  tijt. 

Een  haestich  woert .  veriaghet  die  vrende. 

Een  loes  woert .  is  schände  weert. 

Een  waerachtich  woert .  is  eren  weerdich. 

Een  dienstich  woert .  is  danckes  weert. 

Een  voersienich  woert  •  is  seer  kostel.  ende  allen  menschen  noet. 
die  onbegrepen  wil  wesen  in  sinen  leuen. 

Dat  moet  een  seer  goet  stichtich  woert  wesen.  dat  een  swighen 
sal  verbeteren. 

Beter  is  ghesweghen  .  dan  ghekeuen. 

Allen  woerden  en  sal  men  nyet  ghelouen.  noch  oec  voert  segghen. 

Swighen  ende  lyden.  maket  vrede  ende  doet  verbliden. 

Also  langhe  als  ghi  leuet .  so  seldi  leren  lyden  .  luttel  spreken. 
vake  beden.    die  crancken  draghen  .  den  quaden  wyken. 

Luttel  onderwyndens  .  maket  vele  vredes. 

Ghene  hoecheit  sueken  .  noch  eer  begheren .  is  die  rechte  wech 
ten  ewighen  leuen. 

Set  uwen  troest  ende  hope  in  gode  alleen.  west  oetmodich  ende 
barmhertich  totten  armen  int  ghemeen. 

Doet  na  godes  raet.  ende  schouwet  die  quade  paede,  so  seldi 
gode  wel  behaghen .  ende  des  viants  stricke  ontgaen  .  mitter  hulpe 
godes  in  doechden  wassen .  ende  vast  van  bynnen  staen. 


*)   Diese  Überschrift,   wie  auch  die  fettgedruckten  Anfangsbuchstaben  der  ein« 
sehien  Absätee  und  das  Datum  am  Schlüsse  roth. 


366  HOPFMANN  VON  FALLERSLEBEN 

So  edel  is  die  doghet  ende  een  goet  heilich  leuen  .  dattet  gaet 
bouen  alle  schoenheit  ende  rijcheit  .  ende  starcheit  ♦  ende  verdient  se- 
kerlike  dat  ewighe  leuen. 

Die  doeghet  verwint  alle  boesheit .  ende  ydelheit  der  werelt .  si 
wederstaet  des  viants  becoringhe  .  ende  dwinghet  dat  crancke  licham 
te  volghen  der  reden  ende  den  heilighen  gheist. 

God  moet  ons  alle  gader  in  doechden  stercken  .  ende  voer  alle 
Sunden  behoeden  .  dat  wi  na  desen  sterfliken  leuen  weerdich  werden 
te  comen  in  dat  ewighe  leuen  Amen 

In  allen  noden  ende  stonden  .  in  allen  beghinne  ende  eynde  so 
come  ons  te  hulpe  die  heilighe  moder  gods  maria  .  mit  ihesus  hören 
lyeue  kynde.  Amen. 

Anno  dnj.  M.  oooc.  lyj. 
Finitus  et  script9  p  ma9  fris  thöe  kepis 

Das  einzige  Vlämische,  welches  bis  jetzt  von  Thomas  a  Eempis 
bekannt  ist.  Es  steht  in  der  Brüsseler  Handschrift  Nr.  4587,  die  eigen- 
händig von  Thomas  geschrieben  ist.  ^Die  obigen  Sprüche  sind  freilich 
schon  gedrackt,  aber  ungenau  in  J.  B.  Malou,  Recherches  bist,  et  cri- 
tiques  sur  le  v^ritable  auteur  du  Iivre  de  Fimitation  de  Jösus-Christ 
(Paris  1858)  p.  389 — 391.  Ich  theile  sie  ganz  genau  aus  dem  Originale 
mit,  welches  mein  Freund,  der  Herr  Hauptpastor  Hirsche  in  Hamburg, 
zum  Behuf  einer  critischen  Ausgabe  aller  Werke  des  Thomas  geliehen 
erhalten  hat.  Der  rhythmische  Character,  der  in  allen  Werken  des 
Thomas    von  Hirsche  entdeckt  ist   und  nachgewiesen   werden  wird, 

findet  sich  auch  hier  im  Vlämischen. 
AUF  DER  REISE,  23.  Nov.  1869.  HOFFMANN  VON  FALLFRSLEBEN. 


JESUS  UND  SEINE  JUNGE  BRAUT. 


Jesus. 
Hef  up  dyn  cruce,  myn  leveste  brüt, 
volge  my  na  unde  gank  dynes  sulves  üt, 
wente  ik  dat  gedragen  hebbe  vordy; 
hestu  my  lef,  so  volge  my. 

De  brüt. 
O  Jesu  allerleveste  h§r, 
ik  bin  noch  junk  unde  altot§r; 
ik  hebbe  dy  l^f,  dat  is  jummer  war, 
mer  dat  cruce  is  my  altoswär. 


JESUS  UND  SEINE  JUNGE  BRAUT,  367 

Jesus. 

Ik  was  junk;  do  ik  it  dr6ch: 
10    klage  nicht,  du  bist  stark  genöch. 

wannSr  du  bist  olt  unde  kolt, 

so  en  hestu  des  cruces  neine  wolt. 

De  bröt. 

We  mochte  lyden  den  dwank? 

der  dage  is  vele,  dat  jär  is  lank. 
15    ik  bin  des  cruces  ungewön, 

och  schön  myn,  allerleveste  schön! 

Jesus. 

Wo  bistu,  lef,  alsus  vorlagen? 

du  most  noch  stryden  also  ein  degen. 

ik  wil  castygen  dyn  junge  lyf,  v 

20    lyt  unde  w^s  duldich  unde  blyf. 

De  brüt. 

Here,  wat  du  wult  dat  mot  w^sen; 

mer  des  cruces  en  mach  ik  nicht  plegen. 

mot  dat  syn  unde  schal  ik  dat  dragen, 

so  mot  ik  kranken  unde  Torzagen, 

Jesus. 
25    M^nstu  in  den  rosen  to  baden, 

du  most  noch  in  den  dornen  waden. 

SÄ  an  dyn  cruce  unde  dat  myn, 

wo  ungelyk  swär  dat  se  syn. 

De  brüt. 

Wy  l^sen  in  der  hilgen  schrift, 
30     dyn  juk  is  sote,  dyn  borden  is  licht. 

wo  bistu  nu  dus  anxtlik  hart, 

myn  allerleveste  brodegam  zart? 

Jesus. 

ünbewonen  beswärt  den  möt, 

men  lyt  unde  swych,  it  wert  noch  gut. 
35    myn  cruce  is  ein  so  kostelik  punt, 

w§m  ik  des  gunne,  de  is  myn  vrunt. 

De  brüt. 

Den  vrunden  gevestu  rast 

my  gruwet  vor  de  swaren  last. 

ik  sorge,  ik  en  möge  des  nicht  herden, 
40    0  leveste  here,  wes  schal  nu  my  r&t  wSrden? 


I 


368  HOPPBiANN  V.  F.,  JESUS  UND  SEINE  JUNGE  BRAUT. 

Jesus. 
Dat  himmelryke  Ht  gewolt, 
men  du  bist  noch  van  leve  kolt. 
hestu  my  l§f,  it  wert  noch  gut, 
wente  dat  maket  alle  dinge  s6t. 

De  brüt 
45     0  here,  gif  my  der  leve  brant, 
myn  krankheit  is  dy  wol  bekant. 
letestu  dat  up  my  sulven  stSn, 
so  westu  wol,  ik  mot  vorgän. 

Jesus. 
Ik  bin  swart  unde  suverlik, 
50    ik  bin  suverlik  unde  minnichlik, 
ik  geve  arbeit  unde  rast, 
getruwe  uppe  my,  so  steistu  vast. 

De  brüt 
0  here,  eft  it  jummer  w^sen  mach, 
des  cruces  bin  ik  nicht  wSrt  einen  dach; 
55    men  wultu,  dat  it  mot  syn, 

so  schfe  dyn  wille  unde  nicht  de  wille  myn. 

Jesus. 
To  dem  himmelryke  is  ein  wech  allein, 
dat  is  des  cruces  wech  unde  anders  nein, 
al  dyn  wolvärt  unde  ewich  heil 
60     steit  an  dem  cruce,  nu  keis  einen  deil. 

De  brüt. 
Scholde  ik  dyn  ryke  unde  hulde  vorleisen, 
ik  wolde  lever  hundert  cruce  ütkeisen. 
here,  gif  my  macht  unde  lytsamicheit 
unde  crucige  my  wol,  it  sy  my  Ifef  efte  leit. 

Jesus. 
65     Also  dy  düt  cruce  to  gände  heit, 
so  denke  wat  ik  dy  hebbe  bereit: 
my  sulven  geve  ik  dy  to  lone, 
mit  den  engein  de  ewigen  crone. 

De  brüt. 
0  myn  allerleveste  seil, 
70     myn  gut,  myn  leif,  der  werlde  heil, 
sA  an  dat  gut  dat  Jesus  is, 
des  himmelryke»  bistu  wis. 

Amen. 


HOFFMANN  v.  F.,  MARIEN  HIMMELFAHRT.  369 

Aus  der  Wolfenbütteler  Hs.  Nr.  1155  unter  verschiedenen  erbau- 
lichen Schriften  von  verschiedenen  HändeU;  BL  284*— 285^  Von  der- 
selben Hand  findet  sich  Bl.  427*  die  Jahrszahl  1473. 

Ein  ähnliches  Gedicht^  ebenfalls  aus  dem  15.  Jh.^  fand  ich  im 
J.  1821  zu  Coblenz  auf  der  Rückseite  eines  Gemäldes  ^  das  aus  dem 
Kloster  Camp  bei  Boppard  stammte.  Ich  theilte  es  später  mit  im  Auf- 
sessischen Anzeiger  1834.  Sp.  27.  28.  Die  Verse  sind  dort  in  derselben 
Folge ;  aber  neben  einander,  was  in  der  Hs.  nicht  der  Fall  ist;  da 
stehen  nämlich  erst  die  9  Strophen,  die  Jesus  spricht  und  dann  folgen 
die  9  der  Braut  und  zwar  so,  daß  die  meisten  mit  falschen  Über- 
schriften versehen  sind,  indem  Jesfus  sprikt  und  de  brüt  sprikt  von 
Strophe  zu  Strophe  abwechselt. 

Der  Text  der  Hs.  ist  nicht  sonderlich,  ich  habe  deshalb  keinen 
Anstand  genommen,  Einiges  daran  zu  ändern.  22  nicht  Wfsen  für  nicht 
plfgen  —  27  dat  cruce  für  dyn  cnice  —  35  koatelik  pant  für  kostelik 
punt  —  36  vrunt  fiir  vint  —  54  werdach  für  wert  einen  dach  —  QO  nu 
kusch  far  nu  keis  —  65  heiten  geit  flir  gände  heit  —  70  werde  fiir  werlde. 

HOFFMAKN  VON  FALLERSLEBEN. 


MARIEN  HIMMELFAHRT. 


Van  der  hmmelTftrt  tuiBer  leyen  vrouwen,  wo  b6  in  den  OTertten 

tr6n  quam. 

Benedyet  systu  sonerinne, 
w^s  uns  ein  ewich  bidderinne, 
unde  aller  sünder  ein  trösterinne 

Ave  spes  mundi  Mcma! 
du  bist  der  werlde  trost  unde  toverlät, 
unde  alle  de  in  djnem  dunste  stät, 
de  en  schullen  nummer  vorderven, 
se  schullen  in  goddes  hulde  sterven, 
se  schullen  ök  mit  der  hulpe  dyn 
ewich  leven  unde  salich  syn, 
86  schullen  mit  der  sele  unde  mit  d^me  lyvo 
ewich  mit  dy  blyven. 

De  engele  sungen:  Tota  pukhra  es  amica  mea, 
vrouwe  dy  Maria  in  dem  oversten  trone, 
da  bist  van  allen  vlecken  schono; 


370  HOFFMANN  VON  FALLEKSLEBEN 

wente  du  ny  sunde  anevengest 

unde  du  ny  sunde  begingest, 

unde  ny  sunde  an  dyn  herte  quam, 

dar  umme  got  de  minscheit  van  dy  nam. 

De  sund^re  bidden  Marien  alle  gader: 

Recordare  virgo  mater! 

Maria,  eddele  juncfrouwe  reine, 

denke  an  de  werft  gemeine 

unde  bidde  vor  se  in  goddes  angesichte, 

wente  got  weigert  dy  mit  nichte, 

dat  got  dorch  synen  hilgen  dot 

entsachte  synen  unmöt, 

dat  he  dorch  syne  gotliken  ere 

synen  törn  van  der  werlde  kere, 

dat  he  der  werlde  gn^dich  sy 

dorch  de  leve,  de  he  heft  to  dy. 

De  engele  sungen:  Regina  coeli  laetare! 

vrouwe  dy,  Maria,  himmelsche  koninginne, 

vrouwe  dy,  unse  keiserinne 

mit  alle  dussem  himmelschen  gesinde, 

wente  wol  dusent  jär  er  du  wurdest  geboren, 

do  werest  du  to  dusser  vroude  uterkoren. 

De  engele  sungen:  Benedictua  venter 

tuusj  in  quo  Christum  portastL 
Maria  eddele  juncfrouwe  fyn, 
benedyet  sy  de  licham  dyn, 
dar  du  usen  heren  inne  bereidest, 
unde  one  to  der  werlde  teledest. 
benedyet  syn  dyne  hilgen  brüste, 
d^r  6m  in  syner  kintheit  sugen  luste. 
De  engele  sungen:  Gaude,  Maria,  in  te 

verbum  caro  factum  est, 
vrouwe  dy,  Maria  juncfrouwe  fyn, 
dat  wört  des  himmelschen  vaders 

is  vleisch  geworden  in  dem  licham  dyn. 
des  schaltu  jummer  gelovet  syn. 
De  engele  sungen :  Ave  praeclara  marisJBtella, 
vrouwe  dy,  juncfrouwe  fynl 
also  de  steme  luchtet  in  dem  mere, 
00  bistu  ein  vrouwe  aller  himmelschen  here« 


MARIEN  HIMMELFAHRT.  371 

dar  horestu  Maria  dussen  soten  sank 

unde  andere  vroude  vele  dar  mank, 

harpen,  luten  unde  seidenspei, 

des  machstu  dar  hören  v^l, 

vedelen,  orgelen,  discanteren, 

singen  unde  jubileren, 

jowelk  köre  na  syner  wyse. 

also  singen  se  wol  to  pryse 

beide  nacht  unde  dach. 

salich  is  he  de  dat  hören  mach. 

dat  alle  lof  unde  gras  hedden  tungen, 

unde  alle  bome  spr^ken  künden, 

se  künden  de  ere  nicht  vullen  loven, 

de  du  sote  Maria  hest  dar  boven. 

Maria  eddele  juncfrouwe  schone, 

mit  gode  in  dem  oversten  trone, 

alle  vroude,  de  ye  wart  vomomen, 

de  is  dar  alle  yuHenkomen^ 

dar  is  alle  vroude  gans. 

boven  allen  vrouden  drechstu  den  krans. 

dar  is  vroude  ungem^ten 

dar  is  alle  sorgent  vorgetten, 

dar  is  vroude  unde  sekerheit, 

dar  is  vrede  sunder  herteleit, 

dar  is  rouwe  sunder  arbeit, 

dar  is  levent  sunder  dotheit, 

dar  is  nein  kulde  edder  vrost, 

dar  is  nein  hunger  edder  dorst, 

dar  is  de  joget,  dar  wert  nemet  olt, 

dar  is  vroude  so  mannichvolt, 

dar  is  nein  nacht,  men  schone  dach, 

d^n  gift  got,  de  alle  dink  vormach, 

dar  is  nein  weinent  edder  schryen, 

men  got  loven,  eren  unde  benedyen, 

dar  is  leve  sunder  leide, 

dar  is  so  lustich  ogenweide, 

dar  is  Sommer  wunnichlik, 

lilien,  vielen,  rosenblomen  lustelik. 

me  secht  dat  al  vorware, 

de  eddelste  roke  boven  alle  crude  de  is  dare. 


372  HOFFMANN  VON  FALLERSLEBEN 

dar  is  neines  dinges  to  imgevoge^ 

ein  islik  heft  d&r  syn  genoge. 

dar  is  neines  dinges  to  kleine, 

unspr^klike  vroude  is  dar  gemeine. 

also  me  in  der  schrift  kan  l^sen^ 

so  mot  it  dar  gans  schone  w^sen. 

eia  it  is  dar  gans  schone. 

dar  sit  got  in  dem  oversten  trone 

in  syner  dryvaldicheit 

mit  also  groter  klärheit. 

ach  wat  is  dar  dar  du  bist 

du  salige  hilge  moder  Christ. 

de  vroude  neinen  ende  hat 

dach  unde  nacht  sunder  underlät. 

nein  minsche  kan  to  vuUen  r^ken, 

nein  tunge  kan  to  vullen  spr^ken, 

nein  herte  kan  to  vullen  gründen 

de  vroude,  de  du  hefst  to  allen  stunden. 

alle  vroude  der  werlde  is  nicht  lyke 

der  minsten  vroude  in  dem  himmelryke, 

dat  me  mit  der  schrift  bewysen  mach. 

dusent  jär  sint  d£r  alse  hyr  ein  dach. 

wol  d^m  de  dar  komen  mach, 

de  levede  nywerlde  leveren  dach, 
we  dar  kumt  in  groter  ere, 

de  beg^rt  neines  dinges  mere. 

de  minsche  is  salich  geboren^ 

de  to  der  vroude  is  uterkoren. 

dat  wy  alle  moten  komen  d&r, 

unde  schouwen  got  al  openbär, 

des  help  uns  Maria  juncfrouwe  klär. 

Als  Maria  in  den  Himmel  kommt,  erstaunen  die  £ngel  und  fragen  sich 
unter  einander: 

ach,  we  mach  dusse  juncfrouwe  syn? 

se  is  so  schone  unde  also  fyn. . . 

Da  sendet  ihnen  Jesus  den  Engel  Gabriel  und  dieser  thut  ihnen  kimd, 
wer  es  ist: 

och  vrouwet  ju  alle,  gy  engele  fyn, 

Maria  dat  reine  kusche  m^gedyn. 


MARIEN  HIMMELFAHRT.  373 

goddes  moder  unses  heren^ 

de  kumt  in  so  groten  vrouden  unde  eren, 

hogeste  hilgeste  eddelste  creature. . . 

Nun  freuen  sich  die  Engel  ihrer  Himmelfahrt  und  begrüßen  sie,  doch 
Maria  w^s  van  uns  bericht, 
du  schalt  hyr  nedden  blyven  nicht, 
vär  up  in  groten  eren, 
to  der  hilgen  dryvaldicheit  schaltu  dy  keren. 

Da  ßihrt  Maria  höher  gen  Himmel  empor  und 
Got  vader  6r  sulven  entegen  quam, 
he  grote  se  lefliken  do 
unde  sprak  6r  lefliken  to: 
w^s  wilkome  myn  alderleveste  dochter  myn, 
w^s  wilkome  myn  alderleveste  juncfrouwe  fyn, 
kum  in  dat  himmelsche  pallas, 
dat  dy  overlank  bereit  was. . . 
kum  myn  turtelduve  reine, 
du  bist  my  sunderliken  lef  alleine . . . 
unde  hyr  by  my  in  dussem  trone 
schaltu  Sitten  by  myner  syden 
unde  vrouwen  dy  to  ewigen  tyden. 

Darauf  empfängt  sie  Jesus: 

w§s  wilkome  leveste  moder  myn, 

hyr  schaltu  ewichliken  mit  my  syn. . . 

du  schalt  heiten  ein  moder  der  barmherticheit 

nu  unde  to  ewigen  tyden, 

we  dy  biddet,  d^n  machstu  twydeii. 

Zuletzt  begrüßen  sie  noch  der  heilige  Geist,  der  Engel  Gabriel,  die 
Patriarchen,  die  Propheten,  die  24  Altherren  (Offenb.  Joh.  12,  16)  und 
andere,  auch  David: 

do  Maria  quam  to  dem  himmelschen  hove, 

do  entfenk  he  se  mit  sunderlikem  love, 

mit  syner  harpen  suverlik 

entfenk  he  Marien  lovelik 

unde  to  der  sulven  stunde 

einen  soten  rei  he  to  speien  begunde . . . 
Auch  Simon  findet  sich  ein,  Herr  Joachim,  Frau  Anna  und  Herr  Joseph 
endlich  die  drei  Könige,  nebst  vielen  anderen  Heiligen. 

Der  Dichter  reiht  daran  ein  Gebet  an  die  heilige  Jungfrau: 

GKRMANIA.  Neue  R«ihe  III.  (XV.)  Jahrg.  25 


374  HOFFMANN  v.  F.,  MARIEN  HIMMELFAHRT- 

O  sote  koninginne,  juncfrouwe  irnde  here, 

dit  is  dy  gelesen  to  dyner  ere, 

lät  dy  dat  anname  w^sen^ 

dit  is  dy  to  love  unde  to  eren  gelesen ... 

Darin  folgende  bemerkenswerthe  Stelle: 

du  hefst  bedwungen  dat  panther, 

dar  to  ein  grot  elpender, 

de  starke  louwe  is  worden  tarn 

an  dynem  schote  also  ein  lam. 

den  hogesten  hesta  entfangen, 

d^n  nemant  künde  aflangen 

sunder  du  alleine^ 

du  werest  ötmodich,  kusch  unde  reine. 

by  dussen  deren  alle  gemeine 

so  meine  ik  goddes  sone  alleine 

unde  Marie  den  leven  sone  dyn. . . 

Aus  der  Wolfenbütteler  Handschrift  Nr.  1084,  Bl.  70^— 88*.  Papier- 
handschrift des  15.  Jh. 

Dieselbe  Handschrift  enthält  noch  einige  erbauliche  Gedichte: 

I.  Bl.  262''~269'. 

„In  dem  namen  vnses  heren  Jesu  Christi  so  beginnen 
sik  hir  naturleke  bede** 

Diese  ^natürlichen  Gebete'  sind  gerichtet  an  den  Garten,  worin 
Christus  sein  Marterleiden  begann ,  an  das  weiße  Kleid,  welches  man 
ihm  vor  Gericht  anlegte,  an  die  Säule,  die  Bande,  das  Bindeltuch, 
die  Dornenkrone,  das  Purpurkleid,  den  blauen  Rock  von  Marions 
Händen,  das  heilige  Kreuz,  die  Überschrift  desselben  und  das  heilige 
Grab.  Anfang: 

Gegrotet  sy  de  eddele  gärde, 
I  an  d^n  sik  Jesus  Chriatus  kärde, 
do  he  to  der  marter  wolde  gän... 

II.  Bl.  272*-273\ 

Gebet  an  Maria. 
Gegrotet  systu  der  juncfrouwen  ere  sunderlik  alleine 
ein  middelerinne  der  werlt  gemeine. . . 

III.  BL  278*— 286^ 

O  eddele  innige  sele, 

wultu  mit  godde  gän  to  dele, 

wultu  syn  ryke  mit  ome  untfön, 


K.  BARTSCH,  ZU  HEINRICH  VON  MORUNGEN.  3*75 

SO  mostu  medelinge  mit  ome  gän. 

ove  dik  in  dussem  breve, 

de  drecht  leve  boven  alle  leve. 

wtdtu  dy  in  goddes  werken  oven, 

so  schaitu  twolf  stucke  proven, 

de  syn  lyden  sere  beswaren. 

wnltu  dat  anders  rechte  vorvaren, 

so  machstu  ome  des  te  bet  danken^ 

mit  ome  suchten,  mit  ome  anken. 

och  sele,  slüt  up  de  krefte  dyner  sinne 

unde  dyner  klage  aldus  beginne ... 

HOFFMANN  VON  FALLER8LEBKN. 


ZU  HEINRICH  VON  MORUNGEN. 


Der  florentinische  Dichter  Chiaro  Davanzati  antwortet  auf  ein 
Sonett  seines  Landsmannes  Monte  Andrea,  welches  beginnt  (Poeti  del 
primo  secolo  11,  43): 

Siccome  ciascun  non  puö  sua  figura 
veder,  la  quäle  nello  specchio  smira ; 
similmente  vorria,  che  per  natura 
d'  ogni  uom  lä  ove  sua  opera  tira, 
mit  folgendem  Sonett  (11,  44) : 

Come  '1  fantin,  che  nello  specchio  mira 
e  vede  a  proprietk  la  sua  figura; 
81  gli  abbelisce,  di  presente  gira 
paarte  per  qu»l  veder  da  se  rancura. 

Vüole  pigliare  per  traiersi  d*ira, 
non  val  neente  a  contastar  paura. 
prende  lo  speglio  e  frangelo  per  ira, 
allora  adoppia  piü  danno  e  arsura. 

E  ciö  diven  chfe  '1  concedette  dio, 
e  rende  tutte  cose  in  temporale, 
e  noi  da  lui  le  possediamo  in  fio. 

Dunque  chi  Tuole  contra  ad  animale 

che  fii  ed  ^,  e  fia  come  di  rio 

sara  biasmato,  rimprocciando  'I  male. 

25* 


376  LITTER.ATUK. 

Der  Inhalt  der  beiden  Quatrains  hat  eine  überraschende  Ähnlichkeit, 
die  sich  auch  auf  den  Ausdruck  erstreckt,  mit  einer  Strophe  Heinrichs 
von  Morungen,    wo   aber    der  Vergleich    ganz    anders    gewendet   ist. 

MF.  145,  1 : 

Mirst  geschehen  als  eime  kindeline, 

daz  sin  schoenez  bilde  in  eime  glase  gesach, 

unde  greif  dar  nach  sin  selbes  schine 

so  vil  biz  daz  ez  den  Spiegel  gar  zerbrach. 

do  wart  al  sin  wünne  ein  leitlich  ungemach. 

also  däht  ich  iemer  fro  ze  sine, 

do  ich  gesach  die  lieben  frouwen  mine, 

von  der  mir  bi  liebe  leides  vil  geschach. 

K.  BABTSCH. 


LITTERATÜß. 


£in  Wcihnachtsspiel.  Aus  einer  Handschrift  des  15.  Jahrhunderts  unter  Be- 
nutzung einer  Abschrift  derselben  von  Vil  mar  und  mit  dessen  Anmerkungen 
zum  erstenmale  herausgegeben  von  Dr.  K.  W.  Piderit.  Parchim  1869. 
V  u.  57  S.  8. 

Die  Zahl  der  uns  überlieferten  deutschen  Weihnachtsspiele  des  Mittelalters 
ist  eine  überaus  geringe.  Diese  Erscheinung  ist  an  und  für  sich  auffallend :  denn 
warum  sollte  die  Kirche  Weihnachten  weniger  gefeiert  haben  als  Ostern?  Weshalb 
sollte  das  Volk,  welches  seine  Freude  fand  an  geistlichen  Spielen,  diese  gerade  zu 
Weihnachten,  an  dem  volksthümlichsten  Kirchenfeste,  vernachlässigt  haben?  Den-, 
noch  lässt  sich  die  Spärlichkeit  der  deutschen  Weihnachtsspiele  vielleicht  erklären. 
Wir  besitzen  lateinische  Weihnachts-  und  Dreikönigsspiele  in  nicht  allzu  spärlicher 
Zahl,  ein  Beweis,  daß.  die  Kirche  es  an  Thätigkeit  für  die  Festfeier  nicht  fehlen 
ließ.  Allein  im  14.  Jahrhundert  entwuchs  das  geistliche  Schauspiel  mehr  und  mehr 
den  Händen  der  Kirche:  mit  der  deutschen  Sprache,  die  allmählich  eindrang,  um 
bald  zur  unbestrittenen  Herrschaft  zu  gelangen,  schlichen  sich  auch  die  volksthüm- 
lichen  Elemente,  die  comischen  und  burlesken  Scenen  ein,  die  an  Ausdehnung  ge- 
wannen und  den  geistlichen  Kern  der  Stücke  zu  überwuchern  drohten,  bis  endlich 
die  mehr  und  mehr  verweltlichte  Form  der  Schauspiele  den  Anlass  gab,  ihnen  die 
Kirchen  zu  verschließen  und  den  Geistlichen  die  Theilnahme  an  der  Aufführung 
zu  untersagen. 

Es  ist  wohl  glaublich,  daß  die  Osterspiele  schon  im  14.  Jahrhundert  sich 
von  der  Kirche  allmählich  lösten  und  ihre  Bühne  im  Freien  aufzuschlagen  begannen. 
£s  ihnen  darin  gleichzuthun,  verbot  den  Weihnachtsspielen  die  Ungunst  der  Jah- 
reszeit :  sie  waren  durchaus  genöthigt,  sich  an  den  geschlossenen  Baum  der  Kirche 
zu  halten.  So  erklärt  es  sich,  daß  die  Weihnachtsspiele  noch  einen  streng  kirch- 
lichen Character  bewahrten,  während  in  der  Passion  schon  lange  Maria  Magdalena 
und  der  Salbenkrämer  ihr  Wesen  trieben.  Welche  Art  der  Darstellung  beim  Volke 


LITTEIUTUR.  377 

den  größeren  Beifall  fand,  ist  klar ;  so  mochte  anch  die  Produetion  beim  Weih- 
nachtsspiel etwas  ins  Stocken  gerathen.  Erst  als  im  15.  Jahrhundert  die  Bühne 
ganz  aus  der  Kirche  verschwunden  war,  fiel  auch  das  Weihnachtsspiel  der  Volks- 
thümlichkeit  und  ihren  Possen  anheim.  Immerhin  aber  wird  der  winterliche  Schnee 
ihren  Aufführungen  viele  Hindernisse  bereitet  und  somit  naturgemäß  auch  der  Lust, 
Weihnachtsspiele  zu  bearbeiten,  Abbruch  gethan  haben,  bis  man  eben  wieder  zu 
ganz  geschlossenen  Räumen  zurückkehrte.  So,  meinen  wir,  ließe  sich  das  spär- 
liche Vorkommen  von  deutschen  Weihnachtsspielen  im  14.  und  15.  Jahrhundert 
etwa  erklären. 

Je  geringer  nun  deren  Zahl  ist,  desto  wünschenswei*ther  ist  die  Publication 
aller  etwa  neu  aufgefundenen,  und  so  begrüßen  wir  mit  Freuden  die  YeröfFentli- 
chung  des  vorliegenden  Stückes,  des  einzigen  bekannten  Weihnachtsspieles  aus 
dem  15.  Jahrhundert.  Das  Stück,  knapp  gehalten,  frisch  und  lebendig  geschrieben, 
trägt  alle  Merkmale  der  geistlichen  Schauspiele  seines  Jahrhunderts  an  sich,  wie 
eine  Vergleichung  mit  entsprechenden  Stücken  des  14.  Jahrhunderts,  z.  B.  der 
'Kindheit  Jesu'  (bei  Mone,  Schauspiele  des  Mittelalters  I,  S.  132  — 181)  auf  den 
ersten  Blick  darthut.  Zunächst  fehlt  die  Einleitung,  die  endlosen  Verkündigungen 
und  Weissagungen  der  Propheten  und  Altväter,  welche  in  den  lateinischen  Spielen 
nicht  fehlen  (z.  B*  Carmina  Burana  S.  80  ff.)  und  auch  noch  in  der  ^Kindheit  Jesu' 
sich  so  ungebührlich  breit  machen;  vielmehr  folgt  nach  einer  kurzen  Ansprache 
des  Proclamator  gleich  die  Verkündigung.  Es  folgt  dann  weiter,  der  Schrift  gemäß, 
der  Verdacht  Josephs  und  dessen  Beschwichtigung  durch  den  Engel,  die  Beise 
nach  Bethlehem,  die  Geburt  Christi,  die  Verkündigung  derselben  bei  den  Hirten 
und  deren  Anbetung,  hier  im  Verein  mit  mehreren  puellae ,  die  in  andern  Stücken, 
z.  B.  'Kindheit  Jesu ,  als  Töchter  von  Syon'  auftreten,  —  aber  alle  diese  bibli- 
schen Elemente  sind  äußerst  kurz  behandelt  und  die  einzelnen  Handlungen  mit 
burlesken,  possenhaften  Episoden  durchflochten,  die  ihrerseits  ziemlich  breit  aus- 
geführt sind.  Alle  Personen  des  Stückes  mit  einziger  Ausnahme  der  Maria  und 
der  Engel  —  selbst  das  Christkindlein  erhält  für  die  wenigen  Worte,  die  es  spricht, 
eine  Zurechtweisung  von  seiner  Mutter,  —  bewegen  sich  stark  auf  dem  Gebiet  der 
derben  Comik  jener  Zeiten.  So  ist  das  Benehmen  der  beiden  Bethlehemiten  Arnold 
und  Czulrich,  bei  denen  Joseph  Quartier  sucht,  einigermaßen  pöbelhaft;  die  beiden 
Mägde  Hillegart  und  Gutte,  von  denen  Joseph  Dienstleistung  verlangt,  prügeln 
ihn  tüchtig  durch  und  gerathen  dann,  nach  dem  üblichen  Geschimpfe,  selber  ein- 
ander in  die  Haare ;  auch  die  Hirten  führen  derbe  Reden,  und  die  Scene,  in  welcher 
Arnold  und  Czulrich  mit  den  beiden  Mägden  zum  Tanz  um  die  Wiege  antreten, 
ist  mehr  oder  minder  possenhaft.  Auf  diese  letztere  Scene  folgt  dann  ein  ziemlich 
ausgeführtes  Teufelspiel,  dem  sich  ziemlich  ungeschickt  ein  Hinweis  des  En- 
gels auf  den  Kindermord  und  der  Befehl  zur  Flucht  nach  Ägypten  anschließt. 
Joseph  schließt  das  Stück  mit  den  Worten: 

Nu  wol  uff  vnd  volge  mir 

mir  woln  geen  zu  dem  guden  bier.   — 

Das  Eintreten  des  Teufelspiels  an  diesem  Orte  hat  etwas  entschieden  Befrem- 
dendes. Zwar  ist  der  Teufel,  der  überall  seine  Hand  im  Spiel  hat,  auch  den  älteren 
Weihnachtsspielen  nicht  ganz  fremd^  aber  ihm  fällt  lediglich  die  bescheidene  Rolle 
zu,  die  Hirten  an  der  Verkündigung  des  Engels  irre  zu  machen  (Carm.  Bur.  S.  89  f.\ 
und  den  Herodes  zu  holen  in  denjenigen  späteren  Stücken ,  welche  auch  noch  den 
Bcthlchcmitischen  Kindcnnord  behandeln.  (Jubinal,  Mysturcj?  inodits  II  p*  136  j 


378  LITTERATUE. 

Schröer,  deutsche  Weihnachtsspiele  aus  Ungern  S.  107.  121.  Vgl.  Weinhold 
Weihnacht-Spiele  und  Lieder  S.  126.)  Wenn  nun  ein  ausgeführtes  Teufelspiel 
einem  Osterspiel  einverleibt  ist,  welches  den  descensus  ad  inferos  darstellt,  so  hat 
das  nichts  Auffallendes;  daß  es  aber  den  Beschluß  eines  Weihnachtsspieles  bildet, 
ist  ein  Unicum*),  erklärlich  nur  aus  der  von  der  kirchlichen  Lehre  sich  entfer- 
nenden Auffassung,  daß  die  Erlösung  der  Menschheit  und  damit  die  Entleerung 
der  Hölle  schon  mit  der  Geburt  Christi  statt  mit  dessen  Tode  und  Auferstehung 
eintritt,  daß  also  schon  hier  der  Teufel  gerathen  findet,  sich  nach  neuen  Seelen 
umzusehen. 

Was  nun  das  Tenfelspiel  selber  anlangt,  so  zeigt  es  in  Einzelheiten  eine 
merkwürdige  Übereinstimmung  mit  dem  des  Redentiner  Spieles.  Man  vergleiche 
9*  B.  gleich  die  ersten  Worte  des  Lucifer  in  unserm  Stücke  v.  716: 

Wol  her  wol  her  wol  her 
Alle  tufels  here 
Wol  her  wol  us  der  helle 
Sathanas  mit  dynen  gesellen, 
Qiit  V.  371  des  Redentiner  Spiels: 

Wol  her,  wol  her,  wol  wol  her, 
alle  duvelsche  her! 
wol  her  ut  der  helle 
Satanä  leve  gheselle! 
Man  erinnere  sieh  ferner,  daß  nach  der  Structur  des  Redentiner  Spiels  ein- 
zelne Teufel  sich  dem  Lucifer  mit  einer  uniäthigen  Redensail  vorstellen  und  daß 
ihnen  dann  von  Lucifer  eben  so  unfiäthig  gedankt  wird.  So  heißt  es  dort  v.  1312: 

Lucifer  here,  ik  bete  Puk, 
ik  te  minen  ers  dorch  meneghen  struk, 
und  in  unserem  Spiele  v.  760: 

Herre  ich  heiss  beelczebuck 
Ich  springe  den  meiden  nach  als  eyn  bück. 
Man  vergleiche  auch  die  Reden  Lucifer»  an  Puk  im  Redentiner  Spiel  v.  1467: 

So  hebbe  dat  der  su  entvolt, 
\ind  an  Funkeldune  v.  1669: 

Du  scholt  eneme  olden  wive  in  den  ers  varen, 
mit  V«  817  des  Weihnachtsspiels : 

Krentzelin  habe  dir  zu  lone 
Schauff  lorbern  vnd  zegen  bonen 
Belial  vnnd  machedantz  haben  uch  allermeist 
Das  eyn  aide  nunne  vor  der  metten  scheuss. 
Eine  directe  Einwirkung  des  einen  Spieles  auf  das  andere  anzunehmen,  liegt  kein 
Grund  vor.    Vielmehr  muss  aus  diesen  Übereinstinmiungen  der  Schluß  gezogen 
werden,  wie  sehr  im  15.  Jahrhundert  die  Structur  und  die  einzelnen  Redewen- 
dungen auch  der  Teufelspiele,  obwohl  nicht  auf  unwandelbaren  Worten  der  Schrift 
oder  der  Liturgie  beruhend,  conventioneli  geworden,    so  zu  sagen  crystallisiert 
waren. 

Übrigens  muss  bemerkt  werden,  daß  das  ganze  Teufelspiel  in  unserem  Stücke 


*)  Das  Auftreten  der  Teufel  in  dem  sog.   Myst^re  de  la  nativit^,  (bei  Jubinal  II 
1^,  S4  ff>)  bietet  bei  der  fundamental  verschiedenen  Anlage  dieses  Stückes  kein  Analogon« 


LITTERATÜR.  379 

.  etwas  verdächtig  ist.  Daß  die  Teufelei  überhaupt  in  der  Idee  des  Weihnacht8»pie]:& 

keinen  Platz  findet,  ist  bereits  bemerkt;  ebenso,  daß  die  Anflickung  des  Befehls 

zur  Flucht  an  die  Schlußpriamel  Lucifers  eine  ungeschicktere  Hand  verräth,  als 

die  des  Verfassers  ist.  Es  kommt  noch  Eines  hinzu,  was  den  Verdacht  verstärkt. 

Das  Teufelspiel   beginnt  nach  dem  Tanz  um   die  Wiege  und  füllt  in  der  Hs. 

Bl.  10** — 12*.  Auf  Bl.  14^  aber  findet  sich  von  anderer  Hand  ein  abweichender, 

bedeutend  kürzerer  Schluß^  der,  etwa  an  v.  617  des  Stückes  anknüpfend,  weder 

die  Schimpfereien  und  Prügeleien  noch  das  Teufelspiel  mit  seinem  Anhang  enthält. 

Vielmehr  bringt  dieser  zweite  Schluß  ganz  kurz  den  Tanz  um  die  Wiege  und  führt 

dann  Lucifer  als  Conclusor  ein,  der  mit  seiner  Priamel  und  der  conventioneilen 

Anrede  an  das  Publicum  und  einer  Vertröstung  auf  das  nächste  Jahr  das  Stück 

schließt.  Bei  diesem  Schluß  bleiben,  wie  man  sieht,  gerade  die  biblischen  Elemente 

des  Stückes  mit  nur  geringen  Episoden  stehen.  Daß  das  Stück  auf  einer  älteren 

Vorlage  beruht,  ist  aus  einzelnen  Reimen  nachgewiesen  (s.  darüber  die  Einleitung). 

Ich  kann  die  Vermuthung  nicht  unterdrücken,  daß  wir  hier  den  echten  Schluß 

des  Stückes  haben,  den  ein  Leser  der  Hs.  kannte  und  restituierte.  So  steht  auch 

das  Stück  der  Form  der  Weihnachtsspiele  des  1 4.  Jahrhunderts  erheblich  näher. 

Der  Abschreiber  jener  Vorlage  nun,  der  den  Geschmack  seinjB»  Publicums  kannte, 

fand  den  Schluß  zu  einfach  und  erweiterte  ihn  nach  den  Bedürfnissen  der  Zeit. 

Vermuthlich  waren  die  Teufeleien  sehr  populär  und  wollte  das  Publicum  &  toutpriz 

eine  solche  haben:  so  setzte  der  Bearbeiter  denn  eine  hinzu,  auch  wo  sie  nicht 

hingehört.  Selbstverständlich  gebe  ich  dies  nicht  für  mehr  als  für  eine  Vermuthung. 

Denkbar  wäre  natürlich  auch  das  gegentheiüge  Verhältniss :  daß  der  Schreiber  des 

Nachtrags,  durch  die  Rohheit  der  letzten  Scenen  verletzt,  an  deren  Stelle  einen 

neuen  Schluß  setzte. 

Was  nun  die  Arbeit  des  Herausgeber»  an  dem  Stücke  anlangt,  so  ist  die- 
selbe nicht  bedeutend.  Der  Abdruck  folgt  genau  der  Hs.  und  ihrer  Orthographie, 
nicht  einmal  Schreibfehler  sind  verbessert  und  kein  Interpunctionszeichen  gesetzt» 
Von  den  Anmerkungen  rührt  der  weitaus  größte  Theil  von  Vilmar  her.  Dem  Her- 
ausgeber gehört  das  Vorwort  und  ein  Theil  der  Anmerkungen.  Von  diesen  letz- 
teren sei  hier  zum  Schluß  noch  eine  hervorgehoben,  die  uns  arg  verfehlt  scheint. 
Die  Verse  790  ff.  lauten: 

Ab  er  wol  geborn  ist 
Der  da  heisst  ihesu  crist 
Er  wird  dannige  ejn  gut  teil 
Die  da  kummen  an  vnss  seil. 
Dazu  bemerkt  der  Herausgeber:    dannige  ^=  dan  rdgen  wie  v.  764.  767  beginne 
st.  heginnen,  d.  h.  er  (Chiistus)  wird  dann  im  jüngsten  Gericht  viele  niederbeugen^ 
erniedrigen,  in  die  Tiefe,  die  Hölle  weisen,  d.  h.  verdammen.    Ich  erlaube  mir, 
folgende  Deutung  an  die  Stelle  zu  »etz&i:  er  ist  gen.  pl.  des  geschlechtigen  Per- 
sonalprom. 3.  pers.  =  tV,  wie  häufig  im  Stück  der  =  dir,  mer  =  mir  (s.  die  Anm. 
zu  V.  115).  dannige  ist  entweder  eine  seltene  Form  für  dennoch,  dannoch^  oder 
aber,  vielleicht  noch  richtiger,  ein  Adv.   in  der  Bedeutung  von  später,  nachher, 
wie  es  in  der  Zusammensetzung  nachdannig  noch  heute  in  Hessen  gebräuchlich  ist. 
(S.  Vilmar  Idiotikon  S.  279.)  Der  Sinn  der  Stelle  ist  in  jedem  Falle  der:  Ob  er 
gleich  geboren  ist,  der  da  heißet  Jesus  Christ,  ihrer  wird  doch  (später,  nachher) 
ein  gut  Theil,  die  da  kommen  an  unser  Seil. 

ERLANGEN.  CARL  SCHÄÖDEIL 


380  LITTERATUR. 

Beobachtiingen  auf  dem  Gebiete  der  Vocalschwäcliiing  im  Mittelbinnen- 

deutschen,  bes.  im  Hessischen  und  Thüringischen.  Inaugural- Dissertation 
zur  Erlangung  der  philosophischen  Doctorwürde  auf  der  Universität  zu 
Leipzig  von  Ernst  Wülcker  aus  Frankfurt  am  Main.  H.  L,  Brönners 
Druckerei  in  Frankfurt  am  Main.  1868.  64  S.  8. 

Die  Inaugural-Dissertationen,  welche  Themata  aus  dem  Gebiete  der  germa- 
nischen Philologie  behandeln,  beginnen  sich  zu  mehren,  und  es  ist  eine  Freude 
zu  sehen,  wie  trefflich,  sorgsam  und  wissenschaftlich  diese  Erstlingsschriften  meist 
gearbeitet  sind.  Auch  die  vorliegende  Arbeit  verdient  lobende  Anerkennung.  Wenn 
der  Verfasser  am  Schluße  bemerkt,  daß  er  wesentliche  Züge  nicht  vergessen  zu 
haben  glaube,  so  ist  diese  Zuversicht  eine  wohl  berechtigte«  Er  hat  in  der  That 
sein  Thema  nach  allen  Seiten  hin  entwickelt,  und  die  Reihe  der  Quellen,  welche  er 
heranzieht,  ist  eine  ganz  stattliche.  Und  dennoch  vermissen  wir  die  Benutzung 
mancher  vorhergehenden  ähnlichen  Arbeiten,  die  dem  Verfasser  überdies  seine 
eigene  Mühe  erleichtert  hätten.  So  citiert  Wülcker  öfters,  wie  es  sich  gehörte,  den 
Heinrich  von  Krolewiz.  Da  hätte  er  einfach  auf  meinen  Aufsatz  in  dieser  Zeit- 
schrift VIII,  355  verweisen  können.  Von  Rothe  ist  öfters  Rsp.  (der  Ritterspiegel) 
citiert;  für  die  Elisabet,  die  unberücksichtigt  blieb,  bot  Bechs  Recension  von 
Liliencrons  Ausgabe  der  Rotheschen  Chronik  in  dieser  Zeitschrift  V,  226,  sowie 
meine  Aufsätze  ebd.  III,  385  und  IV,  472  manigfache  Hülfe.  Die  zuletzt  ange- 
führte Arbeit  ist  allerdings  bei  Wülcker  S.  41  einmal  genannt,  aber  das  scheint 
mir  nur  ein  nachträglich  gebrachtes  Citat.  Mein  Aufsatz  über  das  Spiel  von  den 
zehn  Jungfrauen  in  dieser  Zeitschrift  XI,  129  kam  wohl  zu  spät,  um  noch  benutzt 
werden  zu  können. 

Der  Verfasser  hätte  seine  Abhandlung  betiteln  können :  „Über  den  mittel- 
deutschen** oder,  wenn  er  auch  die  Zeit  hervorheben  wollte,  „über  den  mittelbinnen- 
deutschen  Tocalismus. "  Er  bringt  aber  alle  Erscheinungen  des  Vocalismus  unter 
den  Begriff  der  Vocalschwächung ,  offenbar  um  seiner  Untersuchung  einen  mehr 
sprachwissenschaftlichen  Character  zu  geben.  Für  die  jüngeren  Sprachperioden 
mit  reicher  und  ausgebildeter  Litteratur  haben  wir  uns  aber  gewöhnt,  die  Schwä- 
chung nur  in  ganz  bestimmtem  Sinne  zu  nehmen,  und  so  fürchten  wir,  daß  der 
gewählte  Titel  vielfach  missverstanden  wird.  Auch  mit  der  Benennung  „mittel- 
binnendeutsch",  welche  offenbar  zur  Vermeidung  des  übelklingenden  „mittelmittel- 
deutsch'' gewählt  wurde,  kann  ich  mich  nicht  einverstanden  erklären.  Einen  neu- 
mitteldeutschen Vocalismus  haben  wir  nicht,  da  uns  eine  neumitteldeutsche  Schrift- 
sprache abgeht.  Will  aber  ein  Grammatiker  diesen  Ausdruck  als  einen  zusammen- 
fassenden gebrauchen,  um  die  mitteldeutschen  Mundarten  zu  characterisieren,  so 
mag  er  es  thun.  Es  wird  aber  selten  genug  geschehen.  Wenn  wir  „Mitteldeutsch" 
sagen,  so  meinen  wir  eben  das  Mitteldeutsch  der  älteren  Zeit.  Warum  nun  wieder 
einen  neuen  Ausdruck  einführen  wollen,  der  sonst  in  der  Sprache  keine  Analogie 
$ndet?  denn  sagen  wir  etwa:  Binnendeutschland?  Daß  man  den  mitteldeutschen 
Dialect  auch  den  „gürteldeutschen"  nenne,  wie  Wülcker  auf  S.  2  anführt,  davon 
ist  mir  nichts  bekannt.  Der  Ausdruck  „binnendeutsch"  ist  keineswegs  „bequemem", 
und  darum  wollen  wir  jenen  Dialect  wie  „bisher"  auch  fernerhin  den  mitteldeutschen 
nennen.  Noch  weniger  Glück  wird  Wülcker  mit  dem  Ausdruck  „innerdeutsch" 
(S.  5)  machen,  den  er  einmal  auf  S.  5,  jedesfalls  nur  aus  stilistischen  Gründen^ 
lua  der  Abwechslung  willen  anwendet. 


LITTERATUR.  .  881 

Eine  Zasammenfassung  der  bis  jetzt  gewonnenen  Ergebnisse,  wie  sie  in 
Wülckers  Schrift  versucbt  wird,  scheint  mir  sehr  verdienstlich,  und  darum  möchte 
ich  Allen,  welche  sich  noch  nicht  mit  dem  Mitteldeutschen  näher  befassen  konnten 
oder  denen  die  bis  jetzt  gelieferten  Einzelarbeiten  zu  speciell  gewesen  sein  mögen,  . 
dieses  bequeme  Mittel  zur  Orientierung  empfehlen*  Indes  ist  damit  die  Beschrän- 
kung auf  einzelne  Denkmäler,  w:e  sie  im  geschichtlichen  Grange  dieser  Studien  lag 
und  liegen  musste,  noch  nicht  beendet.  Des  Zusammenhangs  mit  andern  ähnlichen 
Erzeugnissen  der  Litteratur  ist  sich  überdies  jeder  Arbeiter  auf  diesem  G-ebiete 
bewusst  gewesen.  Und  so  mögen  auch  künftig  die  Eigenthümlichkeiten  mittel- 
deutscher Dicht-  und  Prosawerke  der  grammatischen  Einzelarbeit  anheimfallen. 

Zu  einigen  Bemerkungen  gibt  mir  Wülckers  Dissertation  im  Einzelnen  Anlass. 

S.  25  heißt  es:  „Ebemand  von  Erfurt  hat  kein  brengen  statt  bringen. 
Und  doch  hat  er  eines.  Er  reimt  einmal  hr enget  :  entphenget  (entzündet)  4641. 
Vgl.  zu  521. 

Bei  Besprechung  der  Ä-  und  I-Formen  in  g&n  und  atdn  wird  S.  34  be- 
merkt :  y^gdn  und  stdn  werden  von  den  höfischen  Dichtem  den  e-Formen  vor- 
gezogen; freilich  mag  mitgewirkt  haben,  daß  man  auf  die  <£-Formen  bequemere 
Reime  fand."  Das  ist  richtig  für  Infinitiv  und  IndicativJ  dagegen  herrschen  die 
^-Formen  im  Conj.  praes.  vor. 

Bei  Besprechung  der  Reime  ä  :  6  sagt  Wülcker  S.  42  :  ^^Es  lasst  sich  hier 
gleich  noch  eine  Frage  erledigen,  die,  wie  ich  glaube,  *  bisher  noch  nicht  richtig 
gelöst  wurde,  deren  Lösung  aber  auf  der  Hand  Hegt.  Das  Schwanken  nämlich 
der  verschiedenen  Hss.  zwischen  ä  und  d  lässt  uns  entschieden  auf  einen  Mittel- 
laut schließen, .  . .  ^  Soviel  mir  bekannt,  ist  über  diesen  Mittellaut  längst  kein 
Zweifel  mehr. 

S.  44  fg.  kommt  der  Verfasser  auf  die  Frage,  ob  es  überhaupt  einmal 
eine  Zeit  gegeben  habe,  da  die  Binnendeutscben  gleich  den  Oberdeutschen  uo 
und  ie  gesprochen  haben.  Ich  selbst  habe  die  Frage  va,  der  Einleitung  zu  Eber^ 
nand  berührt  und  dann  weiter  besprochen  in  dieser  Zeitschrift  VI,  422.  Es  freut 
mich,  daß  dieser  wichtige  Punct  von  Wülcker  nicht  unbeachtet  gelassen  wurde, 
und  daß  auch  ix  zu  dem  Ergebnisse  gelangt,  „daß  alle  binnendeutschen  ü  einst- 
mals müssen  uo,  alle  ?,  ia  oder  io  gewesen  sein.^  Dagegen  kann  ich  einzelnen 
Reimbeweisen,  die  er  anführt,  keine  Kraft  zugestehen.  Er  verzeichnet  aus  Lud- 
wigs Kreuzfahrt  tu :  nw,  frü  :  ww,  tdn  :  sun.  Auch  im  Folgenden  bringt  er  solche 
Reime,  dazu  auch  zCl:  du  (pron.  2  pers.).  Sehr  richtig  bemerkt  Wülcker:  „Solche 
Reime  kommen  auch  in  oberdeutschen  Dichtern  vor.''  Aber  unrichtig  ist  es, 
wenn  fortgefahren  wird :  „doch  sind  sie  da  gewiss  anders  zu  beurtheilen.  Denn 
im  Binnendeutschen  müssen  wir  ein  Verfallen  in  die  Volkssprache ,  im  Ober- 
deutschen eine  Ungenauigkeit  des  Reims  annehmen. '^  Letzteres  gilt  höchstens 
vom  Reime  tuon :  suuy  der  ein  altüberkommener,  beinahe  typischer  ist,  aber  eben- 
deshalb auch  nicht  zu  einem  Beweise  herangezogen  werden  kann.  Und  die  Worte  nu 
(nÄ)  und  du  {di)i)  erscheinen,  wie  ich  mich  überzeugt  habe,  auch  in  der  schrift- 
gemäßen Nebenform  niM)  und  duo ,  welche  die  Dichter  sich  zu  Nutze  machen. 
Finden  sie  sich  doch  bei  dem  Reimkünstler  Gottfried  von  Straßburg,  der  dem 
Reim  tuon  :  mn  aus  dem  Wege  geht:  zao  :  nuo  5489.  6983.  11331.  12281. 
zuo'.duoy  'tuo  2687.  3707.  7789.  9311.  10309.  tuo  (Conj.  von  tuon)  \  duo 
10299.    Daraus  folgt,  daß  diese  Heime  nicht  unrein  sind^  und  ferner,  daß  si^ 


382  LITTEKATUß. 

für  das  Mitteldeutsche  ebensowenig  zum  Beweise  der  Lantwandelung  von  tto  zu 
ü  dienen  können.  , 

Daß  der  mitteldeutsche  Yoealismus  in  der  Mitte  steht  zwischen  dem  o1»er- 
und  nied^deutschen,  ist  eine  Thatsache»  die  schon  oft  ausgesprochen  worden  ist. 
Wülcker  hätte  demnach,  wenn  er  am  Schlüsse  seiner  Untersuchung  die  Resultate 
Eusanmtenfassen  wollte,  statt  ,, gefunden^  sagen  sollen  ,, bestätigt  gefunden^* 

Unsere  heutige  Schriftsprache  ist  nicht,  wie  am  Schlüsse  bemerkt  wird, 
aus  dem  Mitteldeutschen  entsprungen,  sondern  nur  zum  Theil  entsprungen.  Ein 
Theil  ist  bekanntlich  österreichisch.  Diese  fremden  Bestandtheile  hat  sich  selbst 
die  Volksmundart  zu  eigen  gemacht.  Es  wäre  eine  lohnende  Aufgabe,  einmal 
darzustellen,  wie  der  alte  mitteldeutsche  Yoealismus  nach  und  nach  sieh  selber 
untreu  den  fremden  Einflüssen  nachgegeben  und  so  zur  „sächsischen  Canzlei** 
sich  gewandelt  hat.  Nach  den  Andeutungen  auf  S.  5  dürfen  wir  wohl  von  Wülcker 
eine  solche  Arbeit  erwarten. 

JENA,  November  1869.  REINHOLD  BECKSTEIN. 

Catalogns  codicnm  manu  scriptorum  bibliothecae  regiae  Monacensis.    Tomi  m 

pars  I  Codices  latinos  continens.    Tomus  V,  VI  Codices  germanicos  comple- 

ctens.  Monachi  1866—68.  8.  666  u.  294  S. 
Tabulae  codicum  manu  scriptornm  praeter  graecos  et  orientales  in  bibliotheca 

Palatina  Vindobonensi  asservatorum.  Edidit  academia  caesarea  Vindobonensis. 

Vol.  I— IIL  Vindobonae  1864—69.  8.  442,  461  u.  654  S. 
Neben  einander  her  gehen  die  Veröffentlichungen  der  Handschriftenverzeich- 
nisse der  beiden  an  Manuscripten  reichsten  Bibliotheken  Deutschlands,  in  Wien 
und  München.  Wie  hochwillkommen  dieselben  den  Forschem  auf  allen  Gebieten 
sind,  braucht  kaum  erwähnt  zu  werden.  Hier  wo  uns  zunächst  die  deutschen  Hand- 
schriften beschäftigen,  sei  hervorgehoben,  daß  allerdings  durch  Hoffmanns  Ver- 
zeichniss  der  Inhalt  der  meisten  deutschen  Handschriften  in  Wien  bekannt  war, 
daß  jedoch  manche  ihm  ^ntgieng  und  seitdem  ein  nicht  unbeträchtlicher  Theil  hin- 
zugekommen ist.  Von  den  altdeutschen  Handschriften  in  München  hat  Schmeller 
einen  sehr  ausführliehen  Catalog  mit  genauester  Beschreibung  hinterlassen ;  da- 
neben einen  gedrängten  Auszug  mit  kurzer  Inhaltsangabe*  Die  Veröffentlichung 
des  größeren  Cataloges  wäre  allerdings  in  vieler  Hinsicht  das  Erwünschteste  ge- 
wesen, was  die  Vorrede  auch  anerkennt;  allein  sie  hebt  mit  Recht  die  großen 
Schwierigkeiten  und  Kosten  einer  derartigen  Veröffentlichung  hervor,  und  gewiss 
that  der  Herausgeber  gut  daran,  daß  er  sich  entschloß,  lieber  das  weniger  ein- 
gehende Verzeichniss  zu  geben,  als  die  Herausgabe  in  vielleicht  unabsehbare  Ferne 
hinauszuschieben.  Wir  zweifeln  nicht,  daß  durch  diesen  Catalog  die  Auftnerksam- 
keit  der  Fachmänner  aufs  neue  auf  die  Schätze  der  Münchener  Bibliothek  gerichtet 
werden  wird.  Wenn  man  etwas  vermisst,  so  ist  es  die  Angabe  der  Anfangszeilen 
einzelner  Stücke,  und  hierin  hätte  bei  etwas  compendiöserem  Drucke  auf  demselben 
Baume  mehr  gegeben  werden  können.  Der  Wiener  Catalog  hat  in  dieser  Beziehung 
einen  Vorzug;  hier  ist  dadurch  viel  Kaum  gewonnen,  daß  die  einzelnen  Stücke 
einer  Hs.  numeriert  in  fortlaufender  Zeilenfolge  gedruckt  sind,  und  kein  Absatz 
gemacht  ist.  Die  Angabe  der  Anfangsworte  hat  den  Vortbeil,  daß  man  in  jedem 
Falle  leicht  überblicken  kann,  ob  ein  Stück  schon  bekannt  ist  oder  nicht. 

Der  erstaunliche  Reichthum  an  deutschen  Handschriften  ist  in  den  beiden 
Bänden  (V.  VI)  nicht  erschöpft;  auch  der  erste  Theil  des  lateinischen  Handschrif- 


LITTERATÜR.  383 

tencfttaloges  (Nr*  1 — 2329)  enthält  manches  Deutsche,  and  K.  Hofmann  wie 
F*  Keinz  haben  inzwischen  manches  werthvolle  Stück  yeröffentlicht.  Ich  will  hier 
nur  Einiges  hervorheben:  deutsche  Glossen  des  11*  und  12.  Jahrhunderts  in  cod. 
latin.  305  und  375;  ein  botanisches  Fragment  des  13.  Jhd.  anfangend  Ain  erat 
hajset  jsencrut'  (^verbena)  lat.  614,  Bl.  10;  Stück  aus  Freidank  Ton  1463, 
lat.  692,  BL  157,  bei  W.  Grimm  nicht  erwähnt;  niederdeutsche  Segens-  und  Be- 
schwörungsformeln in  cod.  849,  BL  118 — 132,  aus  dem  15.  Jhd.,  und  ebenda 
155 — 156  der  manen  boec  (liber  lunae);  deutsche  Gebete  des  12.  Jhd.  in  cod. 
935,  BL  23,  leider  vermittelst  Durchstreichens  fast  unleserlich  gemacht.  Anderes 
von  minderem  Belang  in  cod.  lat.  61.  213.  251.  444.  589.  641.  653.  1231. 

Verweisungen  auf  Drucke  finden  sich  in  dem  lateinischen  Cataloge  häufiger 
als  im  Heutschen ;  und  in  der  That  war  es  am  gerathensten,  sie  auf  ein  Geringes 
zu  beschränken,  weil  sonst  schwer  gewesen  wäre,  eine  Grenze  zu  finden.  Auch  der 
Wiener  Catalog  verfolgt  dasselbe  Princip,  nur  ist  natürlich  auf  Endlicher,  HofT- 
mann  und  Denis  hingewiesen  worden.  Die  sorgfältigsten  Register  nach  Verfassern 
und  Materien  sind  beiden  Catalogen  gemeinsam,  und  diese  müssen  bei  dem  Wiener 
den  Vortheil  ersetzen,  den  der  Münchener  bietet,  daß  die  Handschriften  der  Wiener 
Bibliothek  nicht  nach  Sprachen  geordnet  sind.  Indem  wir  diejenigen  deutschen 
Handschriften,  welche  aus  Hoffinanns  Verzeichniss  bekannt  sind,  hier  übergehen^ 
können  wir  aus  dem  großen  Reichthum  des  Übrigen  nur  Einiges  herausgreifen. 
1262,  BL  114—124  deutsche  Predigten  des  13.  Jhd.;  1757,  lateinisch-deutsches 
Vocabular  des  12.  Jhd.  BL  235 — 237;  1885,  Namen  der  Monate,  12.  Jhd.; 
2245,  Bl.  83*^  deutsches  Gebet  aus  dem  12.  Jhd.;  23  72,  niederdeutsches  alchy- 
mistisches  Werk  zum  Theil  in  Versen ;  2524,  allerdings  von  Hofimann  schon  ange- 
führt, aber  nicht  seinem  ganzen  Inhalt  nach,  enthält  auf  Bl.  15 — 32  das  Arzneibuch 
des  Bartholomaeus  in  deutscher  Sprache,  dasselbe  Werk,  welches  Pfeiffer  in  seinen 
'Deutschen  Arzneibüchern  (Wien  1863)  als  Nr.  II  herausgegeben.  Der  Anfang 
stimmt,  der  Schluß  nicht,  Pfeiffer  bemerkt  S.  9,  daß  die  Handschriften  sehr  aus- 
einander gehen,  er  scheint  diese  Wiener  Hs.  nicht  gekannt  zu  haben.  Eine  zweite 
Hs.  des  14.  Jhd.  ist  3217,  aber  mit  anderem  Anfang,  also  wohl  ein  wesentlich 
abweichender  Text.  Letztere  Hs.  enthält  auch  andere  deutsche  Arzneibücher^  so- 
wie eine  deutsche  Rossarznei  (Bl.  126 — 127),  welche  vielleicht  nicht  ohne  Inter- 
esse ist.  Ferner  2528,  chemische  Tractate,  wie  es  scheint,  in  niederrheinischer 
Sprache;  2675,  eine  schon  von  Hofimann  erwähnte  Titurelhandschrift,  enthält  eine 
Strophe  des  Gedichtes  in  Musik  gesetzt;  2684*,  deutsche  Predigten  von  Konrad; 
2713,  ein  Psalterium  in  isländischer  Sprache  aus  dem  14.  Jhd.;  3041,  eine  Papier- 
handschrift des  jungem  Titurel,  15.  Jhd.;  3214,  deutscher  Cato;  4058,  BL  119 
bis  121  ein  hochdeutscher  Text  des  Mühlenliedes,  der  auch  nochmals  4117, 
BL  65—68  sich  findet;  4117  enthält  außerdem  auf  BL  38  —  43  ein  Gedicht  'Der 
Vögel  rat',  welches  von  dem  durch  Pfeiffer  und  mich  (Germania  VI,  80.  7,  185) 
besprochenen  verschieden  scheint;  BL  114 — 128  deutscher  Cato;  4119  mehrere 
Meisterlieder;  4120,  Bl.  70*  eine  Tischzucht;  92 — 95  Schmecher,  vom  Neidhart; 
4556  niederdeutsche  Gedichte  des  15.  Jhd.;  4868  enthält  einen  Text  (14.  Jhd.) 
des  in  meiner  'Erlösung'  S.  193 — 195  gedruckten  Dreifaltigkeitsliedes,  welches 
ans  einer  andern  Wiener  Hs.  (theol.  457)  Hagen  (MS.  3,  468^^)  herausgab,  mit 
einem  lateinischen  Commentar  (vgl.  Germania  VII,  276);  4995,  ein  Kochbuch  mit 
gereimtem  Prolog,  BL  191 — 224,  aus  dem  15.  Jhd.,  und  vieles  Andere. 

ROSTOCK,  Juni  1870.  K.  BARTSCH. 


384  LITTERÄ.TUR. 

Die  historischen  Volkslieder  der  Deutschen  vom  13.  bis  16.  Jahrhundert  ge- 
sammelt und  erläutert  von  R.  v.  Lilien cron.  4.  Band.  (XVI  u.  634  S.) 
gr.  8.  Leipzig  1869.  F.  C.  W.  Vogel. 

Nachtrag,  enthaltend  die  Töne  und  das  alphabetische  Verzeichniss.  (VI,  106  und 
XLIV  S.)  gr.  8.  Ebenda. 

Mit  dem  vorliegenden  Bande  schließt  das  bedeutende  Werk,  dessen  ersten 
Band  wir  in  dieser  Zeitschrift  XI,  102 — 110  ausführlich  besprochen  haben.  Auf 
die  Wichtigkeit  des  Unternehmens  wurde  schon  damals  hingewiesen;  wenn  ein- 
zelne Mängel  hervorzuheben  waren,  so  gereicht  es  uns  zur  Freude  sagen  zu  dürfen, 
daß  jeder  Band  an  Gediegenheit  der  Ausführung  seinen  Vorgänger  übertroflPen, 
daß  die  Methode  sich  immer  sicherer  ausgebildet  hat.  Die  von  mir  gerügte  Auf- 
nahme auch  größerer  historischer  Gedichte  von  zum  Theil  bedeutendem  Umfange 
wie  Nr.  40  (2178  Reimzeilen)  hat  der  Herausgeber  in  der  Vorrede  zum  zweiten 
Bande  zu  rechtfertigen  gesucht:  wenngleich  ich  bekennen  muss,  auch  jetzt  noch  in 
derartigen  Productionen  nicht  den  Character  und  noch  weniger  die  Formen  des 
Volksliedes  finden  zu  können,  so  will  ich  und  wollte  ich  damit  nicht  behaupten, 
daß  an  sich  diese  Dichtungen  werthlos  seien  und  den  Druck  nicht  verdient  hätten. 

Der  ursprüngliche  Plan  war,  mit  dem  Beginne  des  30jährigen  Krieges  abzu- 
schließen: diese  Grenze  war  gesetzt  worden,  weil  für  die  Volksdichtung  des  30jäh- 
rigen  Krieges  bereits  durch  mehrere  Sammlungen  das  Hauptsächliche  geleistet  ist. 
Abgesehen  davon,  daß  das  Material  und  demnach  der  Umfang  der  Sammlung  beim 
Beginn  noch  nicht  hinreichend  übersehen  werden  konnte,  haben  indes  auch  innere 
Gründe  den  Herausgeber  bestimmt,  mit  1554:  abzuschließen,  hauptsächlich  weil 
das  Volkslied  der  folgenden  Zeit  bis.  zum  30jährigen  Kriege  einen  veränderten 
Character  an  sich  trägt  und  durch  denselben  mehr  die  Folgezeit  vorbereitet  als  an 
die  voraüfgehende  sich  anschließt.  Es  sind  eine  Menge  politisch-kirchlicher  Fra- 
gen, die  diese  Zwischenzeit  beschäftigen  und  die  eben  zu  dem  großen  'deutscheu 
Kriege*  herüberleiten.  Hoffen  wir,  daß  es  Liliencron  vergönnt  ist,  auch  diese  Über- 
gangszeit in  einer  besonderen  Sammlung  zu  bearbeiten  und  daran  die  nothwendigen 
Ergänzungen  zu  den  Liedern  des  30jährigen  Krieges  zu  knüpfen;  denn  es  möchte 
wenige  Männer  geben,  die  wie  er  das  Material  und  die  Litteratur  beherrschen. 

Noch  besonders  aufmerksam  machen  wir  auf  den  Nachtrag,  der  den  musica- 
lischen Theil  der  Sammlung  enthält.  Mit  dieser  Seite  unserer  mittelalterlichen  Lyrik 
hat  sich  L.  bekanntlich  schon  seit  Jahren  beschäftigt,  indem  er  die  Lieder  der 
späteren  Kunstdichtung  nach  ihrer  musicalischen  Seite  behandelte.  Für  die  He- 
urtheilung  des  Volksliedes,  das  immer  gesungen  wurde,  ist  die  Kenntniss  der  Musik 
geradezu  unentbehrlich.  Dieser  Nachtrag  nun  gibt  ein  alphabetisches  Verzeichniss 
der  Töne,  nach  denen  die  Lieder  der  Sammlung  gedichtet  sind,  und  theilt  die  Töne 
selbst  mit.  Zugleich  enthält  er  ein  alphabetisches  Register  sämmtlicher  in  den  vier 
Bänden  enthaltenen  Lieder.  Der  historischen  Commission  in  München,  v.on  der  so 
wichtige  Unternehmungen  ausgi engen,  schuldet  die  Wissenschaft  für  die  Anregung 
und  Förderung  des  Werkes,  dem  Herausgeber ,  für  dessen  gewissenhafte  Durch- 
führung, dem  Verleger  für  die  vorzügliche  Ausstattung  den  gebührenden  Dank. 
ROSTOCK,  Deccmbcr  1869.  -  K.  BARTSCH. 


Beilage. 


Soeben  erschienen  und  durch  alle  Buchhandlungen  zu  beziehen: 

Niederdeutscher  Aesöpus. 

Zwanzig  Fabeln   und  Erzählungen  aus  einer  Wolfenbüttler  Hs.    des 

XV.  J{|,hrhunderts 
herausgegeben  von 

Hofrma,iiii  von  Fallerslel>en. 

Gr.  8.    geh.  18  Sgr. 


Die  älteste  niederdeutsche  Sprichwörtersammlung, 

von 

Antonius  Tunnicius 

gesammelt  und  in  Lateinische  Verse  übersetzt. 

Herausgegeben  mit  hochdeutscher  Uebersetzung,  Anmerkungen  und  Wörterbuch  von 

Iloffmann  von  Fallersleben. 

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Mit  dem  vorliegenden  zweiten  Theil  ist  das  classische  Epos  Gottfried's  von 
Strassborg  abgeschlossen.  Derselbe  enthält  ausser  dem  Schluss  des  Gedichts  die 
Nacherzählung  der  Fortsetzungen  Ulrich*s  von  Türheim  und  Heinrichs  von  Freiberg, 
sowie  Wortregister  und  Namenverzeichniss  zu  beiden  Theilen. 

Als  neunter  und  zehnter  Band  der  Sammlung  wird  Wolfram's  von  Eschen- 
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ni.  Das  Nibelungenlied.    Herausgegeben  von  Karl  Bartsch.  Zweite  Aufl. 
IV. — VI.  Hartmann  von  Aue.  Herausgegeben  von  Fedor  Bech.  Drei  Theile. 
yil.  Vin.  dottfried's  von  ^trassburg  Tristan.    Herausgegeben  von  Beinhold 
Beckstein.    Zwei  Theile. 


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Aus  dem  Schwedischen  von  JT.  Movtorfl 

Mit  62  Holzschn.  und  5  lithogr.  Tafeln.  2  Rthlr. 

Säve,  Prof.  C,  Siegfriedbilder. 

Aus  dem  Schwedischen  übersetzt  und  mit  Nachträgen  versehen   von  J.  MostOrf. 

Mit  4  lithogr.  Tafeln.  24  Sgr. 

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der  klassischen  Völker  auf  den  Norden  durch  den  Handelsverkehr. 

Aus  dem  Schwedischen  Yon  J.  MostOrf. 

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DER  UEDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ. 


VON 

E.  FÖRSTEMANN. 


ZWEITER  ARTIKEL. 

Ehe.  ich  an  meine  diesmalige  Aufgabe  gehe,  habe  ich  zunächst 
zum  ersten  Artikel  (in  dieser  Zeitschrift  14,  337 — 372)  manigfache 
Nachträge  zu  liefern,  die  sich  mir  ergaben,  da  ich  bei  Ausarbeitung 
dieses  Aufsatzes  stets  jenen  zur  Seite  haben  musste,  wie  sie  auch  be- 
stimmt sind,  beide  neben  einander  aufgeschlagen  gelesen  zu  werden. 

Zuerst  f&ge  ich  zu  jener  Arbeit  noch  einige  neue  Wortgruppen 
hinzu,  deren  eine  oder  die  andere  schon  in  meiner  ursprünglichen  Hand- 
schrift gestanden  haben  und  nur  durch  ein  Versehen  von  meiner  oder 
des  Setzers  Seite  ausgefallen  sein  mag. 

Zu  S.  342:  Ags.  finc  (nhd.  Fink),  gr.  öiei^yyo. 

S.  344:  Altn.  ai  (Vorfahr),  altsl.  uj  (Onkel;  altpreuss.  awis  dsgl.), 
lat.  avo. 

S.  344 :  Goth.  leikja  (Nom.  leikeis),  ir.  leigh,  altsl.  lökari  medicus. 

8.  345:  Ahd.  art  (genus),  lat.  ordo,  altsl.  rodü  (genus,  gens). 

S.  348:  Ahd.  iwa  (Eibe),  altsL  iva  (salix),  ir.  iubhar. 

S.  350 :  Goth.  alhi  (Nom.  alhs),  lat.  arc. 

S.  351 :  Altn.  6ss  (Flußmündung),  lit.  osta  (dsgl.),  lat.  ostio. 

S.  352:  Goth.  vikön  (Nom.  vikö,  nhd.  Woche),  altsl.  vekü  (Zeit- 
alter), lat.  vic  (vices). 

S.  353 :  Alts,  themar,  skr.  tamas,  lit.  tamsa,  lat.  tenebrae. 

S.  359:  Goth.  hveleika,  altsl.  kolikü  (quantus),  gr.  arjXixo. 
Goth.  svaleika,  altsl.  selikü  (tantus),  gr.  r^Xixo. 
Altbi.  thvfltkr,  altsl.  tolikü  (tantus),  gr.  rrjXixo.  ' 
Dazu  noch   die   von  Bopp  verglichenen  skr.  tädrga,    kidrja  und 
auch  jädr^a,  welches  letztere  im  Deutschen  keinen  Reflex  mehr  hat. 

S.  359 :  Goth.  ainaha,  altsl.  inogü  u.  inokü,  lat.  unico. 

S.  364 :  Neben  stracchju  möge  gleich  stehen  Ahd.  strichu  (lino^ 
foveo,  caedo,  eo),  altsl.  strüzq,  (Inf.  strügati  tondeo),  lat.  tergo  (ftir  stergo). 

OBRMANIA.  N«iM  Reihe  UI.  (XV.)  Jahrf.  26 


386  E.  PÖRSTEBiANN 

S.  366:  Ahd.  sihu  (seihe),  altsl.  sic^  (Inf.  sicati  mingere),  skr. 
Wurzel  siö  rigare. 

S.  369 :  Goth.  hatja,  lat.  odi,  gr.  xiff  o. 

Zweitens  aber  glaube  ich  viele  in  jenem  Aufsatze  mitgetheilten 
Wortgruppen  vervollständigen  fcu  können,  namentlich  durch  Hin- 
zufbgung  eines  litauischen  oder  altslavischen  Ausdrucks.  Dadurch  tritt 
die  Berechtigung  jener  Gruppen  vielfach  in  ein  noch  helleres  Licht. 
Ich  stelle  des  leichteren  Auffindens  wegen  das  germanische  Wort  stets 
in  Parenthese  voran. 

S.  341 :  (Ahd. .  affo)  altsl.  opica. 

S.  342:  (Ahd.  hiruz)  altpreuß.  sirwis  (Reh).  —  (Ahd.  gauch) 
altsl.  kukuli.  —  (Goth.  sparva)  lit.  sparis  (Mauerschwalbe).  —  (Ahd. 
drossela)  altpreuss.  tresde  (lit.  strazdas).  —  (Ahd.  «peht)  lit  spakas 
(Staar). 

S.  343:  (Altn.  karfi)  lit.  karpa  (entlehnt?),  —  (Ags.  crabba)  zwei- 
felhaft altsl.  crüvi  (vermis). 

S.  344:  (Ahd.  dioma)  lit.  tamas  (Diener).  —  (Goth.  atta)  altsl. 
otici.  —  (Goth.  arbja)  altsl.  rabü  (Blnecht).  —  (Goth.  viduvö)  altsl.  vi dova. 

S.  347:  (Ahd.  här)  altsl.  kosa  (coma).  —  (Goth.  qvijjus)  lit.  we- 
daras  (Magen).  —  (Altn.  hlaun)  altpreuß.  slaunis  (Schenkel).  —  (Goth. 
skauta)  altsl.  skutü  (extrema  vestis).  —  (Ags.  skeam)  altsl.  skvrüna 
(inquinamentum).  —  (Ags.  teter)  lit  dederwyne. 

