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Full text of "Germanistische Abhandlungen"

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C^37f 



• f , 



Johannes Rothes Passion 

heraasgegeben 
von 

Alfred H einri ch 



Germanisttsche AbbandiimgeD 

begründet 
von 

Karl ^A/^einhold 

heraasgegeben 
von 

Frieclficli Vogt 



26. Heft 



Johannes Rothes Passion 

Mit einer Einleitung und einem Anhange 



heransgegeben 



von 



Alfred Heinrich 



Breslau 

Verlag von M. & H. Marcus 
1906 



Johannes Rothes Passion 



Mit einer Einleitung und einem Anhange 



herausgegeben 



von 



Alfred Heinrich 



Breslau 
Verlag von M. & H. Marcus 

1906 



i^. 



Meiner lieben Schwägerin 

Martha 



151715 



Inhaltsübeisiclit 



Seite 
I. Einleitung 

1. Uebersicht über Rothes Leben und Werke 1 

2. Die Dresdener Handschrift der Passion 

a. Beschreibung der hs., Wasserzeichen 6 

b. Das Verhältnis der Dresdener Handschrift zu dem yerlorenen 

Original 8 

3. Rothes Sprache 

a. Zum Yokalismus 

a. Reime von Vokalen verschiedener Quantität 12 

ß. Die e-Laute 21 

y. Unüaut 24 

h. Brechung 28 

s. Weitere vokalische Erscheinungen 30 

C. Synkope und Apokope 32 

b. Zum Konsonantismus 

a. Zur Lautverschiebung 36 

ß. Sonstige konsonantische Erscheinungen 40 

c. Charakteristische Formen einzelner Wörter und Wortbildungs- 

suffixe 

a. Substantiva 41 

p. Adjektiva 43 

y. Adverbia 44 

8. Verba 46 

d. Zur Formlehre 

et. Zur Deklination ^ . . . . 53 

ß. Zur Konjugation 54 

e. Die Orthographie der Handschrift der Passion und ihr Ver- 

hältnis zu Rothes Schreib- und Sprachgebrauch .... 56 

4. Die Quellen der Passion 59 

a. Zur Pilatussage 60 

b. Die Judassage und die Erzählung von der ersten Münze und 

den 30 silbernen Pfennigen 92 

IL Der Text von Johannes Rothes Passion 100 

in. Anhang 

1. Cod. Heimst. No. 185 der Herzogl. Bibliothek zu Wolfen- 
büttel: Vita Judae traditoris 165 

2. Die Lesarten der hs. E der Vita Pilati gegenüber AB . . . 173 



Berichtigungen 



8. 4 Z. 9 von unten lies: „Literatur** 

„ 6 „ 14 „ oben „ „literarhistorischer" 

„ 7 „ 13 , „ „ „291" Verse 

„ „ „ 19 „ „ „ „1265" statt „298" 

w » » 20 „ „ „ „837" 

„ 54 „ 10 „ „ „ statt „wintrenkere (no. pl.)" „w. (no. sg.)**. 

„ 59 (Tabelle) lies unter Pa 2. Z. von oben: „cz, zc, tz, tcz " 

„ „ ^ ist für „hs" stets „ß" zu lesen. 



L Uebersicht über Rothes Leben und Werke. 

§ 1. Was wir über das Leben des thüringischen Geschichts- 
schreibers und Dichters Johannes ßothe mit Sicherheit fest- 
stellen können, hat dieser selbst in einem Akrostichon in seiner 
„Thüringischen Chronik" niedergelegt, das Pedor Bech in scharf- 
sinniger Weise zuerst erkannt hat (Germania VI, 45—51). Dar- 
nach war 

Johannes Bothe von Crüzceborg 

ein prister unde ein cappellän des bischofis und darnach ein vica- 
rius und etzwannc ein stadschriber zcu Isenache unde darnach 
ein tümeherre unde darzcu ouch schvlmeistir des stiftis unsir 
liebjn frowin kerchin in der vor genantjn stad u. s. w. Unser 
Dichter ist also in „Kreuzburg" (Crüzceborg) geboren (etwa um 1360), 
wurde Geistlicher und war als solcher den grössten Teil seines 
Lebens in Eisenach tätig. Nacheinander war er Stadtschreiber, 
bischöflicher Kaplan, Vicar des Stiftes der „Frauenkirche" und 
erlangte zuletzt die Würde eines „Scholasticus" (Schulmeisters) 
desselben Stifts. Er starb am 5. Md 1434'). — Aus seinen 
zahlreichen poetischen und prosaischen Werken ersehen wir, dass 
er eine für seine Zeit umfassende gelehrte Bildung besessen hat. 
Um unsere Kenntnis des Lebens und der Werke Johannes 
Rothes hat sich hauptsächlich Fedor Bech verdient gemacht (Ger- 
mania V, VI, VII und IX). 

§ 2. Johannes Bothes Werke. 

Ich lasse nun zun^ächst einen üeberblick über die gedruckten 
und ungedruckten Werke des Dichters folgen. 



») Im übrigen verweise ich auf; G.Gp. I, ^90 f. und A.D.B. XXIX, 350f. 
Heinrich, Stadien in Johannes Bothe 1 



— 2 — 

a. Gedruckte. 

1. Der Bitterspiegel. 

Karl Bartsch gab in seinen „Mitteldeutschen Gedichten" 
(Biblioth. des litter. Vereins 53. Stuttgart 1860, 98—211) ein 
Gedicht von 4108 Versen in thüringischem Dialekt und von un- 
bekanntem Verfasser heraus, das er in Bezug auf V. 4101 „der 
Bitter Spiegel" nannte. Bech wies dann nach, dass dieser Bitter- 
spiegel von Johannes Bothe yerfasst worden ist; (Germania VI, 
52flF.). Durch Zusammenstellung der Anfangsbuchstaben (houbit- 
büchstabin) der grösseren Abschnitte erhalt man nämlich das 
Akrostichon: Johannes von Cruzceborg Bothe genant. A. a. 0. 
fügte B. noch wertvolle, den Text der Casseler Hätidschrift be- 
treffende Besserungen hinzu. -^ Das Gedicht ist etwa um 1400 
zu Ehren des Bitterschlages Friedrichs, eines Sohnes des Länd- 
grafen Balthasars von Thüringen, verfasst worden. Eine kritische 
Ausgabe des B.'s näit Benutzung der Forschungen Bechs wäre 
erwünscht. 

2. Von des Bates Zucht. 

Dieses Gedicht wurde zuerst abgedruckt von Aug. Friedr. 
Chrn. Vilmar unter dem Titel: „Von der stete ampten und von 
der fursten ratgeben ein deutsches Lehr- und Spruchgedicht aus 
dem Anfänge des XV. Jahrhunderts" u. s. w. Marburg 1835. 
Auch von diesem Gedicht zeigte Bech (häuptsächlich durch sprach- 
liche Kriterien), dass es dem J. Bothe angehört (Germania VI, 273). 
Er änderte weiter den unmitteldeutschen Titel, den Vilmar seinem 
Abdruck gab, in „von der stede amichtin und von der forstin 
rätgebin." Nach ihm ist das Lehrgedicht noch im 14. Jahrh. 
entstanden. 

Auch von dieser Dichtung Bothes ist eine kritische' Neu- 
ausgabe notwendig: V. benutzte nämlich für seinen Abdruck nur 
die Fuldaer Handschrift (No. 199) von des Bates Zucht; es gibt 
aber auch noch eine Berliner Handschrift (aus dem Jahre 1454)^), 
die nach Bech z. T. bessere Lesarten bietet (Germania VIIi, 354 ff.). 



^) Vgl. Hagens und Büsohings Grundriss 420 f. 



3. ist Johannes Bothe der Dichter eines „Lebens der 
heiligen Elisabeth^, das von Mencken (Scriptores rer. germ. II, 
2033 fiF.) . gedruckt ist. Die Ausgabe von M. genügt den An- 
forderungen der Kritik durchaus nicht mehr; eine Neuausgabe 
fehlt zur Zeit noch. Ueber dieses Werk hat hauptsächlich August 
Witzschel gehandelt (Z. d. V. f. th. 6. u. A. VII, 359—412 und 
493—95). 

4. ist R. der Verfasser einer „Thüringischen Chronik**, 
die mit zu seinen vei'dienstvoUsten Arbeiten gehört, geschrieben 
um 1421. Sie ist herausgegeben worden von B. v. Liliencron. 
(Thüringische Geschichtsquellen HL Jena 1859.) Die ünvoll- 
kommenheiten der Liliencronschcn Ausgabe haben B. Bechstein *), 
F. Bech (Germania V, 22G— 247) und besonders A. Witzschel *) 
im einzelnen dargelegt. Um die Textkritik der Thür. Chr. hat 
sich wieder Witzschel verdient gemacht*). 

5. Nach F. Bech gehören dem Joh. Bothe auch an: „die 
drei Bücher deutscher Stadtrechte", die Fr. OitloflF in der 
Sammlung deutscher . Bechtsquellen (Jena 1836. I, 625 fif. 
„Eisenacliisches Bechtsbueh") veröffentlicht hat; ferner das Bruch- 
stück „von den sieben freien Künsten" (Prosa; gedr. im A. 
f. K. d.^d. V. 1856. Sp. 273 fif. und 303 fif.)«). 

b. üngedmekte. 

. • f 

Von ungedruckten Werken Botlies sind zu erwähnen: 

1. Ein „Lob der Keuschheit". 

2. Eine „Passion'*. 



*) A. Witzschel, Die erste Bearbeitung der düringischen Chronik von 
Joh. Rothe (Germania XVII, J29— 169). Vgl. Z. d. V. f. th. G. u. A. VII, 
483-t485. Ferner A. Witzächel , Zu Joh. Bothes thüringischer Chronik 
(A. f. K. d. d. V. 1874. Sp. 251—254). Reinh. Bechstein, Zu der thüring. 
Chronik des J. R. (Germania IV, 472—482). A. Witzschel, Beiträge zur 
Texteskritik der düringischen Chronik des J. Rothe. Eisenacher Progr. 
1874 u. 75. 

*) Für die historischen Schriften R.'s bereitet Herr Privatdozent Dr. 
August Gebhardt-Erlangen eine kritische Ausgabe vor, wie er die Güte hatte, 
mir Yor einiger Zeit mitzuteilen, 

1* 



— 41 — 

§ 3. Z]i> Botha« »Lobi des EeiL&cliJibeii.'' 

Ifn Jähre I7M gab M. Job. Friedr. Aug. KinderliDg ^Nacb- 
ricbt Ton einem altdeutschen bandschrifUieben Gediebte Jobann 
Botbens oder Bodens von der Eenscbheit^ in Ad^nngs Magazin 
für die dentsehe Sprache (Bd. II, St. 4, S. 108—137): derSehreibar 
der hs., Johannes Bntinck van Segen, sagt in der Vorrede, dass 
Johannes Bothe der Verfasser des Gedichtes ist (Adelg. M., S. IV2): 

„Y doch sal man dencken nicht 

Das ich es selber habe gedieht 

Vnd mir di ere za sagen 

Snnder ein prister der by sinen dagen 

Grosse bncher had gemacht 

Vss dem latin in dntsch ertraclit 

Derglichen ich nach ny gesach 

Vnd had gewönnet zu y^nnach 

Sin name was heire Johannes rode 

Sine sele beuele ich gode.^ n. s. w. 

Zu Anfang seiner Arbeit gibt Hinderung an, der berühmte 
Herr Professer ßebbardi in Lüneburg sei der Besitzer dier Hand- 
schrift nnd durch die Vermittlung seines Freundes, dfes Herrn 
Prof. Conrad Arnold Schmidt in Braunschweig, sei er auf sie 
aufmerksam gemacht worden. E. hatte das betreifende Gedicht 
Bothes nur bruchstückweise bekannt gemacht (a. a. 0.); es schien 
daher ratsam, Ausführlicheres über das umfangreiche und besonders 
in kulturhistorischer Hinsicht interessante Werk mitzuteilen. 

Der erste, der sich wieder mit Bothes „Lob der Keuschheit" 
beschäftigte, war der verdiente Botheforscher Fedor Bech: indiessen 
er suchte vergeblich nach der ehemals Gebhardischen Handschrift 
(vgl. seine diesbez. Anfrage Germania VII, 367). Seit jener Zeit 
ist in der Litteratur über die betreffende hs. nichts bekannt 
geworden. 

Als ich anfing, mich mit Johannes Bothe zu beschälb'gen, 
stellte ich zunächst erneute Nachforschungen nach der von Kinder- 
ling erwähnten Handschrift an. Doch alle meine Anfragen in 
Hannover (wohin der Gebhardische Nachlass nachweislich ge- 
kommen ist), Lüneburg, Braunschweig u. s. w. blieben erfolglos, 
ebenso erhielt ich auf eine Anfrage und Bitte im „Litterarischen 
Centralblatt" keine Nachricht. 



>Für ik AQScbeinffid Tetloren g&gmgem fiandsobrift von 
Bofhes „Lob d«r Keuschrbeit" haben wir aber «inen Ersatz. 
R6bert Priebsch (Deirtsche Handschriften in England. Erlangen 1896. 
I, 97) fuhrt einen Codex CheKenfhamensis an (Phül. 8311. Pap. 
18. Jh. 182 Seiten), der eine von Prof. Schmidt (vgl. o.) im 
Jahre 17&4 gefertigte Abschrift der Gebhardischen Handschrift 
enthält. Das Mannsrkript gehört augenblicklich einem Mr. Fitz 
Roy Fenwick in Cheltenham *). 