S.  348:  (Goth.  vaurts)  altsl.  vrütü  (hortus,  nach  Miklosich  ent- 
lehnt). —  (Ahd.  strao)  altsl.  strüm  (Stoppeln).  —  (Goth.  baris)  altsl. 
bürü  neben  proso  (beides  bedeutet  Hirse). 

S.  349:  (Ahd.  linsi)  lit  lensi-s.  —  (Goth.  aiz)  lit  vielleicht  waras 
(Erz,  Kupfer)?  —  (Altn.  griot),  lit.  grauzas  (grober  Sand).  —  (Ahd.  sahs) 
altsl.  secivo  (securis). 

S.  350:  (Goth.  fana)  altsl.  ponjava  (linteum).  —  (Ahd.  bruoch)  alt- 
preuss. Plur.  broakay.  —  (Altn.  men)  altsl.  monisto.  —  (Goth.  thaurp) 
lit.  troba  (Gebäude).  —  (Niedd.  tun)  altsl.  tynü  (Mauer). 

S.  351:  (Altn.  log,  logi)  altsl.  luci.  —  (Ahd.  stürm)  lit  durmas 
(Sturm)?  —  (Altn.  oegir)  lit.  ezeras  (See,  Teich).  —  (Altn.  kelda)  lit 
szaltinnis? 

S.  352:  (Goth.  gavi)  lit  gojus  (Hain).  —  (Goth.  avi)  lit  weja 
(Rasenplatz).  —  (Goth.  hlaiv)  lit  kalwa  (Hügel).  —  (Altn.  höll)  lit. 
kalnas  (Berg)?  —  (Ags.  päd)  lat  pont,  altsl.  p^ti  (Weg).  -—  (Ahd.  Ziu) 
altsl.  divü  (msc.)  und  divo  (ntr.,  Stamm  [dives)  Wunder.  —  Zu  goth. 
Bunna  ist  zu  erwägen,  ob  nicht  statt  der  Zusammenstellung  mit  suvana 
und  huan  lieber  die  mit  altsl.  slünice  (sol)  vorzuziehen  ist. 


DER  URDEÜTSCHE  SPRACHSCHATZ.  387 

S.  353:  (Ahd.  fezzil)  altsl.  petlja  (Henkel,  Bändchen).  —  (Goth. 
bandi)  altpreuß.  panto  (Fessel).  —  (Goth.  vruggö)  altsl.  veruga  (Kette). 

—  (NhdL  Hippe)  lit.  kaplys  (abgenutzte  Axt).  —  (Goth.  aqvizi)  lit.  jekszis. 

S.  354:  (Ahd.  ritara)  lit.  r^tas  (Bastsieb).  —  (Ahd.  mez)  lit.  mera. 

—  (Goth.  sitls)  altsl.  sedalo. 

S.  355:  (Goth.  namö)  ir.  ainm.  —  (Goth.  möds)  lit.  masti-s.  — 
(Alts,  hadu)  vgl.  altsl.  kotera,  kotora  (pugna;  nhd.  Hader?)  —  (Goth. 
doms)  altsl.  duma  (Rath,  Rathsversammlung). 

S.  356:  (Goth.  vlits)  lit.  lyte  (Foi-m,  Gestalt).  —  (Goth.  junda) 
altsl.  jonosti.  —  (Ags.  greät)  altsl.  grüdü  (stolz)?  —  (Ahd.  flah)  altsl. 
ploskü  (breit)?  —  (Ags.  scort)  altsl.  kratükü  (kurz).  —  (Altn.  hvassr) 
altsl.  kosti  (zart,  dünn).  —  (Goth.  smals)  lit.  smailas  (spitzig)  ?  —  (Mhd. 
schief)  lit.  szeiwas  (krumm).  —  (Goth.  vraiqvs)  altsl.  razoku  (verdreht)  ? 

S.  357 :  (Goth.  hveits)  altsl.  svetlü  (hell).  —  (Ahd.  heitar)  lit.  gedras. 

S.  358:  (Goth.  kaurs)  altsl.  gorij  (schlechter),  gorikü  (bitter).  — 
Goth.  (sads)  lit.  sotus.  —  (Goth.  naus)  altsl.  navt. 

S.  359:  (Goth.  bleij)s)  lit.  lötas  (blöde,  dumm).  —  (Ahd.  geil) 
lit.  gailus  (wüthend)  ?  —  (Ahd.  war)  altsl.  verinü  (treu)  ?  —  (Altn.  sadr) 
altsl.  s^sti  (weise)?  —  (Goth.  veis)  altsL  Dual  ve.  —  (Goth.  si)  lit.  szi. 

—  (Goth.  ains)  lit.  viena-s. 

S.  361 :  (Goth.  brukja)  lit.  brukoju  (brauche ;  entlehnt?)  —  (Ahd. 
sügu)  altsl.  süs%.  —  (Ahd.  sluccu)  altsl.  luzgaj^  (kaue)  ?  — *  (Alts,  wa- 
rom)  altsl.  varuj%  (caveo).  —  (Goth.  saihva)  lit.  seikiu  (messe,  ermesse). 

S.  362:  (Goth.  ana)  altsl.  vonjaj^  (oleo).  —  (Ahd.  stirbu)  lit.  tirpau 
(erstarre).  —  (Goth.  gita)  altpreuß.  sen-gydi  (er  empfange). 

S.  363 :  (Nhd.  kneife)  lit.  knebju  (kneife).  —  (Goth.  hulja)  lit.  kloju 
(bedecke).  —  (Goth.  bairga)  altsl.  breg%  (besorge,  bewahre).  —  (Goth. 
stiurja)  altsl.  stroj%  (bereite,  rüste  zu).  —  (Ahd.  hlinSm)  altsl.  slonj^  (lehne). 

—  (Goth.  vairpa)  lit.  werbju  (Heu  umwenden).  —  (Goth.  skiuba)  altsl. 
Inf.  zybati  (Praes.  zybljq.). 

S.  364:  (Ahd.  berju)  altsl.  borj%  (pugno).  —  (Altn.  drepa)  altsl. 
Infin.  trepati.  —  (Goth.  draga)  altsl.  drüz%  (halte).  —  (Ags.  vringe)  lit. 
ringoju  (kriLmme).  —  (Goth.  )>reiha)  altsl.  tr^  (Inf.  treti)?  —  (Ahd. 
fiihtu)  altsl.  plet%. 

S.  365:  (Goth.  lausja)  Ut.  losoju  (löse).  —  (Goth.  skaida)  lit.  skedu. 

—  (Goth.  mita)  lit.  matoju.  —  (Goth.  salta)  altsl.  o-solj%. 

S.  366:  (Altn.  kala)  lit.  szalu  (friere).  —  (Ags.  thäve)  altsl.  taj^. 

—  (Altn.  sküma)  lit.  spomoju. 

S.  367:  (Goth.  niuja)  lit.  naujinu. 

S*  368 :  (Goth.  qvi]>a)  lit.  zadu ;  vgl.  altsL  gataj^  (vermuthe).  -^ 

26* 


388  £•  FÖBSTEMANN 

—  (Goth.  namnja)  altsl.  namenja.  —  (Goth.  teiha)  altsl.  des%  (Inf.  desiti) 
finden,  nach  Miklosich  hieher.  —  (Ahd.  gerom)  altsL  zelej%  (cupio), 
nach  Miklosich  hieher. 

S.  370 :  (Alts,  dorn)  lat  do  (in  condo  usw.).  —  (Mhd.  vement)  lit. 
pemay?  —  (Ahd.  fruo)  altsl.  prüvo,  prüvoje  (primum),  prüveje  (prius). 

S.  371 :  (Goth.  sve)  altsl.  si-ko. 

S.  372:  (Goth.  mij))  altsl.  mitg  (abwechsehid).  —  (Goth.  -k)  altsl. 
go  und  ze.  —  (Goth.  i]))  altsl.  to,  te. 

Ich  könnte  noch  eine  Anzahl  anderer  Nachträge  zu  meinem  ersten 
Artikel  beibringen^  deren  einige  die  dort  etliche  Mal  schwankende  Or- 
thographie ins  Gleiche  brächten,  während  andere  statt  einiger  dort  er- 
wähnten jüngeren  Wortgestaltungen  schon  ältere  anfiihren  würden; 
alles  das  aber  ist  so  imerheblich  imd  für  das  Ergebniss  des  Ganzen 
von  so  gar  keinem  Belang,  daß  ich  darüber  hinweggehen  und  mich 
gleich  meiner  heutigen  Aufgabe  zuwenden  kann. 

n.  Die  slavogermanische  Schicht. 

Wohl  weiß  ich,  daß  es  ein  Wagestück  ist,  welches  ich  hier  unter- 
nehme. Daß  bei  der  Vergleichung  von  Germanischem  und  Lituslavi- 
schem  die  Scheidung  zwischen  Entlehntem  und  Verwandtem  eine  außer- 
ordentlich schwierige,  gegenwärtig  noch  oft  geradezu  unmögliche  ist, 
das  wird  von  Allen  anerkannt,  die  jemals  dem  Gegenstande  näher  ge- 
treten sind,  so  z.  B.  von  Schleicher  in  seiner  Formenlehre  der  kirchen- 
slavischen  Sprache  S.  142,  von  Lettner  in  Kuhns  Zeitschrift  XI,  172, 
von  Conrad  Hoftnann  in  unserer  Germania  8,  5.  Es  nützt  nichts, 
weitere  Stellen  dafür  zu  häufen,  dagegen  mag  auch  hier  auf  die  Art 
dieser  Schwierigkeiten  kurz  hingedeutet  werden: 

1.  Das  Herabsinken  der  alten  Aspiraten  zu  Medien  wird  vom 
Lituslavischen  mit  dem  Germanischen  (auch  dem  Keltischen  und  theil- 
weise  dem  Römischen)  getheilt,  so  daß  in  unzähligen  Fällen  ein  Haupt- 
kennzeichen der  Verwandtschaft,  der  Eintritt  der  Lautverschiebung, 
nicht  stattfindet 

2.  Andererseits  tritt  gerade  in  entlehnten  ursprünglich  germani- 
schen Wörtern  im  lituslavischen  Gebiete  eine  Art  Rück-Lautverschie- 
bung  ein,  die  dadurch  bedingt  wird,  daß  diese  Sprachen  die  drei  ger- 
manischen Spiranten  %,  th  und./  gar  nicht  kennen  und  daher  häufig 
an  ihrer  Stelle  eine  Tenuis  verwenden,  so  daß  ganz  junge  Entlehnun- 
gen den  Schein  urverwandter  Wörter  annehmen. 

3.  Auch  von  dem  unter  1  gedachten  Falle  abgesehen,  finden 
zwischen  beiden  Sprachgebieten  zahlreiche  Fälle  von  Mangel  der  Laut- 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  389 

verscliiebiing  (entweder  durch  Beharrung  im  Oermanischen  oder  durch 
Beschleunigung  im  Lituslavischen)  statt ,  bei  Gutturalen  mehr  als  bei 
Dentalen  und  Labialen;  derjenigen  Beispiele  ganz  zu  geschweigen,  in 
denen  die  Bildung  von  Lautgruppen  oder  die  Gesetze  des  Auslauts 
die  Lautverschiebung  hindern. 

4.  Das  Germanische  und  Lituslavische  haben  von  uralten  uns 
gar  nicht  mehr  zugänglichen  Sprachperioden  her  bis  auf  die  neueste 
Zeit  herab  einen  ungemein  regen  Verkehr  gehabt.  Die  Entlehnung 
von  beiden  Seiten  ist  eine  außerordentlich  umfangreiche  und  oft  ist  es 
sehr  schwierig  zu  entscheiden^  wer  der  Geber  und  wer  der  Empfänger  ist. 

5.  Die  verhältnissmäßig  späte  Zeit,  aus  welcher  uns  die  ältesten 
Denkmäler  des  Lituslavischen  erhalten  sind,  trägt  zur  Erhöhung  der 
Schwierigkeiten  nicht  wenig  bei. 

6.  Wenn  ein  Ausdruck  nur  in  lituslavischen  imd  germanischen 
Formen  vorliegt,  so  fehlt  uns  jede  Gestalt  desselben  aus  hohem  vor« 
christlichem  Alterthum  und  gerade  diese  Gestalten  bilden  häufig  den 
festen  Punct,  von  dem  aus  man  zwischen  Urverwandtschaft  und  Ent- 
lehnung entscheiden  kann. 

Welche  Mittel  stehen  uns  nun  aber  zu  Gebote,  um  diese  Schwie- 
rigkeiten zu  mildem  und  in  vielen  Fällen  gänzlich  zu  beseitigen? 

1.  Es  ist  trotz  des  oben  Bemerkten  doch  noch  in  vielen  Fällen 
der  regelrechte  Eintritt  der  Lautverschiebung  ein  sicherer  Leitstern, 
namentlich  wo  lituslavische  Media  der  deutschen  Tenuis  entspricht. 

2.  Wq  in  jedem  der  beiden  Sprachgebiete  das  betreffende  Wort 
nicht  vereinsamt  dasteht,  sondern  in  Ableitungen  und  Zusammensetzun- 
gen wuchert,  da  ist  es  sicherer,  eine  Verwandtschaft  als  eine  Entlehnung 
anzunehmen;  doch  ist  hier  gleich  einschränkend  zu  bemerken,  daß 
nicht  jedes  Wort,  welches  in  einer  alten  Sprache  verwaist  zu  sein 
scheint,  es  auch  wirklich  war;  denn  wir  kennen  ja  ven  keiner,  na- 
mentlich von  keiner  alten  Sprache  das  ganze  Lexicon,  sondern  nur 
ein  größeres  oder  geringeres  Fragment  desselben. 

3.  Wo  ein  Ausdruck  sich  über  ein  ganzes  Sprachgebiet  verbreitet, 
nicht  auf  eine  oder  einige  Mundarten  desselben  beschränkt,  ftlUt  ein 
Moment  fftr  Annahme  von  Urverwandtschaft  in  die  Wagschale.  Was 
allen  germanischen  und  allen  lituslavischen  Sprachen  gemein  ist,  wird 
in  der  Regel  (an  christliche  Fremdwörter  denke  ich  dabei  natürlich 
nicht)  verwandt  sein ;  was  dagegen  z.  B.  auf  der  einen  Seite  nur  als 
hochdeutsch  und  niederdeutsch,  nicht  als  gothisch  oder  nordisch,  auf 
der  andern  nur  als  litauisch,  preußisch  und  lettisch,  nicht  als  slavisch 
überliefert  ist,  bei  dem  wird  man  misstrauischer  an  die  Annahme  von 


390  E.  FÖBSTEMANN 

Urverwandtschaft  gehen.  Im  Folgenden  überlasse  ich  es  dem  Leser, 
der  Verbreitung  eines  Ausdrucks  auf  der  germanischen  Seite  selbst 
nachzuspüren,  gebe  aber  ftlr  die  lituslavische  Seite  gern  eine  Andeu- 
tung darüber,  ob  das  Wort  sowohl  dem  lettischen  als  dem  eigentlich 
slavischen  Aste  angehört. 

4.  Es  gibt  einen  gewissen  Tact  dafür,  ob  ein  Wort  dem  Begriffs- 
kreise  nach,  dem  es  angehört,  sich  gut  zur  Entlehnung  eignet  Man 
sollte  sich  stets,  wo  man  unsicher  ist,  die  Frage  stellen,  ob  es  wohl 
wahrscheinlich  ist,  daß  das  betreffende  Wort  in  Folge  des  Einwirkens 
einer  höheren  Cultur  (denn  diese  veranlasst  doch  in  der  Regel  die  Ent- 
lehnungen) einem  in  der  betreffenden  Beziehung  weniger  entwickelten 
Volke  zugebracht  worden  ist.  Dieser  Tact  kann  täuschen,  aber  um 
so  mehr  sollte  man  ihn  auszubilden  und  zu  verfeinem  streben. 

5.  Nicht  bloß  die  rein  lautliche,  sondern  auch  die  morphologische 
Gestalt  eines  Ausdrucks,  die  Art  seiner  Herleitung  aus  der  Wurzel, 
gibt  oft  ein  nicht  zu  unterschätzendes  Kriterium  flir  die  Entscheidung 
unserer  Frage  ab. 

Und  so  wagen  wir  es  denn,  ein  erstes  Angebot  zu  machen  über 
den  Schritt,  den  das  slavogermanische  Volk  in  lexicalischer  Hinsicht 
über  den  urindogermanischen  oder  wenigstens  westindogermanischen 
Sprachschatz  und  damit  über  die  ältesten  Culturstufen  hinaus  gemacht 
hat;  solches  Angebot  ist  inuner  nützlich,  wenn  auch  nur  dazu,  um 
überboten  zu  werden.  Daß  ich  bei  den  folgenden  Zusammenstellungen 
vieles  andern  Sprachforschem  verdanke,  vor  allem  den  Vergleichungen, 
die  Miklosich  in  der  zweiten  Ausgabe  seines  Lexicon7palaeos]ovenico- 
graeco-latinum  (1862 — 1865)  beibringt,  versteht  sich  von  ^selbst,  in- 
dessen wird  der  Kenner  auch  manche  neue  Gruppe  entdecken,  die  ich 
selbst  glaube  aufgespürt  zu  haben;  ich  wünsche,  daß  der  größte  Theil 
dieser  Gruppen  sich  bewähren  möge.  Die  Rechtfertigung  der  einzelnen 
Gruppen  muß  ich  aus  Rücksicht  auf  Raumerspamiss  und  Übersichtlich- 
keit auch  hier  unterlassen;  es  wird  daher  sehr  leicht  sein,  mich  im  Ein- 
zelnen anzugreifen,  weit  schwerer,  mich  zu  überzeugen. 

Auf  der  germanischen  Seite  hebe  ich  wie  im  ersten  Artikel  wo 
möglich  den  gothischen  Ausdruck  hervor;  wo  er  fehlt,  gebe  ich  dem 
Altnordischen  den  Vorzug.  Sollte  eine  Gruppe,  in  der  altnordisch  und 
altslavisch  vorkommen,  sich  nicht  als  urverwandt,  sondern  als  entlehnt 
erweisen,  so  ist  wenigstens  die  Entlehnung  eine  uralte  und  damit  höchst 
anziehende.  In  solchen  alten  Entlehnungen  stecken  unschätzbare  Stücke 
Culturgeschichte,  Schätze,  zu  deren  Hebung  der  Meister  freilich  noch 
erwartet  wird.    Aber  auch  schon  ohne  solchen  Meister  wird  uns  die 


DER  ÜRDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  391 

Vollendung  mehrerer  großer,  jetzt  im  Werke  befindlicher  lexicalischer 
Untersuchungen  schon  um  ein  gutes  Stück  weiter  bringen. 

Die  Anordnung  nach  Begrifi'sclassen  läuft  dem  ersten  Artikel 
ganz  parallel,  nur  sind  hie  und  da  ein  Paar  weniger  vertretene  benach- 
barte Classen  in  eine  zusammengezogen  worden. 

SÜBSTANTIVA.    Säugethiere: 

Goth.  hairda  (Herde) ,  altsL  creda  (dsgl.) ,  illyr.  csredo  usw. 
Scheint  litauisch  und  altpreußisch  zu  fehlen. 

Goth.  skatts  (Schatz),  altsl.  skotü  (Vieh).  Das  lii  skatikkas  (Gro- 
schen) erinnert  ganz  an  lat.  pecunia. 

Altn.  stod  (Pferdeherde,  jetzt  Stute),  lit.  stodas  (Herde),  altsl. 
stado  (Herde). 

Altn.  boli  (Bulle),  lit.  bullus;  dazu  etwa  altsl.  volü  (Ochs?). 

Goth.  svein  (Schwein),  altsl.  svinija;  beide  entsprächen  einem  lat. 
Adj.  suinus.  Altpreuß.  swintian  (gebildet  wie  mehrere  Thiernamen). 

Ahd.  hengist,  altsl.  koni  (vgl.  mit  dem  deutschen  Worte  besonders 
konistvo  Pferdeherde,  also  Bedeutungsübergang  wie  bei  Stute),  lit.kuinas. 

Von  wilden  Säugethieren  fehlt  jede  Spur. 

Übrige  Thiere: 

Altn.  älft  (ahd.  albiz  Schwan),  altsl.  lebedi  (serb.  labud,  poln. 
lab^dz  usw.).  Im  Lit.  heißt  der  Vogel  gulbe,  im  Altpreuß.  gulbis. 
Formen,  deren  Erwägung  zu  anziehenden  Ergebnissen  filhren  könnte. 

Ahd.  aro  (Thema  arin),  altsl.  orilü,  lit.  erelis,.  altpreuß.  arelie. 
Man  vergleiche  noch  das  armor.  er,  welsch  eryr,  durch  die  vielleicht 
das  Wort  aus  der  zweiten  Schicht  unseres  Sprachschatzes  in  die  erste 
versetzt  wird. 

Altn.  storkr  (Storch) ,  lit.  starkus ,  altsl.  strükü  ,  wohl  kaum 
entlehnt. 

(Das  deutsche  Rebhuhn  übergehe  ich  als  wahrscheinlich  aus 
dem  altsl.  r^bü  usw.  entlehnt). 

Altn.  lax,  lit.  laszi-s  Lachs;  leider  fehlt  mir  der  altsl.  Ausdruck. 

Altn.  Sil,  sild  (Hering),  altsl.  seldi,  altpreuß.  sylecke,  lit.  silke, 
letztere  beiden  wohl  Deminutivbildungen. 

Trotz  der  Ungeheuern  Anzahl  uns  bekannter  litauischer  Fisch- 
namen kann  ich  darunter  keine  weiter  entdecken,  die  auf  Urverwandt- 
schaft mit  dem  Deutschen  Anspruch  haben. 

Altn.  mölr  (Motte,  Schabe),  altsl.  molü,  moli  (Motte), 

Altn.  skel  (Muschel),  altsL  skolika  (Auster), 


392  £.  FÖBSTEMANN 

Der  Mensch: 

Goth.  bam  (Eind)^  lit*  bemas^  seheint  im  Altsl.  zu  fehlen.  Mit 
Fick  das  skr:  bhrüna  herbeizuziehen  wage  ich  noch  nicht. 

Goth.  hörs  (adulter),  lit.  kurwa  (meretrix),  altsl.  kurüva  (dsgl.). 

Altn.  kolta  (mulier  inhonesta)^  womit  ich  das  altsl.  giluda  (magae 
genus)  zusammenzustellen  wage. 

Ahd.  friudil,  lit.  pretelus,  altsl.  prijateli  (Freund).  Die  Sache  hat 
ihre  Bedenken,  da  das  slavische  Wort  ein  deutliches  nomen  agentis 
von  prijati  ist. 

Zu  den  alten  Wörtern,  welche  Verwandtschaftsgrade  bezeichnen, 
kommt  auf  dieser  Stufe  absolut  nichts  neues  hinzu. 

Unter  die  Standesbezeichnungen  ist  hier  nicht  aufzunehmen  das 
aus  dem  deutschen  König  offenbar  entlehnte  lit.  kuningas,  altpreuß. 
konagis,  altsl.  knegi^  kn^zi. 

Goth.  hairdeis,  lit.  kerdzus.(Hirt). 

Goth.  ])ius  (Knecht),  altsl.  tiunü  (oeconomus  etc.),  lit.  tijunas 
(Amtmann).  Liegt  hier  wirklich  Urverwandtschaft  vor,  so  ist  die  an- 
lockende Zusammenstellung  von  goth.  thivi  (Magd)  mit  altsl.  djeva 
(virgo)  aufzugeben. 

Goth.  vargs,  altsl.  vragü  (Feind);  vgl.  das  lit.  Adject.  vargas 
schlecht. 

Ahd.  (widar-)sacho  (adversarius) ,  altsl.  sokü  accusator,  lit*  sa- 
kas  actor. 

Höchst  wichtig  sind  mir,  wie  sich  weiter  unten  ergeben  wird, 
die  drei  folgenden  Gruppen: 

Ahd.  folc,  lit.  pulka,  altsl.  plükü.  Auch  bemerke  ich  (wie  man 
zerstreut  in  den  scriptores  rerum  Prussicarum  finden  kann),  daß  in 
samländischen  Urkunden  das  lat.  territorium  öfters  durch  das  wahr- 
scheinlich preußische  polca  tibersetzt  wird.  Wenn  nun  mit  den  ge- 
nannten Ausdrücken  von  Curtius  griech.  nX^d'Os  und  lat.  plebes,  da- 
gegen von  Grimm,  Kuhn  und  Fick  kretisches  aolx^S  ^^^^  l^t«  vulgus 
zusammengestellt  werden,  so  steht  doch,  wenn  eine  dieser  Ansichten 
auch  richtig  sein  sollte,  das  germanische  Wort  mit  den  lituslavischen 
Formen  in  einer  so  entschieden  engeren  Verbindung,  daß  die  Auf- 
nahme dieser  Gruppe  an  dieser  Stelle  gewiss  gerechtfertigt  ist 

Goth.  harjis,  altpreuß.  kragis  (Heer).  Das  altpreuß.  Wort  ver- 
danken wir,  wie  manches,  was  ich  hier  erst  in  die  Vergleichung  ein- 
ftlhre,  dem  von  Nesselmann  neuerdings  herausgegebenen  Elbinger 
Vocabular. 


DER  URDEÜTSCHE  SPRACHSCHATZ.  393 

Ahd.  trust  (agmen;  Tross?),  altsl.  druzistvo  (societas).  Goth. 
drauhts  exercitus  usw.  gehören  jedesfalls  zu  demselben  Stamme. 

Wie  ich  im  ersten  Artikel  hier  eine  Bemerkung  über  Personen- 
und  Völkemamen  einschob;  so  muss  ich  mich  auch  an  dieser  Stelle 
wenigstens  über  die  ersteren  äußern;  für  die  letzteren  liegt  mir  noch 
kein  StoflF  vor.  Während  wir  dort  nur  einige  wenige  AnkläT^ge  von 
germanischen  Personennamen  an  fremde  anführen  konnten,  so  wären 
wir  hier  im  Stande,  ganze  Reihen  von  slavischen  Namen  den  deutschen 
mit  Sicherheit  gegenüberzustellen.  Das  Material  dazu  würde  eine  aus-  * 
gezeichnete  Arbeit  von  Miklosich  hefem  (die  Bildung  der  slavischen 
Personennamen,  im  10.  Bande  der  Denkschriften  der  philos.  -  histor. 
Class^  der  Wiener  Akademie,  und  daraus  besonders  abgedruckt  Wien 
1860).  Aus  dieser  Schrift,  in  welcher  die  Wortstämme  der  slavischen 
Personennamen  ganz  dem  altdeutschen  'Namenbuche  parallel  gemustert 
werden,  geht  unwiderleglich  hervor,  daß  die  Germanen  und  Slaven 
sich  in  Bezug  auf  ihre  Namen  ganz  erheblich  näher  stehen  als  die 
Germanen  und  andere  Völker;  nur  der  Abstand  der  Germanen  von 
den  Kelten  dürfte  sich  etwa  (doch  dafUr  fehlen  uns  noch  die  Samm- 
lungen) damit  vergleichen,  gewiss  jedoch  nicht  damit  gleichstellen  lassen. 
Es  würde  eine  besondere  Abhandlung  reichlich  lohnen,  wenn  jemand 
das  slavische  und  germanische  Wesen  in  ihrem  Parallelismus  wie  in 
ihrer  Divergenz  auf  diesem  Felde  darstellen  wollte.  Nur  ist  in  Folge 
der  Ungeheuern  Macht,  welche  auf  dem  Gebiete  der  Personennamen 
die  Analogie  ausübt,  nie  zu  vergessen,  daß  ein  bestimmter  zusammen- 
gesetzter deutscher  Personenname ,  der  sich  im  Slavischen  genau  so 
wiederfindet,  deshalb  durchaus  noch  nicht  auch  der  slavogermanischen 
Periode  angehört  zu  haben  braucht.  Im  Wesentlichen  können  nur  die 
Wortstämme,  neben  ihnen  auch  die  Suffixe,  hier  Gegenstand  der 
Erwägung  sein. 

Thierischer  Körper  (ganz  geordnet  wie  im  ersten  Artikel). 

Altn.  koUr  (Kopf),  lit.  galwa,  altsl.  glawa. 

Altn.  hauss  (Schädel),  lit.  kiauszia  (cranium).  Das  Altsl.  und  sogar 
das  Altpreuß.  haben  hier  ganz  andere  Ausdrücke. 

Nhd.  Nüster,  altsl.  nozdri  (nares),  lit.  nasrai  (Maul,  Bachen).  Ich 
stelle  diese  Gruppe  nur  als  zweifelhaft  hin  und  gebe  auch  das  ags. 
naesj)3rrel  zur  Erwägung. 

Ahd.  floccho  (lanugo),  lit.  plaukas  (crinis);  sonst  finde  ich  das 
Wort  auf  lituslavischem  Gebiete  nicht. 

Altn.  hnakki  (Nacken),  altsl.  nakü  (occiput),  neusloven.  znaga. 

Ags.  hofer,  lit.  kupra  (Höcker). 


394  E.  FÖRSTEMANN 

Goth.  vamba  (venter),  litbamba  (Nabel);  altsl. freilich  p^pü  (dsgl.). 
Ahd.  rippi  (Rippe),  altsl.  u.  russ.  rebro. 

Altn.  mergr  (Mark),  altsl.  mozgü.  Dieser  Begriff  wird  im  Altpreuß. 
durch  mulgeno ,  im  Lit.  durch  smagenos  wiedergegeben ;  ich  mochte 
diese  Formen  nicht  verschweigen,  mag  aber  durch  ihre  Anführung 
nichts  gesagt  haben. 

Altn.  istra  (Schmeer,  Fett),  altpreuß.  instran  (dsgl.).  Lit.  inkstas 
(Niere)  damit  zu  verbinden  wage  ich  nicht;  altpreuß.  ist  uns  dies  Wort 
in  der  Schreibung  inxcze  überliefert. 

Altn.hräki  (Speichel),  altsl.  o-chrakii  von  der  Wurzel  chrük  (dsgl.); 
sonst  vermag  ich  das  Wort  nicht  aufzuspüren. 

Altn.  vax  (Wachs),  altsl.  voskü.  Grimm  Gramm.  III,  464  ist  ge- 
neigt, das  slavische  Wort  für  entlehnt  zu  halten;  seine  Lebendigkeit 
im  Altsl.  so  wie  das  lit.  waszkas  spricht  wohl  mehr  flir  Verwandtschaft, 

Ahd.  palo  (morbus),  poln.  bol,  illyr.  hol,  russ.  bolezni. 

Altn.  sigg  (Schorf,  dicke  Haut),  altsl.  suga  (Krätze).  Erinnert 
werden  muss  auch  an  lit.  szaszas  (Grind,  Ausschlag),  so  wie  an  lit. 
sausis  (Räude). 

Alt.  hrufi,  hr^fi  (Aussatz);  ich  erinnere  zunächst  an  lit.  karpa 
(Warze) ,  da  ich  nicht  weiß ,  was  flir  eine  Krankheit  mit  dem  altsl. 
choroba  gemeint  ist. 

Ahd.  warza  (Warze);  vgl.  altsl.  vredü  (Aussatz,  Schaden,  Wunde); 
darf  man  auch  russ.  borodavka  (Warze)  herbeiziehen? 

Altn.  eitr  (Gift,  Eiter),  altsl.  jadü  (Gift);  wohin  soll  man  das  lit. 
nudai  (Gift)  bringen? 

Altn.  mok  (Schlaf),  lit.  megas,  altpreuß.  'Acc.  maiggün. 
Pflanzen: 

Goth.  lauf 8,  lit.  lapas  (Laub);  vielleicht  auch  altsl.  lepeni  (Blatt) 
hieher? 

Altn.  tjalga  (ramus),  altsl.  talij  (ramus  virens),  talije  (rami);  vgl. 
ahd.  zwelga.  ^ 

Goth.  bagms  (Baum),  lit.  bömas,  bom^lis,  bömgirre;  sonst  ist  das 
Wort  nirgends  aufzuspüren,  wenn  man  nicht  mit  Fick  griech.  tpv^a 
und  skr.  bhüman  (Wesen)  herbeiziehen  will ;  ja  sogar  das  lit.  Wort 
ist  nicht  frei  von  dem  Verdachte  der  Entlehnung. 

Altn.  meidr  (arbor),  lit.  medis  arbor,  lignum. 

Ahd.  eih  (quercus),  lit.  auzolas,  altpreuß.  ausonis;  im  Altsl.  heißt 
aber  das  lautlich  nahe  liegende  osina  die  Schwarzpappel.  Das  lit.  Wort 
steht  in  seiner  Bildung  unserm  Eichel  nahe. 

Altn,  askr  (Esche),  lit.  usis,  altsl.  jasika.  Letzteres  scheint  darauf 


DER  URDEÜTSCHE  SPRACHSCHATZ.  395 

hinzudeuten,  daß  auch  das  deutsche  Wort  ein  Suffix  enthält,  während 
uns  das  Stammwort  im  Lit.  vorliegt. 

Altn.  elri  (Eller),  lit  elksnis,  altsl.  olicha  und  jelucha.  Alles  deutet 
daraufhin,  daß  im  Deutschen  ein  Guttural  ausgefallen  ist,  elri  also 
fllr  elhri  stehe.  Der  lat.  alnus  liegt  weiter  ab. 

Ahd.  sleha  (Schlehe),  altsl.  sliva  prunus,  lit.  slywa. 
Goth.  seths  (Saat),  altsl.  setva  satio  und  s^tnje  seges. 
Ahd.  roggo  (Roggen),  lit.  ruggei  (Plur.),  altsl.  rüzi;  ins  if  eltische 
ist  das  Wort  wohl  erst  aus  dem  Ags.  entlehnt;  Entlehnung  des  deut- 
schen aus  dem  Lituslavischen  anzunehmen,  ist  wohl  kein  ausreichender 
Grund  da. 

Goth.  hvaiteis  (Weizen),  lit.  kwetys.  Man  könnte  hier  leicht  an 
Entlehnung  denken ,  wenn  nicht  ein  altpreußisches  gaydis  im  Inlaute 
die  Media  enthielte. 

Ahd.  hirsi  (Hirse).  Damit  vergleicht  Grimm  das  altsl.  proso,  zu 
dem  wir  nun  auch  noch  altpreuß.  prassan  hinzufügen  können  ;  über- 
zeugend ist  die  Zusammenstellung  keineswegs,  zuAial  wenn  man  das 
goth.  baris  usw.  (s.  den  ersten  Artikel)  erwägt. 

Ags.  oföt   (Obst),    altsl.  ovosti.    Grimm  neigt  zur  Annahme  von 
Entlehnung  aus  dem  Deutschen  ins  Slavische. 
Altn.  laukr  (Lauch),  altsl.  lukü,  lit.  lukai. 

Minerale: 
Goth.  gulth,  altsl.  zlato  (aber  lit.  auksas,  altpreuß.  ausis). 
Goth.  silubr,  lit.  sidabras,  altsl.  srebro  usw. 
Goth.  svibls,  altsl.  zupelü  usw.,  aber  nichts  im  lettischen  Sprach- 
stamme. Lat  sulphur  mögen  wir  nicht  herbeiziehen. 

Ahd.  und  altn.  hamar  bezeichnen  gewiß  zuerst  den  Stein,  dann 
das  Steingeräth,  wie  sahs  (s.  den  ersten  Artikel)  zuerst  den  Stein,  dann 
die  Steinwaffe.  Mit  hamar  ist  sicher  altsl.  kameni  zusammenzustellen. 
Ist  mit  beiden  noch,  wie  gewöhnlich  behauptet  wird,  /skr.  a9män,  gr- 
ax(iG}v,  lit.  akmu  (gen.  akmens)  identisch,  so  muss  man  bei  dem  deut- 
schen und  altslavischen  Wort  eine  doch  höchst  auffallende  Metathesis 
annehmen. 

Altn.  ryd  (Rost),  lit.  rudis,  altsl.  rüzda. 

Altn.  sandr  (Sand)  erinnert  auffällig  an  altsl.  sedra  (fragmentum, 
gutta,  grumus).  Im  Lit.  werden  für  die  Begriffe  Sand  oder  Kies  die 
Formen  z^gzdras,  zwizdra,  iwirgzdas,  im  Altpreuß.  sixdo  angegeben, 
deren  reinste  Gestaltung  mir  noch  nicht  klar  werden  will. 

Bemerkenswerth  ist,  daß  bei  den  Mineralen  das  Slavische  dem 
Deutschen  näher  steht  als  das  Litauische,  während  sonst  das  umgekehrt^ 


396  E.  FÖRSTEMANN 

Verhältniss  stattzufinden  scheint.  Im  Hinblick  hierauf  scheint  es  mir 
auch  sehr  wichtig  zu  sein,  daß  einmal  altsl.  med!  (aes)  und  ahd.  smida 
met  allum),  so  wie  altsl  mßdari  (Schmid)  und  ahd.  smidari  oder  smeidar 
in  Bezug  auf  Entlehnung  oder  Verwandtschaft  untersucht  werden. 

Nahrung. 

Ahd.  fleisc  (Fleisch),  altsl.  plutiskü  (Adj.  von  pluti  Fleisch,  lit. 
paltis  Speckseite). 

Ahd.  bior  (goth.  wohl  *biuz),  lit.  pivas,  altsl.  und  russ.  pivo. 

Altn.  öl  (Bier,  engl,  ale),  lit.  alus  (Bier).  Das  Wort  mag  sich  erst 
später  im  Begriffe  fixiert  haben  als  das  vorige,  denn  altpreuß.  alu  heißt 
Meth,  und  was  fUr  ein  Getränk  altsl.  olü,  olovina  bezeichnet  hat,  wissen 
wir  nicht. 

Altn.  dregg  (fermentum),  altpreuß.  dragios  (dsgl). 

Ahd.  truosana  (faex),  altsl.  drozdij^  (dsgl.).  Vielleicht  hängen  die 
•beiden  letzten  Gruppen  nahe  mit  einander  zusammen. 

Altn.  syra  (s^ure  Molken),  lit.  und  altpreuß.  suris  (Käse),  altsl. 
syrü  (dsgl.). 

Kleidung: 

Altn.  thofi  (Wollenzeug,  Filz),  lit.  tuba  (Filz). 

Altn.  silki,  lit.  szilkai,  altsl.  und  russ.  selkü  (Seide) ;  auch  altpreuß. 
ist  ims  das  Wort  in  silkas-drunber  (Seidenschleier)  erhalten.  Erwägt 
man,  daß  im  AltsL  auch  svila  Seide  heißt,  so  scheint  in  dem  Stamme 
silk  eine  Weiterbildung  hievon  vorzuliegen,  wodurch  wir  vielleicht  der 
herkömmlichen  Ableitung  von  sericus  entgehen. 

Altn.  serkr,  altsl.  sraka,  lit.  szarkas  (Tuchrock). 

Altn.  kofri  (Mütze,  Kapuze),  lit.  kepurre  (Hut). 

Altn.  motr  (weibliche  Kopfbedeckung),  lit.  muturis  (Kopftuch). 

Altn.  boti  (Stiefel),  lit.  batas  (dsgl.),  wozu  ich  auch  noch  altpreuß. 
peadey  (ßocken)  nehme,  dessen  inlautende  Media  besser  stimmt. 

Neben  diesen  Gruppen^  bei  denen  mir  Verwandtschaft  wenigstens 
etwas  wahrscheinlicher  ist  als  Entlehnung,  geht  auf  dem  Gebiete  der 
Kleidung  und  des  Schmuckes  noch  manches  sicher  Entlehnte  her.  Das 
merkwürdige  deutsche  gudvefr,  gotavebbi,  godveb  ist  z.  B.  schon  im 
Altsl.  als  godovablif,  femer  aber  auch  im  Polnischen,  Böhmischen  usw. 
zu  finden  imd  Altsl.  bugü  (Armband)  ist  vollends  ein  alter  Bekannter. 
Die  neueren  Mundarten  auf  beiden  Seiten  wimmeln  vollends  von 
Lehngut. 

Wohnung: 
Goth.  hüs,  altsl.  chyza,  chyzii  (Haus),  lit;  kize  (Hütte). 


DEE  ÜRDEÜTSCHE  SPRACHSCHATZ.  397 

Ahd.  hutta  (Hütte);  altsl.  kotici^  kq.ticr;  k£),sta  (mansiuncula) ;  ein 
lit.  kutis  bedeutet  Stall. 

Altn.  bü,  lit.  buwis  (Wohnsitz). 

Altn.  büd  (Bude),  altpreuß.  buttan  (Haus),  lit.  buta  (Gebäude, 
Zimmer);  daneben  mit  inlautender  Media,  also  mehr  mit  dem  Scheine 
der  Entlehnung  lit  buda,  böhm.  bauda,  poln.  buda  usw. 

Goth.  hlija  (Hütte,  Zelt),  altsl.  cblövü  (stabulum,  casa),  chlevina 
(domus).  Im  Litauischen  könnte  klStis  (Nebengebäude)  eine  Weiter- 
bildung des  Wortes  sein;  klajus  heißt  eine  Hecke  von  Stauden  und 
liegt  deshalb  wohl  begrifflich  zu  fem. 

Altn.  klefi  (Speisekammer),  lit.  kalupa  (Hütte),  altsl.  koliba  (dsgl.), 
wo  man  wiederum  sieht,  daß  man  in  dem  lituslavischen  Gebiete  selbst 
öfters  Wechsel  von  Media  und  Tenuis  findet. 

Altn.  stolpi  (Säule),  altsl.  stlubü  (dsgl.),  stluba  (Treppe) ;  daneben 
auch  altsl.  stlüpü  und  lit.  stulpas;  wer  letztere  Formen  allein  kennt, 
wird  mehr  an  Entlehnimg  denken. 

Ags.  hr6f  (Dach),  altsl.  krovü  (Dach,  Zelt,  Haus);  hier  müsste 
man  im  Altsl.  unorganische  Erweichung  annehmen. 

Altn.  })il,  })ilia  (Diele),  altsl.  tlo,  tlja  (Fußboden). 

Altn.  torg  (Markt),  altsl.  trügü,  lit.  turgus.  Hier  möchte  ich  die 
Entlehnung  doch  nicht  mit  solcher  Bestimmtheit  aussprechen^  wie  es 
anderwärts  geschehen  ist. 

Ahd.  grab,  lit.  grabas  (Sarg),  altsl.  grebü  (Grab)  neben  grobü 
(Grube). 

Neben  diesen  Gruppen  stehen  wahrhaft  unzählige,  zu  dieser  Be- 
griffssphäre gehörige  Ausdrücke,  bei  denen  kaum  irgend  ein  Zweifel 
an  bloßer  Entlehnung  gehegt  werden  darf.  Nur  einige  führe  ich  kurz 
an:  altsl.  istuba  (Zelt),  lit.  stuba,  altpreuß.  stubo  (Stube),  lit.  staldks, 
altpreuß.  staldis  (Stall),  altsl.  stodolja  (Scheune,  Stadel),  lit.  alkörus, 
balkis,  trepas,  swelis  (Erker,  Balken,  Treppe,  Schwelle),  altpreuß.  spa- 
ris  (Sparren).  Ich  erinnere  auch  an  altsl.  selo,  selitva  (Wohnung),  letz- 
teres völlig  das  goth.  sali))va,  das  doch  sonst  im  Deutschen  überall 
sein  v  aufgegeben  hat. 

Feuer,  Licht,  Wärme: 

Altn.  myrkr,  altsl.  mrakü  (caligo),  fehlt  bis  jetzt  im  Lit.  und 
Altpreuß. 

Goth.  azgö  Asche  (Stamm  azgin),  womit  ich  altsl.  iskra  (Funke) 
zu  vergleichen  wage.  Einander  formell  genähert  werden  beide  Aus- 
drücke durch  das  deutsche  Aescher  (s.  Grimm  Wb.). 


398  K-  FÖRST£liANN 

iiit  rukis  (Rauch),  parbas  (Farbe;  in  letzterem  z.  B.  ein  Fall  der 
oben  angedeuteten  Rück-Lautverschiebung)  sind  der  Entlehnung  mehr 
als  verdächtig. 

Wasser: 
Altn.  vor,  vörr  (Meer,  Hafen,  Spur  im  Fahrwasser),   altsl.  virü 
(Strudel);  altpreuß.  wurs  bezeichnet  Teich. 

Altn.  sund  (fretum),  altsL  sudü  (dsgl.).   Entlehnung? 
Ahd.  wella  (Welle),  lit.  wilnis^  altsl.  vlüna;  vgl.  auch  altsl.  valii 
(WeUe). 

Ahd.  fiirt,  altsl.  brodü,  lit.  brasta,  letzteres  wohl  ungenaue  Schrei- 
bung einer  aus  *bradja  hervorgegangenen  assibilierten  Form. 
Erde,  Land: 
Goth.  land,    altsl.  l^dina   (terra  inculta);    altpreuß/  acc.  lindan, 
(Thal)  hieher?  Das  gadhel.  lann  (ager)  seheint  dieses  Wort  noch  un- 
serer ersten  Sprachschicht  zuzuweisen. 

Goth.  grundus,  lit.  gruntas.  Russ.  gruntü  scheint  nur  den  Grund 
eines  Gemäldes  zu  bezeichnen  und  ist  deshalb  wohl  entlehnt.  Aber 
auch  hier  tritt  ein  gadhel.  grunnd  (Amdus,  solum  usw.)  auf,  welches 
dem  Worte  wohl  schon  ein  höheres  Alter  verleiht. 

Ags.  folde  (terra),  altsl.  polje  (campus).  Man  hat  hiemit  mehrfach 
skr.  padam,  gr.  niSov,  umbr.  perum  vergUchen,  was  mir  doch  nicht 
sicher  genug  schien,  um  das  Wort  dem  ersten  Artikel  zuzuweisen. 

Goth.  *bairgs ;  hiemit  verbindet  Miklosich  das  altsl.  bregu  (Ufer, 
Abhang),  welches  z.  B.  im  illyr.  breg,  brig,  brjeg  schon  die  Bedeutung 
von  mons  hat. 

Altn.  haugr   (collis),    lit.  kaukura,    kauguris    (dsgl.),    schon  von 
Lettner  in  Kuhns  Zeitschr.  XI,  190  verglichen. 
Gott,  Himmel,  Zeit: 
Altn.  Freyr,  altsl.  Prove;  s.  Germania  8,  6. 
Altn.  Fiörgyn,  lit.  Perkunas,  schon  von  Grimm  verglichen;  vgl. 
altsl.  perünü  (Blitz),  altpreuß.  percunis  (Donner). 

Ahd.  lenzo,  altsl.  l^to  (Sommer,  Jahr).    Miklosich  ist  gegen  diese 
mehrfach  versuchte  Zusammenstellung.    Leider  geht  uns  hier  das  lit. 
und  altpreuß.  Wort  ab. 
Waffen: 
Ahd.  sträla,  altsl.  strela,  lit.  str^la. 

Goth.  hilms  (Thema  hilma),   lit.  szalmas,   altpreuß.  salmis,  altsl. 
slemü,  chlümü,  chilemü. 

Ahd.  brunja,  lett.  brunnas,  altpreuß.  brunjos,  altsl.  brünja,   Miklo- 
sich hält  das  Wort  fUr  entlehnt  aus  dem  Deutsehen. 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  399 

Goth.  sarva  (Rüstung),  lit.  szarwa  (Harnisch),  altpreuß.  sarwis: 
mindestens  ganz  fern  stehen  zend.  haurva  (schützen),  lat.  servo  (Schütz- 
ling), gr.  d'ij'CavQOy  0avQcitrig]  s.  Fick  S.  174. 

Solche  Wörter  wie  altsl.  sablja  (Säbel),  l^sta  (Lanze),  pans^rü 
(Panzer),  spata  (Schwert),  lit.  knie  (Keule)  gehen  uns  schwerlich  hier 
etwas  an. 

Werkzeuge;  a)  zum  Verbinden: 

Altn.  lina  (Leine),  lit.  lyna;  entlehnt? 

Altn.  hUnki  (Riemen,  Seil),  lit.  anka  (Schlinge),  altsl.  ^ze,  £).za 
(Strick). 

Altn.  viiT  (Draht),  lit.  wirwas  (Seil),  altpr.  wirbe  (dsgl.),  altsl. 
vrübi  (dsgl.). 

Altn.  yadr  (Angelschnur),  lit.  udas  (Aalschnur),  altsl.  ^da  (Angel). 

Altn.  kadall  (Tau,  Kabel),  lit.  kardelus  (starkes  Tau). 

Ahd.  brittil  (Zaum),  altsl.  briizda  (d.  h.  brudja) ;  im  Lit.  begegnet 
mir  ftLr  Zaum  das  wohl  tmgenaue  brizgelas. 

Altn.  reim  (Riemen),  altsl.  remeni. 

Ahd.  seid  (laqueus),  saito  (fidis),  altsl.  seti  (laqueus),  lit.  sätas 
(restis). 

Lit.  strangas  (Strang)  lasse  ich  bei  Seite. 

b)  zum  Theilen,.  Schneiden,  Stechen: 

Goth.  qvaimus  (Mühle),  lit.  gima,  altsl.  zrüny  (Thema  zrünüv). 

Altn.  stafir,  altsl.  stapü  (Stab). 

Altn.  bredda  (großes  Messer) ,  lit.  britwa  (Rasirmesser) ,  altsl. 
britva  (dsgl.). 

Ahd.  barta  (Beil),  altsl.  brady  (dsgl.),  lit.  bartiszus  (Hellebarde). 

Wörter  wie  lit  sztanga  (Stange),  kneipis  (Kneif)  sind  wohl  erst 
junge  Entlehnungen;  ob  altsl.  pila  (Säge)  zu  unserm  Feile  gehört? 

c)  Ge&sse: 

Altn.  lärr  (Korb),  altsl.  larT  (cista). 

Goth.  stikls  (Trinkbecher),  lit.  stiklas,  altsl.  stiklo,  altpreuß.  stiklo 
(Glas).  Da  zu  Untersuchungen  hier  kein  Platz  ist,  möge  nur  verzeichnet 
werden,  daß  man  bisher  hier  stets  Entlehnung  angenommen  hat,  Die- 
fenbach  und  Jülg  aus  dem  Slavischen  ins  Deutsche,  Grimm  und  Ebel 
umgekehrt.  Da  mag  ja  auch  die  Ansicht  von  der  Verwandtschaft  nicht 
ganz  zu  verwerfen  sein. 

d)  Wagen,  Pflug,  Schiff: 

Altn.  hvel  (Rad),  altsl.  kolo  (Stamm  koles),  altpreuß.  kelan.  Ge- 
wöhnlich wird  dazu,  was  jedoch  nicht  ganz  sicher  ist,  gr.  xvxXog  und 
skr.  k'akra  gestellt. 


400  E.  PÖRSTEMANN 

Ältn.  plögr  (Pflug)  y  lit  plugas  y  altpreuß.  plugis  y  altsl.  plugü. 
Grimms  ursprüngliche  Ansicht  war ,  die  Slaven  hätten  das  Wort  von 
den  Deutschen^  die  Deutschen  aus  unbestimmter  Quelle,  später  nahm 
er  und  neben  ihm  Andere  (Miklosich,  Ebel)  slavischen  Ursprung  an, 
während  wiederum  Andere  (Diefenbach,  Kuhn)  nicht  fllr  Entlehnung 
sind.  Das  vorliegende  Material  ist  allerdings  noch  nicht  genügend  zur 
Entscheidung  dieser  höchst  wichtigen  Frage. 

Ahd.  farm  (celox,  navis),  lit.  paramas,  altsl.  pramü  (beides  Fähre 
bedeutend) ;  gr.  jssgafia  ist  wohl  eine  selbständige  Bildung. 

Altn.  segl,  lit  zeglas;  entlehnt?  im  Altsl.  ist  das  Wort  nicht  vor- 
handen. 

e)  übrige  Geräthe: 

Altn.  stalli,  stallr  (Kissen,  Bett,  vgl.  nhd.  Bettstelle),  altsl.  stell 
(Bett);  fehlt  lit.  und  altpr. 

Ahd.  stuol  (Stuhl),  lit.  stalas,  altsl.  stolü ;  dagegen  wird  dem  altpr. 
Acc.  stallan  die  Bedeutung  von  Tisch  beigelegt. 

Goth.  hnutho,  russ.  und  poln.  knut  (scutica).  Die  schwierige  Frage 
wegen  Entlehnung  oder  Verwandtschaft  bespricht  am  Vollständigsten 
Diefenbach  im  goth.  Wb.  Bemerkenswerth  ist  hier,  daß  das  Altsl.  und 
Lit.,  deren  Sprachschatz  doch  ein  ganzes  Arsenal  von  Prügelinstru- 
menten aufweist,  dieses  Wort  nicht  kennen. 

Altn.möndull  (Drehholz),  altpreuß.  mandiwelis^  lit.  menturis  (Quirl). 
Femer  liegende  Anklänge,  sogar  aus  dem  Sanskrit,  lasse  ich  hier 
bei  Seite. 

Goth.  svamms  (Schwamm),  lett.  swammis,  lit.  szamas;  vgl.  Diefen- 
bach goth.  Wb.  II,  355. 

Was  auf  dem  Gebiete  des  Besitzes,  Gewinnes  und  Verlu- 
stes zwischen  Slavischem  und  Germanischem  seit  uralter  Zeit  aus- 
getauscht ist  (nicht  bloß  im  Bereiche  der  Substantiva) ,  das  verdient 
eine  besondere,  fiir  Handelsgeschichte  höchst  wichtige  Untersuchung. 
Das  goth.  kintus  (Heller)  uud  das  altsl.  ceta  (Münze)  sind  schon  oft 
verglichen  worden ;  dem  deutschen  Schilling  entspricht  altsl.  selegü  und 
skl^zif  und  dem  deutschen  Pfennig  genau  so  die  Doppelform  pSn^gü 
und  penezi.  Mehr  Anspruch  auf  Urverwandtschaft  haben : 

Ahd.  scherf  (vgl.  nhd.  Scherflein),  altsl.  skarbü  (thesaurus),  lit 
skarbas  (dsgl.). 

Altn.  leiga  (Wucher,  Zinsen),  altsl.  lichva  (Wucher). 

Ahd.  nuz,  lit.  naudas,  nauswa  (Nutzen,  Besitz). 

Für  Form  und  Ort,  Ruhe  und  Bewegung,  dann  flir  ver- 
mischte Gegenstände  bringe  ich  bei: 


DER  URDEÜTSCHE  SPRACHSCHATZ.  401 

Altn.  hringr,  altsl.  kr£|;gü;  daher  lit.  kring^lis  (Bretzel^  deutsch 
dialectisch  Kringel). 

Ahd.  chliwa,  chluiwa  (glomus),  altsl. •  kl^i-bo  (dsgl.);  ob  auch  lat. 
globus  oder  auch  glomus  herbeizuziehen  sind? 

Ahd.  sceit  (discissio;  gasceit  divisio),  altsl,  c^sti  (pars);  lit.  skeda 
heißt  Spahn  oder  Splitter.      '  » 

Dagegen  wollen  wir  lit.  randas  (Rand),  ruimas  (Raum),  altsl.  stopa 
(Fußtapfe)  den  Lehnwörtern  überlassen. 

Goth.  rasta  Rast  (finn.  wirsta),  russ.  werst. 

G-oth.  laiks  (Tanz),  altsl.  l^kü,  Ijakü. 

Ahd.  fadam  (Faden),  altsl.  p^di  (palmus,  spithama);  altpreuß. 
pauto  (Fessel)  lässt  freilich  mehr  an  das  deutsche  Band  denken. 

Goth.  vaihts,  altsl.  vesti  (Sache,  Natur). 
That  und  Kraft: 

Goth.  mahts  (Thema  mahti),  altsl.  mosti,  lit.  mace;  das  stimmt 
gut  zum  zend.  majti  (Größe),  welches  aber  vielleicht  selbständig  ge- 
bildet ist. 

Altn.  kraptr  (Kraft),  altsl.  kreposti. 

Altn.  thraut  (Arbeit)^  altsl.  trudü  (dsgl.) ;  dazu  vielleicht  lit.  trusas 
(Bemühung). 

Altn.  örendi,  eyrindi  (Geschäft,  Botschaft),  altsl.  or£|.dije  (Geschäft, 
Werkzeug). 

Aber  goth.  arbaijjs   (Arbeit)    ist  aus  den  lituslavischen  Sprachen 
(lit.  rabata,  altsl.  rabota)  zu  uns  herübergekommen,   und  zwar  ehe  in 
letzteren  die  Metathesis  des  Anlauts  stattgefunden  hat. 
Sprache: 

Altn.  skalp  (Rede),  lit.  kalba  (dsgl.).  Altn.  thula  (Rede,  Gedicht), 
altsl.  mit  weiterer  Ableitung  tlükü  (Erklärung,  Übersetzung),  wozu  das 
lit  tulkas  (Dolmetscher)  gehört,  das  ins  altn.  tulkr  hinübergenommen  ist. 

Verhältnissmäßig  zahlreich  sind  unsere  Gruppen  auf  dem  Gebiete 
des  Geistes: 

'    Ahd.  liubi,  altsl    Ijuby  Liebe  (lit.  lubiju  lieben). 

Goth.  triggva  (Bündniss),  altpreuß.  druwis  (fides);  weitere  Ver- 
wandtschaft bei  Diefenbach  11,  678  f. 

Altn.  lof  (Lob) ;  das  lit.  laupse  (Ehre,  Ruhm)  scheint  darauf  hin- 
zudeuten, daß  auch  unser  Lob  den  verdunkelten  Neutralstämmen  auf 
-as  angehört,  von  denen  einmal  besonders  gehandelt  werden  müsste, 
seitdem  sie  nun  sogar  im  Keltischen  entdeckt  sind. 

Goth.  lists  (List),  altsl.  listJ,  das  Lottner  in  Kuhns  Zeitschr.  XI,  173 
wohl  ohne  hinreichenden  Grund  aus  dem  Deutschen  entlehnt  glaubt. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  III.  (XV.)  Jahr^.  27 


402  F..  FÖRSTEMANN 

Goth.  skanda  (Schande),  altsL  skada  (defectus),  sk^dota  (inopia); 
lit.  iszkada  (Verlust)  erinnert  zugleich  an  unser  Schaden. 

Goth.  nau})s  (Thema  naudi),  altsl.  nuzda  (Noth,  altpreuß.  Acc. 
nautin  dsgl.).  In  Kuhns  Zeitschr.  XIV,  101  hat  Pauli  das  Wort  geist- 
reich auf  ein  älteres  nahujji  zurückgeflihrt,  das  einem  griech.  vdxv6ig 
indogerm.  *nakutis  entsprechen  würde. 

Altn.  harmr  (Harm),  altsl.  sramü  (Scham),  lit.  sarmata  (Ungemach), 
Verdruß). 

Ahd.  mohi  (Mühe)^  lit.  muka  (Qual,  Angst). 

Ahd.  leid  (Leid),  altsl.  Ijuto  (Stamm  Ijutes  Anstrengung,  Leid). 

Ahd.  wära  (Bündniss),  altsl.  vera  (Treue),  lit.  vöra  (Wahrheit). 

Altn.  thing  (Ding),  altsl.  t^za  (Judicium,  lis,  pugna),  verwandt  mit 
t^gü   (Arbeit).     Damit  stimmt   ganz   gut,    daß  Grimm   unserm  Ding 
(s.  Wb.)   die  ursprüngliche  Bedeutung  von  res  gravis,    litigium  zuge- 
wiesen hat,  indem  er  vom  ags.  ]>ingan  ausgieng. 
ADJECTIVA.    Raum,  Menge. 

Altn.storr  (magnus),  lit.storas  (dick,  stark,  schwer),  altsl.  8tarü(alt). 

Ahd.  stumph,  lit.  stambus  (grob,  dick),  altsl,  t^pü  (stumpf). 
.Mhd.  slanc,  altsl.  s^kü  (inflexus);  entlehnt? 

Goth.  diups  (tief),  Ht.  dubus  (hohl,  tief),  altsl.  dupinü,  dupll  (hohl). 

Goth.  manags  (mancher),  altsl.  mnogü ;  scheint  im  lettischen  Sprach- 
stamme zu  fehlen. 

Licht,  Farbe,  Wärme: 

Goth.  skeirs,  lit.  skaidrus  (hell,  klar);  Miklosich  vergleicht  wohl 
mit  Unrecht  altsl.  stirü  integer. 

Ahd.  gruoni  (grün),  schon  von  Schleicher  mit  altsl.  zelenü  ver- 
glichen; ich  stelle  dazu  noch  lit  zalas,  altpreuß.  saligan;  weit  femer 
steht  skr.  hari.  Doch  ist  mir  die  ganze  Gruppe  nicht  ohne  Bedenken. 

Aus  den  Gebieten  von  Zeit  und  Alter,  Gefühl,  Geschmack, 
Geruch,  Stoff  und  Form  theils  nichts,  theils  nur  vei;einzelte8. 

Ahd.  slaph  slaf,  nhd.  schlaff,  altsl.  slabü  debilis;  dazu  wohl  lit. 
slubnas  (schwach,  matt). 

Altn.  sür  (sauer);  altsl.  surovti,  syrovü  bezeichnet  crudus,  viridis 
usw.;    es  scheint  also   der  Begriff  des  Sauem   zunächst  von  unreifen 
Früchten  hergenommen  zu  sein;  lit.  surus  heißt  dagegen  salzig. 
Stoff  und  Form: 

Goth.  hrains,  altsl.  srenü  (weiß);  dazu  lit.  czumus  (rein?) 

Altn.  miukr  (weich,  sanft,  öfters  an  den  Begriff  des  Fließenden 
streifend);  altsl.  mokrü  feucht  (zu  moc%  anfeuchten).  Wohl  nicht  zu 
vergleichen  ist  altsl.  m^kükü  und  lit.  minksztas  (weich,  mürbe). 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  403 

Mhd.  glat  (glatt),  altsl.  gladükti,  lit.  glodas,  glotus. 
Goth.  galeiks  (gleich),  lit.  lygus,  altpreiiß.  po-ligu. 

Bewegung,  Kraft,  Leben: 

Ahd.  sciori  (schnell),  altsl.  skorti  (dsgl.). 

Ahd.  taphar,  altsl.  dobrü  (gut,  aber  auch  tapfer). 

Ahd.  muntar  (munter),  lit  mandrus. 

Altn.  feigr,  nhd.  feig,  lit.  paikas  (schlecht) ;  sollte  auch  an  lat.  piger 
zu  denken  sein? 

Altn.  hrumr  (infirmus,  debilis;   föthrumr  pedibus  infirmus);   altsl. 
chromü  (claudus);  lit.  klumbas  (lahm)  ist  wohl  nicht  zu  vergleichen. 
Geist: 

Goth.  Hubs  (lieb),  altsl.  liubti,  lett.  Ijub. 

Goth.  milds  (mild),  altsl.  mladü  (zart,  weich).  Dagegen  scheinen 
weniger  zu  passen  altsl.  milü  (miserabilis),  lit.  melas  (carus),  altpreuß. 
mils  (dsgl.).    Ist  an  lat.  moUis  zu  denken? 

Goth.  tharbs  (necessarius),  altsl.  trebü  (dsgl.). 
Übrige  Adjectiva: 

Goth.  laus,  lit.  losas  (los). 

Ahd.  läri  (leer),  lit.  laiswas  (frei,  unabhängig). 

Ahd.  bar  (nudus),  lit.  basas  (barfuß),  altsl.  bosü  (dsgl.). 

PRONOMINA. 

Hier  ist  vor  allem  zu  erwähnen  die  in  der  ersten  Person  des 
persönlichen  und  Possessivpronomens  eintretende  Erweiterung  um  das 
Suffix  -ina,  also  goth.  meina,  meins  und  ebenso  in  allen  andern  deut- 
schen Sprachen,  während  durch  die  lituslavischen  eine  bemerkens- 
werthe  Scheidung  geht:  lit.  mano,  manas,  russ.  menja,  poln.  mnie, 
böhm.  mne  nach  deutscher  Weise,  dagegen  altsl.  moj,  altpreuß.  mais 
nach  lateinischer  usw.  Das  Deutsche  allein  führt  diese  Abtheilung  auch 
fiir  die  zweite  und  dritte  Person  durch ,  während  im  Lituslavischen 
nichts  dazu  stimmt  (lit.  tavo  tavas,  savo  savas  usw.). 

Im  Übrigen  habe  ich  unter  den  Fürwörtern  nur  noch  auf  die 
Übereinstimmung  des  goth.  hvarjis  mit  lit.  kurja  (welcher,  wer)  hin- 
zuweisen. 

ZAHLWÖRTER. 

Goth.  ainlif  (Stamm  ainlibi),  lit.  vienulika;  ebenso  *ainliftas  =•- 
vienuliktas. 

Goth.  tvalif  (Stamm  tvalibi),  lit.  dvylika ;  ebenso  *tvaliftas  =  dvy- 
liktas. 

Nur  das  Lit.,  nicht  das  Altsl.  stimmt  hier  zum  Deutschen,  ja  er- 

.      ^  27*      . 


404  E.  FÖRSTEMANN 

steres  setzt  diese  Art  der  Zählung  auch  fllr  die  Zahlen  von  13  bis  19 
fort,  trylika  usw. 

Goth.  tShund  (-zig  flir  die  höheren  Decaden)  hat  nur  im  pohii- 
schen  dziesi^it  und  böhmischen  desat  etwas  Entsprechendes  unter  allen 
lituslavischen  Sprachen. 

Goth.  ])usundi,  altsl.  tysi^sta,  lit.  tukstantis,  altpreuß.  tusimton 
(auch  finn.  tuhansi).  Über  die  Frage  wegen  Entlehnung  vgl.  Scherer 
zur  Gesch.  d.  deutschen  ^pr.  S.  456.  Ich  bin  nicht  für  Entlehnung. 

VERBA.    Verschiedene  Körperfunctionen   (essen,  trin- 
ken, Stimme,  Sinne  usw.). 

Ahd.  chiuwu  (kaue),  altsl.  zivajj^,  zv^  (dsgl.);  vielleicht  dazu  lit. 
zebju  (langsam,  mit  Widerwillen  essen). 

Altn.  svelgja  (verschlingen,  nhd,  schwelgen),  lit.  walgau  (essen). 
Aber  altsl.  postiti    (fasten)    ist,    wie  auch  Grimm  und  Miklosich 
annehmen,  aus  dem  Deutschen  entlehnt. 

■Goth.  svogja  (seufzen),  lit.  sugiu  (heulen,  winseln). 
Ahd.  kräju  (krähen),  altsl.  graj^  '^dsgl.),  lit.  groju  (krächzen). 
Altn.  anga  (duften),  altsl.  J|,chati  (Praes.  ^chaj^). 
Goth.  gaumja  (wahrnehmen),  vgl.  altsl.  umöj^  (wissen,  merken), 
abgeleitet  von  umu  (Sinn,  Verstand). 

Ahd.  huostju  (huste),  lit.  kosu,  kostu,  russ.  Inf.  kasljati. 

Nehmen,  geben,  fassen,  halten: 
Goth.  leiliva  (leihe),  lit.  lykau  (dsgl.);  vgl.  altsl.  lichvujq,  (privare, 
fenerari)  von  licliü  redundans. 

Goth.  giba  (gebe),  Ht.  gabenu,  in  andern  lituslavischen  Sprachen 
kaum  etwas  genau  Entsprechendes. 

Zu  dem  Begrifife  von  heben,  tragen,  stellen,  stützen  weiß 
ich  nur  goth.  hlatha  (lade,  onero)  und  altsl.  klad^  anzuführen,  fiir  den 
Sinn  von  decken  oder  schützen  nichts. 
Werfen,  schlagen: 
Altn.  skiota    (schiessje) ,    lit.  szaudau    (dsgl. ,    neben   szauju   und 
szaunu). 

Ahd.  bozju  (stosse,  schlage),  lit.  badau  (stosse,  steche),  altsl.  boda, 
badaja  (steche);  vgl.  lit.  baudu,  baudziu  (züchtige). 

Ahd.  liauan  (hauen),  altsl.  kovati  (hämmern),  lett.  kau;  man  darf 
vielleicht  an  lat.  cudo  denken. 

Goth.  gadraba  (aushauen),  altsl.  drobiti  (Praes,  droblj^  conterere, 
scindere).  Zu  dem  naheliegenden  altn.  drepa  (treffe)  usw.  stimmt  (viel- 
leicht entlehnt)  lit.  tropiju,  welches  wie  das  nhd.  Wort^die  Bedeutungen 
des  Schiagens  und  Antreffens  vereinigt. 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  405 

Zur  Sphäre  des  D ahnen s  und  Ziehens  gehört  altn.  spenja 
(spanne);  altsl.  pinati. 

Drehen,  biegen. 

Mhd.  lenke,  lit.  lenkiu,  altsl.  l^k^j;. 

Goih.  vinda  (winde),  altsl.  v§zq.  (Inf.  v^zati)  heißt  binden  und  mag 
verwandt  sein,  aber  lit.  windoju  (winde)  ist  wohl  aus  dem  Deutschen 
entlehnt. 

Verbinden,  trennen: 

Goth.  managja,  altsl.  mnoz£|,  (multiplico). 

Goth.  faltha  (falte),  lit.  plotiju. 

Altn.  smuga  (schmiegen),  altsl.  smyc^  (Inf.  smjkati  s^  serpere); 
hieher  vielleicht  lit.  smaugiu  (würge). 

Goth.  blanda  (mische),  altsl. . bl^dq.  (irre,  schwatze,  hure),  Ver- 
gleichung  von  Miklosich. 

Goth.  dailja  (theile),  altsl.  delj^,  lit.  dalyju. 

Altn.  slita  (schleissen),  lit.  sklaidau  (zerstreuen,  ausbreiten)^  viel- 
leicht altsl.  zlad^  (löse). 

Ahd.  scrotu  (schneide),  lit.  skrodziu;  altsl.  crtita  sieht  wie  ent- 
lehnt aus. 

Ackerbau,  Technologie: 

Goth.  thriska  (dresche),  lit.  treszkiu  (presse,  drücke);  vgl.  altsl. 
tr-g|;ßa  (Inf.  trJfcsiti  quatio,  spargo) ;  fern  verwandt  sind  lat.  tero,  gr.  tsigoD, 

Ahd.  9U0ZJU  (süsse),  altsl.  slazd^  (Inf.  sladiti),  lit.  saldinu. 

Goth.  hailja  (heile),  altsl.  cölj%  (Inf.  c^liti),  lit.  czelinu. 
Licht,  Wärme,  Schall,  Luft,  Wasser: 

Altn.  kveikja,  kveykja,  kveykva  (anzünden),  altsl.  zegq,  (Inf. 
zesti  dsgl.). 

Ahd.  rot^  (erröthe),  altsl.  rüzdet  (Inf.  rüdeti),  aber  lit.  mit  jüngerer 
Bildung  raudonoju  von  raudonas. 

Vergrösserung,  Verkleinerung: 

Goth.  theiha  (gedeihe),  altsl.  tyjjt  (pinguesco);  vgl.  auch  lit.  tinnu 
(schwelle). 

Bewegung,  Ruhe: 

Goth.  laika  (springen),  lett.  ISku  (dsgl.),  altsl.  likujq,  (tanzen); 
vgl.  oben  das  'dazu  gehörige  Substant.  Dagegen  das  nur  goth.  plinsjan 
(tanzen)  sehe  ich  als  slavisches  Lehnwort  an. 

Ahd.  swifh  (schweife),  altsl.  svepiti  s§  (Praes.  sveplj^j,  SQ  agitari). 

Ahd.  jagön  (jagen),  altsl.  jachajq.  (vehor);    dazu  lit.  joju  (reite)? 

Altn.  beita  (vertreiben),  altsl.  b^diti  (Praes,  b^zda  dsgl.),  lit.  bai- 
dau  (scheuchen,  jagen). 


406      .  E.  FÖRSTEMANN 

Für  die  Begriffe  von  Beginn  und  Ende^  Erhöhung  und  Er- 
niedrigung, Besitz,  Gewinn  und  Verlust  weiß  ich  hier  nichts 
anzuführen.  Was  die  letztgenannten  angeht,  so  habe  ich  schon  bei  den 
Substantiven  darauf  hingedeutet,  daß  gerade  im  Handel  der.  Haupt- 
grund des  lebhaften  Wörteraustausches  zwischen  Slaven  und  Germanen 
liegt;  das  häufigste  hieher  gehörige  Verbum,  goth.  kaupon  kaufen, 
stimmt  in  der  That  genau  zu  altsl.  kupiti;  ob  beide  nur  dem  lat.  cau- 
ponari  nachgebildet  sind,  lasse  ich  noch  unentschieden. 

Für  lachen  und   weinen  nichts-  entschieden  Verwandtes;    lit. 
wainoju  (trauern)  scheint  mir  entlehnt. 
Sprache: 

Goth.  vopja  (rufe),  altsl.  vupij^,  ^py%;  vgl-  auch  lit.  wapu  (reden, 
plappern),  weblu  (plappern,  nachspotten).  Nach  Miklosich  ist  das  sla- 
vische  Wort  aus  dem  Deutschen  entlehnt,  wogegen  Benfey  in  der 
Kieler  Monatschrift  1854,  19  auch  lat.  voveo  und  gr.  rjnva  vergleicht. 
Der  Stamm  ist  im  Altslavischen  sehr  lebendig. 

Goth.  siggva  (singe),  altsl.  zv^g^  (dsgl.),  lit.  zwengiu  (wiehere) 
und  zwigu  (quike,  schreie). 

Altn.  Inf.  klaka  (klagen),  altsl.  glas^,  glasaj^  (Inf.  glasiti,  glasati 
vocem  emittere). 

Altn.  räda  (rathen),  lit.  rodau  (zeige). 

Goth.  liuga  (lüge),  altsl.  lüz^  (Inf.  lügati  dsgl.),  lett.  leedzu,  leegt 
(verneine,  verweigere). 

Goth.  sandja  (sende),  lit.  siunczu ;  scheint  in  den  slavischen  Spra- 
chen zu  fehlen. 

Wie  bei  den  Substantiven,  so  sehen  wir  endlich  auch  bei  den 
Verben  die  Sphäre  der  eigentlich  geistigen  Begriffe^  in  der  slävo- 
germanischen  Schicht  besonders  stark  vertreten. 

Altn.  Unna  (favere),  altsl.  unja  (Inf.  uniti  volo,  desidero,  malo). 

Alts.  (bi-)hag6n  (behagen),    altsl.  kochaj^  (lieben). 

Altn.  meina  (meinen),  lit.  minu  (denken),  altsl.  minj£jj  (dsgl.). 

Ahd.  rohju  (curo),  lit.  rokoju  (rechnen,  meinen,  sagen),  altsl.  ra(5% 
(wollen). 

Goth.  thugkjan  (dünken),  altsl.  tuca  (glauben),  vielleicht  auch  tü- 
cTnja  (urtheilen ,  vergleichen) ,  obwohl  letzteres  deutlich  von.  tucinü 
(ähnlich)  hergeleitet  ist, 

Goth.  (us-)gaisjan  (erschrecken)^  altsl.  zaslj£|;  s§  (sich  erschrecken). 

Goth.  (us-)geisnan  (sich  entsetzen) ,  altsl.  zasn^  (stupefieri) ;  ent- 
fernter steht  ahd.  jesan,  gr.  §«o  usw. 

Goth.  mag,  nhd.  mag  (possum),  altsl.  mog^,  lit.  moku. 


:rd 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  "  407 

öoth.  daug  (tauge) ,  böhm.  duziti  (gedeihen) ;  vgl.  Ht.  dygstii 
(keimen)  ? 

Goth.  thaurba  (egeo),  altsl.  tr^buj^  (indigeo),  schon  von  Grimm 
verglichen;    an  lit.  triwoju  (ertrage,  dulde)  ist  wohl  kaum  zu  denken. 

Goth.  Idta  (lasse),  lit  leidmi  (leidziu^  laidau);  nichts  dazu  Gehö- 
riges im  Slavischen. 

Goth.  valda  (walte),  lit.  waldau,  altsl.  vlad^. 

Goth.  nauthja  (cogo),  altsl.  nuzd^  (Inf.  nuditi  dsgl.). 

Goth.  nauthja  (audeo),  altsl.  n%zd%  (Inf.  nanditi  vim  inferre, 
cogere). 

Für  die  allgemeinen  Begriffe  des  Seins  und  Thuns  weiß  ich  nichts 
specifisch  Slavogermanisches  anzufahren.    « 

Von  den  PARTIKELN  bietet  sich  gleichfalls  nur  weniges  dar. 

Goth.  vaila  (wohl),  altsl.  vole  (wohlan,  also,  ob) ;  ich  halte  es  gar 
nicht  für  unmöglich,  daß  sogar  das  lit.  welu  (spät)  hieher  gehört; 
man  vgl.  z.  B.  den  Begriffsübergang  von  unserm  schön  zu  schon. 

Goth.  seithu  (sero),  altsl.  setino  (tandem). 

Ähd.  nidar  (nieder),  altsl.  nizü  (deorsum). 

Altn.  ]>ä  (da,  tum),  altsl.  ta  (tum);  vgl.  lit  tad  (tum).  Aber  den 
Sinn  von  ibi  drückt  altsl,  tu  aus. 

Goth.  fram  (von  etwas  her),  lit  pirm  (vor,  von  der  Zeit),  altsl. 
premo  (gegenüber). 

Versuchen  wir  nun,  aus  diesem  kleinen  Wörterschatze  einige 
Schlüße  zu  ziehen  über  denjenigen  Fortschritt  in  der  Cultur,  den  unser 
Volk  in  seiner  slavogermanischen  Periode  gemacht  hat,  so  müssen  wir 
uns  nochmals  daran  erinnern,  daß  der  Grund,  auf  dem  wir  bauen, 
zwar  nicht  völlig  aus  Sand  besteht,  aber  doch  eine  bedenkliche  Mi- 
schung von  Fels  und  Sand  darstellt  Doch  wer  nicht  wagt,  gewinnt  nicht. 