Leider war es aber unmöglich; mir eine Abschrift von diesem 
Mannskript — das als Original gilt, so lange wir die ehemals 
Gebliardiscbe lis. nicht wiedergefunden haben — zu verschaffen. 

Zu erwähnen ist weiter, dass die Königliebe Bibliothek zu 
Berlin nnter Ms. germ. i^ No. 186 (Pap. Hs. des 15. Jahrh.'s) 
ein „Lob der Kenschhoit" in Versen besitzt, das auf Bothes Ge- 
dicht zurückgeht. Anf die Berliner hs. hat zuerst Karl Bartsch 
aufmerksam gemacht (Heidelb. Jahrb. 1872, S. 9 — 11) und zwar 
auf eine erneute Anfrage August Witzschels nach der von F. Bech 
schon vorher gesuchten Gebhardischen Handschrift (Z. d. V. f. 
th. G. u. A. Vir, 418). 

Auf meine Bitte wurde mir die betreffende Berliner hs. zur 
Benutzung auf der hiesigen Königl. üniversrtäti^bibliotkefk über- 
lassen, wofür ich d^r Verwaltung der Königlichen Bibliothek zu 
herzlichem Dank verpflichtet bin. 

Leider hat sich aber herausgestellt, dass die Berliner hs. nur 
einen Auszug aus dem grösseren Werke Bothes über die Keusch- 
heit enthält; im ganzen sind es 2201 Verse, während die Kinder- 
lingsche Handschrift etwa ßOOO Verse «mfasst hat (vgl. Adel. 
Magazin H, 4, S. 109). Gerade die för nns interessantesten Ab- 
schnitte fehlen in der Berliner Handschrift: so die Anspielungen 
auf das Leben in den Nonnenklöstern, die Bemerkungen über die 
Trachten, ferner die allegorischen Auslegungen der Wappen 
mehrerer thüringischen Adclsgeschlechter, der Herren von Wolfs- 
kehl, derer von Venir, von Elsterberg und von Henneberg*). 
Ausserdem ist die Berliner hs. in oberdeutschem Dialekt geschrieben. 
Dem Codex Cheltenhamensis gegenüber besitzt sie zwar selbständigen 



^) Herr Prof. Priebsch-London hatte die Freundlichkeit, uns Näheres 
über den Cod. Cheltenham. mitzuteilen. 

«) Vgl. Kinderling, a. a. 0., S. 121 und 130—132. 



~ 6 — 

Wert, da si« nicht aus der Gebliardischen hs. geflosseti ist; 
aber erst wenn uns die leider in England befindliche Abschrift 
des Prof. Schmidt wieder zugänglich ist, kann das Berl. „Lob 
der Keuschheit" kritisch in Betracht kommen ^ 

§4. Kothes „Passion." 
Bei der Aufzählung der Werke unseres Dichters verzeichnet 
Goedeke (Grundr. I, 291) unter No. 5 und 6 getrennt „eine ge- 
reimte Passion (Bech, Germania IX, 172)" und „ein , Gedicht 
über Pilatus (Herschel, A. f. K. d. d. V. Sp. 364 ff. 1864)". 
Aber Bechs und Herschels Angaben beziehen sich auf dieselbe 
Handschrift M. 199 (M. 101 älterer Bezeichnung) der Königlich- 
Oeflfentl. Bibliothek zu Dresden. Die betr. Handschrift ist bisher 
weder abgedruckt noch untersucht worden: sie ist in sprachlicher 
und in litterarhistorischer Hinsicht für die Kenntnis des Joh. Eotlic 
von Wichtigkeit. Ich beabsichtige deshalb, eine Ausgabe und 
Untersuchung dieser Dichtung im folgenden zu geben. Auf meine 
Bitte wurde niir zu diesem Zwecke die Dresdener Handschrift 
auf längere Zeit zur Benutzung auf der hiesigen Universitäts- 
bibliothek überlassen, wofür ich der KönigJ. Bibliothcksverwaltung 
zu Dresden auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank 
ausspreche. 

IL Die Dresdener Handschrift der Passion. 

§5. I) Beschreibung der hs.; Wasserzeichen. 

Die Handschrift M. 199 (M. 101 älterer Bezeichnung) der 
Königl. Oefifentlichen Bibliothek zu Dresden ist eine Papierhand- 
schrift aus dem 15. Jahrh. in Quart; sie ist im Jahre 1824 ^aus 
freyer Hand erkauft*^ worden^). Die hs., die einen modernen Ein- 
band erhalten hat, besteht aus 39 Blättern. Bl. l,a ist neu 
überklebt worden und zeigt an . zwei freigelassenen Stellen die 
Worte „Cronicka aus dem etc." 

Auf Bl. l,b steht zunächst eine prosaische Vorrede, die mit 
den Worten beginnt: 

„Diet nachgeschrebin buchelin [ist] vssgeczogin vss dem 
buche der passion ihü xpi, die er Johann Rothe, vorcziten Sco- 



') Vgl. Schnorr von Carolsfeld, Katalog der HaiidBchriften (ior Königl. 
OeffentlicheD Bibliothek zu Dresden. II, 493. 



lasticus ufi dem Stiflfte zcu Isennache, beschrebin had" n. s. w. ; 
sie füllt Bl l,b und Bl. 2,a aus, ist abgesetzt geschrieben und 
enthält eine kurze Inhaltsangabe der hs. (etwa 60 Zeilen). Die 
Handschrift selbst umfasst 2051 Verse, die von drei mitteldeutschen 
(thüringischen) Schreibern geschrieben sind: die erste Schreiber- 
hand reicht von V. 1 — 747, die zweite von V. 748—1677, die 
dritte von V. 1678— Schluss. Hinsichtlich der Schriftzüge und 
der Orthographie zeigen die Schreiber eine merkliche Verschieden- 
heit von einander. Der mittlere Schreiber kommt dem Gebrauche 
ßothes am nächsten '). Die Tinte des zweiten Schreibers ist blass- 
braun, die der beiden anderen etwas dunkler. 

Inhaltlich zerfällt die hs. in 4 grössere Abschnitte. Der 
1. Abschnitt (bis Bl. 7,b; 292 Verse mit Bleistiftzahlen ver- 
sehen) enthält die Lebensgeschichte des Judas Ischarioth. Der 
folgende Abschnitt (Bl. 7,b— Bl. 9,b; 158 Verse ebenfalls mit 
Bleistiftzahlen versehen) handelt von der ersten Münze und den 
30 silbernen Pfennigen. Dann folgt der dritte und wichtigste 
Abschnitt, der die vollständige Pilatussage bringt (Bl. 10,a — 
Bl. 34,b; 298 Verse; Bleistiftzählung). Den 4. Abschnitt und 
Schluss bildet die Zerstörung Jerusalems (Bl. 34,bff. ; 303 Verse; 
Bleistiftzählung). Diese Erzählung ist breit und uninteressant 
und von geringem Wert. — Bl. 32,b— Bl. 33,a ist versehentlich 
vom Schreiber freigelassen worden. — Auf jeder Seite ist durch 
4 Tintenstriche ein Rechteck abgegrenzt, das die Schriftzüge 
enthält : auf einer Seite stehen im Durchschnitt 30 Verse. — Die 
Blätter der hs. sind verschiedentlich mit Tintenzahlen paginiert 
gewesen; die Zahlen wurden aber später z. T. durchgestrichen 
und verbessert: ich habe deshalb — ebenso wie bei den Versen 
— eine einheitliche Zählung durchgeführt. 

Weder über die Abfassungszeit der Dresdener hs. noch über 
die Schreiber ist irgend etwas in der Handschrift vermerkt. Vorn 
ist ein Blatt eingeklebt, das -^ wahrscheinlich von der Hand 
eines Bibliothekars — u. a. die Worte enthält „Geschrieben nms 
Jahr 1460". Sollte aber diese Angabe viel mehr als eine Ver- 
mutung sein? Jedenfalls bietet die Handschrift keinen Anhalts- 
punkt, um näher zu bestimmen, wann Joh. Rothe sein Gedicht 
über die Passion Christi verfasst hat. 



») Vgl. § 59 f. 



— 8 ~ 

Wasserzeichen. 

Von den 39 Blättern der hs. haben im ganzen 20 ein Wasser- 
zeichen und zwar begegnen vier verschiedene Muster. Be- 
zeichnen wir dieselben mit a), b), c) und d), so haben das Wasser- 
zeichen 

a) die Blätter 3. 5. 13. 27. 28. 35. 36; 

h) „ „ 2. 4. 12. 14. 31. 32. 39; 

c) „ „ 15. 20. 22; 

d) „ „ 17. 19. 24. 

Dre Wasserzeichen a) und b) finden sich, zu einer Figur 
vereinigt, bei Naumann ») auf Tafel IX, und zwar gehören sie 
Handschriften aus dem Jahre 1447 und 1460 (?) an. c), ein 
Teil einer dorischen Säule mit aufgesetzter Krone, und d), ein 
Teil einer dorischen Säule mit Kapital, dagegen sind in den 
WerJien von Naumann, Bodemann*), Kirchner») und Midoux et 
Matten*) nicht verzeichnet. ' 

§ 6. II) Das Verhältnis der Dresdener Handschrift zu 

dem verlorenen Original. 

In der Einleitung der Dresdener hs. der „Passion** ßothes 
sagt der Schreiber: „Diet nachgeschrebin buchelin [ist] vssgeczogin 
vss dem buche der passion Jhesu Christi, die er Johann Rot he, 
vorcziten Scolasticus uflF dem Si^flfte zcu Isenache, beschrebin had" 
u. s. w. Wir haben es also mit einem Auszuge aus einem grösseren 
Werke Rothes über die „Passion** zu tun, der das Original ver- 
treten muss, da das vollständige Werk uns nicht erhalten ist. 
Wie verhält sich nun unsere hs. zu dem verloren gegangenen 
Original? 



*) Catalogus librorum maDUScriptorum qui in bibliotheca scnatoria civi- 
tatis Lipsiensis asscrvantur. Grimae 1838. 

2) Die Inkunabeln der Königl. Bibliothek zu Hannover. Herausgegeben 
von B., Hannover 1866. 

") E. Kirchner, Die Papiere des 14. Jahrh.'s im Stadtarchiv zu Frank- 
furt und deren Wasserzeichen. Frankfurt a. M. 1893. 

*) E. Midoux et A. Matton, Etüde sur les filigranes des papiers 
employes en France aux XlVe et XVe siecles. Accompagnee de 600 dessins 
lithographi^ft. Paris 1868. 



Was zunächst die Orthographie äer Dresdener hs. angeht, so 
weicht sie von der bekannten Botheschen Schreibweise (ürknnde 
und Akrosticha!) erheblich ab. Die orthographischen Eigenheiten 
der Schreiber von M 199 gegenüber der Schreibweise E.'s werden 
noch ipi einzelnen behandelt werden (vgl. §§ 59—61). Im 
übrigen ist aber die Sprache des Originals unangetastet geblieben: 
unrothische Ausdrücke und Reime sind mir nicht begegnet*). 
Wohl aber sind an verschiedenen Stellen der hs. Lücken wahrzu- 
nehmen. Einige Male ist der Reimvers von den Schreibern ver- 
sehentlich ausgelassen worden: so V. 237 (kint:?), V. 508 (vor- 
gingk: *enphing?)*), V. 727 (riebe: *gliche), V. 1452 (ungeferwit:?), 
V. 1958 (gelebin: *ebin). Ausserdem fehlen an folgenden Stellen 
der hs. augenscheinlich einige Verse: nach V. 7*29: 

,,Alsso wart nu konnig herodes 7'25. 

Von pylato wol gewar des, 

Der damede em quam in syn riebe 

Das her eme sine herschaift 

Myt syner bossin geldis krafft (!) 

Vnde den her hilt vor eynen besundirn frunt, 
Den hatte da sin gelt entczunt." 
Nach V. 729 ist etwa zu. ergänzen: „geroubit hatte." — 
Ebenso erfordert der Zusammenhang nach V. 735 eine Einschaltung. 
Von Herodes sagt der Dichter nämlich V. 734 ff.: 
„Das clagete her vnde was eme leyt, 

Das pylatus myt solchir bosheyt (!) 

Pylatus myt S3men wortin gar harte 
Konnige herode alzo antwarte." 
Wegen kleinerer Versehen der Schreiber verweise ich auf den 
Text der hs. Verse, die von den Abschreibern selbständig hinzu- 
gedichtet worden wären, sind uns nicht begegnet. Auffällig da- 
gegen ist folgende Wiederholung, die sich aus einem Versehen 
des Schreibers erklärt. V. 1879 heisst es: 

„Do wart alzo gros der geschtangk. 
Das sy von geroche wurden krangk;" 
und V. 1893: 



*) ^?l« ^^^ Abschnitt III. der vorliegenden Arbeit: über die Sprache 
R.'« und F. Bech, Germania IX, 172t 
«) et V. 59. 