Ich  möchte  jenen  slavogermanischen  Fortschritt  zunächst  ganz 
allgemein  als  eine  Erweiterung  des  Gesichtskreises  bezeichnen 
und  finde  diese  zuerst  und  am  klarsten  darin  angedeutet,  daß  die  Slavo- 
germanen  sich  das  natürlichste  Maß  aller  Dinge,  die  Zahl,  zu  einem 
gefttgeren  Ausdruck  zu  gestalten  versuchen,  als  dies  durch  schwer- 
fllllige  Addition  und  Multiplication  der  zehn  Einer  möglich  ist.  In  arith- 
metischer Reihe  wird  die  Elf  und  Zwölf,  in  geometrischer  die  Zahl 
tausend  zu  wenigstens  einfach  scheinenden  Ausdrücken  umgestaltet. 
Wo  solcher  Vorgang  zum  Bedürfhiss  in  einer  Sprache  geworden  ist, 
da  muss  das  Volk,  welches  diese  Sprache  redete,  schon  viel  zu  zählen 
gehabt  haben.  Hier  wirkt  schon  die  Masse,  nicht  mehr  das  Einzelne 
an  sich;   die  Masse  aber  verlangt  Organismus.    Daher  scheint  mir 


408  E.  FÖRSTEMAIJN 

ein  politischer  Begriff  Volk  (den  z.  B.  Homer  noch  gar  nicht  kennt) 
flir  uns  erst  der  slavogermanischen  Periode  anzugehören ;  selbst  das 
hiemit  zusammenhangende^  schon  im  ersten  Artikel  erwähnte  ahd.  Hut 
und  altsl.  liudü  könnte  hieher  zu  setzen  sein^  da  das  griechische  laog 
doch  ziemlich  fem  steht.  Der  durch  die  Masse  bedingte  Organismus 
wird  aber  von  den  Slavogermanen  zunächst  auf  dieThierwelt  über- 
tragen; während  die  vorhergehende  Periode  zuerst  das  einzelne  Thier 
bezeichnete  imd  es  daneben  nur  zu  den  ganz  allgemeinen  Worten  für 
Thier  oder  Vieh  brachte,  sehen  wir  oben  als  ganz  neuen  Begriff  die 
Herde  (gewissermaßen  dem  Volke  selbst  entsprechend)  auftreten^  xmd 
zwar  mit  so  manigfachen  Bezeichnungen,  daß  zwei  von  diesen  (Hengst 
imd  Stute)  später  wieder  "zu  Ausdrücken  für  einzelne  Thiere  herab- 
sinken. Ein  neues  Hausthier  tritt  zwar  in  slavogermanischer  Zeit  nicht 
mehr  auf,  aber  wohl  wird,  wie  sich  oben  zeigte,  das  Bedürfhiss  noch 
immer  größer,  die  einzelnen  Hausthiere  nach  Alter  und  Geschlecht  mit 
besondem  Bezeichnungen  zu  belegen,  ja  auch  die  inneren  und  äußeren 
Theile  ihres  Körpers  sprachlich  genauer  zu  sondern.  Die  außerhalb 
der  Hausthiere  stehende  Thierwelt  hat  dem  Slavogermanen  wenig  Neues 
dargeboten  und  ihm  wenig  Interesse  erregt ;  ist  unsere  Forschung  erst 
weiter  vorgeschritten ,  so  wird  man  aus  den  neu  auftretenden  Thier- 
classen  Schluß e  auf  die  Lage  des  Slavogermanenlandes  ziehen  dürfen. 
Das  geringe  Interesse  flir  die  wilden  Thiere  geht  parallel  mit  dem 
großen  Mangel  an  neuen  Ausdrücken  für  Waldbäume;  Esche,  Eiche, 
Erle  sind  hier,  mit  wunderbarem  Zusammenklang  unter  sich,  die  we- 
sentlichen Bereicherungen  des  Wortschatzes,  keine  Nadelhölzer  hoher 
Berggegenden. 

Mit  dem  Begriffe  der  Herde  ist  aber  auch  der  des  Hirten  ge- 
geben, und  in  der  That  tritt  uns  dieses  älteste  der  Gewerbe  in  dieser 
Periode  entgegen,  aber  auch  nur  dieses;  nicht  einmal  der  Schmid, 
derjenige  Handwerker,  mit  dem  selbst  in  Europa  tiefer  stehende  Völ- 
ker, z.  B.  die  Letten,  fast  bis  heute  allein  auskommen,  ist  sicher  der 
slavogermanischen  Periode  zuzuschreiben.  Ein  Volk  aber,  das  besondere 
Hirten  kennt,  hat  schon  aufgehört  ein  eigentliches  Hirtenvolk  zu  sein, 
es  widmet  dem  Ackerbau  große  Sorgfalt;  Rpggen  und  Weizen, 
außerdem  Hirse  werden  von  den  Slavogermanen  neben  den  älteren 
Getreidearten  gezogen  und  flir  den  Anbau  und  die  Verwerthung  des 
Getreides  scheinen  neue  Erfindungen  gemacht  worden  zu  sein;  die 
neuen  neben  den  alten  aufkommenden  Wörter  flir  Pflug,  Mühle  und 
das  Dreschen  deuten  auf  technologische  Verbesserungen  hin. 

Die  Ausdehnung  des  Ackerbaues  auf  neue  Pflanzea  und  die  Ver- 


DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ.  409 

voUkommnung  der  Werkzeuge  führt  von  selbst  zur  Erweiterung  der 
Nahrungsmittel.  Namentlich  dem  Getränke  scheint  der  Slavo- 
germane  besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet  zu  haben;  neben  Meth 
und  Milch  tritt  Bier^  vielleicht  schon  in  zwei  Gattungen;  der  Gährungs- 
process  ist  bekannt  und  der  Übergang  von  Milch  zu  Käse  nicht  mehr 
fremd.  Völlerei  wird  hier  schon  vielfach  zu  Hause  gewesen  sein;  der 
später  germanische  Theil  der  alten  Slavogermanen  mag  sich  schon 
damals  das  alte  einfache  Verbum  fUr  trinken  (noch  altpreuß.  poutwei, 
altsl.  piti,  pivati)  abgewöhnt  und,  wie  die  Litauer  ihr  gerti,  einen  neuen 
Ausdruck  angenommen  haben,  der,  wenn  man  erwägt,  daß  lit.  trenku, 
trinke  waschen  oder  baden  heißt,  fast  den  Verdacht  erregt,  zunächst 
nichts  als  ein  euphemistischer  Kneipausdruck  gewesen  zu  sein.  Der 
Gesang  und  Tanz,  wovon  wir  aus  früherer  Zeit  noch  keine  sprach- 
liche Spur  haben,  hat  sicher  schon  damals  die  Gelage  und  andere  Feste 
verherlicht ;  von  musikalischen  Instrumenten  fehlt  uns  noch  immer 
jede  Andeutung.  Solcher  Culturstufe  sind  sicherlich  auch  unzüchtige 
Verbindungen  nicht  fremd  gewesen  und  unter  dem  Begriffe  des  Men- 
schen finden  wir  oben  ein  Paar  Ausdrücke ,  die  deutlich  darauf  hin- 
weisen, wäbrend  wir  in  der  indogermanischen  Periode,  die  schon  mit 
der  größten  Sorgfalt  alle  Familienverhältnisse  ausgebildet  und  be- 
zeichnet hatte,  noch  keine  Andeutung  davon  finden.  Bezeichnend  ist, 
daß  für  Arzt  und  heilen  die  Wörter  erst  dem  Slavogermanischen 
oder  einer  ganz  kurz  vorhergehenden  Periode  angehören ;  die  ins  Auge 
fallenden  Hautkrankheiten  scheinen  ein  besonders  häufiges  Object 
fllr  ärztliche  Kunst  gewesen  zu  sein. 

In  Hinsicht  auf  Zeugbereitung  und  Bekleidung  sind  oben 
mehrfache  Fortschritte  angedeutet ;  in  dieser  Periode  scheint  man  auch 
erfunden  zu  haben,  den  menschlichen  Fuß  mit  einer  eigens  dafür  zuge- 
schnittenen^ nicht  bloß  untergebundenen  oder  umgewickelten  Hülle  zu 
versehen. 

Die  Baukunst  macht  in  Hinsicht  des  einzelnen  Gebäudes  je 
nach  seiner  Bestimmung  entschiedene  Fortschritte,  wogegen  man  dem 
heutigen  Begriffe  von  Städten  und  Dörfern  in  keiner  Weise  näher  ge- 
treten zu  sein  scheint;  in  Bezug  auf  Meubel  und  Geräthe  werden 
wir  nach  den  obigen  Mittheilungen  dieser  Periode  manigfache  Erfin- 
dungen zugestehen  müssen. 

Daß  der  Handel  erheblich  sich  entwickelt  haben  muss,  ist  von 
mir  schon  angedeutet.  Durch  ihn  und  nicht  durch  eigene  Production 
der  Slavogermanen  ist  Silber  und  Gold  zu  den  alten  Metallen,  Seide 
zu  den  alten  Zeugen  gekommen.     Aber  von  Seefahrt   ist  noch  kaum 


410  E,  FÖBSTEMANN,  DER  URDEUTSCHE  SPRACHSCHATZ. 

eine  Spur  vorhanden,  sonst  würde  der  Anker  gewiß  seinen  slavoger- 
manischen  Ausdruck  haben  und  auch  eine  sichere  und  genauere  Be- 
zeichnung der  Weltgegenden  eingefllhrt  worden  sein;  höchst  wichtig 
wäre  es,  zu  wissen,  ob  neben  dem  alten  Ruder  schon  das  Segel  als 
zweites  Bewegungswerkzeug  auftritt. 

Zum  Kampfe  scheint  man  ungleich  besser  gerüstet  gewesen  zu 
sein,  als  in  der  früheren  Periode;  neben  die  alten  Waffen  zum  Schla- 
gen, Stechen  und  Werfen  tritt  nun  der  Pfeil  und  damit  der  Bogen, 
auch  das  Verbum  schießen,  und  während  zum  Parieren  von  jenen 
ein  einfacher  Schutz  flir  das  Haupt  und  ein  roher  Schild  genügte,  wird 
jetzt  schon,  wie  wir  oben  zu  sehen  glaubten,  eine  Art  förmlicher  Rü- 
stung zur  Nothwendigkeit.  Ein  besonderes  Wort  für  Heer  tritt  schon 
dem  filr  Volk  überhaupt  gegenüber.  Ob  man  schon  die  Reitkunst  ge- 
kannt hat,  bleibt  ungewiß. 

Der  Öötterglaube  hat  sich  gewiß  weiter  entwickelt,  doch 
dürfen  wir  von  diesem  Qebiete ,  wo  täglich  neues  Licht  auf  andern 
sicherem  Wegen  gewonnen  wird,  hier  nicht  weiter  reden. 

Aus  den  wechselnden  Erscheinungen  der  Temperatur  und  des 
Wetters  hat  man  noch  immer  nicht  ganz  bestimmte  Ausdrücke  fUr  die 
Jahreszeiten  abstrahiert ,  noch  weniger  ist  man  auf  Monatsnamen  ge- 
kommen. 

Zur  genaueren  Erforschung  aller  dieser  Verhältnisse  bezeichne 
ich  noch  zwei  Wege,  die  ich  für  jetzt  Andern  überlassen  muss,  erst- 
lich weiteres  Herbeiziehen  des  Keltischen  (ich  wende  mich  hiebei  be- 
sonders  an  Ebel)  und  zweitens  Erwägimg  des  in  der  slavogermanischen 
Periode  bereits  verloren  gegangenen  älteren  Sprachguts. 

Genug,  wir  haben  hier  eine  vielseitig  schon  ansehnlich  vorge- 
schrittene Cultur  vor  uns ,  doch  immer  noch  eine  bedeutend  tiefere 
als  sie  in  den  homerischen  Liedern  uns  entgegentritt,  auch  liegt  die 
slavogermanische  Zeit  uns  wohl  eben  so  fern.  In  Bezug  auf  die  Ort- 
lichkeit  macht  mir  diese  slavogermanische  Schicht  den  Eindruck,  als 
wiese  sie  hin  auf  weite,  fruchtbare  Ebenen.  Ich  halte  hier  an,  da  die 
Gefahr  zu  nahe  tritt,  dies  Slavogermanenland  noch  näher  auszumalen, 
und  zu  solchem  Gemälde  gehört  mehr  Phantasie  als  hier  gut  ist.  Ein 
dritter  Artikel  wird  zu  zeigen  versuchen,  wie  sich  die  ältesten  Ger- 
manen nach  ihrer  Sonderung  von  denLituslaven  in  Hinsicht  auf  Sprache 
und  Cultur  verhielten. 

DRESDEN,  den  14.  November  1859. 


411 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG. 

VON 

ALBERT  HCEFER*). 


XXXI.  Herr  und  Frau  Hacke. 

Die  dritte  Strophe  des  Hartmannschen  Kreuzliedes  welche  uns 
das  hier  genannte  edle  Paar  kennen  lehrt,  ist  in  der  Pariser  Hand- 
schrift im  Wesentlichen  so  überliefert: 

Der  hacchen  hän  ich  manigen  tac 

geloufen  nach, 

da  niemen  stsete  vinden  mac 

dar  was  mir  gäch; 

diu  werlt  lachet  mich  triegende  an 

und  winket  mir, 

nü  h&n  ich  als  ein  tumber  man 

gevolget  ir: 

nü  hilf  mir,  herre  Krist, 

der  mtn  da  värende  ist 

daz  ich  mich  dem  entsage 

mit  dinem  zeichen  das  ich  hie  trage. 
Damit  stimmt  die  Weingartener  Hs.  genau  überein,  nur  daß  sie 
geloffen,  weit,  underwilent  gäch^  deme  entsage  und  in  v.  1  Her  hacchen 
schreibt,  das  H  des  letzteren  rot  und  blau. 

Aber  die  Herausgeber  haben  sich,  von  manegen^  mich  Ixichet 
triegent,  deich  hie  abgesehen,  mehrfach  erhebliche  Änderungen  erlaubt : 
so  hat  Lachmann  nach  Haupt  zu  den  Liedern  10,  18  und  MSF. 
210,  11  mit  Umstellung  der  Stollen  Z.  1—4  nach  Z.  5—8  gesetzt,  in- 
dem er  der  hacken  liest.  Ebenso  ordnet  W.  Wackernagel,  aber  er 
schreibt  1839  der  haken  (haken?),  d.  h.  nach  dem  kleinen  Wb.  deren 
Fersen*}  wobei  der  als  Genitiv  genommen  wird.  (Anders  1861:  der 
hucken,  der  Hexe.)  Ahnlich  F.  Bech  der  die  handschriftliche  Ordnung 
innehält,  aber  Der  hacken  ich  hdn  dl^  vbraufgehenden  Relativsatz 
auf  das  folgende  diu  werlt  bezieht,  Mie  Welt,  deren  Lockungen,  Nach- 
stellungen ich  nachgelaufen  bin   usw. 

Eins  wie  das  andere  höchst  überflüßig,  ja  unerlaubt,  sobald 
man  der  Hacken  als   weibliche  Personification   der  Verlockungen  und 


•)  Fortsetzung  von  Germania  15,  60—89, 


412  ALBERT  HCEFER 

des  verftilirerischen  Blendwerkes  der  Welt  auffasst.  Die  ganze  Strophe 
enthält  nur  einen  Gedanken :  bisher  habe  ich  weltlicher  Lust  gefiröhnt, 
nun  hilf  du^  Herr  Christ^  indem  ich  das  Kreuz  nehme,  daß  ich  den 
Nachstellungen  des  Bösen  entgehe.  Aber  dieser  eine  Gedanke,  der  in 
y.  1 — 4  mit  offenbar  volkstümlichem  Ausdruck  bildlich  laut  wird, 
wiederholt  sich  in  V.  5 — 8  unmittelbarer  und  deutlicher  und  kommt 
endlich  in  V.  9 — 12  zu  vollem,  durch  den  Gegensatz  bestimmtem  Ab- 
schluß. Und  solche  Wiederholungen,  erst  ein  Bild,  dann  die  nähere 
Bestimmung  oder  Deutung  hinterher,  haben  an  sich  nichts  Unnatür- 
liches, noch  sind  sie  der  Weise  Hartmanns  entgegen  der  mehr  als 
din  ähnliches  Beispiel  bietet. 

Von  dieser  Seite  ist  an  unserer  Strophe  gewis  nichts  auszusetzen, 
und  wie  sie  im  Ganzen  ebenmäßig  und  wolgegliedert  verläuft,  so  ist 
sie  auch  im  Einzelnen  durchweg  vortrefflich  und  ohne  Anstoß.  Der 
Hauptsatz  V.  1 — 2  ist  durch  3 — 4  erweitert  die  ein  Attribut  zu  der 
Hacken  enthalten  und  durch  gäch  den  Ausdruck  ridch  lovfen  begründen. 
Dagegen  »ist  in  5 — 8  das  trügerische  Anlachen  durch  winket  mir  ge- 
steigert, aber  hier  genügt  das  einfache  nach  volgen,  wie  dort  dem  gäch 
hier  als  ein  tumber  man  gegenübersteht.  Dem  entspricht  dann  in  V.  9 — 12 
das  vdren  des  Välands  und  daz  zeichen  tragen  das  über  seinen  nächsten 
Sinn  hinaus  zugleich  die  Nachfolge  einschließt. 

So  ist  denn  gar  kein  Grund,  der  sei  es  demonstrativ  oder  relativ 
als  Genitiv  auf  diu  werü  zu  beziehen  und  haken  oder  hacken  appella- 
tivisch zu  nehmen,  obgleich  'in  der  sunden  haken  treten  gesagt  wird 
und  obgleich  das  Verbum  hecken^  hecchen,  gehechen  bekanntlich  gerade 
in  Verbindung  mit  hitofy  verse,  versene  von  der  Schlange,  dem  Wurm, 
dem  Bösen  sehr  gebräuchlich  ist  *). 

FreiUch  fragt  sich  dabei  vor  allen  Dingen,  ob  denn  die  Existenz 
der  angenommenen  Frau  Hacke  wenigstens  wahrscheinlich  zu  ma- 
chen sei  und  eben  darum  handelt  es  sich  auch  in  Betreff  des  in  B  auf- 
tretenden Herrn  Hacke,  den  man  ohne  viel  Umstände,  doch  viel- 
leicht ein  wenig  zu  hastig  beseitigt  hat.  Wäre  die  Hs.  B  nicht  be- 
schnitten, sagt  man^  so  würde  man  bei  Zeile  1  wol  ein  d  vorgezeichnet 
finden,  statt  dessen  von  dem  Maler  ein  H  gemalt  worden.  Her  sei 
unzweifelhaft  ein  Fehler  des  Malers  usw.  Warum  kann  denn  nicht 
vom  Schreiber  Her  oder  Hern  beabsichtigt  und  H  auch  vorgezeichnet 

*)  Vgl.  ahd.  hahjan  GraflF  4,  762  und  z.  B.  Diut.  3,  63  vom  Satanas:  td  hdt  er 
wu  vol  Idgit,  an  die  versene  gekekeJiet,  bei  Diemer  Genes.  17,  37:  ad  hat  er  Hn  läge 
geitreehet  und  in  daz  versen  gehechet,  letzteres  als  Neutnim  was  bei  Grimm,  Graffund 
im  mhd.  Wb.  fehlt. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  413 

sein?  Daß  man  dabei  an  Hartmanns  Dienstherrn  gedacht^  ist  kein 
Grund  dagegen.  Und  selbst  wenn  das  H  doch  dem  Maler  gebührte, 
muß  er  denn  im  Schlafe  gewesen  sein  oder  hat  er  besser  als  wir  etwa 
einen  Herrn  Hacke  oder  Hache  gekannt,  an  den  ihn  vielleicht  ge- 
rade 'der  Hacken  erinnerte?  Endlich  wenn  raten  gilt,  wenn  der  Maler 
sich  versehen,  so  könnte  ja  am  Ende  statt  d  ein  V,  ü  vorgezeichnet 
und  statt  der  h.  vielleicht  vem  h.  gemeint  sein? 

Abgesehen  von  solchen  Möglichkeiten  führt  der  in  den  Hand- 
schriften B  und  C  oflfen  vorliegende  Gegensatz  der  hacchen  und  Her 
hacchen  schon  auf  ein  Paar  'Herr  und  Fra^iHacke'  und  wenn  sie 
hier  allein  auftreten  und  wir  von  ihnen  auch  keine  weitere  Kunde  ha- 
ben, so  ist  doch  kein  Grund,  sie  argwöhnisch  bei  Seite  zu  werfen, 
sondern  wir  haben  die  unab weisliche  Pflicht,  ihnen  weiter  nachzu- 
spüren und  wo  möglich  wieder  zum  Dasein  zu  verhelfen. 

Dazu  soll  hier  ein  erster  Versuch  gemacht  werden. 

Das  Wort  als  solches,  scheint  es,  schließt  sich  an  den  Stamm 
des  Wortes  Hexe  und  lehnt  sich  an  Hacke,  Haken  welche  die- 
selben Formen  zeigen,  denselben  Wechsel  von  Gutturalen,  vgl.  Grimm 

1,  440,  Holtzmann  1,  264.  Für  Hexe  besteht  gleich  dem  engl,  hag  in 
der  Schweiz  hagg^  hobg,  hak  m.  d.  h.  Gauner,  Schalk,  hagsch,  hägsch  f. 
verschmitztes  Weib,  Hexe;  in  demselben  Sinne  Jiäggele,   nach  Stalder 

2,  10  zugleich  Name  eines  weiblichen  Ungetüms,  von  dem  das 
Volk  Märchen  erzählt,  im  Ls.  2,  638  tcas  grozer  bdsheit  truoc  diu  hächel 
in  ir,  mhd.  Wb.  1,  607  und  Mythol.  992.  Daneben  bei  Graff  4,  763 
die  Wörter  hako^  hakko,  hago,  ^^go,  haccho  und  kachele,  mhd.  gewöhn- 
lich hake,  haken j  hacke  usw.,  in  der  Schweiz  hdgefa,  haggen  der  männ- 
liche Salmfisch,  wegen  des  krummen  Schnabels,  häggeln  und  haeggeln 
hadern,  zanken  uva.  *) 

Da  wir  neben  dem  Femininum  die  masculinen  äo^,  häg^ 
hak  im  Sinne  von  Gauner,  Schalk  und  weiter  häggeU  als  Namen 
eines  weiblichen  Ungetüms  neben  hächel  finden ,  so  ist  glaublich  daß  . 
unser  Wort  sich  in  mehr  als  einem  Eigennamen  auch  wol  noch  heute 
erhalten  habe.  Solche  Namen  sind  z.  B.  Hack,  Hacke,  Hach,  Hache, 
Haag,  Haken,  Hacken,  femer  Hackel,  sowie  ahd.,  um  Hahicho, 
Hache  u.  a.  aus  dem  Spiele  zulassen,  namentlich  Hagiko,  Hachili 
udglm. ,  immerhin,  wie  unsicher  der  einzelne  bleiben  mag,  in  bemer- 
kenswerter  Übereinstimmung. 

*)  Formell  und  begrifflich  scheint  Zusammenhang  unleugbar,  aber  darum  kann 
die  erste  Reihe  ihron  besonderen  Ursprung  haben  und  vielleicht  erst  später  an  die 
zweite  volksetymolognch  angelehnt  sein. 


414  ALBERT  H(EFER 

Dürfen  wir  nun  aus  den  gloss.  herrad.  der  Straßburger  Hs.  des 
12.  Jhd.  hagebart,  schaeme,  larva  bei  Graflf  Spr.  4,  762. 1091,  Diut.  3,  217, 
Schpeller  3,  362  (wie  ib.  8chembaH)  vergleichen  und  erinnern  wir  uns 
weiter  des  von  Kehrein  Volkssprache  in  Nassau  S.  182  angefllhrten, 
mir  besonders  wichtigen  hakemann,  hokemann,  d.  h.  Butzemann^ 
Wuwelackes,  hier  Brummel-  oder  Bummellux,  Verlarvte  Person,  um 
Kinder  zu  schrecken  (nach  Wuttke  der  d.  Volksaberglaube  S.  47 
gleich  Wasser-,  Nickelmann  ein  Nickername),  so  ist  kaum  zweifelhaft, 
daß  der  allbekannte,  bisher  zu  künstlich  erklärte  Name  des  wilden 
Jägers  hier  seinen  ersten  Ursprung,  mithin  unmittelbare  Beziehung  zu 
dem  Namen  Hacke  habe.  Seine  Namen  sind  nach  Mythol.  873—4  u.a. 
Hakke-,  Hacken-,  Hakelr  und  Hackelberg  j  Hackeinberg,  Hackelblock  und 
Hakel-  oder  Hackelberend,  dazu  die  localen  Ha^culesthorp,  Hakelbreite, 
Hackehberg,  Hackel  und  Hakel,  daneben  wieder  die  häufigen  Personen- 
namen Hackenberg,  Hackelberg,  Hagelberg?  uva. 

Die  Entwickelung  geht  wie  gewöhnlich  und  wie  *^Hans  von  Hackeln- 
berg'  a.  a.  O.  873  zeigt,  von  den  einfachen  Hacke,  Hackel  über  die  lo- 
calen nach  Abstreifung  des  von  zu  den  schlichten  Eigennamen  fort. 
Dabei  kann  Hackel  wie  Myth.  875  ähnUch  angenommen  worden,  Ab- 
kürzung sein,  aber  in  dem  -berend  des  zweiten  Teils  kann  ich,  wenn 
es  nicht  bloße  Verderbnis  ist,  höchstens  den  Namen  Bernhard  finden, 
das  heißt  den  Bemer,  'Dietrich  BemhardC ,  dessen  Teilnahme  an  der 
wilden  Jagd  feststeht,  Mythol.  S.  888. 

So  wäre  Hacke  oder  Hackel^  verbunden  mit  -berg  wie  bekannt 
selbst  ein  wilder  Jäger,  ein  teuflisches  Wesen,  hier  durch  -ierend  ver- 
stärkt, fast  erklärt  und  die  sinnige,  doch  weithergeholte  und  flir  die 
meisten  Formen  gar  nicht  zutreffende  Deutung  als  *MaJntel träger 
wäre  abzulehnen,  obgleich  hakel,  hachel,  ein  altes  weitverbreitetes  Wort, 
'Mantel,  Kappe,  GewaAd'  bedeutet*). 

Wie  leicht  und  bequem  fligt  sich  dagegen  alles  bei  der  Annahme 
eines  männlichen  Hacke  und  Hackel  auf  welche,  abgesehen  von  schwz. 
hag^  ahd.  Hachili  und  jenem  bestrittenen  'her  Hacke',  doch  schon 
der  Umstand  weist,  daß  Wesen  dieser  Art  in  Doppelform,  männUch 
und  weibUch  au&utreten  pflegen.  Hin  und  wieder,  heißt  es  Myth.  993, 
bedient  sich  das  Volk  eines  masc.  Hex  für  Zauberer;    in  Schwaben 


♦)  Das  von  Grimm  a.  a.  0.  875  behandelte  Wort  ist  auch  in  Uikes  Zeitbach  526 
in  mUTiakel  und  bei  Halliwell  s.  v.  brait  erhalten ;  dennoch  habe  ich  große  Lust ,  es 
als  Fremd-  und  Lehnwort  anzusehen,  sammt  dem  got  TiaJcuU  welches  Leo  Meyer 
wieder  in  6  Paragraphen  aufführt,  um  sechsmal  zu  lehren,  daß  es  m.  sei  und  Mantel 
bedeute. 


ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG.  415 

ist  nach  v.  Schmid  273  der  Hengst  'Hexenmeister  ;  neben  diu  unholde 
begegnet  das  m.  der  unholdaere,  Mytliol.  992;  ebenso  erscheint  neben 
Wod  die,  wenn  auch  aus  dem  masc.  fro  hervorgegangene  Frau  Wod 
oder  God,  neben  Berchta  tritt  Berchtold  auf  oder  Ruprecht  und  wieder 
gehören  zu  einander  Eckhart  und  Frau  Holda,  wilder  Mann  und  Wald- 
frau usw.,  vgl.  Mythol.  880,  884,  887,  889. 

In  gleicher  Weise  wird  sich  auch  flir  die  Frau  Hacke  als  solche 
noch  manche  Bestätigung  gewinnen  lassen,  denn  wenn  man  auch  nicht 
ernstlich  bei  Hartmann  an  ein  vem  Hauken  denken  und  auf  dieses  gar 
die  auch  noch  etwas  misliche  Freche ,  frü  Freke ,  Fruike  bei  Grimm 
Mythol.  281,  1212  zurückleiten  wollte^  so  fragt  sich  doch,  ob  sie  sich 
nicht  heute  noch  in  dem  bekannten  volkstümlichen  Fluche  'die  schwere 
Hacke!  die  schwere  Hacke  noch  einmal!'  erhalten  habe.  Er  ist  um 
Frankfurt,  in  Hessen  und  weiter  sehr  gebräuchlich,  ich  finde  ihn 
z.B.  in  des  vortrefflichen  Heinrich  Königs  Seltsamen  Geschichten 
S.  106 — 109.  131.  135  benutzt,  selbst  in  unserer  Nähe  hört  man  de 
swere  Haek^  in  Meklenburg  sagt  man  auch  Ack.  Vi  1  mar  führt  ihn  im 
Hessischen  Idiotikon  S.  378  aufialliger  Weise  nur  beiläufig  an  und  hält 
ihn  nebst  'schwere  Nixen,  Nacke'  für  hypokoristische  Entstellung  von 
'schwere  Not'.  Bei  Schmid  und  Kehrein  fehlt  er. 

Daneben  scheint  noch  manches  andere  Erwägung  zu  fordern,  z.  B. 
hßch,  ha^hely  hägel  bei  Schmeller  2,  143,  Kehrein  179.  180,  verglichen 
mit  dem  hier  angeflihrten  älteren  ha>ch,  hache.  Indes  lasse  ich  derglei- 
chen unentschieden  imd  beschränke  mich  auf  die  Bemerkung,  daß  beide 
Frau  und  selbst  Herr  Hacke  in  dem  Hartmannschen  Liede  gar  wol 
am  Orte  wären,  sie  als  eine  Art  Frau  Holla  gedacht,  er  als  wilder 
Jäger,  Hackelberg.  Frau  Holla  geleitet  das  wütende  Her,  das  Volk 
versammelte  sich  und  sah  seiner  Ankunft  entgegen.  An  der  Spitze  ihres 
Geisterheres  macht  sie  nach  Mythol.  887  den  Eindruck  einer  im  Land 
einziehenden  heidnischen  Göttin :  das  Volk  läuft  zusammen  und  geht 
ihr  entgegen  usw.  Auch  bei  Hackelberg  finden  wir  mehr  als  einen 
einschlagenden  Zug,  wie  die  Leute  ihm  nachschreien  imd  nachlaufen, 
wie  er  einen  Bauer  zu  sich  in  die  Wolken  zu  ziehen  sucht  und  dann 
sich  rühmt:  'mein  wurden  schon  viele  Männer,  du  bist  der  erste,  der 
mir  widerstand'. 

Die  Jagd  des  Teufels  war  eine  alte  geläufige  Vorstellung,  ihm 
oder  Herrn  Hacken  nachlaufen  mag  ein  bekannter  Ausdruck  ge- 
wesen sein,  der,  wenn  er  hier  gebraucht  wäre,  mit  Vers  10  der  mm 
dd  värende  ist  verbunden  und  durch  V.  5 — 8  umschrieben  und  erläutert, 
zu  Jierre  Krist  und  dem  Schluße  einen  vortrefflichen  Gegensatz  bildete. 


416  ALBERT  HCEFER 

Ich  wollte  indessen  nur  beweisen,  daß  die  Lesart  der  Weing.  Hs. 
mehr  Beachtung  verdiene  als  man  ihr  geschenkt,  räume  aber  ein,  daß 
der  Hacken,  besser  beglaubigt,  neben  V.  5  wol  vorzuziehen  sei. 

XXXII.  Fander^  Fanner. 

Der  Namen  ftlr  Teufel,  Hexen,  Unholde  und  Kinderschreckbilder 
aller  Art  sind  Viele  gesammelt,  andere  sind  noch  immer  aus  den  Volks- 
mundarten zu  gewinnen  oder  in  ihren  Wörterbüchern  versteckt ;  wie 
Manche  mögen  vergessen ,  verloren  und  untergegangen  sein.  So 
verzeichnet  allein  der  alte  Dähnert  in  seinem  Pommersch  -  platt- 
deutschen Wörterbuche  die  Ausdrücke  Brummelux,  Bu  {Buhu),  Budde, 
Chim,  Dros  (MythoL  487),  Düdscher,  Düker  (Denker),  Düvkater,  Dioer 
{dwerwint  Wirbelwind),  Fijend  miA.  Fmd  (altßani),  Rüjeclds,  Ulks,  die 
meist  auch  sonst  nachweislich  leichter  zu  verstehen  sind.  Dazu  finden 
sich  bei  ihm  noch  zwei  andere  Fluch-  und  Teufelsnamen  die  kaum 
bekannt  und  darum  wichtiger  sind,  nämlich  zuerst  Krambeker,  das 
ich  nur  an  krankt  (Schmeller  3,  543,  Frommann  Zeitschrift  1,  141, 
Register  zu  Lauremberg)  anzuknüpfen  weiß,  obgleich  der  zweite  Teil 
dunkel  bleibt. 

Sodann  verzeichnet  er  S.  112  das  Wort  Fander,  Fanner  als 
Schelte  und  Benennung  des  Teufels,  bei  dem  man  fantj  fent  oder  phantei" 
udgl.  schwerlich  in  Anschlag  bringen  darf.  Vielmehr  wird  als  unzweifel- 
haft gleich  ags. /andere  a  tempter,  trier  zu  fandjan  tentare,  alts,  fan- 
dön  id.  (Grimm  2,  35.  4,  657),  ahd.  fanton  bei  GraflF  3,  539  gehören, 
dem  auch  ndl.  vanden  im  Teuthon.,  ebenso  hoU.  'Kranke  besuchen 
zufallt.  Im  Niederdeutschen  ist  es  nie  ganz  allgemein  üblich  gewesen, 
aber  doch  manchmal  nachweislich,  nicht  bloß  beschränkt  wie  im  Brem. 
Wb.  1,  344,  sondern  in  allgemeinerem  Sinne.  Ich  kenne  es  z.  B.  aus 
Wiggerts  Scherflein,  wo  13,  15  si  vanneten  an  seh  dem  lat.  captabant 
in  animara,  S.  25  misverstanden ,  entspricht,  aus  der  Freckenhorster 
Kreuzlegende  bei  J.  H.  Schulte  S.  8 :  se  tu  vanden  und  visiterende  = 
Dorow  Denkm.  1,  45,  31,  worüber  Grimms  Bemerkung  in  den  Recen- 
sionen  1  S.  211  zu  vergleichen  ist,  aus  Koene  zum  Heliand  v.  2149, 
wo  auch  vandinge  unde  heim^okinge  nachgewiesen  ist,  endlich  aus  HoflT- 
manns  Aesop  16^  49,  vgl.  S.  58  und  82.  Daß  darauf  auch  unser  fahnden 
zurückgeführt  wird,  ist  bekannt,  für  sicherer  aber  halte  ich,  daß  fan- 
der, fanner  eigentlich  'der  Versucher  meinte.  Doch  ist  merkwürdig, 
daß  es  sich,  weiter  als  in  dem  /andere  des  Dict.  saxon.  lat.  angl.  kaum 
nachweisbar,  so  vereinzelt  hier  als  Teufelsname  erhalten  hatte. 


ZUR  LAUT-,  WORT.  UND  NAMENFORSCHUNG.  417 

XXXlil,  Altvile  im  Sachsenspiegel. 

Meine  gleichnamige  kleine  Schrift  ist  kürzlich  einem  Anonymus 
im  Literar.  Centralblatte  *)  unter  die  Finger  geraten,  der  sich  die  erste 
Hälfte  meiner  Untersuchung,  Anderen  vöUig  neue,  ihm  dagegen  wol  längst 
bekannte  Dinge,  gefallen  lässt,  dafiir  aber  den  zweiten  Theil  höchst 
unwahrscheinlich  findet,  in  summa  als  verfehlt  und  verkehrt  bei  Seite 
schiebt.  Er  ficht  mit  den  von  mir  selbst  angefahrten  und  wie  ich  hoffe 
beseitigten  Gegengründen  und  greift  sich  willkürlich  einen  und  den 
anderen  meiner  Beweise  heraus,  er  stutzt  sich  die  von  mir  ihm  in 
den  Mund  gelegten  Bedenken  nach  seinen  Zwecken  zu  und  verfährt 
mit  meinen  Gründen  einseitig  und  imgenau,  wie  es  ihm  passt. 

Während  ich  von  der  in  die  Augen  fallenden  Eigenart  der 
unser  Wort  allein  enthaltenden  Stelle  des  Ssp.  ausgehe  und  den  an- 
genommenen bildlichen,  volksmäßigen  Ausdruck  gerade  für  sie 
angemessen  finde,  lässt  der  Kritiker  das  allerwichtigste  Verhältnis  außer 
Acht  und  erklärt  den  'scherzhaften,  unübersehbaren  Misverständnissen 
ausgesetzten  Ausdruck  in  einem  Bechtsbuche  für  unmögUch.  Das  von 
mir  beigebrachte  engl,  old  fiU  das  er  weiter  auch  aus  Thiemes  Wb. 
kennen  lernen  kann,  citiert  er  nur  in  der  von  mir  nebenbei  ange- 
Aihrten  Bedeutung,  unehrlich  genug,  falls  er  odd  und  rum  zu  verstehen 
im  Stande  war.  Mit  mehr  Recht  hätte  ich  seines  Bedünkens  'alte  Schraube 
vergleichen  sollen,  an  das  er  indes  nur  erinnert,  um  seine  Verwendung 
in  einem  juristischen  Lehrbuche  lächerlich  zu  machen,  ein  Triumph, 
den  er  sich  selbst  bereitet  und  den  man  ihm  als  wolfeil  gönnen  darf. 
Alle  anderen  Vergleichungen,  durch  die  ich  die  Art  des  Wortes  stütze, 
sollen  weit  abstehen,  teils  technische  Ausdrücke  sein,  teils  jede  Mög- 
lichkeit des  Misverständnisses  ausschließen,  —  was,  so  hübsch  diese 
Unterscheidung  sein  mag,  doch  entschieden  völlig  falsch  und  unwahr 
ist :  z.  B.  dorksy  veUstriken,  stanthart  und  selbst  das  bekanntere  hof- 
waH  sind  wie  jeder  übertragene  Ausdruck  erst  dann  und  da  vor  Mis- 
verständnissen sicher,  wann  und  wo  sie  allgemein  gebräuchlich  sind. 
Daß  auch  aUftle  in  meinem  Sinne  einmal  üblich  und  verständlich  war, 
nehme  ich  natürlich  und  mit  gutem  Rechte  an,  es  erweisen  die  gleich- 
lautenden Namen,  die  wie  der  ganze  Laut-  und  Variantenbestaud  von 
selbst  und  mit  zwingender  Nötigung  auf  meine  Deutung  führen. 

Aber   das  kümmert   diesen  Referenten   wenig,    dafür  fehlt   ihm 


*)  Eine  kurze  Anaeige,    daß  der  Referent  seine  Antwort  in  dieser  Zeitschrift 
finde,  hat  Herr   Zamcke  standhaft  verweigert. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  III,  (XV.)  Jahrg,  28 


418     ALBERT  HCEFER,  ZUR  LAUT-,  WORT-  UND  NAMENFORSCHUNG. 

das  Verständnis  und  so  schließt  er  pomphaft,  aber  tiberflüßig  und  in- 
correet  genug  mit  dem  Entscheide,  mein  "Versuch'  sei  eine  bloße  Hypo- 
these, denn  —  den  Beweis  sei  ich  schuldig  geblieben,  daß  in  der 
Heimat  des  Ssp.  *alte  Feile*  ftlr  'Blödsinnige'  üblich  gewesen«  sie! 

'So^  Welt,  nun  weist  du,  woran  du  bist'  —  denn  'Zamcke'  hat 
gesprochen;  aber  vielleicht  streuet  er  dir  nur  Sand  in  die  Augen? 
Ich  widme  ihm  nur  darum  diese  Zeilen,  um  die  Bitte  an  sie  zu  knüpfen, 
daß  die  Kenner  unbeirrt  durch  ihn  selbständig  und  ernstlicher  an  die 
Prüfung  meiner  Schrift  gehen.  Aber  vielleicht  macht  die  Zamckesche 
Anzeige  diesen  ohnehin  denselben  Eindruck  wie  mir,  daß  der  Referent 
Wort  und  Lage  der  Dinge  erst  aus  meiner,  nicht  einmal  ganz  gele- 
senen Arbeit  kennen  gelernt  hat. 

Von  besonderem  Wert  war  mir  dagegen  R.  Hildebrands  Zu- 
stimmung in  seiner  4.  ed.  des  Weiskeschen  Ssp.,  die  trotz  ihrer  Kürze 
mir  etliche  solcher  s.  g.  Kritiken  aufwiegt. 

Übrigens  liegen  mir  zum  guten  Glück  auch  noch  andere,  schrift- 
liche und  gedruckte  Urteile  vor,  die  mich  mehr  fördern  und  wol  ver- 
anlassen werden,  demnächst  auf  die  Sache  zurückzukommen,  der  ich 
selbst  schon  mancherlei  hinzuzufdgen  habe.  Einiges  davon  mag  auch 
hier  am  Orte  sein.  So  entnehme  ich  Homeyers  dankenswerten  Mit- 
teilungen die  wichtige  Bemerkung,  daß  aUfiley  die  Hauptstütze  meiner 
Erklärung,  auch  noch  in  der  übersehen  Hs.  Bu  (D.  Rb.  no.  89,  14.  Jh., 
mitteld.)  und  der  Oldenburger  Bilderhs.  Ei,  no.  659,  1336,  vorkommt, 
femer  daß  aü  vilen  S.  4  aus  der  Dresdener  Ep,  no.  168,  14.  Jh.,  mit- 
teldeutsch, stammt.  Gegen  S.  25,  5  weist  er  sodann  auf  das  von  mir 
leider  übersehene  dingslete  Ssp.  1,  59,  2  (ebenso  in  dem  cod.  Lips.  bei 
Weiske)  hin,  das,  wenn  es  mir  auch  zwiefach  anders  zu  liegen  scheint, 
als  das  angenommene  al-tvil  f(ir  alzvnl,  dennoch  Beachtung  forderte. 
Das  Wichtigste  bietet  aber  die  Anzeige  meiner  Schrift  in  den  TTieuwe 
Bijdragen  20,  1,  148  von  Herrn  J.  J.  Smit»  in  Nijkerk,  der,  in  der 
Hauptsache  mit  mir  übereinstimmend,  die  Angemessenheit  meiner  Er- 
klärung und  des  volkstümlichen  Ausdrucks  in  Ssp.  1,  4  weiter  beweist 
als  ich  früher  für  nötig  erachtete,  dann  die  von  mir  benutzte  Lesart 
dommen  luden  und  sötte  anders  beurteilt,  daftlr  aber  endlich  Wort  und 
Bedeutung,  so  wie  ich  sie  angenommen,  heute  noch  in 
Twenthe  als  üblich  nachweist.  Seine  eigenen  Worte  lauten  S.  8 
des  Abdrucks  also:  Ik  ontneem  den  sehr,  dus  twee  zijner  argumenJten, 
waarvoor  ik  hem  echter  een,  hem  zonder  tvrijfel  nog  meer  welkom^  in  de 
plaats  geven  zal;  het  is  dit:  nog  heden  ten  dage  is  in  Twenthe,  een  ge- 
deelfe  van  Overijssel,  de  uitdrukking  olde  feile  OTider  het  volk  in  gebruik, 


CARL  SCHRÖDER,  NIEDERLÄNDISCHE  EINWIRKUNGEN  eto.         419 

juiBt  in  de  beteekenis,  door  sehr,  aan  het  woord  altvile  gegeven.    Meine 

'Hypothese*  hat  also  doch  wol  besseren  Grund,  als  das  bekannte  Blatt 

glauben  machen  möchte;    auf  die  versuchte  Weise  ist  sie  wenigstens 

nicht  zu  beseitigen.  —  Über  einen  neuen  haltlosen  Versuch  der  Herren 

de  Fries  und  de  Wal,    altvile  in  meinem  Sinne,    aber  als  *ganz  fehV 

(allet-vile)  zu  erklären,  später  einmal  mehr. 
OREIFSWALD,  Juni  1870. 


NIEDERLÄNDISCHE  EINWIRKUNGEN  AUF  DIE 
FORMEN  DER  ORDINALIA  AM  NIEDERRHEIN 

UND  IM  ELSASS. 


Weinhold  in  seiner  Alemannischen  Grammatik  erwähnt  bei  der 
Bildung  der  Ordinalia  niederer  Ordnung  das  öftere  Vorkommen  un- 
echter Formen,  welche,  wie  die  Grundzahlen  auf  zic  zuc  ihre  Ordina- 
lien  regelmäßig  als  Superlative  in  t)8t  ist  bilden,  ebenfalls  das  Super- 
lativsuffix dst  ist  annehmen.  Es  heißt  dort  §.  326  (S.  309) :  'Bei  7.  findet 
sich  ein  unechtes  siibemte  Griesh.  Pr.  1,  136,  ebenso  bei  8.  achteste 
Mem.  2.  8.  Iw.  c.  2940.  Nie.  Br.  158.  Wst.  1,  717.  Dankrotsh.  116. 
achtest  Maaler  10.  achtisi  Stalder  1,  98;  verkürzt  achste  B.  R.  1,  186. 
Mersw.  104...  .  Bei  10.  und  seinen  Zusammensetzungen  begegnet  die 
Nebenform  zehenste  namentlich  in  elsässisch^n  Denkmälern:  drtzehenste 
Nie.  Br.  158.  viertzehenste  Mem.  14  usw.  Mit  doppelter  Bildung  zehendist 
Lenz  127.  viertzehendest  (1423)  Schreiber  2,  323.' 

Die  Zahl  der  Beispiele  ist  damit  nicht  erschöpft ;  hier  mögen  noch 
einige  Stellen  aus  Königshofen  (Städtechroniken  VIII.  IX.)  stehen : 
ahteste  ausschließlich  und  zwar  an  14  Stellen ;  selb  ahtest  687,  12.  872,  26. 
1027,  39.  zeJienste  359,  8.  639, 14.  875,  22.  880,  30  Var.  vierzeheste  578,  25. 
fiinfzehenste  614,  12.  selbe  sezehenste  857,  10.  Endlich  sei  noch  ein  vier- 
tzehendiste  vom  rechten  Rheinufer  erwähnt,  welches  mehr  als  andere 
das  wenig  Auffällige  der  Form  darthut :  dies  viertzehendiste  stammt  aus 
der  königlichen  Kanzlei  in  Heidelberg  (Urk.  K.  Ruprechts  d.  d.  14.  Mai 
1405  bei  Lacomblet  Urkundenb.  flir  die  Gesch.  d.  Niederrheins  IV,  37.) 

Alle  diese  Stellen  beweisen  auf  das  Klarste,  daß  namentlich  im 
14.  und  15.  Jh.  der  Gebrauch  dieser  superlativischen  Formen  ein  nicht 
ungewöhnlicher  war.  Doch  ist  dabei  zu  beachten,  daß  fast  alle  citierten 
Stellen  aus  der  unmittelbaren  Näh^  des  Rheines  stammen :  weiter  davon 
weist  Weinhold  keinen  Beleg  auf;  auf  dem  Gebiete  der  bairisch-öster- 

28* 


420  C^^I^  SCHRÖDER 

reichischen  Mundart  finden  sich  ein  paar  vereinzelte  cuMigUy  —  außer 
der  Stelle  aus  einer  österr.  Urkunde  vom  J.  1407  (Weinhold  Bairische 
Gramm.  §.  259)  siehe  noch  eine  spätere  bei  Schmeller  -  Frommann 
1,  26  und  eine  aus  Äventin  bei  Schmeller  Die  Mundarten  Bayerns  p.  148, 
keine  im  Mhd.  Wb.  I  14^,  —  aber  nirgends  sonst  zeigt  sich  eine  Spur 
jener  ziemlich  tief  eingedrungenen  Formen. 

Die  Alem.  Gramm,  enthält  sich  weiterer  Bemerkungen  und  fährt 
dadurch  den  Leser  in  Versuchung  zu  glauben  ^  er  habe  es  mit  einer 
specifisch  elsässischen  oder  oberrheinischen  mundartlichen  Eigenthüm- 
lichkeit  zu  thun.  Dem  ist  nicht  so.  Fände  das  Studium  des  Nieder- 
ländischen mehr  Verbreitung  als  leider!  wenn  auch  aus  begreiflichen 
Ursachen  der  Fall  ist,  so  würde  sich  herausstellen,  daß  eben  derselbe 
Gebrauch  in  noch  größerem  Maße  sich  am  tiefsten  Niederrhein  findet. 
Schon  Jacob  Grimm  sagt  Gr.  3,  645:  'Auch  im  Mnl.  und  Nnl.  herrscht 
das  8t...  Ja,  das  st  pflegt  oft  auch  in  die  Ordinalien  5. — 19.  vorzu- 
dringen, namentUch  findet  sich  mnl.  neben  zevende  (septimus),  nagende 
(nonus),  zevenste,  negenste]  und  aus  dem  Mnl.  kann  ich  aus  Maerlant 
belegen:  tienste  (decimus)  1,  117.  399  neben  tiende  1,  61.  154;  negenste 
1,  166.  elefste  (undecimus)  1,  61.  152.  377.  Rein.  2259*)  findet  sich 
vifste  (quintus),  allein  im  Reim  auf  Mfie,  so  daß  wohl  t^/^  muss  ge- 
lesen werden.'  **). 

Hier  mögen  auch  die  Stellen  Raum  finden,  die  ich  aus  späterer 
Zeit,  aus  dem  Antwerpener  Liederbuch  beizubringen  weiß:  in  Oestmaerd 
den  sevensten  dach  VI,  6 ;  in  Jammrio  den  ochsten  dach  CLXXXTV,  8  ; 
endlich  mehrmals  tweeste  :  ha^r  tweeste  boelken  CLXXXVEII,  5;ffcfen 
tweesten  dach  CXCVII,  1 ;  de  tweetste  was  de  camenier  CCXVIII,  2,  — 
letztere  Form  dadurch  besonders  interessant,  weil  sie  beweist,  wie  tief 
die  Auffassung  der  Ordinalia  als  Superlative  wurzelte,  daß  man  dem 
erst  auf  der  Grenze  des  Mnl.  und  Nnl.  sich  entwickelnden  twede 
(s.  V.  Richthofen  Altfries.  Wb.  p.  1096)  auch  gleich  das  Superlativsuffix 
anheftete.  Ellefesten  schreibt  auch  der  jüngere  Brandan  2055.  2111 
bei  Blommaert  Oudvl.  Ged.  II). 


*)  Grimm  hat  später,  wohl  mit  Recht,  im  Text  des  Reinaert  2267  vifte  beibe- 
halten und  vifate  dem  Schreiber  zugewiesen  (Reinhart  Fuchs  p.  192).  Von  unserem 
Standpunct  aus  müssen  wir  aber  Act  davon  nehmen,  daß  der  Schreiber  der  Comburger 
Hs.  die  Form  vifate  brauchte.  Auch  führt  De  Vries  Woordenboek  der  nederlandsche 
taal  p.  762  vijfste  als  vorkommend  an,  freilich  ohne  Beleg. 

**)   In   der  Anm.    weist  Grimm   auch    auf  parallele  Stellen  in  oberrheinischen 
Quellen  hin. 


NIEDERLÄNDISCHE  EINWIRKUNGEN  etc.  421 

Wie  wir  in  Oberdeutschland  Formen  wie  zehenste  usw.  auf  das 
linke  Rheinufer  beschränkt  sahen  ^  so  werden  wir  uns  auch  außerhalb ' 
der  Niederlande  vergebens  nach  ihnen  umsehen.  Im  gesammten  Gebiet 
des  Mnd.  sind  sie  nicht  nachweisbar :  erst  in  der  Gegenwart  wird  das 
sporadische  Vorkommen  eines  cichteinste  in  Westfalen  und  Pommern 
constatiert  (s.  Kosegarten  Wb.  der  niederd.  Sprache  p.  50) ,  ähnlich 
wie  in  später  Zeit  in  bairischen  Quellen  ein  achteste  auftaucht  und  noch 
heute  anklingen  soll.  Auch  das  Nnl.  hat  sich  abwehrend  verhalten  und 
nur  die  Form  achtste^  aber  diese  ganz  und  ausschließlich  adoptiert. 
S.  De  Vries  Middelnederlandsch  Woordenboek  I,  17. 

Das  Alts,  hat  diesen  unechten  Superlativ  nicht,  wohl  aber  zeigen 
ihn  seit  Alters  einige  westfriesische  Mundarten  an  der  Ems  und  Hunse. 
Namentlich  sind  es  die  Ordinalien  von  15. — 19.,  welche  das  st  durch- 
gehends  aufweisen :  ßfiindestCj  ßßinste;  sextiensta^  sextendesta]  sogenten- 
destay  savntiensta\  achtiensta,  achtendesta\  niogentiensta ,  niogentendesta 
(s.  V.  Richthofcn  Altfries.  Wb.  p.  740.  1009.  1014.  587.  952);  ja  dieser 
Gebrauch  sitzt  noch  heute  in  den  genannten  westfriesischen  Mundarten 
fest  mit  der  Zähigkeit,  welche  die  Friesen  kennzeichnet  und  welche 
uns  eine  Bürgschaft  ist,  daß  wir  es  hier  mit  sehr  alten  Formen  zu  thun 
haben.  Die  genannten  Dialecte  und  das  Saterländische  haben  auch 
njoegensfe,  alfste,  toolfste  (ib.  952.  606.  1097)  in  Gebrauch. 

Man  kann  wohl  darüber  nicht  zweifelhaft  sein,  daß  die  Bildung 
der  superlativisch  geformten  Ordinalien  im  Norden  ihren  Sitz  hatte 
und  von  dort  ausgieng :  ein  friesischer  Dialect  war  es ,  der  zuerst  in 
das  Mnl.  eindrang  und  dann  später  am  Oberrhein  der  Mundart  seine 
exotischen  Formen  aufprägte.  Daß  diese  Wanderung  rheinaufwärts 
schon  ziemlich  fiüh  begann,  lehrt  uns  das  Vorkommen  von  sübenste 
schon  Ende  des  13.  Jhd.  (Griesh.  1,  136),  also  bald  nach  dem  ersten 
Auftreten  Maerlants ;  am  häufigsten  finden  sich  unsere  Formen  im 
14.  imd  15.  Jhd. :  später  scheinen  sie  auch  im  Niederländischen  er- 
loschen. 

Es  wäre  auffallend,  wenn  diese  Einwirkung  des  Niederländischen 
auf  die  elsässische  Mundart  auf  ihrem  Wege  nicht  sonst  noch  Spuren 
hinterlassen  hätte.  In  der  That  finden  sich  solche ,  wenn  auch  nicht . 
allzu  häufig,  in  Köln  wieder.  Das  Suchen  darnach  wird  zwar  einiger- 
maßen erschwert  durch  den  Umstand,  daß  die  Chroniken  und  Urkunden 
bei  den  Ordinalien  sich  meist  römischer  Ziffern  bedienen  :  wie  manches 
Mal  mag  ein  kölnischer  Chronist  sevenste  gesprochen  haben,  wenn  er 
VII.  schrieb.  Trotzdem  bin  ich  im  Stande,  wenigsten^  einige  derartige 
Formen  nachzuweisex^  und  zwar  vunffste  in  der  Cronica  van  der  hilliger 


422  CAitL  SCHRÖDEli 

stat  van  Coellen  fol.  19*;  sevenste  ib.  fol.  20"*;  zwelffste  in  einer  Kölner 
Hs.  der  sog.  Agrippina  in  Köln  (A.  III.  geschrieben  um  1470)  Bl. 
104";  echtsten  in  einer  kölnischen  Urkunde  v.  J.  1353  (bei  Lacomblet 
Urkundenbuch  für  die  Gesch.  des  Niederrheins  III  p.  421).  S.  auch 
sybenzehesten  und  siebenzehetsteme  bei  Ennen  Quellen  zur  Gesch.  d.  Stadt 
KölnIV66.38.  Der  Umstand,  daß  das  Deutsche  Wb.  1, 167  fiir  achteste  nur 
zwei  Belege  beizubringen  weiß,  beide  aus  dem  Diocletian^  gewinnt  damit 
flir  uns  eine  neue  Bedeutung :  man  erinnere  sich,  daß  der  Büheler  zu  Pop- 
pelsdorf  bei  Bonn  lebte  und  in  Diensten  des  Erzbischofs  von  Köln  stand, 
daß  wir  also  wohl  hier  die  Wirkung  der  kölnischen  Mundart  erkennen. 
Gesetzt  aber  auch,  man  wollte  für  die  genannten  Formen  den  Abschreiber 
verantwortlich  machen ,  so  bleibt  immer  das  gewiß ,  daß  die  der 
Edition  zu  Grunde  liegende  Hs.  in  Basel  geschrieben  ward:  rheinisch 
sind  also  die  beiden  achteste  in  jedem  Falle. 

In  noch  weiterer  Ausdehnung,  aber  eben  so  wenig  nachhaltig  in 
seiner  Wirkung  zeigte  sich  niederländischer  Einfluß  auf  die  Gestaltung 
eines  anderen  Ordinale,  nämlich  dritte^  mnl.  derde.  Die  Form  des  Alts, 
für  dieses  Zahlwort  ist  thriddi^  thrtddjo]  eine  etwaige  Mitwirkung  des 
Friesischen  ist  mindestens  nicht  nachweisbar,  denn  auch  das  Friesische 
hat  nur  thredda  (s.  Richthofen  a.  a.  O.  p.  1077) ;  eben  so  heißt  es  im  Ags. 
pridda  *).  Trotzdem  ist  schon  im  Beginn  des  13.  Jhd.  im  Mnl.  die  Form 
derde  im  imgestörten  Alleinbesitz  der  Sprache  und  ist  es:  auch  im  Nnl. 
geblieben. 

Wir  haben  oben  hervorgehoben,  daß  der  Gebrauch  des  st  bei 
Ordinalien  nicht  über  das  Rheingebiet  hinaus  nach  Osten  drang,  daß 
die  ganze  mnd.  Literatur  kein  Beispiel  eines  sevenste  usw.  aufweist. 
Dagegen  eroberte  sich  die  Form  derde  oder  dirde  ein  nicht  unbedeu- 
tendes Gebiet  auf  niederdeutschem  Boden.  Wohl  das  älteste  nachweis- 
bare Beispiel  dieser  Umstellung  der  Buchstaben  liefert  fiir  Niederdeutsch- 
land der  Sachse  —  wenn  er  auch  hochdeutsch  dichtete  —  Raumsland 
um  1250 :  die  Form  dirde  ist  durch  den  Reim  wirde  :  dwde  :  zimirde 
(MSH.  n  370**)  gesichert.  Seither  ist  derde  mit  der  mundartlichen  Schat- 
tierung dorde  und  darde  (Brem.-nieders.  Wb.  1,  185.  243)  über  ganz 
Niederdeutschland  verbreitet,  aber  wohlgemerkt  keineswegs  ausschließ- 
lich, sondern  nur  neben  drudde,  dridde:  wenn  z.  B.  Arnold  Immessen 


*)  Nur  das  Altnordhumbrische  zeigt  neben  pridda  auch  dirda,  doch  scheint  die 
Sprache  dieser  mundartlichen  Eigenthümlichkeit  keinen  Einfluß  gestattet  zu  haben. 
Im  Nags.  lautet  die  Form  pridde,  ebenso  im  Mengl.  thridde^  seit  dem  Nengl.  aber  mit 
aller  Entschiedenheit  third,  S.  Koch,  Historische  Gramm,  d.  engl.  Spr.  I  460  f. 


NIEDERLÄNDISCHE  EINWIRKUNGEN  etc.  423 

mit  Vorliebe  derde  schreibt,  —  und  wie  viel  mehr  begünstigte  der  de 
den  Reim  als  d/rudde,  namentlich  da  er  für  einen  Theil  seines  Gedichtes 
eine  mnl.  Vorlage  hatte !  —  so  brauchen  Ändere,  wie  auffallender  Weise 
namentUch  Reinke  de  Vos,  nur  drtdde. 

Anders  am  Rhein.  Schon  Gotfrid  Hagen  (1270)  brajicht  derde 
auch  ohne  Nöthigung  durch  den  Reim  (ed.  Groote  v.  618);  in  der 
Schreibung  dirde  findet  es  sich  als  herschende  Form  in  kölnischen 
Urkunden  des  14.  und  15.  Jhd.  (z.  B.  Lacomblet  a.  a.  O.  III 341.  381. 694. 
Ennen  und  Eckertz  Quellen  zur  Gesch.  d.  St.  Köln  I  109.  183.  184. 
186.  236.  278.  439  usw.) ,  derde  schreibt  auch  Christianus  Wierstraat 
im  J.  1497  (ed.  Groote,  S.  110).  Um  diese  Zeit  aber  findet  sich  schon 
wieder  neben  noch  vorwiegendem  derde  (Cronica  v.  d.  hill.  st.  v.  Coellen 
fol.  34^  39'.  42\  51**  usw.)  auch  ein  und  das  andere  dritte  (fol.  36'. 
43*.),  und  spätere  Chronisten  vom  Niederrhein  .schreiben  meist  dritte 
(Eckertz  Fontes  rerum  Rhenanarum  I  99.  102.  127.  II  16  usw.).  Der 
Theuthonista  ed.  ßlignett  (p.  81)  betrachtet  beide  Formen  als  gleich 
gebräuchlich :  de  dryde  of  derde  tercius. 

Im  Elsaß  kann  die  Umstellung  von  dritte  in  diHe,  oder  richtiger 
gesagt,  die  zu  hochdeutsch  dirte  zugestutzte  niederländische  Form  derde, 
schon  Ende  des  13.  Jhd.  in  einer  Straßburger  Hs.  im  Reim  dirte :  miüe 
(Graff  Diut.  1,  317;  s.  dritte,  nicht  im  Reim,  ebend.  321)  nachgewiesen 
werden ;  s.  Weinhold  Alem.  Gr.  §.  326  p.  309.  Eine  ungeahnte  Aus- 
dehnung aber  fand  die  Form  dirte  im  14.  und  .  auf  der  Grenze  des 
15.  Jhd. :  Closener  braucht  nur  ein  Mal  dritte  (StädtQchron.  VIII  p.  26, 
20)  neben  zahlreichen  di^rte ;  Königshofen ,  von  dem  ebenso  wie  bei 
Closener  das  Autographum  vorliegt,  schreibt  ganz  ausschließlich  dirte 
(a.  a.  O.  VIII.  IX).  Ein  Jahrhundert  später  scheint  drite  wieder  in  seine 
vollen  Rechte  eingetreten  zu  sein. 

Es  erübrigt  noch  die  Bemerkung,  daß  dieses  vlaemen  wieder  auf 
das  Elsaß  und  Basel  beschränkt  blieb.  Daß  sidh  in  der  bairischen 
Mundart  keine  Spur  davon  zeigt,  s.  bei  Weinhold  Bair.  Gramm.  §.  259. 

Wir  haben  bei  unserer  Darlegung  bisher  den  Mittelrhein  ganz 
außer  Acht  gelassen:  darüber  und  über  den  Mangel  an  hierher  gehö- 
rigen Belegstellen  noch  einige  wenige  Worte.  Ich  kann  für  das  Vor- 
kommen unserer  superlativischen  Ordinalform  vom  Mittelrhein  -r-  und 
hier  muß  natürlich  vor  allem  Mainz  in  Frage  kommen,  —  trotz  eifrig- 
sten Suchens  nur  ein  Mal  viertzeheste  bei  einem  Mainzer  Schreiber  nach- 
weisen (z.  J.  1486;  s.  Würdtwein,  Diplomataria  Maguntinensia  p.  545), 
—  gewiß  eine  schmale  Ausbeute..  Im  weiteren  Umkreise  von  Mainz 
sind  mir  noch  einmal  nunczeheste  und  ein  mit  einem  gewissen  Übermuth 


424  KARL  WSYWS, 

in  der  Formgebung  gebildetes  newnciehendigiste  begegnet,  beide  gleich- 
zeitig (1419)  in  zwei  Urkunden  des  Karthäuserklosters  Neue  Zelle  bei 
Grünau,  unweit  Lohr  am  Main  (Würdtwein  Diöcesis  Mogunt.  I  804. 
806).  Diese  Formen  könnten  allerdings  sehr  viel  beweisen:  sie  könnten 
nämlich  d^hun,  daß,  wie  der  Verkehr  auf  dem  Rhein  sich  nicht  auf 
das  große  Strombett  beschränkte,  sondern  auch  in  die  Nebenflüsse  und 
unter  ihnen  besonders  in  den  Main  eindrang,  ebenso  mundartliche  Ein- 
flüsse nicht  bloß  in  Köln  und  Straßburg  und  Basel  zur  Erscheinung 
kamen ,  sondern  sich  stark  genug  bewiesen,  bis  in  den  Main  vorzu- 
dringen und  dort  an  seinen  Ufern  fremde  Formen  abzulagern  und  der 
Sprache  mundgerecht  zu  machen.  Diesen  Beweis  aber  zu  liefern,  reicht 
bei  weitem  nicht  aus,  was  wir  an  Beispielen  beizubringen  vermögen. 
Vielleicht  daß  ein  anderer  als  ich  geschickter  im  Suchen  und  im  Finden 
glücklicher  ist.  Bis  auf  weiteres  werden  wir  daher  die  beiden  Super- 
lative der  erwähnten  Urkunde  als  versprengte,  allen  Zusammenhanges 
baare  Formen  anzusehen  haben*  Daflir  spricht  auch  in  beredter  Weise, 
daß,  was  wir  oben  über  d&i'de  und  dirte  ausgeführt  haben,  gleichfalls 
auf  den  Mittelrhein  keine  Anwendung  findet,  so  zwar,  daß  nicht  nur 
die  niederländischen  Formen  nicht,  wie  zeitweilig  am  Ober-  und  Nieder- 
rhein, die  herschenden  waren,  soödern  daß  sich  von  ihnen  selbst  dem 
suchenden  Blick  keine  Spur  bietet.  AuflFallend  ist  diese ,  wenn  auch 
unscheinbare  Thatsache  immerhin,  obwohl  es  vielleicht  voreilig  wäre, 
daraus  zu  schließen,  daß  die  zahlreichen  und  tiefgreifenden  commer- 
ciellen  und  geistigen  Interessen,  die  im  Mittelalter  am  Rhein  so  lebhaft 
und  reich  entwickelt  waren,  in  Mainz  ein  weniger  günstiges  Emporium 

gefimden  hätten  als  in  Straßburg  oder  Köln. 

LEIPZIG,  an  St.  Johanns  Abend  1870.  CARL  SCHRÖDER. 


DIE  LIEDER  KAISER  HEINRICHS  VL 


Die  Echtheit  der  in  der  Weingartner  und  der  Pariser  Lieder- 
handschrift unter  dem  Namen  Kaiser  Heiiirichs  überlieferten  Strophen 
hat  Simrock  gegen  etwanige  Zweifel  zu  schützen  gesucht.  (Vgl.  Kaiser 
Heinrich  der  Sechste  als  Liederdichter  in  Abels  „König  Philipp  der 
Hohenstaufe",  S*  286 — 294).  Simrock  hat  zugleich  nachgewiesen,  da(^ 
—  die  Berechtigung  der  Überlieferung  zugegeben  —  nur  an  Kaiser  Hein- 
rich VI.,  den  Sohn  Barbarossas,  könne  gedacht  werden.  Das  entgegen- 
gesetzte Bestreben,  dem  Kaiser  die  betreffenden  Strophen  Abzusprechen 
und  sie  als  namenlos   zu  verzeichnen,    hat  seinen  Vertreter  in  Moriz 


DIE  LIEDER  KAISER  HEINRICHS  VI.  425 

Haupt  gefunden;  vgl.  MSF.  S.  226-r-228.  Da  mir  die  Frage  auch  an 
letzterm  Orte  nicht  erledigt  zu  sein  scheint,  so  glaube  ich  etwas  nicht 
ganz  Überflüßiges  zu  unternehmen,  wenn  ich  ihre  Untersuchung  neuer- 
dings aufnehme. 

Haupts  erstes  Argument  stützt  sich  nicht  auf  die  handschriftliche 
Überlieferung,  sondern  auf  eine  Conjectur.  Die  Weingartner  Hs.  (B) 
liest  in  dem  ersten  *)  der  betreffenden  Lieder : 

wol  hcßher  danne  ricker    (C  riche) 

bin  ich  al  die  z% 

sd  sS  ffiietliche 

diu  guote  hl  mir  Ut 
Hinsichtlich  der  Attraction  eines  Positivs  durch  den  vorhergehen- 
den Comparativ  oder  des  Positivs  im  zweiten  Glied  hat  Haupt  die 
ohne  Zweifel  richtige  Regel  aufgestellt,  dali  dergleichen  nur  dann  mög- 
lich ist,  wenn  in  beiden  Fällen  dasselbe  Eigenschaftswort  oder  ein  syno- 
nymes vorliegt  (a.  a.  O.  S.  226).  Während  er  aber  nun  eine  Anwendung 
dieser  Regel  speciell  auf  den  vorliegenden  Fall  nicht  zugibt,  sondern 
statt  dessen  schreibt : 

wol  hoehef  dannez  rtche^ 
glaube  ich  im  Gcgentheil  gerade  an  dieser  Stelle  einen  neuen  Beleg 
zu  der  schon  von  ihm  aufgellten  Regel  und  ein  weiteres  Beispiel  zu 
den  schon  von  ihm  beigebrachten  gefunden  zu  haben.  Ich  sehe  nicht 
ein,  warum  die  beiden  Worte  hoch  und  riche'  durchaus  nicht  sollen 
können  synonym  sein.  Wer  reich  ist,  nimmt  in  der  Regel  auch  eine 
hohe  Stellung  ein,  und  umgekehrt  gilt  der  Hochgestellte  auch  meisten- 
theils  flir  reich.  Nicht  als  ob  man  die  beiden  Worte  in  jedem  einzelnen 
Falle  nach  Belieben  vertauschen  könnte ;  aber  überaus  zahlreich  sind 
doch  die  Fälle,  in  welchen  riche  weit  weniger  den  hinlänglich  mit  Geld 
versehenen  als  den  mächtigen  oder  den  vornehmen  bezeichnet,  am 
augenscheinlichsten  doch  wohl ,  wenn  von  Gott  selbst  die  Rede  ist 
(Iwein  5204,  5972;  Nib.  1497,  1;  1668,  4;  1793,  3  usw.;  damit  vgl. 
die  Worte  Walthers  von  der  Vogelweide  WR.  1,  6  ein  got  der  hdhe 
hSre  und  noch  Hartm.  Greg.  614;  Wolfr.  Parc.  12,  26  ;  vdH.  Ms.  H, 
219').  Es  darf  dabei  nicht  außer  Acht  gelassen  werden,  daß  das  Sub- 
stantiv riche  in  der  von  Haupt  beanspruchten  und  auch  sonst  nach- 
gewiesenen persönlichen  Bedeutung  von  König  oder  Kaiser  gerade  im 
Nominativ  sonst  nicht  vorkommt,  ein  Umstand,  aus  welchem  man  wohl 
mit  Recht  auf  ein  dem  goth.  i^eiks  entsprechendes  aber  verloren  gegan- 


*)  Ich  citier«  nach  der  Beihenfolge  in  MSF. 


426  KARL  METER 

genes  stm.  rieh  geschlossen  hat  (Mhd.  Wb.  11 ',  693a,  40  ff.;  vgl,  auch 
W.  Wackemagel,  Altdeutsches  Wb.,  S.  234a).  Von  diesem  Standpuncte 
aus  erscheint  Haupts  Conjectur  nicht  nur  tiberflüßig,  sqndem  sogar 
bedenklich.  Die  richtige  Lesart  hat  C  in  dem  Worte  riche  aufbewahrt, 
indem  die  Reinheit  der  Reime  in  den  zu  besprechenden  Liedern  die 
Lesart  von  B  von  vornherein  ausschließt. 

Sehen  wir  nun  die  zweite  Stelle  dieses  Liedes  an,  aus  welcher 
Haupt  dessen  Unechtheit  zu  beweisen  suchte.  Der  Dichter  legt  die 
betreffenden  Worte  seiner  Geliebten  in  den  Mund: 

ich  hän  den  Ivp  gewendet 

an  einen  ritter  guot 

da^  ist  alad  verendet, 

da:^  ich  hin  wol  gemuot. 
Das  Anstößige  soll  hier  darin  liegen,  daß  das  Mädchen  seinen  Ge- 
liebten nur  einen  ritter  guot  nennt,  während  derselbe  doch  zufolge  der 
handschriftlichen  Überlieferung  der  Kaiser  selber  war.  Indessen  auch 
hieftir  fehlt  es  nicht  an  ähnlichen  Stellen,  einmal  Nib.  948,  3.  Hagen 
hat  Siegfrieds  Leiche  in  der  Nacht  vor  Kriemhilds  Kemenate  legen 
lassen ;  frühmorgens  will  die  Königin  .  mit  ihren  Frauen  zur  Messe 
gehen,  da  ruft  ihr  ein  Diener  entgegen: 

'vrouwe,  ir  suU  stille  stdn: 
e^  Itt  vor  dem  gademe     ein  riter  tdt  erslagen! 
^ouw^j  sprach  vrou  KriemhiU,     'wa:^  wil  du  solher  masre  sagen  f 
Der  erschlagene  Ritter  ist  Siegfried ,    also  ein  Mann  von  königlichem 
Geblüt.  Ich  lege  gleichwohl  auf  diese  Stelle  kein  großes  Gewicht;   es 
wäre  ja  denkbar,    daß   der  Diener  den  Todten  nicht  sofort  erkannt 
oder  daß   er  aus  Schonung  fUr  seine  Herrin  den  Namen  absichtlich 
verschwiegen  hätte. 

Sicherer  ist  schon  eine  zweite  Stelle  des  Nibelungenliedes  152,  2. 
Liudger,  der  König  der  Sachsen,  und  Liudgast,  der  Dänenkönig,  haben 
den  Burgunden  den  Krieg  erklärt,    und  König  Günther  ist  in  Folge    • 
dessen  in  großen  Sorgen : 

dem  künege  in  sinen  sorgen    was  idoch  vil  leit, 
dd  sach  in  trürende    ein  riter  vil  gemeit. 
Aus  153,  1  geht  hervor,  daß  der  Ritter  wiederum  Siegfried  ist.    Was 
sich    auch    gegen   diese   Stelle    einwenden    lässt,    soll    indessen    nicht 
verschwiegen  werden  ;  es  ist  das  Abhängigkeitsverhältniss,  in  welchem 
Siegfried  zu  Günther  steht,    und  durch   welches  seine  hohe  Stellung  ' 
allerdings  einigermaßen  verdunkelt  wird.  Doch  deutet  das  zweite  Lied 
sonst  nirgends  ein  solches  Verhältniss  an,  vielmehr  wird  dasselbe  zu- 


DIE  LIEDER  KAISER  HEINRICHS  VI.  427 

erst  im  vierten  (375,  3)  erwähnt,  so  daß  diese  Einwendung  nur  für 
die  Gegner  der  Liedertheorie  von  Gewicht  sein  kann.  Jedesfalls  spricht 
die  Stelle  in  weit  höherm  Grade  flir  die  Möglichkeit ,  daß  ein  König 
sich  je  nach  Umständen  den  Titel  „Ritter"  beilegen  konnte,  als  dagegen. 
Vollkommen  sicher  ist  nun  aber  die  dritte,  ebenfalls  dem  Nibe- 
lungenlied entnommene  Stelle.  Es  ist  von  Brünhilds  Heldenstärke  die 
Rede,  mittelst  welcher  sich  dieselbe  lange  Zeit  hindurch  aller  Männer 
entledigt  hatte. 

327.  Da^  hete  diu  juncfrouwe  unmäi^en  vil  getan, 
da:^  vriesch  bi  dem  Rine  ein  rtter  wol  verstdn: 
'  der  wände  »ine  sinne  an  daz,  schoene  wvp  u.  s.  f. 
Hier  ist  der  Ritter,  der  allerdings  nach  324,  3  in  etwas  störender  Weise 
neu  eingeführt  wird,  Niemand  anders  als  Günther  selbst,  der  leibhaf- 
tige und  allgemein  anerkannte  König  der  Burgunden  *).  Und  es  ist  für 
die  hier  zu  erledigende  Frage  vollkommen  bedeutungslos,  daß  die  be- 
treffende Strophe  nicht  dem  ursprtlnglichen  volksmäßigen  Liede,  son- 
dern  einem  Uberarbeiter  angehört.  Haupt  hat,  wie  mir  däucht^  den 
Beweis  geleistet,  daß  das  erste  der  beiden  Lieder  unter  Umständen 
auch  einen  andern  Verfasser  als  den  Kaiser  Heinrich  haben  könnte; 
daß  aber  zwingende  Gründe  hiefUr  nicht  vorliegen ,  glaube  ich  zur 
Gentige  erwiesen  zu  haben.  Was  die  beiden  Strophen  MSF.  4^  35  bis 
5,  15  betrifft,  so  gehören  dieselben  allerdings  nicht  unmittelbar  zu  den 
beiden  vorhergehenden,  wohl  aber  gehören  sie  demselben  kaiserlichen 
Dichter  an.  Directe  Beweise  bieten  sie  indessen  nicht,  und  die  Behaup- 
tung J.  Grimms  (Germania  II,  479) ,  das  Wegreiten  könnte  auf  den 
'kühnen,  keine  rücksicht  nehmenden  besuch  eines  königssohns  gehn 
nimmt  sich  sehr  gezwungen  aus.  Wenden  wir  uns  nun  zu  dem  zwei- 
ten Liede. 

IL 

Es  ist  viel,  von  der  Krone  die  Rede  in  diesen  vier  Strophen,  und  ein 
moderner  Democrat  würde  sich  seiner  Geliebten  gegenüber  schwerlich 
so  ausgesprochen,  würde  überhaupt  schwerlich  so  empfunden  haben, 
wie  der  Verfasser  derselben. 

Der  Dichter  fühlt,  wie  das  Reich  ihm  unterthan  ist,  wenn  er  bei 
der  Geliebten  ist;  ist  er  von  ihr  geschieden,  so  ist  alle  seine  Macht 
dahin  (Str.  2);  er  will  lieber  auf  die  Krone  verzichten,  als  auf  sie  (Str.  3) ; 
wer  ihm  das  nicht  glaubt,    daß  er  auch,    ohne  noch  eine  Krone  auf 


►)  Vgl.  aucb  441,  1. 


428  KAEl.  MEYER 

sein  Haupt  zu  bekommen,    noch  manchen  lieben  Tag  leben  möchte, 
versündigt  sich  (Str.  4). 

Konnte  ein  Mann  wie  Heinrich  VI.  in  dieser  Weise  singen?  Haupt 
(a.  a.  O)  verneint  diese  Frage  entschieden.  Er  flihrt  eine  beträchtliche 
Anzahl  von  Stellen  aus  andern  Dichtem  an,  in  welchen  dieselben  er- 
klären, die  Geliebte  einer  ihnen  angebotenen  Krone  vorzuziehen.  Ich 
fuge  selbst  noch  eine  solche  bei,  welche  für  Haupts  Ansicht  zu  sprechen 
scheint,  Nib.  1614,  in  welcher  der  Spielmann  Volker  die  Tochter  des 
Markgrafen  Rüdeger  preist: 

'o6  ich  ein  vürste  wcere/  »prach  der  degen  sän, 
'und  solde  tragen  kröne,  ze  wtbe  wolde  ich  han 
iuwer  schcene  tohter:  des  wünschet  mir  der  nrnot, 
diu  ist  minneclich  ze  sehene,  dar  zuo  edel  unde  g^iotJ 
Genau  betrachtet  beweisen  indessen  sowohl  die  von  Haupt  ge- 
sammelten Beispiele  als  das  so  eben  aus  dem  Nibelungenlied  erbrachte 
nichts  flir  unsere  Strophen,  überall  in  jenen  wird  die  königliche  Würde 
oder  das  Tragen  der  Krone  nur  als  eine  neben  der  Geliebten  zur  Aus- 
wahl vorgelegte  Möglichkeit  hingestellt;  der  Sprechende  ist  nicht  wirk- 
lich ein  Fürst  imd  trägt  nicht  wirklich  eine  Krone;  wenn  ihm  aber 
einerseits  eine  solche  und  andererseits  der  Besitz  seiner  Herzenskönigin 
angeboten  würde,  so  würde  er  sich  entschieden  fllr  letztere  erklären. 
Anders  nun  an  unserer  Stelle.  Hier  ist  (Str.  2)  die  Fürstenmacht  nicht 
Bedingung,  sondern  Wirklichkeit,  freilich  so,  daÜ  der  Dichter  dieselbe 
nur  dann  empfindet  und  nur  dann  sich  ihrer  erfreut,  wenn  der  Besitz 
des  geliebten  Weibes  hinzutritt;  daß  seine  äußere  Macht  dahin  ist, 
sowie  er  von  letzterem  geschieden  ist.  Und  daß  es  nun  wij'klich  albern 
ist,  wenn  ein  König  bei  der  Geliebten  auf  diese  Weise" seines  König- 
thums  gedenkt,  scheint  doch  auch  mehr  als  zweifelhaft.  Wenn  er  es 
thäte,  nur  um  jene  zu  demüthigen  oder  um  sie  den  Abstand  zwischen 
sich  und  ihr  gehörig  empfinden  zu  lassen,  wäre  es  in  der  That  albern 
von  ihm.  Wenn  aber  ein  König  seine  Krone  nur  erwähnt,  um*  sie  im 
Vergleich  mit  der  Geliebten  herabzusetzen  und  um  dieser  zu  zeigen, 
wie  er  sie  höher  als  seine  Krone  schätze,  so  verhält  sich  die  Sache 
wesentlich  anders.  Ein  anderer  Dichter  konnte  andere  Gegenstände 
mit  der  Geliebten  vergleichen,  um  schließlich  dieser  den  Vorzug  zu 
geben;  aber  nur  ein  Fürst  konnte  sein  Königthum  in  der  Weise,  wie 
es  hier  geschieht,  drei  Strophen  hindurch  seiner  Auserwählten  gegen- 
über als  das  geringere  Kleinod   gegenüber  dem  großem   erwähnen*). 

*)  Auch  J.  Grimm  (Germania  II,  480)  sieht  in  der  Wiederholung  das  entschei- 
dende Moment 


DIE  LIEDER  KAISER  HEINRICHS  VI.  429 

Auch  in  diesem  Gedichte  also  sind  es  die  triftigem  und  bessern  Gründe, 
welche  für  die  Glaubwürdigkeit  der  handschriftlichen  Überlieferung 
sprechen. 

ni. 

Und  an  wen  sind  nun  die  beiden  Lieder  des  Königs  gerichtet? 
An  Heinrichs  Gemahlin  Constanzia  sicherlich  nicht;  denn  einmal  war 
diese  zehn  Jahre  älter  als  ihr  Gemahl,  und  die  ganze  Heirath  war 
lediglich  ein  Act  der  Politik  gewesen;  zweitens  hätte  gerade  ihr  gegen- 
über die  Erwähnung  der  Krone  am  allerwenigsten  Werth  gehabt,  da 
Constanzia  selbst  die  Erbin  des  blühenden  Normannenreiches  in  Unter- 
italien war.  Die  Geliebte  des  Königs,  welcher  diese  Herzensergüsse 
gelten,  gehörte  ohne  Zweifel  einem  niedrigem  Stande  an.  Und  war 
dieselbe  eine  Nebenbuhlerin  der  rechtmäßigen  Königin,  oder  haben  wir 
es  mit  einer  Jugendliebe  zu  thun,  welche  der  Vermählung  deö  Jahres 
1186  vorangieng?  .Undenkbar  wäre  der  erstere  Fall  an  und  für  sich 
nicht,  wahrscheinlicher  aber  doch  der  letztere. 

Betrachten  wir  einmal  die  SchluÜzeilen  der  letzten  Strophe ;  der 
Dichter  spricht  sich  in  denselben  folgendermaßen  aus: 
verlwre  ich  si,  wa^  hete  ich  dannef 
da  tökte  ich  ze  vräuden  noch  vnbe  noch  mannej 
und,  wcere  mtn  bester  trdst  beidiu  ze  ähte  und  ze  banne. 
Im  Munde  eines  Kaisers,   und  zumal  Heinrichs  VI.,  sollen  sich  diese 
Worte  seltsam  ausnehmen.    Indessen  die  Möglichkeit,  mit  dem  Banne 
belegt  zu  werden,  war  bekannthch  für  den  Kaiser  jederzeit  vorhanden. 
Und  was  zweitens  die  Acht  anbetrifft,  so  zwingt  uns  ja  Niemand  zu  der 
Annahme,    daß  Heinrich  diese  Strophen  als  Kaiser  gedichtet  und  ge- 
sungen habe.     Sehen  wir  uns  in  Kürze  die  Hauptmomente  seines  Le- 
bens an. 

Heinrich  war  im  Jahre  1165  geboren*),  und  schon  als  vierjäh- 
riger Knabe  erhielt  er  1169  zu  Aachen  die  deutsche  Königskrone**). 
Seine  Vermählung  mit  Constanzia  erfolgte  zu  Mailand  im  Jahre  1186, 
als  der  junge  König  einundzwanzig  Jahre  zählte;  die  Kaiserkrone  end- 
lich wurde  ihm  in  Kom  am  Osterfeste  des  Jahres  1191  zu  Theil***). 
Als  Kaiser,  also  nach  dem  13.  April  1191,  konnte  er  allerdings  nicht 
wohl  in  der  Weise  von  der  Acht  sprechen,  wie  es  in  der  oben  er- 
wähnten Zeile  geschieht.     Als  König  aber,    und  so  lange  sein  kaiser- 


*)  Toeche,   Kaiser  Heinrich  VI,  S.  27.        *•)  Ebend.   S.  27.    *    ***)  Ebend. 
S.  189,  190. 


430  KARL  MEYER,  DIE  LIEDER  KAISER  HEINRICHS  VI. 

lieber  Vater  noch  am  Leben  war,  durfte  er  sich  wohl  so  ausdrücken ; 
beweist  doch  das  Beispiel  seines  gleichnamigen  Enkels ;  was  fUr  ein 
Schicksal  selbst  ein  deutscher  König  zu  erwarten  hatte,  wenn  er  dem 
Kaiser  gegenüber  unbotmäßig  war.  Daß  übrigens  dergleichen  nur  mög- 
lich war,  wenn  beide  Würden  nicht  in  einer  Person  vereinigt  waren, 
versteht  sich  von  selbst.  Übrigens  stand  die  Acht  dem  mhd.  Sprach- 
gebrauche  gemäß  durchaus  nicht  dem  Kaiser  allein  zu,  am  allerwenig- 
sten in  der  mehr  oder  weniger  formelhaften  Verbindung,  wie  sie  die 
angeflihrte  Stelle  bietet  (vgl.  Mhd.  Wb.  I,  18). 

Also  Kaiser  Heinrich  VI.  ist  der  Verfasser  der  besprochenen 
Lieder,  wenigstens  so  lange  deren  Echtheit  nicht  mit  triftigem  Grün- 
den bestritten  wu*d.  Und  gedichtet  hat  er  dieselben  vor  dem  Jahre  1191, 
höchst  wahrscheinlich  auch  vor  dem  Jahre  1186,  also  noch  in  jungen 
Jahren ;  für  jene  Zeit  imd  ftlr  einen  bekanntlich  frühreifen  Menschen 
hat  diese  Annahme  nichts  befremdliches.  Hingegen  dient  dieselbe  end- 
lich einer  auch  noch  zu  besprechenden  Stelle  des  zweiten  Liedes  zur 
Erläuterung.  Es  heißt  nämlich  in  der  dritten  Strophe  desselben: 

er  sündet  sich  sioer  des  nikb  geUmbet, 

ich  möhte  geleben  mangen  liehen  tac^ 

obe  joch  niemer  kröne  kceme  üf  min  houbet. 
So  konnte  Heinrich  besonders  wohl  singen,  da  er  die  deutsche  Königs- 
krone schon  seit  seinem  vierten  Jahre  trug,  die  römische  Kaiserkrone 
aber  noch  zu  erwarten  hatte.  An  und  ftir  sich  hätte  ein  Anderer  sich 
auch  so  äußern  können;  aber  im  Zusammenhange  mit  den  übrigen 
Stellen  des  Liedes,  an  welchen  ebenfalls  von  der  Krone  die  Rede  ist, 
betrachtet,  gewinnt  diese  Stelle  eine  ganz  andere  Bedeutung. 

Daß  es  bei  der  nach  Ständen  gruppierten  Reihenfolge  der  Dichter 
der  Pariser  Hs.  deren  Schreiber  lieb  sein  musste,  mit  einem  Kaiser 
den  Anfang  machen  zu  können,  ist  an  und  ftir  sich  schon  richtig.  Es 
geht  aber  daraus  noch  nicht  hervor*),  daß  darum  der  Name  des  be- 
treffenden Kaisers  nur  willkürlich  ersonnen  oder  in  Folge  flüchtigen 
Durchlesens  der  Lieder  aus  diesen  selbst  entnommen  ist.  Wäre  uns 
der  Name  nur  in  dieser  Handschrift  überliefert,  so  hätte  dieser  Schluß 
einige  Berechtigung.  Lidessen  dieWeingartner  Hs.  hat  den  Namen  auch, 
und  es  muß  also  derselbe  auf  älterer  Überlieferung  beruhen.  Die  Frage 
endlich,  ob  bei  einem  Character  wie  bei  dem  Heinrichs  die  Möglich- 
keit minnesängerischer  Thätigkeit  überhaupt  anzunehmen  sei  oder  nicht, 
hat  Haupt  selbst  (a.  a.  O.  S.  227)  bejahend  beantwortet. 


*)  So  versteht  das  literarische  Ceutialblatt  die  Sache.  Jahrg.  1858,  Sp.  155. 


FRIEDRICH  KEINZ  q.  FRANZ  WIESER,  ZU  NEIDHARDS  LIEDERN.    431 

Es  Sind,  wie  Jeder  leicht  sehen  wird,  weniger  einzehie  unwider- 
legliche und  schlagende  Gründe,  als  das  Zusammenwirken  mehrerer 
und  die  Mangelhaftigkeit  der  bisher  angeftlhrten  Gegengrttnde ,  auf 
welche  die  Vertheidiger  der  Überlieferung  sich  stützen  müssen. 

BASEL,  Mäns  1870.  KARL  MEYER. 


ZU  NEIDHARDS  LIEDERN. 


I. 

In  geiner  Ausgabe  des  Neidhard  bringt  M.  Haupt  S.  115  die  Um- 
bildung eines  Neidhardischen  Gedichtes  zum  wiederholten  Abdruck^ 
welches  zuerst  Docen  in  Arnims  Trösteinsamkeit  1808  Nr.  19  aus  einer 
Handschrift  veröffentlicht  hatte.  In  den  dabei  ausgesprochenen  Tadel, 
daß  Docen  'nach  seiner  Art  die  Handschrift  nicht  näher  bezeichne', 
kann  ich  aus  vollem  Herzen  einstimmen,  da  mir  die  Auffindung  von 
Docens  Quellen  in  manchen  Fällen  schon  ungemein  viel  Zeit  gekostet 
hat.  Obiges  Gedicht  nun  findet  sich,  wie  sich  bei  der  ftlr  nächsten  Band 
des  Handschriftencataloges  in  Gang  befindlichen  Beschreibung  der  be- 
treffenden Codices  herausgestellt  hat,  in  der  Papierhandschrift  (193  Bll. 
in  4",  XV.  J.)  Chn  35t6.  Dieselbe  enthält:  Bl.  1  Nicolai  de  Dinkels- 
bühl tractatus  de  penitentia;  Bl.  84  eiusdem  sermones  de  oratione  do- 
minica;  Bl.  113  Sermones  varii  inter  quos  unus  de  s.  Udalrico  et  eins 
miraculis.  Mit  Bl.  170*  scheint  die  Handschrift  ursprünglich  abge- 
schlossen zu  haben;  BL  171'  beginnt  eine  ganz  andere  Hand;  Bl.  182 
erzählt  ein  Cunradus  Smid  im  J.  1453,  wie  die  Hussiten  das  Haus 
seines  Vaters  Albertus  in  Smeistat,  Eichstäter  Diöcese,  vergeblich  zu 
verbrennen  suchten  (Mirakel  St.  Ulrichs) ;  Bl.  170^  ist  die  ganze  Seite 
zur  Eintragung  obigen  Gedichtes  benützt.  Überschrift  fehlt,  obwohl 
Zeilen  daftlr  gezogen  sind.  Die  Strophen  sind  numeriert  und  abgesetzt, 
die  Verszeilen  nicht.  Die  Orthographie  hat  Docen  durchaus  willkürlich 
geändert,  indem  er  sogar  ganz  moderne  Schreibweisen  wie  sommef'j 
noth,  gott,  soUte  gegen  die  Handschrift  anwendete.  Ein  genauer  Ab- 
druck dürfte  sich  daher  rechtfertigen.  In  demselben  sind  nur  die  Ab- 
kürzungen für  er  und  en  aufgelöst,  die  Zeilenabtheilung  ist  nach  Haupt 
gegeben,  ebenso  die  Interpunction;  die  Hs.  hat  nur  einige  Puncte. 

1     Der  arge  winter  wil  von  hinn,  sij  sind  befallen  mit  des  maien  tawe. 

dij  blümlin  auf  der  haide  der  prech  wir  zwai  ain  krenczelein' 

dij  sind  gel  prawn  vnde  rot,  sprach  sich  ain  schöne  janckfrawe. 

mein  höstw  ägel  waide.  2  Der  süzze  sumer  wil  yns  kamen, 


432 


FRIEDRICH  KEmZ  n.  FRANZ  WIESER. 


der  wald  hat  sich  helawbet. 
vil  laut  so  ruft  ain  gailw  magt 

meiner  sinn  bin  ich  berawbet. 
ich  bin  beladen  gar  mit  sender  swere^ 
der  ich  disen  somer  lang 
mit  fugen  wol  enbere'. 

Saga  du  mir,  gut  töchterlein, 
waz  sind  dij  fremden  swere? 
mich  tnnckt  wol  wie  du  leidest  not 

an  deiner  varbe  schöne, 
mich  hat  ain  stolczer  rewter  vmbe- 

fangen'. 
sagij  (so)  du  mir,  gut  töchterlin, 
ist  dirs  nit  anders  ergangen:  ?* 
^Nainas  (so),  liebes  müterlin, 
als  ichs  gemerken  künde, 
do  kust  er  mich;  des  tragen  ich 

ain  wort  von  seinem  (e)  munde, 
er  tett  mir  als  man  tuot  den  werden 

weihen ; 
er  fürt  mich  in  sein  kemerlein, 
da  begund  er  beij  mir  beleiben 
Dij  weil  auch  dij  er  beij  mir  was 
MÜNCHEN. 


ff 


er  schwur  beij  seinen  ayde 
weger  wer  mir  ain  schneller  tod 

dann  vnss  baider  schaiden." 
er  besiezt  mein  hercz  vnd  berawbet 

mich  aller  sinne.' 
^töchterlein  daz  sei  got  geklagt; 
dich  berüret  mannes  minne. 

*Ach  du  libes  mütefUn, 
nun  hastus  wol  beschÖnet. 
was  sölt  mir  ain  fremdes  tun, 
so  du  mich  selber  hünest? 
er  ist  mir  lieb  tu  erfrewet  als  mein 

gemüte. 
dij  liebe  dij  wir  zeinen  (zemen?)hawn 
dij  müss  vns  got  behüte. 

Ich  will  tun  was  er  mich  haist, 
wil  folgen  seiner  lere. 
Rosental  ist  er  genant; 

er  jst  ain  fein  geselle ; 
er  kan  wol  dinen  den  vil  werden 

weihen, 
'ach  du  libes  tÖchterlin, 
so  sold  du  beij  jm  beleiben. 

FRIEDRICH  KEINZ. 


II. 

Die  Sterzinger  Miscellaneenhandschrift  (vgl.  Zingerles  Bericht 
über  dieselbe,  Wien  1867)  enthält  auf  Bl.  52  ff.  Neidharts  Lied  73,  24 
bis  75,  14.  Der  Text  stimmt  am  meisten  mit  c,  weicht  aber  häufig 
auch  von  dieser  ab. 

1  Summer  deiner  suzzen  wunne  müssen  wir  uns  anen, 
seit  uns  der  arge  winter  niht  wann  senes  trawren  geit. 
des  pleib  ich  ungetrostet  von  der  rainen  wolgetanen, 
wie  sol  ich  vertreiben  dise  swäre  lange  zeit, 

die  die  haide  velbet  und  manig  plümli  wolgetan? 

davon  sein  die  ?ogelin  in  dem  velde  des  betzwungen  das  sie  ir  singen 

müzzent  lan. 

2  Also  hat  die  liebe  mir  daz  hercze  mein  petwungen, 
das  ich  one  frewde  muss  verswenden  meine  tag. 
mich  vevahet  (so)  nit,  was  ich  ir  lange  hau  gesungen, 
es  ist  ncwr  alss  mer,  das  ich  newr  stille  von  ir  dag. 
tzwar  ich  glawb  nit,  das  sy  den  mannen  ymmer  werde  holt. 

wir  Verliesen,  was  wir  da  gesingen  und  gerawnen,  ich  und  gener  hildepolt. 

3  Der  ist  nw  der  twmest  untter  den  geilen  getelingen, 
einen  nennet  man  den  jungen  hildeger. 

die  chund  ich  disen  ganczen  snmer  nye  von  ir  verdringen, 


zu  NEIDHARDS  LIEDERN.  433 

wa  er  tanczt  des  abentz  auff'der  Strassen  ging  entwer. 

mangen  zwechen  öden  plick  wurffen  sie  mich  mit  awgen  an, 

do  ich  meiiis  guten  willen  sunder  etwen  für  die  torper  muste  gan. 

4  Odeelichen  wart  zu  ir  auff  meinen  tracz  gesprungen, 
irs  gelesses  bin  ich  vom  in  meinem  schöpfen  gra« 

awe  das  mich  so  manger  von  lieber  stat  hat  verdrungen, 
paide  von  der  gütn  und  auch  wielend  anderswa. 
yedoch  so  neyget  mir  die  schöne  über  des  Schildes  rant, 
gern  mugt  ir  hörn,  wie  die  torper  seint;  upicUch  ist  gewant. 

5  Enge  rocke  tragens  under  smalen  schapperawnen, 
rotte  hüte,  rinckelehte  schwhe,  swarcze  hosen. 
Engelmayr  der  tet  mir  alss  lejde  an  friderawnen, 
alss  di  zwene  taten  mit  den  pfelleleinen  pfosen, 

die  sie  trwgen.  da  was  in  ein  wurcz,  die  heizzet  ingewere. 

hildepolt  der  pot  der  schonen  eine  pey  dem  tancze;  die  gezukt  ir  Willeger. 

6  Sagt  ich  ew  die  mer,  wie  siz  under  einander  schwffen, 
des  enweiss  ich  nit;  ich  schiet  von  dannen  so  zehant. 
manielichen  hört  ir  lewte  seinem  frewnte  ruffen. 
einen  hört  ich  schreien:  hilf  gevatter  weigant. 

der  was  leiht  in  notten,  do  er  also  lawt  nach  hilffe  schrey. 

hildepoltes  swester  hört  ich  ainest  lawte  schreyen:  we  mir  meines  prüder  we. 

7  Ein  gailer  geteling  der  kom  geloffen  von  dem  streite, 
den  fragt  ich  der  mere,  welher  da  mit  allen  streit, 
hildepoldes  schapperawne  der  wart  zerzerret  weite, 
und  sein  enger  rock  paz  danne  zweyer  spanne  prait. 

das  was  von  der  wurcze,  die  im  die  schon  auss  der  hande  prach. 
des  engalt  vil  mange  spähe  hawben,  die  man  bey  dem  tancz  da  erzerret 

ligen  sach. 

8  Clingelote  sporn  treit  mir  fridepreht  zu  laide, 
spangelote  gürtel  paz  dann  einer  hande  preit, 
striche  für  das  affterraife  niden  an  der  schaide, 
lieben  frewnte,  mercket,  das  ist  meines  herczen  lait, 
zewht  er  die  hantschüh  an  den  elenpogen  hoch. 

gern  mügt  ir  hören,  wie  derselbe  torperl  von  dem  streite  ab  der  gassen  floch. 

9  Wa  pey  sol  man  mein  gepläcze  nw  hin  für  erkennen? 
ee  pevor  do  chant  man  mich  so  wol  zu  rewental. 

do  Von  solte  man  mich  noch  zu  allen  rechten  nennen; 
aygen  und  dy  hüben  seint  gemessen  mir  czu  smal  *). 
chinder  haizzet  ew  den  singen,  der  sein  nw  geweidig  sey; 
ich  pin  vertrwngen  gar  an  meine  schulde;  lieben  frewnde  macht  mich 

des  namen  frey. 
10     Meiner  veinde  wiUen  der  ist  nit  an  mir  ergangen; 
wolde  got,  so  mohte  meiner  sorgen  werden  rat. 
ich  kom  gen  osterreich  gevam;  do  wart  ich  schon  enpfangen; 
got  Ion  dem  fursten^  der  mich  also  wol  behawset  hat. 
da  cze  medling  siez  ich  sicher  under  meiner  veinde  danck. 


*)  imdl  fehlt  in  der  Hs. 

QBRUANIA.  Nene  R«ih«  JH.  (XV.)  Jahrg.  29 


434  BEINHOLD  B£GHST;BIN 

mir  ist  leide»  das  ich  czn  rewental  von  gamppen  und  von  eppen  ye  so 

vil  gesangk. 
11      Neithart  uns  hat  hie  gelazzen,  also  die  kra  den  stecken,, 
di  da  flewget  hinnen  und  siezt  auff  die  sat. 
niemant  sol  mit  seiner  schonen  frawen  mit  im  zecken, 
wann  sie  doch  der  warn  schul  keine  von  im  hat, 
wann  das  wissen  jung  und  alt,  das  sie  doch  hat 'schaden  genug; 
lazzet  hildepolden  mit  gemache ;  es  was  ein  ajchel,  die  er  im  dem  pewtel  trug. 

INNSBRUCK.  FRANZ  WIESER 


ZU  WALTHERS  VOCALSPIEL. 


Walthers  schönes  Lied  Diu  werU  was  gelf  rdt  unde  blä  wurde 
zuerst  in  den  Anmerkungen  (S.  180.  181)  zum  ersten  Theile  von  Sim- 
rocks  Übersetzung  (1833)  ein  ^Vocalspiel*  und  dann  mit  wechselndem 
Ausdrucke  ein  'ReimspieF  genannt.  Pfeiffer  gab  dem  Gedichte  in  seiner 
Ausgabe  (Nr.  2)  zur  Bezeichnung  des  Inhaltes  die  XJberschrifk  *Winters- 
überdruß',  was  die  folgenden  Auflagen  beibehalten,  und  nannte  es  in 
der  Vorbemerkung  'ein  Reimspiel  mit  den  fünf  Vocalen  .  Bei  Wilmanns 
heißt  das  Lied  (60,  1)  *Winterklage',  und  bei  Simrock  in  seiner  Text- 
ausgabe (Nr.  118)  ist  die  frühere  Bezeichnung  'Vocalspiel'  gewählt. 
Dieser  letztere  Titel  'Vocalspiel',  wenn  er  auch  des  Liedes  Inhalt  nicht 
berührt,  scheint  mir  der  passendste.  Der  Inhalt  tritt  bei  diesem  Spiel 
zurück ;  es  könnte  der  Hui^ior  sich  ebensogut  auf  einen  andern  Gegen- 
stand gerichtet  haben.  Der  Ausdruck  'Reimspier  ist  zu  allgemein, 
nicht  treffend  genug.  Bei  'Vocalspiel*  wissen  wir  sogleich,  welches  Lied 
gemeint  sei,  da  uns  nur  dies  eine  vollständige  von  Walther  erhalten  ist. 

Zacher  hat  es  in  seiner  Recension  der  Pfeiffer'schen  Ausgabe 
(Jahns  Jahrbücher  Jahrg.  1865,  2.  Abth.,  92.  Bd.,  S.  459)  scharf  ge- 
tadelt, daß  der  Leser  durch  den  Herausgeber  und  Erklärer  auch  nicht 
die  geringste  Auskunft  erhalte,  unter  welche  Gattung  dieses  Gedicht 
Nr.  2  zu  zählen  sei.  Mit  Beziehung  auf  Lachmanns  lakonische  Ver- 
weisung Vgl.  Lichtenstein  S.  443'  sucht  Zacher  nachzuweisen,  daß  das 
Lied  keineswegs,  wie  es  Simrock,  Rieger  und  Pfeiffer  wegen  seines 
einfachen  Strophenbaues  gethan,  unter  die  frühesten  Gedichte  Walthers 
zu  stellen  sei,  da  ja  der  jüngere  Liechtensteiner  ein  ganz  ähnlich  ge- 
bautes, wenn  auch  nicht  alle  Vocale  durchreimendes  Lied  verfasst  habe. 
Dieses  Lied  nenne  Ulrich  selbst  eine  tanzunse;  wir  könnten  also  daraus 
entnehmen^  daß  wir  auch  in  diesem  Waltherischen  Gedichte  ein  ^Tanz- 


zu  WALTHEBS  VOCALSPIEL.  435 

lied*  vor  uns  haben*).     Ein  solches  Tanzlied  könne  von  Walther  an 
jedem  Orte  und  zu  jeder  Zeit  gedichtet  sein. 

Pfeiffer  benutzte  fiir  die  zweite  Auflage  seines  Walthers  diese  Er- 
innerung nicht;  ebensowenig  Bartsch  flir  die  dritte.  Wilmanns  ,  der 
weiteren  Ausführung  Zachers  zustimmend,  sucht  des  Liedes  Entstehung 
in  Meißen**);  somit  ßült  es  nicht  in  die  früheste  Zeit  des  Dichters. 
Dagegen  schweigt  Wilmanns  ebenso  wie  der  getadelte  Pfeiffer  voll- 
ständig tlber  Form  und  Fassung  des  Liedes,  während  er  doch  sonst 
auf  die  Tanz  weisen  bei  Walther  aufmerksam  macht.  Wenn  er,  was 
vermuthet  werden  darf,  mit  Zachers  Annahme  einer  tanztoüse  auch  nicht 
übereinstimmte,  so  hätte  er  doch  die  sentimentale ^  dem  jovialen  Cha- 
rakter des  Gedichtes  wenig  entsprechende  Überschrift  *  Winterklage'  ver- 
meiden sollen. 

Das  Vocalspiel  ist  bekanntlich  von  Ulrich  von  Singenberg  und 
von  Rudolf  dem  Schreiber  parodiert  worden.  Letzterer  kann  nur  nach 
Hagens  Minnesingern  citiert  werden;  fiir  die  Verweisung  auf  Ulrich 
aber  würde  es  vortheilhaft  sein,  wenn  in  den  Ausgaben  künftig  auch 
die  den  weiteren  Kreisen  zugänglichere  Ausgabe  von  Wackemagel  und 
Rieger  berücksichtigt  würde. 

Eine  dritte,  in  den  Ausgaben  nicht  genannte  Parodie  findet  sich 
in  dem  einem  Seyfried  Helbling  zugeschriebenen  Gedichte,  und  zwar 
bildet  sie  dort  das  12.  Büchlein  (Haupts  Zeitschrift  4,  208).  Ich  fand 
bis  jetzt  nur  einmal  auf  diese  Parodie  des  Walther'schen  Vocalspiels 
hingewiesen  in  einem  anziehenden  Aufsatze  Ernst  Martins  über  dieses 
flir  die  Culturgeschichte  Österreichs  wichtige  Gedicht,  der  betitelt  ist: 
„Ein  österreichischer  Satiriker  aus  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts"  in 
den  Grenzboten  27.  Jahrg.  (1868)  L  Sem.  L  Bd.  S.336***).  Seltsamer- 
weise hat  Karajan  in  seinen  Anmerkungen  diese  Parodie  mit  Still 
schweigen  übergangen. 

Während  die  Parodieen  Ulrichs  und  Rudolfs  durchaus  dem  Stro- 


*)  Hier  braucht  Zacher  die  Ausdrücke  tanzwtse  und  tanzlitt  synonym,  was  auch 
sonst  von  andern  geschieht.  Wird  dadurch ,  namentlich  wenn  die  Ausdrücke  in  die 
moderne  Sprache  herübergenommen  werden,  das  wirkliche  Verhältniss  nicht  verwischt? 
Ist  jedes  Tanzlied  eine  Tanz  weise,  so  ist  nicht  jede  Tanzweise  auch  ein  Tanzlied. 

*^)  Für  Meißen  ließe  sich  auch  noch  geltend  machen,  daß  eine  Anzahl  Reime 
vorkommen,  die  nur  mitteldeutsch  sind  durch  Apocope  des  h  oder  eh.  Es  wurde  viel- 
leicht  dem  Dichter  die  spasshafte  Aufgabe  gestellt,  mit  den  Mitteln,  die  der  meißnische 
Dialect  an  die  Hand  gab,  sich  In  einem  Vocalspiel  zu  versuchen. 

***)  Nachträglich  muss  ich  bemerken,  daß  auch  in  Martins  Recension  der  Wal- 
therausgabe von  Wilmanns  in  den  Heidelberger  Jahrbüchern  62.  Jahrg.  (1869)  S.  917 
auf  das  „religiöse  Vocalspiel  beim  sogenannten  Helbling  XU  aufmerksam  gemacht  ist. 

29* 


436  REINHOLD  BECHSTEIN 

phenbau  des  Vorbildes  folgen^  abgesehen  von  dem  Rhythmus  der  3. 
und  5.  Zeile,  die  bei  ihnen  wie  die  andern  jambisch,  bei  Walther  aber 
Ixochäisch  sind*),  hat  der  österreichische  Dichter  die  siebenzeilige  Strophe 
zu  einer  zehnzeiligen  erweitert,  deren  vorletzter  Vers  reimlos  ist.  Daß 
wir  aber  trotz  dieser  Formveränderung  eine  wirkliche  Parodie  Wal- 
thers vor  uns  haben,  beweisen  einzelne  Wendungen  und  Reminisoenzen. 

Die  drei  Parodien  sind  zunächst  wichtig  und  interessant  in  litte- 
rarischer Hinsicht.  Auch  sie  zeigen  uns  den  anregenden  und  nachhal- 
tigen Einfluß  von  Walthers  Dichterthätigkeit.  Dann  aber  geben  sie  uns 
auch  ein  Bild  von  der  fortschreitenden  Umwandelung  des  Inhaltes  und 
der  Stimmung,  welche  die  ursprünglich  anmuthige  und  scherzende  Form 
nicht  hindern  konnte.  Ulrichs  Gedicht  ist  noch  ziemlich  frisch  gehalten; 
Rudolf  schlägt  schon  einen  sentimentalen  Ton  an,  und  der  Österreicher 
wendet  das  humoristische  Liedchen  Walthers  geistlich,  aus  dem  rei- 
zenden Vocalspiel  ist  ein  geschmacklos  spielendes  Bußlied  geworden.  — 
Femerhaben  dieParodieen  deshalb  einen  Werth,  weil  sie  uns  in  einzelnen 
Fällen  eine  Stütze  gewähren  filr  die  Wahl  und  die  Erklärung  des  Textes. 

Zacher  bemerkte  in  der  genannten  Recension,  das  ganze  Gedicht 
Walthers  sei  so  leicht  verständlich,  daß  es  überhaupt  keiner  Erklärung 
bedürfe,  bis  auf  die  Verse  18  und  35.  Ich  glaube,  daß  die  Erklärungs- 
bedürftigkeit sich  noch  weiter  erstreckt,  und  daß  fiir  einzelne  schon 
öfter  besprochene  Verse  noch  mehr  als  bisher  zu  thun  ist. 

Vers  18  bei  Lachmann,  Wackemagel-Rieger,  Pfeiffer,  Simrock  = 
Vers  17  bei  Wilmanns  (S.  92  Einl.:  ich  habe  die  Umstellung,  an  die 
Lachmann  dachte  ['gehört  diese  Zeile  hinter  die  folgende?']  vollzogen)**): 
der  vrirdersorge  (C  des  vnntera  sorge)  hän  ick  dri  nach  A  übereinstim- 
mend in  allen  Ausgaben. 

Die  Erklärung  von  Pfeiffer:  „die  Sorge,  die  der  Winter  mir  ver- 
ursacht, ist  dreifach"  (ebenso  in  der  2.  u.  3.  Auflage),  übergeht  zunächst 
eine  grammatische  Schwierigkeit  (der  vnntersorge)  und  lässt  dr^  =  drei- 
fach erscheinen.  Das  letztere  erwähnt  Zacher  in  seiner  Recension  nicht, 
sondern  tadelt  nur  die  Übergehung  einer  grammatischen  Schwierigkeit 
und  setzt  hinzu:  „Was  sagen  denn  nun  darüber  die  'dürftigen  Anmer- 
kungen Lachmanns?  Diese  verweisen  uns  auf  die  Anmerkung  zu  Iwein 
V.  554,  und  dort  lesen  wir:  'In  fremden  Wörtern,  wie  hrSne^  rotte  (scharen), 
viUe  (dörfer),  äventivre,  mile  pflegt  der  genitiv  des  pluralis  kein  n  zu 

*)  In  diesem  Punkte  weichen  allerdings  die  Herausgeber^von  einander  ab.    In 
diese  den  Bhythmns  und  den  Anftact  betreffenden  Verhältnisse  gilt  es  noch  Sicherheit 
nnd  Einklang  zn  bringen.  Zum  Glück  berühren  sie  die  Poesie  des  Inhaltes  nicht. 
**)  Wamm  ist  nicht  gesagt.  Also  weil  Lachmann  daran  'dachte'? 


zu  WALTHERS  V0CAL8PIEL.  437 

bekommen,  iinde  in  Hartmanns  liedem  14,  20.  auch  reiste  y  wie  echt 
deutsch  es  sein  mag,  Nib.  453,  3.  Ottokar  44'.  Wunderbar  ist  varwe 
Parz.  57,  16.  129,  21.  aber  sorge,  bei  Walther  76,  4  ist  wohl  singular, 
der  vrintersorge  hart  ich  dn,  wie  sterke  in  Türheims  Wilhelm  115"  d&i^ 
sehs  der  sterke  kc&te  der  er  niwan  einer  pflae,* 

„Wer,  so  ftlhrt  Zacher  fort,  eine  mit  allen  zum  Verständnisse  die- 
nenden Mitteln  versehene  Ausgabe  verheißen  hat,  der  hätte  hier  denn 
doch  entweder  diese  Lachmann'sche  Erklärung  wiederholen  oder  mit 
Gründen  widerlegen  oder  durch  eine  bessere  ersetzen  sollen."  Darin 
stimme  ich  Zacher  bei,  daß  Pfeiffer  diesen  Fingerzeig  Lachmanns  sich 
hätte  zu  Nutze  machen  und  die  Leser  auf  die  Ungewöhnlichkeit  des 
Ausdrucks  hinweisen  sollen/*^),  aber  nicht  darin,  daß  durch  Lachmann 
eine  Erklärung  gegeben  sei,  die  mit  Gründen  zu  widerlegen  wäre**). 
Lachmann  hat  zwei  Erklärungen  oder  vielmehr  zwei  Vermuthungen 
gegeben  und  dadurch  die  Schwierigkeit  der  Stelle'  angedeutet.  Durch 
seinen  Hinweis  auf  die  Erscheinung ,  daß  zumeist  fremde ,  aber  auch 
einheimische  starke  Feminina  der  ersten  Classe  in  der  Regel  oder 
manchmal  kein  n  im  Genitiv  des  Plurals  bekommen,  hat  er  doch  nichts 
anderes  sagen  wollen,  als  daß  der  vmderaorge  für  der  vnntersorgen  stehe; 
aber  zugleich  ist  ihm  die  Möglichkeit  vorhanden,  daß  vnntersorge  Ge- 
nitiv des  Singularis  ist.  Das  Beispiel  von  Türheims  Wilhelm  kann  Lach- 
mann aber  unmöglich  als  zwingenden  Beleg  angesehen  haben,  denn 
Sterke  ist  ja  selbst  ein  Femininum,  wie  sorge.  Dann  hätte  auch  Lach- 
mann nicht  gesagt :  aber  sorge  bei  Walther  ist  Vohl'  singular.  Ein 
ander  Ding  wäre  es,  wenn  eine.  Stelle  zu  Gebote  stünde  wie:  der  sehs 
des  Zornes  j  des  sinneSj  des  willen^  des  herzen  u.  dgl.  hcete  des  er  niwan 
eines  pflac.  Da  wäre  alle  Schwierigkeit  gehoben.  Warum  sagt  denn 
Gottfried  4602 :  ob  ich  der  sinne  hoste  zwelve  der  ich  einen  hän  imd  nicht 
des  sinnesf 

Bei  Wilmanns  ist  der  Vers  folgendermaßen  erklärt:  „11  mntersarge 
gen.  sing.;  der  gen.  plur.  auf  arme  livU  bezüglich:  ich  habe  das  drei- 
fache ihrer  Wintersorge,  dreimal  so  viel  Sorgen  als  sie.  Türheim  im 
Wilhelm  (115*)  der  sehs  der  sterJce  haste  der  er  niuwan  einer  pflac  hätte 
einer  das  sechsfache  der  Stärke.  Ulrich  von  Singenberg  (HMS.  1, 299*)***) 


*)  Daß  aber  Pfeiffer  selbst  die  Bemerkung  Lachmanns ,  daß  tointertorge  Gen, 
Sing,  sei,  kannte  und  auch  nicht  unbeachtet  ließ,  muß  aus  seiner  Übersetzung  hervor- 
gehen: Die  Sorge  ist  dreifach,  statt:  die  Sorgen  sind  dreifach. 

**)  Auch  im  mhd.  Wb.  n  2,  470^  der  gleiche  Fehler,  daß  wintersorge  nach  Lach- 
mann zu  Iwein  554  Singular  sei;  es  sollte  heißen:  vielleicht  Singular. 

***)  Warum  mcht  auch  ein  Citat  nach  Wackemagel-Riegers  Ausgabe? 


438  KEINHOLD  BECH8TEIN 

uni  hcete  ich  mtner  krefte  dn  und  wenn  ich  das  dreifache  meiner  Kraft 
hätte,  s.  Lachm.  zum  Iwein  554." 

In  dieser  Erklärung  wird  zu  der  ersten  Schwierigkeit  wintersorge 
noch  eine  zweite  (dri)  und  dritte  (der)  hinzugefiigt.  Zunächst  die  dritte. 
SchwerUch  hat  jemand,  der  diese  Stelle  einfach  auf  sich  wirken  läßt, 
der  auf  arme  Hute  bezagen,  sondern  in  der  den  Artikel  (gleichviel  ob 
Sing,  oder  Plur.)  zu  wintersorge  gesehen.  Und  so  haben  es  auch  die 
Zeitgenossen  und  Nachkommen  des  Dichters  aufgefasst,  wie  wir  aus 
den  Parodieen  herauslesen  können.  Selbst  wenn  Wilmanns  Recht  hätte, 
gegen  die  Überlieferung  den  Vers  umzustellen,  damit  wintersorge  in  die 
Nähe  von  arme  Hute  rückt,  hätte  Walther,  der  klare  Dichter,  um  Un- 
klarheit zu  vermeiden,  gewiss  gesagt :  ir  wintersorge  statt  der  wintersorge. 
Gegen  der  als  Demonstrativ  spricht  auch  das  kurz  darauf  folgende 
demonstrative  der  in  Zeile  5. 

Wilmanns  erklärt  wintersorge  ftlr  den  Gen.  Sing.  Woher  weiß 
er  denn  das  so  bestimmt?  Lachmann  hat  es  zweifelhaft  gelassen,  das 
wiederholte  Citat  aus  des  Türheimers  Wilhelm  belegt  nicht,  ebenso 
wenig  das  neue  aus  Ulrich  von  Singenberg.  Nur  ein  Masculinum  oder 
Neutrum  im  Singular  kann  zum  Beweise  dienen.  So  lange  ein  solcher 
Beweis  nicht  gebracht  wird,  ist  die  andere  Möglichkeit  immer  vorhan- 
den, daß  wintersorge  Gen.  Plur.  ist  für  das  sonst  regelmäßige  wintersorgen. 

Um  den  Genitiv  Sing,  recht  deutlich  fühlen  zu  lassen,  übersetzt 
Wilmanns  dr%  mit  dreifach,  dreimal,  oder  mit:  das  dreifache,  sehs  mit: 
das  sechsfache.  Dem  Sinne  nach  kann  man  ja  allerdings  die  Citate 
aus  Türheim  und  Singenberg  so  übersetzen  wie  Wilmanns,  aber  sehs 
ist  nicht  und  heißt  nicht  das  sechsfache,  dri  nicht  das  dreifache.  Wollte 
der  Dichter  einen  solchen  Substantivbegriff  wirklich  ausdrücken,  dann 
hätte  er  drie  fem.  sagen  müssen.  Daß  bei  Walther  dri  =  d/ne  wäre 
mit  apocopiertem  e,  ist  undenkbar.  Das  hätte  Wilmanns,  wenn  er  es 
annähme,  doch  sicher  nicht  unerwähnt  gelassen.  Sollte  der  Neutral- 
begriff, der  in  ^dreifach'  enthalten  ist,  wie  auch  noch  mit  NominalelHpse 
in  unserm  ^entzwei"*  {=  en  zwei,  in  zwei  sc.  teil)y  durch  das  Zahlwort  selbst 
ausgedrückt  werden,  so  stünde  nicht  dri,  sondern  d/riu\  und  daß  d/n 
für  dHu  gesetzt  sei  des  Reimes  wegen,  ist  flir  Walther  und  seine  Zeit 
nicht  anzunehmen. 

Steht  also  dri  als  geschlechtiges  Zahlwort  und  zwar  nach  dem 
Substantivum ,  welches  demnach  in  den  Genitiv  zu  treten  hat,  so  ist 
in  der  Stelle  bei  Walther  ein  ganz  anderes  Verhältniss,  als  in  denen 
bei  Türheim  und  Singenberg  und  in  dem  von  mir  beigebrachten  Citat 
aus  dem  Tristan.   Durch  den  Vergleich  und  Gegensatz  erst  wird  hier 


zu  WALTHEB«  V0CAL8PIEL.  459 

das  einfache  Zahlwort  zu  dem  Begriff  des  dreifachen,  sechsfachen,  zwölf- 
fachen in  der  Function  des  Comparativs  gebracht;  nun  und  nimmer 
mehr  kann  es  aber  bei  Walther  heißen :  ich  habe  'dreimal  mehr' 
Wintersorge  als  sie,  selbst  wenn  der  wirklich  =  ir  auf  die  armen  Hute 
zu  beziehen  wäre,  sondern  es  hieße  nur:  ich  habe  von  ihren  Winter- 
sorgen drei,  ich  habe  wie  die  armen  Leute  drei  Wintersorgen.  Da  aber 
der  nur  als  Artikel  aufzufassen  ist,  so  heißt  es  einfach:  ich  habe  drei 
Wintersorgen.  Will  man  umschreiben,  so  kann  man  auch  so  sagen, 
wie  Pfeiffer  übersetzt  hat. 

Das  Zahlwort  kann  bekanntlich  das  Substantivum  bei  sich  haben 
im  gleichen  Casus  oder  unflectiert  oder  im  Genitiv.  Letzteres  gewöhn- 
lich, wenn  das  Substantivum  vorangeht.  In  ganz  seltenen  Fällen,  wenn 
ein  vergleichender  Genitiv  vorliegt,  der  auf  eine  einzelne  Person  geht, 
gewahren  wir  das  Substantivum  im  Singular  (namentlich  bei  Wolfram), 
sonst  aber  steht  durchgängig  der  Plural,  wie  es  in  der  Natur  des  Zahl- 
wortes begründet  ist  Da  kein  vergleichender  Genitiv  an  unserer  Stelle 
vorhanden  ist,  da  überdies  der  Indicativ  und  nicht  der  Conjunctiv  steht, 
da  selbst  in  solchen  Sätzen  wie  die  citierten  kein  Genitiv  Sing,  sich 
zwingend  hat  belegen  lassen,  so  ist  wirdersorge  als  Gönitiv  Plur.  anzu- 
sehen, fUr  den  Analogieen  vorhanden  sind  und  der  sich  gewiss  auch 
noch  belegen  lassen  wird  *).  Somit  stimme  ich  der.  einen  erklärenden 
Vermuthung  Lachmanns  zu  und  glaube  sie  begründet  zu  haben,  die 
zweite,  welche  von  Wilmanns  als  sicher  hingenommen  wurde,  habe  ich 
zu  widerlegen  gesucht.  —  Nach  verschiedenen  Richtungen  hin  sollen 
uns  noch  die  Parodieen  eine  Hilfe  gewähren. 

Wenn  der  Dichter  einer  Parodie  und  selbst  einer  nur  auf  die 
Form  gerichteten  Parodie  bestrebt  sein  muß ,  an  die  Stelle  des  Origi- 
nals neue  Gedanken  und  Wendungen  zu  setzen,  so  wird  er  immer  auch 
von  dem  Wortlaute  desselben  beeinflusst  sein.  Unwillkürlich  kommen 
ihm  auch  an  Stellen,  die  dem  Vorbilde  nicht  entsprechen,  Sätze  in  den 
Sinn,  die  sich  dort  einmal  vorfinden.  Und  öfters  sucht  der  Umdichter 
geradezu  eine  Variation  des  Ausdrucks  zu  erreichen. 

Zuerst  sagt  Ulrich  von  Singenberg  im  Anschluß  an  Walthers  der 
lointersarge  hän  ich  dm  in  der  3.  Strophe  im  5.  Verse  und  hcete  ich  mmer 
kreße  d/ri^  eine  Wendung,  die,  wie  wir  gesehen,  grammatisch  nicht 
maßgebend  ist.  Dagegen  zeigt  gldch  die  7.  Zeile  derselben  Strophe 
diu  liebe  tuo  mich  sorgen  vriy  daß  dem  Dichter  wintersorge  als  Genitiv 


*)  Hahn  mhd.  Gr.  1,  92  bringt  für  den  apocopierten  Gen.  Plur.  der  Feminina 
erster  Declination  nur  Walthers  wintersorge  bei ;  in  der  zweiten  Auflage  von  Friedrich 
Pfeiffer  finden  sich  solche  Fälle  nicht  im  Eineelnen  erwähnt« 


440  BEINHOLD  BECHSTEIN 

Plar.  vorschwebte.  Ferner  geht  auch  aus  4^  6  zuo  minen  vrötden,  der 
sint  zwOy  hcet  ich  usw.  hervor  ^  daß  winterscrge  Plar.  ist  nnd  daß  dti 
einfach  als  ^drei'  nnd  nicht  als  'dreimal  mehr'  aufgefasst  wurde.  Sodann 
können  wir  aus  den  angefahrten  Versen  Ulrichs  entnehmen^  wenn  auch 
nicht  streng  beweisen,  daß  er  Walthers  Wintersorgen  als  ausschließ- 
Hohe,  mit  keiner  Person  in  Vergleich  gebrachte  verstanden  hat,  d.  h. 
der  als  Artikel.  Die  Worte  Walthers  waren  also  einem  Zeitgenossen, 
wie  wir  sie  eben  auch  auffassen  müssen,  gleich  der  Wendung:  mtner 
wintersorgen  sint  dri,  ich  hän  d/ri  vmdersorge. 

Auch  Rudolf  der  Schreiber  hat  die  Stelle  mehrmals  im  Sinne, 
und  seine  Worte  zeugen  ebenfalls  ftir  meine  Deutung:  ich  möhte  sorgen 
werden  In4,  soU  ick  der  lieben  wesen  bi. . .  3,  4  und  . .  .ich  ahte  (conj.) 
klein  der  merker  hü  und  lieze  gar  der  sorgen  drü. 

Wenn  der  Österreicher  sagt  2,  1  ff.:  Wetz  wil  ich  bluomen  unde 
klef  mir  tuot  ein  ander  sorge  we.  ick  sten  üf  der  sünden  U.  der  solde  ich 
mich  gelovben  e,  so  bringt  es  hier  der  Zusammenhang  mit  sich ,  daß 
der  Singular  gebraucht  wird.  Dagegen  sagt  er  1,  8:  . .  .«ö  wird^  ich 
nimmer  sorgen  grä.  Eine  besonders  deutliche  Anlehnung  aber  an  Walther 
ist  4,  3  grdzer  sorgen  hän  ich  zwo  ^  die  gar  keinen  Zweifel  lässt  über 
seine  Auffassimg  der  fraglichen  Stelle. 

28  daz  (min  herze)  jaget  der  tvinier  in  ein  stro,  Pfeiffer  erklärt : 
j^in  ein  stro  jagen,  zurück  ins  Winterquartier  treiben.^  Diese  Erklärung 
ist  frei,  der  Sinn  wird  damit  halbwegs  erreicht,  aber  str&  ist  nicht 
Winterquartier.  Zacher  übersetzt  a.  a.  O.  S.  458.  462  'Strohgenist',  und 
das  ist  besser.  In  der  2.  Auflage  ist  Pfeiffer  deutlicher:  „etn  stro,  ein 
Bund,  Haufen  Stroh,  aber  auch  Strohhalm  :  der  Winter  treibt  das  Herz 
in  die  Enge,  macht  daß  es  sich  in  den  kleinsten  Kaum  zusammenzieht.^ 
Diese  Erklärung,  die  Bartsch  beibehält,  weicht  von  der  ersten  ganz 
bedeutend  ab.  Wilmanns:  „in  ein  strSm  einen  Strohhalm,  macht  es  ver- 
zagt. Haupt  vergleicht  sie  schwätzt  ihn  in  einen  Strohhalm  y  eine  in 
Schwaben  gebräuchliche  Redensart,  und  unser  einen  ins  Bockshorn  ja^en,^ 
Die  letzten  Erklärungen  Pfeiffers  und  Wilmanns  stimmen  zusammen, 
Zacher  hat  wohl  die  seine  ^Strohgenisf  aufgegeben.  Ich  glaube  aber, 
daß  sie  die  richtige  ist,  wenn  auch  noch  zu  allgemein.  Bei  Pfeiffers 
^Winterquartier'  kann  man  an  eine  mit  Stroh  bedeckte  und  mit  Stroh 
gegen  die  Kälte  ausgestopfte  Wohnung  denken ;  aus  einer  entspre- 
chenden Stelle  in  Ulrichs  von  Singenberg  Parodie  können  wir  aber 
herausfühlen,  daß  stro  bestimmt  =  bettestrd,  dann  =  bette  genommen 
wurde;  in  ein  str$  steht  natürlich  für  unser:  in  das  Stroh,  ins  Bette, 
zu  Bette.  Ulrich  sagt  3,  6.  7 :  zuo  minen  vröiden^  der  sint  zwo,  bcet  ich 


zu  WALTHERS  VOCALSPIEL.  441 

die  Schemen  üf  ein  stro.  Bis  in  die  neueste  Zeit  hat  ^Strob'  die  Bedeu- 
tung ^Strohlager'  behalten*).  In  Walthers  Worten  liegt  aber  zugleich 
der  Begriff  des  Armlichen,  Elenden. 

29  Ich  hin  verlegen  als  ein  sü  (A),  als  Esaü  (C).  Lachmann  folgte  A, 
Wackemagel-Eieger  und  danach  auch  Pfeiffer  C.  Zacher  trat  fUr  Lach- 
manns Textwahl  ein  a.  a.  O.  S.  458.  Da  dieser  und  der  folgende  Vers 
große  Schwierigkeiten  enthalten  und  in  Zachers  Erörterung  auch  eine 
Erklärung,  die  mit  der  Verwerfung  der  andern  Lesart  eng  lausammen- 
hä^gt,  gegeben  ist,  so  gestatte  ich  mir,  seine  Worte  zu  wiederholen, 
zumal  die  Jahrbücher  nicht  jedem  Theilnehmenden  sofort  zugänglich 
sein  werden.  Zuerst  gibt  Zacher  Pfeiffers  Text  und  seine  Erklärungen, 
unter  denen  uns  namentlich  zwei  wichtig  sind,  nämlich :  verligen  in  Träg- 
heit versinken,  und  rü  =  rüch^  rauh,  struppig,  und  fährt  dann  fort: 
„Ein  aufmerksamer  Leser  wird  aber  doch  sofort  fragen:  Wie  kommt 
denn  nun  gerade  Esau  dazu,  der  ja  doch  nach  Gen.  25,  27  ein  rüstiger 
Jäger  und  Ackersmann  war,  und  der  als  Jäger  sich  auch  nicht  einmal 
im  nordischen  Winter  verlegen  hätte,  als  ein  Beispiel  des  ^Verliegens' 
zu  gelten?  Allein  ftlr  diese  eben  so  natürliche  wie  berechtigte  Frage 
bietet  Herrn  Pfeiffers  Commentar  auch  nicht  eine  Silbe  der  Belehrung 
oder  der  Rechtfertigung.  Lachmanns  Text  dagegen  liest  mit  der  Heidel- 
berger Handschrift  A  ""als  ein  sü\  Diese  Lesart  aber  gibt  den  Sinn: 
mein  Herz  möchte  sich  gern  draußen  im  Freien  der  Sommerwonne 
freuen;  aber  der  Winter  hat  es  in  ein  Strohgenist  gejagt.  In  diesem 
habe  ich  mich  verlegen,  bin  ich  in  schimpflicher  Weise  unlustig,  bin  ich 
zu  fröhlicher  Bewegung  schmählich  träge  worden,  wie  eine  Sau.  Mein 
glattes  Haar  ist  mir  rauh,  ist  mir  struppig  worden  usw.  Dies  ist  nicht 
nur  ein  an  sich  untadelicher  und  durch  den  Zusammenhang  gebote- 
ner und  bestätigter  Sinn,  sondern  es  leuchtet  auch  klar  genug  ein, 
wie  der  Schreiber  der  Handschrift  C  zu  seiner  Änderung  gekommen  ist. 
Augenscheinlich  hat  er  erstens  Anstoß  genommen  an  dem  unmanier- 
lichen Ausdrucke  'eine  Sau',  imd  zweitens  ist  ihm  bei  der  Gegenüber- 
stellimg  von  sieht  und  rü  in  V.  30  die  in  den  biblischen  Geschichten 
seiner  Zeit  genau  mit  denselben  Worten  bezeichnete  Gegenüberstellung 
des  glatten  Jacob  und  des  rauhen  Esau  aus  Gen.  27,  11  eingefallen 
(vgl.  z.  B.  die  Genesis  in  Hoffmanns  Fundgruben  2,  38,  8:  rüch  ist 
min  hruodery  ich  pin  sieht  unde  linde  und  ebd.  36,  23.  Diemer,  Gen.  21, 
15.  27).    Aber  jenes  ästhetische  Bedenken  war  übel  angebracht,  auch 


*)  Ich  will  nur  erinnern  an  den  Refrain  des  bekannten  Tanzliedchens:  Mit  mir 
und  dir  ins  Federbett,  mit  mir  und  dir  ins  Stroh, 


442  REINHOLD  BECHSTEIN 

wenn  man  Walthern  den  Vers  L.  18,  10  absprechen  will,  und  überdies 
gi.eng  dabei  die  Logik  auf  Kosten  der  Ästhetik  so  in  die  Brüche,  daß 
durch  diese  Änderung  V.  29  seinen  vortreflFlichen  Sinn  einbüßte ,  ja 
genau  genommen  ganz  sinnlos  wurde.  Wie  aber  andererseits  ein  Schrei- 
ber von  dem  übelpassenden  Esaü  auf  die  vorzügliche  Emendation  ein  sü 
gekommen  wäre,  dafiir  bietet  sich  gar  keine  wahrscheinliche  Handhabe 
der  Vermuthung  dar.  Es  ist  also  hier  die  Lachmann'sche  Lesart,  als 
die  allein  richtige  und  mögliche,  beizubehalten,  und  die  von  Herrn 
Pfeiflfer  aufgenommene  Rieger' sehe,  als  eine  bloße  übelgerathene  Än- 
derung eines  Schreibers,  schlechthin  zu  verwerfen," 

Darauf  antwortete  Pfeiflfer  in  dem  Aufsatz :  Unhöfische  Worte  in 
'Freie  Forschung'  (Wien  1867)  S.  356.  Zu  den  unhöfischen  Worten  ge- 
hört 9Ü  ;  es  bedeutet  im  Mittelhochdeutschen  nicht  im  Allgemeinen 
Sehwein,  sondern  auschließlich  die  Schweinmutter,  serofa,  „Das  Wort 
kommt  überhaupt  nur  selten  vor,  in  bildlicher  Verwendung  einzig  bei 
Walther  in  dem  Reimspiel  mit  den  fünf  Vocalen,  bei  Lachmann  76,  15. 
Lachmann ,  sonst  so  feinfühlig  fiir  Alles  ,  was  dem  höfischen  Brauch 
zuwider  läuft,  hat  an  dem  Ausdruck  keinen  Anstoß  genommen,  ob- 
wohl dieser  Lesart  der  Heidelberger  Handschrift  gegenüber  die  Pariser 
Esaü  darbietet.  Fiir  uns,  die  wir  ims  des  Unterschiedes  zwischen  höfisch 
und  unhöfisch  erinnern,  kann  die  Wahl  zwischen  ein  sü  und  Esaü  keinen 
Augenblick  schwankend  sein,  um  so  weniger,  als  die  letztere  Lesart 
einen  vollkommen  passenden  Sinn  gewährt  und  die  Heidelberger  Hand- 
schrift, obgleich  unter  den  Liederhandschriften  die  älteste,  auch  sonst 
wegen  ihrer  Nachlässigkeit  und  ihren  groben  Lesefehlern  berüchtigt  ist. 
Wenn  doch  wenigstens  svnn  gebraucht  wäre,  das  Eberschwein,  mit  dem 
um  seines  Muthes  und  seiner  Kühnheit  willen  von  Alters  her  Helden 
gerne  verglichen  wurden.  Aber  Mutterschwein!  Dergleichen  ist  bei  Wal- 
ther unmöglich.  Dennoch  hat  sich  Einer  für  die  Sau  begeistert,  die  er 
an  dieser  Stelle  gar  schön  und  sinnvoll  findet,  und  mir  unter  allerlei 
Gründen  zum  Vorwurf  gemacht,  daß  ich  sie  in  Übereinstimmung  mit 
Wackemagel-Rieger  'aus  ästhetischen  Bedenken'  zu  Gunsten  des  Esau 
ausgemerzt  habe.** 

Somit  war  eine  lediglich  philologisch-kritische  und  hermeneutische 
Frage  ganz  auf  das  Gebiet  der  Ästhetik  geschoben.  Der  eine  klagte 
die  Lesart  Esaü  als  sinnlos  an ,  der  andere  erklärte ,  sie  gebe  einen 
vollkommen  passenden  Sinn;  der  eine  vertheidigte  ein  sü  trotz  seiner 
Unmanierlichkeit,  der  andere  verwarf  es  als  unhöfisch  und  unästhetisch. 
Wer  vorurtheilsfrei  an  die  beiderseitigen  AuflFassungen  herantritt,  muß 
Zacher  Recht  geben,  daß  die  Lesart  Esaü  unpassend  ist,  sobald  näm- 


zu  WALTHERS  VOCALSPIEL.  443 

lieh,  verlegen  stricte  von  verligen  in  der  Bedeutung  von  'in  Trägheit  ver- 
sinken' genommen  wird.  Das  muß  PfeiflFer  auch  gefühlt  haben,  denn 
in  der  zweiten  Auflage  dehnt  er  seine  erste  Erklärung  weiter  aus  und 
setzt  hinzu:  „durch  Liegen  unansehnlich  werden  (vgl.  verlegene  Waare),*^ 
was  Bartsch  beibehält. 

Als  die  Ausgabe  von  Wilmanns  erschien,  war  es  mein  Erstes,  in 
Erinnerung  an  den  heftigen  Lesartenstreit,  nachzusehen,  nicht  wie  Wil- 
manns seine  Wahl  getroffen  —  denn  daß  er  Lachmann  und  Zacher 
folgen  würde  ,  stand  mir  fest,  •—  sondern  wie  er  sich  etwa  über  die 
verworfene  Lesart  Esaü,  die  ich  flir  die  richtige  hielt,  geäußert  hätte. 
Mit  Erstaunen  musste  ich  in  seiner  Ausgabe,  die  doch  auch  unter  Za- 
chers  Namen  in  die  Welt  trat,  die  Lesart  Esaü  im  Texte  gewahren. 
Das  hat  Zacher  zugelassen  oder  so  schnell  hat  er  sich  zu  der  andern 
so  eifrig  und  beredt  verworfenen  Lesart  bekehrt!  Und  seine  breit  aus- 
geführte und  mit  Ghründen  gestützte  Erörterung  über  die  Entstehung 
des  Lesefehlers  ilsaü  lässt  er  von  Wilmanns  (S.  92  der  Einl.)  mit  der 
lakonischen  Bemerkung  abfertigen:  „etw  au  ist  gewiss  nichts  als  ein 
Lesefehler.  Eine  so  überlegte  Änderung  wie  Esau  wäre,  ist  unserm 
Abschreiber  nicht  zuzutrauen !" 

Ist  diese  kritische  Wahrnehmung  richtig,  so  galt  es,  das  schwie- 
rige verlegen  zu  erklären.  Wilmanns  äußert  sich  darüber  so:  „ein  Ritter, 
der  sich  vom  höfischen  Verkehr  fem  hält  und  dadurch  höfischer  Sitte 
entfremdet  wird,  verlit  sich.  Hartmann  beschreibt  einen  solchen  im  Iwein 
(2813  flF.)  er  gelouhet  sich  der  heider ^  vr enden  unde  cleider  die  nach  rUer- 
Uchen  siten  sint  gestaU  ode  gesniten:  er  treit  den  Itp  swäre^  mit  strü- 
lendem  häre,  barschenkel  unde  harvuoz.  Die  Vorstellungen  passen  auch 
wohl  zu  dem  gewaltigen  Jäger,  dem  rauhen  Esau." 

Pfeiffers  letzte  Erklärung  und  die.  von  Wilmanns  nähern  sich, 
aber  ein  feiner  Unterschied  besteht  doch  noch  zwischen  ihnen. 

Schießlich  ist  der  jüngsten  Ausgabe  von  Simrock  zu  gedenken, 
welche  der  Lesart  von  A  ein  sü  folgt ;  dazu  macht  Simrock  die  Be- 
merkung unter  dem  Texte :  Z.  29  liest  C  Esau.  War  Esau  verlegen? 

Ich  habe  die  sich  widersprechenden  Ansichten  über  Überlieferung 
und  Lahalt  der  Zeile  29  verfolgt ;  es  liegt  mir  nun  ob,  meine  Meinung 
kundzugeben.  Dazu  bedarf  es  auch  der  Betrachtung  der  Zeile  30,  an 
deren  Schwierigkeit  bis  jetzt  noch  niemand  gedacht  hat. 

Bei  einer  so  verschiedenen  und  dabei  graphisch  ähnlichen  Lesart 
(wenn  man  sich  den  Namen  klein  geschrieben  denkt) ,  kommt  es  zu- 
nächst auf  den  Werth  der  Handschriften  an.  Beide,  A  und  C,  sündigen 
oft,    daher  hat  in  diesem  Falle  keine  einen  Vorzug.    Darum  gilt  es 


444  BEINHOLD  BECHSTEIN 

zweitens  zu  prüfen;  welche  der  beiden  Lesarten  die  ursprüngliche^ 
welche  ein  Lese-  und  Schreibfehler  ist.  Da  wird  nun  jeder,  der  sich 
nicht  bloß  theoretisch^  sondern  praktisch  und  handgreiflich  mit  Codices, 
Urkunden  und  Lesarten  beschäftigt  hat,  den  Ausführungen  Zachers 
kopfschüttelnd  gefolgt  sein,  dagegen  aber  der  kurzen  prägnanten  Äuße- 
rung Wilmanns  seinen  Beifall  schenken,  die  ja  nun  auch  von  Zacher 
thatsächlich  mit  ehrenwerther  Selbstverleugnung  gutgeheißen  ist. 

Auf  das  ästhetische  Moment  dürfte  alsdann  weniger  Gewicht  zu 
legen  sein.  Warum  hat  Zacher  nicht  geltend  gemacht,  daß  wir  hier 
ein  humoristisches  Gedicht  vor  uns  haben,  in  welchem  auch  einem 
feinen  Dichter  einmal  eine  Derbheit  gestattet  sein  mochte,  zumal  es 
hier  darauf  ankam,  Reime  zu  finden? 

Verdient  aus  kritischen  Gründen  &8aü  vor  ein  sü  den  Vorzug, 
so  würde  solche  Entscheidung  immer  bedenklich  sein,  wenn  eine  neue 
Handschrift  entdeckt  würde,  welche  ein  ed  gewährte,  oder  selbst  wenn 
in  einer  der  Parodieen  dieses  verpönte  Wort  in  der  Ä-Strophe  vorkäme. 
Die  Parodie  hätte  wenigstens  den  halben  Werth  einer  Handschrift. 
Zum  Glücke  ist  es  umgekehrt  Die  Parodie  des  Österreichers  bestätigt 
die  Kritik,  sie  bietet  5,  10  ilsaü: 

nu  n&r  mich,  der  Jacoben  nert 
vor  stnem  hruoder  Esaü. 
Der  Werth  dieser  Wendung  in  der  Parodie  erhöht  sich  durch  den  Um- 
stand, daß  das  Gedicht  in  einer  früheren  Zeit  abgefasst  ist,  als  die 
Handschrift  C  geschrieben  wurde ;  Zachers  Argument,  daß  der  Schrei- 
ber von  C  aus  ästhetischen  Gründen  ein  sü  in  Esaü  geändert  habe, 
fällt  somit  ganz  zu  Boden.  Daß  der  Österreicher  nicht  selbst  auf  die 
Wendung  mit  Esaü  gekommen  ist,  sondern  sie  lediglich  dem  Vorbilde 
Walthers  verdankt,  wird  niepiand  bezweifeln. 

&aü  steht  also  fest.  Die  letzten  Erklärungen  von  verlegen  befrie- 
digen halbwegs.  Wir  wollen  uns  für  jetzt  an  ihnen  genügen  lassen. 

Wie  man  auch  über  Zeile  29  denken  mag,  das  wird  überein- 
stimmend gefühlt  und  angenommen  werden,  daß  sich  Zeile  30  mm  sieht 
här  ist  mir  worden  rü  im  Sinne  an  die  vorhergehende  anschließt  und 
ihren  Inhalt  erweitert  und  begründet.  Pfeiffer  übersetzt  rü,  wie  wir  an- 
gedeutet, mit  ^rauh,  struppig',  ebenso  Zacher.  Wümanns  erinnert  an  den 
verlegenen  Ritter  mit  strOhendem  hd/re,  Wilmanns  sagt  nach  Anfiihrung  sei- 
nes Citates  aus  Hartmanns  Iwein,  was  ich  hier  wiederholen  muß:  „Die 
Vorstellungen  passen  auch  wohl  zu  dem  gewaltigen  Jäger  'dem  rauhen 
Esau'."  Wenn  wir  an  &aü  festhalten,  und  dem  Vergleiche  weiter  nach- 
geheu;  so  müssen  wir  doch  zu  der  Entscheidung  kommen,  daß  diese 


zu  WALTHERS  V0CAL8PIEL.  445 

Vorstellungen  nicht  zu  dem  gewaltigen  Jäger^  dem  rauhen  Esau  passen. 
Nirgends  wird  von  ihm  erzählt^  daß  er  ein  struppiges  Haar  gehabt  habe; 
es  heißt  von  ihm^  er  sei  Vauh'  gewesen  im  Gegensatz  zu  dem  ^glatten' 
Jacob.  Der  Dichter  will  sagen,  daß  er,  der  ehedem  ein  glatter  Jacob 
gewesen,  zu  einem  rauhen  Esau  geworden  sei.  Der  Gegensatz  von  rauh 
und  glatt  erstreckt  sich  aber  nicht  auf  das  Haar,  das  Haupthaar,  son- 
dern auf  die  Haut.  Eebecca  that  die  Felle  von  Böcklein  ihrem  Lieblings- 
sohne um  seine  Hände,  und  wo  er  glatt  war  am  Halse.  Isaac  befühlte 
seinem  Sohne  die  Hände  und  nicht  das  Haupt.  Ein  anderes  Bedenken 
gegen  den  Ausdruck  mm  sieht  här  ist  mir  worden  rü  ist  das,  daß  in 
der  feinen  Gesellschaft  der  damaligen  Zeit  das  Haar  gar  nicht  schlicht 
getragen  wurde,  und  nimmt  man  sieht  =  glatt,  gestriegelt,  frisiert,  so 
haben  wir  auch  keinen  Anhalt  in  dem  Vergleiche  mit  Jacob,  dessen 
Haarbeschaffenheit  uns  ebenso  wenig  wie  die  seines  Bruders  berichtet 
wird.  Will  somit  der  Vergleich  nicht  passen,  so  muss  in  Zeile  30  ein 
Fehler  angenommen  werden,  der  sich  leicht  ergibt:  ftlr  här  muß  hüt 
stehen.  Graphisch  sind  har  und  hut  in  der  Schrift  des  12./13.  Jahr- 
hunderts sehr  ähnlich,  r  und  t  sind  oft  nicht  zu  unterscheiden,  a  und  u 
sind  schon  verschiedener;  oft  aber  begegnen  auch  a,  die  oben  nicht 
geschlossen  sind  und  dann  ganz  wie  u  aussehen.  Dazu  kommt,  daß 
küt  und  här  sehr  oft  wie  noch  heute  formelhaft  zusammengebraucht 
werden,  so  daß  eine  Vertauschung  sehr  leicht  geschehen  konnte. 

Zeile  30  ist  dann  anders  und  entsprechender  zu  übersetzen : 
meine  glatte  {sieht)  Haut  *)  ist  mir  rauh  (rü)  haarig  geworden.  Halten 
wir  die  letzte  bestimmte  Äußerung,  da  ^rauh'  Verschiedenes  sein  kann, 
fest,  so  versteht  es  sich,  daß  der  Dichter  in  dem  beklagten  Winter 
nicht  an  den  Händen  behaart  worden  ist  wie  Esau,  sondern  am  Halse, 
d.  h.  er  hat  sich  einen  Bart  stehen  lassen  müssen,  was  ganz  gegen 
die  höfische  Mode  war.  Wie  wir  sehen  werden,  lässt  sich  aber  rü  auch 
noch  anders  fassen. 

Kehren  wir  zu  Zeile  29  und  zu  verlegen  zurück,  so  haben  wir 
zu  entscheiden,  welche  der  beiden  Erklärungen  vorzuziehen  sei,  wenn 
wir  einen  Einklang  mit  Zeile  30  suchen.  Pfeiffers  Erklärung  von  ver- 
legen =  unansehnlich  scheint  mir  deshalb  weniger  zu  passen,  weil  unter 
den  beiden  Brüdern  gewiss  Jakob  und  nicht  Esau  der  unansehnliche 
war.  Wilmanns  bringt  eine  treffliche  Stelle  zur  Erklärung  bei,  aber  er 


*)  Neben  linde  wird  gerade  sieht  von  der  Glätte  und  Weichheit  der  Haut  ge- 
braucht und  bedeutet  ebenso  wie  unser  glatt  je  nach  dem  Zusammenhang :  geglättet, 
weich  und  unbehaart 


446  REINHOLD  BECHSTEIN 

vermeidet  eine  wirkliche  Übersetzung  von  verlegen^  die  sich  in  Hinblick 
auf  das  Aussehen  des  sich  verliegenden,  verlegenen  Ritters  etwa  geben 
lässt  mit:  Verphilistert,  verbauert\  Das  triflFt  besser  als  *unansehnlich^ 

Aber  doch  will  es  nicht  gentigen.  Ich  glaube  nicht,  daß  ein  Dichter 
in  der  damaligen  Zeit,  so  fein  und  geleckt  auch  ihre  äußeren  Gesell- 
schaftsformen waren,  dem  kräftigen,  heldenmäßigen,  unschuldig  betro- 
genen £sau  ein  so  tadelndes  und  nicht  einmal  ganz  zutreffendes  Epi- 
theton wie  vei^legen  in  der  weiteren  und  übertragenen  Bedeutung  ge- 
geben hätte«  Die  Schreiber  haben  es  allerdings  gethan,  dezm  verlegen 
lesen  beide  Handschriften.  Aber  ich  bin  überzeugt,  daß  hier  ein  Fehler 
steckt.  Ich  habe  allerlei  Vermuthungen,  aber  sie  sind  unsicher,  darum 
verschweig'  ich  sie. 

Haben  wir  bis  auf  das  noch  immer  zweifelhafte  verlegen  die  schwie- 
rigen Stellen  im  Vocalspiele  Walthers,  so  weit  dies  überhaupt  möglich, 
erklärt,  so  erübrigt  noch  eine  Betrachtung  des  Gesammtinhalts  der 
letzten  Strophen,  welche  auch  noch  fUr  eine  Einzelheit  von  Vortheil 
sein  soll. 

Bei  Erwähnung  der  grammatischen  Schwierigkeit  im  Verse  der 
wintersorge  hdn  ich  dri  sagt  Zacher  beiläufig,  wir  wüssten  nicht,  könnten 
auch  nicht  herausgrübeln  und  brauchten  jedesfalls  auch  nicht  zu  wissen, 
welche  bestimmte  drei  Sorgen  den  Dichter  drückten.  Ich  meine  da- 
gegen, daß  es  mit  zum  Verständnisse  des  Gedichtes  gehört,  daß  wir 
das  wissen  ,  und  wenn  es  sich  nicht  auf  den  ersten  Blick  darbietet, 
daß  wir  es  zu  finden  suchen.  Zu  grübeln  braucht  man  deswegen 
noch  nicht. 

Daß  der  Dichter  dri  bloß  anwende,  nur  um  einen  Reim  auszu- 
ftillen,  dürfen  wir  einem  Meister  wie  Walther  nicht  zutrauen.  Wäre 
wirklich  dri  =  dreifach  und  dreimal  mehr ,  dann  würde  dri  eine  be- 
liebige Vielheit  bezeichnen,  dem  Sinne  würde  genügt,  eine  logisch  folge- 
richtige Auseinandersetzung  oder  selbst  Andeutung,  worin  eigentlich 
die  Wintersorgen  bestünden,  wäre  nicht  von  Nöthen.  dri  ist  aber,  wie 
wir  gesehen ,  eigentliches  Zahlwort  und  dieses  drückt  eine  viel  zu 
niedrige  Zahl  aus,  als  daß  es  fUr  eine  allgemeine  Steigerung  des  Be- 
griffes dienen  könnte.  Wir  müssen  in  der  That  drei  Wintersorgen  an- 
nehmen. Außer  diesen  hat  der  Dichter  auch  noch  andere  (swa:^  der  und 
der  andern  äi) ,  die  nicht  an  den  Winter  gebunden  sind ;  von  diesen 
allgemeinen  Sorgen  und  speciell  von  den  drei  Wintersorgen  hofft  er 
durch  den  Sommer  erlöst  zu  werden. 