— 10 — 

„Do wart von on alzo grossser geschtaiigk, 
Das sy von geroche wurden krangk/* 

Aber auch grössere Lücken sind in der hs. wahrzunehmen. 
Die Judaslegende bricht mit V. 291 in der Dresdener hs. mit den 
Worten ab: ^JlyhaAcs eyn ende von juda, wy her geborn wart." 
Erzählt ist nur das Leben des Judas bis zu dem Punkte, wo J. 
von Christus zum Schaffner angenommen wird. Dass aber das 
Original die ganze Judassage enthalten hat, ist als sicher anzu- 
nehmen. Was in M. 199 von der Judassage noch fehlt, können 
wir aus R.'s Thüring. Chronik (Kap. 82 „Wie Judas seyn ende 
nam") erschliessen: der Salbenverkauf und die damit zusammen- 
hängende Motivierung des Verrates Christi durch Judas und des 
Judas scliimpfliches Ende. 

Weiter ist anzunehmen, dass ein Werk über die „Passion" 
Christi auch wirklich die Leidensgeschichte des Herrn enthalten 
hat. Auf die Leiden und den Tod Christi wird in der Dresdner 
hs. aber nur mit wenigen Worten Bezug genommen. Nachdem 
der Streit zwischen Herodes und Pilatus geschildert ist, briclit 
der erste Schreiber der hs. mit V. 747 ab. Der zweite Schreiber 
wendet sich mit V. 748 unmittelbar dem Kaiser Tiberius und 
dessen Heilung durch das Schweisstuch der Veronika zu: 

„Tiberius der keiser. 
Ich meyne, das her der derte wer. 
Von der vnseligin judischeit 
Cristus do dy martil leit." 

V. 706 heisst es dann weiter: 

„Dessir keisser, tiberius genant, 
Wart darnach vzseczig alzcuhant, 
Also cristus hatte dy martil geledin 
Noch der aldin kronikin redin." 

Also nur in den beiden Versen 751 und 768 wird die Leidens- 
geschichte Cliristi erwähnt. Allerdings wird auch in der Thüring. 
Chron. die eigentliche „Passion" Christi nur mit wenigen Worten 
beschrieben: In Kap. 73 „Vonn dem keisser" heisst es nämlich 
in Chr: „under des (— Tyberius) hirschaft wart Cristus gemartirt" 
und in Kap. 74 „Von Cristo do her 20 jar alt was bis das her 
starp" wird gesagt: „do starb hervor vnsser sunde an dem crutze 



— 11 — 

linder dem kqnige Herode unde von dem riqhter Pilalo vann rorrethe* 
niss Judas Scarioth seynes jungern**. Dass die Darstellung der 
Leidensgeschichte Christi in: Chr verhältnismässig kurz . ist, 
hindert uns natürlich nicht anzunehmen, dass Kothes Original 
der „Passion" einen ausführlichen Abschnitt über die Verurteilung 
und den Tod Christi enthalten hat. Dieser Abschnitt wäre dann 
am besten zwischen den Versen 747 und 748 der Dresdener hs. 
einzuschalten. Denn dadurch, dass Pilatus den angeklagten 
Christus dem Herodes sendet, werden beide wieder zu Freunden, 
Der allgemeinen Ueberlicferung folgend, erzählt dies auch Ro in 
Chr: Kap. 70 . , . ,jUnde dorumbe sso sante on (Cristum) Pilatus^ 
do die Juden on . toten wolden, dem konige Hcrode, umbe.das 
her vonn Gallilea was, das an Jhcrusalem stosset unde ynn j^eyne 
hirg^ehafft gehorte. Do worden Herodes unde. Pylatus gefrunde; 
die lange zeit gefynde gcwest waren." Nehmen wir an dieser 
Stelle die Einschaltung der Passionsgcschichte an, so sind auch 
die folgenden Kapitel: die Botschaft des Kaisers , Tiberius an 
Pilatus, des Kaisers Heilung durch Veronika u. s. w. an ihrem 
richtigen Platze. Auch äusserlich erklärt sich die Auslassung 
leicht daraus, dass ein neuer Schreiber mit V. 74& der .hs. 
einsetzt. 



III. Rothes Sprache. 

§ 7. Als Vorarbeit zu einer Ausgabe der Passion war eine 
Untersuchung über deren Sprache und ihr Verhältnis zur Sprache 
der übrigen Werke Kothes um so unentbehrlicher, als diese Dich- 
tung uns nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt überliefert ist. 

Folgende Werke des Dichters wurden der sprachlichen 
Untersuchung zu Grunde gelegt: 

1. Der „Ritterspiegel", Ausg. Bartsch (vgl. S. 2); 

2. Des „Rates Zucht", Ausg. Vilmar (vgl. S. 2); 

3. Die „Passion", nach der Handschrift M. 199 der Königl. 
Oeflfcntl. Bibliothek zu Dresden; ' ' 

4. Das „Widmungsgedicht zur Thüringischen Chronik", Ausg. 
Liliencron S. 1—10 (vgl. S. 3); 

5. Das „Leben der heiligen Elisabeth", Ausg.Mencken (vgl.S.3); 
da* aber Menckens Abdruck durchaus nicht den Anforderungen 
der Textkritik genügt^ konnte im folgenden keine Yollständige 



§ 3.. Zui Botli09 »Lob» des EeiiiAohiieii.^ 

Im Jäbre 17S4 gab M. Job. Friede. Aug. Kinderling „Nach- 
riobt von einem altdeutschen bandsohriftlicben Gedichte Jobann 
Sothens oder Bodens von der Keuschheit^ in Ad^alnngs Magazin 
für die deutsche Sprache (Bd. II, St. 4, S. ] 08— 137): der Schreiber 
der hs., Johannes Bntinck van Segen, sagt in der Vorrede, dass 
Johannes Bothe der Verfasser des Gedichtes ist (Adelg. M., S. 112): 

„Y doch sal man dencken nicht 

Das ich es selber habe gedieht 

Vnd mir di ere za sagen 

Sander ein prister der by sinen dagen 

Grosse bnchar bad gemacht 

Vss dem latin in dntsch ertraclit 

Derglichen ich nach ny gesach 

Vnd had gewönnet za y^ennach 

Sin name was heire Johannes rode 

Sine sele beaele ich gode.^ a. s. w. 

Zu Anfang seiner Arbeit gibt Kinderling an, der berühmte 
Herr Professer Gebhardi in Lüneburg sei der Besitzer dfer Hand- 
schrift und durch die Vermittlung seines Freundes, dfes Herrn 
Prof. Conrad Arnold Schmidt in Braunschweig, sei er auf sie 
aufmerksam gemacht worden. K. hatte das betreffende Gedicht 
Bothes nur bruchstückweise bekannt gemacht (a. a. 0.); es schien 
daher ratsam, Ausfuhrlicheres über das umfangreiche und besonders 
in kulturhistorischer Hinsicht interessante Werk mitzuteilen. 

Der erste, der sich wieder mit Bothes „Lob der Keuschheit" 
beschäftigte, war der verdiente Bothcforscher Fedor Bech: indessen 
er suchte vergeblich nach der ehemals Gebhardischen Handschrift 
(vgl. seine diesbez. Anfrage Germania VII, 367). Seit jener Zeit 
ist in der Litteratur über die betreffende hs. nichts bekannt 
geworden. 

Als ich anfing, mich mit Johannes Bothe zu beschäftigen, 
stellte ich zunächst erneute Nachforschungen nach der von Kinder- 
ling erwähnten Handschrift an. Doch alle meine Anfragen in 
Hannover (wohin der Gebhardische Nachlass nachweislich ge- 
kommen ist), Lüneburg, Braunschweig u. s. w. blieben erfolglos, 
ebenso erhielt ich auf eine Anfrage und Bitte im „Litterarischea 
Centralblatt^ keine Nachricht. 



iFür ük anecbeinffid ^etloren gqgfangene fiandsdirift von 
Bofbes „Lob d^r Kensclrbeit" haben wir aber «inen Ersatz. 
Robert Priebsdi (Deirtsche Handschriften in England. Erlangen 1896. 
I, 97) führt einen Codex Chettenfhamensis an (Phöl. 8311. Pap. 
18. Jh. 182 Seiten), der eine von Prof. Schmidt (vgl. o.) im 
Jahre 17814 gefertigte Abschrift der Gebhardischen Handschrift 
enthält. Das Manns*ript gehört augenblicfcKoh einem Mr. Fitz 
Boy Fenwick in Cheltenham *). 

Leider war es aber nnmöglich, mir eine Abschrift von diesem 
Mannskript — das als Original gilt, so lange wir die ehemals 
Gebhardiscb^ hs. niclit wiedergefunden haben — zu verschaffen. 

Zu erwähnen ist weiter, dass die Königliche Bibliothek zu 
Berlin unter Ms. genn. 4® No. 186 (Pap. Hs. des 15. Jahrh.'s) 
ein „Lob der Keuschheit" in Versen besitzt, das auf Bothes Ge- 
dicht zurückgeht. Auf die Berliner hs. hat zuerst Karl Bartsch 
aufmerksam gemacht (^Heidelb. Jahrb. 1872, S. 9 — 11) und zwar 
auf eine erneute Anfrage August Witzschels nach der von F. Bech 
schon vorher gesuchten Gebhardischen Handschrift (Z. d. Y. f. 
th. G. u. A. VII, 418). 

Auf n>eine Bitte wurde mir die betreffende Berliner hs. zur 
Benutzung auf der hiesigen Königl. üniversHätsbibliotbefk über- 
lassen, wofür ich dQr Verwaltung der Königlichen Bibliothek zu 
herzlichem Dank verpflichtet bin. 

Leider hat sich aber herausgestellt, dass die Berliner hs. nur 
einen Auszug aus dem grösseren Werke Bothes über die Keusch- 
heit enthält; im ganzen sind es 2201 Verse, während die Kinder- 
lingsche Handschrift etwa €000 Verse umfasst hat (vgl. Adel. 
Magazin II, 4, S. 109). Gerade die för uns interessantesten Ab- 
schnitte fehlen in der Berliner Handschrift: so die Anspielungen 
auf das Leben in den Nonnenklöstern, die Bemerkungen über die 
Trachten, ferner die allegorischen Auslegungen der Wappen 
mehrerer thüringischen Adclsgeschlechter, der Herren von Wolfs- 
kehl, derer von Vonir, von Elsterberg und von Henneberg*). 
Ausserdem ist die Berliner hs. in oberdeutschem Dialekt geschrieben. 
Dem Codex Cheltenhamensis gegenüber besitzt sie zwar selbständigen 



^) Herr Prof. PriebBoh-London hatte die Freundlichkeit, uns Näheres 
über den Cod. Cheltenham. mitzuteilen. 

*) Vgl. Kinderling, a. a. 0., 8. 121 und 130^132« 



~ 6 -^ 

Wert, da si« nicht aus der Gebliardischen hs. geflossen ist; 
aber erst wenn uns die leider in England befindliche Abschrift 
des Prof. Schmidt wieder zugänglich ist, kann das Berl. „Lob 
der Keuschheit^ kritisch in Betracht kommen ^ 

§4. Kothes „Passion.** 
Bei der Aufzahlung der Werke unseres Dichters verzeichnet 
Goedeke (Grundr. I, 291) unter No. 5 und 6 getrennt „eine ge- 
reimte Passion (Bech, Germania IX, 172)** und „ein .Gedicht 
über Pilatus (Herschel, A. f. K. d. d. V. Sp. 364 ff. 1864)**. 
Aber Bechs und Herschels Angaben beziehen sich auf dieselbe 
Handschrift M. 199 (M. 101 älterer Bezeichnung) der Königlich- 
Oeffentl. Bibliothek zu Dresden. Die betr. Handschrift ist bisher 
weder abgedruckt noch untersucht worden: sie ist in sprachlicher 
und in litterarhistorischer Hinsicht f&r die Kenntnis des Joh. Eotlic 
von Wichtigkeit. Ich beabsichtige deshalb, eine Ausgabe und 
Untersuchung dieser Dichtung im folgenden zu geben. Auf meine 
Bitte wurde uiir zu diesem Zwecke die Dresdener Handschrift 
auf längere Zeit zur Benutzung auf der hiesigen Universitäts- 
bibliothek überlassen, wofür ich der KönigJ. Bibliothcksverwaltung 
zu Dresden auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank 
ausspreche. 

II. Die Dresdener Handschrift der Passion. 

§5. I) Beschreibung der hs.; Wasserzeichen. 

Die Handschrift M. 199 (M. 101 älterer Bezeichnung) der 
Königl. Oeffentlichen Bibliothek zu Dresden ist eine Papierhand- 
schrift aus dem 15. Jahrh. in Quart; sie ist im Jahre 18'J4 ,.aus 
freyer Hand erkauft^ worden ^). Die hs., die einen modernen Ein- 
band erhalten hat, besteht aus 39 Blättern. Bl. l,a ist neu 
überklebt worden und zeigt an zwei freigelassenen Stellen die 
Worte „Cronicka aus dem etc." 

Auf Bl. l,b steht zunächst eine prosaische Vorrede, die mit 
den Worten beginnt: 

„Diet nachgeschrebin buchelin [ist] vssgeczogin vss dem 
buche der passion ihü xpi, die er Johann Eothe, vorcziten Sco- 



') Vgl. Schnorr von Carolsfeld, Katalog der Hapäschriften (}or KÖnigl. 
Oeffentlichen Bibliothek zu Dresden. II, 498. 



lasticus uft dem Stiflfte zcu Iserwiache, beschrebin had" u. s. w.; 
sie füllt Bl l,b und BI. 2,a aus, ist abgesetzt geschrieben und 
enthält eine kurze Inhaltsangabe der lis. (etwa 60 Zeilen). Die 
Handschrift selbst umfasst 2051 Verse, die von drei mitteldeutschen 
(thüringischen) Schreibern geschrieben sind: die erste Schreiber- 
hand reicht von V. 1 — 747, die zweite von V. 748— 1677, die 
dritte von V. 1678— Schluss. Hinsichtlich der Schriftzüge und 
der Orthographie zeigen die Schreiber eine merkliche Verschieden- 
heit von einander. Der mittlere Schreiber kommt dem Gebrauche 
Rothes am nächsten *). Die Tinte des zweiten Schreibers ist blass- 
braun, die der beiden anderen etwas dunkler. 

Inhaltlich zerfällt die hs. in 4 grössere Abschnitte. Der 
1. Abschnitt (bis Bl. 7,b; 292 Verse mit Bleistiftzahlen ver- 
sehen) enthält die Lebensgeschichte des Judas Ischarioth. Der 
folgende Abschnitt (Bl. 7,b — Bl. 9,b; 158 Verse ebenfalls mit 
Bleistiftzahlen versehen) handelt von der ersten Münze und den 
30 silbernen Pfennigen. Dann folgt der dritte und wichtigste 
Abschnitt, der die vollständige Pilatussage bringt (Bl. 10,a — 
Bl. 34,b; 298 Verse; Bleistiftzählung). Den 4. Abschnitt und 
Schluss bildet die Zerstörung Jerusalems (Bl. 34,bflF. ; 303 Verse; 
Bleistiftzählung). Diese Erzählung ist breit und uninteressant 
und von geringem Wert. — Bl. 32,b— Bl. 33,a ist versehentlich 
vom Schreiber freigelassen worden. — Auf jeder Seite ist durch 
4 Tintenstriche ein Rechteck abgegrenzt, das die Schriftzüge 
enthält: auf einer Seite stehen im Durchschnitt 30 Verse. — Die 
Blätter der hs. sind verschiedentlich mit Tintenzahlen paginiert 
gewesen; die Zahlen wurden aber später z. T. durchgestrichen 
und verbessert: ich habe deshalb — ebenso wie bei den Versen 
— eine einheitliche Zählung durchgeführt. 

Weder über die Abfassungszeit der Dresdener hs. noch über 
die Schreiber ist irgend etwas in der Handschrift vermerkt. Vorn 
ist ein Blatt eingeklebt, das -^ wahrscheinlich von der Hand 
eines Bibliothekars — u. a. die Worte enthält „Geschrieben ums 
Jahr 1460". Sollte aber diese Angabe viel mehr als eine Ver- 
mutung sein? Jedenfalls bietet die Handschrift keinen Anhalts- 
punkt, um näher zu bestimmen, wann Joh. Rothe sein Gedicht 
über die Passion Christi verfasst hat. 



>) Vgl. § 59 f. 



— 8 ~ 

Wasserzeichen. 
Von den 39 Blättern der hs. haben im ganzen 20 ein Wasser- 
zeichen und zwar begegnen vier verschiedene Muster. Be- 
zeichnen wir dieselben mit a), b), c) und d), so haben das Wasser- 
zeichen 

a) die Blätter 3. 5. 13. 27. 28. 35. 36; 

^) ». « 2. 4. 12. 14. 31. 32. 39; 

c) ,, „ 15. 20. 22; 

d) „ „ 17. 19. 24. 

Die Wasserzeichen a) und b) finden sich, zu einer Figur 
vereinigt, bei Naumann ^ auf Tafel IX, und zwar gehören sie 
Handschriften aus dem Jahre 1447 und 1460 (?) an. c), ein 
Teil einer dorischen Säule mit aufgesetzter Krone, und d), ein 
Teil einer dorischen Säule mit Kapital, dagegen sind in den 
Werken von Naumann, Bodemann^), Kirchner») und Midoux et 
Matten*) nicht verzeichnet. ' 

§ 6. II) Das Verhältnis der Dresdener Handschrift zu 

dem verlorenen Original. 

In der Einleitung der Dresdener hs. der „Passion« Eothes 
sagt der Schreiber: „Diet nachgcschrebin buchelin [ist] vssgeczogin 
vss dem buche der passion Jhesu Christi, die er Johatm Rothe, 
vorcziten Scolasticus uflF dem Stiffte zcu Isenache, beschrebin had« 
u. s. w. Wir haben es also mit einem Auszuge aus einem grösseren 
Werke Eotlies über die „Passion« zu tun, der das Original ver- 
treten muss, da das vollständige Werk uns nicht erhalten ist. 
Wie verhält sich nun unsere hs. zu dem verloren gegangenen 
Original? 



*) Catalogus librorum maDuscriptorum qui in bibliotheca sonatoria civi- 
tatis Lipsiensis asservantur. Grimae 1838. 

2) Die Inkunabeln der König], Bibliothek zu Hannover. Herausgegeben 
von B., Hannover 1866. 

«) E. Kirchner, Die Papiere des 14. Jahrh.'s im Stadtarchiv zu Frank- 
furt und deren Wasserzeichen. Frankfurt a. M. 1893. 

*) E. Midoux et A. Matton, Etüde sur les filigranes des papiers 
employ^s en France aux XIVc et XV« siecles. Accompagnee de 600 dessing 
lithographi^g. Paris 1868. 



— 9 — 

Was zunächst die Orthographie der Dresdener hs. angebt, so 
weicht sie von der bekannten Roth eschen Schreibweise (Urkunde 
und Akrosticha!) erheblich ab. Die orthographischen Eigenheiten 
der Schreiber von M 199 gegenüber der Schreibweise B.'s werden 
noch ipi einzelnen behandelt werden (vgl. §§ 59—61). Im 
übrigen ist aber die Sprache des Originals unangetastet geblieben: 
unrothische Ausdrücke und Beime sind mir nicht begegnet'). 
Wohl aber sind an verschiedenen Stellen der hs. Lücken wahrzu- 
nehmen. Einige Male ist der Reimvers von den Schreibern ver- 
sehentlich ausgelassen worden: so V. 237 (kint:?), V. 508 (vor- 
gingk: *enphing?)'), V. 727 (riebe: *gliche), V. 1452 (ungeferwit:?), 
V. 1958 (gelebin: *ebin). Ausserdem fehlen an folgenden Stellen 
der hs. augenscheinlich einige Verse: nach V. 729: 

,,Alsso wart nu konnig herodes 725. 

Von pylato wol gewar des, 

Der damede em quam in syn riebe 

Das her eme sine herschafft 

Myt syner bossin geldis krafft — (!) 

Vnde den her hilt vor eynen besundirn frunt, 
Den hatte da sin gelt entczunt.^' 
Nach V. 729 ist etwa zu. ergänzen: „geroubit hatte." — 
Ebenso erfordert der Zusammenhang nach V. 735 eine Einschaltung. 
Von Herodes sagt der Dichter nämlich V. 734 ff.: 
„Das clagete her vnde was eme Icyt, 

Das pylatus myt solchir bosheyt (!) 

Pylatus myt synen wortin gar harte 
Konnige herode alzo antwarte." 
Wegen kleinerer Versehen der Schreiber verweise ich auf den 
Text der hs. Verse, die von den Abschreibern selbständig hinzu- 
gedichtet worden wären, sind uns nicht begegnet. Auffällig da- 
gegen ist folgende Wiederholung, die sich aus einem Versehen 
des Schreibers erklärt. V. 1879 beisst es: 

„Do wart alzo gros der geschtangk. 
Das sy von geroche wurden krangk;" 
und V. 1893: 



1) Vgl. den Abschnitt III. der yorliegenden Arbeit: über die Sprache 
R.'8 und F. Bech, Germania IX, 1721 
•) et V. 59. 



— 10 ~ 

„Do wart von on alzo grossser geschtangk, 
Das sy von geroche wurden krangk/^ 

Aber auch grössere Lücken sind in der hs. wahrzunehmen. 
Die Judasiegende bricht mit V. 291 in der Dresdener hs. mit den 
Worten ab: „Hyhades eyn ende von juda, wy her gebor n wart." 
Erzahlt ist nur das Leben des Judas bis zu dem Punkte, wo J. 
von Christus zum Schaifner angenommen wird. Dass aber das 
Original die ganze Judassage enthalten hat, ist als sicher anzu- 
nehmen. Was in M. 199 von der Judassage noch fehlt, können 
wir aus E.'s Thüring. Chronik (Kap. 82 „Wie Judas seyn ende 
nam") erscliliessen: der Salbenverkauf und die damit zusammen- 
hängende Motivierung des Verrates Christi durch Judas und des 
Judas scIiimpflicliesEnde. 

Weiter ist anzunehmen, dass ein Werk über die „Passion" 
Christi auch wirklich die Leidensgeschichte des Herrn enthalten 
hat. Auf die Leiden und den Tod Christi wird in der Dresdner 
hs. aber nur mit wenigen Worten Bezug genommen. Niichdem 
der Streit zwischen Herodes und Pilatus geschildert ist, briclit 
der erste Schreiber der hs. mit V. 747 ab. Der zweite Schreiber 
wendet sich mit V. 748 unmittelbar dem Kaiser Tiberius und 
dessen Heilung durch das Schweisstuch der Veronika zu: 

„Tiberius der keiser. 
Ich mcyne, das her der derte wer. 
Von der vnseligin judischeit 
Cristus do dy martil leit." 

V. 706 heisst es dann weiter: 

„Dessir keisser, tiberius genant. 
Wart darnach vzseczig alzcuhant, 
Also cristus hatte dy martil geledin 
Noch der aldin kronikin redin." 

Also nur in den beiden Versen 751 und 768 wird die Leidens- 
geschichte Christi erwähnt. Allerdings wird auch in der Thüring. 
Chron. die eigentliche „Passion" Christi nur mit wenigen Worten 
beschrieben: In Kap. 73 „Vonn dem keisser" heisst es nämlich 
in Chr: „under des (— Tyberius) hirschaft wart Cristus gemartirt" 
und in Kap. 74 „Von Cristo do her 20 jar alt was bis das her 
starp" wird gesagt: „do starb hervor vnsser sunde an dem crutze 



— 11 — 

under dem konige Herode unde von dem richter Pilato vonn Torrethe» 
niss Jndas Scarioth seynes jungern". Dass die Darstellung der 
Leidensgeschichte Christi in: Chr verhältnismässig kurz ist, 
hindert uns natürlich nicht anzunehmen, dass Bothes Original 
der „Passion" einen ausführlichen Abschnitt über die Verurteilung 
tnd den Tod Christi enthalten hat. Dieser Abschnitt wäre dann 
am besten zwischen den Versen 747 und 748 der Dresdener hs. 
einzuschalten. Denn dadurch, dass Pilatus den angeklagten 
Christus dem Herodes sendet, werden beide nieder zu Freunden, 
Der allgemeinen üeberlicferung folgend, erzählt dies auch Ro in 
Chr: Kap. 75 . . .„unde dorumbe sso sante on (Cristum) Pilatus^ 
do die Juden on. toten wolden, dem konige Hcrode, umbe.das 
her vonn Gallilea was, das an Jhcrusalem stosset undo ynn seyne 
hirgphafft gehorte. Do worden Herodes unde. Pylatus gefrunde^ 
die lange zeit gefynde gewest waren." Nehmen wir an dieser 
Stelle die Einschaltung der Passionsgeschichte an, so sind auch 
die folgenden Kapitel: die Botschaft des Kaisers . Tiberius an 
Pilatus, des Kaisers Heilung durch Veronika u. s, w. an ihrem 
richtigen Platze. Auch äussorlich erklärt sich die Auslassung 
leicht daraus, dass ein neuer Schreiber mit V. 74& der .hs. 
einsetzt. 



T 

III. Rothes Sprache. 

§ 7. Als Vorarbeit zu einer Ausgabe der Passion war eine 
Untersuchung über deren Sprache und ihr Verhältnis zur Sprache 
der übrigen Werke Kothes um so unentbehrlicher, als diese Dich- 
tung uns nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt überliefert ist. 

Folgende Werke des Dichters wurden der sprachlichen 
Untersuchung zu Grunde gelegt: 

1. Der „Ritterspiegel", Ausg. Bartsch (vgl. S. 2); 

2. Des „Rates Zucht", Ausg. Vilmar (vgl. S. 2); 

3. Die „Passion", nach der Handschrift M. 199 der Königl. 
Oeffcntl. Bibliothek zu Dresden; 

4. Das „Widmungsgedicht zur Thüringischen Chronik", Ausg. 
Liliencron S. 1—10 (vgl. S. 3); 

5. Das „Leben der heiligen Elisabeth", Ausg.Mencken (vgl.S.3); 
da aber Menckens Abdruck durchaus nicht den Anforderungen 
der Textkritik genügt^ konnte im folgenden keine voUständigä 



-^ ai — 

fieiins^stifk der „EHsabetb'^ f^^cben werden, BonAeHi €S sind 
üas ihr nur die wichtigen und anderweitig ^sichertien sprachlichen 
Erscheinung^ berücksichtigt worden. Aus dem oben § 3 an- 
gegebenen Grunde ist ferner B.'s „Lob der Keuschheit*' für die 
sprachlidie Untersuchung nicht iFcrwertct worden. 