Ulrich  von  Singenberg  lässt  uns  im  Unklaren,  welches  seine  zwei 
Freuden  sind  (suo  rmnen  vröiden,  der  sint  zwd) ;  was  aber  dem  Epigonen 


zu  WALTHERS  VOCALSPIEL.  447 

hingeht,  wird  dem  Meister  nicht  erlaubt  sein.  Der  viel  jüngere  öster- 
reichische Dichter  belehrt  uns  umgekehrt  ganz  genau  über  seine  zwei 
großen  Sorgen :  grozer  sorgen  hän  ich  zwd  :  diu  eine^  sd  mm  ougenhrd 
belüchent  (sich  schließen),  wie  mich  vinde  d$  der  tot;  diu  sorge  M  mir 
hd,  diu  ander  nSt,  wie  unde  wd  wirt  min  geverte.  Diese  Auseinander- 
setzung streift  an  den  Predigerton,  sie  ist  unpoetisch,  und  es  ist  ganz 
natürlich,  daß  uns  Walther  in  dem  heiteren  Gedichte  nicht  eine  solche 
Aufzählung  seiner  Sorgen  gibt.  Etwas  ganz  anderes  ist  es,  wenn  in 
dem  Gedichte  ich  setz  üf  einem  steine  die  drei  Dinge  nach  einander 
genannt  werden. 

In  den  letzten  Strophen  sind  die  drei  Wintersorgen  nicht  beson- 
ders aufgeflihrt^  wohl  aber  angedeutet.  Zuerst  ist  von  der  Kost  die  Rede. 
Im  Winter  gibt  es  wenig  und  nichts  Gutes  zu  essen,  darum  den  krebz 
wolt  ich  S  ezzen  rd.  Zweitens:  im  Winter  ist  freudlose  Zeit;  statt  daß 
das  Herz  sich  der  Schwärmerei  hingibt,  muß  es  sich,  um  der  Kälte 
und  Unlust  zu  entgehen,  in  ein  elendes  Bette  flüchten.  Und  die  dritte 
Wintersorge?  Wenn  wir  annehmen,  daß  die  schreckliche  Wandlung 
des  glatten  Jacob  in  einen  rauhen  Esau  darin  bestanden  habe,  daß 
der  arme  gefangene  Dichter,  vielleicht  aus  Mangel  eines  Barbiers,  bärtig 
geworden  ist  und  sich  so  nicht  in  guter  Gesellschaft  sehen  lassen  kann, 
so  würde  eine  solche  Auffassung  wohl  am  ehesten  zu  der  zuletzt  ge- 
wonnenen Bedeutung  von  verlegen  stimmen,  aber  eine  so  recht  charak- 
teristische Wintersorge  wäre  damit  nicht  ausgedrückt.  Ich  glaube  daher, 
wir  müssen  die  Stelle  noch  anders  und  besser  zu  erklären  versuchen. 

Das  schlimmste  im  Winter  ist  die  Kälte.  Es  ist  schon  in  der 
vorhergehenden  Strophe  ausgedrückt,  daß  der  Dichter  vor  ihr  Schutz 
sucht,  aber  in  solchem  Falle  ist  sie  nicht  weiter  geföhrlich.  Sie  ist  es 
erst  dann,  wenn  sie  Schmerzen  verursacht.  Verlegen  ist  unsicher,  und 
wir  können  es  bei  Seite  lassen,  wenn  wir  nur  wissen,  daß  Vers  1  der 
Ä-Strophe  besagt :  ich  bin  zu  einem  Esau  geworden.  Meine  glatte  Haut 
ist  mir  rauh  geworden  wie  dem  Esau;  er  war  rauh  an  Hand  und  Wange, 
ich  bin  es  auch ,  ich  habe  in  Folge  der  Kälte  aufgesprungene  Haut 
bekommen,  ich  muß  zum  Hunger  und  zur  Unlust  in  Folge  der  Winter- 
kälte auch  noch  Schmerzen  erdulden.  Der  Dichter  spielt  mit  dem  Worte 
rÄ,  welches  Vauh'  und  zugleich  Vauch'  bedeutet.  Diese  Auffassung  hat 
das  vor  jener  voraus,  daß  rü  nicht  bloß  auf  jenen  einen  Körpertheil 
geht,  sondern  auf  beides,  auf  Hände  und  Hals  oder  Gesicht  zugleich. 
Gerade  die  Hände  sind  es,  an  denen  Isaac  seinen  Sohn  Esau  zu  er- 
kennen glaubt ,  und  gerade  an  den  Händen  frieren  wir  zumeist ;  sie 
springen  noch  eher  auf  als  die  Wangen. 


448  REINHOLD  BECHSTEIN,  ZU  WÄLTHERS  VOCALSPIEL. 

Um  zu  dieser  Erklärung  zu  gelangen,  habe  ich  nicht  nöthig  ge- 
habt, zu  grübeln;  sie  hat  sich  mir  nach  und  nach  ergeben,  aber  erst 
dann,  als  ich  zur  Überzeugung  kam,  daß  hüt  für  hdr  gelesen  werden 
müsse. 

Während  ich  den  Plur.  von  vnntersorge  und  überhaupt  die  ganze 
Zeile  festgestellt,  die  Bedeutung  von  stro  halbwegs  gesichert,  die  Con- 
jectur  hüt  wenigstens  wahrscheinlich  gemacht  zu  haben  glaube,  will 
ich  selbst  meine  Erörterung,  worin  die  drei  Wintersorgen  besijanden, 
nur  als  Vermuthung  angesehen  wissen. 

Es  ist  nur  ein  einziges  Gedicht  Walthers,  dem  wir  eine  verhältniss- 
mäßig ausgedehnte  Betrachtung  widmeten.  Es  ist  keineswegs  von  die- 
sem Vocalspiel  zu  sagen,  wie  Zacher  thut  (a.  a.  O.  S.  457),  daß  es  zu 
den  leichteren  Dichtungen  gehöre  und  weder  in  kritischer  noch  in 
exegetischer  Beziehung  ernstere  Schwierigkeiten  darbiete.  Verschiedene 
und  weit  aus  einander  gehende  Ansichten  knüpften  sich  an  mehrere 
Einzelheiten  des  Gedichtes.  Indem  ich  solche  Ansichten  gegen  einander 
abwog  und  mich  aus  Gründen  für  die  eine  oder  andere  erklärte,  auch 
einige  neue  Auffassungen  beibrachte,  glaube  ich,  einen  kleinen,  nicht 
ganz  unnützlichen  Beitrag  zur  Exegese  der  Dichtungen  Walthers  ge- 
geben zu  haben,  des  Dichters,  der,  obwohl  schon  oft  ediert  und  ver- 
schiedenlich  erklärt,  noch  gar  viele  Schwierigkeiten  bietetitrotz  seiner 
Einfachheit  und  Klarheit,  und  der  es  vor  allen  verdient,  daß  wir  uns 
fort  und  fort  um  ihn  bemühen.  Selbst  von  ihm  können  wir  noch  lange 
nicht  behaupten,  daß  wir  ihn  ganz  verstehen. 


Bei  dieser  Gelegenheit,  da  ich  einmal  bei  Walther  bin,  will  ich 
eine  Berichtigung  geben  zu  meiner  Conjectur  zu  Walther  L.  105,  14 
(Germania  12,  475).  Ich  erhielt  von  dem  kleinen  Beitrag  keine  Cor- 
rectur.  S.  476,  Zeile  2  v.  o.  ist  statt  ü  zu  lesen  u  oder  ü  und  Z.  8  v.  o. 
u\  Gezzen.  —  u\Vehheny  ebenso  Z.  9  u\Vch}ien,  7a,  13  ist  statt ßjbrbringen 
zu  lesen  fürbrechen.  —  Meine  Conjectur,  an  der  ich  auch  heute  noch 
festhalte,  ist  weder  von  Wilmanns  noch  von  Bartsch  in  der  Anmerkung 
erwähnt  worden.  Simrock  dagegen  hat  sie  S.  79  sogar  in  den  Text 
aufgenommen.  Das  ist  mehr  als  ich  verlangen  konnte.  Einen  Ausspruch 
von  Simrock  verstehe  ich  nicht:  er  sagt,  er  habe  nach  meinem  Vor- 
schlag vergezzen  in  den  Text  gesetzt,  „obgleich  es  nicht  den  Genitiv 
regiert",  missetdt  ist  doch  auch  Form  des  Genitivs  neben  missetcete] 
warum  soll  vergezzen  also  nicht  den  Genitiv  regieren? 

JENA,  August  1870.  REINHOLD  BECHSTEIN. 


449 


LITTEBATÜß. 

Konnnga-Boken,  cller  Sagor  om  Ynglingame  och  Norges  konungar  intill  ar  1177. 
*      Af  Snorre  Sturleson.  Of^ersatt  och  förklarad  af  Hans  Ol  of  Hildebrand 
Hildebrand.  Pörsta  delen,  Örebro,  Abr.  Bohlin,   1869. 

Eine  sehr  erfreuliche  Thätigkeit  wendet  sich  neuerdings  in  Schweden  wie  in 
Norwegen  der  altnordischen  Litteratur  zu,  und  insbesondere  kommt  dieselbe  auch 
der  geschichtlichen  Litteratur  bereits  mehrfach  zu  gut.  Ich  erwähne  in  dieser  Rieh- 
tung  eine  Ton  Anmerkungen  begleitete  Übersetzung  der  HaUfredars.  yandr^eda- 
k41ds,  welche  S.H.  B.  Svens  so  n  in  Lund  vor  wenigen  Jahren  herausgab  (Lund, 
Hakon  Ohlssons  Bogtryckeri,  1864)^  welche  zumal  um  der  Anmerkungen  willen 
auch  für  den  Nichtschweden  Interesse  hat;  eine  von  demselben  Gelehrten  begon- 
nene neue  Ausgabe  der  Njdla  (Lund.  J.  Gleerup,  1867,  und  fg.)>  welche  bei  der 
Seltenheit  der  Kopenhagener  Ausgabe  von  1772  und  der  heillosen  Masse  von  Druck- 
fehlern in  dem  Videjer  Abdrucke  von  1844  gewiss  nur  erwünscht  kommen  kann; 
eine  Übersetzung  und  Erklärung  der  Hdfudlaum  durch  SÖrensson  (Lund,  Glee- 
rup,  1868);  endlich  eine  recht  brauchbare  Arbeit  von  0.  Kyhlberg  über  den 
Dichter  Sighvcttr  pördarson,  welcher  eine  Ausgabe  und  Übersetzung  seiner  Vestr- 
vikingarvfsur  und  Nesjavisur ,  sammt  erläuternden  Anmerkungen  zu  beiden  bei- 
gegeben ist  (Lund,  Hakon  Ohlssons  Bogtryckeri,  1868).  An  diese  Arbeiten  schließt 
sich  nun  ein  neues  Unternehmen  an,  welches  der  Abr.  Bohlin'scheo  Buchhandlung 
zu  Örebro  seine  Entstehung  verdankt.  Unter  dem  Gesammttitel  „Böcker  for  Hem- 
me^ hat  diese  neuerdings  begonnen,  . eine  Auswahl  tüchtiger  Werke  in  schwe- 
discher Sprache  erscheinen  zu  lassen,  welche  sich  zu  allgemeinerer  Verbreitung  itt 
gebildeten  Kreisen  empfehlen.  Eine  erste  Serie  von  Heften  ist  dabei  bestimmt,  eine 
Blumenlese  aus  Schwedens  schöner  Litteratur  zu  geben,  während  eine  zweite  für 
die  historische  und  geographische  Lecture  zu  sorgen  hat,  und  das  erste  Heft  dieser 
zweiten  Serie  ist  es,  welches  unter  dem  oben  stehenden  Titel  den  Anfang  einer 
Übersetzung  und  Erklärung  der  sogenannten  Heimskrfngla  bringt. 

Dreierlei  kommt  bei  dem  vorliegenden  Werke  in  Betracht :  die  Übersetzung 
des  Textes ,  die  ihr  am  Fuße  jeder  einzelnen  Seite  beigegebenen  erläuternden  An- 
merkungen, endlich  eine  Reihe  größerer  Excurse,  welche  über  einzelne  wichtigere 
Materien  erschöpfenderen  und  zusammenhängenderen  Aufschluß  zu  geben  bestimn^t 
sind,  als  welchen  zerstreute  Noten  zu  einzelnen  Stellen  zu  geben  vermocht  hätten. 
Von  solchen  Excursen  bringt  dieses  erste  Heft  eine  einleitende  Besprechung  der 
Persönlichkeit  und  litterarischen  Wirksamkeit  Snorri's  (S.  I — LV),  eine  Erörterung 
der  Geographie  der  Heimskrfngla  (S.  LVH — LXXII),  sowie  eine  kurze  Vorbe- 
merkung zur  Ynglinga  s.  (S.  5.  6);  doch  soll  der  erste  Band  an  seinem  Schlüsse, 
neben  ein  paar  wie  es  scheint  vorwiegend  chronologischen  Anhängen  zur  Olafs  s. 
I'iyggvasonar  noch  eine  Erörterung  über  die  Wohnungen  in  der  Sagenzeit,  eine 
solche  über  die  Schiffe,  endlich  eine  weitere  über  das  Brandalter  und  Hügelalter 
bringen,  während  für  den  zweiten  Band  eine  Besprechung  der  Kleidung  und  Be- 
wachung, für  den  dritten  und  letzten  aber  eine  chronologische  Übersicht,  eine 
Charte  von  Norwegen  und  die  Register  in  Aussicht  gestellt  sind.  —  Am  Kürzesten 
darf  ich  mich  bezüglich  der  Übersetzung  fassen,  obwohl  diese  den  Hauptbestand- 

■ 

GERMANIA.  N«a«  Reihe  III.  (XV.)  Jahrg.  30 


450  LTTTERATUB. 

■ 

theil  d^8  Werkes  ausmacht.  Dem  deutschen  Leser  wird  sie  von  Vornherein  das  ge- 
ringste Interesse  bieten,  und  ihren  Werth  zu  beurtheilen  wird  überdies  dem  Aus- 
länder am  Schwersten  fallen :  ich  darf  mich  demnach  wohl  auf  die  Bemerkung  be- 
schränken, daß  dieselbe  mir  so  gut  und  getreu  zu  sein  scheint,  als  man  dies  nur 
Yon  einer  Übertragung  verlangen  kann,  die  nicht,  wie  weil.  Ferd.  Wächters  deutsche 
Übersetzung,  jeden  Anspruch  auf  Lesbarkeit  vollkommen  aufgibt.  Nur  ganz  aus- 
nahmsweise finden  sich  einzelne  Stellen,  hinsichtlich  deren  sich  die  Genauigkeit 
im  Wiedergeben  des  Originales  beanstanden  liesse,  wie  etwa  wenn  die  Worte  des 
Prologes :  ^^Hallr  för  milli  landa,  ok  hafdi  fMag  Olafs  konüngs  hins  helga,  ok  fekk 
af  pyi  uppreist  mikla,"  übersetzt  werden:  „Hall  for  emellan  landen  och  umgicks 
med  konung  Olof  den  heiige;  deraf  fick  han  mycket  anseende;^  ich  wenigstens 
möchte,  obwohl  auch  MÖbius  in  seinem  Glossare,  s.  v.  f&lag,  in  jener  Weise  über- 
setzt, doch  lieber  wieder  zu  der  von  G.  Sohjöning  und  J6n  Olafsson  bereits  ge- 
wählten, und  auch  von  Ferd.  Wächter  sowohl  als  Jacob  Aall  festgehaltenen  Deu- 
tung zurückkehren,    und  somit  annehmen,    daß  nicht  vom  Umgange  Halls  mit 
K.  Olaf,  sondern  von  der  Eingehung  einer  HandielsgeseUschaft  zwischen  beiden 
die  Rede  sei,  wie  ja  derselbe  König  eine  solche  mit  Guäleikr  gerzki  nachweisbar 
eingegangen  hatte  (Hskr.  Olafs  s.  helga,  cap.  64,  S,  267),  und  nicht  von  einer 
Steigerung  des  Ansehens,  sondern  von  einer  Vermehrung  des  Vermögens  jenes 
Isländers  in  Folge  dieser  Verbindung.  Nicht  einleuchten  will  mir  die  Art,   wie 
Hr.  Hildebrand  die  altnordischen  Personen-  und  Ortsnamen  den  neuschwedischen 
Sprachformen  entsprechend  umgestaltet,  sofern  es  mir  wenigstens  Mühe  macht, 
in  Namen  wie  Udde,  BÖkahult,  Lider,  Söda^äll  die  Formen  Oddi,   Reykholt, 
Hleidrar,  Saudafell  der  isländischen  Quellen  wieder  zu  erkennen;  indessen  weiß 
ich  wohl,  daß  es  sich  hier  im  Grunde  nur  um  eine  Geschmacksfrage  handelt,  be- 
züglich deren  die  Meinungen  weit  auseinander  gehen,  wie  denn  z.  B.  Möbius  erst 
neuerlich  £.  Jessens  gleiches  Verfahren  bei  der  Umsetzung  altnordischer  Namen 
in  dänische  Formen  als  ein  besonders  verdienstliches  hervorgehoben  hat  (Zeitschrift 
für  deutsche  Philologie,  I,  S.  421 — 22).  —  Was  sodann  die  Anmerkungen  des 
Übersetzers  betrifft,  so  sind  diese  meines  Erachtens  vollkommen  sachgemäß  ge- 
halten ;  wenn  nämlich  zwar  der  Mann  vom  Fach  gar  manche  Erläuterung  überflüßig 
finden  mag,  welche  er  zu  lesen  bekommt,  so  ist  doch  der  Leserkreis,  fär  welchen 
die  Arbeit  zunächst  bestimmt  ist,  gewiss  auch  für  solche  Zuthaten  dankbar,  und 
seine  Bedürfnisse  sind  eben  doch  die  allein  entscheidenden.  Ein  gesunder,  von 
jeglicher  Überspanntheit  sich  freihaltender  Standpunct  ist  es,  welchen  Hr«  Hilde- 
brand einnimmt,  wo  immer  es  gilt,  das  schlüpferige  Gebiet  der  Combination  oder 
die  nicht  minder  verführerische  Grenze  zwischen  Geschichte  und  Sage  zu  betreten, 
und  wie  er  in  seiner  geographischen  Übersicht  mit  ein  paar  kurzen,  schneidigen 
Worten  Rad.  Keysers  wunderliche  Hypothese  zurückweist,  daß  H&logaland  der  zu- 
erst von  den  Nordleuten  in  Besitz  genommene  Landstrich  gewesen  sei  (S.  LXVI), 
80  macht  er  sich  auch  mit  gesundem  Humor  über  die  Vortheile  lustig,  welche  das 
300jährige  Alter  Starkads  den  chronologischen  Conjecturen  bietet  (S.  29,  Anm.  3), 
lehnt  er  jede  Vermuthung  darüber  ab,  ob  und  wieviel  geschichtlicher  Kern  in  den 
Erzählungen  über  Ivarr  vidfadmi  zu  finden  sei  (S.  47.  48,  Anm«),  und  erklärt  es 
für  ein  hoffiiungsloses  Bemühen ,   wenn  auf  den  Wechsel  des  Titels  dr6ttinn  und 
koniingr,  von  welchem  die- YngUnga  s.,  cap.  21,  berichtet,  vielfach  sofort  staats- 
rechtliche Systeme  gebaut  werden  wollen  (S.  24,  Anm.  2).  Mit  vollstem  Rechte 
wird  insbesondere  in  der  Vorbemerkung  zur  Ynglinga  s.  sowohl  als  in  mehreren 


LITTERATÜE.  451 

Anmerkungen  zu  einzelnen  Stellen  derselben  (z.  B.  8.  36,  Anm.  1 ;  S.  38,  Anm.  1 ; 
S.  45,  Anm.  1)  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  einzelne  in  dieser  Sage  auftre- 
tende Personen  und  Geschlechter  auch  wieder  im  Beovulfsliede,  oder  wieder  in  der 
Stammtafel  des  Ari  frödi  genannt  werden,  ohne  daß  doch  die  hier  und  dort  über 
sie  gemachten  Angaben  unter  sich  in  volle  Übereinstimmung  zu  bringen  wären ; 
der  schwanke  Boden,  auf  welchem  die  ganze  Vorgeschichte  des  Nordens  bis  in  die 
Mitte  des  9.  Jhd.  herein  ruht,  tritt  in  derartigen  Differenzen  recht  klai*  zu  Tage, 
und  wohl  wäre  einer  eigenen  Untersuchung  werth,  wieweit  etwa  die  Überlieferungen 
angelsächsischer  Dichter  und  die  Combinationen  angelsächsischer  Genealogien  auf 
die  Darstellung  der  nordischen  Sagenzeit  in  den  isländischen  Quellen  bestimmend 
eingewirkt  haben.  Die  plumpe  Art,  in  der  Rühs  seinerzeit  den  Einfluß  der  angel- 
sächsischen Poesie  und  Historik  auf  die  isländische  zu  Markt  gebracht  hat,  darf 
uns  nicht  bestimmen,  jede  derartige  Einwirkung  zu  leugnen,  oder  auf  die  Unter- 
suchung ihrer  Beschaffenheit  und  ihres  Umfanges  zu  verzichten.  Selbstverständlich 
fehlt  es  nicht  an  einzelnen  Bemerkungen,  bezüglich  deren  man  gegen  die  vom  Vei'f. 
aufgestellten  Sätze  Einwendungen  erheben  könnte.  Wenn  derselbe  z.  B.  hervorhebt, 
daß  Odins  Name  niemals  zur  Bildung  von  Personennamen  verwendet  worden  sei 
(S.  14,  Anm.  l),  so  mochte  ich  dem  gegenüber  auf  die  beiden  Bischöfe  Namens 
Odinkar  hinweisen,  die  nach  Adam  von  Bremen  (II,  cap.  23,  S.  314;  cap.  34, 
S.  318.  19),  einem  Scholiasten  (Schol.  3  7,  S.  323),  dann  Sazo  Grammaticns 
(X,  S..506.  7;  523),  vornehmster  dänischer  Abkunft  und  unter  sich  verwandt 
waren;  ihr  Name,  welchen  der  Scholiast  Adams  irrig  als  ^Deocarus*^  deutet 
(Schol.  26,  S.  319),  der  aber  ebenso  wie  der  Name  ihrer  Verwandten  Asa  augen- 
scheinlich acht  nordisch  ist  (vsl.  Schol.  46,^  S.  328),  kann  doch  wohl  nur,  nach 
'  der  Analogie  von  l)orgeirr  und  Asgeirr,  als  Odingeirr,  d.  h,  Odins  Speer  gedeutet 
werden,  nicht  als  Odinkaerr,  d.  h.  Odins  Freund  (vgl.  ags.  Fre&vine)^  würde  aber 
im  einen  wie  im  anderen  Falle  des  Vei*fassers  Annahme  widerlegen.  Nicht  ganz 
richtig  ist  auch,  wenn  (S.  14,  Anm.  3)  gesagt  wird ,  daß  die  alten  Nordleute  den 
Winter  mit  dem  14.  October,  den  Sommer  mit  dem  14.  April  begonnen  hätten. 
Für  Norwegen  mag  die  Angabe  allenfalls  richtig  sein  (vgl.  Finn  Magnussen ,  Spe- 
cimen  Calendarii,  S.  1015;  Chr.  Lange,  im  Diplomatarium  norvegicum,  I,  2. 
S.  XXXVIII;  Fritzner,  s.v.  sumardagr,  dann  vetradagr,  vetramessa,  vetmsstr); 
von  Island  aber  wissen  wir  ja,  daß  der  erste  Sommertag  stets  ein  Donnerstag  und 
der  erste  Wintertag  stets  ein  Samstag  sein  musste  (Kgsbk.  §.  19,  S*  37),  was  allein 
schon  genügt  um  festzustellen,  daß  beide  Tage  nicht  Jahr  für  Jahr  auf  den  gleichen 
Monatstag  unseres  Kalenders  fallen  konnten.  Aus  älteren  kalendarischen  Werken 
erfahren  wir  denn  auch  wirklich,  daß  der  erste  Sommertag  frühestens  auf  den  9 . 
und  spätestens  auf  den  15.  April  fiel  (Rimbegla,  I,  cap.  8,  §.26,  S.42;  IV,  cap.  1, 
§.  3,  S.  430.  32;  vgl.  das  Nekrologium  islandicum,  bei  Langebek,  II,  S.  508.  9), 
wonach  also  der  erste  Wintertag  frühestens  auf  den  10.  und  spätestens  auf  den 
16.  October  fallen  musste  (es  ist  ungenau  oder  vielmehr  spätere  Rechnungsweise, 
wenn  das  angeführte  Nekrologium  S.  516  den  11.  und  18.  October  als  die  Win- 
tersgrenze angibt,  vgl.  Rfmbegla,  11,  cap.  3,  §.  25,  S.  200);  gelegentlich  der 
Reception  des  gregorianischen  Kalenders  auf  Island  trat  durch  einen  Alldings- 
beschluß vom  1.  Juli  1700  (Lovsamling,  I,  S-  553)  eine  Verlegung  jener  Termine 
ein,  welche  10  Tage  betrug,  im  Übrigen  aber  deren  Beweglichkeit  bestehen  ließ. 
Ungenau  ist  es,  wenn  „kvfsl''  schlechtweg  als  Flußmündung  erklärt  wird  (S.  7, 
Annu  4),  während  doch  der  Ausdruck;  wie  er  sonst  den  Zweig  eines  Baumes  oder 

30* 


452  LTTTERATÜR. 

die  Linie  eines  Geschlechtes  bezeichnet,  für  jede  Verästelung  in  einem  Wasserlaofe 
gebraucht  wird,  möge  es  sich  nun  dabei  um  mehrfache  Zuflüsse  eines  Hauptstromes 
handeln,  oder  um  mehrfache  Rinnsale  eines  Flusses  in  seinem  Mittellaufe,  oder 
endlich  um  mehrfache  Arme  an  einer  Flufimündung.  Ebenso  ungenau  will  mir 
scheinen,  wenn  unter  dem  „disir''  ausschließlich  die  fylgjur  oder  hamingjur  ver- 
standen werden  wollen  (S.  38,  Anm,  5) ;  wenn  es  in  dem  Kr&kum&l  heißt: 

heim  bj6cta  m^r  disir, 
sem  frk  Herjans  höllu 
hefir  Odinn  mör  sendar, 

so  können  darunter  doch  nur  die  Talkyriur  gemeint  sein,  und  wenn  Freyja  Vana- 
dfs,  Skadi  Ondrdis  heißt,  so  zeigen  die  ebenfalls  nachweisbaren  Formen  Öndrgud, 
Yanagud,  daß  das  Wort  hier  die  Göttin  bezeichnet.  Endlich  ließe  sich  auch  über 
einzelne  Bemerkungen  mit  dem  Verf.  rechten,  welche  er  über  altnordische  Verfas- 
sungsYcrhältnisse  macht.    Es  fuhrt  zu  falschen  Vorstellungen;  wenn  gesagt  wird 
(S.  8,  Anm.  l),  unter  ngodf*  verstehe  man  den  Vorsteher  eines  Tempels  und  des 
Opferdienstes,  auf  Island  aber,  wo  der  Ausdruck  am  Längsten  sich  in  Geltung 
erhalten  habe,  bezeichne  er  den  Inhaber  einer  bürgerlichen  Gewalt,  die  mit  der 
des  schwedischen  Vorstehers  eines  hörad  oder  hundari  vergleichbar  sei.  Das  Rich- 
tige ist  bekanntlich,  daß  der  vom  Gottesdienste  hergenommene  Titel  auf  Island 
einen  Häuptling  bezeichnete,  der  von  einer  Tempelvorsteherschaft  ausgehend  auch 
die  weltliche  Gewalt  an  sich  zu  bringen  wusste,  und  daß  dieser  Titel  ihm  auch 
dann  noch  verblieb,  als  mit  dem  Übertritte  des  Volkes  zum  Christenthume  die 
priesterlichen  Befugnisse  der  Würde  wegfielen  ;  auch  hier  also  ist  es  das  Priester- 
thum,  von  welchem  diese  ihren  Namen  hat,  und  das  Eigenthümliche  nur  das,  daß 
dieser  Name  blieb,  als  an  das  Priesterthum  bereits  ganz  andere  Rechte  sich  ange- 
schlossen hatten,  ja  sogar  als  diese  nach  Wegfall  jenes  ersteren  allein  stehen  ge- 
blieben waren.   Der  norwegische  ^hersir''  soll  femer  „kaum  mit  Recht^'  demselben 
schwedischen  Beamten  verglichen  werden  (S.  31,  Anm.  l).  Warum  doch?  Hersir 
leitet  sich  eben  so  gut  von  „herr",  wovon  hörad,  ab  wie  hära))shöf()ing],  oder  wie 
hundarishöfpingi  von  dem  gleichbedeutenden  hundari,  und  in  der  Landn&ma  (III, 
cap.  9,  S.  195)  wird  sogar  ausdrücklich  von  einem  hersir  in  Schweden  gesprochen, 
ganz  wie  ebenda  (IV,  cap.  6,  S.254)  von  einem  hofgodi  in  Norwegen  die  Rede  ist; 
die  Sache  war  eben  die,  daß  der  isländische  godi,  der  norwegische  hersir  und  der 
schwedische  hundarishöf))ingi  wesentlich  dieselbe  Gewalt  ausübten,  nur  daß  die 
beiden  letztem,  an  der  Spitze  einer  Hundertschaft  stehend,  nach  dieser  ganz  eben- 
sogut benannt  werden  konnten  wie  der  angelsächsische  hundredes  ealdorman,  der 
altsächsische  hunno,  der  gothische  hundafa})s  oder  der  centenarius  der  lateinischen 
Quellen  des  Frankenreiches,  wogegen  auf  Island,  wo  geschlossene  Hundertschaften 
fehlten,  ein  von  ihnen  entlehnter  Titel  der  Würde  unmöglich  wurde,  und  dafür 
der  priesterliche  Titel  eintrat,  welchen,  nach  ein  paar  dänischen  Runensteinen  zu 
schließen,  ursprünglich  ein  Unterbeamter  des  hersir  oder  Königs  geführt  hatte. 
Den  Königstitel  aber,  dessen  Etymologie  lediglich  auf  die  Abstammung  von  einem 
bestimmten  Geschlechte  als  characteristisches  Moment  hinweist,  mochte  der  einzelne 
hersir,  der  seine  Würde  in  seinem  Hause  erblich  zu  machen  wusste,  ganz  eben 
«ogut  annehmen,  wie  derjenige,  der  ein  ganzes  Volkland  oder  ein  ganzes  Stamm- 
gebiet seiner  Herrschaft  unterwarf;  dem  ))j6ctan,  fylkir,  hersir  entspricht  demnach 
ein  })j<Sdkoi|üngr,  fylkiskonüngr,  höradskondngr,  ohne  daß  ich  einen  Grund  ab- 


LITTERATÜR.  453 

»eben  könnte,  warum  mit  dem  Verf.  (S.  42,  Anm.  4)  in  der  letzteren  Zusammen- 
setzung das  Wort  h^rad  nicht  technisch  gebraucht  stehen  sollte.  Entwickelte  sich 
etwa  aus  einer  früheren  Bnndesvorsteherschaft,  wie  solche  in  Island  das  alsherjar- 
godord  gewährte,  eine  bleibende  erbliche  Obergewalt,  oder  wurde  eine  solche 
durch  Gewalt  und  Eroberung  begründet,  so  entstand  eben  damit  der  Gegensatz 
eines  Oberköniges  (yfirkonüngr)  und  mehrerer  Unterkönige  (sm4konüngar),  wie 
dergleichen  ja  auch  bei  anderen  germanischen  Stämmen  oft  genug  vorkam,  und  in 
Anbetracht  solcher  Erscheinungen  hat  es  denn  auch  nichts  Auffälliges,  wenn  die 
Ynglinga  s.  (cap.  38,  S.  30)  den  Svipdagr  blindi  als  h^radskoniing  über  Tiundaland 
regieren  lässt,  während  doch  Braiit-Onundr  und  dessen  Sohn  Ingjaldr  gleichzeitig 
Oberkönig  über  ihn  und  andere  hferadskoniingar  ist,  und  konüngr  at  Uppsölum 
heißt  (cap.  40,  S.  3 1 ,  ebenda),  obwohl  üppsalir  in  Tiundaland  liegt.  —  Das  zuletzt 
Bemerkte  führt  mich  von  selbst  zu  den  Excursen  hinüber,  welche  der  Verf. 
seiner  Übersetzung  beigegeben  hat.  In  seiner  Erörterung  über  die  Geographie 
der  Heimskr.  spricht  er  nämlich  aus  (Ö,  LVIII),  daß  in  Norwegen,  mit  Ausnahme 
etwa  der  Landschaft  Vikin,  eine  Eintheilung  des  Landes  in  h^röd  sich  nicht  be- 
stimmt nachweisen  lasse,  und  daß  auch  die  Eintheilung  des  Landes  in  fylki  erst  eine 
vergleichsweise  späte  sei.  Damit  möchte  nun  aber  doch  zuviel  gesagt  sein.  Bichtig 
ist  allerdings,  daß  die  mit  dem  Worte  fylki  zusammengesetzten  Landschaftsnamen 
jüngeren  Datums  sind,  als  die  ihnen  zu  Grunde  liegenden  einfachen  Benennungen 
der  Völkerschaften  und  Länder,  daß  man  also  früher  von  Sogn  und  Sygnir  als  von 
einem  Sygnafjlki,  früher  von  Bogaland  undBygir  als  von  einem  Ry'gjafylki  u.  dgl.m. 
gesprochen  hatte;  aber  daraus  folgt  denn  doch  in  keiner  Weise,  daß  die  Eintheilung 
in  Volklande  selbst  nicht  ungleich  älter  ist  als  jene  Formen  ihrer  Benennung,  da  ja 
Sogn  oder  Bogaland  längst  ein  fylki  sein  mochte,  ehe  jene  ausdrückliche  Bezeich- 
nung als  solches  in  den  Namen  der  Landschaft  aufgenommen  wurde,  und  in  der  That 
spricht  meines  Erachtens  Alles  dafür,  daß  diese  Eintheilung  soweit  zurückreicht, 
als  die  norwegische  Geschichte  selbst.  Von  sehr  vielen  fylki  können  wir  nachwei- 
sen, von  den  übrigen  wenigstens  vermuthen,  daß  sie  ursprünglich  selbständige 
Staaten  gebildet  ^hatten,  und  erst  später  zu  bloßen  Provinzen  eines  umfassenderen 
Gesammtstaates  herabsanken.  Die  Dingverbände  insbesondere,  mit  alleiniger  Aus- 
nahme des  drontheimischen,  sehen  wir  erst  in  geschichtlicher  Zeit  aus  früher  un- 
verbundenen  Volklanden  sich  allmälich  zusammensetzen,  und  sie  wenigstens  sind 
hiemach  entschieden  jünger  als  die  Volklande  selbst.  Endlich  finden  wir  auch  in 
Schweden  sowohl  als  in  England  die  Bezeichnung  folc,  fplkland  für  einzelne  Land- 
schaften gebraucht,  was  denn  doch  auch  wieder  auf  das  Alter  von  Sache  und  Namen 
zurückschließen  lässt.  Andemtheils  aber  ist  zwar  unbedingt  zuzugeben,  daß  für 
die  Unterabtheilungen  des  fylki  in  den  norwegischen  Provincialrechten  der  Aus- 
druck hferad  nur  selten  gebraucht  wird,  und  daß  in  Norwegen  sowohl  als  zumal  auf 
Island  diese  Bezeichnung  sehr  häufig  wirklich  in  untechnischem  Sinne  für  „Bezirk" 
gesetzt  wird.  Aber  die  })ridjungar  und  §6r dungar,  von  welchen  in  den  ver- 
schiedenen Rechtsbüchern  die  Rede  ist ,  sind  eben  die  alten  hferÖct,  welche  hier 
nur  unter  einem  neueren,  den  Localverhältnissen  angepassten  Namen  auftreten, 
weshalb  denn  auch  z.  B.  die  hferadskirkja  in  Norwegen  vollkommen  dieselbe  Rolle 
spielt  wie  die  hundariskirkja  in  Schweden.  Die  Etymologie  sowohl  als  der  schwe- 
dische Sprachgebrauch  der  späteren  Zeit  thut  überdies  schlagend  dar,  daß  das 
schwedische  hundari  mit  dem  gotischen,  dänischen  und  norwegischen  hferad  voll- 
kommen identisch  ist,  womit  sich,  beiläufig  bemerkt,  auch  des  Verfassers  Behaup- 


454  LITTERATÜR. 

tung  von  selbst  erledigt,  daß  die  Heimskr.  nur  in  nntechnischem  Sinne  von  höröä 
in  Schweden  spreche  (S.  42,  Anm.  1);  hier  wie  dort  handelt  es  sich  eben  einfach 
um  den  altgermanischen  Gau  oder  pagus,  welcher  sich  ja  als  centena,  huntari  oder 
hundred  bei  den  verschiedensten  Abtheilungen  der  Südgermanen  ganz  ebenso  wie 
bei  den  Nordgermanen  nachweisen  lässt.  Sonst  möchte  ich  etwa  noch  zu  dem  geo- 
graphischen Excurse  des  Verfassers  bemerken,   daß  die  Ableitung  des  Namens 
Gardariki  von  den  vielen  Städten,  welche  in  Bussland  gelegen  waren  (S.  LXXI; 
vgl.  S.  10,  Anm.  3),  doch  etwas  problematisch  sein  dürfte;  mir  wenigstens  will 
die  ältere  Ableitung  von  Gardar:^H61mgardar,  und  die  Beziehung  dieses  Namens 
auf  die  Stadt  und  das  Beich  von  Nowgorod  immerhin  wahrscheinlicher  vorkommen. 
Entscheidendes  Gewicht  wird  man  freilich  dem  Umstände  nicht  beilegen  dürfen, 
daß  in  zwei  Hss.  der  Gaungu-Hrölfs  s.,  cap.  38  (FAS.,  III,  S.  362,  Anm.  4,  und 
Antiquitds  Busses,  I,  S.  233,  Anm.  6)  ausdrücklich  zu  lesen  steht:  „i  Hölmgarda- 
borg  er  mest  atsetr  Gardakonüngs ,   })at  er  nü  kallat  Nögaräar,''  da  keine  der 
beiden  Hss.  über  den  Anfang  des  15.  Jhd.  zurückreicht;  aber  immerhin  bleibt 
soviel  gewiss,  daß  die  Pluralform   „Gardar**   recht  wohl  einen  einzigen  Hof  oder 
eine  einzige  Stadt  bezeichnen  kann,  wie  sich  denn  wirklich  auf  Island  sowohl  als 
Grönland  mehrere  so  benannte  Höfe  finden,  und  da  anderseits  Nowgorod  die  längste 
Zeit  als  die  mächtigste  und  ihres  Handels  wegen  auswärts  bekannteste  russische 
Stadt  in  der  That  zu  betrachten  war,  erklärt  sich  leicht,  daß  von  ihrem  Namen 
der  des  gesammten  Landes  abgeleitet  worden  mochte.  —  Einzugehen  bleibt  end- 
lich noch  auf  des  Verfassers  Excurs  über   Snorri  Sturluson   und   dessen 
Werke,  welcher  in  der  That  nicht  wenig  Verdienstliches  bietet.  Die  Lebens- 
beschreibung des  merkwürdigen  Mannes,  welche  wir  hier  erhalten,  gibt  in  knapper 
Form  meines  Erachtens  alles  Wissenswerthe,  und  bietet  nur  in  Nebenpuncten  allen- 
falls zu  einzelnen  Einwendungen  Anlass,  wie  ich  denn  z.  B.  Munchs  Beurtheilung 
des  Bischofes  Gudmundr  Arason  gegen  des  Verfassers  scharfen  Tadel  (S.IX,  Anm.  l) 
in  Schutz  nehmen  möchte,  nicht  natürlich,  weil  ich  die  relative  Berechtigung  des  streng 
kirchlichen  Standpunctes  verkennen  will,  den  derselbe  vertrat,  sondern  weil  ich  die 
ebenso  leidenschaftliche  als  haltungslose  und  unvernünftige  Art  nicht  übersehen 
kann,  wie  er  denselben  verfocht.  Erheblichere  Zweifel  dürften  sich  dagegen  bezüglich 
der  Ausführungen  geltend  machen  lassen,  welche  der  Verf.  über  Snorri's  litterarische 
Wirksamkeit  vorträgt,  und  zwar  in  zweifacher  Bichtung.  Auf  der  einen  Seite  näm- 
lich bestreitet  derselbe  im  Wesentlichen  Snorri*s  Verfasserschaft  der  jüngeren  Edda, 
indem  er- ihn  nur  als  Verfasser  des  metrischen  H4ttalykill  und  allenfalls  noch  der 
ihn  begleitenden  prosaischen  Analyse,  nicht  aber  auch  der  Gylfaginning,  Braga- 
raedur  und  des  Sk41dskaparmäl  gelten  lassen  ^11;    auf  der  anderen  Seite  aber 
schreibt  er  ihm  die  Verfasserschaft  der  gesammten  sogenannten  Heimskrfngla  zu, 
nicht  bloß  die  einer  Anzahl  gesonderter  Lebensbeschreibungen  einzelner  Könige 
oder  Königsreihen,  und  in  beiden  Beziehungen  kann  ich  seine  Beweisführung  nicht 
überzeugend  finden,  so  gerne  ich  das  Gewicht  der  vorgebrachten  Gründe  und  zu- 
mal auch  die  Vorsicht  anerkenne,  mit  welcher  der  Verf.  seine  Ansichten  ausspricht. 
Die  jüngere  Edda  betrefi^end  stützt  sich  der  Verf.  lediglich  auf  die  Widersprüche, 
welche  sich  zwischen  so  manchen  Stellen  derselben  und  einzelnen  Angaben  der 
Heimskr.,  und  zumal  ihrer  Ynglfnga  s.  ergeben ;  aber  auf  die^e  darf  man  meines 
Erachtens  nicht  gerade  viel  Gewicht  legen.   In  einizelnen  Fällen  mochte  solchen 
Widersprüchen,  wie  diese  bereits  Munch  bemerkt  hat,  ein  Fortschreiten  in  der  ge- 
schichtlichen Kritik  zu  Grunde  liegen,  und  hierauf  liesse  sich  z.  B.  zurückführen^ 


LITTERATÜR.  455 

wenn  die  Heimskr«  in  ihrer  Haralds  s.  bÄrfagra  (cap.  19,  S.  62)  eine  Strophe  dem 
Homklofi  zuschreibt,  welche  Gjlfag.  (cap.  3.  S.  34)  mit  der  Fagrsk.  (§.  13,  S.  9) 
und  Flbk.  (I,  S.  574)  dem  ]3j6ct61f  or  Hvini  beilegt.  In  anderen,  und  gewiss  in  den 
meisten  Fällen  mochte  dagegen  der  Widerspruch  ein  mehr  oder  minder  zufälliger 
sein,  veranlasst  durch  das  geringe  Gewicht,  welches  der  verständig  prüfende  Snorri 
den  mythischen  Überlieferungen  in  geschichtlioher  Beziehung  überhaupt  beilegte, 
und  durch  die  ganz  verschiedene  Tendenz,  welche  er  bei  der  Abfassung  der  Edda 
einerseits  und  der  Ynglinga  s.  andererseits  verfolgte,  vielleicht  auch  durch  die  Ver- 
schiedenheit der  Quellen,  welche  er  für  beide  Arbeiten  benützte.  Bei  der  Edda  kam 
es  ihm  lediglich  darauf  an,  ein  Handbuch  für  angehende  Dichter  zu  liefern;  er  be- 
nutzte demnach  lediglich  alte  Lieder  und  Sagen,  welche  ihm  in  dieser  Beziehung 
Stoff  und  Muster  bieten  konnten,  ohne  sich  um  deren  historischen  Werth  zu  be« 
kümmern,  und  ließ  die  in  ihnen  genannten  Gtötter  und  Biesen  als  solche  bestehen, 
ohne  sich  mit  dem  Versuche  zu  plagen,  aus  ihnen  geschichtliche  Persönlichkeiten 
herauszuschälen.  Bei  der  Ynglinga  s.  dagegen,  welche  spater  als  die  Edda  verfasst 
scheint,  da  in  ihr  einmal  eine  ziemlich  deutliche  Anspielung  auf  die  in  der  Gylfa- 
ginmng  gewählte  Einkleidung  vorkommt  (cap.  5,  S.  7 :  Mart  Ättust  ))eir  Odinn  vid- 
ok  Gylfi  i  brögdum  ok  sjönhver  ffngum),   gieng  Snorri's  Bestreben  dahin,  aus  den 
alten  Überlieferungen  eine  Vorgeschichte  des  norwegischen  Königshauses  heraus- 
zuziehen, und  zu  diesem  Behufe  benützte  er  denn  auch  neben  Sagen  und  Liedern 
nach  seiner  eigenen  Angabe  alte  Stammtafeln ;  diese  letzteren  waren  es,  welche 
ihm  den  Weg  wiesen  zu  seiner  euhemeristischen  Auffassung  der  Göttersagen,  durch 
welche  selbstverständlich  gar  manche  Abweichungen  von  der  Darstellung  der  Edda 
bedingt  waren.  Freilich  lassen  sich  nicht  alle  Widersprüche,  welche  sich  finden, 
auf  diesen  Ursprung  zurückführen,  vielmehr  tragen  gar  manche  von  ihnen,  worauf 
unser  Verf.  mit  vollem  Rechte  hinweist,  einen  sehr  zufälligen  und  in  keiner  Weise 
motivierten  Character ;  aber  insoweit  werden  wir  eben  berechtigt  sein,  auf  die  Ver- 
schiedenheit der  von  Snorri  benützten  Sagen  und  auf  das  geringe  Maß  von  Vertrauen 
zu  recurrieren,  das  er  ihrer  Verlässigkeit  selbst  schenkte,  indem  hiedurch  eine  ge- 
wisse Sorglosigkeit  bei  der  Benützung  solchen  Materiales  sich  sehr  einfach  erklärt. 
Im  Prologe  zur  Heimskr.  erklärt  dessen  Verfasser  den  Ssemfng  unter  ausdrücklicher 
Bezugnahme  auf  das  H41eygjatal  für  einen  Sohn  Yngvi-Freys,  während  eine  in  der 
Ynglfnga  s.  (cap.  9,  S.  10)  aus  diesem  Liede  angeführte  Strophe  sammt  dem  ent- 
sprechenden Prosatexte  ihn  zu  einem  Sohne  Odins,  oder  bei  anderer  Auslegung 
NjÖrds  macht;  konnte  dergleichen  in  einem  und  demselben  Werke  vorkommen, 
warum  sollte  da  nicht  derselbe  Verfasser  in  dem  Skaldskaparm41  (cap.  64,  S.  520. 
22)  den  Yngvi  zu  einem  Sohne  K.  Hälfdans  machen  können,  den  er  in  der  Yng- 
lfnga s.  (cap.  12,  S.  11)  mit  dem  Frcyr  identificiert,  und  den  An  zu  Njörds  Vater 
und  zugleich  zu  einem  Türkenkönig  macht?  Demgegenüber  dürften  denn  doch  die 
ausdrücklichen  Quellenzeugnissc,  welche  die  gesammte  Edda  oder  doch  Sk&ldskap- 
arm41  und  H4ttatal  als  Suorri's    Werk  bezeichnen ,  und  welche  zum  Theil  kaum 
.50 — 80  Jahre  nach  dessen  Tod  niedergeschrieben  sind,  nicht  so  leichthin  bei  Seite 
zu  schieben  sein;  mir  wenigstens  wollen  die  gegen  sie  vorgebrachten  Gründe  in 
keiner  Weise  beweisend  scheinen.     Kürzer  als  dies  eigentlich  geschehen  sollte, 
glaube  ich  mich  bezüglich  der  Heimskringia  selbst  fassen  zu  dürfen,  da  ich  meine 
eigene  Ansicht  über  deren  Entstehung  schon  an  einem  anderen  Orte  des  Näheren 
entwickelt,  und  mit  dieser  meiner  Ansicht  gutentheils  des  Verfassers  Beifall  ge- 
funden habe.  Auch  Hr.  Hildebraud  geht  ȊmHch  wie  iQb  vop  der  Annahme  aus, 


456  LITTERATÜR. 

daß  Snorri  znnäcbst  nicht  eine  zusammenhängende  Geschichte  des  gesan^mten  nor- 
wegischen Königshauses  bis  auf  K.  Magnus  Erlingsson  herab,  sondern  nur  eine 
Anzahl  einzekier  Biographieen  einzebier  Könige  oder  doch  nur  Königsreihen  ge> 
schrieben  habe;  die  Olafs  s.  ens  helga,  meint  er,  sei  wohl  zuerst  von  Snorri  ge- 
schrieben worden,  dann  die  ganze  Reihe  der  älteren  Königssagen,  von  der  Yn- 
glingas.  bis  zur  Olafs  s.  Tryggvasonar,  zuletzt  endlich  die  Geschichte  der  späteren 
Könige  von  Magnus  gödi  an  bis  zu  Magnus  Erkngsson  herab,  und  zwar  sollen  die 
beiden  ersten  Abtheilungen  des  gesammten  Stoffes  wahrscheinlich  in  den  Jahren 
1220 — 31  von  ihm  bearbeitet  worden  sein,  während  die  letzte  in  den  Jahren 
1237 — 41  entstanden  sein  soll.  Auch  die  Zusammenfiigung  der  drei  getrennten 
Stücke  zu  einem  größeren  Ganzen  will  der  Verf.  von  Snorri  selbst  geschehen  sein 
lassen,  obwohl  er  diesen  Punct  als  einen  schwer  erweislichen  und  überdies  nicht 
besonders  erheblichen  bezeichnet;  endlich  erklärt  derselbe  sich  sehr  nachdrücklich 
gegen  die  früher  so  verbreitete  Annahme,  daß  Snorri  im  Grunde  nur  ein  Compi- 
lator  älterer  Materialien ,  nicht  aber  ein  selbständiger  Geschichtschreiber  gewesen 
sei,  und  nimmt  das  selbständige  Verdienst  seiner  Leistung  kräftig  in  Schutz,  in 
dieser  Beziehung  wieder  mit  meinen  Ausführungen  vollkommen  übereinstimmend. 
Die  Puncto  also,  in  welchen  ich  von  dem  Verf.  abweiche,  reducieren  sich  auf  fol- 
gende :  Ich  nehme  an,  daß  Snorri  von  den  älteren  Königssagen  nur  die  Ynglinga  s. 
einerseits  und  die  Olafs  s.  ens  helga  andererseits  wesentlich  so  geschrieben  habe, 
wie  sie  uns  in  der  Heimskr.  vorliegt,  während  er  im  Übrigen  nur  noch  eine  Olafs  s. 
Tryggvasonar  verfasste,  in  welcher  er  einleitungsweise  auch  auf  die  Geschichte  der 
älteren  Könige  bis  zu  Haraldr  h4rfagri  und  H41fdan  svarti  hinauf  sich  einließ; 
nach  meiner  Meinung  hätte  demnach  erst  der  Compilator,  welcher  die  verschiedenen 
Einzelsagen  zu  einem  Ganzen  verband,  aus  der  Einleitung  zur  Olafs  s.  Tryggva- 
sonar  eine  eigene  H41fdanar  s«  svarta,  Haralds  s.  h4rfagra,  Häkonar  s.  goda  und 
Haralds  s.  gr4feldar  ausgeschieden,  wobei  selbstverständlich  nicht  nur  ganz  ebenso, 
wie  dies  in  umgekehrter  Bichtung  auch  von  dem  Schlüsse  der  Ynglinga  s.  und 
Olafs  s.  Trjggvasonar,  dann  von  dem  Anfange  und  Ende  der  Olafs  s.  helga  galt, 
an  den  Anfangs-  und  Endpuncten  der  neugebildeten  Abschnitte  Manches  geändert, 
sondern  auch  der  ziemlich  magere  Text  Snorri's  aus  anderweitigen  Materialien  eini- 
germaßen ergänzt  werden  musste,  wenn  die  Lebensbeschreibung  der  dort  nur  im 
Vorbeigehen  erwähnten  Könige  und  Jarle  überhaupt  als  eine  selbständige  Ab- 
theilung des  Gesammtwerkes  auftreten  sollte.  Ich  stütze  diese  meine  Annahme 
theils  darauf,  daß  uns  noch  mehrfache  gesonderte  Überarbeitungen  der  Olafs  s. 
Tryggvasonar  erhalten  sind,  welche  sich  augenscheinlich  auf  Snorri*s  Werk  stützen, 
und  in  ihrem  Eingange  von  der  Geschichte  der  älteren  Könige  wirklich  nur  ein 
Gerippe  geben,  wie  ich  ein  solches  für  diese  ihre  Vorlage  vorausgesetzt  habe ;  theils 
aber  auch  auf  den  andern  Umstand,  daß  die  H41fdanar  s.  und  Häkonar  s.  sowohl 
als  die  beiden  Haraldssögur  allzuwenig  in  sich  abgerundet  und  abgeschlossen  sind, 
als  daß  sich  annehmen  Hesse,  daß  ihr  ursprünglicher  Verfasser  sie  als  selbständige 
Abschnitte  habe  auftreten  lassen  wollen,  während  zugleich  gar  manche  kleinere 
und  größere  Stücke  in  jenen  vier  Sagen  nach  Form  und  Inhalt  als  spätere  Ein- 
schiebsel sich  zu  verrathen  scheinen«  Lasse  ich  also  die  Frage  bei  Seite,  in  welcher 
Zeit  die  einschlägigen  Einzelsagen  von  Snorri  geschrieben  wurden,  so  wie  die  nur 
durch  mühevollste  Detailerörterungen  zu  erledigende  Frage  nach  den  von  ihm  im 
Einzelnen  benützten  Quellen,  so  gehe  ich  bezüglich  der  beiden  ersten  Drittel  der 
Heimskr.  vom  Verf.  eigentlich  nur  darin  ab,  daß  ich  der  Olaf«  s.  Trjggvasonar 


LITTERATUR.  457 

SDorri*s  etwas  größeren  Umfang,  und  der  Tbatigkeit  des  Oompilators  der  Heiniskr. 
als  eines  Gesamrntwerkes  etwas  tiefer  eingreifenden  Einfloß  auf  die  Gestaltung  un- 
seres Textes  zugestehe  als  er  thut;  da  zu  einer  eingehenderen  Beweisführung  hier 
der  Kaum  fehlt,  beschränke  ich  mich  auf  die  Bemerkung ,  daß  ich  insoweit  meine 
früher  ausgesprochenen  Ansichten  noch  immer  festhalte,  ohne  durch  des  Verfassers 
Ausführungen  wankend  geworden  zu  sein.  Anders  stellt  sich  dagegen  die  Sache  be- 
züglich des  letzten  Drittels  der  Heimskringla*  Unser  Verf.  hält  dafür,  daß  auch  diese 
letzte  Abtheilung  des  Gesammtwerkes  von  Snorri  selbst  verfasst  sei;  ich  dagegen 
hatte  ihm  früher  nur  die  Magnüss  s.  g6da  und  die  mit  dieser  ursprünglich  ungetrennt 
zusammenhängende  Haralds  s.  hardrÄda  bestimmt  zuzusprechen  gewagt,  außerdem 
aber  nur  noch  als  möglich  bezeichnet,  daß  auch  die  Lebensgeschichte  des  Magnus 
berfaetti,  dann  des  Sigurdr  Jörsalafari  und  seiner  Brüder  von  ihm  bearbeitet  sein 
könne,  während  ich  ihm  alle  späteren  Königssagen  bestimmt  absprechen  zu  sollen 
meinte.  Was  mich  zu  meinen  Annahmen  bewogen  hatte,  war  einmal  das  gesonderte 
Vorkommien  der  vereinigten  Magnüss  s.  und  Haralds  s.  in  der  Flateyjarbok ,  sowie 
deren  vielfache  wörtliche  Benützung  in  der  Fagrskinna,  welche  doch  weder  die 
YngUnga  s.  noch  die  beiden  Olafssagen  Snorri*8  ausgeschrieben  hat ;  sodann  aber 
auch  das  bewusst  motivierte,  völlig  gleiche  Verhalten  des  Verfassers  jener  Doppel- 
sage zu  den  Liedern  als  Geschichtsquellen,  und  andemtheils  die  auffällige  Mager- 
keit der  Olafs  s.  kyrra,  welche  mit  aller  Bestimmtheit  darauf  hinzuweisen  scheint, 
daß  sie  nur  eine  spätere  Erweiterung  von  dürftigen  Notizen  sei,  welche  ursprüng- 
lich am  Schlüsse  einer  Haralds  s.,  am  Eingange  einer  Magnüss  s.  berfastta,  oder 
endlich  in  einem  kürzer  gehaltenen  Werke,  wie  etwa  Ari's  ältere  Islendingabök 
gestanden  hatten.  Wiesen  diese  Anhaltspuncte  auf  die  ursprüngliche  Selbständig- 
keit jener  Doppelsage,  und  auf  Snorri  als  deren  Verfasser,  so  legte  andererseits 
die  Begrenzung  des  Stoffes  bei  Ari  im  Zusammenhalte  mit  einem  in  der  Orknejj- 
inga  s.  und  Magnüss  s.  Ejjajarls  enthaltenen  Citate  aus  Snorri,  welches  zur  Magn- 
üss s.  berfsBtta  unserer  Heimskr.  passt ,  und  zumal  mit  der  durchaus  verschiedenen 
Behandlungsweise  der  späteren  Sagen  gegenüber  den  früheren  die  Vermuthung 
nahe,  daß  von  der  Haralds  s.  gillis  ab  nicht  mehr  ein  Werk  Snorri*s  uns  vorliege, 
sondern  lediglich  eine  Überarbeitung  des  von  Eirikr  Oddsson  bereits  weit  früher 
verfassten  Hryggjarstjkki,  welche  der  spätere  Oompilator  der  Heimskr.,  indem  er 
die  von  Snorri  verfassten  Einzelsagen  mit  einander  verband,  an  diese  anstiess,  um 
das  Gesammtwerk  noch  um  ein  paar  Jahrzehnte  weiter  als  diese  reichten,  herab- 
zuführen, daß  dagegen  bis  zum  Jahre  1130  herab  eine  von  Snorri  selbst  verfasste 
Lebensbeschreibung  des  Magnus  berfsBtti  und  seiner  Söhne  gereicht  haben  möge. 
Unser  Verf.  geht  auf  jenes  gesonderte  Vorkommen  der  Geschichte  der  Magnus  gödi 
und  Haraldr  hardr&di  überhaupt  nicht  ein,  und  gesteht  zwar  die  durchaus  ver- 
schiedene Behandlungsweise  zu,  welche  sich  in  den  späteren  Königssagen  im  Ver- 
gleiche zu  den  früheren«  bemerklich  macht,  meint  dieselbe  jedoch  theils  aus  einer 
abweichenden  Arbeitsmethode ,  welche  Snorri  hier  und  dort  angewandt  hätte,  theils 
sogar  aus  dem  verschiedenen  Character  ableiten  zu  können,  welchen  das  Volksleben 
selbst  vor  und  nach  der  festeren  Begründung  des  Christenthums  im  Norden  gezeigt 
hätte ;  er  legt  endlich  ein  entscheidendes  Gewicht  auf  das  vorhin  erwähnte  Oitat 
aus  der  Magnüss  s.  berfsetta.  Ich  gestehe,  daß  seine  Argumentation  mich  in  keiner 
Weise  überzeugt  hat,  und  was  zumal  den  zuletzt  angeführten  Umstand  betrifft,  so 
scheint  mir  denn  doch  zu  beachten,  daß  die  auf  Snorri's  Namen  citierte  Thntsache 
ganz  ebenso  wie  in  der  Heimskr,  auch  in  der  Fagrsk.  (§.  240^  S»  159)  und  }/Lork 


458  LITTERATÜR. 

insk.  (S.  155)  berichtet  wird,  so  daß  die  Möglichkeit  nahe  genug  liegt,  daß  die« 
selbe  zunächst  in  einer  von  Snorri  verfassten  Einzelsage  gestanden  und  von  hier 
aus  erst  ihren  Weg  in  jene  drei,  von  einander  unabhängigen  Sagensammlungen 
gefunden  hätte.  Doch  gebe  ich  gerne  zu,  daß  meine  früheren  Ausführungen,  vor 
dem  Erscheinen  der  Morkinskinna  Ungers  geschrieben  und  auf  irrige  Annahmen 
über  das  Alter  dieses  letzteren  Textes  gestützt,  einer  durchgreifenden  Kevision  be- 
dürfen ;  um  so  entschiedener  glaube  ich  dagegen  an  dem  Satze  festhalten  zu  müssen, 
daß  die  Compilation  der  Heimskr.,  wie  sie  uns  vorliegt,  unmöglich  von  Snorri  selbst 
herrühren  konnte,  gleichviel,  ob  die  in  dieselbe  übergegangenen  größeren  Stücke 
sämmtlich  oder  nur  theilweise  seiner  Feder  zu  verdanken  seien.  Ich  hatte  früher 
unter  Anderm  darauf  Gewicht  gelegt,  daß  Kaiser  Friedrich  II.  einmal  mit  dem 
Beisatze  besprochen  wird,  „er  fyrir  skömmu  var  keisari  Römaborgar**  (Sigurdar  s. 
Jorsalafara,  cap.  9),  einem  Beisatze,  der  unmöglich  vor  dem  Jahre  1245,  also  un- 
möglich von  Snorri  (f  1241)  geschrieben  sein  könne;  unser  Verf.  wendet  gegen 
dieses  Argument  ein,  daß  dasselbe  auf  den  Text,  wie  er  sich  in  Ungers  Ausgabe 
der  Heimskr.  findet  („er  nü  var  keisari  i  Rilmaborg„)  nicht  passe,  und  jener  er- 
steren  Wortfassung  somit  nur  eine  spätere  Entstellung  eines  älteren  anderen  Textes 
zu  Grunde  liege,  indessen  doch  wohl  mit  Unrecht.  Nicht  darin,  ob  man  liest  „fyrir 
skömmu",  oder  „nü"  oder  .sidan"  (wie  Peringsskjöld,  und  die  FMS.  VII,  S.  86), 
liegt  meines  Erachtens  das  Entscheidende,  sondern  in  dem  Worte  »var",  für  wel- 
ches lediglich  die  jüngsten  Bearbeitungen  (in  den  FMS.')  das  farblose  „vard"  haben; 
Niemand  wird  von  einem  noch  regierenden  Kaiser  sagen,  daß  er,  gleichviel  ob 
„vor Kurzem",  oder  „eben noch",  oder  „seitdem  "Kaiser„  war."  Nun  ist  allerdings 
recht  wohl  möglich,  daß  ursprünglich  an  der  betreffenden  Stelle  geschrieben  war 
„er  nd  er  keisari **,  und  es  lässt  sich  nicht  leugnen^  daß  das  Wörtlein  ^^nü"  besser 
zu  „er"  als  zu  „var"  passen  würde;  allein  dies  bleibt  eben  doch  nur  eine  durch 
nichts  weiter  begründete  Möglichkeit,  gegen  welche  sich  sogar  einwenden  lässt, 
daß  die  einschlägige  Stelle  der  Fagrsk.  (§.  244,  S.  161)  den  Kaiser  Friedrich  gar 
nicht  nennt  (die  Morkinsk.  hat  hier  eine  Lücke),  und  überdies  würde,  zugegebeut 
daß  ursprünglich  „er"  geschrieben  war,  doch  immerhin  der  Umstand,  daß  unsere 
sämmtlichen  Hss.  der  Heimskr.  „var"  lesen,  darauf  hindeuten,  daß  es  sich  hier 
nicht  um  die  Änderung  eines  bloßen  Abschreibers,  sondern  um  die  des  Compila- 
tors  unseres  Textes  handle.  Ferner:  in  der  Haralds  s.  hardr&da  (cap.  103)  wird 
Skull  B4i*dar8on  als  Herzog  bezeichnet,  und  Ungers  Ausgabe  zeigt,  daß  diese  Be- 
zeichnung bereits  im  ältesten  Texte  der  Heimskr.  zu  finden  ist,  wie  sie  denn  auch 
in  der  Haralds  s.  gilla  (cap.  14)  nochmals  wiederkehrt.  Skuli  erhielt  den  Herzogs- 
titel erst  im  Jahre  1237,  während  er  bis  dahin  nur  Jarl  geheissen  hatte,  und  unser 
Verf.  schließt  gerade  daraus,  daß  Snorri  erst  nach  1237  das  letzte  Drittel  der 
Heimskr.  verfasst  habe ;  aber  ist  es  glaublich,  daß  Snorri,  welcher  im  Herbste  eben 
dieses  Jahres  aus  Island  nach  Norwegen  flüchten  musste  und  erst  zwei  Jahre  später 
von  dort  in  seine  Heimat  zurückkehrte,  um  hier  wieder  zwei  Jahre  später  eines 
gewaltsamen  Todes  zu  sterben,  gerade  in  dieser  Zeit  nicht  nur  ein  reichliches 
Drittheil  der  Heimskr.  verfasst,  sondern  auch  die  Vereinigung  der  bisher  getrennten 
einzelnen  Sagen  zu  einem  Gesammtwerke  besorgt  haben  sollte,  und  zwar  in  einer 
Zeit,  da  er,  bereits  ein  Sechziger,  theils  durch  seine  Parteinahme  für  Sküli  gegen 
H.  H4kon,  theils  durch  die  Unruhen  auf  Island,  in  die  er  in  erster  Linie  verwickelt 
war,  vollauf  beschäftigt  sein  musste?  Da  dürfte  denn  doch  zu  beachten  sein,  daß 
nicht  nur  die  Fagrsk.  an  beiden  Stellen  den  Sküli  überhaupt  nicht  nennt,  sondern 


LITTERATUE.  469 

auch  die  Morkinsk.  (S.  174)  an  der  zweiten  seiner  nicht  gedenkt,  an  der  ersten 
aber  (S.  122)  ihn  als  Jarl,  nicht  Herzog  bezeichnet,  so  daß  auch  hier  der  Gedanke 
an  eine  spätere  Änderung  der  Bezeichnung,  oder  auch  Einschaltung  des  Namens, 
nahe  liegt.  Endlich  scheint  mir  aber  auch  darauf  Gewicht  gelegt  werden  zu  dürfen, 
daß  der  Compilator  des  Gesammtwerkes  ganz  unzweideutig  eine  ohne  allen  Ver- 
gleich ungeschicktere  Hand  verräth,  als  welche  wir  dem  Verfasser  der  größeren  in 
dieses  eingestellten  Stücke  zuzutrauen   berechtigt  sind.  Der  Prolog  der  Heimskr. 
bezieht  sich,  wie  auch  unser  Verf.  anerkennt,  nur  auf  die  älteren  Königssagen  bis 
auf  die  Olafs  s.  helga  herab ;  wer  wollte  glauben,  daß  Snorri  selbst,  wenn  er  ledig- 
lich ans  eigenen  Einzelwerken  ein  Gesammtwerk  zusammengesetzt  hätte,  diesem 
nicht  einen  neuen,  für  das  Ganze  passenden  vorgesetzt  haben  sollte  ?  Die  Abgren  • 
zung  femer  der  einzelnen  Königssagen  von  einander  ist  eine  völlig  stümperhafte, 
und  oft  genug  verräth  sich  das  Bestreben,  durch  anderswoher  entlehnte  Notizen, 
zuweilen  bloß  Volkssagen  (z.  B.  Olafs  s.  kyrra,  cap.  10,  S.  634  —  5),    zuweilen 
Auszüge  aus  anderen  Sagen  (z.  B.  H41fdanar  s.  svarta,  cap.  5,  S,  44  —  46,  aus  der 
Sigurdar  s.  hjartar,  vgl,  p.  af  Ragnars  sonum,  cap.  5,  S.  358  —  9;  Haralds  s.  h&r- 
fagra,  cap.  25,  S.  66.  7,  aus  Agrip,  cap.  3 — 4,  S.  378  —  80),  zuweilen  auch  nur 
verschiedene  Berichte  über  gleiche  Vorgänge  (vgl.  Sigurdar  s.  Jörsalaf.,  cap.  30, 
S.  687 — 9,  wo  Ottarr  birtfngr,  mit  cap.  32,  S.  690 — 1,  wo  Asl&kr  hani  die  Haupt- 
rolle spielt),  die  dürftigere  Darstellung  der  älteren  Vorläge  zu  erweitern ;  die  matte 
Haltung  derartiger  Zusätze  oder  Verbindungsglieder  pflegt  dabei  an  sich  schon  den 
ungeschickten  Überarbeiter  zu  erkennen  zu  geben.  Endlich  würde  Snom  selbst, 
wenn  er  die  Zusammenstellung  der  Heimskringla  besorgt  hätte,  dieser  doch  wohl 
einen,  wenn  auch  noch  so  kurzen  und  einfachen,  Schluß  gegeben  haben;  daß  ein 
solcher  fehlt,  kann  aber  ganz  wohl  daraus  erklärt  werden,  daß  der  unbehülfliche 
Compilator  derselben  entweder  auch  noch  eine  Überarbeitung,    oder  wenigstens 
noch  eine  Abschrift  der  Souris  s.  beizugeben  beabsichtigt,  wiedergleichen  denn  wirk- 
lich in  zweien  der  vorhandenen  vier  Hss.,  der  JÖfraskinna  und  des  Eyrspennill, 
geschehen  ist. 

Wenn  ich  aber  in  diesen  wie  in  so  manchen  anderen  Puncten  von  dem  Verf. 
abzuweichen,  und  meine  den  seinigen  gegenüberstehenden  Ansichten  unverschwie- 
gen lassen  zu  sollen  glaubte,  so  möchte  ich  doch  zum  Schlüsse  noch  bemerken, 
daß  möglicherweise  in  mancher  einzelnen  Beziehung  die  wie  mir  scheint  ungenü- 
gende Motivierung  seiner  Sätze  nur  darin  begründet  sein  mag,  daß  er  sich  ein  ge- 
naueres Eingehen  auf  die  Einzelnheiten  der  Beweisführung  auf  die  Anmerkungen 
versparen  wollte,  welche  der  weiter  fortschreitenden  Übersetzung  mit  der  Zeit  zu 
folgen  bestimmt  sind.  Es  wäre  hiemach  eine  Unbilligkeit,  wenn  man  jetzt  schon 
definitiv  über  die  Begründung  oder  Nichtbegründung  seiner  Aufstellungen,  zumal 
bezüglich  der  allmäligen  Genesis  der  Heimskr.  absprechen  wollte,  und  behalte  ich 
mir  ausdrücklich  vor ,  eventuell  später  nochmals  auf  die  Frage  zurückzukommen. 
Einstweilen  aber  möchte  ich  die  Arbeit,  deren  hohes  Verdienst  um  das  bessere 
Verständniss  des  „Königsbuches''  ich  freudig  anerkenne,  dem  einschlägigen  Leser- 
kreise dringendst  empfohlen  haben. 

4.  September  1869.  KONKAD  MAURER. 


460 


MI8CELLEN. 


Joseph  Diemer. 

Wenige  Tage  nachdem  Pfeiffer»  Tod  jährig  geworden,  fanden  die  längeren 
Leiden  eines  ihm  seit  einem  Jahrzehent  nahe  stehenden  Mannes  ein  Ziel :  am 
3.  Juni  1869  starb  in  Perchtoldsdorf  bei  Wien  Joseph  Diemer.  Seine  Laufbahn 
zeigt  uns  ähnlich  wie  die  Pfeiffers  ein  mühevolles  ,  aber  starkes  Ringen  mit 
äußeren  Schwierigkeiten,  dem  der  Erfolg  schließlich  sich  nicht  versagte.  Geboren 
1807  zu  Stainz  in  Steiermark,  verlor  er  in  zarter  Kindheit  rasch  nach  einander 
Mutter  und  Vater,  und  kam  zu  einer  harten  Muhme.  Er  ward  nach  Grätz  auf 
die  Schule  gethan ,  aber  bald  reichte  das  schmale  Erbe  nicht  mehr  hin ,  um 
seine  Ausbildung  fortzusetzen.  Da  erboten  sich  die  Franziskaner  ,  ihn  unent- 
geltlich zu  erziehen,  wenn  er  später  in  ihren  Orden  treten  wolle ^  das  scheute 
der  Knabe  und  zog  es  vor,  lieber  mit  den  äußersten  Entbehrungen  zu  kämpfen 
und  dabei  frei  zu  bleiben.  Sein  Fleiß  und  sein  Talent  verschaffken  ihm  bald 
Gönner  und  Freunde,  die  es  vermittelten,  daß  er  1 823  von  seinem  Geburtsorte, 
ein  Stipendium  bekam.  Daneben  gab  er,  schon  seit  dem  12.  Jahre,  Privat- 
unterricht, um  seine  Subsistenzmittel  zu  vermehren.  Ein  glühender  Wissensdurst 
ließ  ihn  an  dem  in  der  Schule  Gebotenen  nicht  Genüge  finden;  er  lernte  da- 
neben für  sich  die  hauptsächlichsten  modernen  Sprachen,  Englisch,  Französisch, 
Italienisch,  Spanisch,  und  verwendete  die  gewonnenen  Kenntnisse  alsbald  wieder 
praktisch  ,  indem  er  in  diesen  Sprachen  unterrichtete.  Um  für  seine  Studien 
Nahrung  zu  holen ,  besuchte  er  die  Johannenmsbibliothek  in  Grätz ,  wo  man 
bald  auf  ihn  aufmerksam  wurde  und  ihm^  dem  achtzehnjährigen,  eine  Stellung 
als  Scriptor  der  Bibliothek  gab  (1825).  In  diesem  Amte  blieb  er  17  Jahre, 
still  fortarbeitend  und  in  den  Ferien  Deutschland,  die  Schweiz  und  Italien  zu 
Fuß  durchstreifend.  In  den  Kreis  seiner  Bestrebungen  hatte  er^  ebenfalls  auf 
dem  Wege  des  Selbststudiums,  auch  das  Altdeutsche  gezogen,  und  seine  Wan- 
derungen durch  Österreichs  Klosterbibliotheken  ließen  ihn  manchen  werthvollen 
Fund  machen.  Der  bedeutendste  war  1841  die  Entdeckung  einer  Handschrift 
im  regulierten  Chorhermstifte  Voran  in  Steiermark,  die  unter  dem  Namen  der 
Vorauer  Hs.  jetzt  allgemein  bekannt  ist  und  außer  der  Kaiserchronik  und  dem 
Alezander  eine  bedeutende  Anzahl  hauptsächlich  österreichischer  Gedichte  des 
11.  und  12.  Jhd.  enthielt,  welche  für  unsere  Kenntniss  der  Literatur  dieser 
Periode  eine  Hauptquelle  bilden.  Dieser  Fund  wurde  für  Diemers  ganze  Studien- 
richtung entscheidend.  Bald  darauf  (1842)  siedelte  er  nach  Wien  über  und 
ward  zum  Scriptor  der  Universitätsbibliothek  ernannt,  deren  Director  er  1851 
wurde.  Durch  die  Herausgabe  der  Vorauer  Handschrift  wurde  sein  Name  in  den 
germanistischen  Kreisen  bekannt  und  es  folgte  Anerkennung  der  verschiedensten 
Art.  Die  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  ernannte  ihn  am  1.  Februar 
1848  zu  ihrem  correspondierenden  Mitgliede.  1865  wurde  er  k.  k.  Begierungs- 
rath  und  gelegentlich  der  500jährigen  Jubelfeier  der  Universität  (1865)  Ehren- 
doctor  der  Philosophie.  Zahlreiche  wissenschaftliche  Vereine  wählten  ihn  zu  ihrem 
Mitgliede.  Daß  er  seinen  Einfluß  verwendete,  um  für  Pfeiffers  Berufung  nach 
Wien  (1857)  zu  wirken^  gereicht  ihm  zu  bleibender  Ehre.  In  seiner  Stellung 
als  Director  der  Universitätsbibliothek  erwarb  er  sich  große  Verdienste  ,  auf 
welche  jedoch  näher  einzugehen  hier  nicht  der  Ort  ist. 


mSCELLEN.  461 

Diemen  erste  literarische  Versuche  erschienen  in  der  Steiermarkischen 
Zeitschrift' ;  auf  sie  hat  er  selbst  später  keinen  Werth  gelegt.  Eine  eigentliche 
literarische  Thätigkeit  entwickelte  er  erst  in  Wien;  dieselbe  fand  durch  die 
Entdeckung  der  Vorauer  Hs.  ihren  Mittelpunkt  in  der  österreichischen  Poesie 
des  11.  und  12.  Jahrhunderts.  In  richtiger  Würdigung  der  Grenzen  seiner 
Kraft  zog  er  es  vor,  einem  kleinen  Gebiete  ein  um  so  eindringenderes»  inten - 
sivereB  Studium  zuzuwenden.  Seine  Ausgabe  der  Kaiserchronik  nach  der  Vor- 
auer Hs.  (1849)  blieb  ein  Bruchstück,  indem  dem  ersten  Bande,  der  den  ge- 
treuen Abdruck  des  Textes  enthält,  der  zweite,  der  Einleitung,  Anmerkungen 
und  Lesarten  der  verwandten  Hss.  bringen  sollte,  nicht  nachfolgte.  Vielleicht 
daß  das  fast  gleichzeitige  Erscheinen  von  Maßmanns  Ausgabe  den  ursprüng- 
lichen Plan  umgestaltete.  In  der  Ausgabe  der  übrigen  Gedichte  der  Vorauer  Hs. 
dagegen  (1849)  ward  das  begleitende  Material  von  Einleitung  und  Anmerkun- 
gen gleich  beigegeben.  Wie  weit  die  Kritik  dieser  kostbaren  Denkmäler  auch 
seitdem  vorgeschritten  ist,  immer  wird  die  musterhafte,  sorgfältige  Arbeit  Die- 
mers  die  Grundlage  bleiben,  zu  der  man  zurückkehren  muss.  In  seinen  Bei- 
trägen (1851 — 1867)  gab  er  theils  Abdrücke  von  aufgefundenen  Texten,  meist 
Bruchstücke,  theils,  und  dies  ist  ihre  Hauptbedeutung,  führte  er  darin  Unter- 
suchungen über  yerschiedene  Punkte  der  österreichischen  Litteraturgeschichte  des 
11.  und  12.  Jahrhunderts.  Auch  seine  Veröffentlichung  von  Genesis  und  Exodus 
nach  der  Milstäter  Hs.  (1862)  schließt  sich  diesen  Forschungen  an.  Seine  Be- 
arbeitung von  Ezzos  Anegenge,  die  den  letzten  Theil  der  Beiträge  bildet  und 
seine  letzte  litterarische  Arbeit  war,  zeigt  die  umfassende  Beherrschung  der  be- 
treffenden Periode  und  der  lateinischen  Quellen,  die  die  damaligen  Dichter  be- 
nutzten ;  freilich  sind  ihre  Resultate  in  ihrer  Kühnheit ,  namentlich  nach  der 
textkritischen  Seite,  nicht  ohne  Bedenken.  Manches  andere  hatte  er  noch  vor- 
bereitet; so  namentlich  die  Herausgabe  eines  mhd.  Arzneibuches,  welches  im 
mhd.  Wörterbuch  (H,  1.  2)  nach  Diemers  Abschrift  oft  citiert  ist  und  dessen 
Veröffentlichung  schon  aus  diesem  Grunde  erwünscht  wäre.  Seine  Kränklichkeit 
in  den  letzten  Jahren  ließ  ihn  nicht  zur  Ausführung  dieser  und  anderer  Pläne 
gelangen.  Immer  aber  wird  durch  sein  hingebendes ,  liebevolles  Studium  der 
österreichischen  Litteratur  ihm  ein  ehrendes  Andenken  in  der  Geschichte  der 
germanischen  Philologie  gesichert  bleiben,  auch  wenn  die  von  ihm  gewonnenen 
Resultate  vom  Fortschritt  der  Wissenschaft  längst  überholt  sein  werden,  wie  sie 
es  zum  Theil  schon  jetzt  sind.    • 

Nachstehend  lasse  ich  eine  Übersicht  von  Diemers  litterarischer  Thätigkeit 
folgen,  soweit  mir  dieselbe  bekannt  ist. 