6. Aussl^r diesen goreimten Werken des Dichters habe ich 
die Ton Bothe geschriebene Urkunde herangezogen, die A. L. J. 
Micbelsen in der Zeitscbr. des Vereins f. thüring. Geschichte (III, 
35 f.) abgedruckt hat. 

7. B.'s Akrostichen: a) das umfangreiche Akrost. der ^Thür. 
Chronik", in der von F. Bech kritiscTi berichtigten Form (Ger- 
mania VI, 4^ff.). b) Das Akrost. des Bitterspiegels (Germania VI,5"2). 

Audi haben wir die heutige Eisemicher Mundart, die uns 
für die Sprache unseres Dichters manche Aufschlüsse gibt, ^icbt 
unbeachtet gelassen. Benutzt wurde dabei Flex. Beiträge zur 'Er- 
forschung der Eisen. Mda. 2 Eisen. Programme 1893 und 1898. 

Was den Gang der sprachlichen Untersuchung betrifft, so 
habe ich mich methodisch hauptsächlich an Zwierzinas „Mittel- 
hochdeutsche Studien^ (Z. f. d. A. Bd. 44 -und 45) angeschlossen, 
daneben auch an A. Pcrdisch (der Laubacher Barlaam)^). 



A. Zun yokallsmns. 

I) Relmo von Vokalen i^rsebledener Quantit&t. 

1. Alte Vokale«). 

§ 8. a) a:ä. 

Im einsilbigen Beim. 

an: an. man (und Komposita): getan (und Komposita) BSp 9=, 
BZ 1 =, Pa 5 = mal, : (ge-)hän BSp 7 =, BZ 11 =, Pa 6 = mal; 
an, daran : getan BSp 7 =, Pa l = mal, : (ge-)hän BSp 15 =, 
BZ 4 =, Pa 5 = ma:l; dan : getan BSp, : hän BSp und BZ je 
1 = mal; kan : getan BSp 2 =, : (ge-)hän BSp 7 = mal. Ausser- 
dem reimen noch je 1 = mal man : bestän BSp, : an, :län Pa; 



>) Dias. Marburg 1903. 

') Alte Vokale Deonc ich die a, o, i and u, die auch im Mfad. so lauten, 
im Gegensatz zu den neuen, durch Monophthongiemng entstandenen i- and 
u-Yokalen. 



— la — 

(dar)*aii: : a^fid, ; vorlän, : wän BSp; kau : roflBäit BSp; dacras : 
getan Pa; angewan : undiriän Pa^). 

SigeiiQAjiiaQ anf «^an (= lat «-anns) begegnen nicht selten 
im Beim und «war reimen, sie pau langam' qndi knracem an^ neben- 
einandsr. Nur mit kurzem an werden gebunden: Oo^avian (BSp 
l =, Pa 1 = panl), German BSp und Stephan fuL Dagegen 
reimen nnr lang; Judan Pa 2 =, volusian Pa 3 =, rodan Pa 
1 = mal; albaa» und vespesian endlich kennen die Bindongen zu 
langem und^ kurzem an : alban.: an Pa 2 =, :än . Pa 3 = naal; 
vespesian: :anPa2=, :äu Pa 2'= mal..^ Sehltasalifik begegnet 
in* Pa noch> I = mal albon : vespesian^ (Weber di« Unsicherheit 
der Quantität des Beimvokals in Eigennamen vgl. Singen, in. der 
Festsohrift für Oeinzel S. 4 10' ff. und Zwierz. Z. fl d. A. 44, 11.) 

am« Von den Bt. auf am begegnet nur am.: am BSp 1:1 =, 
B2 2 = nnd Fa 20 = mal. Die Bt. am: am und äm:ämt fehtea 
auch in £1 und Wi; am: am dagegen^ ist auch in £1 häufig (z. B. 
namiqaam). 

Dia Ei^ennameut a^uf ant reimea duH)liweg zu. kurzem am. 
So haben, wir Cham BSp, Abraliam BSp L ==, Pa 2 =, veronicam^ 
Pa 2 =, Judeam Pa 1 = mal. 

£s r.eimt demnach, {wn den fiigennamani ak^esehw): 





ItSp 


RL 


ra 


Kl». 


an:än 


54 


17 


21 


9Ö 


äfl:äB 


6 


* 


1 


11 


an: an- 


53 


12' 


» 


73; 


am: am 


n 


* 


20« 


9S 



Bfei dem Bt. an ist völlige Vermischung eingetreten. 

ant. Eine Bindung von ant:änt und Tonant:$nt fl»hlt(BSp, 
BZ, Pa, El, Wi), was z. T. sich aus der Mundart unseres Dichters 
erklärt, die das t in der 3. pl. verloren liatte^, sodass Beime wie 
hänt : genant, :gewant, :länt nicht mehr möglich waren. DerBt. 



1) Den 57 Bindungen yon(ge-)h&n : -an gegenüber (RSp 30, RZ 16, Pa 11) 
haben wir nur 10 Bindungen Yon (ge-)h&n' : -ftn (RSp 5, RZ 4, Pa 1). Hieraus 
gebt hervor, dass h&n bei Rothe — der ja a und d nicht mehr scheidet — 
weder bentammtr lang, noph bestimlirt kurz, sondern vielleicht voa^ mittlerer 
Quantität war. Die unsicheren Eigennamen auf -an habe ich hierbei nicht 
mit gereohnet. (Vgl. Zwiers. Z. f. d; A. 44^ 6, 9, 12, 363 u. ö.) 

*) Vgl. § 57 (Apokope des t). 



— 14 — 

ant :ant dagegen ist: bequem nnd* hüufig :BSp 25=, BZ 3 =, 
Pa 37 = mal (auch in El nicht selten). 

arrär. Sicheres ar:ar haben wir in clär :var BZ 103, gewar 
:\var BZ 1222, gebar :wär Pa 123, :iär El 6, 1856, 3798, :clär 
El 1980, gewar :här El 1320, also im ganzen 8 = mal; daneben 
begegnet der Et. änär (äre:äre) BSp 4 =>, BZ 1 =, Pa 1 =, El 
9 = mal. Unsicher bleibt Isacliar:wär Pa 11. ar:ar. Das Adv. 
gar (gare) reimt zu kurzem und langem ar (are), so gar:ar (are) 
BSp 4 =, BZ 2 =, El 1 = mal, : är BSp 1 =, BZ 2 =, Pa 1 ^ 
mal. Unsicher bleibt ^r:stritbar BSp 2800. Also auch bei gar 
haben wir Schwanken *), ebenso bei dem Adv. dar (dare). dar 
(dare) : ar (are) BSp 4 =, BZ 2 =, Pa 6 (+ 1) =, El 8 = mal; 
dar (da;re):är (are) BSp, Pa und El je 2 = mal; unsicher ist 
d:ire:lhare (Eigenname) Pa 325. Weiter reimt das unsichere 
Adv. uffinbar*) ebenfalls zu kurzem und langem ar, so zu ar 
BSp, Pa, : är BSp 2 =, Pa 3 = mal. . 

al:äl haben wir in Cardinal :zal BZ 27, sal : alczumäl BZ 
1118, zal:mäl £1 382a, 3939. Sonst findet sidi regelmässig, al: 
al BSp 7 =, Pa 1 =, El 5 = mal; äl : äl El 1 = mal. Dazu kommt 
unsicheres Hanibal:obiral BSp 549. ' 

ach : äch. geschach : (dar-, her-) nach El 1079, 1403, 3833. 
Begelm. achiach BSp5=, BZ 3 =, Pa 16 =, El (rund) 30 = mal; 
äch : äch BSp, Pa je 1 = mal. • 

acht: ächti i macht : voUinbrächt BZ 195 , nacht : brächt 
Pa507, 1931, macht .-zcubrächt Pa 1064, gemacht : brächt Pa 1296. 
Der Eigenname Albracht (!) reimt in BSp 2 = mal zu acht, so» 
zu macht (subst.) 1667 u. : macht (3. sg.) 1699. Die übrigen 
hierher gehörenden Bt. bleiben getrennt: acht: acht BSp 17 =, 
BZ 4 =, Pa 8 = mal; acht : acht (oder acht : acht) jBSp 1 ^y 
BZ 1 =, Pa3 = mal. 

art : ärt findet sich BSp 7 =, BZ 1 — mal. Der .Eig£n-. 
name Bernhard reimt zu kurzem (BSp 3 = mal) und langem 
(ebend. 1, = mal) art. Von den 8 sicheren Bindungen von. art: 
ärt sind getrennt art: art BSp 5 =, Pa 6 = mal; ärt: ärt BSp 
3 = mal. — Inwieweit bei Bo in den Bt. art : ärt und ärt : ärt 
eine Verkürzung des ä vor rt eingetreten ist, lässt sich nicht 



1) lieber ein langes Adv. gftr bei Gotfried vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 44, 6. 
«) Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 44, 9. 



— 15 — 

mit Sicherheit feststellen, weil der. Dichter a und ä nicht mehr 
scheidet. 

as : äs. Belegt sind nur die Reime häs : daz BZ 960 und 
abeläz : was El 3907. Daneben ist regelra. as : as häufig. (BSp 
14 =, BZ 4 =?, Pa 27 = mal u. s. w.) Dazu kommen noch die 
Bindungen mit Eigennamen Judas : graz Pa 206, : das 228, 262 
und sedechias : was 414. 

at : ät : BSp 15 =, BZ 8 (+ 2) =, Pa 7 = mal u. s. w. 
Demgegenüber finden sich die regelmässigen Bindungen at:at 
BSp 2 =, Pa 6 - mal u. s. w.; ät : ät BSp 16 =, BZ und Pa 
je 1 = mal. In BSp, BZ u. Pa stehen den 30 (+ 2) Bt. von 
at : ät 8 Bindungen von at:at und 18 von ät :ät gegenüber; 
also auch hier wieder starke Neigung zur Vermischung*). 

Im zweisilbigen Beim. 
Vor b. habe: gäbe BSp 2 =, gäbe iherabe El 1 =mal; 
vor g. frägin : tragin BSp, ruzsagin BZ, : irslagin Pa, : sagin 

Pa 1 =, El 2 = mal, irklagin : mägin BSp, frage :uzsage 

BZ, geslagit : gewägit El, behagit : gefrägit El; 
vor h. slahin : enphähin BSp, fähin : irslahin BSp und slahin : 

gesähin BSp; 
vor r. farin : gebärin BSp, : järin, : wärin, :ufflnbärin Pa, heim- 

farin ; wärin, zugefarin : järin El ; 

in fast sämtlichen Belegen haben wir im Nhd. Stammsilben- 
dehnung. — 

Bindungen von a : ä sind den Bayern und Ostfranken, aber 
auch den mitteldeutschen Dichtern eigen *). Die Alemannen haben 
sie erst seit der 2, Hälfte des 13. Jahrh.'s: rein reimende Ale- 
mannen, Schwaben, Elsässer, Süd- und Bhein franken, Oberpfälzer 
lassen sie gewöhnlich nicht zu'). Von einzelnen Dichtern der 
guten Zeit gestatten sich Beime von a: ä Wolfr.,Wirnt, Freid., Konr. 
V. Fussesbr., Heinr. und Ulr. v. Turheim, Ulr. v. Lichtenstein, 
d. Nibel., Gudr., Bit. u. a., während Gotfriod keinen Beim von 
a : ä kennt. 

Bei Joh. Bothe sind Bindungen von a : ä ganz gewöhnlich. 



') Unsicher bleiben die Bindungen sat (?) : hftt RZ 25 und stat : mag- 
nificat (? -ät) RZ 193. 

«) Vgl. Zwierz. Z. d. f. A. 44, 6, 12 ü. ö. 

s Vgl. Zwierz. a. a. 0. 10, 865 ; 45, 68, 69 u. ö. 



— 16 — 

§ 9. b) : 6. 

Im einsilbigen Beim. 

on : 6n : BSp 5 =, Pa 3 = mal; daneben 

on : on Pa I = mal. Die Eigennamen auf on reimen stets 
za Kürze: Saloraon : liirvon BSp 2529, : davon BZ 157, eßron : 
darvon Pa364; dazu kommt neutrales Salomon :Sampson BSp 261. 
Der Bt. on: on fehlt (auch in El und Wi). 

ort : ort : BSp 6 =, BZ 2 =, Pa 3 ="• mal; der Bt. ort : ort 
(oute : orte) begegnet BSp 5 =, l^a 3 = mal; ort : ort fehlt (BSp, 
BZ, Pa, Wi und El). 

ot : 6t: BSp 3 =, Pa 2 == mal; der Eigenname scharioth 
reimt 1 = mal zu tod Pa 77. Von den übripn Bt. sind zu er- 
wähnen ot : ot (ote : ote) BSp 2 =, BZ 1 = mal; 6t : 6t BSp u. 
Pa je 7 = mal, BZ 1 = mal. In BSp, BZ u. Pa stehen den 5 
sicheren Bindungen von ot : 6t 3 ot : ot (ot« : ote) und 15 6t : 6t 
gegenüber, also auch hier herrscht Schwanken. 

Im zweisilbigen Beim. 

a) In offener Silbe. 

Vor r. gehorin : geborin BSp 1065, torin : vorlorin BZ 1 120 und 

geborin : t6rin El 3518. 

^) In gesohlossener Silbe. 

h6rte : forte Pa 1573. 

Beiraa zwischen o und 6 sind bayrischen und mitteldeutschen 
Dioktern^ eigentümlich. Sonst rein reimende Alemannen lassen 
lieber Beimo von o : 6 (bes. vor rt), als solche von a : ä zu *). — 
Für Ufisei^n Bothe sind Beime von o : 6, ebenso wie solche von 
a : ä, unbedenklich. 

§ 10. c) i : i. 

Im einsilbigen Beim. 

in : In fehlt (BSp, BZ, Pa, El und Wi). Ueber das unsichere 
Adv. in vgl. § 54^). Der Bt. -in : -in dagegen ist bequem und 
häufig (min : diu, : sin, : lin, : finj : Bin u. ä.): BSp 16 =, BZ 



*) Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 44, 11. 
«) Dazu Zwierz. Z. f. d. A. 45, 75. 



— 17 — 

4 =5 Pa 6 — , El 18 = mal; -in : -in BSp nnd El je einmal. 
Der Eigenname Augustin reimt nur zu langem -in ESp 6 ==, 
RZ 1 = mal. — üeber -lieh, -lieh u. s. w. vgl. § 53, 2. 

is : IS fehlt (BSp, BZ, Pa, El und Wi). Nur einmal findet 
sich unsicheres Basis : gewis BSp 1587. 

Im zweisilbigen Beim. 

a) In offener Silbe. 

Vor g. ligin ikrigin BSp 2946, wiglt.-krlgit BSp 1166, vorswigin 
(3. pl. präter.) : krigin El 187, [Ludowigin : (ir-) krigin El 1413, 
2289]. t ♦ 

ß) In geschlossener Silbe, 
villichte : ufzurichte El 405, villichtin : uzrichtin El 1307. 

§ 11. d) u : ü. 

Im einsilbigen Beim. 

US. Von den Bt. auf us begegnet nur üs : üs BSp 4 =, 
El 7 = mal. Häufig stehen Eigennamen auf (latein.) us im Beim, 
sowohl zu kurzem als auch zu langem us. So haben wir Valerius, 
Tulius, Pilatus u.s.w. :us BSp 11 =, BZ 1 =, Pa 10 = mal u.sf.f.; 
: üs BSp 6 =, Pa3 = mal u. s. f. (Vgl. auch § 45, 1. a.) 

Bindungen von i : 1 und von u : ü sprechen gegen Bayern 
und Ostfranken, auch gegen Süd- und Bheinfranken ^). 

2. Neue, durch Monophthongierung entstandene. Vokale. 

§ 12. Eine Eigenheit der mitteldeutschen Mundart Bothes 
ist die Zusammenziehung der Diphtonge ie, uo und üe zu den 

einfachen Vokalen i, ü und ü, wie in der nhd. Schriftsprache, die 
auch in dieser Hinsicht auf md. Grundlage ruht. Diese neu ent- 
standenen Monophthonge sind aber nicht mit den alten Längen 

i, ü und in (u) zusammengefallen : dies geht namentlich daraus 
hervor, dass sie die Wandlung zu nhd. ei, au und eu (äu) nicht 
mitgemacht haben. Ferner reimen die meisten md. Schriftsteller 
die neuen i und u zu kurzen i und ü, wenigstens in geschlossener 
Silbe. Dies beweist, dass ein Unterschied in der Accentqualität 



») Vgl. Zwierz. Z. f. d. A, 45,69. 
Heinrich, Stadien xn Jobannes Rothe 2 



— 18 — 

iwis^n deo atten Länge» und den aeuen MonopbtboBgen ror^ 
banden war. Micbels unterscbeidet sie deshalb nach dem Vorbilde 
des Griechisdien darcli Akat und Zirkumflex^). 

Neben i (< ie) und u (< uo) begegnen in md. Dialekten (und 
auch beißothe) e undo*). — mhd. iu weiter wird im Md. durch 
u wiedergegeben, das meistens zu langem ü reimt. 

§ 13. a) ije : i. 

Im einsilbigen Beim. 

ging») (und Komposita be-, irre-, ir-) : ding ESp 2347, EZ 765, 
Pa 172, 23©, 436, 1663, El 7 = mal (149, 280, 525 u. s. w.), 
enpfing : ding El 2369, ging : jungeling El 3 = mal, schir : ir El 
1935, : mir Pa 3 = mal, tir : mir El 3539, damit : lit El 16. 

Im zweisilbigen Eeim. 

a) In offener Silbe, 
spigil (mhd. .Spiegel): sigel ESp 4101, [vihi : zihi ESp 938]. 

ß) In geschlossener Silbe. 

gingin : ringin ESp 3318, : singin El 3890, bilde : bilde ESp 
642, dingin : (be-)gingin El 6 = mal ; gingin : Afterdingin El. 

§ 14. b) ie : i. 

Im zweisilbigen Eeim. 

ESp: papire : vire 954, (ge-)stigin : krigin (subst.) 2709, 
3663, vorswlgin : krigin (subst.) 3040, krige (siibst.) : geswlge 3198, 
swigin : krigin 2178*); EZ: vorzeihe : enpflihe 496, fllze : slize 510, 
gekrigit : enswigit 622*). Der Eigenname Lodowig reimt öfter zu krig 
(ESp, El). 



1) Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 45, 68 £f. und Michels, Mhd. Elementarb. 
§ 146, wo auch die übrige Litteratur gegeben ist. 

') Vgl. V. Bahder, Ein vokalisches Problem des Mitteldeutschen, Leipzig 
(Habilitationsschrift) 1880, 8. 16 und Wrede, A. f. d. A. XIX, 351 flf. 

■) üeber die Verkürzung von ie (uo) vor n -f cons. im Md. vgl. Michels, 
Mhd. Eiern. § 144, 2 A. 

^) Ob hier kriegen (sw. v.) oder krtgen (st. v.) anzusetzen ist, bleibt 
unsicher: beide können bedeuten „mit Worten streiten, zanken^, was für die 
«ngeführten Stellen pa&st. 



— 19 — 

Nach den unter a) and b) gegebenen Belegen können wir 
die Moiiopbthongiernng des ie > i in der Sprache B.'s auch ffir 
die zahlreichen neutralen Bindungen annehmen. (RSp 24, BZ 2, 
Pa 20 u. s. w.) — 

Urk. : di 4, 17, 19, iclicbes 5, iclicher 7, briflfe 18, briflF21; 
daneben 1 = mal fier 8. 

Akr. : prister 2, dinste 12; daneben liebjn 7 und feir 22. 

§ 15. c) ie : e. 

scher : 6r BSp 201, Pa 642, El 315, 999. 
schere : ere BSp 2 =, Pa 3 =, El 3 = mal, 
werin : veiin (mhd. vieren) El 3478, wSre:vere El 1520^). — 
Vgl. die heutige Eisenacher Mundart (Flex, Beitr. I, 12 f.). 

§ 16. d) uo : ü. 

Im einsilbigen Beim. 

nu : (dar-)zu BSp 6 =, Pa 1 =, El 6 =, Wi 1 = mal»), un- 
gefug : gesmug BSp 326, alsus : buz BSp 2318, muz : ummesus 
BSp 1445, gesmug :trug BZ 762, irstuntikunt Pa 1098, umme- 
sust:must Pa 1222, uf: geschuf Pa 1903, El 1901, 3514, (ir-) 
stund : fund (subst.) El 1157, : kunt 1797, : mund 3717. 

Im zweisilbigen Beim. 

bestundin : irfundin Pa 697, (ufge-)stmidin : fundin El 678, 
2768, : undirwundin 2782. 

§ 17. e) uo : ü. 

Im einsilbigen Beim. 

BSp: swur : gebür 9; nu (mit langem oder kurzem u) : (ge-) 
tu Pa 3 =, El 1 = mal. An Eigennamen begegnen Hug : klug 
BSp 181 und Valerius : muz BSp 2762. 



*) lieber dieses Rothesche e « ie) vgl. auch R. Bechstein, Germania 
IV, 47.7. 

') Der Bindang nu : zuo (md. und bayr.) liegt ungelängtes nu zu Gh'unde. 
Vgl. Zwierz, Z. f. d, A. 45, 70, A. 1. 



— 20 — 

Im zwei- und dreisilbigen Beim. 

RSp: buche : gebrüche 3406; gebüwete : ruwete 781; buze : 
duze BZ 610. 

§18. 1) ue (<uo):u, ü. . 

mhd. uo wird in der Sprache B.'s ausser durch u (s. o.) ge- 
legentlich auch durch ue wiedergegeben, das zu langem und 
kurzem u reimt und ein Zeugnis für 2-gipfligen Accent ist: muez : 
ummesus BSp 1445, geschuef : üf El 1901, 3515, unruewe : buwe 
El 3119. — Sonst begegnen sporadisch neutrale Bindungen 
(BSp 5, Pa 1 u. s. w.). Gestützt wird dieses ue durch die ur- 
kundlich belegten Formen huen 7, (vastnacht-, michel-) huen 9, 
13, 15. Aehnliqhes findet sich noch heute im Eisenachischen 
(vgl. Elex, Beitr. I, 13). 

§ 19. g) uo : 6. 

Im zweisilbigen Beim : almosin : gelösin El 2024. 

Nach den unter d), e) und g) gegebenen Belegen können wir 
die Monophthongierung des uo auch für die zahlreichen neutralen 
Fälle annehmen. 

§ 20. h) iu : altem ü, ü; ü. 
Im einsilbigen Beim, 
frunt : enzcunt Pa 730. 

Im zweisilbigen Beim. 

frundin : sundin BSp 1200, : uzgrundin BSp 2509, : undir- 
wundin El 2600, frunde : künde BSp 4 =, : sunde BZ 4 = mal; 
gesture : gebüre El 1339. 

§ 21. i) iu : neuem ü (< uo, üe). 
Im einsilbigen Beim, 
getru : gern (inf.) El 1115. 

Im zweisilbigen Beim. 

BSp : truwe:ruwe 2370, geruwin : getruwin 2973, fluhit : bluhit 
8853, (buferie : duberie 34). Dazu kommen die neutralen Bindungen 
(BSp 1, BZ 4, Pa3 u. s.w.). 



— 21 — 

Aus der Urkunde und den Akrostichen ist für u statt uo 
hinzuzufügen: ürk. zcu 1, 20, eigirkuche (Eigenname) 12; Akr. 
zcu 3, 11, 12, 17, darzcu 6, schulmeistir 7, tumeherre 6. Für u 
statt iu : Cruzceborg 1 (auch Akr. ESp), dirluchtin 14. — üeber 
mhd. uo und iu in der heutigen Eisenacher Mundart endlich vgl. 
Elex, Beitr. I, 13 f. 

II) Die e-Laute. 

§ 22. 1. ä : ä. 

Eine Eigentümlichkeit des Mitteldeutschen ist der Zusammen- 
fall von e und ä, dem sekundären Umlaut von a ^). So bindet 
auch Bothe e : ä unbedenklich *). 

Im einsilbigen Beim. 

phärt : swert, : wert (2 = mal), : begert BSp (auch in El 

öfter). 

Im zweisilbigen Beim. 

werte (no. pl.) : gehärte, derte : gefärte, phärde : wärde; dör- 
tin : gefärtin, werdin : phärdin (2 = mal), phärdin : ärdin; ge- 
sterbit (st.) : geschärbit BSp, : vortärbit Pa; (ge-)werkin (inf.) : 
märkin, werkin (3. pl.) : märkin BSp, werkin (inf.) : märkin BZ; 
stärkit : werkit (2 = mal), uz werkit ; märkit, gewerkit : märkit 
BSp; marke : werke (uz-, ge-), stärke : (ge-) werke BSp (im ganzen 
6 = mal); geberge : färge Pa; gelernit : (ge-) ärnit BSp; ge- 
slächte : knechte BSp 3 =, Pa 1 = mal, : rechte BSp 3 =; häl- 
ditrmädit BSp 1 = mal. 

§23. 2. 6:ae. 

In der Sprache Bothes sind 6 und 3b im Beim nicht geschieden 
(wie z. B. bei Hugo von Trimberg, Ulrich von Eschenbach u. a.)'), 
sondern beide Laute sind vollständig zusammengefallen (wie z. B. 
in Herborts Trojanerkrieg) •'^). In der Schreibung finden wir für 
ae einfaches e, wie überhaupt für alle e-Laute (md.!). 



») Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 45, 299. 

*) Auch in der heutigen Eisen. Mda. lauten 5 und & durchweg gleich. 
Belege bringt Flex, Beitr. I, 9 £f. 

») Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 45, 285 f. 



-- 23 - 

Im einrilbigen Keim. 

sw«r : mör, : wcdirker, : s6r (2 = mal); geschet ; gesmaet 
BSp, : slsetPa, wedirstSt : vorlaet Pa; smsB : un§ BZ. 