I.    Selbständig    erschienene   Arbeiten. 

1849.  Deutsche  Gedichte  des  XI.  und  XII.  Jahrhunderts.  Aufge- 
funden im  regulierten  Chorherrenstifte  zu  Voran  in  der  Steiermark  und  zum 
ersten  Male  mit  einer  Einleitung  und  Anmerkungen  herausgegeben  von  Joseph 
Diemer,  Scriptor  etc.  Mit  4  Nachbildungen  der  Handschrifft*  Wien,  W.  BraU' 
müller.  LXU,  384  u.  118  S.  gr.  8. 

1839.  Die  Kaiserchronik  nach  der  ältesten  Handschrift  des  Stiftes 
Voran  aufgefunden,  mit  einer  Einleitung,  Anmerkungen  und  den  Lesearten  der 
zunächst  stehenden  Hss.  herausgegeben  von  Joseph  Diemer.  Theil  I.  Urtext. 
Wien,  W.  Braumüller.  VHI,  530  S.   gr.  8. 


462  MISCELLEN. 

1851 — 67.  Kleine  Beiträge  zur  älteren  deutschen  Sprache  und  Lit- 
teratur.  Gesammelt  und  herausgegeben  von  J.  D.  I*  TheiL  Wien  1851.  Hof- 
und  Staatsdruckerei.  128  S.  gr.  8.  Aus  dem  VI.  und  VII.  Bande  der  Sitzungs- 
berichte der  philos.  histor.  Classe  der  Akademie. 

1854.  2.  Theil.   120  S.  Aus  dem  XI.  Bande. 

1856.  3.  Theil.  Inhalt:  14.  Über  Heinrichs- Gedicht  vom  Allgemeinen  Le- 
ben  und  der  Erinnerung  au  den  Tod.   15.  Über  das  Gedicht  vom    Pfaffenleben. 

16.  Heinrichs  Gedicht  von  dem  gemeinem  lebene  und  des  todes  gehngede. 

1858.  4.  Theil.  120  S.  Aus  dem  XXVH.  und  XXVIII.  Bande.    Inhalt: 

17.  Über  die  zwei  von  Herrn  Th.  G.  von  Karajan  veröffentlichten  deutschen 
Sprachdenkmale  aus  heidnischer  Zeit.  18.  Über  den  Bruder  Heinrich  von  Gott- 
weig  als  den  Dichter  der  Gehngede  und  des  Pfaffenlebens.  19.  Anmerkungen 
und  Verbesserungen  zu  Heinrichs  Gedichte  vom  gemeinen  Leben  und  der  Er- 
innerung an  den  Tod. 

1865.  Beiträge  zur  älteren  deutschen  Sprache  und  Literatur.  5.  Theil. 
131  S.  Aus  dem  XLYiL  und  XLVIU.  Bande.  Inhalt:  Geschichte  Josephs  in 
Ägypten  ,  deutsches  Gedicht  des  XI.  Jahrhunderts  nach  der  Yorauer  Hs.  mit 
Anmerkungen  herausgegeben  von  J.  P. 

1867.  6.  Theil.  LXXl  u.  63  S.  Aus  dem  LH.  Bande.  Inhalt:  Ezzos 
Scholasticus  in  Bamberg  Bede  von  dem  Bebten  Anegenge  oder  Lied  von  den 
Wundem  Christi  aus  dem  J.  1065.  Aufgefunden  und  mit  einer  Einleitung  und 
Anmerkungen  neu  herausgegeben  von  J.  D. 

1862.  Genesis  und  Exodus,  nach  der  Miistäter  Handschrift  heraus- 
gegeben von  Joseph  Diemer ,  Voistand  der  k.  k.  Universitätsbibliothek  etc. 
I.  Band.  Einleitung  und  Text.  U.  Band.  Anmerkangen  und  Wörterbuch.  Wien 
1862.  0.  Gerold  in  Comm.  XXXIX  und  168;  IV  und  288  S.  gr.  8. 

IL    Abhandlungen    in    Zeitschriften. 

'    1.  In*Wiener  Zeitung  1844:  Über  Gratz  und  Grätz  vom  rein  gramma- 
tischen Standpunkte  aus. 

2.  In  Österreich.  Blätter  für  Literatur  und  Kunst  1845:  Über  das  älteste 
Vorkommen  des  Namens  Osterreich,  Nr.  20  —  22;  über  den  Antheil  Österreichs 
an  der  deutschen  Dichtung  des  Mittelalters,  Nr.  9 — 14. 

3.  In  Pfeiffers  Germania:  Bruchstücke  einer  Legende  vom  h.  Nicolaus  U 
.  (1857),    S.  96—98;    Kleine  Mittheilungen:  1*.  Bruchstück  eines  ahd.  Glossars 

aus  dem  IX.  Jhd. ;  2.  Bruchstück  eines  unbekannten  Gedichtes  aus  dem  XHl.  Jhd. ; 
3.  Bruchstücke  deutscher  Gebete  an  die  h.  Dreieinigkeit;  4.  Die  G^ttweiger  Ab- 
schrift des  Otfried  HI  (1858),  S.  351—360;  Deutsche  Predigtentwürfe  aus 
dem  Xni.  Jhd.  S.  260—367;  Zu  Genesis  und  Exodus  VIU  (1863),  S.  482 
bis  489. 

IIL    Becensionen. 

In  Österreich.  Blätter  für  Literatur  und  Kunst  1857:  Gärtner,  Chuonrad 
Prälat  von  Göttweih  und  das  Nibelungenlied,  Pest  1856,  Nr.  6—8. 

ROSTOCK,  25.  Sept.  1870.  KAHL  BARTSCH. 


463 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT 

DER 

ERSCHEINUNGEN  AUF  DEM  GEBIETE  DER  GERMANISCHEN 

PHILOLOGIE  IM  JAHRE  1869. 

VON 

KARL  BARTSCH.*) 


•  I.  Begriff  und  Geschichte  der  g  e  r  m  an  i  a  c  h  e  n  Philologie. 

1.  Hoffmann,  F.  L.,  Erinnerung  an  preußische  Bibliographen  und  Lite- 
rarhistoriker.  31.  Johann  Gustav  Gottlieb  Büsching.  32.  Friedrich  Heinrich  von 

der  Hagen.  50.  Gottlieb  Christian  Friedrich  Mohnike. 
Serapeum  1869,  Nr.  7.  19. 

2.  Diez,  Etudes  litt^raires  sur  TAUemagne  contemporaine.  Uhland.  Kömer. 
Les  fr^res  Grimm.  Goethe.  Paris  1869.  La  Hachette.   1  f.  50  c. 

« 

3.  Briefwechsel  zwischen  Joseph  Freiherrn  von  Laßberg  und  Ludwig 

Uhland.    Herausgegeben  von  Franz  Pfeiffer.    Mit  einer  Biographie  Franz  Pfeiffers 

von  Karl  Bartsch  und  den  Bildnissen  von  Pfeiffer,  v.  Laßberg  und  Uhland.  gr.  8. 

(CVn,  342  S.)  Wien  1870,  BraumiUler.  4  Rthlr. 

Vgl.  Athenaeum  1870,  12.  Februar;  Magazin  für  die  Literatur  des  Ausl.  32; 
Presse  Nr.  40;  Über  Land  und  Meer  23,  17. 

4.  Unsere  Zeit.  Deutsche  Revue  der  Gegenwart.  Herausgegeb.  von  R. 
Gottschall.  1869. 

Enthält  im  Märzhefte  Necrologe  von  Franz  Pfeiffer  (S.  386-388)  und  von  Aug. 
Schleicher  (S.  388  -  392). 

6.  Boaterwek.  —  Zur  Erinnerung  an  Karl  Wilhelm  Bouterwek,  Di- 
rector  des  Gymnasiums  in  Elberfeld.  gr.  8.  (44  S.)  Elberfeld  1869.  Lucas. 
V^  Rthlr. 

6.  Diemer.  —  Scherer,  W.,  Josef  Diemer. 
Die  Presse  1869,  22.  Juni. 

7.  Meißner,  Dr.  L.  F.,  Dr.  Joseph  Diemer. 
Wiener  Zeitung  1869,  18.  JuU. 

8.  J.  Grimm.  —  Ein  Lebensabriß  Jacob  Grimms« 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  1,  489—491. 

9.  Halbertsma.  —  Verwijs,  E.,  Joost  Hiddes  Halbertsma. 
Nederlandsche  Spect  1869,  Nr.  13. 

10.  Eckhoff,  W.,  Voerlezing  over  het  leven  van  Dr.  Justus  Hiddes  Hal- 
bertsma en  zijne  Verdiensten  omtrent  de  geschiedenis ,  taal-en  letterkunde,  vooral 
van  Priesland,  8.  (81  S.)  Leeuwarden  1869,  Eckhoff,  f.  0,60. 


*)   Mit  Unterstützung  meiner  Freunde  K.  Gislason ,  W.  Lidforss,  Tk  Möbius, 
H.  Sweet,  E.  Verwijs,  M.  de  Yries  und  J.  M.  Wagner. 


464  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

11.  HofEmann  v.  Fallerslebeii.  —  WB^ner^  J,  M.,  Hoffinann  t«  Fal> 
lersleben  1818  — 1868,  50  Jahre  dichterischen  und  gelehrten  Wirkens  bibliogra- 
phisch dargestellt,  gr.  8.  (40  S.)  Wien  1869.  Gerold.   Va  Rthlr. 

Vgl.  Germania  14,  383;  Blätter  t  liter.  Unterh.  1869,  Nr.  42;  Serapeum  Nr.  6; 
Petzholds  Anzeiger  Nr.  6;  Lehmanns  Magazin  Nr.  28;  Presse  Nr.  158;  Europa  Nr.  34; 
Jahreszeiten  Nr.  38;  Hannoy.  Courier  Nr.  4627;  Voss.  Zeitung  Nr.  241. 

12.  Lennep.  —  Beets,  N.,  Jacob  van  Lennep.  8.  (4  und  104  S.)  Haar- 
lem  1869.  Erren  Bohn.  f.  1,  10. 

A.  u.  d.  T. :  Verscheidenheden  meest  op  letterkundig  gehied.  Aflev.  4. 

13.  Beeloo,  A.,  Mr.  J.  v.  Lennep, 

In :  Levensherichten  der  afgestorvene  medeleden  van  de  Maatschappij  der  Ned. 
Letterkunde  te  Leiden  (Leiden  1869,  Brill)  S,  44— 69  imd  Verzeichniss  seiner  Schriften 
S.  73—122. 

14.  Rafn.  —  Breve  fra  og  til  Carl  Christian  Rafn^  med  en  Biographi  ud- 

givet  af  Benedict  Gröndal.  8'.  (330  S.)  Kjövenhavn  1869.  Gyldendal. 
Vgl.  Revue  critique  1870,  Nr.  10  (Beauvois). 

1-5.  Schleicher.  —  Schmidt,  Joh.,  August  Schleicher. 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  18,  315—321. 

16.  Hovelacque,  Abel,  Auguste  Schleicher.  Notice  biographique. 
Revue  de  linguistique  et  de  philologie  eompar^e,  2.  ann^e,  Janv.  1869. 

17.  August  Schleicher. 
Illustr.  Zeitung  Nr.  1337. 

18.  Ein  deutscher  Sprachforscher  (August  Schleicher). 
Sonntagshlatt  von  Fr.  Duncker  1869,  Nr.  23. 

19.  ühland.  —  Paulus,  Ed.,  Ludwig  ühland  und  seine  Heimat  Tübingen, 

Eine  Studie.  Mit  Blustrationen,  4.  (52  S.)  Berlin  1869.  Grote.    1  Rthlr. 

Vgl.  Lehmanns  Magazin  1869,  Nr.  10;  N.  Preuß.  Zeitung  Nr.  55;  Badische  Lan- 
deszeitung 1868,  Nr.  292;  Dresdn.  Journal  Nr.  289;  Schwäh.  Kronik  Nr.  303;  Wien. 
Zeitung  Nr.  298;  Hannov.  Courier  Nr.  4377. 

20.  Ungedruckte  Briefe  von  L.  ühland.  Herausgegeben  von  F.  Notter. 
Westermanns  illustr.  Monatshefte  1869,  Novemher. 

21*.  W.  Wackernagel.  —  Death  of  Wilhelm  Wackemagel. 
Trübners  American  and  Orientäl  Literary  Record  1869,  Nr.  52. 

22.  Blätter  aus  W.  Wackemagels  poetischem  Nachlasse. 
Monatsblätter  für  innere  Zeitgeschichte  von  Geltzer  1869,  December,  S.  338  flf. 

23.  Wassmannsdorff,  Ein  turnerischer  Trinkspruch  von  W.  Wacker- 
nagel aus  dem  Jahre  1845. 

Neue  Jahrbücher  für  die  Tumkunst  1869,  6.  Heft. 

II.   Handschriftenkunde  und  Bibliographie. 

24.  Tabulae  codicum  manu  scriptorum  praeter  graecos  et  orientales  in 

bibliotheca'  palatina  Vindobonensi  asservatorum ,   edidit  academia  caesarea  Vin- 

dobonensis.    Vol.  IH.    gr.  8.    (655  S.)    Wien  1869.    Gerold.    4  Rthlr.    (Enthält 

Nr.  3401—5000), 

Vgl.  German.  15,  382  fg.  (K.  B.);  Liter.  Centralbl.  1870,  Nr.  13. 

25.  Toppen,  M.,  Altdeutsche  Handschriften  in  Preußen. 
Altpreußische  Monatsschrift  1869,  2.  Heft. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  465 

26.    ArnamagnABanske    Haandskrifter    i    fotolitografiske    Aftryk. 

Köbenhavn  1869.  GyldendaL 

Enthält:  1.  Elucidariufl  paa  Islandsk  (AM.  674  A,  4®).   VH,  66  S.  8.  -    2.  Val- 
demars  sselandske  Lov  (AM.  24.  4").  VH  S.  8  Bl.  8. 

27.    Sigurdur  Jönasson,    Skyrsla  am  handritasafn  hins  islenzka  b6k- 
mentafMags.  8.  (XYI,  252  S.)  Kaupmannaböfn  1869. 


28.  Bartsch,  Karl,  Bibliographische  Übersicht  der  Erscheinangen  auf  dem 
Gebiete  der  germanischen  Philologie  im  Jahre  1868.  gr.  8.  (46  S.)  Wien  1869. 
Gerold.    %  Rthlr. 

Aas  der  Germania  14,  467  —  510  abgedruckt 

29.  Bibliotheca  philologica,  oder  geordnete  Übersicht  aller  auf  dem 
Gebiete  der  classischen  Alterthumswissenschaft  wie  der  älteren  und  neueren  Sprach- 
wissenschaft in  Deutschland  und  dem  Ausland  neu  erschienenen  Bücher.  Heraus- 
gegeben von  Dr.  Gustav  Schmidt.  21.  Jahrg.  2.  Heft  (S.  80—247),  und  22.  Jahrg. 
1.  Heft  (S.  1  -  112).  Göttingen  1869.  Vandenhoek  und  Ruprecht.  13  und  9  Ngr. 

30.  Gräße,  Theodor,  Tresor  de  livres  rares  et  pr^cieux  ou  nouveau  dic- 
tionnaire  bibliographique.  Suppl.  2.  et  derniSre  partie  (Livr.  4l)  gr.  4.  (IV  und 
S.  169 — 500).  Dresden  1869.  Kuntze.  10  Rthlr. 

31.  Well  er,  E.,  Geistliche  Dichtungen.  Zusätze  zu  Wackemagels  Biblio- 

gra^»hie  und  Wellers  Annalen. 
Serapeum  1869,  Nr.  5—13. 

32.  Doorninck,  J.  J.  van,  Bibliothek  van  Nederlandsche  Anonymen  en 
Pseudonymen,  roy.  8.  Afl.  7—8  (577—768  Sp.)  's  Gravenhage  1869.  Nijhoff 
k  f.  1,05. 

33.  G  oll  in,  E. ,  Anonymer  og  Pseudonymer  i  den  danske,  norske  og  is- 
landske  Literatur,  samt  i  fremmede  Literaturer  forsaavidt  disse  omhandle  nordiske 
Forhold,  fra  de  aeldste  Tidet  intil  Aaret  1860.  gr.  8.  (4  und  210  S.)  Kjöben- 
havn  1869. 

ni.  Sprachwissenschaft  und  Sprachvergleichung. 

34.  Benfey,  Theodor,  Geschichte  der  Sprachwissenschaft  und  orientali- 
schen Philologie  in  Deutschland  seit  dem  Anfange  des  19.  Jahrhunderts  mit  einem. 
Rückblicke  auf  die  früheren  Zeiten,  gr.  8.  (X,  837  S.)  München.  3  Rthlr.  16  Ngr. 

A.  u.  d.  T. :  Geschichte  der  Wissenschaften  in  Deutschland/  Neuere  Zeit.  8.  Band. 
Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  47;  Revue  critique  Nr.  61,  S:  385  -389  (Br^al);  The 
Academy  1870,  Nr.  6;  Allgem.  Zeitung  1869,  Beil.  Nr.  262  fg.;  Philolog.  Anz.  II,  4. 

35.  Jäger,  G.,  Über  den  Ursprung  der  Sprache. 
Das  Ausland  1869,  Nr.  17,  S.  394. 

36.  Rosny^  Löon  de.  De  Torigine  du  langage.  8.  (44  S.)  Paris  i869. 
Vgl.  Literar.  Centralbl.  1870,  Nr.  14. 

37.  Wessels,  W.,  De  wording  der  taal,  eene  bijdrage  ter  waardeering 

van  de  wetenschap  der  ervaring.  Met  eene  voorrede  van  J.'  A.  Alberdingk  Thym, 
Aus:  De  Katholiek.  8.  (4  und  70  S.)  's  Gravenhage  1869.  Frentrop.  f.  0,  35. 

38.  Berg,  C.,.  Gm  Sprogenes  Udbredelse  og  SIsBgtskab.  Et  forsög.  8. 
(68  S.) 

GERMANIA.  Neae  R«iha  XU.  (XV.)  Jahrg.  31 


466  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

39.  Bopp)  Fr.)  Grammaire  compar^e  des  langues  iQdo-europ<^enne8  com- 
prenant  le  sanscrit ,  le  send ,  Tarmenien ,  le  grec ,  le  latin ,  le  littuanien ,  rancien 
slave,  le  gothique  et  Tallemand.  Tradaite  sur  la  2*"*  ödit.  et  pr^c^d^e  d'une  intro- 
daction  par  M.  M.  Br^al.  Tome  III.  gr.  8.  Paris  1869.  La  Hachette.  8  fr. 

40.  Westphal,  Rud.,  Grundriß  der  vergleicheDden  Grammatik  der  indo- 
germanischen Sprachen,  gr.  8.  Jena  1869.  Döbereiner.  2  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  fttr  Völkerpsychologie  6.  Bd.,  3.  Heft. 

41.  Indogermanische  Chrestomathie.  Schriftproben  und  Lesestücke 

mit  erklärenden  Glossaren  zu  Aug.  Schleichers  Compendium  der  vergleichenden 

Grammatik   der  indogermanischen  Sprachen.    Bearb.  von  H.  Ebel,  A.  Leskien, 

J.  Schmidt  und  A.  Schleicher.  Nebst  Zusätzen  und  Berichtigungen  zur  2.  Aufl.  des 

Compendiums  von  A.  Schleicher,  gr.  8.  (VII  u.  378  S.)  VTeimar  1869.  Böhlau. 

2*/,  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  5;  Kuhn-Schleicher,  Beiträge  6,  3;  Saturday- 
Review  Nr.  695;  Contemporary  Review  1869,  Nr.  9. 

42.  Pott,  Prof.  Dr.  Aug.  Frdr.,  Etymologische  Forschungen  auf  dem  Ge- 
biete der  indogermanischen  Sprachen  unter  Berücksichtigung  ihrer  Hauptformen, 
Sanskrit,  Zend-Persisch,  Griechisch-Lateinisch  etc.  2.  Aufl.  in  völlig  neuer  Um- 
arbeitung. 2.  Theil,  3.  Abth.  Detmold  1869.  Meyer.  5V3  Rthlr. 

A.  u.  d.  T.:  Wurzel-Wörterbuch  der  indogermanischen  Sprachen.  2.  Bd.:  Wur- 
zeln mit  consonantischem  Ausgange.  1.  Abth.:  Wurzeln  auf  r- Laute  und  1.  gr.  8. 
(XVm,  740  S.)  Vgl.  Revue  crit  1869,  Nr.  46;  Heidelb.  Jahrb.  1870,  Nr.  8. 

43.  Förstemann,  £.,  Der  urdeutsche  Sprachschatz.  Erster  Artikel. 
Germania  14,  337-372. 

44.  Förstemann,  E.,  Alt-,  mittel-,  neuurdeutsch. 
Zeitschrift  ftir  vergleichende  Sprachforschung  18,  161 — 186. 

45.  Thomsen,  Vilh.,  Den  gotiske  sprogklasses  indflydelse  pä  den  flnske. 
En  sproghistorisk  undersögelse.  KÖbenhavn  1869. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  221—226  (Schiefiier);  Liter.  Central- 
blatt  1869,  Nr.  20;  Revue  critique  1870,  Nr.  5. 

46.  Freudenthal,  A.O.,  Nogle  bemaerkninger  om  svensk  sprogkund- 
skab,  med  saerligt  hensyn  til  Finland. 

Tidskrift  for  Philologi  og  Pädagogik  8,  79—89. 

47.  Rumpelt,  Dr.  H.  B.,  Das  natürliche  System  der  Sprachlaute  und  sein 
Verhältniss  zu  den  wichtigsten  Cultursprachen ,  mit  besonderer  Rücksicht  auf 
deutsche  Grammatik  und  Orthographie.  (Mit  8  Tafeln),  gr.  8.  (XH,  228  S.) 
Halle  1869.  Buchh.  des  Waisenhauses.   1V2  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869  Nr.  39  (R.  v.  Baumert;  Kuhns  Zeitschrift  XIX,  4 
(Schweizer-Sidler) ;  Zeitschrift  für  Stenographie  1869,  Nr.  4-6. 

48.  Humperdinck,  G.,  Die  Sprachlaute  physiologisch  und  sprachwissen- 
schaftlich betrachtet.  Mit  einer  Tafel.  (23  S.)  4.    Berlin  1870.    Calvary.    6  Ngr. 

Programm  des  Gymnasiums  zu  Siegburg  1869. 

49.  De  Caix  de  Saint- Aymour,  sur  la  d^clinaison  indoeuropeenne  et  sur  la 
döclinaison  des  langues  classiques  en  particulier. 

Revue  de  Lingnistique  1869,  Janvier. 

50.  Weih  rieh,  F.,  De  gradibus  comparationis  linguarum  Sanscritae,  Grae- 
cae,  Latinae,  Gothicae.  gr.  8.  (108  S.)  Giessen  1869.  Ricker.   16  Ngr. 

Gekrönte  Preisschiift.  Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  36;  Kuhns  Zeitschrift 
19,  231—236  (Schweizer  Sldler) ;  Jahns  Jahrbüclier  1870,  S.  27—48. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  467 

51.  Gerland,  Dr.  Georg,  Intens! va  und  Iterativa  nnd  ihr  Verhaltniss  zu 
einander.  Eine  sprachwissenschaftliche  Abhandlung,  gr.  8.  (X^  197  S.)  Leipzig 
1869.  1  Rthlr. 

Vgl.  Qött.  Gel.  Anzeigen  1869,  Nr.  42  (Beufey);  Zeitschrift  f(ir  Völkerpsycho- 
logie 7.  Band,  2.  Heft  (L.  Tobler). 

52.  Zu  Gerlands  'Intensiva  und  Iterativa  und  Lepsius  ^Standard  Alphabet . 
Zeitschrift  fOr  Stenographie  und  Orthographie  von  G.  Michaelis  17.  Band,  3.  Heft. 

53.  Müller,  F.  Maz,  Crimen  und  Leumund. 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  19.  Bd.,  1.  Heft. 

IV.   Deutsche  Grammatik. 

54.  Grimm,  Jacob,  Deutsche  Grammatik.  2.  Ausgabe.  Neuer  vermehrter 
Abdruck.   1.  Theil,   1.  Hälfte,  gr.  8.  (512  S^  Berlin 4869.    Dümmler.    3  Rthlr. 

55.  Schleicher,  August,  Die  deutsche  Sprache.  2.  verbesserte  u.  verm. 
Auflage,  gr.  8.  (XI,  348  S.)  Stuttgart  1869.  Cotta.  2  Rthlr. 

56.  Hovelacque,  A.,  Etudes  germaniques. 

Revue  de  linguistique  et  de  philologie  compar^e  1869,  Janvier. 

57.  Meyer,  Leo,  Die  gbthische  Sprache.  Ihre  Lautgestaltung  insbesondere 

im  Verhältniss  zum  Altindischen,    Griechischen  und  Lateinischen,    gr.  8.    (XIV, 

780  S.)  Berlin  1869.  Weidmann.  4  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  226 — 228 ;  Zeitschrift  für  vergleichende 
Sprachforschung  19.  Bd.,  4.  Heft;  North  British  Review  Nr.  53. 

58.  Kern,  H.,  Die  Glossen  in  der  Lex  Salica  und  die  Sprache  der  salischen 
Franken.  Beitrag  zur  Geschichte  der  deutschen  Sprache.  8.  (186  S.)  Haag  1869. 
Nijhoff. 

Vgl.  Revue  critique  1870,  Nr.  1  (K.  Bartsch);  Heidelb.  Jahrbücher  Nr.  10; 
Magazin  für  die  Literatur  des  Auslandes  Nr.  5;  Polybiblion,  Sept.  1869. 

59.  Cosijn,  G.  J.,  Nederlandsche  Spraakkunst.  Etymologie.  V  Stuk. 
2«  Druk.  8.  (4  u.  143  S.)  Syntaris  2«  Stuk  (VIII,  166  S.)  Haarlem  1869.  Erven 
Bohn.  f.  2,00. 

60«    Koch,  C.  Friedr. ,    Historische  Grammatik  der  englischen  Sprache. 

3.  Band:    Die  Wortbildung  der  englischen  Sprache.    2.  Theil.    Fremde  Elemente. 

gr.  8.  (X,  232  S.)  Cassel  und  Göttingen  1869.  Wigand.   1%  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  238  fg.  (M.  Heyne);  Lit.  Centralbl. 
1869,  Nr.  33;  Allgem.  Zeitung  1869,  Nr.  298. 

61«  Barnes,  W.,  Early  english  and  the  Saxon  English,  with  some  notes 
on  the  father  stock  of  the  Saxon  English,  the  Frisians.   12.  (178  S.)  3  s. 

62.  Om  Forhold  et  mellem  Dansk  og  Nabosprogene.  I.  8.  (20  S.)  Kö- 
benhavn  1869. 

63.  Jessen,  E.,  Svensk  Sproglaere,  (IV,  48  S.)  8.  Christiania  1869. 


64.  Hof  er,  A.,  Gotisches  Hv  und  Th. 
Germania  14,  222—224. 

65.  Wülcker,  Dr.  E. ,  Beobachtungen  auf  dem  Gebiete  der  Vocalschwa- 
chung  im  Mittelbinnendeutschen,  besonders  im  Hessischen  und  Thüringischen.  8. 
(64  S.)  Prankfurt  a.  M.  1868. 

Vgl.  Germania  16,  4.  Heft  (R.  Bechstein);  Lit.  Centralbl.  1869,  Nr.  47. 

31* 


468  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

66.  Sallwurt,   Rector  Dr.  E.  y.,    Bemerkungen  über  den  Vocalismas  der 

englischen  Sprache.  4.  (16  S.) 

Programm  der  höheren  Bürgerschule  in  Hechingen  1869. 

67.  Koch,  C.  Fr.,  Die  angelsächsische  brechung  ea. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  147—168. 

68.  Sallwurt,  Dr.  E.  y.,  Der  Laut  ea  im  Englischen  und  seine  historische 

Entwickelung. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  46,  166  -160. 

69.  Koch,  C.  Fr.,  Angelsächsisch  e&  (Grimms  e4). 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  339^-344. 

70.  Sweet,  H.,  The history  of  Th  english. 
Philological  Society  1869. 

71.  Ellis,  Alexander  J.,  On  eorly  english  pronunciation  with  especial  re- 

ference  to  Shakespere  and  Chaucer.  Part  I.  On  the  pronunciation  of  the  XIV'**, 

XVI'^  XVIV^  and  XVIII'**  centuries.    Part  H.     On  the   pronunciation  of  the 

XIII''*  and  previous  centuries,  of  Anglosaxon,  Icelandic,  Old  Norse  and.  Gothic, 

with  chronological  tables  of  the  value  of  letters  and  expression  of  spunds  in  English 

writing.  8.  (632  S.)  London  1869.  Asher.   10  s., 

PubUcation  der  Philological  society.  Vgl.  Athenaeum  1870.  4.  Juni. 

72.  Hommel,  L.  L.,  Det  danske  Sprogs  Touelag* 
Tidskrift  for  Philologi  og  Paedagogik  8,  1—31. 

73.  (Aur^n,  J.  A.),  Bidrag  tili  Syenska  sprakets  Ijudlära.  96  S.  Norr- 
kÖping  1869. 

74.  Lübben,  A.,  Usik  (mhd.  unsich). 
Zeltschrift  für  deutsche  philologie  2,  192. 

75.  Hof  er,  A.,  Gotisch  saizl^p. 
Germania  14,  224—226. 

76.  Bernhardt,  E.,  Ga-  als  hilfsmittel  der  gotischen  conjugation» 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  168-166. 

77.  Höfer,  A.,  Präpositionale  Adverbien  auf  -er.  Ein  Stücker  acht. 
Germania  14,  208.  209. 

78.  Bech,  F.,  Wortformen  auf  -eze. 
Germania  14,  431—432.  Nachtrag  zu  10,  396. 

79.  Leo,  H.,  Die  intensiven  der  deutschen  spräche. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  167—172. 

80.  Nöldechen,  Dr.^  Über  den  Gebrauch  des  Genitivs  im  Mittelhoch- 
deutschen. 53  S.  4.  ' 

Programm  des  Gymnasiums  zu  Quedlinburg  1868.  Vgl.  Herrigs  Archiv  46,  222. 

81.  Buch  er;  J.,  Akkusativ  mit  Infinitiv  im  Deutschen. 
Deutscher  Sprachwart  4.  Bd..  Nr.  11. 

82.  Schröder,  C,  Beide* 
Germania  14,  83. 

83.  Opitz,  Gymn.  Oberl.  Dr.  E«,  Über  die  Sprache  Luthers.  Ein  Beitrag 
zur  Geschichte  des  Neuhochdeutschen,  gr.  8.  (53  S.)  Halle  1869.  Buchh.  des 
Waisenhauses.   V.  Rthlr. 

84.  Michaelis,  Dr.  G.,  Über  J.  Grimms  Bechtschreibung.  2.  Stück:  Über 
'den  ursprünglichen  Plan  zur  Rechtschreibung  des  deutschen  Wörterbuches,  gr.  8. 
<S.  29— 66).  Berlial869.  Lobeck.   V4  Rthlr. 


BIBUOGBAPHISCHE  Üfi£B»ICHT.  4gg 


V.  Deutsche  Lexicographie. 

85.  Deutsches  Wörterbuch  von  Jacob  Grimm  und  Wilhelm  Grimm. 
Fortgesetzt  von  Dr.  Rudolf  Hildebrand  und  Dr.  Karl  Weigand.  4.  Bd.  3.  Lief. 
[Fül  —  Fürders].  Bearb.  von  K.  Weigand.  hoch  4.  (Sp.  481—720).  Leipzig 
1869.  Hirael.  Va  Kt^r. 

86.  Hildebrand,  Dr.  Rud.,  Über  Grimms  Wörterbuch  in  seiner  wissen- 
schaftlichen und  nationalen  Bedeutung.  Vorlesung,  gr.  8.  (23  S.)  Leipzig  1869. 

Hirzel.   Ve  Rthlr. 

Vgl.  AUgem.  Zeitung  1869,  Beil.  319;  Köhi.  Zeitung  326;  Blätter  für  literar 
Unterhaitang  1870,  Nr.  36. 

87.  Sanders,  Dr.  Daniel,  Handwörterbuch  der  deutschen  Sprache.  Lex.  8. 

(rV,   1067  S.)  Leipzig  1869.  0.  Wigand.  SVa  Rthlr. 

Vgl.  Wissenschaftl.  Beilage  d.  Leipz.  Zeitung  1869,  Nr.  47 ;  Hessische  Morgen- 
zeitong  Nr.  3410;  Badischer  Handelscourier  Nr.  21;  Trierische  Zeitung  Nr.  126; 
Deutschland  Nr.  163;  Fränkischer  Kurier  Nr.  149;  Berliner  Montagszeitung  Nr.  23; 
Zeitung  för  Norddeutschland  Nr.  6220;  National-Zeitung  Nr.  258;  Posener  Zeitang 
Nr.  132;  Mainzer  Anzeiger  Nr.  137. 

88.  Lexer,  Prof.  Dr.  Matthias,  Mittelhochdeutsches  Handwörterbuch.  Zu- 
gleich als  Supplement  und  alphabetischer  Index  zum  mittelhochdeutschen  Wörter- 
buche von  Benecke-Müller-Zarncke.    1.  Lieferung.    Lex.  8.  (320  Sp.)    Leipzig 

1869.  Hirzel.   1  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  367  (Steinmeyer) ;  Lit.  Centralbl.  1869, 
Nr.  44;  Zeitschrift  flir  die  österr.  Gymn.  1869,  S.  831—838  (Scherer);  Allgem.  Zeitung 

1870,  Nr.  118;  N.  Zürcher  Zeitung  1869,  Nr.  307. 

89.  Nessel  mann,  G.  H.  F.,  Kritische  Bemerkungen  über  das  deutsch- 
preußische Vocabular  des  Codex  Neumannianus. 

Altpreußische  Monatsschrift  1869,  Nr.  4. 

90.  Dietz,  Ph.,  Wörterbuch  zu  Dr.  Martin  Luthers  deutschen  Schriften. 

3.  Lieferung.  Lex.  8.  (S.  385—624).  Leipzig  1869.  Vogel.   IV«  Rthb«. 

Vgl.  Reusch,  theol.  Literaturblatt  1870,  Nr.  12;  Liter.  Centralbl.  Nr.  17;  N.  evang. 
Kirchenzeitung  1870,  Nr.  14. 

91.  Vries,  M.  de,  en  L.  A.  te  Winkel,  Woerdenboek  der  Nederlandsche 
Taal.  Aflev.  8.  (Sp.  1121  —  1280):  Afleen  —  Africhten.  *s  Gravenhage  1869. 
16  Ngr. 

Vries,  M.  de,  en  E.  Verwijs,  Woordenboek  etc.  Tweede  reeks.  Aflev.  1. 
roy.  8.  (Sp.  1—160):  0  —  Oma.  Ebenda. 

92.  Ou  dem  ans,  A.  C,  Bijdrage  tot  een  Middel-en  Oudnederlandsch  Woor- 
denboek. Uit  vele  gloesaria  en  andere  brennen  bijeengezameld.  8.  Aflev.  1 :  A 
(S.  1  —  272).  Arnhem  1869.  Nijhoff.  f.  2,  25. 

93.  An  Icelandic-English  Dictionary,  chiefly  founded  on  the  coUections 

made  from  prose  works  of  the  12^*^  —  14^^  centnries  by  the  late  Richard  Cle asby, 

enlarged  and  completed  by   Gudbrand  Vigfusson.    Part  I:    a  —  hastr.    4. 

(XXXVI,  1—240).  Oxford  1869. 

Vgl.  Allgem.  Zeitung  1870,  Nr.  6.  7  (K.  Maurer);  Athenaeum  1869,  27.  Dec, 
1870,  1.  Jan.,  14.  Mai. 

94.  Dalin,  A.  F.,  Dansk-Norsk  och  Svensk  ordbok.  8.  (IV,  675  S.) 
Stockholm  1869. 


470  BIBLIOGRAPHISCHE  UBEBSIOHT. 

95.  Höfer,  A.,  Zur  Laut-,  Wort-  und  Namenforschung.  1.  Nibel.  str. 628 
und  das  Gürtel.  2.  Zu  Nibel.  str.  1280  zuo  den  wenden.  3.  Die  ungebatten. 
4.  Ungesühte  und  die  Partikel  un.  5.  Endig,  Uuende.  8.  Swommen,  Swummen. 
9.  Estrich  und  seine  Formen.   10.  In  proquellis  leben. 

GermaniaU4,  197—215. 

96.  Woeste,  F.,  Mhd.  Drullgast. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  113. 

97.  Höfer,  A.,  Gebesten. 
Germania  14,  417—420. 

98.  Lübben,  A.,  Nibelungenlied   1405,  4  L. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  191  (vergiseln). 

99.  Vries,  M.  de,  De  afleiding  en  beteekenis  van  het  woord  Buwaard. 
Verslagen  en  Mededeeliogen  der  kon.  Akad.  van  Wetenschapen   12,   171  —  208 

(1869). 

100.  Höft,  F., 'über  den  Ursprung  und  Bedeutung  unserer  geographischen 
Namen  in  besonderer  Berücksichtigung  der  Umgegend  von  Rendsburg.  ELiel  1869. 
Univ.  Buchh.  in  Comm.    Y3  Rthlr. 

101.  Göhlert,  J.  Vincenz,  Über  keltische  Ortsnamen  in  Niederösterreich. 
Mittheilungen  der  k.  k.  geograph.  Anstalt,  N.  F.  12.  Band. 

102.  B ronisch,  P.,  Die  deutschen  Ortsnamen  mit  besonderer  Berücksich- 
tigung der  ursprünglich  wendischen  in  der  Mittelmark  und  der  Niederlausitz. 

N.  Lausitz.  Magazin  46.  Band  (1869). 

103.  Die  slavischen  Ortsnamen  des  Thüringerwaldes  und  der  umlie- 
genden Gegenden. 

Das  Ausland  1869,  Nr.  29,  S.  689. 

104.  Edmunds,  F.,  Traces  of  history  in  the  names  of  places,  with  a  voca- 
bulary  of  the  roots  out  of  which  names  of  places  in  England  and  Wales  are  formed. 
kl.  8.  312  S. 

105.  Vries,  M.  de,  Leiden  of  Leyden. 

Haudelingen  en  Mededeelingen  van  de  Maatschappij  der  Nederl.  Letterkunde 
1869,  S.  35-49. 


106.  Stark,  F.,  Keltische  Forschungen.  H.  Keltische  Personennamen 
nachgewiesen  in  den  Ortsbenennungen  des  Codex  traditionum  ecclesiae  Ravenna- 
tensis  aus  dem  7—10.  Jahrh.  1.  und  2.  Theil.  Lex.  8.  (64  S.)  Wien  1869.  Ge- 
rold  in  Comm.    V»  Rthlr. 

Aus  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie. 

107.  Collectae  ad  augendam  nominum  propriorum  Saxonicorum  et  Fri- 
siorum  scientiam  spectantes.  Edidit  W.  Crecelius.  IP  et  III'.  Elberfeldae  1 869 
(21  S.   8.),  Berolini  1869  (68  S.  8.) 

108.  Höf  er,  A.,  Namenbildung  aus  Namendeutung  und  Moneke  de  junge 
Martenapens  sone» 

Germania  14,  216—220. 

109.  Hessel,  C,  Die  deutschen  Familiennamen  und  ihr  Zusammenhang 
mit  der  deutschen  Cultur  erläutert  an  dfn  in  Kreuznach  vorkommenden  Namen, 
gr.  8.  Kreuznach  1869.  Voigtländer.  6  Ngr. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  -       471 

110.  Steub,  Ludwig,  Über  deutsche  und  zunächst  bayerische  Familien- 
namen. 

Allgem.  Zeitung  1869,  Beilage  271  ff. 

111*  Bostocker  Familiennamen. 

Rostocker  Zeitung  1869,  Nr.  218. 

112.  Reinsberg>Düring8feid ,  Otto  von,  Spitznamen  und  Scherz- 
worte in  Tirol. 

Illustrirte  deutsche  Monatshefte  1869,  März. 

113.  Weinhold,    K. ,    Die  deutschen  Monatnamen.    Der  germanischen 

Abtheilung   der   XXVII.  Versammlung   deutscher   Philologen    und  Schulmänner 

zur  Begrüßung  in  Kiel  am  27.  Sept.   1869.    8.    (68  S.)    Halle  1869.     Buchh. 

des  Waisenhauses. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  220. 

114.  Bacmeister,  Ad.,  Thiernamen. 
Das  Ausland  1869,  Nr.  44. 

115.  Wackernagel,  Wilhelm ,    Voces  variae  animantium.  Ein  Beitrag 

zur  Naturkunde  und  zur  Geschichte  der  Sprache.  2.  verm.  u.  verb.  Auflage.  8. 

(179  S.)  Basel  1869.  Bahnmayer.   1  Rthlr.  18  Ngr. 

Vgl.  Gott.  Gel.  Anz.  3870,  Nr.  13;  S.  Galler  Blätter  Nr.  31. 

116.  Nathusius,  J.,  Die  Blumenwelt  nach  ihrer  deutschen  Namen  Sinn 
und  Deutung.   2.  Auflage,  gr.  8.  Leipzig  1869.  Arnold.   1  Rthlr.  6  Ngr. 

VI.  Deutsche  Mundarten. 

117.  Gradl,  Heinrich,  Zur  künde  deutscher  mundarten. 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  19,  48—70.  126—130. 

118.  Schröer,  K.  J.,  Ein  Ausflug  nach  Gottschee.  Beitrag  zur  Erfor- 
schung der  Gottscheewer  Mundart,  gr.  8.  (124  S.)  Wien  1869.  Gerold  in  Comm. 

Aus  dem  60.  Bande  der  Sitzungsberichte  abgedruckt.  Vgl.  Presse  1869,  Nr.  96. 

119.  Schönwerth,  Min.  Rath  v.,  Dr.  Weinholds  bairische  Grammatik 
und  die  oberpfälzische  Mundart,  gr.  8.  (27  S.)  Regensburg  1869.  Manz.  8  Ngr. 

120.  Gradl,  H.,  Zum  ostfränkischen  vokalismus. 
Zeitschrift  für  vergleichend«  Sprachforschung  18.  Band,  4.  5.  Heft. 

121.  Hildebrand,  R.,  Ein  wunderlicher  rheinischer  accusativ. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  442-448. 

122.  Bossler,    L. ,    Einige  bemerkungen  über  Hildebrands  rheinischen 

accusativ. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  190 — 191. 

123.  Stronck,  Prof.  M. ,  Historisch- philologische  Studie  über  das  bel- 
gische Gallien  und  die  in  demselben  entstandenen  Sprachgrenzen,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  des  Luxemburgischen  Dialektes.   (Mit  einer  Karte.) 

Publications  de  la  soci^t6  historique  de  l'Institut.  Vol.  24.  Luxemb.  1869. 

124.  Rückert,  H.,  Entwurf  einer  systematischen  Darstellung  der  schle- 

sisch-deutschen  Mundart  im  Mittelalter. 

Zeitschrift  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthum  Schlesiens  9  Band  (Fort- 
setzung). 

125.  Nergor,  Karl,  Gramme^tik  des  meklenburgischeo  Dialektes  ä,lterer 


472  BIBUOGEAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

und  neuerer  Zeit.  Laut-  und  Flezionslehre.  Grekrönte  Preisschriffc.  8.  (XII,  145  S.) 

Leipzig  1869.  Brockhaus.  28  Ngr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  20;  Hamburg.  Nachricht,  Nr.  139. 

126.  Groß,  Dr.  R. ,  Ein  Versuch  über  das  deutsche  Idiom  in  den  bal- 
tischen Provinzen.  8.  (40  S.)  Riga  1869.  Bacmeister.   V4  Rthlr. 

127.  Gibson,  A.  C,  The  folk  speech  of  Cumberland  and  some  districts 
adjacent,  being  short  histories  and  rhjmes  in  the  dialects  of  the  westborder 
counties.   12.  (230  S.)  London  1869.  Smith. 

128.  Uppmark,  Gustaf,  Uppljsningar  om  Folkspraket  i  Södertöm.  Aka- 
demisk  Afhandling.  8.  (38  S.)  Stockholm  1869. 


129.  Rechenschaftsbericht  des  Schweizerischen  Idiotikons  an  die 
Mitarbeiter,  abgestattet  von  der  Central-Commission  im  Herbst  1868.  (Zürich 
1869).  8. 

130.  Zingerle,  Dr.  Ign.  V.,  Lusemisches  Wörterbuch.  Lex. 8.  (VT,  80 S.) 

Innsbruck  1869.  Wagner.   7s  R*^^""- 

Vgl.  Reusch,  theol.  Literaturblatt  1869,  Nr.  26. 

181.  Schmeller,  J.  Andr. ,    Bayerisches  Wörterbuch.    Zweite,  mit  des 

Verfassers  Nachträgen   vermehrte  Ausgabe   im  Auftrage    der  historischen  Com- 

mission  bei  der  k.  Akad.  d.  Wiss.  bearbeitet  von  G.  K.  Frommann.  2 — 3.  Lief. 

(Sp.  241 — 768).  München  1869.  Lit.  Artist.  Anstalt  k  24  Ngr. 
Vgl.  Literar.  Centralbl.  1869,  Nr.  40. 

132.  Wegeier,  Dr.  J.,  Wörterbuch  der  Coblenzer  Mundart.  [Aus  dem 
rheinischen  Antiquarius].  gr.  8.  (IV,  68  S.)  Cobleuz  1869.  Hergt.   V«  Rthlr. 

133.  Versuch  eines  bremisch* niedersächsischen  Wörterbuchs.  Heraus- 
gegeben von  der  bremischen  deutschen  Gesellschaft.  6.  Theil.  2.  Nachtrag,  ent- 
haltend :  Zusätze  und  Verbesserungen,  gr.  8.  (VII ,  424  S.)  Bremen  1869. 
Tannen.  3  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1870,  Nr.  32;  Magazin  f.  d.  Lit.  d.  Ausl.  1869,  Nr.  13; 
Allg.  Lit.  Anz.  IH,  4. 

134.  Schuermans,  L.  W.,  Algemeen  Vlaamsch  Idioticon,  uitgegeven 
op  last  van  bet  Taal-  en  Letterlievend  Genootschap  Med  Tijd  en  Vlijt.  Be- 
werkt met  behulp  van  verscheidene  taalminnaars  van  Zuid-Nederland;  roy,  8. 
(XXVII,  902  S.)  Leuven  1865  —  1870.  Vanlinthout. 

135.  van  Dale,  J.  H. ,  Losse  aantekeningen  op  het  algemeen  Vlaamsch 
Idioticon,  met  het  Oog  op  het  Zeeuwsch- Vlaamsch  in  het  voormalig  4*  District 
der  Provincie  Zeeland.  (60  S.)  A  —  Boer.   1869. 

136.  Morris,  J.  P«,  a  glossary  of  the  words  and  phrases  of  Fumess 
(North  Lancashire)  with  illustrative  quotations,  principally  from  the  old  Nor- 
thern writers.  8.  London,  Smith. 


137.  Tobler,  Dr.  Titus,  Alte  Dialectproben  der  Schweiz.  Mit  Einleitung 
und  Wörterbuch.  8.  (72  S.)  St.  Gallen  1869.  Huber  &  Co.   7  Ngr. 

138.  Birlinger,  A.,  Mundartliche  Proben  von  heut.  I.  Schwäbisch  und 
altwirtemb ergisch.  II.  Alemannisch. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  45,  450  -  478. 

139.  Hauff,  G.,  Schwäbische  und  oberbairische  Dialectdichtung. 
Blätter  für  literar.  Unterhaltung  1869,  Nr.  35. 


BIBLIOGRAPmSCHE  ÜBERSICHT.  473 

140.  Hebel'sr  J.  P«,  AllemaniBche  Gedichte.  VollBtändige  berichtigte 
Ausgabe  mit  Einleitong  etc.  gr.  16.  Leipzig  1869.  Dyk.  3  Ngr. 

141.  Hebers,  J.  P.,  Werke.  2  Bände.  2.  Aufl.  16.  (VIH,  344  und 
VI,  814  SO  Berlin  1869.  Grote.   Vs  Bthlr. 

142.  Stein,  Wilhelm,  Us  'm  Neckerdhai.  Gedichte  in  schwäbischer  Mund- 
art 2.  Aufl.  gr.  16.  (Vni,  138  S.)  Stuttgart  1869.  Grüninger.  18  Ngr. 

143.  Nadler,  K.G.,  FröhHch  Palz,  Gott  erhalts!  Gedichte  in  Pfölzer 
Mundart.  5.  Aufl.  16.  (X,  356  S.)  Frankfurt  a.  M.  1869.  Winter.  %  ßt^lr. 

144.  Seyfried,   Ant.,    Altboarische  G'schichtln  und  G^sangln.    gr.  8. 

(in,  90  S.)  München  1869.  Fleischmann.   Va  ^^^* 
VgL  MOnchener  Propyläen  1869,  Nr.  6. 

145.  Waldbrtihl,  Wilh.  Ton,  Bhingscher  Elaaf.  Rheinfränkische  Lieder 
und  Leuschen.  Nebst  einer  Zugabe:  Stöckelcher  von  Montanus.  16.  (VIII,  312 S.) 
Opladen  1869.  Arndt.  '/,  Bthlr. 

146.  Bosegger,  P.H.,  Zither  und  Hackbrett.  Gedichte  in  obersteieri- 
scher  Mundart.  IMQt  einem  Vorworte  von  Robert  Hamerling.  gr.  16.  (VII,  170  S.) 
Graz  1870.  Pock.  %  Rthlr. 

147.  Feldzug  kägen  d'e  Trichinen.  Humoreske  [ei  schläs'scher  Schproche]. 
.2.  Aufl.  8.  (13  S.)  Leobschütz  1869.  Schiflmann.  IV9  Ngr. 

148.  Bilder  und  Klänge  aus  Rudolstadt.  In  Volksmundart.  (Von  Anton 
Sommer.)  2.  HefL  4.  Aufl.  16.  (96  S.)  Rudolstadt  1869.  Schwabe.  %  Rthlr. 

149.  Giebels  hausen,  C.  F.  A.,  Die  Trichinengefahr.  Ein  frisches  ehr- 
liches Wort  in.  altmansfeldischer  Weise.  16.  (6  S.)  Halle  1869.  PfeflFer.   INgr. 

150.  Müller's,    Dr.  Jos.,    Sämmtliche  Schriften  in  Aachener  Mundart. 

2.  Band.  8.  Aachen  1869.  Kaatzer.  ly^BthL:. 
Vgl.  Allgemeine  Zeitung  1869,  Beilage  300. 

151.  Grimme,  F.W.,  Schwanke  und  Gedichte  in  sauerländischer  Mundart. 
4.  abermals  bedeutend  verm.  Aufl.  Mit  einer  Einleitung  über  die  Eigenthüm- 
lichkeiten  des  sauerländischen  Dialectes.  16.  (XI,  178  S.)  Paderborn  1869. 
Schöningh.  13Vj  Ngr. 

Vgl.  Allgem.  Literat.  Zeitung  1869,  Nr.  27;  Köln.  Volkszeitung  Nr.  179. 

152.  Grimme,  F.  W. ,  de  Musterung  oder  Gehannes  Fiulbaum  un  syn 
Sühn.  Lustspiel  in  sauerländischer  Mundart.  2.  Aufl.  16.  (112  S.)  Paderborn 
1869.  Schöningh.  8  Ngr. 

153.  Album  plattdeutscher  Dichtungen.  16.  (VII,  328  S.)  Leipzig  1869. 
Gmnow.  1  %  Rthlr. 

154.  Kienner,  de  plattdütsche,  up  dat  Jahr  1870,  unner  Byhulp  van 
Jan  van  Buten,  Kassen  Dukdal,.  Dr.  Swerenoth  etc.  herutgewen  v.  K.  Fr.  B — n. 
8.  (XVI,  108  S.)  Jever  1869.  Mettcker.  6  Ngr. 

155.  Volksboek,  Plattdütsches.  Die  un  nie  Rimels  un  Verteilen.  8. 
Berlin  1869.  Eichhoff.   V^  Rthlr. 

156.  Bornemann,  W.,  Plattdeutsche  Gedichte.  Aus  den  hinterlassenen 
Handschriften  des  verstorbenen  Dichters  herausgegeben  von  C.  Bomemann. 
7.  Aufl.  8.  (XV,  296  S.)  Berlin  1869.  Decker.  8/4  Bthlr. 

VgL  Berliner  Revue  66,  10;  Österr.  Gartenlaube  1869,  Nr.  6. 

157.  Woort,  Lüder,  Plattdütsche  Dichtungen.  2.  (Titel-)  Ausgabe* 
Bremen  (18.61)  1869. 


474  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

158*  Schröder^  Dr.  Willem^  Heidsnucken.  Plattdütsche  epassige  Ge- 
dichten un  Geschichten.  8.  (X,  228  S.)  Berlin  1869.  Hausfreund-Exp.  '/a  ßthlr. 

159.  Derselbe,  Jan  Peik  de  norddütsche  Spaßmaker.  Sammlung  platt- 
deutscher Humoresken,  Schnurren,  Gedichte  etc.  16.  (VIII,  216  S.)  Berlin  1869. 
Janke.   y,  Rthlr. 

160.  Derselbe,  Swinegels  Reise  nach  Paris  as  Friedensstifter.  Eene 
putzige  plattdütsche  Historje  in  10  Kapitteln.  4.  (186  S.)  Berlin  1869.  Haus- 
freund-Exped.  */g  Rthlr. 

161.  Moor,  Jan  van,  König  Wilhelms  Besök  in  Bremen  am  15.  Juny 
1869.   Humoreske.   1  —  6.  Aufl.   16.  (11  SO  Bremen  1869.  Tannen.  3  Ngr. 

162.  Linden,  Arnold,  'Hie  Weif \  Abentüer  und  Fahrten  eenes  Welfen- 
legionärs.  Plattdütsche  komische  Snurre  in  10  Kapitteln  mit  Biller.  8.  (56  S.) 
Leipzig  1869,  Minde.    '/e  Rthlr. 

163.  Harms,  weil.  Pastor  L.,  Honnig.  Verteilen  un  Utleggen  in  sin 
Modersprak.  Utgäwen  van  Th.  Harms.  1.  Heft.  8.  (VII,  64  S.)  Hermannsburg 
1869.  4  Ngr. 

164.  Mahl,  Joach.,  Stückschen  ut  de  Mus'kist.  1.  bis  3.  Theil.  8.  Altena 
1868—69.  Mentzel. 

Inhalt:  1.  Tater-Mariken.  Ein  Bild  aus  dem  Volksleben.  Nebst  Glossar.  2.  Aufl. 
(139  S.)  12  Ngr. ;  2.  Lütje  Denkmal.  Eine  Theodicee  in  Fprm  eines  Cultur-  und  Liebes- 
lebens. Nebst  Glossar.  (IV,  311  S.)  1  Rthlr.;  3.  Fanny  oder:  Wat  sik  hebben  schall, 
dat  krigt  sik  doch.  Nebst  Glossar.  (179  S.)  V3  Rthlr. 

165.  Reuter,  F.,  Hanne  Nute  en  de  kleine  poedel,  eene  geschiedenis 
van  vogels  en  menschen.  Naa  den  5.  druk  metrisch  overgezet  door  F.  Lau- 
rillard, gr.  8.  Leyden  1869.  Engels.  4  f. 

166.  Neben,  F.,  Plattdütsche  Schnurren.  Oedichte  heiteren  Inhalts  in 
mecklenburgischer  Mundart.  8.  (VIII,  88  ß.)  Güstrow  1869.  Opitz  in  Comm. 
12 '4  Ngr. 

167.  Arndt,  Pauline,  Christel,  'ne  Döi*p  un  Lewsgeschicht.  8.  (200  S.) 
Ludwigslust  1869.  Hinstorff  in  Comm.    /g  Rthlr. 

168.  Arndt,  Pauline,  up  Hohenmüren  orer  Anna  Werner.  8.  (168  S.) 
Ebenda.    V2  ßthlr. 

169.  Glöde,  Carl,  Zutemoos.  Eine  Sammlung  plattdeutscher  Original- 
Gedichte.  *8.  Wismar  1869.  Hinstorff.  22  Vg  Ngr. 

170.  Lere,  Vieruntwintig  schöne,  von  Robert  Burns*n,  denn'n  Schott- 
länner.  Noah  Coarl  Bartsch*n  to  Roschtock  sien  hochdütsch  Oewersetting  in't 
Mäkelbörg'sch  Plattdütsch  oewerdragen  von  Bemdin  Prinz'n,  Molkenmeierin  to 
Dannenau.   8.  (53  S.)  Leipzig  1869.  Kollmann. 

171.  För  miene  un'  anner  Lü*s  Göären.  Allergehand  nüe  Vertellnisse 
för  de  leewe  Kingher.  Van'n  olfn  Nümärker.  16,  (VIII,  253  S.)  Leipzig  1869. 
Grunow.    1  Rthlr. 

172.  Van  mienen  Keenich  Willem.  Vann*  oll'n  Nümarker.  1.  und  2.  Aufl. 
8.  (XVI,  302  S.)  Jena  1869.  Costenoble.  1^^  Rthb. 

173.  Vogel,  Otto,  PommemspeegeL  Ut  oUen  Tieden.  gr.  16.  (III,  76  S) 
Greifswald  1869.  Scharff.  Yg  Rthlr. 

174.  Kasiski,  F.  W.,  Dei  Dodg,  die  Todte.  Gedicht  in  pomerellischer 
Mundart. 

Deutscher  Sprachwart  4,  6. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  475 

175.  Swanneblummen»  Jierboekje  for  it  skrikkeljier  1868.  Utjown 
fen  't  Selßcip  foar  Frjsce  Taal  in  Scriftenkinnisse.  8.  Liowerd  1869.  Akke< 
ringa.  f.  0,30. 

176.  Iduna.  Frisk  riiu  end  ünrim.  Utjown  fen't  selskip  for  Friske  taal 
end  skriffcenkinnesse.  Oarde  Rige.  25.  Jierg.  Liowerd  1869.  Akkeringa.  f.  1,00. 

177.  VanBlom,  J.  G. ,  Blomme-koerke ,  oanbeau  oan  sjn  lansljue. 
8.  (VIII,   174  S.)  Doccum  1869.  Schaafsma.  f.  2,00. 

178.  De  Byekoer,  Frisk  jierboekje  för  1870.  25.  Jahrgang.  8.  (XVI, 
80  S.)  Freantsjer  1869.  Telenga.  f.  0,30. 

179.  Felder,  F.  M. ,  de  frymitseler  fen  Zinsenbürren.  In  folksforhael, 
fry  biwirke  nei  \  Hooehdutske  troch  WalingDykstra,  8.  (VIIT,  210  S.) 
Freantsjer  1869.  Telenga.  f.  1,30. 

VII.   Deutsche  Mythologie. 

.« 

180.  Die  Ursprünge  der  Mythologie.  Eine  Übersicht  über  die  neueren 

Forschungen.    (Von  W.  H.), 

Monatsblätter  für  innere  Zeltgeschichte  von  Geizer  34.  Band,  3.  Heft. 

181.  R lalle,    G.  de.    De  la  mdthode  en  mythologie  et  des  divers  sy- 

stemes  de  critique  mythologique. 

Revue  de  llngoistlque  1869,  Janvier, 

182.  Müller,  Max,  Essays.  2.  Band:  Beiträge  zur  vergleichenden  My- 
thologie und  Ethologie.  Nach  der  2.  englischen  Ausgabe  mit  Autonsation  des 
Verfassers  ins  Deutsche  übertragen.  Mit  einem  ausführlichen  Namen-  und  Sach- 
register. 8.  (V,   376  S.)  Leipzig  1869.  Engelmann.   2  Rthlr. 

183.  Simrock,  Karl,  Handbuch  der  deutschen  Mythologie  mit  Einschluß 
der  nordischen.  3.  sehr  vermehrte  Auflage,  ^r,  8.  (XIT,  625  S.)  Bonn  1869. 
Marcus.   2^/3  Rthlr. 

Vgl.  Zeltschrift  für  deutsche  phllologie  2,  374;  Grenzboten  1870,  Nr.  13;  Köln. 
Zeitung  Nr.  30;  Allgem.  Zeitung  1869,  Nr.  315.  Eine  ausführliche  Besprechung  von 
F.  Liebrecht  bringt  die  Germania  nächstens. 

184.  Menzel,  Wolfgang,  die  vorchristliche  Unsterblichkeitslehre.   2  Bde. 

8.  (Vni,  287  u.  V,  394  S.)  Leipzig  1869.  Fues.  4  Rthlr. 

VgL  Literar.  Centralbl.  1870,  Nr.  13;  Saturday  Review  751.  Eine  ausführliche 
Besprechung  von  F.  Liebrecht  bringt  demnächst  die  Germania. 

185.  Bratuschek,  Ernst,  Germanische  Göttersage,  gr.  8.  (VIII^  300  S.) 
Berlin  1869.  Löwenstein.   1  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  Nr.  30;  Blätter  f.  liter.  Unt.  26;  Münchener  Propyläen 
Nr.  13;  Dldaskalia  Nr.  92;  Jahrbücher  f.  Phüol.  und  Pädag.  10.  Heft;  Phllol.  Anzeiger 
Nr.  8;  Allgem.  LH.  Anz.  IV,  3;  Stoa  H,  3;  Post  Nr.  645;  Europa  Nr.  12;  Spcnersche 
Zeltung  Nr.  67;  N.  Zürich.  Zeltung  Nr.  79;  Bank-  und  Handelszeitung  Nr.  49;  Roman- 
zeltung  Nr.  9;  Magazin  f.  d.  Llt.  d.  Ausl.  Nr.  19;  Brandenb.  Schulbl.  Nr.  6.  6;  Na- 
tlonal-Zeltung  Nr.  278;  Hamb.  Nachr.  Nr.  95. 

186.  Winter,  A. ,  Walhalla.  Mythologie  der  alten  Deutschen.  5.  Aufl. 
8.  (22  S.)  Langensalza  1869.  öreßler.    V^  Rthlr. 

187.  Vernaleken,  Th.,  Aus  der  deutschen  Mythologie.  4.  Wien  1869. 
Jahresbericht  für  die  Realschule  am  Schottenfelde  In  Wien. 

188.  Petersen,    N.  M.,    Nordisk  mytologl.  Föreläsningar.    Ofvers,  fran 


476  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

originalets  andra  uppl.  af  E.  Hildebrand.  Med  afbildningar  af  C.  S.  Hallbeck. 
Heft  1—4.  (XXIV,  372  S.  mit  9  Tafeln),  1869. 

189.  Grundtvig,  N.  F.  S.,  Nordens  Mythologi  eller  Sindbilledsprog, 
historisk-poetisk  udviklet  og  oplyst.  3.  Ausgabe.  1 — 2.  Heft.  8.  (266  S.)  Ko- 
penhagen 1869. 

19 Q.  Nogetom  nordisk  Gudetros  Historie.  Poredrag  ved  Blangards  semi- 
narium.    1869. 

191.  Hink,  H. ,^0m  Grönlaendernes  gamle  Tro  og  hvad  der  af  samme 
er  bevaret  under  Kristendommen. 

Aarbö^er  for  nordisk  Oldkyndighed  1868. 

192.  Rupp,  Theophil/ Eddische  Studien,  gr.  8.  (63  S.)  Wien  1869.  Gerold. 
Sonderabdruck  von  Beiträgen  zur  Germania. 

193.  Sagor  om  Thor.  Utdrag  ur  nordiska  gudasagan,  af  - 1  -  m  -  n.  8, 
(12  S.)  Linköping  1869. 

194.  Hammerich,  Martin,  Ragnaröksmythen. 

Smaaskrifter  om  Cultor  og  Undervisning ,  leilighedsYtis  udgivne  af  M.  H.  Firsta 
Deel  1868.  8. 

195.  Schwarzkoppen,  Frau  HolFs  Brautschleier.  Potsdam  1869.  Döring. 
Vgl.  Novellenzeitong  1869,  Nr.  12. 

196.  Wuttke,  Ad.,  Der  deutsche  Volksaberglaubc  der  Gegenwart. 
2.  völlig  neue  Bearbeitung,  gr.  8.  (XII,  500  S.)  Berlin  1869.  Wiegand  und 
Grieben,  ^^j^  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1870,  Nr.  8;  Heidelb.  Jahrb.  1869,  Nr.  51  fg.;  Saturday 
Review  703;  AUgem.  lit  Anz.  IH,  4;  Zeitschrift  für  Ethnologie  Nr.  2;  Volksblatt  für 
Stadt  und  Land  Nr.  33;  Voss.  Zeitung  Nr.  272. 

197.  Landsteiner,  Prof.,  Reste  des  Heidenglaubens  in  Sagen  und  Gre- 
brauchen  des  niederösterreichischen  Volks.  Krems  1869. 

Vgl.  Menzels  Literatarblatt  1869,  Nr.  67. 

198.  Pfannenschmid,  Dr.  Heino,  Das  Weihwasser  im  heidnischen  und 

christlichen  Cultus,  unter  besonderer  Berücksichtigung  des  germanischen  Alter- 

thums.  Ein  Beitrag  zur  vergleichenden  Religionswissenschaft,  gr.  8.  (XV,  231  S.) 

Hannover  1869.  Hahn.  iV,  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1870,  Nr.  15;  Literaturblatt  1869,  Nr.  66;  Allgem.  Lit. 
Zeitang  Nr.  47;  Chilianeum  H,  10;  Zum  Literaturblatt  1870,  Nr.  24;  Süddeutsch.  Sonn- 
tagsblatt Nr.  11;  Europa  1869,  Nr.  44;  Hannov.  Anzeig.  201. 

199.  Roskoff,  Gustav,  Geschichte  des  Teufels.  2  Bände,  gr.  8.  (X,  405 
u.  IV,  614  S.)  Leipzig  1869.  Brockhaus.   5  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1870,  Nr.  9;  Heidelb.  Jahrb.  Nr.  13  (Liebrecht)  u.  s.  w. 

200.  Volle rt,  Dr.  A. ,  Die  Hexen  und  Hexenprocesse.  Eine  criminal- 
historische  Skizze. 

Der  Salon  IV,  595  ff.  661  ff. 

201.  Woeste,  Fr.,  Auszüge  aus  Mendenschen  Hexenprotoc ollen  vom 
J.  1592. 

Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins  6.  Band  (1869). 

202.  Schultz,  Alwin^  FindUnge. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1869,  Sp.  45—48.  Enthält  u.  a.  Segen- 
sprüche aus  einer  Münchener  Hs. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  477 

Vlli.   Märchen  und  Sagen. 

** 

203.  Boxberge r,  Über  Märchen  and  Sagengeschichte. 

Nene  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  100.  Band,  6.  HefL 

204.  Märchen,  Mythe  und  Sage  und  ihre  Beziehung  zu  einander. 
Die  Biene  1869,  Nr.  26. 

205.  Grimm,  Bruder,  Kinder-  und  Hausmärchen.  Kleine  Ausgabe. 
14.  Aufl.  16.  (VI;  Sil  S.)  Berlin  1869.  Dümmler.  %  Bthlr. 

206.  Bechstein,  Ludw.,  Neues  deutsches  Märchenbuch.  15.  wohlf.  Aufl. 
8.  (IV,  271  S.)  Wien  1869.  Hartieben.  12  Ngr. 

207.  Mulden  er,  Rud.,  Märchen  aus  Süd  und  West.  2.  Aufl.  8.  (200  S.) 
Langensalza  1869.  Greßler.  12  Ngr. 

208.  Der  Hirschgulden.  Deutsches  Volksmärchen. 
Über  Land  und  Meer  1869,  December. 

209.  Oude  Kindervertelsels  in  den  Brugschen  Tongval  verzameLd 
en  uitgegeven  door  Aoolf  Lootens,  met  spraakkundige  aanmerkningen  over  het 
brugsche  taaleigen  door  M.  £.  F.  Brüssel  1868. 

210.  Liebrecht,  F.,  Vlämische  Märchen  und  Volkslieder. 
Germania  14,  84—96. 

211.  Müldener,  Rnd.,  Nordisches  Märchenbuch.   Dänische,  schwedische 

und  norwegische  Märchen,    übersetzt  und  gesammelt.  3.  verm.  Aufl.  8.  (VIII, 

175  S.)  Langensalza  1869.  Greßler.  12  Ngr. 
VgL  NoYellenzeitung  1869,  Nr.  43. 

212.  Kreutzwald,  Friedrich,  Esthnische  Märchen.  Aus  dem  Esthnischen 
übersetzt  von  F.  Lowe«  Nebst  einem  Vorwort  von  A.  Schiefner  und  Anmer- 
kungen von  R.  Köhler  und  A.  Schiefner.  8.  (VIII,  366  S.)  Halle  1869.  Buchh. 

d.  Waisenhauses.  1 V4  Rthlr. 

VgL  Literar.  CentralbL  1869,  Nr  43. 

213.  Gerland,  Georg,  Altgriechische  Märchen  in  der  Odyssee.  Ein  Bei- 
trag, zur  vergleichenden  Mythologie,    gr.  8.    (52  S.j    Magdeburg  1869.    Creutz. 

V,  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  f&r  deutsche  philologie  1,  494—498  (Selbstanzeige);  Liter.  Cen- 
tralbL 1869,  Nr.  43;  Revue  critique  Nr.  37  (Comparetti) ;  Grenaboten  Nr.  42;  PhiloL 
Anz.  n,  4. 

214.  Lewald,  A.^  Deutsche  Volkssagen  für  die  erwachsene  Jugend  be- 
arbeitet. 2.  Aufl.  8.  (283  S.)  Stuttgart  1869.  Schmidt  u.  Spring.   1  Vs  Rthlr. 

215.  Hoff  mann,  Franz,  Deutsche  Sagen.  5.  Aufl.  gr.  16.  (V,  399  S.) 
Stuttgart  1869.  Chelius.  1^^  Rthlr. 

216.  Schade,  O.,  Drei  Sagen  aus  dem  14.  Jahrhundert 
Germania  14,  275 — 383.  Lateinisch. 

217.«  Eine  romantische  Schweizersage. 
Novellenzeitung  1869,  Nr.  45:  Über  Kyburg. 

218.  Rosseeuw  St.  Hilaire,  E.,  Legendes  de  TAIsace.  Traduites  de  Tal- 
lemand.  2*  Edition  revue  et  augment^e.  18.  (345  S.)  Paris,  Meyrueis.  2  fr. 

219.  Patuzzi,  A.,  Schwäbische  Sagen-Chronik.  2.  Aufl.  32.  (111  S.) 
Stuttgart  1869.  Fischhaber..  4  Ngr. 


478  BIBLIÖGKÄPHISCHE  ÜBERSICHT. 

2120.  Hübner,  Julius,  Schlafspan  und  Schlafbalken.    Eine  seh warzwälder 

Köhlersage. 

Westennanns  illostr.  Monathefte  Nr.,  156,  S.  599—608. 

221.  Schönhuth,  ehemal.  Pfarr.  0.  F.  H.,  Erinnerung  an  Hohentwiel. 
Beschreibung  und  Geschichte,  Sagen  und  Lieder  von  der  Bergveste  Hohentwiel. 
3.  Aufl.  16.  (64  S.)  Tuttlingen  1869.  Kling.    Vc  Rthlr. 

222.  Mayer,  Jos.  Mar.,  Das  Bayern-Buch.  Greschichtsbücher  und  Sagen 
aus  der  Vorzeit  der  Bayern,  Franken  und  Schwaben.  1.  Halbband.  8.  (884  S.) 
München  1869.  Lindauer.  1  Rthlr.  2  Ngr. 

223.  Kaufmann,  Alex.-,  Kleine  Beiträge  zur  Geschieh ts-  und  Sagen- 
forschung im  Frankenlande.  X.  Ein  Mythus  der  Edda  im  Mainthal. 

Archiv  des  historischen  Vereins  von  Unterfranken  und  Aschaftenburg  20.  Band. 
(1869). 

224.  Specht,  K.  M.  M.,  Donausagen.  16.  Wien  1869.  Perles.  16  Ngr. 

225.  3aumgarten,    P.  Amand,    Aus  der  volksmäOigen  Überlieferung 

der  Heimat. 

28.  Bericht  des  Museum  Francisco-Carolinum.  Linz  1869. 

226.  Leder  er,  Ign.,  Sagen  und  Geschichten  aus  Böhmen,  gr.  16.  (HI, 
59  S.)  Pilsen  1869.  Maasch.  6  Ngr. 

227.  Grässe,  Dr.  J.  G.  Th.,  Sagenbuch  des  preußischen  Staates.  11.  bis 
14.  Lieferung,  gr.  8.  (2.  Bd.,  S.  1—320).  Glogau  1869.  Flemming.   IV4  Rthlr. 

228.  Matzner,  Dr.  W.,  Sagen  in  und  um  Walstat. 
-Rübezahl  1869,  S.  466. 

229.  Wolfram,  Sächsische  Volkssagen.  2.  Bändchen.  Zwickau,  Döhner. 
3  Ngr. 

230.  Waizer,  R.,  Der  Schatz  in  Prosekstein.  Gurkthaler  Volkssage. 
Die  Biene  1869. 

231.  Spieß,  Balthasar,   Volksthümliches  aus  dem  Fränkisch-Hennebergi- 

schen,  gesammelt  und  herausgegeben.  Mit  einem  Vorworte  von  Reinhold  Bech- 

stein.  gr.  8.  (XVI,  216  S.)  Wien  1869.  Braumüller.  1  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  30;  Blätter  f.  lit.  Unterhalt  Nr.  18;  Allgem. 
Lit.  Zeitung  Nr.  47;  lUustr.  Zeitung  Nr.  1384. 

232.  Hoffmeister,  Phil.,  Hessische  Volksdichtung  in  Sagen  und  Mähr- 
chen, Schwänken  und  Schnurren  etc.  gr.  8.  (Xll,   184  S.)  Marburg  1869.  Ehr- 

hardt.   Vi  ^^^r. 

Vgl.  Menzels  Literaturblatt  1869,  Nr.  102. 

233.  Bindewald,  Theodor,  Neue  Sammlung  von  Volkssagen  aus  dem 
Vogelsberg  und  seiner  nächsten  Umgebung-  Dem  Volksmunde  nacherzählt. 

Archiv  für  hessische  Geschichte  12.  Band,  2.  Heft  (1869). 

234.  Simrock,  Karl,  Rheinsagen  aus  dem  Munde  des  Volkes  und  deut- 
scher Dichter.    Für  Schule,   Haus  und  Wanderschaft.     6.  sehr  verm.  Aufl.     8. 

(XI,  496  S.)  Bonn  1869.  Weber.  2  Rthlr. 
Vgl.  Allgem.  Zeitung  1869,  Nr.  284.  315. 

235.  Kiefer,  F.  J.,  The  legends  of  the  Rhine  from  Basle  to  Rotterdam. 
Translated  by  L.  W.  Garnham.  2.  edition.  gr.  16.  (VI,  313  S.)  Mainz  1869. 
Kapp.   1  Rthb. 

236.  Geschichten  und  Sagen  vom  Rhein  zwischen  Worms  und  Köln. 

16.   (IV,   128  S.)  Heidelberg  1870.  Groosw    V3  Rthlr. 
Zugleich  auch  französisch  und  englisch  erschienen:. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  479 

%•- 

237.  Zur  Literatur  der  norddeutschen  Sage. 

Preußischer  Staatsanzeiger  1869,  Beilage  Nr.  106. 

238.  Sagen,  Legenden  und  alte  Gebräuche. 
Blätter  zur  näheren  Kunde  Westfalens  7.  Jahrgang,  1869. 

239.  Sagen  und  Aberglauben  aus  Ostfriesland. 
Ostfriesisches  Jahrbuch  1.  Band,  1.  Heft. 

240.  Sundermann,  Fr.,    Sagen  und  sagenhafte  Erzählungen  aus  Ost- 
friesland. 8.  (V,  66  S.;  Aurich  1869.  Dunkmann.  6  Ngr. 

Vgl.  niustr.  Zeitung  Nr.  1384. 

241.  Handelmann,  Prof.  Dr.^  Zur  Sammlung  der  Sagen,  Märchen  und 
Lieder,  der  Sitten  und  Gebräuche  der  Herzogthümer.  Nachträge. 

Jahrbücher  für  die  Landeskunde   der  Herzogthümer  Schleswig,    Holstein  und 
Lauenburg  10.  Band,  Kiel  1869.  Ebenda  3.  Heft:  Yolksthümliches.  Nachträge. 