Im zweisilbigen Beim. 

waere (esset) : schSre Pa (2 = mal), : §re BSp (3 = mal), BZ, 
Pa, : sere BSp (2 = mal), Pa (3 = mal), : mere BSp, : lere Pa, 
beswaere : ere BZ, : sere BSp, : here, : lere BZ; Endungs- aere : 
sere BZ 5 =, Pa 2 = mal, : kere, : here Pa, : ere BSp; ere : 
offinbaBre BZ,« maere ; ere, : sSre Pa; waerin : wedirkerin BSp, 
rütaBiin ; erin BSp, beswaerin : 6rin BZ (2 == mal), : vorkerin BZ; 
(un-) beswaerit : Ißrit BSp, BZ (2 = mal), : vorkerit BSp, : ge- 
merit Pa; raete : grßte (inf.) BZ; ßrstin : swaerstin BZ; prophetc 
: vorsmaete, prophetin : vorsmaßtin Pa. Auch in Wi und El sind 
Bindungen von £ : ae ganz gewöhnlich. 

§ 24. 8. ^, 6 und i, ae vor Liquiden. 

Im einsilbigen Beim. 

h?r (eiercitui) : m6r BSp 3767; her : naer BSp 893, 1957, 
El 1893; -er der Endung reimt zu -ßr BSp 5 =, BZ l =, Pa4=, 
^ El 2 = mal u. s. w. (z. B. : mer, : ler, : ser, : er, adv.); zu waer 
(esset), : swaer Pa (3 = mal)'); daneben begegnen die reinen 
Bindungen h^ : w^r BSp 2 = mal, : m^r Pa, m^r : \v§r Pa, ver- 
zehr : m^r Pa; gör (no. sg.) : her Pa 792; mer : scher BSp, Pa, 
: Ur Pa. 

wel:sel (apima) BSp 108; [: Israhel BZ 774, : Ezechiel BSp]. 
Beine Bindungen von -ei : -el wie vel : wel, : spei, : snel u. i'i. be- 
g^nen in BSp 12 =, BZ 2 =, Pa 2 = mal (auch in El und Wi 
häufig). 

Im zweisilbigen Beim. 
a) In offener Silbe. 

gere (subst.) : gemere Pa 928; gebere : beswaere Pa 29; ir- 
n§rin : beswaerin BSp 2257; w§rit : gekörit BSp 138; ungen§rit : 
begerit Pa 1289. Daneben finden sich die reinen Bindungen ge- 
bere : gewörePa 49, -ere : -«re BSp 18 =, BZ 7 =, Pa 5 = mal u.s.w. 

^) Oder haben wir waere, swaere anxuBetzenV 



~ 2a — 

(z. B. s@re : Sre, schüre : ISre, blie : 6re, fre : k§re, . . 0; *§f^ • 
'^re BSp 5 =, Pa 1 = mal (z. B. gezc^re : h^re B8p 2770 u. a.); 
gen§rit : zc^rit BSp 3426; -erin : -erin (z. B. herin : kerin, : Ißrin, 
. . .) BSp 7 =, BZ 5 =, Pa 3 = mal u. s. w.; m§rit : 16rit BSp 
338 (u. ö.); w^rin : irn^rin BSp (u. ö.). 

vele : gezc^le BSp, : irzc§le BZ, uzirw^le : obirspele BSp, (? vel : 
gezc^l El); im dreisilbigen Beim speletin : qu^letin (tr.) Pa 1567. 
Daneben -ele : -ele (z. B. vele : obirspele BSp ü. s, w.); obirspelit 
: quälit BSp; befelin : stälin BSp u. a. 

b) In geschlossener Silbe. 

werdin : gefserdin BSp. üebcr e : § (ä) vgl. § 22. Begel- 
mässige Bindungen : -^rte : -§rte BSp 3 = mal (z. B. h§rte : irw§rte); 
-erdin : -erdin (z. B. erdin : werdin BSp) BSp 14 =, BZ 1 =, Pa 
2 == mal u. s. w. 

§ 25. 4. 9 : 6 vor Muten. 

l§ge : bewöge BSp 2678; anges^gin : gekrögin BSp (-ägin : 
-§gin BSp 7 =, BZ 1 =, Pa 2 = mal u. s. w.); reine Bindungen: 
-6ge : -6ge BZ 2 = mal (z. B. phlege : stege); -ögin : -ögin BSp 
14 =, BZ 2 =, Pa 5 == mal u. s. w. (z. B. undirwögin : phlegin 
BSp 69); -^gin : -§gin BSp 2 =, BZ 1 = mal (z. B. s^gin : f^gin 
BSp 2789); -§te : -ete BSp 6 =, BZ 7 =, Pa 2 = mal u. s. w. 
(z. B. st^te : darmete BSp 417, BZ 1256 u, ö.); -§tin : -etin BZ 
7 =, Pa 1 = mal u. s. w. (z. B. statin : setin BZ 534, 664 u. a.); 
irh^bin : irbebin BSp 2865 und getrebin : enzc^bin BSp 3202. 
Der Bt. -ebin : -ebin ist bequem und häufig, z. B. ebin : gegebin, 
: lebin (BSp 38 =, BZ 24 =, Pa 25 = mal u. s. w.); vorh^bin : 
enzc^bin BSp 3226; -§bit : -ebit BSp 3 =, BZ, Pa je 1 = mal 
(z. B. gebit : enzc^bit BZ 1098); enzc§bit : irh^bit BSp 2965. 

§26. 5. Kurzes e (e, §) zu langem e (6, ae) im zwei- 
silbigen Beim. 

Vor b. grebin : uzwebin BSp; 
vor m. beremit : zemit BSp, nemin : remin BSp; 
vor h. sehist : vorsmehist BSp, gesehin : vorsmßhin El, v6hit 
: irslghit BSp, sehe : wehe Pa; 



- 24 — 

vor r. Vgl; die Belegie in §24; " ' 

vor t. bäte : zu spßte BSp, rßtin : gebätin RSp, trßtin : retin 
BZ, stete : böte, : trete BZ, böte : rete BZ, irbätin : retin BZ, 
geträte : tete Pa, gebete : stete El (4 = mal), tete : smete El, stete 
: trete ebend.; r§de : stete; tretin grßtin El, planete : getr§te BSp. 

Aus B.'s Urkunde und Akrostichen ist zu den e-Lauten 
folgendes zu erwähnen: Urk. : jerlich 4, henge 19; Akr. : behege- 
lichkeid 12, gedechtenissis 19, sente 28. 

III) Umlaut. 

§ 27. Die Entscheidung, ob Umlaut eintrat oder nicht, ist 
für die md. Mundart unseres Dichters besonders schwierig: denn 
im Md. blieb er in den Handschriften (und auch noch in den 
ersten Drucken) gänzlich unbezeichnct. Deswegen nahm man 
lange Zeit an, dass das Md. — abgesehen von § und e — ihn 
überhaupt nicht gekannt habe. Heute setzt man jedoch auch für 
das Md. umgelautete Formen an, wofür besonders der Umstand 
spricht, dass die lebenden Mundarten diese taisächlich kennen 
(vgl. später die heutige Eisen. Mda.). 

Fest steht jedenfalls, dass der Umlaut des u auch im Obd. 
vor gewissen Konsonantenverbindungen unterblieben ist*). 

Auch für Bothe lässt das Beimmaterial eine sichere Ent- 
scheidung in Bezug auf den Umlaut oft nicht zu: ich stelle es 
trotzdem kurz zusammen. 

§ 28. 1. ü, u. 
Vor nas. + cons. 

Im einsilbigen Beim, 
entzcunt : frunt Pa. 

Im zweisilbigen Beim, 
sundin : frundin, frundin : uzgrundin BSp , künde (conj. 
präter.) : frunde BSp 3 =, frunde : sunde BZ4 = mal, kunnin : 
injgunnin, : unvorsunnin BSp, : besunnin, : ingewunnin BZ, ge- 
dünkin : getrunkin BZ, : irtrunkin Pa, formunde : stunde Pa, 
kunstin : gunstin BSp, El, schrundin : wundin, unkundig : mundig. 



^) Vgl. T. Babdcr, Grundlagen, S. 201 u. ö.; Michels, Mhd. Elementar- 
bttch § 74. 



- 25 - 

geswumme : gekmmme RSp. Hier beweisen uns die Reime (auch 
in El und Wi) Fehlen des Umlauts. 
Vor liquid. + mut. 

Im einsilbigen Beim. 

irfult^: schult ESp und Pa je 1 = mal. 

Im zweisilbigen Beim. 

entbornin : zornin El 612 (spricht gegen den Umlaut); neu- 
tral sind forstin : dorstin BSp2 =, forste : torste (conj. präter.), 
: dorste (inf.) BSp und BZ je 1 = mal, irworbe : vortorbe BSp. 
Vor tz. 

Im zweisilbigen Beim. 

nutze : (ge-)schutzeBSp5 = mal, schutzin : nutzin BSp 1 =, 
BZ3 = mal u. s. w. Entscheidung unmöglich: sämtliche Belege 
(auch in El und Wi) sind neutral. 
Vor ck. 

Im zweisilbigen Beim. 

gesmucke (dat.) : rucke (inf.) El spricht gegen den Umlaut. 
Die übrigen Falle sind neutral: (un-)glucke, rucke : (vor-)drucke 
BSp 2 =, BZl = mal, : smucke, : uzgesmucke BSp, stucke : smucke, 
smuckit : ufruckit BSp, stuckin : druckin BSp, BZ, smuckin : 
stuckin B Sp, : vordruckin BZ, uzgesmuckt : gedruckt Pa, bruckin : 
ruckin BSp u. s. w. 
Vor cht. 

Im zweisilbigen Beim. 

fruchte : züchte BSp und zuchtig : tüchtig El (neutral!). 
Vor g. 

Im zweisilbigen Beim. 

Gegen den Umlaut spricht der Beim mogin : gezcogin BSp 
3042; neutral sind mugin : entugin BZ [und trugene ; lugene BZ]. 
El und Wi bieten keine neuen Fälle. 
Vor r. 

Im einsilbigen Beim, 
vor : kor, : vorlor BSp [vielleicht auch köre : vore El]. 

Im zweisilbigen Beim. 

gehorin : geborin (mhd. gebürn) BSp, geborin : vorlorin BSp : 
auch hier scheint der Umlaut zu fehlen. 



— 26 — 

§ 29. 2. ö. 

Nur neutrale Bindungen, forste : torste (conj. präter.) BSp, 
mochte : toclite (conj. präter.) ßZ und El. Entscheidung unmöglich. 

§ 30. 3. «. 

Vor b. grebin : uzwebin KSp 693. 

Vor h und t. Das mhd. trans. vcrb. vorijmsehen, -smähen 
erscheint D == mal in der e-, 1 = mal in der ä-Form : vorsmehin 
RSp 2 =, Pa 4 =, El 3 = mal, vorsmän Wi 1 = mal. Dagegen 
ist das intrans. vcrb. — in üebereinstimmung mit dem Mhd. — 
nur in der ä-Form belegt, so in BSp und Pa je 1 = mal (3065; 
199). — üeber enphet, let u. s. w. vgl. die einzelnen Verba, 
ebenso über die e-Forraen von hän und tuon. 

Vor cht. Für den conj. von dächte und brächte haben wir 
den Umlaut anzusetzen. Beweisend ist der Beim bcdechtin : 
knechtin BSp 968. Neutrale Konjunktivformen begegnen ausser- 
dem in BZ =, Pa 3 = mal im Beim (auch in El öfter). 

Vor m. Für den conj. präter. der Verba „kommen* und 
„nehmen" finden sich nur neutrale Bindungen (BSp 1 =, Pa 

= mal u. s. w.), z. B. quaBme : (ge')n8erae BSp 3722, Pa 667, 
683, 912, 1138, vornsemc : quseinc Pa 450, 1379. 

Vor r. Der conj. präter. von „sein" lautet regelmässig were, 
werin (= mhd. wa?re, waeren). Die Belege finden . sich unter e : st 
in § 23. 

mhd. när, nser. Der Komparativ von nähe, nä lautet bei B. 
ner.(: her) BSp 2 =, El 1 = mal. Entsprechend haben wir für 
den Superlativ (allir-)nest ( : gewest) BZ 1164 und El 428. 
Aehnlich findet sich mhd. swaßr(e), swär nur in der e-Form. Vgl. 
die Belege in §§23 und 24. 

mhd. offenbaere, -bar, -bar (adj. und adv.). Für das 
adj. steht die Form uffinbar im Beim ( : ar BSp und Pa je 1 = 
mal; : är Pa 1 =, El 2 = mal). Das adv. reimt in der Form 
uffinbär(e) in BSp 3 =, Pa 2 = mal. Daneben findet sich 1 = 
mal uffinbere (: ere) BZ 626. — Das mhd. adj. stritbaere reimt 

1 = mal als stritbar (: gar) BSp 2798. 

Für die mhd. sw. verb. offenbaeren, -ären und ge- 
bären, -aßren sind für B. die ä-Formen anzusetzen. So reimt 
in BSp (ge-)uffinbart 3 = mal zu ai*t (ärt), ferner uffinbärin : ärin 



— 27 — 

BSp xind Pa je 1 5=mal, uffinbftre : äre Pa, gebarin : arin (ärin) 
BSp 1111(1 Pa je 1 = mal. (Vgl. dazu noch gebarte : lärte BSp 
4032 und lärtin : gebärtin BSp 38.) — Auch in El stehen uffin- 
bärin und gebärin einige Male im Beim. 