242.  Rode,  Ch.,  Der  Uglei-See.    Nach  einer  Volkssagc.   16.   (123  S.) 
Altona  1869,  Lehmkuhl.  ^/a  ß^^r. 

243.  Reinhard,    K.  v. ;    Sagen   und   Märchen   aus  Potsdams  Vorzeit. 

3.   Aufl.  verm.  von  W.  Riehl.  Potsdam  1869.  Rentel.   20  Ngr. 

Vgl.  Spenersche  Zeitung  Nr.  148;    N.  Preuß.  Zeitung  Nr.  161;    Voss.  Zeitung 
Nr.  147;  Berliner  Gerichtszeitung  Nr.  78;  Nationalzeitung  Nr.  372;  Post  Nr.  413. 

244.  Vries,  J.  de,  Driekoningen. 
Volks-Almanak  voor  1869,  S.  96-102. 


245.  Säve,  Carl,  Sigurds-ristningama  ä  Ramsondsberget  och  Grökstenen. 

Tvänne   fomsvenska   minnesmärken    om  Sigurd  Fafnesbane.     Kongl.  Vitterhets 

Historie  och  Antiquitets    Aluidemiens   Handlingar.    Deel  26.    Stockholm  1869, 

S.  321—364. 

Vgl.  Germania  16,  121  fiF. 

246.  Höfer,  A.,  Volzo  von  Alzei^  ein  Zeugnis  für  die  deutsche  Heldensage. 
Germania  14,  220—221. 

247.  Köhler,  Reinh.,  Zum  Spruch  vom  König  Etzeln. 
Germania  14,  243—246. 

248.  Meyer,  Karl,  Zur  Dietrichssage. 
Germania  14,  432—434. 

249.  Meyer,  Karl,  Die  Wielandssage. 
Germania  14,  283—300. 

250.  Bartsch,  K.,  und  K.  J.  Schröer,  Das  Fortleben  der  Kudrunsage. 
Germania  14,  323—336. 

251.  Pio,  L.,  Sagnet  om  Holger  Danske,  dets  utbredelse  og  forhold  til 

Mythologien.  8.  (lOO  S.)  Copenhagen  1870.  Gad. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1870,    Nr.  8;    Revue  critique  Nr.  7    (G.  Paris);    Faedre- 
landet  Nr.  88. 

252.  Dung  er,    Dr.  Herrn.,    Die  Sage  vom  trojanischen  Kriege  in  den 

Bearbeitungen  des  Mittelalters  und  ihren  antiken  Quellen.     8.    (81  S.)  Leipzig 

1869.  Vogel.   16  Ngr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.   1869,    Nr.  47;    Heidelb.   Jahrbücher  Nr.  40    (Schröder); 
Histor.  Zeitschrift,  3.  Heft;  Saturday  Review  Nr.  712;  Menzels  Literaturblatt  Nr.  45. 

253.  Moltzer,  H.  E.,  Bijdrage  tot  de  geschiedenis  der  Alexandersage. 
Dietsche  Warande  8,  464—476  (1869). 


480  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

254.  Köhler^  Beinhold^  Zur  Legende  vom  h.  Albantrs. 
Germania  14,  300—304. 

255.  Glennie,  J.  S.  St.,  Arthurian  localities:  their  historical  origin, 
Chief  country  and  fingalian  relations.  With  a  map  of  Arthurian  Scotland.  8. 
(152  SO  1869.  7  8.  6  d. 

256.  Köhler,  Beinhold,  Zu  Tristan. 
Germania  14,  246—247. 

257.  Wormstall;  Dr.  Joseph,    Die  Herkunft  der  Franken  von  Troja. 

Zur  Lösung  eines  ethnographischen  Problems,  gr.  8.  (III,  62  S.)  Münster  1869. 

Busseil.  15  Ngi*. 

Vgl.  Liter,  Centralbl.  1869,  Nr.  14;  Kuhns  Zeitschrift  XIX,  77;  Menzels  Lite- 
raturblatt Nr.  43;  Magazin  f.  d.  Lit.  d.  Ausl.  1870,  Nr.  10. 

258.  Foß,  Prof.  Dr.  B.,  Zur  Carlssage.  gr.  4.  (31  S.)  Berlin  1869. 
Gärtner  in  Comm.  8  Ngr. 

259.  Karls  Becht.  Von  K.  M(üllenhoff)- 

Zeitschrift  für  deutsches  lalterthnm  14,  525 — 530.  Ein  Meistergesang. 

260.  Meyer,  Dr.  Hugo,  Abhandlung  über  Boland. 

Programm  der  Hauptschule  in  Bremen  1868.  4.  22  S.  Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche 
Philologie  1,  491  (Zacher);  Eevue  critique  1870,  Nr.  7  (G.  Paris). 

261.  Dümmler,  E.,  Herzog  Ernst. 

Zeitschrift  für  deutsches  alterthum  14,  265—271,  mit  Nachtrag  S.  559  -  560. 

262.  Beinsberg- Düringsfeld,  Frh.  V.,  Der  Barbarossaglaube. 
lUustrirte  Zeitung  Nr.  1381. 

263.  Bordier,  H.  L.,  Le  Grütli  et  Guillaume  Teil  ou  defense  de  la 
tradition  yulgaire  sur  les  origines  de  la  conf^deration  suisse.  8.  (92  S.)  Gen^ve 
et  Bäle  1869.  Georg. 

Vgl.  Bevue  critique  1869,  Nr.  29. 

264.  Haupt,  Jos.,  Die  Sage  vom  Venusberg  und  dem  Tannhäuser. 

Berichte  und  Mittheilungen  des  Alterthiunsvereins  zu  Wien  10.  Band,  3.  Heft. 
Wien  1869.  4. 

265.  Oesterlej,  H.,  Zu  Gesta  Bomanorum. 
Germania  14,  82—83. 

266.  Köhler,  Beinh.,  Zu  von  der  Hagens  Gesammtabenteuer  Nr.  63. 
Germania  14,  269-271. 

267.  Tube,  Dr.  P.,  Die  Faustsage  und  der  religiös-sittliche  Standpunkt 
in  Goethe's  Faust.  Vortrag.  8.  (30  S.)  Dresden  1869.  Naumann.    Ve  Bthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  luth.  Theol.  1870,  Heft  4. 

268.  Beyer,  Jos.,  Die  Faustsage,  das  Volksbuch  und  das  Puppenspiel 

▼on  Faust. 

,   Westermanns  Monatshefte  December  1869. 

269.  Deutschlands  Schild-  und  Wappensagen, 
niustrirte  Zeitung  Nr.  1331—1381. 

270.  Bochholz,  E.  L.,  Der  storch  nach- schweizerischem  Volksglauben, 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  344-350. 

271.  Lei  st,  A.,  Deutsche  und  slavische  Pflanzensagen. 
Globus  von  Andree,  16.  Band,  8.  Heft. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  481 

IX.    Volks-  und  Kinderlieder,  Sprichwörter,    Sitten  und 

Gebräuche. 

272.  Lindner,  Albert,  Das  deutsche  Volkslied. 
Ergänzungsblätter  5,  605—613. 

273.  Von  der  Volkspoesie.  Nebst  ausgewählten  echten  Volksliedern.  Ein    ^ 

Supplement  zu  'Kleinpauls  Poetik.'    2.  Aufl.    8.    (XV,  187  S.)    Barmen  1870. 

Langewiesche.   ^/^  Rthlr. 

Vgl.  Menzels  Literaturblatt  1869,  Nr.  102;  Allgem.  Lit.  Zeitung  Nr.  62;  Allgem. 
Schulzeitung  Nr.  50;  Romanzeitung  Nr.  ]3;  Köln.  Zeitung  Nr.  337;  Blätter  für  liter. 
Unterh.  Nr.  38. 

274.  Die  historischen  Volkslieder  der  Deutschen  vom  13 — 16. 
Jahrhundert  gesammelt  und  erläutert  von  R.  v.  Liliencron.  4.  Band*  Lex.  8. 
(XV,  634  S.)  Leipzig  1869.  Vogel.  Sy,,  Rthlr.  Nachtrag,  enthaltend  diö  Töne 
und  das  aiphabet.  Verzeichniss.  (VI,  150  S.)  Ebenda.  1  Rthlr.  (Complet 
14%  Rthlr.) 

Vgl.  German.  15,  384;  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr  26;  Saturday  Review  716; 
N.  Jahrb.  f. Phil.  u.  Päd.  Nr.  6;  Westermann  1870,  Februar;  Dresd.  Journal  1869,  Nr.  140. 

275.  Hoffmann  von  Fallersleben,  A.  H.,  Unsere  volksthümUchen 
Lieder.  3.  Aufl.  Mit  Fortsetzung  und  Nachträgen.  8.  (XI,  214  S.)  Leipzig  1869. 
Engelmann,   ly^  Rthlr. 

276.  Pogatschnigg,  V.,  und  E.  Herrmann,  Deutsche  Liebeslieder 

aus  Kämthen.  Gesammelt.  Graz  1869.  Pock. 

Vgl.  Menzels  Literaturblatt  1869,  Nr.  94;  Romanzeitung'  Nr.  18;  Lehmanns  Ma- 
gazin 1870,  Nr.  17;  Allgem.  Famil.  Zeitung  Nr.  23. 

277.  Boo^  of  brave  old  ballads.  17.  (238  S.)  5  s. 

278.  Hank  er,  R.  S.,  The  comish  ballads  and  other  poems,  including 
a  second  edition  of  the  Quest  of  the  Sangraal.  London,  Parker. 

279.  Danmarks  gamle  Folkeviser  udgivne  af  S.  Grundtvig.  4  Dels 

1.  Heft.  8.  (192  S.)  Köbenh.  1869. 

280.  Kristensen,  E.  T.,  Jydske  Folkeviser  og  Toner  i  sagn  og  seventyr. 

2.  Hea  8.  (48  S.)  Köbenh.  1869. 


281.  Meier,  Herm.,  Ostfriesische  Kinder-  und  Volksreime.  [Aus  Ostfries- 
land in  Bildern  und  Skizzen]  8.  (45  S.)  Leer  1868.  Securius.  4  Ngr. 


282.  Tobias,  A«,  Beiträge  zur  Sprich wörterlitteratur. 
Serapeum  1869,  Nr.  22. 

283.  Wander,  K.  F.  W.,  Deutsches  Sprichwörter-Lexicon.  23— 27.Lie. 
ferung.  hoch  4.  (Band  2,  Sp.  877—1636).  Leipzig  1869.  Brockhaus,  k  "/s  Rthlr. 

284.  Masson,  Mor«,  Die  Weisheit  des  Volks.  Einiges  aus  dem  Sprich - 
Wörterschatz  der  Deutschen,  Russen  und  Franzosen  und  anderer  ihnen  stamm- 
verwandten Nationen.  Gesammelt  und  nach  der  Analogie  gruppirt.  8.  (VIII, 
390  S.)  St.  Petersburg  1868.  Hoppe.  2  Rthlr. 

285.  Graf,  Ed.,  und  Math.  Dietherr,  Deutsche  Rechtssprich  wo  rter  unter 
Mitwj|kung  der  Prof.  F.  C.  Bluntschli  und  K.  Maurer  gesammelt  und  erklärt« 
8.  2.  (Titel-)  Aasgabe.  NördHngen  (1864)  1869.  Beck. 

QBBMANIA.  Neue  Reihe  lU.  (XV.)  Jahrg.  52 


482  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

286.  Sutermeister,  Otto,  Diö  schweizerischen  Sprichwörter  der  Gegen- 
wart in  ausgewählter  Sammlung,    gr.  8.   (XI,   152  S.)    Aarau  1869.  Christen. 

16  Ngr. 

Vgl.  Lehmanns  Magazin  Nr.  30;    Ballien,  Volksschule  14,  3;    AUg.  Famil.  Zei- 
tung Nr.  46;  lUustr.  Zeitung  Nr.  1384;  St.  Gall.  Blätter  1870,  Nr.  23. 

287.  Schröder,  C,  Über  hundert  niederdeutsche  Sprichwörter,  gesam- 
melt aus  mittelniederd.  und  mittelniederländ.  Dichtungen. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  44.  Band,  2.  3.  Heft. 

288.  Kern,    W.  G.,    und  W.  Willms,    Ostfriesland  wie  es,  denkt  und 

spricht.  Eine  Sammlung  der  gangbarsten  ostfriesischen  Sprichwörter.    8.    1869. 
Vgl.  Europa  1869,  Nr.  41;  Oldenburg.  Schulbl.  Nr.  12;    Hlustr.  Zeit.  Nr.  1384. 

289.  W ander,  K.  F.,,  Deutsch,  Deutscher  und  Deutschland  im  Sprichwort. 
Deutscher  Sprachwart  4.  Band,  Nr.  6. 

290.  Roch  holz,  E.  L.,  Ein  schlechtes  Tüchlein  sein.* 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  459  -  465. 

291.  Höfer,  A«,  Ein  X  für  ein  U  machen. 
Germania  14,  215-216. 

292.  Hazlitt,  W.  Carew,  English  proverbs  and  proverbial  phrases  col- 
lected  from  the  most  authentic  sources  alphabetically  arranged  and  annotated. 
8.  Berlin  und  London  1869.  Asher.  7  Rthlr.  15  Ngr. 

Vgl.  Athenaeum  1869,  11.  Äept. 

293.  Rasmussen,  H.  V.,  Danske  Ordsprog.  Ved  Udvalget  for  Folke- 
oplysnings  Fremme.  8.  (28  S.)  Köbenh.  1869. 

Sonderabdruck  aus:  Folkelaesning  Nr.  30. 


294.  Meier,  Herm.,  Zweihundert  plattdeutsche  Bäthsel  aus  dem  Volks- 
munde der  Ostfriesen.  Für  Jung  und  Alt  gesammelt  und  herausgegeben.  8. 
(24  S.)  Leer  1869.  Securius.  3%  Ngr. 

Vgl.  Köln.  Zeitung  1869,  Nr.  146;  Jahreszeiten  Nr.  27. 

295.  Wilmanns,  W.,  Disputatio  Pippini  cum  Albino. 
Zeitschrift  für  deutsches  alterthum  14,  530-555. 


296.  Volksbücher;  auserlesene  deutsche.  In  ihrer  ursprünglichen  Echt- 
heit wiederhergestellt  von  K.  Simrock.  2  Bde.  8.  (III,  501  und  IH,  528  S.) 
Frankfurt  a.  M.  1869.  Winter.  2V,  Rthb. 

Vgl.  Blätter  für  liter.  Unterhaltung  1870,  Nr.  9  (Bartsch);  Chilianeum  I,  6. 

297.  Weller,  E.,  Einige  unbekannte  Ausgaben  alter  Volksbücher. 
Serapeum  1869,  Nr.  3. 

298.  T7II  Eulenspiegels  Schnurren,  Schwanke  und  Streiche.  Eine 
heitere  Historie  für  lachlustige  Leute.  2.  Aufl.  16.  (64  S.)  Reutlingen  1869. 
Enßlin.  2  Ngr. 

299.  Grieben,  Herm.,  Till  Eulenspiegel. 
Der  Salon  6,  193—200. 


300.  Lammert,  Dr.  G«,  Volksmedizin  und  medizinischer  Aberglao^  in 
Bayern  und  d^n  angrenzenden  Bezirken,  begründet  auf  die  Geschichte  der  Me- 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  483 

dizin  und  öultur.     Mit  historischer  Einleitung   und   einer  lith.  Tafel.     8.     (VI, 
274  S.)  Würzburg  1869.  Julien.   1  Rthlr.  12  Ngr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  die  Staatsarzneikunde  27.  Band,  2.  Heft. 

•  301.  Stuhl  mann,  C.  W.,  Sympathien  und  verwandte  abergläubische  Ge- 
wohnheiten in  Mecklenbuig. 

Der  Globus  von  Andree  15.  Band,  8.  9.  Heft. 

3Q2.  Kindt,  Hermann,  Folk  lore:  pig  superstitions, 
Notes  and  Queries  Nr.  112,  p.  195  S, 

303.  Kessel,  Karl  v.,  Der  Aberglaube  in  der  Naturgeschichte. 
Hausfreund  1869,  Nr.  47. 

304.  Wood,  E.  J.,  The  wedding  day  in  all  ages  and  countries.  2  Vol. 
8.  (490  S.)  London  1869.  Bentley.   18  s. 

305.  Müller,  Dr.  Johannes,  Ein  merkwürdiger  Hochzeitsgebrauch. 
lUustr.  Familienjoumal  1869,  Nr.  25.  Über  das  Strumpfband-Austheilen. 

306.  Amlacher,  Albert,  Eine  sächsische  Bauernhochzeit. 
AUgem.  Familien-Zeitung  1869,  Nr.  27.  Aus  Siebenbürgen. 

307.  Hörmann,  Dr.  L.  v.,  Die  Sternsinger  in  Tirol. 
Der  Hausfreund  1869,  Nr.  46. 


308.  CasseU  Prof.  Paulus^  Altkirchlicher  Festkalender  nach  Ursprüngen 
und  Bräuchen.  *8.  (128  S.)  Berlin  1869.  Decker  in  Comm.   %  Rthlr. 

309.  Lübische  Fastnachtgebräuche. 
Europa  1869,  Nr.  28. 

310.  Reinsberg-Düringsfeld,  Frh.  v..  Der  erste  Fastensonntag. 
Blustrirte  Zeitung  Nr.  1392. 

311.  Pfingstfest  in  der  Ukermark. 
niustrirte  Zeitung  Nr.  1350. 

312.  Hör  mann,  Dr.  L.  v.,  St.  Johannissegen. 
niustrirte  Zeitung  Nr.  1380,  S.  474. 

313.  Bund,  Ludw.,  Johannisfest  in  Westfalen. 
Daheim  1869,  Nr.  38. 

314.  Bernard,  H.,  Usages  et  superstitions  qui  se  rattachent  au  culte  de 
Saint  Jean,  tant  en  Orient  qu'en  Occident.  2*  Edition.  18.  (57  S.)  Paris,  Maison- 
neuve.  2y2  fr. 

315.  Haupt,  K.,  Andreas  heiiger  Schutzpatron. 
Rübezahl  1869,  S.  295—300. 

316.  Das  St.  Niklasfest  in  Holland. 
Die  illustrirte  Welt  1869,  Nr.  16. 

317.  Hörmann,  Dr.  L.  v..  Die  Nikolaus-  und   Weihnachtsfeier  in  Tirol, 
Der  Hausfreund  1869,  6.  Hefi;,  S.  268. 

318.  Weihnachten  in  Norwegen, 
niustrirte  Zeitung  Nr.  1382. 


319.  Das  Fastnachtspiel  in  der  Schweiz. 

Illustrirte  Zeitung  Nr.  1340. 

320.  Zuckmuutler  Passionsspiel  heraosgeg.  und  erläutert  von  A.  Peter, 
Professor  in  Troppau.   i.  Troppau  1869.  Schüler  in  Comm.  (Fortsetz.  u.  Schluß.)- 

32* 


484  BBBLIOGRAPfflSCHE  ÜBERSICHT. 

s 

X.   Alterthümer  und  Cultargeschichte. 

321.  Anderes,    J.,    Die  Pfahlbauten  im  Bodensee  zwischen  Rorschach 

und  Staad,. 

Mittheilungen  zur  vaterländischen  Geschichte.  Herausg.  vom  histor.  Verein  in 
St.  Gallen.  NF.  1.  Heft.  1869. 

322.  Virchow,  E.,  Die  Pfahlbauten  des  nördlichen  Deutschlands. 
Zeitschrift  für  Ethnologie  von  A.  Bastian  und  B.  Hartmann.  1.  Band,  6.  Heft. 

323.  Kropatschek,  H.,  de  Gepidarum  rebus.  8.  (50  S.)  Halle  1869. 
Doctordissertation.  Vgl.  Liter.  Centralhl.  1870,  Nr.  25. 

324.  Taciti,  P.  Com.,  Germania.  Ex  Hauptii  recensione  recognovit  et 
perpetua  annotatione  illustravit  Prof.  Frid.  Kritzius.  Editio  III  emendata.  8. 
(XVI,   181  S.)  Berlin  1869.  Weber.   Vg  Rthlr. 

325.  Tacitus'  Germania.  Text  mit  erklärenden  Anmerkungen  von  Dr. 
K.  Tücking.    8.  (56  S.)  Paderborn  1869.  Schöningh.   5  Ngr. 

326.  Tacitus,  C.  C. ,  Werke.   1.  Bändchen:  Agricola's  Leben  und  Ger- 

manien.    Übersetzt  von  H.   Gutmann.    4.  Aufl.    16.    (120  S.)    Stuttgart  1869. 

Metzler.  4  Ngr.  ,  • 

A.  u.  d.  T. :  Prosaiker,  römische,  in  neuen  Übersetzungen.  51.  Bändchen. 

327.  Tacitus,  C,  Germania.  Übersetzt  von  Dr.  S.  Dyckhoff,  Progymna- 
sialdirigent. 8.  (48  S.)  Paderborn  1869.  Schöningh.  5  Ngr. 

Vgl.  Heidelb.  Jahrb.  1870,  N.  13;  Allgem.  Lit.  Zeitung  1869,  Nr.  49;  Allgem. 
Lit.  Anzeig.  V,  3. 

328.  Liebetrut,  Dr.  Friedr.,  Vorträge.  8.  (VIU,  184  S.)  Gotha  1869. 

Schloßmann.  24  Ngr. 

Enthält :  1.  Unser  deutsches  Vaterland  im  Spiegel  seines  Jugendalters  nach  der 
Germania  des  Tacitus. 

329.  Hennings,  P.  D.  Ch.^  Über  die  agrarische  Verfassung  der  alten 
Deutschen  nach  Tacitus  und  Caesar.  Beiträge  zu  Tacitus  Germania  cap.  26  und  30. 
8.  (III,  72  S.)  Kiel  1869.  Homann.  10  Ngr. 

330.  Bichter,  G.,  Zur  Frage  über  die  Principes  in  der  Germania  des 
Tacitus. 

Bheinisches  Museum  für  Philologie  N.  F.  ^4.  Jahrg.  2.  Heft. 

331.  Hennings,  P.  D.  Gh.,  Zu  Tacitus'  Germania  (c.  32). 
Neue  Jahrbücher  ftlr  Philologie  u.  Pädagogik  99.  Band,  4.  Heft. 

332.  Die  Alterthümer  unserer  heidnischen  Vorzeit.  Nach  den  in  öffent- 
lichen und  Privatsammlungen  befindlichen  Originalien  zusammengestellt  und  heraus- 
gegeben von  dem  römisch-germanischen  Centralmuseum  in  Mainz  durch  dessen 
Conservator  L.  Lindenschmit.  2.  Band,  10.  11.  Heft.  gr.  4.  (12  Steintafeln  und 
14  S.  Erklärungen.)  Mainz  1869.  v.  Zabern.  k  %  ß^^l^lr« 

333.  Eye,  Dr.  A.  v.;  und  Jac.  Falke,  Kunst  und  Leben  der  Vorzeit. 
Vom  Beginn  des  Mittelalters  bis  zu  Anfang  des  14.  Jahrhunderts.  3.  nach  chrono- 
logischer Beihenfolge  zusammengestellte  und  verbesserte  Aufl.  in  3  Bänden.  4. 
Nürnberg  1868 — 69.  Bauer  u.  Raspe. 

334.  Riecke,  Dr.  med.  C.  F.,  Die  Urbewohner  und  Alterthümer  Deutsch- 
lands. Nebst  einer  Karte  und  einer  Tafel  Abbildungen.  8.  (VIII,  184  S.)  Nord- 
hausen 1868.  Buchung.   18  Ngr. 

A.  u.  d.  T. :  Beiträge  zur  Kenntniss  der  vorgeschichtlichen  Zeit  Deutschlands. 
2.  Theil.  Vgl,  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  14  j  Allgem.  Lit.  Zeitung  Nr.  9. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  486 

d35.  Rupp,  Theophily  Aus  der  Vorzeit  Reailingens  und  seiner  Umgegend. 

Ein  Beitrag  zur  deutschen  Alterthumskunde.  Mit  4  Tafeln.  2.  verm.  Aufl.  Lex.  8. 

(V,  112  S.)  Stuttgart  1869.  Macken.   iVa  RtWr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1870,  Nr.  1;  Heidelb.  Jahrb.  1869,  Nr.  32;  Menzels  Lite- 
raturbl.  Nr.  61 ;  zum  theol.  Literaturblatt  Nr.  62 ;  Allgem.  Lit.  Anz.  IV,  2 ;  Petzholds 
Anzeiger  Nr.  6;  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  Nr.  6;  Über  Land  und 
Meer  Nr.  38. 

336.  Walther,  Ph.  A.  F.,  Die  Alterthümer  der  heidnischen  Vorzeit  inner- 
halb  des  Großherzogthnms  Hessen  nach  Gattung,  UrspruDg  und  Ortlichkeit  be- 
sprochen.  8.   (116  S.)  Darmstadt  1869.  Jonghaus  in  Comm.   1  Rthlr. 

Vgl.  Lit.  Centralbl.  1870,  Nr.  23. 

337.  Födisch,  J.  E.,   Die  heidnische  Todtenbestattung  in  Böhmen. 
Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen,   7.  Jahrg. 

338.  Schwanfelder,  P.,  Die  Gebräuche  bei  Bestattung  der  Todten  vom 

Alterthum  bis  auf  die  Neuzeit. 

Allgem.  Familien-Zeitung  1869,  Nr.  40.  41. 

339.  Nilsson,  S.,  Bidrag  tili  bronskulturens  historia  i  Skandinavien.  8. 

(31  S.)  Stockholm  1869. 

Abdruck  aus  des  Verfassers  Einleitung  zu  der  schwedischen  Übersetzung  von 
J.  Lubbocks  'Prehistoric  times'. 

340.  Nilsson,  S.,  Das  Broncealter.  Aus  dem  Schwedischen  von  J.  Mestorf. 
Mit  62  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen  und  5  lith.  Tafeln.  Hamburg  1869. 
Meissner.  .2  Rthlr. 

341.  Nilsson,  S.,  Les  habitants  primitifs  de  la  Scandinavie.  Essai  d'ethno- 
graphie  compar^e,  materiaux  pour  servir  k  l'histoire  du  developpement  de  l'homme. 
1^  partie:  L'äge  de  pierre.  Traduit  du  Sn^dois  sur  le  Ms.  de  la  3®  Edition  pr^par^e 
par  l'auteur.  8.  (XXIII,  323  S.  et  16  pl.)  Paris,  Reinwald. 

342.  Montelius,  Oscar,  Fran  jernaldem.  Figurerna  tecknade  och  lito- 
grafierade  af  C.  F.  Lindberg.  Heft  1.  2.  Stockholm  1869.  Akademische  Abhandlung. 

343.  Rygh,  0.,  Den  SDldre  jemalder  i  Norge. 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1869,  S.  149—184. 

344.  Derselbe,  La  premiöre  p^riode  de  Tage  de  fer  en  Norv^ge. 
MSmoires   de  la  soci6t^   des  antiqnaires   du  Nord.    Nouv.  s^rie,    Copenh.  1869, 

S.  196—226. 

345.  Worsaae,  J.  J.  A.,  Om  nogle  norske  oldsagsfund. 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1869,  S.  1—12. 

346.  Derselbe,  De  quelques  antiquit^s  norv^giennes. 

M6moires  de  la  soci6t6  des  antiquaires  du  Nord.  Nouv.  S6rie.  Copenh.  1869. 
S.  186-196. 

347.  Derselbe,  Mammen  Fundet. 

Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1869,  S.  203—218  mit  9  Tafebi. 

348.  Madsen,  A.  P.,  Afbildningen  af  danske  Oldsager  og  Mindesmaerker. 
16  Hefte,  fol.  Kopenhagen  1869. 

349.  Engelhardt,  C,  Fjnske  Mosefund.  Nr.  U.  Vimose-Fundet.  Med 
19  Tavler  Afbildninger.   4.  (42  S.)  Köbenhavn  1869. 

350.  Engelhardt,   C,  Sur  la  trouvaille  de  Vimos. 

M^moires  de  la  soci^t6  des  antiquaires  du  Nord.  Nouv.  S6rie.  Copenh.  1868. 

351.  Nordstrom,  C.  Fr.  Th.,  Om  bengrottor.  8.  (29  S.)  Upsala  1869. 
Akademische  Abhandlung. 


486  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

352.  Blom,  0.,  Analyse  de  quelques  armes  du  I®'  äge  de  fer. 
M^moires  de  la  soci6t6  des  antiquaires  da  Nord  1869,  S.  168—163. 

353.  Engelhardt;  C,  Coupe  de  bronze  ^maill^. 
Ebenda  S.  151—157.  Mit  einer  Tafel. 

354.  Skyrsla  um  forngripasafn  Islands  i  Reykjavik.  I.  1863 — 1866. 
Gefin  üt  af  bim  Islenzka  Bökmentafelagi.  8.  (157  S.)  Kaupmannaböp  1868. 

355.  Sidenbladh,  Karl,  Ofeersigt  af  Angermanlands  fasta  fomlemningar. 
Antiquarisk  Tidskriffc  for  Sverige.  Utgifven  af  kgl*  Yitterbets  Historie  ocb  Anti- 

quitets  Akademien  genom  Bror  Emil  Hildebrand  11,  192—218. 

356.  Hildebrand,  Hans,  Fornlemningar  i  Medelpad  ocb  Helsingland. 
Ebenda  S.  219—221. 

357.  Derselbe,  Den  äldre  jemäldern  i  Norrland. 
Ebenda  S.  222-232.  Mit  Abbildungen. 

358.  Viberg,  Carl  Friedrik,  De  klassiska  folkens  förbindelse  med  norden 
och  inflytande  pa  dess  civilisation.  Ett  bidrag  tili  Osterjöländernäs  kulturbistoria. 

2.  Aufl.  4.  (64  S.)  Gefle  1868. 

359.  Daa,  Ludv.  Kr.,  Have  Germanerne  indvandret  til  Skandinavien  fra 
nord  eller  fra  syd? 

.  Nordisk  Tidskrift,  Lund  1869,  S.  172—208. 

360f  Blom,  Hans^  Nogle  historik-ethnographiske  Spörgsmaal. 
Ebenda  S.  364—382. 

361.  Hildebrand,  Bror  Emil,  Till  hvilken  tid  och  hvilket  folk  böra  de 
Svenska  Hällristningame  henföras? 

Antiquarisk  Tidskrift  for  Sverige  H,  417—432. 

362.  Roßbach,  Dr.  Job.  Jos.,  Geschichte  der  Gesellschaft.  2.  u.  3.  Theil, 
1.  Abth.   8.   (VII,  237  und  309  S.)  Würzburg  1869.  Stuber.   2  Rthlr. 

2.   Die  Mittelklassen  im  Orient  und  im  Mittelalter   der  Völker   des   Occidents. 

3,  1.  Die  Mittelklassen  in  der  Culturzeit  der  Völker.  Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  2.  34; 
Menzels  Literaturbl.  Nr.  34.  100;  Glasers  Jahrbücher  Nr.  5;  Lehmanns  Magazin  Nr.  34; 
Reusch,  theol.  Literaturbl.  1870,  Nr.  1;  Blätter  f.  lit.  Unterh.  Nr.  14;  Berliner  Revue 
61,  8;  Novellen-Zeitung  Nr.  23. 

363.  Zur  Sittengeschichte  unserer  Ahnen. 
Novellen-Zeitung  1869,  Nr.  27. 

364.  De  oude  Tijd.  Geschiedenis ,  maatschappelijk  en  huiselijk  leven, 
monumenten  u.  s.  w.  Onder  leiding  van  David  van  der  Kellen.  8.  (IH,  408  S.) 
Haarlem  1869.  Kruseman.  Mit  vielen  Holzschnitten. 

365.  Browne,  M.,  Chaucer  *s  England.  2  Voll.  8.  London  1869,  Hurst- 
and Blackett.  24  s. 

366.  Notiz  über  die  mittelalterlichen  Ritterspiele.  Von  F.  K. 

Anzeiger  für  Kimde  der  deutschen  Vorzeit  1869,  Sp.  71 — 72.  Aus  John  Hewitt^s 
Ancient  armour  and  weapons  in  Europe,  Oxf.  1855. 

367.  Müller,  J.  H.,  Die  ältesten  Complimentirbücher. 
Die  Erheiterungen  1869,  Nr.  14,  S.  626—628. 

368.  Eich  wald,  Karl,  Cumpelmenteerbook  vun*t  J.  1572.  Tor  lust  und 
leere  upt  Nee  'rutgewen.   16.  (11  S.)  Bremen  1869.  Tannen.  3  Ngr. 

369.  Eckstein,  F.  A.,  Zur  Geschichte  der  Anrede  im  Deutschen  durch  die 
Fürwörter.  Ein  Vortrag.  8.  Leipzig  1869.  Teubner. 

Aus:  Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  1869,  S.  469-487. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  487 

370.  Wright,  Th.,  Womankind  in  Western  Europe  from  thc  earliest  times 
to  the  seventeenth  Century.  8.  London  1869. 

Vgl.  Athenaenm  1869,  11.  December. 

371.  Kämmerei  rechnungen  der  Stadt  Hamburg.  Herauegeg.  vom  Ver- 
eine für  hamburgische  Gescbichte.  1.  Band.  Kämmereirechnungen  von  1350  — 1400. 
Von  K.  Koppmann.   8.  (XII,  494  S.)  Hamburg  1869.  Grüning.  2  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  13. 

372.  Voß,  Rudolf,  Der  Tanz  und  seine  Geschichte.  Eine  kulturhistorisch- 
choreographische Skizze.  Mit  einem  Lexicon  der  Tänze.  8.  Berlin  1869.  Seehagen. 

IV3  Rthlr. 

Vgl.  Novellen-Zeitung  1869,  Nr.  48. 

373.  Schwan felder,  Zur  Geschichte  des  Tanzes. 
Allgem.  Familien-Zeitung  1869,  Nr    21.  22. 

374.  Gouw,  J,  ter,  De  volksvermaken.  1.  u.  2.  Lief.  8.  (S.  1 — 64,  mit 
Holzschnitten).  Haarlem  1869.  Erven  Bohn.  ä  f.  0^40. 

375.  Furnivall,F.  J.,  Education  in  earlj  England.  Somes  notes  used  as 
forewords  to  a  collection  of  Treatises  oh  'Manners  and  Meals  in  the  Olden  Time' 
for  the  Early  English  Text  Society.   8.   (74  S.)  London  1869.  Trübner.   1  s. 

376.  Munimenta  Academica  or  Documents  illustrative  of  academical  life 

and  studies  at  Oxford  by  Rev.  H.  Anstey.  Vol.  I.  IL  8.  (GL,  859  S.)  London  1868. 
Vgl.  Histor.  Zeitschrift  1870,  I,  222  fg. 

377.  Baader,  J.,  Eines  fürstlichen  Präceptors  Eid  und  Bestallung  vom 

J.  1498. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1869,  Sp.  268. 

378.  Aus  der  Küche  der  Altvorderen. 
Gartenlaube  1869,  Nr.  2. 

379.  Heyne,  M.,  Das  altdeutsche  Haus. 
Europa  1869,  Nr.  61  fg. 

380.  Von  der  Burg.  Von  A.  von  C. 
Der  Bazar  1869,  Nr.  .84. 

381.  Hoff,  H.,  Om  Oldtidens  Bygningsformer.  8.  (64  S.  und  3  Tafeln). 
Programm  der  Schule  zu  Herlufsholm  1869. 

382.  Gröndal,  Benedict,    Orme  og  Ormegaarde  i  de  norske  Oldskrifter. 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1869,  S.  228—242. 

383.  van  Lennep,  J.,  en  F.  ter  Gouw,  Het  boek  der  opschriften.  Eene 
bijdrage  tot  de  geschiedenis  van  het  Nederlandsche  volksleven.  Schluß.  (S.  198 
bis  412).  Amsterdam  1869.  Kraay.  Complet  f.  5,20. 

384.  Higson,  John,  Church  bells. 

Notes  and  Queries  Nr.  103,  S.  629.  Glockenreime. 


385.  Ger  1  and,  G.,  Bauemwenzel,  Ziegenpeter,  Mums. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  309—312.  Vgl.  Bibliographie  1868,  Nr.  401. 


386.  Lindemann,  W.,  Bilder  aus  der  deutschen  Sittengeschichte. 
Monatsrosen  1869,  Nr.  11,  8.  426.  Handwerksbräuche. 

387.  Förstemann,  E.,  Straßennamen  nach  Gewerben. 
Germania  14,  1—26, 


488  BIBUOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

388.  Latendorf,  Fr.,  Straßeonamen  von  Gewerben, 
Rostocker  Zeitung  1869,  Nr.  195. 

389.  Well  er,  E.,  Die  Buchdrucker,  Formsebneider  und  Briefknaler  von 

Augsburg.  Nachtrag. 

Serapeum  1869,  Nr.  19. 

390.  Stoppel  aar,  J.  H.  de,  Het  papier  in  de  Nederlanden  gedurende  de 

middeleeuwen,  inzönderheid  in  Zeeland.  Met  16  uitslaande  platen.  f.  1,80. 

A.  u.  d.  T.:  Archief.  Vroegere  en  latere  mededeelingen  voomamelijk  in  betrek- 
king  tot  Zeeland.  7.  Th.  Middelburg  1869.  Altorffer. 

391.  Ledeboer,  A.  M. ,  Het  geslacht  van  Waesberghe.  Eene  bijdrage 
tot  de  geschiedenis  der  boekdrukkunst  in  Nederland.  *ß  Gravenhage  1869.  Nijhoff. 
f.  4,50. 

392.  Falke,  J.,  Geschichtlicher  Gang  der  Stickerei  bis  zu  ihrem  Verfall 

im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts. 

Zeitschrift  für  bildende  Kunst  von  Lützow  4.  Band,  9.  Heft. 

393.  Kellen,  D.  van  der,  Le  moyen  äge  et  la  renaissance  dans  les  Pays- 
Bas.  Choix  d  objets  remarquables  du  XI P  au  XVIP  si^cle.  Livr.  7  et  8.  gr.  4. 
La  Haye  1869.  Nijhoff.  k  f.  2,00. 

394.  VioUet  le  Duc,  Dictionnaire  raisonn^  du  mobilier  fran^ais  de  T^- 
poque  carlovingienne  k  la  Renaissance.  Tome  II,  1 .  fascicule :  Ustensiles.  Paris, 
Morel.  4  Rthlr.  24  Ngr. 


395.  Weiß,  Hermann,  Kostümkunde  (HI.  Abschnitt).  Handbuch  der 
Geschichte  der  Tracht  und  des  Geräthes  vom  14.  Jahrhundert  bis  auf  die  Gegen- 
wart. Mit  Illustrationen.  5.  u.  6.  Lieferung,  gr.  8.  (S.  465 — 672).  Stuttgart  1869. 
Ebner  und  Seubert.  ä  24  Ngr. 

396.  Müller,  Studienrath  Dr.,  Der  Kleiderluzus  in  früherer  Zeit. 
Blustrirtes  Familien-Journal  1869,  Nr.  40. 

397.  Schwanfelder,  Paul,  Zur  Geschichte  des  Bartes.  Kulturhistorische 

Skizze. 

Allgem.  Familien-Zeitung  1869,  Nr.  36. 

398.  Specht,  Gen.  Lieut!  F.  A.  K.,  Geschichte  der  Waffen.  Nachgewiesen 
und  erläutert  durch  die  Kulturentwicklung  der  Völker  und  Beschreibung  der  Waffen 
aus  allen  Zeiten.  1 — 4.  Lief.  gr.  8.  (S.  1 — 469  mit  11  Steintafeln).  Ca8sell869. 
Luekhardt.  k  1  Bthlr. 

399.  Demmin,  Aug.,  Die  Kriegswaffen  in  ihrer  historifichen Entwickelung 
von  der  Steinzeit  bis  zur  Erfindung  des  Zündnadelgewehrs.  Ein  Handbuch  der 
Waffenkunde.  Mit  circa  2000  Illustr.  8.  (VIH,  620  S.)  Leipzig  1869.  Seemann. 
3  Rthlr.  6  Ngr. 

Vgl  Liter.  CentralbL  1869,  Nr.  29. 

400.  Hofmann,  C.,  Über  Schilde  und  ihre  Farben,  gr.  8.  Vortrag  im 
Münchener  Alterthumsverein. 

401.  V.  Haugwitz,  Rückblicke  auf  die  Schußwaffen  des  deutschen  Jägers 
vom  Mittelalter  an  bis  zur  Neuzeit. 

Jagdzeitung  1869,  Nr.  3. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  489 

XI.   Kunst. 

402.  Förster,  Ernst,  Denkmale  deutscher  Baukunst,  Bildnerei  und  Malerei 
von  Einführung  des  Christenthums  bis  auf  die  neueste  Zeit.  293 — 300.  (Schluß) 
Lieferung.  Leipzig  1869.  T.  0.  Weigel.  k  V,  Rthlr. 

403.  Lacroix;  P.,  Les  arts  au  moyen  äge  et  k  l'öpoque  de  la  Renaissance. 
Ouvrage  illustr^  de  1 9  planches  chromolithographiques  ez^cut^s  par  F.  Kellerhoven 
et  de  400  gravures  sur  bois.  gr.  8.  Paris  1869.  Didot.  6  Rtblr.  20  Ngr, 

404.  Lacroiz,  P.,  The  arts  in  the  middle  ages  and  at  the  period  of  the 
Renaissance,  roy.  8.  (540  S.)  31  s.  6  d. 

405.  Hildebrau d,  Hans,  Bidrag  tili  Svenska  medeltidens  konsthistoria. 
Antiquarisk  Tldskrift  for  Sverige  II,  339—416. 

406.  Schultz,  A.,  Beschreibung  der  Breslauer  Bilderhandschrift  des  Frois- 
sart.  gr.  4.  Breslau  1869.  Max  u.  Comp,   '/e  Rthlr. 

407.  Gugel,  E.,  Geschiedenis  van  de  bouwstijlen  in  de  hooftijdperken  der 
architectar.  Met  500  in  den  texst  gedrukte  figuren.  1.  Afdeel.  1.  en  2.  Aflev. 
roy.  8.  Amhem  1869.  Nijhoff. 

408.  Hildebrand,  R.,  Die  bedeutung  der  krypta. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  448—462. 

409.  Naumann,  Emil,  Die  Tonkunst  in  der  Culturgeschichte.  I.Band 
1 .  Hälfte :  Die  Tonkunst  in  ihren  Beziehungen  zu  den  Formen  und  Entwicklungs- 
gesetzen alles  Geisteslebens,  gr.  8.  (298  S.)  Berlin  1869.  Behr.  1^^  Rthlr. 

Vgl.  Allgem.  lit.  Anz.  V,  1. 

410.  Scriptorumde  musica medii  aevi  novam  seriem a Gerbertiana  alteram 
collegit.  . .  E.  de  Coussemaker.  Tom.  lU.  Paris  1869.  Durand. 

XU«  Rechtsgeschichte  und  Rechtsalterthümer. 

411.  Schletter,  Prof.  Dr.  Herrn.,  Beiträge  zur  deutschen,  insbesondere 
sächsischen  Rechtsgeschichte.  2.  Heft.  gr.  8.  (VH,  34  S.)  Leipzig  1869.  Roß- 
berg.  6  Ngr. 

A.  u.  d.  T.:  Die  reyisio  differentiarum  juris  civilis  et  saxonici  in  den  J.  1571 
und  1572.  Das  erste  Heft  erschien  1844. 

412.  Boretius,  A. ,  Studien  über  die  Gesetze  und  die  Geschichte  der 
Burgunden. 

Historische  Zeitschrift  1869,  1.  Band.  Anknüpfend  an  Binding. 

413.  Simonnet,  J. ,  Etudes  sur  Tancien  droit  Bourguignon  d'apr^s  les 
protocoUes  des  notaires.  (XIV®  et  XV®  sifecles). 

Revue  historique  de  droit  fran^ais  XV,  161—207. 

414.  Simonnet,  V6iSLt  des  personnes  et  T^tat  civil  dans  l'ancien  droit 
Bourguignon. 

Ebenda  13.  Band. 

415.  SmetSf  J.  J.,  Nederland  en  de  beoefening  der  Germaansche  rechts- 
geschiedenis.    • 

Nieuwe  Bijdragen  voor  Regtsgeleerdheid  19,  105 — 129. 

416.  T eltin g,  J«,  Schets  van  het  oud-&iesche  privaatrecht.   Stuk  4  en  5. 
Themis  1869,  94  und  38  SS. 

417.  Maurer,  Konr.^  Die  Quellenzeugnisse  über  das  erste  Landrecht  und 


490  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

über  die  Ordnung  der  BezirksYerfassung  des  isländischen  Freistaates,  gr.  4.  (101  S.) 

München  1869.  Franz  in  Comm.   1  Rthlr.  6  Ngr. 

Ans  den  Abhandlangen  der  Münchener  Akademie. 

418.  Maurer,  Konr..  Über  die  Einziehung  der  norwegischen  Odelsgüter 

durch  K.  Harald  H4rfagri. 
Germania  14,  27 — 40. 

419.  Vocke,  Heinr.,  Altfränkisches  Eherecht  und  Kampfgericht. 
Gartenlaube  1869,  Nr.  23. 

420.  Agricola,  Dr.  Alfr.,  Die  Gewere  zu  rechter  Vormundschaft  als 
Princip  des  sächsischen  ehelichen  Güterrechts,  gr.  8.  (XXXVI,  652  S.)  Gotha 
1869.  Perthes.  4  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1870,  Nr.  4. 

421.  Kays  er,  P.,  Das  Erbrecht  nach  den  Edikten  der  langobardischen 

Könige. 

Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  8.  Band,  3.  Heft. 

422.  Brunn eV,    Heinrich,    Das  anglonor mannische  Erbfolgesystem.  Ein 

Beitrag  zur  Geschichte  der  Parentelordnung  nebst  einem  Excurs  über  die  älteren 

normannischen  Coutumes.    gr.  8.  (88  S.)    Leipzig  1869.    Duncker  und  Humblot. 

%  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1870,  Nr.  37;  Pözl,  Vierteljahrsschrift  12,  306-310  (Mau- 
rer); Spenersche  Zeitung  Nr.  86. 

423.  B et h mann,  M.  A.  v.,  Der  Civilprocess  des  gemeinen  Rechts  in  ge- 
schichtlicher Entwicklung.  4.  Band:  Der  germanisch-romanische  Civilprocess  im 
Mittelalter.  1.  Band:  Vom  5—8.  Jahrhundert,  gr,  8.  (XI,  562  S.)  Bonn  1869. 
Markus.  3  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  13. 

424.  Laband,  Prof.  Dr.  Paul,  Die  yermögensrechtlichen  EJagen  nach 
den  sächsischen  Rechtsquellen  des  Mittelalters  dargestellt,  gr.  8.  (IX,  406  S.)  Kö- 
nigsberg 1869.  Hübner  u.  Matz.  ^%  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  6. 

425.  Fruin^  J.  A.,  Over  de  anfang  en  de  slichte  klage  um  varende  have, 

in  het  oud-sahsische  recht. 

Verslagen  en  Mededeelingen  der  k.  Akad.  van  Wetenschappen  12,  269  —  286. 

426.  Korn,  G.,  De  jure  creditoris  in  personam  debitoris,  qui  solvendo  non 
est,  secundum  jus  aevi  medii  germanicum.   8.  (37  S.)  Vratisl.  1869. 

Habilitationsschrift  des  im  Kriege  1870  vor  Metz  gefallenen  Verfassers. 

427.  Kommer,  Über  die  Entwicklung  des  Bergregals  bis  zum  J.  1273 

und  die  Sachsenspiegelstelle  I,  35. 

Zeitschrift  für  Bergrecht  10.  Band,  3.  Heft. 

428.  Kirch  hoff,  Adv.,   Das  Hofhoorighrecht  in  de  Twente. 

N.  Magazin  für  hannöv.  Recht  7,  3ö9  ff.   Vgl.  Schletters  Jahrbücher  13,  103. 

429.  Semichon,  Ernst,  La  paix  et  la  tr^ve  de  dieu.   2^  Edition.  2  voll. 

12.  (XII,  294  u  318  S.)  Paris  1869.  Albanel. 
Vgl.  Revue  critique  1870,  Nr.  18. 

430.  Schröder,  R.,  Corpus  juris  germanici  poeticum. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  257—272.  1.  Kudrun. 

431.  Das  Bar-Recht  und  der  Grünsoden-Eid. 
Europa  1869,  Nr.  2ö. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  491 

432.  Becker,  August,  Ein  Scharfrichter  in  Nöthen.  Kulturhistorische  Skizze. 
Allgem.  Familien-Zeitung  1869,  Nr.  22. 

433.  Weininger,    H.,    Der  Freimann  oder  Scharfrichter.  Kulturhisto- 
rische Skizze. 

Erheiterungen  1869,  S.  403—409. 

434.  Rechtsverfahren  gegen  Thiere.  Von  R.  S. 
Deutsche  Roman-Zeitung  1869,  Nr.  27. 


435.  Bisch  off,  Rechtsbandschriften  im  steiermärkischen  Landesarchive. 
Beiträge  zur  Kunde  Steiermark.  Geschichtsquellen,  6.  Jahrgang.  Gratz  1869; 

436.  Krone 8,  Dr.  Fr.  X.,  Deutsche  Geschichts-  und  Rechtsquellen  aus 

Oberungam.  (42  S.)  Wien,  Gerold  in  Comm. 

Aus  dem  Archiv  für  österr.  Geschichtsquellen,  Betrifft  ein  GöUnitzer  Stadtbuch 
(17.  Jhd.) ,  ein  Rechtslexicon  von  1628 ,  eine  Schwabenspiegelhs.  in  Kaschau  (1430). 
Vgl.  Schletters  Jahrbücher  13,  104. 

437.  Waitz,  G.,  Über  das  Alter  der  beiden  ersten  Titel  der  Lex  Baju- 

variomm. 

Nachrichten  von  der  k.  Gesellschaft  d.  Wissenschaften  in  Göttingen.  1869.  Mit 
Nachtrag. 

438.  Bluhme,  Die  neueste  Ausgabe  der  Lex  Burgundionum. 
B[i8torische  Zeitschrift  11.  Jahrg.  1.  Heft. 

439.  Boretius,  A.,  Zur  Lex  Saxonum. 

Historische  Zeitschrift  11.  Jahrg.  3.  Heft.  Anknüpfend  an  Richthofen,  Bibliogr. 
1868,  Nr.  446. 

440.  Höf  er,  Alb.,  Altvile  im  Sachsenspiegel.  Ein  Erklärungsversuch,  gr.  8. 
(Vn,  40  S.)  Halle,  Buchh.  des  Waisenhauses.   V,  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1870,  Nr.  18,  und  Germania  16,  417. 

441.  Aanhalingen  uit  den  Hollandschen  Sahsenspiegel. 
Nieuwe  Bijdragen  voor  Regtsgeleertheid  19,  167. 

442.  Schröder,  Rieh.,  Die  neuesten  Untersuchungen  über  die  abfassungs- 
zeit  des  Schwabenspiegels. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  273—274. 

443.  Rockinger,  Über  ein  kurzgefasstes,  aus  dem  sogenannten  Schwaben- 
spiegel und  dem  kleinen  Kaiserrechte  gebildetes  Gerichtshandbuch. 

Sitzungsberichte  der  k.  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1869.  I.  2. 

444.  Bö  hl  au,  H.,  Der  Schwabenspiegelfund  Rockingers. 
Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  9,  181—184. 

445.  Rockinger^  Vorarbeiten  zur  Textausgabe  von  Kaiser  Ludwigs  ober- 
baierischem  Landrechte. 

Abhandlungen  der  histor.  Classe  der  k.  bayer.  Akad.  d.  Wissensch,  11.  Band, 
1.  Abth.  1868.  Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  20. 

446.  Laban d,  Prof.  Dr.  Paul,  Magdeburger  Rechtsquellen.  Zum  akade- 
mischen Gebrauch  herausgegeben,  gr.  8.  (IV,  148  S.)  Königsberg  1869.  Hübner 
und  Matz.  28  Ngr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  43;  Gott.  GeU  Anz.  Nr.  49. 

447.  Bö h lau,  H.,  Die   „Summa  der  rechte  weg  gnant". 
Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  8.  Band,  2.  Heft. 

448.  Weistümer  gesammelt  von  Jacob  Grimm  und  nach  dessen  Tode 


492  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

unter  Mitwirkung  von  F.  X.  Kraus  etc.  6.  Theil,  bearbeitet  von  Riebard  Schröder. 
Auf  Veranlassung  und  mit  Unterstützung  S.  M.  d.  K.  v.  B.  Maximilian  II.  herausg. 
durch  die  histor.  Comm.  bei  der  k.  Acad.  d.  Wiss.  gr.  8.  (IV,  782  S.)  Göttingen 

1869,  Dieterich.  4  Rthlr.  12  Ngr. 
Vgl.  Liter.  Centralbl.  1870,  Nr.  20. 

449.  Hardt,  Luxemburger  Weisthümer,  als  Nachlese  zu  Jacob  Grimms 
Weisthümern,  gesammelt  und  eingeleitet.  8.  Luxemburg  1868 — 69.  Bück.  4  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr,  11;    187a,  Nr.  20.  36;   Anzeiger  f.  K.  d.  d.  V. 

1870,  Nr.  6;  Allgem.  Lit.  Anzeiger  IV,  3;  Archiv  f.  d.  Gesch.  d.  Niederrheins  NF.  H,  1. 

450.  L am  bei,  Hans,  Bericht  über  die  im  Augusf  1868  in  Oberösterreich 

angestellten  Weisthümer-Forschungen.   Lex.   8.   (12  S.)  Wien  1869.  Gerold  in 

Comm.   2  Ngr. 

Aus  den  Sitzungsberichten  der  Akademie. 

451.  Strobl,  Jos.,  Reisebericht  übef  die  in  Niederösterreich  (Viertel  ob 
und  unter  dem  Wienerwalde)  angestellten  Weisthümer-Forschungen.  Lex.  8.  (8  S.) 
Ebenda.  2  Ngr. 

462.  Zingerle,  I.  V.,  Bericht  über  die  in  Tirol  im  J.  1868  angestellten 
Weisthümer-Forschungen.  Lex.  8.  (28  S.)  Ebenda.  4  Ngr. 

453.  Wies  er.  F.,  Bericht  über  die  in  Vorarlberg  angestellten  Weisthümer- 
Forschungen.  Lex.  8.  (40  S.)  Ebenda.  2  Ngr. 

454.  Bohl  au,  H.,  Aus  der  Praxis  des  Magdeburger  Schöffenstuhls  während 

des  14.  und  15.  Jahrhunderts. 

Zeitschrift  für  Rechtsgcschichte  9,  1 — 50. 

455.  Corpus  juris  Suio-Gotorum  antiqui.  Edidit  C.  J.  Schlüter,  Vol.  XII. 
gr.  4.  Lund  1869.   6  Rthlr.  12  Ngr. 

456.  Jon  P^turspon,  Timarit  L  kl.  8.  (VIII,  88  S.)  Reykjavik  1869. 

XIII.  Deutsche  Litteraturgeschichte  und  Sprachdenkmäler. 

457.  Vi  1  mar,  A.  F.  C. ,  Geschichte  der  deutschen  National-Literatur. 
13.  verm.  Aufl.  gr.  8.  (XII,  626  S.)  Marburg  1869.  Elwert.   2  Rthlr. 

458.  Vilmar,  A.  F.  C,  Lebensbilder  deutscher  Dichter.   Nach  dessen  Tode 

herausgegeben  von  Dir.  Dr.  K.  W.  Piderit.  gr.  8.  (IV,   175  S.)  Frankfurt  a.  M. 

1869.  Völcker.   28  Ngr. 

Vgl.  Allgem.  Lit.  Anz.  IV,  1;  Grenzboten  1869,  Nr.  22. 

459.  Uhlands  Schriften  zur  Geschichte  der  Dichtung  und  Sage.  4.  Band. 

gr.  8.  (VI,  406  S.)  Stuttgart  1869.  Cotta.  2  Rthlr.  16  Ngr. 

Vgl.  Gott.  Gel.  Anz.  1870,  Nr.  10  (Liebrecht);  Saturday  Review  Nr.  747; 
Blätter  f.  Ht.  Unterh.  Nr.  22,  S.  337—343  (Bechstein);  Ergänzungsblätter  V,  742—746. 

460.  Gödeke,  Karl,  GrundrüS  zur  Geschichte  der  deutschen  Dichtung  aus 
den  Quellen.  3.  Band,  2.  Heft.  gr.  8.  (S.  233—480).  Dresden  1869.  Ehler- 
mann.   1  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  45  ;  Saturday  Review  Nr.  712;  Unsere  Zeit  Nr.  11; 
Münchener  Propylaeen  Nr.  24;  Vossische  Zeitung  Nr.  148. 

461.  Kurz,  Heinrich,  Geschichte  der  deutschen  Literatur  mit  ausgewählteu 
Stücken  aus  den  Werken  der  vorzüglichsten  Schriftsteller.  1 — 3.  Band^  5.  Aufl. 
In  24  Lieferungen.  Leipzig  1869.  Teubner.  k.y,  Rthlr. 


BIBLIOGRAPfflSCHE  ÜBERSICHT.  493 

462.  Klage,  Prof.  Dr.  Herrn.;  Geschiebte  der  deutschen  National-Literatur. 

Zum  Gebrauche  an  höheren  Unterrichtsanstalten  bearbeitet,  gr.  8.  (YHI,  168  S.) 

Altenburg  1869.  Bonde.  14  Ngr. 

Vgl.  Revue  eritique  1870,  Nr.  27;  Blätter  f.  liter.  Unterh.  Nr.  26;  Zeitschrift 
für  das  Gymuasialwesen  1869,  Nr.  5.  9;  Stoa  U,  3. 

463.  Frank,  Paul,  Handbtichlein  der  deutschen  Literaturgeschichte.  In 

leichtfasslicher  gedrängter  Darstellung.  3.  Aufl.  16.  (VIII,  265  S.)  Leipzig  1869. 

Merseburger.    '/,  Rthlr. 

Vgl.  AUgem.  Schulzeitung  Nr.  30 ;  Oldenb.  Schulbl.  Nr.  28 ;  Schweizer  Lehrer- 
zeitung Nr.  14. 

464.  Gredy,  Prof.  Fr.  M.,  Geschichte  der  deutschen  Literatur  für  höhere 
Lehranstalten,  zum  Privat-  und  Selbstunterricht.  4.  verb.  Aufl.  gr.  8.  (X,  138  S.) 
Mannheim  1869.  Earchheim.   Vs  Rthlr. 

465.  Horst,  Klotilde  v.  d.,  Geschichte  der  deutschen  Literatur  von  der 

ältesten  bis  auf  die  neuere  Zeit  mit  Beispielen  aus  den  besten  Werken  der  Poesie 

und  Prosa.  Zum  Gebrauch  für  Schulen  und  zum  Selbstunterricht.   1.  u.  2.  Theil. 

gr.  8.  (XII,  275  und  XII,  ^39  S.")  Detmold  1869.  Meyer,  k  1  Rthk, 

Vgl.  Lehmanns  Magazin  1869,  Nr.  39;  Deutsche  Blätter  Nr.  43;  N.  Preuß.  Zei- 
tung Nr.  298;  Allgem.  Schulzeitung  Nr.  51;  Romanzeitung  1870,  Nr.  8.  34;  Süddeutsch. 
Sonntagsbl.  Nr.  17;  Modenzeitung  Nr.  20;  Lehmanns  Magazin  Nr.  24;  Deutsche  Blätter 
Nr.  24;  Allgem.  Familien-Zeitung  Nr.  38. 

466;  Kr  am  er.  Fr.,  Chronologische  Übersicht  der  deutschen  Literatur- 
geschichte. Ein  Anhang  zu  jeder  Literaturgeschichte,  namentlich  zu  den  Hand- 
büchern von  Lindemann  und  Brugier.  gr.  8.  (55  S.)  Freiburg  i.  B.  1869. 
Herder.  6  Ngr. 

467.  Reuter,  Dr.  Wilh.,  Literaturkunde,  enthaltend  Abriß  der  Poetik  und 
Geschichte  der  deutschen  Poesie.  3.  Aufl.  gr.  8.  (X,  154  S.)  Freiburg  i.  B.  1869. 
Herder.  12  Ngr. 

468.  Stöhn,    Dr.  Herm.^  Lehrbuch  der  deutschen  Literatur  für  höhere 

Töchterschulen  und  die  reifere  weibliche  Jugend,  gr.  8.    (XI,  236  S.)  Leipzig 

1869.  Teubner.  1  Rthlr. 

Vgl  Allgem.  lit.  Zeitung  1869,  Nr.  50. 

469.  Hahn,  Wem.,  Deutsche  Literaturgeschichte  in  Tabellen.  8.  (56  S.) 
BerUn  1869.  Hertz.  8  Ngr. 

470.  Schäfer,  Prof.  Dr.  Job.  Wilh.,  Tabellen  zur  Geschichte  der  deut- 
schen Literatur.    Zum  Gebrauch  in  höheren  Unterrichtsanstalten.  2.  verb.  Aufl. 

gr.  8.   (IV,  68  S.)  Altona  1869.  Händcke  u.  Lehmkuhl.    12  Ngr. 
Vgl.  Elberfeld.  Zeitung  1869,  Nr.  241 ;  Aachen.  Zeitung  Nr.  220. 

471.  Literatur- Merk  büchlein.  Merkbüchlein  zur  Geschichte  der 
deutschen  Literatur.  Zum  Handgebrauche  für  Literaturfreunde.  2.  wesentlich 
verm.  Aufl.   16.  (IV,  112  S.)  Leipzig  1869.  Schäfer.   %  Rthb. 

472.  Scherr,  Job.,    Allgemeine  Geschichte  der  Literatur.    Ein  Handbuch 

in  zwei  Bänden,  umfassend    die  nationalliterar.  Entwickelung  sämmtlicher  Völker 

des  Erdkreises.  3.  neu  bearb.  u.  stark  verm.  Aufl.  8.  Stuttgart  1869.  Conradi. 

Vgl.  Blatt,  f.  lit.  Unterh.  1869,  Nr.  17;  Europa  Nr.  8;  Roman-Zeitung  Nr.  lö; 
Lehmanns  Magazin  Nr.  20 ;  Schwab.  Mercur  Nr.  138 ;  Allgem.  Lit.  Anz.  III,  4 ;  Öster- 
reich. Gartenl.  Nr.  16;  Frankfurt.  Zeitung  Nr.  225;  Oldenb.  Zeitung  Nr.  243;  Aachen. 
Zeitung  Nr,  168  j  ßchttlzeitong  f.  JnaerOstenreich  1870,  Nr.  10, 


494  BIBLIOGBAPfflSCHE  ÜBERSICHT, 

473.  Scherr,  Joh.,  Bildersaal  der  Weltliteratur.  2.  Aufl.  Lex.  8,  Stutt- 
gart 1869.  Kröner. 

Vgl.  Europa  1869,  Nr.  16;  Deutsche  Blätter  Nr.  16;  Münchener  Propyläen  Nr.  20. 

474.  tenBrink,  Dr.  Jan,  Schets  eener  geschiedenis  der  Nederlandsche 
Letterkunde.  3.  Aflev.  8.  (S.  257 — 382).  Leeuwarden  1869.  Suringar.  f.  0,85. 

475.  Bakhuizen  van  den  Brink,  R.  C,  Studien  en  schetsen  over  vader- 
landsche  geschiedenis  en  letteren.  Verzameld  en  uitgegeven  door  E.  J.  Potgieter. 
2.  Deel,   1.  Aflev.  8.  (X,  86  S.)  's  Gravenhage  1869.  Nijhoff.  f.  0,90. 

476.  Coleridge,  Herbert,  a  glossarial  index  to  the  printed  literature  of 
the  13**»  Century.  8.  (104  S.)  London,  Trübner.  2  s.  6  d. 

4T7.  Grundriß  der  Geschichte  der  englischen  Sprache  und  Literatur  (von 
C.  van  Dalen).  4.  Aufl.  Lex.  8.  (36  S.)  Berlin  1869,  Langenscheidt.  6  Ngr. 

478.  Petersen,  N.  M.,  Bidrag  til  den  danske  Literaturs  Historie.  Anden 
Udgave  ved  C.  E.  Secher.  13 — 14.  Heft.  Kopenhagen  1869. 

479.  Bjursten,  Herman,  Of  versigt  af  svenska  spräkets  och  litteraturens 
historia.  Uppl.  3.  8.  (123  S.)  Stockholm  1869. 

480.  Lundblad,  P.  S.  V.,  Lärobok  i  svenslca  litteraturens  historia.  8. 
(112  S.)  Stockholm  1869. 


481.  Grimm,  Jacob,  Kleinere  Schriften.  4.  Band.  Recensionen  und  ver- 
mischte Aufsätze.   1.  Theil.  Berlin  1869.  Dümmler.  gr.  8.  (X,  467  S.)    3  Rthlr. 

482.  Scheyrer,  L. ,  Die  Schriftsteller  Österreichs  in  Reim  und  Prosa  auf 
dem  Gebiete  der  schönen  Literatur  aus  der  ältesten  bis  auf  die  neueste  Zeit.  8. 
Wien  1868. 

483.  Kurze,  Dr.,  Ein  Beitrag  zur  Würdigung  unserer  Volksepen.  4.  (37  S.) 
Programm  der  Realschule  I.  Ordnung  zu  Landeshut,  1868.  VgL  Herrigs  Archiv 

45,  223. 

484.  Meyer,  C,  Zur  deutschen  Heldensage. 
Deutsche  Vierteljahrsschrift  32.  Jahrg.  Nr.  128. 

485.  Scharlach,  Fr.  E.,  Die  Kerlinger-Sage  in  ihrer  allmähligen  Ent- 
wickelung.  Dissertation.  8.  (40  S.)  Jena  1869. 

486.  Gosche,  Rieh.,  Idyll  und  Dorfgeschichte  im  Alterthum  und  Mittelalter. 
Gosche*s  Archiv  fttr  Literaturgeschichte  1,  169 — 227. 

487.  Richtet,  Otto,  Die  religiöse  Lyrik  in  der  Blütezeit  des  deutschen 

Minnegesangs. 

Osterprogramm  der  Realschule  zu  Görlitz  1868.  VgL  Blätter  f.  liter.  Unterh. 
1869,  Nr.  49. 

488.  Wackernagel,  Philipp,  Das  deutsche  Kirchenlied  von  der  ältesten 
Zeit  bis  zum  Anfeng  des  17.  Jahrhunderts.  22—28.  Lieferung  (3.  Bd.,  S.  13—864). 
Leipzig  1869.  Teubner.  k  Vs  Rthlr. 

489.  Schletterer,  H.  M.,  Geschichte  der  geistlichen  Dichtung  und  kirch- 
lichen Tonkunst  in  ihrem  Zusammenhange  mit  der  politischen  und  socialen  Ent- 
wickelung  insbesondere  des  deutschen  Volkes.    1.  Band.  Lex.  8.  (XIV,  588  S.) 

Hannover  1869.  Rümpler.  4  Rthlr. 

Vgl.  Blätter  f.  lit.  Unterh.  1870,  Nr,  18;  Unsere  Zeit  1869,  Nr.  18;  Chilianeum 
n,  10;  Augsb.  Postzeitung  Nr.  61. 

490.  Bech stein,  R.,  Das  deutsche  Kirchenlied  bis  zur  Reformation. 
Ergänzungsblätter  zur  Kenntuiss  der  Gegenwart  III,  524. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  495 

491.  Zur  Geschichte  des  Kirchengesangs  in  der  Volkssprache. 
Kirchenschmuck:  Ein  Archiv  etc.  26.  Band,  1.  Heft.  1869. 

492*  Oettingeuy  AI.  v.,  Über  Textform  und  Sangweise. der  alten  kirchli- 
chen Kemlieder. 

Dorpater  Zeitschrift  für  Theologie  11.  Band,  3.  Heft. 

493.  Moll,  W.,  Over  den  staat  van  het  kerkgezang  in  Nederland  sijdens 

de  opkomst  en  den  bloei  van  de  oud-nederlandsche  muziekschool. 

Versl.  en  Meded.  der  k.  Akademie  van  Wetenschappen  XII,  105-  152. 

494.  Aus  der  deutschen  Weihnachtsdichtung  alter  Zeit.   I.  Aus  dem 

altsächsischen  Heliand.  2.  Aus  Kynewulfs  Crist.  3.  Aus  der  Dichtung  der  mhd.  Zeit. 
Allgem.  Ev.  luth.  Kirchen-Zeitung  1869,  Nr.  52.  53. 

495.  Leibin g,  Dr.  Franz,  Die  Inscenirung  des  zweitägigen  Luzerner  Oster- 
Spieles  vom  J.  1583  durch  Ren  wart  Cysat.  Nach  den  handschriftl.  Papieren  Cy- 
sats  auf  der  Bürgerbibliothek  zu  Luzem  dargestellt.  Mit  2  Tafeln,  gr.  4.  (22  S.) 
Elberfeld  1869   (Priderichs).   V»  ^t^r. 

496.  Gen^e,  Rudolf,  Das  englische  Drama  in  Deutschland  im  16.  und 
!                    17.  Jahrhundert. 

Münchener  Propyläen  1869,  Nr.  50  fg. 

497.  Hagen^  Privatdoc.  Dr.  Herm.,  Antike  und  mittelalterliche  Räthsel- 
poesie.  Mit  Benutzung  noch  nicht  veröffentlichter  Quellen  aus  den  Handschriften- 
Bibliotheken  zu  Bern  und  Einsiedeln.  Eine  populäre  Skizze.  8.  (51  S.)  Biel  1869. 

Steinheil.  8  Ngr. 

Vgl.  N.  Zürcher  Zeitung  1869,  Nr.  285. 

498.  Preger,  Wilh.,  Vorarbeiten  zu  einer  Geschichte  der  deutschen  Mystik 

im  13.  und  14.  Jahrhundert. 

Zeitschrift  für  die  historische  Theologie  1869,  1.  Heft. 

499.  Reiche  1,  Rud.,  Germanistische  Kleinigkeiten,  gr.  8.  (6  S.) 
Progranun  des  Gymnasiums  in  Marburg,  Ostern  1869. 

500.  MÖbius,  Theodor,  Nordischer  literaturbericht.  I. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  389-437. 

501.  Richert,.  M.  B.^  Om  nordisk  bildning  och  fornnordisk  literatur.   8. 

(106  S.)  Lund  1869. 

Abdruck  aas  der  Nordisk  Tidskrift  f.  1869. 

502.  (Daae,  L.),  Om  den  norröne  litteraturs  forhold  til  Norge  og  norsk 

kultur.  8.  (50  S.)  Christiania  l868. 

Aus:  Norden.  Et  Maanedskrift  5,  161—210. 

503.  Grundtvig,  Svend,  Er  Nordens  gamle  literatur  norsk  eller  er  den 
dels  islandsk  og.  dels  nordisk?  svar  pa  indvendinger  mod  anmsßldelsen  af  R.Keysers 
literaturhistorie.  (113  S.)  Köbenhavn  1869. 

504.  Jessen,  E.,   Bemserkninger  tili  Hr.  Docent  Captain  Svend  Grundt- 

vigs  Artikel  *er  Nordens  gamle  literatur  osv. 

Tidskrift  for  Philologi  og  Pädagogik  8,  213-245. 

505.  Storm,  G.,  Om  den  gamle  norröne  literatur,  etindlseg  i  striden  mellem 
Docent  Grundtvig  og  den  norske  historiske  skole.    8.  (47  S.)  Christiania  1869. 

506.  Godron,  A.,  Les  sagas  islandaises  ou  expeditions  et  (Etablissements 
des  Norwdgiens  en  Am^rique  du  JX  -  XXV®  si^cle.   8.   (20  S.)  Paris,  Thunot. 


496  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT, 

507.  Frauer,  Prof.  Dr.  Ludwig,  Lehrbuch  der  althochdeutechen  Sprache 
und  Literatur.  Für  höhere  Schulen  und  zum  Selbstunterricht.  Nebst  einem  An- 
hange, Stücke  aus  dem  H§liand  enthaltend.  2.  verb.  Aufl.  gr.  8.  (XI,  299  S.) 
Oppenheim  a.  Rh.  1869.  Kern.   IV2  ßthbr. 

508.  Schreiber,  Dr.  Rud.,  Ubersetzungsproben  aus  mhd.   Dichtem.  8. 
Programm  des  Gymnasiums  zu  Ansbach  1869. 

509.  Ahn,  Prof.  Dr. F.  H.,  Class-book  of  english  poetry  and  prose  comprising 
select  specimens  of  the  most  distinguished  poets  and  prose  writers  from  Chaucer  to 
the  present  time,  with  biographical  notices  etc.  gr.  8.  (XVI,  1136  S.)  Cölnl869. 
Du  Mont- Schauberg.  2^^  Rthlr. 


510.  Jessen,  E.,  Grundzüge  der  altgermanischen  metrik. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  114—147. 

511.  Hügel,  Dr.  Rieh.,  Über  Otfrid's  Versbetonung,    gr.  8.  (III,  50  S.) 

Leipzig  1869.  Vogel.   V,  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  46;  Allgem.  Zeitung  1870,  Nr.  73;  die  Germania 
wird  im  16.  Bande  eine  Anzeige  bringen. 

A.    Gothisch.       , 

512.  Bibliothek  der  ältesten  deutschen  Literatur-Denkmäler.   1.  Band. 

gr.  8.  Paderborn  1869.  Schöningh.   l^/s  Rthlr. 

Inhalt :  Ulfilas  oder  die  uns  erhaltenen  Denkmäler  der  gotbischen  Sprache.  Text, 
Grammatik  und  Wörterbuch.  Bearbeitet  und  herausgeg.  von  F.  L.  Stamm.  4.  Aufl. 
besorgt  von  M;  Heyne.  (XII,  386  S.).  Vgl.  Gott.  Gel.  Anz.  1870,  Nr.  9  (L.  Meyer); 
Zeitschrift  für  die  österr.  Gymn.  1869,  Nr.  9.  10. 

513.  Descheda  all  qua  Brixiana  ad  Goticam  librorum  sacrorum  interpre- 

tationem. 

Index  lectionum  quae  in  univ.  Friderica  Guilelma  p.  sem.  aest.  1869  habebun- 
tur.  4.  (7  S.) 

B.  Althochdeutsch. 

514.  Bechstein,  Reinhold,  Althochdeutsche  Funde  und  Forschungen. 
Ergänzungsblätter  z.  Kenntn.  d.  Gegenwart  3,  268. 

515.  Rohmeder,  W.,  Über  den  Inhalt  des  altdeutschen  epischen  Volks- 
liedes. Das  Hildebrandslied.  ^ 

Album  des  liter.  Vereins  zu  Nürnberg  ftir  1869,  S.  66—88. 

516.  Otfrids  von  Weissenburg  Evangelienbuch.  Text,  Einleitung,  Gram- 
matik, Metrik,  Glossar  von  Dr.  Job.  Kelle.  2.  Band.  Die  Formen*  und  Lautlehre 
der  Sprache  Otfrids.  Mit  6  Taf.  Schriftproben.  Lex.  8.  (XXXVI,  536  S.)  Regens- 
burg 1869.  Manz.  6  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  366;  Allgem.  Zeitung  1870,  Nr.  73. 

517.  Erdmann,  0.,  Bemerkungen  zu  Otfrid.  ^ 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  437—442. 

518.  Müllenhoff,  K.,  Zum  Ludwigsliede. 
Zeitschrift  für  deutsches  alterthum  14,  566—558. 

519.  Zacher,  J.,  Zur  textkritik  des  Ludwigsliedes. 
Zeitschrift  Tür  deutsche  philologie  1,  473—489.      • 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  497 

520.  Haupt,  Jos.,  Zwei  althochdeutsche  Bruchstücke. 
Germania  14,  66—68. 

521.  Hofmann,  C,  Über  ueuentdeckte  Fragmente  des  ahd.  Isidorus  de 
nativitate  domini. 

Sitzungdberichte  der  Münchener  Akademie  1869,  I.  4. 

522.  Keinz,  Friedr.,  über  einige  althochdeutsche  Bruchstücke. 
Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie  1869,  S.  637—659. 

523.  Schade,  0.,  Zu  den  deutschen  Versen  in  der  notkerischen Rhetorik. 
Germania  14,  40  —  47. 

524.  Plew,  E.,  Zu  der  notkerischen  Rhetorik. 
Germania  14,  47—66. 

525.  St.  Gallivocabularius,  auch  Wörterbuch  des  h.  Gallus  aus  dem 
8.  Jhd.  Handschrift  913  der  Stiftsbibliothek  in  St.  Gallen.  Nach  den  vorhandenen 
Ab-  und  Druckschriften  vergleichend  zusammengestellt  und  alphabetisch  sowohl 
lateinisch-deutsch  als  deutsch-lateinisch  geordnet  durch  J.  C.  H.  Büchler.  gr.  8. 
(VI,  96  S.)  Brüon  1869.  Friedländer.   V^  Rthlr. 

526.  Steinmeyer,  Aem.  £1.,  De  glossis  quibusdam  Vergilianis.  Disser- 
tatio.  gr.  8.  (58  S.)  Berolini  1869. 

527.  Dümmler,  E.,  Kölner  und  Wirzburger  glossen. 
Zeitschrift  ftir  deutsches  alterthum  14,  189 — 191. 

528.  Martin,  E.,  Leidener  und  Brüsseler  glossen. 
Ebenda  14,  191—192. 

529.  Lexer,  M.,  Würzburger  glossen. 
Ebenda  14,  498-603. 

530.  Haupt,  Jos.,  Bruchstücke  einer  ahd.  Übersetzung  der  vier  Evangelien. 
Germania  14,  440—466.  Vgl.  Blätter  f.  liter.  ünterh.  1870,  Nr.  1,  S.  14  fg. 

C.  Mittelhochdeutsch. 

531.  Keinz,  Über  einige  altdeutsche  Denkmäler. 

Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie  1869,  II,  290—321.  Enthält:  1.  Mün- 
chener Glaube  und  Beichte.  2.  Marienleben  von  Wemher.  3.  Rother.  4.  Roman  in 
niederdeutscher  Prosa.  6.  Strickers  Karl.  6.  Parzival.  7.  Bruchstück  eines  (allegorischen  ?) 
Gedichtes.  8.  Predigtbnichstück.  9.  Gereimte  biblische  Geschichte. 

532.  Albrecht  von  Kemenaten.  —  Zingerle,  Dr.  Ign.,  Albrecht  von 
Kemenaten. 

Allgem.  Zeitung  1869,  Beilage  236. 

533.  Annolied.   —  Camuth,  0.,  Zum  Annoliede. 
Germania  14,  74—81.  Quellennachweis. 

534.  Blanschandin.  Bruchstücke  eines  mhd.  Gedichtes.  Von  Joseph  Haupt. 
Germania  14,  68— .74. 

535.  Bnrghart  von  Hohenfels. 

Europa  1869,  Nr.  27,  S.  859. 

Chroniken. 

536.  Chroniken,  die,  der  deutschen  Städte  vom  14.  bis  ins  16.  Jahrh. 
7.  Band:  Die  Chroniken  der  niedersächsischen  Städte.  Magdeburg.  I.Band,  gr.  8. 
(LH,  568  S.)  Leipzig  1879.  Hirzel.  3  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  40;  Gölt.  Gel.  Anz.  Nr.  41;  Hist.  Zeitschrift 
12,  l,  207;  Liter.  Handweiser  Nr.  82;  Hassels  Zeitschrift  1. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  III.  (XV.)  Jahr($.  33 


498  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

537.  Chronik,    Zimmerische,    herausgegeben  von  Dr.   K.   A.   Barack. 

91 — 94.  Publication  des  Litter.  Vereins  in  Stuttgart.    Stuttgart  1869.  8.  4  Bde. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  50;  Gott.  Gel.  Anz.  Nr.  33  (Liebrecht);  Hei- 
delb.  Jahrb.  Nr.  38  (Wattenbaeh) ;  Reusch,  Literaturbl.  1870,  Nr.  13  (Birlinger);  Allg. 
Zeitung  1869,  Nr.  180;  Schwab.  Mercur  Nr.  103  (R.  v.  S.). 

538.  Liebrecht,  F.,  Zur  Zimmerischen  Chronik. 
Germania  14,  385—405. 

Eckhart. 

539.  Preger,  W.,  Meister  Eckharts  Theosophie  und  deren  neueste  Dar- 
stellung. 

Zeitschrift  filr  lutherische  Theologie  1870,  S.  59—74. 

540.  Preger,  W. ,  Meister  Eckhart  und  die  Inquisition,  gr.  4.   (47  S.) 

München  1869.  Franz  in  Comm.   18  Ngr. 

Aus  den  Abhandl.  der  München.  Akademie.  Vgl.  Jahrb.  f.  d.  Theol.  14,  3; 
Dandiran,  Conipte-rendu,  Sept.  1869;  Allg.  Lit.  Anz.  IV,  4;  Glasers  Jahrbücher  12,  4; 
Z.  f.  luth.  Theol.  1870,  Nr.  2;  AUgem.  Zeitimg  1869,  Nr.  112. 

541.  Enenkel.  —  Schatzmayr,  J.,  De  Jansio  Eninkel  ejusque  libro  qui 

inscribitur    'Fürstenbuch    von   Osterreich  und   Stejrland*    commentatio  historico- 

eritiea.  9 

Zeitschrift  für  die  österr.  Gymnasien  1869,  6.  Heft 

542.  Ernst,  Herzog.  Herausgegeben  von  Karl  Bartsch,  gr.  8.  (CLXXX, 
308  S.)  Wien  1869.  Braumüller.  4  Rthlr. 

Vgl.  Revue  critique  1869,  Nr.  40  (G.  Paris);  Gott.  Gel.  Anz.  1870,  Nr.  31 
(Liebrecht);  Heidelb.  Jahrb.  1870,  S.  163-65  (Martin);  AUgem.  Zeitung  Nr.  149; 
Magazin  von  Lehmann  Nr.  17;  Presse  1869,  Nr.  278. 

543.  Freidank.  —  Grion,  Justus,  Freidanks  grabmal  in  Treviso. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  172—177. 

Gedichte. 

544.  Gedicht,  ein,  aus  dem  14.  Jahrhundert.  Von  Graf  v.  Oeynhauseii. 
IMätter  zur  näheren  Kunde  Westfalens  7.  Band,  1869. 

545.  L am  bei,  Johann,  Ein  Pasquill  des  15.  Jahrhunderts. 
Germania  14,  26. 

546.  Zingerle,  I.  V.,  Eine  alte  bearbeitung  der  bürgschaft. 
Zeitschrift  tur  deutsche  philologie  2,  185—187. 

547.  Zingerle,  I.  V. ,  Zwei  Travestien.    1.  Der  pater  noster.    2.  Das 

avö  Maria. 

Germania  14,  405—408. 

Oeistliche  Prosa. 

548.  Eytenbenz,  Bruchstücke  altdeutscher  Gebete. 

Schriften  des  Vereins  für  Geschichte  des  Bodensees  1.  Heft.  Lindau  1869. 

549.  Oratio  aurea.  Diz  ist  von  dem  guldime  almusen.  Von  K.  M. 
Zeitschrift  für  deutsches  alterthum  14,  556. 

Gottfried  von  Straßbnrg. 

550.  Gottfrieds  von  Straßburg  Tristan.    Herausgeg.  von  Reinhold 

Buchstein.  2  Theile.  8.  (XLVII,  328  u.  366  S.)  Leipzig  1869.  Brockhaus.  2  Rthlr. 
Classiker,   deutsche,   des  Mittelalters.    7.  8.  Band.    Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869, 
Nr.  13;  Blätter  f.  Ut.  Unterh.  Nr.  31;  1870,  Nr.  26. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT,  499 

551.  Hagen,  Theodor  v.,  Kritische  Beiträge  zu  Gottfrieds  von  Straßburg 
Tristan»  Inaugural- Dissertation.    8.  (53  S.)  Mühlhausen  1868.    '/a  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  fiir  deutsche  philologie  2,  228;    Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  10. 

552.  Jänicke,  0.,  Setmunt  in  Gotfrieds  Tristan. 
Zeitschrift  ftir  deutsche  philologie  2,  183  —  85. 

553.  Heinzel,  R.,  Gottfrieds  von  Straßburg  Tristan  und  seine  quelle. 
Zeitschrift  für  deutsches  alterthum   14,  272-447.     Vgl.  Menzels  Literaturblatt 

1869,  S.  193—199. 

554.  Gottfried  von  Straßburg. 
Ergäuzungsblätter  zur  Kenntniss  der  Gegenwart  3,  203. 

Hartmann  von  Aue. 

655.  Hartmann  von  Aue,  herausgegeben  von  F.  Bech.   3.  Theil.  Iwein. 

8.   (XVir,  304  S.)  Leipzig  1869.  Brockhaus.  1  Rthlr. 

Deutsche  Classiker  des  Mittelalters  6.  Band.  Vgl.  Blätter  f.  liter.  Unterh.  1869, 
Nr.  31;  Allgem.  Lit.  Zeitung  Nr.  47. 

556.  Höfer,  A.,  Zu  Gregorius  V.  910 — 916.  Weiteres  zum  Gregorius. 
Germania  14,  420-427. 

557.  Bartsch,  Karl,  Zu  Hartmanns  Gregor. 
Germania  14,  239—243.  427-431. 

558.  Lippold,  Friedrich,  Über  die  Quelle  des  Gregorius  Hartmanns  von 

Aue.  Dissertation,  gr.  8.  (64  S.)  Leipzig  1869.  Fritzsche.    %  Rtblr. 
Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  46;  Germania  16.  Band. 

559.  Rauchf  Chr.,  Die  wälsche,  französische  und  deutsche  Bearbeitung 
der  Iweinsage.  8.  (36  S  )  GÖttinger  Dissertation.  Berlin  1869.  Adolf.   8  Ngr. 

560.  Heinrich  von  Breslau.  —  Rückert,  H.,  Der  .Minnesinger  Heinrich 

von  Breslau. 

Anhang  von:  Sehlesische  Füretenbilder  des  Mittelalters,  herausgegeben  von  Dr. 
H.  Luchs  (Breslau  1869)  9.  Heft  Vgl  Gott.  Gel.  Anz.  1869,  Nr.  49;  Liter.  Central- 
blatt  Nr.  30. 

561.  Heinrich  von  Pfolspeunt.   —    Muffat,   Heinrieh  von  Pfolspeunt 

(nicht  Pfolsprunt),  Bruder  dos  deutschen  Ordens.  Ein  medizinischer  Schriftsteller 

des  15.  Jahrb.,  aus  Bayern  gebürtig. 

Sitzungsberichte  der  Milnchener  Akademie  1869, 1.  4.  Vgl.  schon  Germania  9,  112. 

Heldenbach. 

562.  Jänicke,  0.,  Zum  deustchen  heldenbuch. 
Zeitschrift  für  deutsches  alterthum  14,  447  fg. 

563.  Zupitza,  J. ,  Verbesserungen  zu  den  dracbenkämpfen.  8.  (32  S.) 
Oppeln  1869.  Reisewitz.   8  Ngr. 

HabllitatioRssehrift.  Vgl.  Germania  lö,  249—251  (Bartseh). 

564.  Herbort  von  Fritslar.  —  Benoit  de  Sainte-More  et  le  roman  deTroie 
ou  les  metamorphoses  d'Hom^re  et  de  Tdpopde  greco-latine  au  moyen-äge.  Par 
A.  Joly,  Prof.  k  la  facultd  des  lettres  de  Caen.  4.  (446  S.)  Paris  1869.  Franck. 
6  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1870,  Nr.  12;  Revue  eritique  Nr.  16.  Die  französische 
Quelle  Herborts, 

565.  Johann  von  Soest,  ein  altdeutscher  Dichter.  Von  Friedr.  Wilh.  Grimm. 
Monatsrosen  1869,  Nr.  12. 

566.  Kaiserchronik.  —  Lexer,  M.,  Bruchstücke  der  Kaiserchrouik. 
Zeitschrift  für  deutsches  alterthum  14,  603  -  525. 

33* 


500  BIBLIOGRAPfflSCHE  ÜBERSICHT. 

Mariendicht  nngen . 

567.  Liber  de  infantia  Mariae  et  Christi  salvatoris  ex  cod.  Stuttgartensi 
descripsit  et  emendavit  0.  Schade,  gr.  4.  (45  S.)  Halis  1869.  Buchh.  d.  Waisen- 
hauses.  %  Rthlr. 

Quelle  der  altdeutschen  Marienleben.  Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  45 ;  Reusch, 
theol.  Literaturbl.  Nr,  24;  Hauck,  Jahresbericht  V,  2. 

568.  Das  Melker  Marienlied,  aus  Franz  Pfeiffers  Nachlass  in  photogra- 
phischer Nachbildung  herausgegeben  und  eingeleitet  von  Jos.  Strobl.  gr.  4.  (8  S.) 

Wien  1869.  Braumüller,  l*/«  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  für  die  österr.  Gymnasien  1870,  Nr.  2.  3  (Scherer) ;  Allgem.  Zei- 
tung 1869,  Nr.  346, 

569.  Neidhart.  —  Richter,  Dr.  Otto,  Neidhart  von  Reuenthal,  als 
Hauptvertreter  der  höfischen  Dorfpoesie. 

Neues  Lausitz.  Magazin  45.  Band,  2,  Heft. 

Nibelungenlied. 

570.  Das  Nibelungenlied.  Herausgegeben  von  Karl  Bartsch,  2.  Auflage. 

8.  (XXVII,  420  S.)  Leipzig  1869.  Brockhaus.  1  Rthlr. 
Deutsche  Classiker  des  Mittelalters  3.  Band. 

571.  Hocker»  N.,  Karl  Simrocks  Nibelungenlied, 
niustr.  Zeitung  1869,  Nr.  1349. 

572.  Martin,  £.,  Mittelhochdeutsche  Grammatik  nebst  Wörterbuch  zu  der 
Nibelunge  Not  und  zu  den  Gedichten  Walthers  von  der  Vogel  weide.  Für  den  Schul- 
unterricht ausgearbeitet.  4.  verb.  Auflage.  8.  (98  S.)  Berlin  1869.  Weidmann. 
8  Ngr. 

573.  Briefwechsel    über  das   Nibelungenlied  von  C.   Lachmann   und 

Wilh.  Grimm. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  193—215. 

574.  Müller,  Wilh.,  Über  Lachmanns  Kritik  der  Sage  von  den  Nibelungen. 
Germania  14,  257—269. 

575.  Sonnenberg,  Ferd.,  Schicksale  des  Nibelungenliedes. 
Westennanns  Monatshefte  Nr.  152,  S.  205,  Mai  1869. 

576.  Jordan,  Wilh.,  Nibelunge.  Siegfriedsage.  2  Theile.  2.  Aufl.  gr.  16. 
(256  u.  260  S.)  Frankfurt  a.  M.    1869.  Selbstverlag.  2  Rthlr. 

577.  Röpe,  Dr.  G.  R.,  Die  moderne  Nibelungendichtung.  Mit  besonderer 
Rücksicht  auf  Geibel,  Hebbel  und  Jordan.  8.  (XV,  224  S.)  Hamburg  1869. 
Meißner.  24  Ngr. 

578.  Röpe,  G.  R«,  Über  die  epische  Neudichtung  der  Nibelungensage  in 
W.  Jordans  'Nibelunge*.  4.  Hamburg  1869. 

579.  Eeinmar  von  Zweier. 

Ergänztmgsblätter  z.  Kenntn.  d.  Gegenwart  3,  401. 

580.  Bothe.  —  Witzschel,  Dr.  Aug.,  Über  das  Leben  der  h.  Elisabet 

von  Johannes  Rothe.  8.  (60  S.)  Jena  1869.  Frommann. 

Abdruck  aus  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  thüring.  Geschichte  und  Alterthums- 
künde  VII,  359-412. 

581.  Rabin.   —  Der  Minnesänger  Rubin. 
Ergänzungsblätter  zur  Kenntniss  der  Gegenwart  3,  403. 

582.  Rudolf  von  Ems.  —  Bäß  1er,  Ferd.,  Heldengeschichten  des  Mittel- 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  601 

alters.  Ihren  Sängern  nacherzählt.   Neue  Folge.  1.  Heft.  gr.  16.  Berlin  1869. 

Decker.   V,  Rthlr. 

Inhalt:  Der  gute  Gerhart.  2.  Auflage.  (90  S.) 

Schauspiel.  ^ 

583.  Das  große  Thüringer  Mysterium. 
Europa  1870,  Nr.  19,  S.  681-690. 

584.  Weihnachtsspiel,  ein,  aus  einer  Handschrift  des  15.  Jahrhunderts 
unter  Benutzung  einer  Abschrift  derselben  von  Yilmar  und  mit  dessen  Anmerkun- 
gen zum  erstenmale  herausgegeben  von  Dir.  Dr.  K.  W.  Piderit.    8.    (V,   57  S.) 

Parchim  1869.  Wehdemann.  12  Ngr. 

Vgl.  Rausch,  theol.  Literaturbl.  1869,  Nr.  21;  Hauck,  Jahresbericht  V,  2. 

585.  Weihnachtspiel,  ein  altes,  nach  meiner  Hs.  aus  dem  Nachlasse  des 
Prof.  Vilmar  ins  Nhd.  übertragen  von  Dr.  A.  Freybe. 

Zeitschrift  für  die  historische  Theologie  1869,  4.  Heft;  in  Separatabdruck  Par- 
chim, Wehdemann.  Vgl.  Allg.  Lit.  Anzeiger  IV,  6. 

586.  Camesina,  A.  Ritter  v..  Das  Passionsspiel  bei  St.  Stephan  in  Wien. 
Berichte  und  Mittheilüngen  des  Alterthums-Vereines  in  Wien,  10.  Band.  3.  Heft. 

Aus  der  Wiener  Hs.  8227. 

587.  Pichle r,  Dr.  F.,  Unser  Frauen  Klag. 

Mittheilungen  des  historischen  Vereins  für  Steiermark;  17.  Heft.  Gratz  1869. 

588.  Spervogel.  —  Gradl,  Heinrich,  Lieder  und  Sprüche  der  beiden 

Meister  Spervogel.    Mit  Einleitung,  Textkritik  und  Übersetzung  herausgegeben. 

Mit  Subvention  der  k.  k.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien.  8.  (VII,  7 1  S.) 

Prag  1869.  Calve. 

A,  u.  d.  T.:  Zur  Literatur  des  Egerlandes.  1.  Band.  Vgl.  Germania  14,  237—245 
(Strobl);  Liter.  CentralbL  1870,  Nr.  16. 

589.  Suso.  —  Volkmann,  Dr.  Wilh.,  Der  Mystiker  Heinrich  Suso.  8. 
(63  S.)  Programm  des  Gymnasiums  in  Duisburg  1869. 

Titurel. 

590.  Weinhold,  K.,  Bruchstücke  des  jüngeren  Titurel. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2«  80—108. 

591.  Wieser,  F.,  Bruchstücke  aus  einer  Hs.  des  jüngeren  Titurel. 
Ebenda  2,  109—113. 

592.  Tangdalus.  —  Visio  Tnugdali.  Herausgegeben  von  Dr.  0.  Schade. 

gr.  4.  (IV,  26  S.)  Halle  1869.  Waisenhausbuchh.  in  Comm.   V,  RtWr. 

Vgl.  Liter.  CentralbL  1869,  Nr,  46;  Revue  critique  1870,  Nr.  30.  Quelle  der 
deutschen  Dichtungen. 

593.  Walther  von  Sllingen.  —  Pupikofer,  J.  A.^  Geschichte  der  Frei- 

herm  von  Klingen  zu  Altenklingen,  Rlingenau  und  zu  Hohenklingen. 
Thurgauische  Beiträge  zur  vaterl.  Geschichte,  10.  Heft. 

Walther  von  der  Togelweide« 

594.  Walther  von  der  ^ogelweide,  herausgegeben  und  erklärt  von 

W.  Wilmanns.  8.  (X,  402  S.)  Halle  1869.  Buchh.  des  Waisenh.   \%  Rthlr. 

A.  u.  d.  T. :  Germanistische  Handbibliothek  herausgegeb.  von  JuL  Zacher.  1.  Band. 
Vgl.  Jahrbücher  f.  Phüol.  u.  Pädag.  1869,  8.  407—420  (K.  Bartsch);  1870,  S.  73-83 
(Hildebrand) ;  Lit.  CentralbL  1869,  Nr.  23;  Presse  Nr.  207;  N.  Preuß.  Zeitung  Nr.  258; 
Allgem.  Lit.  Zeitung  Nr.  46;  Spenersche  Zeitung  Nr.  296;  Revue  critique  1870,  Nr.  3; 
Heidelb.  Jahrb.  1869,  Nr.  68;  Allg.  Lit.  Anz.  V,  3. 


502  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

595.  Walthers  von  der  Vogelweide  Gedichte  übersetzt  von  K.  Sim- 
rock.  4.  Aufl.   16.  (XXXV,  360  S.)  Leipzig  1869.  Hirzel.   IV3  Rthlr. 

Vgl.  Allgem.  Zeitung  1869,  Nr.  316  j    AUgem.  Lit  Zeitung  Nr.  46;    Köhiische 
Zeitung  Nr.  223. 

596.  Höf  er,  A.,  Zur  Erklärung  mhd.  Dichter.  1.  Zu  Walther  46,  30  L. 
Germania  14,  416—417. 

597.  Thurnwald,  A.,  Zur  Spruchdichtung  Walthers  von  der  Vogel wreide. 

4.  (25  S.)  Wien  1869. 

14.  Jahresbericht  der  Wiedner  Kommunal-Oberrealschule  in  Wien. 

698.  Walther  von  der  Vogel  weide  als  Erzieher* 
Leipziger  Blätter  fttr  Pädagogik  3.  Band,  2.  Heft  (1869). 

599.  Einer  vom  Wartburg^Sängerkrieg.  Von  H.  v.  C. 
Die  Gartenlaube  18l39,  Nr,  6, 

600.  Wartburgkrieg,    —    Richter,    Dr.  Otto,    Der  Sängerkrieg  auf 
Wartburg. 

Neues  Lausitz.  Magazin  46.  Band.  Görlitz  1869. 

601.  Wernher.    —    Bruder    Wemher    und   der  Dichter   des  Meier 

Helmbrecht. 

Ergänzungsblätter  z.  Kenntn.  d.  Gegenwart  3,  724. 

602.  Wolfdietrich.    —    Liebrecht,  F.,    Zur  Litteraturgeschichte  des 
Wolfdietrich. 

Germania  14,  226-238;  Archiv  für  Literaturgeschichte  1,  48—67. 

603.  Wolfram  von  Eschenbach.  — ^  Rücker t,  H.,  Fragmente  einer  neuen 

Hs.  von  Wolframs  Willehalm. 
Germania  14,  271  —  276. 

604.  Die  Reihenfolge  der  Dichtungen  Wolframs  von  Eschenbach. 
Ergünzungsblätter  ü.  Kenntn.  d,  Gegenwart  4,  148. 


Zur  Litteratur  des  16.  Jahrhunderts: 

605.  Frank.  —  Hase,  Dr.  C.  A.,  Sebastian  Frank  von  Word  der  Schwarm- 
geist. Ein  Beitrag  zur  Reformationsgeschichte,  gr.  8.  (XV,  300  8.)  Leipzig  1869. 

Breitkopf  u.  PI ärtel.   1*/«  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869    Nr.  37;  Dandiran,  compte  rendu  von  1869;  Europa 
Nr.  10;  N.  evang.  Kirchen-Zeitung  1870,  Nr.  18. 

606.  Ein  Vielgemaßregelter  (Seb.  Frank). 
Europa  1869,  S.  107Ö-1082. 

C07.  Funkhelin.  —  Rochholz,  E.  L.,  Jakob  Funkhelin. 
Germania  14,  412 — 415, 

608.  Luther.  —  Franck,  J.,  Hat  Luther  die  von  Seb.  Franck  übersetzte 

Türkenchronik  bevorwortet  ? 

Anzeig:er  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1869,  Sp.  11 — 16,  42 — 46. 

609.  Röhrich,  W.,  Dr,  Martin  Luther*s  Von  Kauffshandlung  vnd  Wucher* 
V.  J.  1524    8,  (14  S.)  ^ 

Michaelis-Programm  der  Frankfurter  Handelsschule  1869. 

610.  Murner.  —  Vier  Capitel  aus  Murners  Eulenspiegel  von  1515. 
Mittheilungen  aus  dem  Antiquariate  von  S.  Calvary  in  Berlin,  1.  Jahrgang  S.  6—12. 

611.  Sachs.  —  Well  er,  E.,  Hans  Sachs.  Eine  Biographie.  Zusätze. 
Berapeum  1869,  Nr.  6. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  503 

612.  Eltern  und  Geburtshaus  des  Hans  Sachs. 
Korrespondent  von  und  für  Deutschland  1869,  Nr.  67. 

613.  Schauspiel.    —    Deutsche  Dichter  des  16.  Jahrhunderts.   Mit 

Einleitungen  und  Worterklärungen.  Herausgeg.  von  K.  Gödeke  und  J.  Tittmann. 

3.  Band.  8.  (XXVIII,  318  S.)  Leipzig  1868.  Brockhaus.   1  Rthlr. 

Inhalt:  Schauspiele  ans  dem  16.  Jahrhundert.  Herausgeggeb.  von  J.  Tittmann. 
2.  Theil.  Bartolomäus  Krüger.  Jakob  Ayrer.  Vgl.  Heidelb.  Jahrb.  1868 ,  Nr.  60  ; 
Blätter  f.  lit.  Unterh.  1869,  Nr.  17 ;  AUg.  Lit.  Anz.  III,  4. 

614.  SteinhöweL  —  Koch  holz,  E.  L.,  Heinrich  Steinhoewel. 
Germania  14,  411^-412. 

615.  Archiv  für  Geschichte  und  Alteithumskunde  Tirols.  5.  Jahrg.  Inns- 
bruck 1868 — 1869.  Enthält  u.  a.  einen  Abdruck  des  s.  g.  Tiroler  Landreinis, 
einer  gereimten  Beschreibung  von  Tirol  nach  der  Ausgabe  von  1558. 

D.  Altsächsisch. 

616.  Der  Heiland  oder  die  altsächsische  Evangelien-Harmonie.  Über- 
setzung in  Stabreimen  nebst  einem  Anhang  von  Dr.  Chr.  W.  M.  Grein.  2.  durchaus 

neue  Bearbeitung.  8.  (VI,  188  S.)  Cassel  1869.  Krieger.   24  Ngr. 

Vgl.  Blätter  f.  liter.  Unterh.  187),  Nr.  42;  Keusch,  theol.  Literaturblatt  1869, 
Nr.  14;  Allgem.  Lit.  Anz.  IH,  5;  Zeitschr.  f.  luth.  Theol.  1869,  Nr.  2 ;  Ergänzun^s- 
blätter  IV,  3. 

617.  Wackernagely    W. ,    Die   altsächsische    bibeldichtung   und    das 

Wessobrunner  gebet. 

Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  291—309. 

618.  Heyne,  M.,  Über  den  Heiland. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  275-290. 

619.  Vogel,  F.,  Der  Heliand. 
Protestant.  Kirchenzeitung  1869,  Nr.  14. 

620.  Altmüller,  R.,  Der  Heliand. 
Ergänzungsblätter  z.  Eenntn.  d.  Gegenwart  IV,  146. 

E.  Mittelniederdeutsch. 

621.  Zeno  oder  die  Legende  von  den  heiligen  drei  Königen.  Ancelnius, 

vom   Leiden    Christi.    Nach  Handschriften    herausgeg.    von   A.  Lübben.    gr.  8. 

(XXIII,  146  S.)  Bremen  1869.  Kühlmann.   V«  Rthlr. 
Vgl.  Germania  16.  Band  (Schröder). 

622.  Lübben,  A.,  Anseimus  scal  de  Passio  beten. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  469 — 473. 

623.  Vruwenlof.  Van  sunte  Marinen.  Mittelniederdeutsche  Gediihte, 
herausgeg.  von  dV.  C.  Schröder,  gr.  8.  (70  S.)  Erlangen  1869.  Besold.   "/j,  Rthlr. 

Vgl.  Blätter  für  liter.  Unterh.   1870,  Nr.  42. 

624.  Van  deme  holte  des  hilligen  crutzes.  Mittelniederdeutsches  Gedicht 
mit  Einleitung,  Anmerkungen  und  Wörterbuch  herausgeg.  von  Dr.  C.  Schröder. 
gr.  8.  (125  S.)  Ebenda.   %  Rthlr. 

Vgl.  Blätter  f.  lit.  Unterh.  1870,  Ur.  42. 

625.  Schröder,  C,  Zum  Redentiner  Spiel. 
Germania  14,  181—196. 

626.  Schiller,  K.,  Mittelniederdeutsche  Sprachproben.  UL 
Germania  14,  408—411.  Frauennamen. 


504  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

F.  Mittelniederländisch. 

627.  Verwijs,  E.,  De  Caerl  ende  Elegast  aan  een  Fransche  Chanson  de 

Gest  onüeend. 

De  Taal-en  Letterbode  1,  258—260. 

628.  Roman  van  Cassanus  (Fragment)  uitgcgeven  door  Dr.  Eelco  Yerwijs. 

8.  (XXVIII,  94  S.)  Groningen  1869.  Wolters,  f.  1,50. 

A.  IL  d.  T.:  Bibliotheek  van  Mittelnederlandsche  Letterkmide,  Aflev.  2.  Vgl. 
Heidelb.  Jahrb.  1869,  S.  924-926. 

629.  Gedichten,  nederlandsche,  uit  de  veertiende  eeuw  van  Jan  Boendale, 
Hein  van  Aken  en  anderen,  naar  het  Ozfordsch  Handschrift  uitgegeven  door  F.  A. 
SneUaert.  8.  (XCVI,  833  S.)  Brüssel  1869. 

630.  Vloten,  J.  van,  Jacob  van  Oostvoorne  (Bijdrage  tot  toelichting  van 

verschillende  Maerlants-vragen). 

De  Taal-en  Letterbode  I,  83—93. 

631.  Buddingh,    D. ,    De  Dietscher  Jacob  van  Maerlant  en  zijne  zooge- 

noemde  Vlamingschap.  8.  (VH!,  104  S.)  Amhem  1869.  Nijhoff.  f.  1,00. 
1.  Stuk  van  het  Archief  voor  nederlandsche  oudheden. 

632.  Hellwald,  Ferd.  van,  Een  nieuw  Maerlant-Handschriffc. 
De  Taal-en  Letterbode  I,  169—178. 

633.  Derselbe,  Der  zweite  Theil  von  Maerlants  Spieghel  historiael. 
Magazin  für  die  Literatur  des  Auslandes  1869,  Nr.  41. 

634.  Derselbe,  Eine  neue  Maerlant-Handschrift. 
Allgem.  Zeitung  1869,  Nr.  273. 

635.  Oude  nederlandsche  L lederen  door  G.  A.  Tiele. 
Dietsche  Warand«  8,  572—585. 

636.  Zwei  niederländische  lieder  aus  dem  jähre  1593.  Von  W.Leverkus. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  465—469. 

637.  Frommann,    G.  K. ,    Ein  Bruchstück  des  Romans  der  Lorreinen. 

Mit  Bemerkungen  von  J.  Lambel. 
Germania  14,  434—439. 

638.  Sloet,  L.  A.  J.,  Mededeeling  omtrent  een  handschrift  te  Njmegen, 

over  der  Ridder  met  de  Zwaan. 

Verslagen  en  Mededeel.  der  k.  Akad.  ^an  Wetenschappen  12,  253  ff. 

639.  Onuitgegeven   Mittelnederlandsche   V erzen,    door   J.    van  Vloten 

(Haagsche  Hs.  Nr.  721). 

Dietsche  Warande  VÜI,  73-  88.    Vgl.  VH,  370    und    Zeitschrift  für  deutsches 
alterthum  1,  227—262. 

G.  Angelsächsisch. 

640.  Bugge,  S.,  Spredte  iagttagelser  vedkommende  de  oldengelske  digte 

om  Beowulf  og  Waldere. 

Tidskrift  for  Phüologie  og  Pädagogik  8,  40-78. 

641.  Müllen  hoff,  K.,  Die  innere  geschichte  des  Beovulfs. 
Zeitschrift  für  deutsches  alterthum  14,  193  —  244. 

642.  Rieger,  M.,  Der  Seefahrer  als  dialog  hergestellt. 
Zeitschrift  für  deutsche  philologie  1,  334—339. 

643.  Rieger,  M.,  Über  Cynevulf.  IH— V. 
Ebenda  1,  313—334. 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT.  505 

H.  Mittelenglisch. 

644.  A  six  tezt  print  of  Chaucer's  Canterbory  Tales,  in  parallel  Co- 
lumns  from  the  following  Mss.  1.  The  Ellesmere.  2.  The  Hengwrt,  154.  3.  The 
Cambridge  Univ.  libr.  Gg.  4,  27.  4.  The  corpus  Christi  College,  Oxford. 
5.  The  Petworth.  6.  The  Landsdowne  851.  Part  I.  The  prologue  and  knight's 
tale.  8.  London  1869.  Trübner. 

646.  Essays  on  Chaucer  ,  his  words  and  works.  Part  L  1.  Ebert's 
Reriew  of  Sandras's  Etüde  sur  Chaucer,  consid^r^.  comme  imitateur  des  Trouvöres, 
translated  by  J.  W.  van  Rew  Hoets.  2.  A  Thirteenth  Century  latin  treatise  on  the 
Chilindre :  *For  by  my  chilindre  it  is  prime  of  day'  (Shipmannes  Tale).  Edited  by 
E.  Brock^  and  illustrated  by  a  Woodcut.  London  1869.  Trübner. 

646.  Furnivall,  F.  J.,  A  temporary  preface  to  the  Six-Text  edition  of 
Chaucer*s  Canterbury  Tales.  Part  I.  Attempting  to  show  the  true  order  of  the 
Tales,  and  the  Days  and  Stages  of  the  Pilgrimage.  London  1869.  Trübner. 

647.  De  cura  rei  familiaris  etc.  edited  by  J.  R.  Lumby.  8.  London 
1869.  Trübner. 

Vgl.  Athenaeum  1870,  11.  Juni. 

648.  Eger  and  Grime,  an  early English  Roraance.  Edited  from  Bishop 

Percy*s  Folio  manuscript  about  1650  a.  d.  By  J,  W.  Haies  and  F.  J.  Furnivall. 

4.  (64  S.)  London  1869.  Trübner.   10  s.  6  d. 
Nur  in  100  Exemplaren. 

649.  The  minor  poems  of  W.  Lau  der  edited  by  F.  J.  Furnivall.  Lon- 
don 1869.  Trübner. 

Vgl.  Athenaeum  1870,  11.  Juni. 

650.  Lyndsay's,  Sir  David,  Works.  Edited  by  F.  Hall.  Part  IV.  Lon- 
don 1869.  Trübner.  4  s. 

651.  Le  Livre  de  Baiin  le  Sauvage  de  Sir  Thomas  Malory« 
Athenaeum  1869,  11.  December. 

652.  Merlin  or  the  early  history  of  King  Arthur.  A  Prose  romance 
(about  1450 — 60  a.  d.)  edited  from  the  unique  Ms.  in  the  university  Library, 
Cambridge ,  by  H.  B.  Wheatley.  With  an  essay  on  arthurian  localities  by 
J.  S.  St.  Glennie.  Part  III.  London  1869.  Trübner.   12  s. 

Vgl.  Revue  Celtique  1870,  Nr.  1;  und  oben  Nr.  266. 

653.  Ratis  raving  and  other  moral  and  religious  pieces  in  prose  and 
Verses.  Edited  by  J.  R.  Lumby.  London  1869. 

Vgl.  Athenaeum  1870,  11.  Juni. 

I.  Altnordisch. 
Eunen. 

654.  Bu gge,  S.,  Bidrag  til  tydning  af  de  »Idste  runeindskrifter.  IIL 
Tidskrift  for  Philologi  og  Paedagogik  8,  163—204. 

655.  Gfslason,    K.,     De   aeldste  Runeindskrifters  sproglige  Stilling.    L 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1869,  S.  35—148. 

656.  Stephens,  George,  The  runic  hall  in  the  danish  old-northern  Mu- 
seum at  Copenhagen.  Imp.  8.  London.   Smith.  2  s.  6  d. 

Vgl.  BibUogr.  1868,  Nr.  632. 

657.  Stephens,  G.,  Brogäardstenen  paa  Bomholm. 
IllustTf^rot  Tidende  10,  301. 


506  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

658.  Derselbe,  Rune-Dören  fra  Island. 
Ebenda  10,  326—326. 

Edda. 

659.  Den  acldre  Edda  par  Dansk  ved  F.  W.  Hörn.  8.  (272  S.)  Köben- 
harn  1869. 

660.  Bugge,    Sophus,    Efterslaet   til   min   udgave   af  Ssemondar-Edda. 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1869,  S.  243—276. 

661.  Ettmüller,    L.,    Beiträge  zur  Kritik  der  Edda-Lieder«    1.  Loka- 

senna.  2.  Gr6ugaldr  und  Fiölsvinnsmäl. 
Germania  14,  305—323. 

Skalden. 

662.  Maurer,  K.,  Die  Skida-rima.  4.  (70  S.)  München   1869.  Franz  in 
Commission.   24  Ngr. 

Aus  den  Abhandlungen  der  Münchener  Akademie. 

663.  Jensen,  R.,  Ljömur,  et  fseröisk  gudeligt  kvad. 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1869,  S.  311—338. 


664.  Ettmüller,  Prof.  Dr.  Ludw. ,  Altnordischer  Sagenschatz  in  neun 
Büchern.  Übersetzt  und  erläutert,  gr.  8.  (VHI,  488  S.)  Leipzig  1870.  Fleischer. 
2^/3  Rthlr. 

Vgl.  Presse  1869,  Nr.  319. 

665.  Are*s  Isländerbuch.  Im  isländischen  Text  mit  deutscher  Über- 
setzung, Namen-  und  VVörterverzeichniss  und  einer  Karte.  Zur  Begrüßung  der 
Germanisten  in  Kiel  herausgeg.  von  Prof.  Dr.  Theod.  Möbius.  gr.  8.  (XXIII, 
88  S.)  Leipzig  1869.  Teubner.    1  Rthlr. 

Vgl.  Germania  16,  4.  Heft;  Zeitschrift  für  deutsche  philologie  2,  220 ;  Academy 
1870,  Nr.  6. 

666.  (Frissbök)  Codex  Frisianus.  En  Sämling  af  Norske  Konge-Sagaer 
udgiven  efter  offentl.  Foranstaltning  ved  C.  R.  Unger.  2.  (S.  193 — 384.) 
Christiania  1869. 

667.  Gretis  Saga-    The   story    of  Grettir   the   streng,    translated  by 

W.  Morris  and  Eiriker  Magnusson.  London  1869. 
Vgl.  Athenaeum  1869,    13.  November. 

668.  Norges  Konge-Sagaer  fra  de  seldste  Tider  indtil  an  den  Halv- 
deel  af  det  13de  Aarhuridrede  efter  Christi  Födsel,  forfattede  af  Snorre 
Sturlassön,  Sturla  Thordssön  o.  fl.  og  oversatte  af  P.  A.  Munch.  2.  Bindet 
udg.  og  fortsat  af  0.  Rygh.    1.  Heft.  Christiania  1869. 

669.  Konunga-Boken  eller  Sagor  om  Ynglingarne  och  Norges  konungar 
intill  är  1177  af  Snorre  Sturleson.  Ofverstitt  och  förklarad  af  Hans  Olof  Hildebrand 
Uildebrand.  2—5.  Heft.  (S.  49—240).  Örebro  1869—70. 

670.  Konunga  sögur   eller  Sagaer   om  Sverre    og    bans  Efterfölgere 

udgivne  af  C.  R.  Unger.   1.  Heft.  (S.  1  —  160).  Christiania  1870. 

Det  nordiske  Oldskriftselskabs  Samlinger  XIII.  Fortsetzung  der  Heimskringla 
von  Unger:  Bibliogr.  1868,  Nr.  646. 

671.  Laxdselasagaog  Gunnars  jsattr  jjidrandabana.  8.  (XIV,  284  S.) 
Akreyri  1867. 

(Herausgegeben  von  Jon  Thori  elisson). 


BIBLIOGRAPmSCfiE  ÜBERSICHT.  507 

672.  Mariusaga,  adgir.  af  C.  R.  Unger.  3.  Heft.  8.  (S.  625—864). 
Christiatiia  1870. 

673.  Döring,   B. ,   Die  quellen  der  Niflungasaga  in  der  darstellnng  der 

Thidrekssaga  und  der  von  dieser  abhängigen  fassungen. 

Zeitschrift  för  deutsche  philologie  2,  1—79.  Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  46. 

674.  Kölbing,  Eugen,  Die  nordische  Parzivalsaga  und  ihre  Quelle. 
Germania  14,  129-181.  Vgl.  Liter.  Centralbl  1869,  Nr.  47. 

675.  Thomas  saga  erkibyskups.  Fortselling  om  Thomas  Becket  Erke- 
biskop  af  Canterbury.  To  Bearbeidelser  samt  Fragmenter  af  an  tredie.  Efter 
gamle  Haandskrifter  udgiven  af  C.  R.  Unger.  8.  (XII,  562  S.)  Christiania  1869. 

676.  Sundby,  Thor ,  Brunetto  Latinos  Levnet  og  Skrifter.  EÖben- 
havn  1869. 

Enthält  im  Anhang:  Philippi  Gualteri  morallum  do^ma.  Albertani  Brixiensis  Ars 
loquendi  et  tacendi.  Versio  islandica  c.  XXVI.  moralium  dogmatis.  Vgl.  Rerue  critique 
1870,  Nr.  27. 

677.  Diplomatarium  Norregicum.  Oldbreve  til  kundskab  om  Norges 
indre  og  ydre  Forholt,  Sprog,  Slaegter,  Saeder,  Lovgivning  og  Rettergang 
i  Middelalderen.  YII,  2.  Christiania  1869. 

E.   Altschwedisch. 

678.  Svenska  Medeltidens  Rimkröniker.  5— 7.  haftet.  48.  49.  51.  Heft 
der  Samlingar  af  Svenska  Fomskrift-Sällskapet.  Stockholm  1867—68. 

679.  Gudeliga  Snilles  Wäckare  (Horologium  aetemae  sapientiae)  af  Hen- 
rik Snso.  1.  Haftet.  50.  Heft  der  samlingar.  Stockholm  1868. 

680.  Svenska  Fomskrift - Sällskapets  Allmänna  Ars  möte  J868 — 1869. 

Stockholm  1868—1869. 

Enthält  ein  Fragment  des  Werkes  'Um  Stjrilse  Konunga  ok  Höfdinga*;  und 
Timmermäns  Spra  af  ar  1454. 

L.  Mittellateinische  Poesie. 

681.  Dümmler^  E.^  Zur  Würdigung  des  Benzo. 
Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  9.  Band,  2.  Heft. 

682.  Tournier,  E.^  Notes  critiques  sur  Collüthus. 

Biblioth^que  de  T^cole  des  hautes  ^tudes,  fasc.  3.   Vgl.  Philol.  Anzeiger  II,  4, 

683.  Röpke,  Rud. ,  Ottonische  Studien  zur  deutschen  Geschichte  im 
10.  Jahrhundert.  IL  Hrotsuit  von  Gandersheim.  Zur  Litteraturgesehichte  des 
10.  Jahrhunderts,  gr.  8.  (XV,  314  S.)  Berlin  1869.  Mittler.   iV«  Rthlr. 

684.  Köpke,  Rud.,  Die  älteste  deutsche  Dichterin.  Kulturgeschichtliches 

Bild  aus  dem  10.  Jahrhundert.  8.  (lU^  127  S.)  Berlin  1869.  Mittler.    V,  Bthlr. 

Vgl.  (über  beide  Bücher)  Germania  15,  106  (Bartsch);  Liter.  Centralbl.  1869, 
Nr.  26;  Revue  critique  Nr.  21;  Liter.  Handweiser  Nr.  79;  Gott.  Gel.  Anz.  Nr.  21; 
Lehmanns  Magazin  Nr.  24 ;  Allg.  Lit.  Anz.  IV,  2 ;  Hassel,  Zeitschrift  Nr.  10 ;  Reusch, 
theol.  Literaturbl.  Nr.  23;  Spenersche  Zeitung  Nr.  80;  I^resse  Nr.  172;  National-Zoi- 
tung  Nr.  313;  N.  Preuß.  Zeitung  Nr.  169;  Unsere  Zeit  Nr.  13;  Europa  Nr.  30;  Köln. 
Zeitung  Nr.  188;  Münch.  Propyläen  Nr.  41;  Edelweiß  Nr.  5;  Blätter  f.  liter.  Unterh. 
1870,  Nr.  9;  Presse  Nr.  89. 

685.  Justus,  Th.,  Roswitha. 
Sonntagsblatt  von  Fr.  Duncker  1869,  Nr.  11. 


508  BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT. 

686.  Waitz,  G.,  Über  das  Verhältniss  von  Hrotsvits  Gesta  Oddonis  zu 

Widukind. 

Forschxmgen  zur  deutschen  Geschichte  9.  Band,  2.  Heft. 

687.  Munck,  Eduard,  Zur  Roswithafrage. 
Magazin  fÜi  die  Literatur  des  Auslandes  1869,  Nr.  10. 

688.  Loeper,  H.  v.,  Hymnen  des  Mittelalters.  Frei  nach  dem  Lateini- 
schen.  16.  (IV,  80  S.)  Berlin  1869.  Adolf.    %  Rthlr. 

689.  Mut  her,  Th.,  Der  Occultus  Erfordiensis  und  seine  Bedeutung  für 

die  Geschichte  der  Jurisprudenz  in  Deutschland. 

Glasers  Jahrbücher  für  Gesellschafts-  und  Staatsnwissenschafteu  12.  Bd.,  1.  Heft. 

690.  Zu  dem  Aufsatze  über  den  Occultus  Erfordiensis. 
Ebenda  12.  Band,  5.  Heft. 

691.  Sedulii  Scotti  Carmina  XI.    Ex  codice  Bruxellensi  edidit  Erne- 

stus  Dümmler.  gr.  4.  (36  S.)  Halle  1869.  Buchh.  d.  Waisenh.    y^  Bthlr. 
Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  26;  Heidelb.  Jahrb.  Nr.  24. 

692.  König,  Prof.,  Über  Walafrid  Strabo. 

Freiburger  Diöcesanarchiv.  Organ  des  kirchl.  histor.  Vereins  der  Erzdiöcese 
Freiburg  2.  Band. 

693.  Grimm,  Hermann,  Das  Reiterstandbild  des  Theodorich  zu  Aachen 
und  das  Gedicht  des  Walafrid  Strabua  darauf,  gr.  8.  (VI,  93  S.)  Berlin  1869. 
Dümmler.   Ve  Rthb-. 

694.  Walther  von  Aquitanien.  Heldengedicht  in  zwölf  Gesängen 
mit  Erläuterungen  und  Beiträgen  zur  Heldensage  und  Mythologie  von  Franz 
Linnig.  gr.  16.  (XVI,  144  S.)  Paderborn  1869.  Schöningh.    Vg  Rthlr. 

Vgl.  Menzels  LiteraturbL  1869,  Nr.  ö7;  Allg.  Lit.  Zeitung  Nr.  39;  Hist.  polit. 
Blätter  66,  147—151. 

695.  Peiper,  Richard,  Walther  von  Chatillon.  4.  (16  S.)  Breslau  1869. 
Programm  des  Magdalenen-Gymnasiums.  Vgl.  Revue  critique  1870,  Nr.  8 ;  Liter. 

Centralbl.  1870,  Nr.  28;  Phüol.  Anzeiger  11.  12. 

696.  Jaffd,  Ph.,  Die  Cambridger  lieder. 

Zeitschrift  fiir  deutsches  alterthum  4,  449—495.  Mit  Nachtrag  S.  560.  Auch  in 
besonderem  Abdruck.  Berlin  1869  (2  Bl.  48  S.)  Vgl.  Liter.  Centralbl.  1869,  Nr.  25. 

697.  Dümmler,  E.,  Gedichte  aus  Ivrea. 
Ebenda  14,  245—265. 

698.  Weiland,  Ludw.,  Zur  thierfabel. 
Ebenda  14,  496—498. 

699.  Grosse,  E.,  Zu  den  Versus  Scoti  cuiusdam  de  alphabeto. 
Rheinisches  Museum  fOr  Philologie  NF.  24.  Bd.  4.  Heft. 

700.  Wattenbach,  W.,  Ein  Blatt  aus  der  Bibliothek  des  Klosters  Laach. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1869,  Sp.  39—42. 

701.  Wattenbach^  W.,  Der  deutsche  Michel. 
Ebenda  Sp.  164—166. 

702.  Curtze,  M.;  Bemerkung  zu  dem  Aufsätze  'Geistliche  Scherze  des 

Mittelalters  III'. 

Ebenda  Sp.  9  fg.   Vgl.  BibUogr.  1868,  Nr.  665. 

703.  Ein  altes  Gedicht  auf  den  Mainzer  Erzbischof  Luitbert« 
Der  Katholik,  November  1869. 


REGISTER 

ZUM  DREIZEHNTEN  BIS  FÜNFZEHNTEN  JAHRGANG 


A. 

aar  14,  263« 

Accasati'y  durch  Nominativ 
ersetzt  14,  120. 

acht,  ein  Stttcker,  14,  209. 

Achvart  14,  249« 

Adjectiva  im  urdentsohen 
14,  386.  15,  402. 

Adverbien  auf  -er  14,  208. 

Aefisaga  14,  114. 

Aesopus  in  niederdeutschen 
Versen  13,  469. 

affalter  14,  252.  253. 

agrarische    Bräuche    der 
Schweiz  13,  210. 

Akrostichon  15,  157. 

Albanuslegende  14,  300. 

alemannischer  Dialect  14| 
120. 

Älfrics  angelsftchs.  Gram- 
matik ,  Bruchstttck  15, 
359.  Grammatik,  Glossar 
und  Golloquium  14,  122. 

allein  14,  253. 

alma  13,  81. 

alteloB  14,  251. 

Alterthümer,  germanische, 
im  Be6vulf  13,  129.  heid- 
nisch  -  germanische  15, 
119. 

Althochdeutsche  Beichten 
13,  385.  Evangelienüber- 
setzung 14,  440.  Glossen 
ans  Münchener  Hand- 
schriften 15,  346. 

Altniederdeutsche  Denkmä- 
ler 13,  105.  Eigennamen 
13,  105. 

Altsächsische  Glossen  13, 
478. 

altvüe  15,  417. 


Amicns  ok  Aemiliussaga  14, 
129. 

anke  14,  252. 

Annolied ,  Quellen  dessel- 
ben, 14,  74. 

Apokrypha,  isländische  13, 
59.  Nachtrag  dazu  1 3, 284. 

Ari  Thorgilsson  und  sein 
Isländerbnch  15,  291. 

Armanns  saga  13,  63. 

Aschenputtel  14, 91. 15, 184. 

au-  in  Zusammensetzungen 

14,  249. 
audieb  14,  249. 
auschelm  14,  249. 
auvogel  14,  249. 

Ave  Maria,  travestiert,  14, 
407. 

B. 

Baiems  Ortnamen  14,  123. 
Baierisches  Wörterbuch  14, 

114.  247. 
Balder  14,  258. 
baudazl  14,  251. 
bauxl  14,  251. 
Beichten,  althochdeutsche, 

13,  385. 
beide  14,  83. 
Benecke,  G.  Fr«,  Briefe  von 

ihm,  13,  118. 
Benennung  nach  der  Mutter 

15,  83. 

Beövulf ,  Alterthümer  im, 
13,  129. 

Berg])ors  stattita  13,  62. 

Bericht  über  die  Bitzungen 
der  germanistischen  Sec- 
tion  der  XXVI.  Versamm- 
lung deutscher  Philologen 
u.  Schulmänner  za  Würe- 


GSBHANU.  N«ut  Btihe  JH.  (XY.)  Jahrg. 


bürg  14,  118.  XXVn.  zu 
Kiel  15,  109. 

Bevussaga  14,  129.  130. 

Bibliographische  Übersicht 
der  Erscheinungen  auf 
dem  Gebiete  der  germa- 
nischen Philologie  im  J. 
1867.  13,  321.  1868.  14, 
467.  1869.  15,  463. 

Bildwerke,  nordische,  15, 
121. 

btna  13,  81. 

binnen  und  seine  Steigerun- 
gen 15,  67. 

Blanschandin,  mhd.  Gedicht, 
Bruchstücke,  14,  68. 

Blutrache  13,  154. 

boek  van  den  heute,  Bruch- 
stück daraus,  15,  360. 

Botenbrod  14,  128. 

Bragodürum  13,  113. 

Brandanus  15,  99. 

Bräuche ,  agrarische ,  der 
Schweiz  13,  210. 

brav  15,  72. 

Briefsteller  von  1492  ,  13, 
207. 

Bronzeschwerter,  die  kurzen 
Griffe  derselben  13,  289. 

Brot  in  der  Schweizer  Volks- 
sprache und  Sitte  14 
117. 

Brotnamen  15,  79. 

Buchstaben  als  Tonzeichen 
14,  443. 

Bündth-Ertznei,  Buch  von 
der;  chirurgisches  Werk, 
14,  116. 

Buschmann  ,    Arnold  ,    13, 

'XM.X» 

hüten  und  seine  Steigerun- 
gen 15,  67. 

34 


510 


REGISTER  ZUM  Xm.--XV.  JAHRGANG, 


C  I.  aoch  E. 

Cäsarias    von   Heisterbach 

15,  322. 
Celebrant,  der  Fisch,    13, 

399. 
Chronik,  die  Zimmerische, 

14,  385. 
Codex  Sinaiticus  des  Neuen 

Testamentes  13,  37. 
Conjunctiv  präteiiti   rück- 
umlautender     Zeitwörter 

15,  129v 
cfede  infch  15',  80. 
Crestien  de  Troies  ,    conte 

del  graal  U,  140. 


er  bei  unbestimmten  Zah- 
lenangaben 13,  202.  14, 
209. 

Erdmännchen  14,  403. 

Erikr  Vidfordi,  saga,  14, 130. 

Erlösung,  Bruchstücke  einer 
Handschrift  derselben,  15, 
357. 

estrich  und  seine  Formen 
1%  2t2.'       * 

EtzcA,   ßpmoih  Vön^KSnig, 
14,  243. 
«  j,  E^lenßptegper  lü^,  IJÖV        .• 

Evangelienubersetzungi  alt- ' 
hochdeutsche,  14,  440. 

-eze,  Wortformen  auf,  14, 
431. 


D. 

.    •  -'.      .?-^f  \ :  ■.  ■■'' 

Dänische  SpdbQh^i-.ln  W^^ 

••.112w''-  Oi'-.-l-i-,...  V.  f^' 
]>^ikiKii^e]?  V-  altokderdäut- 

»ßh«>, -ijS)  lOö-^,;^  (-.i. 

Dje«t«ch^o<Gtättkmatifc    14, 
:j380;  16,2*5..-'  .7 
Diemeti' Jo$;b|>h)  l^eibeb.  Und 
.  .ßcjmft»ürl5f  46*'^.;-^ 
Dietmar  von  Eist  15^  110. 
Dietrich  von  Börta  .15,  400; 
DsüetF^S-'  Dtaehonkämpfa; 
Verbesserung^ön,«^  15v  249. 
PJAÜrioh^tfai^.rz^,  £4^482. 
dik,.döki^l4^'lS4.     '. 
diser  15,  im  ,   :  .  . 

d(>ttft'a3v  ßi- 

DrAiiheiiikänipfe ,  Yetbesse- 
rungen' 16,  .249*  -  • 

dringen  1S,.'23&. 

ebenlang  14,  2ß3.      • 
Bckhartj  Me^u^r^.  ^  »ekicm 

Leben  i4,  373.    Giadicht 

^uf  l^  lö,  97.  ' 
Edda,  ält^r©^  4.3,  257, 
E4d^e4e?y  2ur  ^tik  d^r, 
^  14,  ^5.   . 
Eigennamen,  altniederd^ut- 

sehe,  1.3t,- 1.QÖ.  (. 
elb«  14  8t3. 

Elemente,   Nameiji,  14,3^0. 
..15,.^3^T;  .■  ^    ■" 

Ejds^ga  14>  13a 
Elsaß,  Sprache,  \&^  419; 
Qiner^  .  13,  91.  ,<■  t  ■ 
endig  14,  205. 
engelpo^;.  1^:  m 
er,  Adverbien  ^ijif,  ;J^4,,2;(^8. 


4 


Gregorius  auf  dem  Steine, 

Legende,  15,  284. 
Grimm,  Jacob,  Briefe  von, 

13,  244.  365. 
Grimm,  Wilhelm,  Briefe  von, 

13,  487. 
Gröugaldr,  zur  Kritik,  14, 

314.  316. 
grüßen,  Sitte  desselben,  14, 

126. 
Gunnarslagur  13,  72.  284. 
gürtel  14,  197. 


>  « 


f. .  1 


g5be«)ten  1^,  4il7*.; 

9«!DKQbtr  «WUf  Mj^ifrt^If   ]BQk- 

;'h*rt[l|r,  ^7.    •  ..     ••      :   • 

Gef||s«j€  ,.(i?a»eöi^   J4  >  3$4. 

15,  .899,;. ;   j    r  i   <  -'     ■ .  / 

G«6DlgfJQ^ftfl5  inj  ß^^yuJI  1^, 

geheien  15,  79.    ,:     .   ,s 
Gerstensau  .tß,<  21il,. 
Gerundiup»  %6^^^S^jyj^ 
Gesammtal>e^^\MBr)'BU  Njt* 

Gesta  Romano  nun  l^vV  8^* 

15,  104. 
Gewerbe ,     S^aßennamen 

nach,  14^  ^1.  15,  261. 
Gijur  Jjocwald^ftQn  14, 114.- 
(Jlpasep  j  .  atthpchLdeutsche, 

15,    346.     ält^l^ohsi^Qhe 

13,  478.     -        .      ' 
göt  13,  82. 

Gothisches  hy  ,  nnc^  th    14». 
,  222.    Medium   13,    17^. 

Wörterbuch  13/  116. 
Gott,  Namen,  J4»  ^52.   16, 

39^.  •  ..  ^. 
GottesurtheiU  15,  224» 
Qpt^lpe^.r  y^on    .Str*i^burg,i 

zum    Leben ,    16  f    i^Ö7. 

322, 
Gottheit,  Ausdrücke  im  ^^6- 

yüÄf,,13,  l^a.      . 

.  U,  32p.-  .  ..-: 

Gr4«fe  16x  1.    ■■.'...' 
Qr^mm^ii  4eö«ti^be,  J4, 


f     .  "•      ! . 


'     I 


Habergeiß ,    Habersau    13, 

211. 
Hacken,    Herr    und  Frau 

15,  411.      ^ 
haffen  13,  160. 
hakel,  hachel  16,'412J    - 
B^iSelia»&)rsfl{ga>^mla  la,  76. 
Hand,  sicb^in;  dU  H«  aohnei- 

«■dtBn^l4,-:'24Ä:"'   •.'..• 
Handschriflek]^'  alttdeujkache, 
L  id  HKariiutaAt' 15^v203. 
Handschjtften,yärzöicbnÜ3«e 
^i?an.Müoebiea  ukmI  Wibit 
15,  382...    r  ,  }   :   I  ■?.   • 
Hflilaldr  H^i£si#ri  14,^  27. 
Hartmann, 'i^ob  Aue^iGrej^o- 
rius  ihid  siüXi^  Quell«,  13, 
188.  GoJBatiott  der  V^ttksa- 
nischen  Säandsdirift  des- 
selben 14,.  289i  iMtT&xi^ 
kliük  ;i&]ld  £iddäning'  14, 
,4  420;421/427;.  HärtmanaB 

Ereuzlied  15,  411. 
Haii«tiiarkän  15,.  117. 
HseusiTlith«  i^^aiMn,  14^  854. 
vl6^'ft99i 
hbbb^  i4y  18ß. 
Heimskringla.ld^  44B. 
Heinrich  VI,   Rsis^ ,    ab 

Minnesäng£ir  16y  424. 
Heinrich  der;Löwe  14,  890. 
Heimdch  von  Mogeltn  13, 
;   ,,104.  S12;'  -  . 

Heinrich  von  Morungeü  16, 
;  118.  375. 
Hdiirieh   von    Neuenatadt, 

Aiwülbniiiä  U,'  94. 
Heistich',  vorn    Ffiodspnmfdt 

14,  ll»i 
Hebtt  d^  K«llner  14,  26^ 
hded'lS^  82.  . 
Helbling,  Seifried)  15,  4S6. 
^Ideidied^  der  FäHng^r 

14,  97.  '    • 

Heldensag«  14^  2201  - 


REGISTER  ZUM  XIIL-XV.  JAHRGANG. 


511 


Heliattd,  Abfasvum^zeit  XS, 
111.  Qa^Uen  13,.  Ul.  U^ 
122.  123. 
Helmbrecht,  ^um  1^,  357, 
Heaber,   Hwric^,   Bruch-. 

Johannis  16,  203, 
Heiden  16,  173, 
Hieb  als  Rechtssymbol  1,3, 

401. 
Wen  16,  79.      f 
Hildebrand  16,  100. 
Hildebrap^slaed  16^-  17. 
Himmd,  Namjen«  14»  362. 

16,  398. 
Hifnmelfi^M«riA§  1^,369. 
Hjälimu*s  9aga  13^  61*. 
Hoffinami  yo)x>  FallerBleben 

14,  380.       .' 
homsoheit  13,  160.  15,  78, 
Hrotsvith  ^6,  106.  1j94. 
Huldar  sag«  13,  7^. 
Hutabnehmen ,    Si(i)e  bei^i 

6rüi^Q  14,1  l^^t 
hv  im  Gothisohen  14 ,  222. 

I;  J. 

JesTW  tmd^^emQJUQgie  Braut , 

16,  3ee. 

in-,  intensiv  16,  61. 
indogermanische  Spraeh- 

schicht  14,  339. 
intensives  ii^  16,  &1« 
intematlenale    Yeihältuisse 

im  Beövulf  13,  153. 
Jönss^a  Bvipdagssopar  14, 

130. 
Isidors  Tractaf  de  natiyüate 

domim,  Bruchstücke  [d^r 

ahd.  Übersetzung  14,  66. 
Isländische  Apolorypha  13, 
,  69.  284.  Rechjtsbüoher  16, 

1.  Velksballaden  14,  97. 
Italienische  Liederpoesie  15, 

876.  .      ,  . 

Jüdische  Namen  im  Üittel- 

aiter  14,  127. 
Jüdisch-deutsche  Litteratur  j 

14,  128. 
jukfao  13, .  106. 
jukruoda  1<3,  106. 
Ivcntsaaga  14,  12ö:*l3Ö. 

K  (C).' 

calda  13,  81. 
can»  13,,  8Ä.  / 
Kippenzipfel  iß,  9^.  .  .t 

Clarenna  13,  114.  ' 


Claru?^ag^    key^^i^ftrsonar 

14,  130..  .      , 
Kleidung  14,  349,  360.   16, 

396. 
K^pger,  Fx.  JM.,.  15,  123.  .  . 
Königthum  in^.ßecSywlf  13, 

Konrad  von  Heimesfurt,  y er- 
iaa»er  ;  d^  ljrstea»de  16, 
167.  •    . 

Konradssaga  keysararsonar 
14,  130.        / . 

Komsau  13,  m. 

Körpertheils,  Benennungen 
14,  346.  15,  393. 

Kosenamen,  ftsiesische  13, 
392.  ostfriesisöhe  13,  301. 

Krdmhipe .  saiga ,  13y  68^         .  ( 

Kudrunsage,  Fortleben  deor- 
ä«lbeii,>  14,  323L  827.         [ 

KürenbBi:ger,  ob  Verfasser 
dos  Nibelungenliedes?  18, 
241.'     ■:    .'•—-•     .    ' 

LadhmiinDyKiu'l,  Btiefevoi^ ' 

13,  489. 
Lapplifaftdisehe  Mäfcbect  15,1 
,     161.   '     '!•-■,•...••-  •>! 
Laßberg ,    J. '  FrenU    vöii, 

Briefe  a»  fltn ;    13^  lld.  • 

244.  366.  487.  4H9.  496. 

603.     ■       .'  . 

Legieode  vom  hell.  AlbftAus  ' 

14  ,  300.     von  Orfegorims 

-amf  detnSteincdd,  ^84 
Le^athAn  amÄiigel  13, 168. 
lida  13,  82. 
likketupp^  14,  153. 
Lökasenna,  zur  -Kritik!,  14, 

306. 
Lorreinen,  RomMi  "^on  den : 

Bruchstück   einer  Haäd- 

sehrift,  14^  434v     •     . 
Lustnau,'  £e  l'oittefn  von, 

13,  161. 


>     •   T 


M. 


7 


Märchen,  lftp|>läBidia«he  16, 
161.  vlftmische  144 1 84» 

Marien  Himmelfahrt ,  nie- 
derdeutsches^^edicht,  16, 
369. 

Medich),;zu2  OesehiQhAe  dto- 

Medium  im  Gothisohen  13, 
Meistergesang ,    zur  Ge- 


> 


schichte    desselben    16 , 

197. 
M/(|isterVed  U,i  318. 
Mßlusiua  16„  102.  . 
.M9|iscii|   Namei^,,  14»  343. 

16,  392. 
Jme-  ma-  musc)p|^ken  16, 80. 
metod  13,  129.' 
Metrik.  V    Aür   «It&oehdedrt«' • 

Bchen^  14,  42i  .  > 

Meüiflebaok,  K^H^O.,  Briefe 

von,  13,  603,-   .'  ' 
mik,  ^uek'  14,  184i     • 
Minerafai«m«it  14,  349;   16, 

396.  ... 

Mirmantssaga  14,  129. 130. 
m£8  13,  82.  .::        ' 

mittelbinnendeuiscblSvBdOi  > 
mittdlm^derd^'Spiaci^röben 

•14,  408;  .'!*      ,  •  •' 

Mond,  •  M&cfcen  '  voni,    14, 

86.  '    '     ■■ 

moneke,  NaiM,<14. '^16.' 

Mötulssaga  14,  130. 
Mutter ,    Benennuti^   <Dftob 
deir,  16^83;     :    ' 

m 

.Naehtsegen.'«,  ami^Wii)öi»ri 

;    tM4r,'iavOa99.  . 

Nagel  im.Hufeiien,  ^rttch 
,'vibmf  .16y  106.-  . 

Niduling  114,1  MS.  Ifi,  3M. 

näkeci'.  u^ev  lÄ^  78i 

natei^aeleil  .16;  78;> 

!N»meDL-iiat  Vöriiameiibiieh*  ■ 
Stäben  verbunden  16,. 88. 

Natnftenbildnng.  tmd'  Namen-  i 
deutung  14,  216. 

NddhaiSdfSiiaeineALiedehi,  ' 
16,  431;:    . 

Nibdun^ohlicid ,  \.  znsr  ,Ge*  ^ 
schichte  Und-'K^tik^  13, 
216..  SAiL  »46.  .:  Bbnok* 
stdckeNP13, 194.  Häiid- 
schiift  b  13,196,  Strophis  ' 
628.14^  197.  Strophe  IfiSO* 
14,  .19!9»..     .  ! 

Nibehingttisiaige  <,    Ladt-*  v 

,    mannd )  Kritik  derstlbea, 

:    14,  267;..-  ! 

Nibelunge^iüfttoplie  14)  128. 

mod^cdAntoBher  ^eite»p  :  13, : 
469.  .    ' . 

niederländische  Mn;#irkun*  < 
gen>'l'6y4ii9.  .'i.A.r\  ^  '  j.  ^  j 

liiederrheinische  SpMldietl6, 
419. 

34* 


512 


REGISTER  ZUM  XIII.— XV.  JAHRGANG. 


Nominativ  statt  AccusatiT 
14,  120. 

nön  13,  83. 

Notkerische  Rhetorik ,  die 
Verse  darin  14,40.  Hand- 
schrift derselben,  14,  47. 


Oddmns  Klage  18,  267. 

Odelsgüter,  Einziehung  der- 
selben durch  Harald  hAr- 
fagri  14,  27. 

oder  bei  unbestimmten  Zah- 
lenangaben 18,  202. 

Offenbarung    Johannis 
8.  Hesler. 

olsig  14,  250. 

Ordinalia,  Formen  super- 
lativisch gebildet,  15, 419. 

Ortsnamen ,  alemannische, 
13, 118.  bairi8chel4,123. 

osnt  14,  250. 

osterwolf  15,  82. 

ost&iesische  Kosenamen  18, 
301. 

6ta  18,  88. 

Otfrieds  Syntax  14,  883. 


Participinm  prSsentis  15,53 
Partikeln    im  urdeutschen 

14,  370.  15,  407. 
Parzivalsaga,  die  nordische, 

und  ihre  Quelle  14,  129. 

Nachtrag  dazu  16,  89. 
Pasquill  des  15.  Jhd.  14,  26. 
Passionsspiel,  Zuckmantier, 

13,  486. 
Paternoster,  travestiert,  14, 

405. 

Paul  von  Caesarea  15, 288. 

PaulU,  W.  Ad.,   15,  127. 

Peter,  der  gescheidte,  Mär- 
chen, 14,  88.  • 

Peterchen  imd  Häuschen, 
Märchen,  14,  89. 

Pfälzer  Beichte  13,  388. 

Pfeiffer ,  Franz ,  Lebens- 
skizze und  Schriften  13, 
252.  Nachruf  13,  250. 
Gedächtnissfeier  15,  252. 

Pflanzennamen,  urdentsche, 

14,  348.  15,  394. 
Philipp  der  Schöne  von  Spa- 
nien 14,  94. 

ponta  13,  83. 
präpositionale  Adverbien 
14,  208. 


Präpositionen,  zur  Verstär- 
kung dienend,  15,  65. 

Präteritum  conjunctivi  rück- 
umlautender    Zeitwörter 

15,  129. 

Pronomina,  urdeutsche,  14, 

359.  15,  403. 
proquellis ,  in  —  leben ,  14, 

214. 
provenzalische    Litteratur 

16,  112. 

a. 

quinon,  quiron  18,  88. 

B. 

Rechtsbücher,  isländische 
15,  1. 

Rechtsgeschichte,  zur ,  13, 
208.  209.  zur  norwegi- 
schen 14,  27. 

Rechtssymbolik  13,  401. 

Redentiner  Spiel,  zum,  14, 
181. 

Reduplication,  deutsche,  14, 
224. 

Reineke  de  Vos,  zur  Er- 
klärung und  Kritik,  13, 
127.  160.  14,  216. 

relativer  Gebrauch  von  und 

13,  91. 

r6r6f,  r^röven  15,  76. 
Rhetorik,   die  notkerische, 

14,  40.  47. 
Riesenmärchen ,   lappländi- 
sche, 15,  174.  176.  181. 
184. 

Roggensau  13,  211. 

rorot  13,  84. 

Roman  der  Lorreinen, 
Bruchstück  einer  Hs., 
14,  434. 

Roth,  Franz,  Leben  und 
Schriften  15,  108. 

Rückumlaut  15,  50,  schwa- 
cher Zeitwörter  15;,  129. 

Rudolf  der  Schreiber  15, 435. 

Runen,  westfälische,  13, 77. 

Runennamen  13,  80. 

Rimensteine  15,  116. 

s. 

Sachsenspiegel  15,  417. 
Sage,  Rechtssymbole  in  ihr, 

13,  401. 

Sagen,  drei,  aus  dem  14.  Jhd. 

14,  275.  Sagennachweise 


14,  387.  von  der  Weiber- 
treue  13,  311. 

Sagenzüge  14,243.246.269. 

Sahsendorf,  der  von,  15, 251. 

saizlSp  14,  224. 

Salomon  und  Marcolf  15,101. 

Sängerstand  bei  den  Ger- 
manen 15,  27. 

Schauspiel  im  16.  Jhd.  14, 
413.  geistliches  Schau- 
spiel im  Mittelalter  13, 
486.  14,  181.  384.  15, 
376. 

Schlauraffenland  15,  101. 

Schmeller,  J.  A.,  Briefe  von, 
13,  496. 

Schnach  Regilräu  15 ,  201. 

Schwabenstreich  13,  76. 

Schwedische  Legende  von 
Gregorius  15,  284. 

Schweiz,  agrarische  Bräu- 
che, 13,  210.  Sagen  13, 
311.  Volkssprache  und 
Sitte  14,  117. 

Segensprüche  13,  178. 

Seggen  14,  186. 

Semmelnamen  15,  79. 

Siebenschläfer  15,  101. 

Siegfried  14,  258. 

Siegfriedssage  in  nordischen 
Bildwerken  15,  121. 

sisso  13,  84. 

Sitte  des  Hutabnehmens  14, 
125. 

skaudaraip  15,  69. 

slavogermanische  Sprach - 
Schicht  15,  388. 

Snorri  Sturluson  15,  449. 

sd  vrö  als,  15,  76. 

Spanische  Gregoriuslegende 

15,  286. 

Spervogel,  die  beiden,  15, 
237. 

SpiralS,  113. 

Spitz-  u.  Spottnamen  15,  86. 

Sprachbewusstsein    und 
Sprachgefühl  15,  117. 

Sprache,  deutsche,  zur  Ge- 
schichte derselben  13,480. 

Sprachinseln,  deutsche,  in 
Südtirol,  15,  125. 

Sprachschatz ,  der  urdeut- 
sche, 14,  337.  15,  385. 

Sprichwörter  15, 102.  Samm- 
lung von  Tunnidus  15, 
195. 

Spruch  vom  Nagel  im  Huf- 
eisen 15,  105. 

Stände  im  Beövulf  13,  142. 

Steigerung  von  binnen  und 


REGISTER  ZUM  XIH.— XV.  JAHRGANG. 


513 


bdten  15,  67.  von  Ordi- 
nalzahlen 15,  419« 

Steinhöwel ,  Heinricli ,  14, 
411. 

Straßennamen  nach  Gewer- 
ben 14,  1.  15.  261. 

Substantiva  aus  Participien 
gebildet  15,  54. 

Saperlativbildung  von  Ordi- 
nalien  15,  419. 

Süßkind  von  Trimberg  14, 
127.  128. 

swommen,  swummen  14, 211. 
372. 


Tanliäuger  15,  99.  100. 

Tänze  14,  25'5. 

Tatians  Evangelienharmo- 
nie 14,  122.  123. 

Tegem  in  Ortsnamen  14, 
124. 

Teil  als  Zauberschütze  13, 
39. 

Teufehiamen  14,  192.  15, 
416. 

th  gothisch,  14,  222. 

Thiermärchen  15,  162. 

Thiemamen  14,  216.  340. 

Thomas  a  Kempis  15,  365. 

Tirol ,  südliches  ,  deutsche 
Sprachinseln,  15,  125. 

Tischchen  deck  dich  14,  84. 

Titurel  s.  Wolfram. 

Titurel,  der  jüngere,  13,  1. 

Tod ,  Vorstellungen  vom, 
13,141.  als  Jäger  13, 104. 

Todten,  die,  von  Lustnau 
13,  161. 

Ton  ,  der  unbekannte ,  15, 
197. 

Tonzeichen  14,  443. 

Travestien,  mittelhochdeut- 
sche, 14,  405. 

Tristansage  14,  246. 

Tundalus  15,  99. 

Tunnicius,  Antonius,  Sprich- 
wörtersammlung:  älteste 
Ausgabe  15,  195. 

u. 

üeben  14,  253. 

üblich,  A.  G.,  15,  128, 

Ulfila,  Vulfila  13,  37.  Turi- 
ner Blätter  seiner  Bibel- 
übersetzung 13,  271. 

Ulrich  von  Singenberg  15, 
435. 


ultem  14,  253. 

un-  14,  201. 

und  in  relativemGebrauche 

13,  91. 
unende  14,  205. 
unerkannter  Ton  15,  197. 
uugebatten,  die,  14,  201. 
ungesühte  14,  201. 
unsselde  13,  318. 

unsich  im  Niederdeutschen 

15,  73. 
nrdeutscher    Sprachschatz 

14,  337.  15,  385. 
Urstende,  der  Dichter  der, 

15,  157. 

US  und  uns  14,  185. 

V(F). 

V  im  Altnordischen  abge- 
fallen 14,  305. 

ValversJ)attr  14,  129.  130. 
178.  16,  89. 

fander  15,  416. 

fanner  15,  416. 

Färinger,  Lieder  derselben, 
14,  97. 

faueta  13,  81. 

uegon  13,  85. 

Venusberg  16,  101. 

Verba  im  urdeutschen  14, 
361.  15,  404. 

Vergleiche  bei  mittelhoch- 
deutschen Dichtem  13, 
294. 

verhiget  15,  78, 

Verkleinerung  in  Namen  13, 
304. 

Verstärkung     besonders 
durch  Präpositionen    15, 
65. 

FiölsvinnsmS.1 ,  zur  Kritik, 
14,  314.  320. 

Fischarts  Bienenkorb  14, 
126. 

Fischer    und    seine    Frau, 

14,  91. 

VlSmische  Märchen  und 
Volkslieder  14,  84. 

Fleeres  14,  85. 

Floventssaga  14,  130. 

Vocalschwächung  im  Mittel- 
binnendeutschen 15,  380. 

Vocalspiel ,    zu    Walthers, 

15,  434. 

Volko  von  Alzei  14,  220. 
Volksballaden  der  Färinger 

14,  97. 
Volksbücher,  deutsche,  15, 

99.  1 


Volkslieder,  deutsche,  14, 
328.  Gottscheewer  14, 333. 
historische  15,  384.    vlä- 
mische  14,  84. 

Volkstänze  im  Mittolalter 
14,  255. 

Volz  14,  220. 

vorhien  15,  78.  79. 

Fortunatus  15,  100. 

Fragen,  drei,  14,  269. 

Franken,  Herkunft  der,  16, 
101. 

Frauennamen,  mittelnieder- 
deutsche, 14,  408. 

Freidank  13,  320. 

Friedensbündnisse  13,  154» 

Friedrich  von  Schwaben, 
Gedicht :  Handschrift  des- 
selben 15,  366. 

friesische  Kosenamen  13, 
392. 

Fuldaer  Beichte  13,  385. 

fankeldune  14,  192. 

Funkelin,  Jacob,  14,  412. 


Waflfen,  Namen,  14,  858. 
15,  398. 

Walther  von  der  Vogel- 
weide, zur  Erklärung  sei- 
ner Lieder  14,  201.  416. 
Emendationen  15,  445. 
448.  Vocalspiel  15,  434. 

Weibertreue,  Sagen  von  ihr, 

13,  311. 
Weihnachtspiel  15,  376, 
wende:    zuo    den    wenden 

14,  199. 
westfälische  Runen  13,  77. 
Wieland  14,  289. 
Wielandssage  14,  283. 
Willehalm  s.  Wolfram. 
Winkel,  L.  A.  te,    Leben 

und  Wirken  16,  107. 

Wohnung  im  urdeutschen 
14,  349.  360.  16,  396. 

Wolf  im  Getreide  13,  211. 

Wolfdietrich,  zur  Litteratnr- 
geschichte  14,  226.  15, 
192. 

Wolfram  von  Eschenbach, 
zwei  neue  Bruchstücke 
seines  Titurel  13, 1.  Bruch- 
stück einer  neuen  Hand- 
schrift des  Willehalm  14, 
271.  zum  Willehalm  16, 
94. 

Wundsegen  13,  184. 


514 


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watendes  Heer  14^  401. 

X. 

X  fttr  U  nificljen   13,  t70. 
14,  816. 


TT  13,  86. 


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Zahlenang^abeil',    unbe- 
stiinmte,  13, 202.  14,  20^. 

Zahlwörter,  urdentsche,  \iy' 
369,  16,  403. 


Zähiischip!ei^e]!{ ,  Segea  ge- 

.gen,  13,17$.    . 
Zdnöbds  13,  2R' 
Zanberacbnss  13,  39. 
ZaviAbpoxn,  de,  Volkslied, 

14,  9^. 
ZeltaasdrQcke,  utdentsche, 

14,  362.  15,  398. 
Zimm'eiische    Chronik    14, 

386. 


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