§ 31. 4. oe. 

Im einsilbigen Beim. 

gehört (partic.) : gebort BSp 3 =, Pa 1 = mal, : wort BSp 
2 =y Pa 2 = mal, : vort B Sp 1 = mal, (ge-, ir-) lost (partic.) : 
tröst BSp 1 =, Pa 2 = mal, gehört (paitic.) : kort, : wort, : dort 
El u. s. w. 

Im zweisilbigen Beim. 

gehörin : geborin BSp, fröiich : hölich BSp, aftirköse : böse 
BSp, almösin : gelösin El u. s. w. — Neutrale Bindungen BSp 5, 
BZ 3, Pa 2 u. s, w. 

Die Beime sprechen gegen den Umlaut. 

§ 32. 5. A. 

Die Entscheidung, ob Umlaut eintrat oder nicht, wird hier 
besonders dadurch erschwert, dass wir sowohl für den alten 
Diphthongen iu als auch für A (den Umlaut von ü und iu) die 
Schreibung u haben, u : iu. lüte : hüte (= hodie) BSp 2 =, BZ 1 =, 
Pal=mal u. s. w. [li : uo. lüt (mhd. liite)^ : tut BZ 211.] 
A : fremdem iu, ü. lüte : büte (mhd. biutt«) BSp und Pa je 1 = 
mal, lütin : bAtin BSp 1 = mal (2253). Neutrales A findet sich 
im Beim in BSp 8 =, BZ 3 -, Pa 1 = mal u. s. w. Auch die 
Untersuchung der A-Beime von El und Wi führte zu keiner 
sicheren Entscheidung. 

§ 33. 6. öu. 
Nur wenig Beispiele. Gegen den Umlaut spricht der Beim 
drowe (: gezcouwe) BSp G73; sonst finden sich nur neutrale 
Bindungen BSp 3 =, BZ 1 = mal u. s. w. Urkundlich belegt ist 
allerdings 1 = mal gekoift 17 (= mhd gekouft). 

§ 34. 7. üe. 

Vor b. ue : üe (uo). ubin : hubin BSp, (ge-) ubit : (un-) 
betrubit BSp 3 = mal, (ge-) ubin : betrubin BSp 2 = mal; iu : üe 
(uo) buferie : duberie BSp (34). 



1) Oder = mhd ]iut? 



- 28 — 

Vor g. üe : üe. trüge : sliige ESp, : gefuge Pa, gefuge : 
singe und gnuge : trüge Pa je 1 = mal; üe (uo) : üe (uo). (vor-) 
fugin : gnugin BSp 2 =, Pa 1 = mal; üe : üe (uo). gnuge : fug« 
RSp; üe (uo) : uo. enfuge : geruge EZ. 

Vor r. üe : üe (uo). (ge-, be-) rurin : (vol-, ge-) furin 
ESp 2 =, EZ und Pa je 1 = mal, furit : rurit ESp; üe :iu (ü). 
gefurin : stadmurin Pa (1895). 

Vor 1, n und m. üe : üe. ESp : stule : ummegewule, 
grüne : kune; üe (uo) : üe. sune : kune, rurait : vortumit; : uo. 
blumin : rumin ESp. 

Vor t. üe : üe. gutig : scnftmutig, : demutig ESp; üe :uo. 
gute : gcmute, lehingutin : behutin ESp. 

Vor z. Nur gebuze :fuze Pa (802). 

Der Beim begunde : stunde (conj. präter.) El 515 spricht 
gegen den Umlaut. Im übrigen finden sich in El (und Wi) nur 
neutrale Bindungen. — Urkundlich belegt sind die Formen huner 
3, 4, G, 8, 12, suUin 4 und der Eigenname rudiger 5; in der 
Schreibung fehlt also der Umlaut, ebenso im Akr.: Doringin 11, 
for;itinnen 14. Zu dem ä-Umlaut sind aus dem Akr. noch folgende 
Formen zu erwähnen: bebistin 13; landgrauinnen 15, marg- 
grafinncn 16^). — Die heutige Eisenacher Mundart kennt' 
den Umlaut: horn-hernr, worm : wcrmr, buoch-b6)rr. Weitere 
Beispiele bringt Elex, Beitr. II, 6ff. 

IV) Brechung. 
§ 35. 1. Brechung des i. 

Für mhd. i erscheint e im sing. ind. präs. der Verba nach 
der 3. — 5. Ablautsreihe, der Mundart E.'s entsprechend. 

Im zweisilbigen Beim. 

zemit : bcremit, : vorl^mit BSp, (vor-)sehist : spehist, : vor- 
smehist ESp, : vorstehist EZ, sehit : gehit ESp, EZ und Pa je 
1 = mal, : (vor-)stehit ESp 2 = mal, gesterbit : gesch^rbit ESp, 
: vort^rbit Pa, [geschet], geschehit : [gesmet], gehit ESp, [: ensted 
ESp 2 = mal, : ummeget ESp], (vor-, be-) gebit : vorh^bit, : irh^bit 
ESp und Pa je 1 = mal, : enzc^bit ESp und EZ je 2 = mal. 



^) Ueber den Umlaut in der Sprache R.^s vgl. auch Bechstein, Zu 
Rothes Thüring. Chronik (Germania IV, 473 flf.). 



— 29 — 

phlegist : s^gist Pa, gebäre : gewere, spreche : reche (inf.) Pa. — 
Neutral sind folgende Bindungen: BSp 5, BZ 2, Pa 4. 

Ausserdem haben wir dieses Brechungs-e: 
Vor Dentalen (d, t). 

Im zweisilbigen Beim, 
frede : (nach-)r^de BSp 3 =, BZ 2 ^, Pa 2 = mal, darmede : 
r^de BSp und BZ je 1 = mal, : st^te BZ 1 == mal, setin : statin 
BSp und Pa je 1 = mal, BZ 5 = mal, geledin : st^din BZ 1 = mal, 
betin : statin, irbüde : r^de BZ. Dazu kommen 32 nicht beweisende 
Bcime : BSp 20, BZ 2, Pa 10. 
Vor 1 und b. 

Im einsilbigen Beim, 
wel : sei (anima) BSp, : Israhel BZ, : Ezechiel BSp, spei : 
snel BSp. 

Im zwei- und dreisilbigen Beim. 

obirspelit : qu^lit BSp, speletin ; qu^letin Pa, vele : irzc^le BZ. 
— angetrebin : enzc^bin BZ. — Neutral sind 27Beime: BSp 14, 
BZ 7, Pa 6. 

Endlich kommt das Brechungs-e noch vor: 

Im einsilbigen Beim. 
Vor n. hen : ruben, : vihen Pa. 

Im zweisilbigen Beim. 

Vor g. gekrßgin : anges^gin BSp, legin : phlegin ebend. 

Vor r + cons. dertin : gef^rtin, derte : gef^rte B Sp, wßrte 
gehörte BSp, geberge : f^rge Pa. üeber werkin vgl. e : ii § 22. 

Vor zz. wezze : gelydemezze BZ. 

Das Verbum brengin, das Bahder (Grundlagen S. 188) mit 
ümlauts-e ansetzt (= altsüchs. brengian), ist bei B. im Beim be- 
liebt: e3 reimt zu sicherem e in BSp 9 =, BZ 4 =, Pa 3 — mal, 
auch in El hüufig. — Das für die Sprache unseres Dichters so 
charakteristische Brechungs-e finden wir auch noch in der heutigen 
Eisenacher Mundart; zahlreiche Belege bringt Elex bei (Beitr. I, 
10 ff.). 

§ 36. 2. Brechung des u. 
An Stelle von mhd. u haben wir häufig md. o. 



— 30 — 

Im einsilbigen Beim. 

son ; getan RSp 1 =, Pa 3 = mal, : von Pa, kort : (sprich-) 
wort BSp 2 = mal, gebort : gehört BSp 3 =, Pa 1 =, : vort Pa 
2 = mal, dorst : forst (mhd. vrost) BSp, scholt : geholt Pa. 

Im zweisilbigen Beim, 
vorschozzin (prätcr.) : genozzin (part.) BSp, azkorin (präter.) 
: geborin (part.) BSp, vorlorin (präter.) : irkorin (part.) BSp, 
frome(n) : kome(n) BSp 4 =, BZ 7 =, Pa 2 =, : genomen BSp 
2 = mal, flogin (präter.) i betrogin (part.) Pa, vorlorin (präter.) 
: uffinbäriu Pa, zcogin : plagin Pa. (üeber Fälle wie forste u. s. w. 
vgl. Kap. ni). — Neutral sind in BSp 6, BZ 1, Pa 5 Bindungen. 
Der Brechungsvokal o findet sich ebenfalls noch in der heutigen 
Eisenacher Mundart. (Vgl. Flex, Beitr. I, 11 u. ö.) — Auch in 
den Beimen von Wi und El sind die Brechungsvokale e und o 
häufig. Weiter bestätigen uns B.'s Urkunde und Akrostichen 
die Brechung des i und u : ürk. kerchin 1 , dessc, 2, ] 6, 
ab-, obgeschrebin 2, 17, 18, 19, er 7, erme 7, werdikeid 18, 
gebe (1. sg.) 19, dessin 20; martborn 14. — Akr. Cruzceborg 1 
(ausserdem in Akr. BSp); kerchin 8, desse 10; Doringin 11, 
forstinnen 14, Swarczborg 18, gebort 21. 

V) Weitere vokaltsche Epsebelnanfiren. 

§ 37. Die Verdunkelung des langen und kurzen a in der 
Sprache B.'s wird uns durch die Beime von o : ä und von o : a 
bewiesen. 

1. : ä. 

Bindungen von o : ä sind im Beimschatz unseres Dichters 
ganz gewohnlich. 

Im einsilbigen Beim. 

son : (wol-)getän BSp 1 =, Pa 3 = mal, darvon : getan, : wän 
BSp, spod : täd BSp. 

Im zweisilbigen Beim. 

a) In offener Silbe : (vor-)botin : vorrätin, : bätin BSp und 
Pa je 1 = mal, lobe : gäbe BSp, Pa, (ir-)botin : tätin BSp und 
Pa je 1 = mal, vorlorin : uffinbärin Pa, (ir-, obir-) zcogin ; plägin, 
: wägin Pa 1 =, BSp 2 = mal, uzgezcogin : lägin Pa, geböte, gote : 
rate BZ, gelobit : begäbit, gokorin : uffinbärin, gesoön ; gesläfin 



— 31 ~ 

RZ, böte : rate, globe (= ßelpben) : gäbe Pa, fromin : qnämin Pa. 
— Auch in El häufig : gote : berate, gäbin : lobin, botin : be- 
rätin u. s. w. 

b) In geschlossener Silbe : mochte : brächte Pa. — Akr. : noch 
(=mhd nach) 20. 

Auch die Verdunkelung des langen ä lebt lieute noch im 
Eisenachischen fort (vgl. Elex, Beitr. I, 9 flf). 

§ 38. 2. : a. 
Bindungen von o : a sind seltener als solche von o : ä. In 
RSp, RZ, Pa, Wi und El finden sich nur 2 Belege : vor : gebar 
Pa 61 und daran : darvon £1 2510. 

§39. 3. Kontraktions-ei und t. 
a) ei < ege, age. 
Die md. Dichter reimen eit < eget und eist < egest nur in 
treit und leit, ferner in meide < megede, getreide < getregede 
aber nicht in seit < * seget *). Bei R. nun stehen folgende ei- 
Formen im Reim: treit (3. sg.): wamlilberkeit, : undirscheit, 
: kleit, : wisheit (2 = mal), : frolichkeit, vortreit (3. sg.) : orbeit 
RSp, : frumekeit, : warheit, : girheit, : gerechtikeit RZ u. s. w.; 
geleit (partic.) : sundirlicbkeit, : bebendikeit (2 = mal), : erbeit, 
: kunheit, umme -(ge-)leit : manheit, : inuikeit, hengeleit : suzikeit, 
: girheit, uzgeleit : senftmutikeit, zugeleit : eit RSp, geleit : 
kintheit Pa u. s. w.; der md. Regel gemäss fehlt ein seit (in RSp, 
RZ, Pa, El, Wi); es begegnen. nur die unkontrahierten Formen 
segist (: phlegist) Pa 37, sagit (: geclagit) RSp 3121 u. ö. Neben 
treit und geleit haben wir auch gelegentlich tregit (z. B. : bewegit 
RSp 1341) und gelegit (z. B.: geegit RSp 2206) im Reim. Neu- 
tral ist seinin : begeinin RSp 1006. 

b) Kige (ihe).. 

Häufig steht lit (und Komposita) im Reim (: zit, : sit u.s.w.), 
in RSp 8 =, RZ 1 =, Pa 1 = mal u. s. w. Auch lin (infin. oder 
3. pl.) ist im Reim beliebt (: sin, : min, : din u. ü.), in RSp 2 =, 
Pa 1 = mal u. s. w., :.in (in) RSp 2 = mal; der apokopierte In- 
finitiv 11 reimt zu -i in RSp und RZ je 1 = mal; phlit : -it RZ 



») Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 45, 845 ff. 



— 32 — 

1 =, El 2 = mal, neutral ist lit : phllt RSp 2 =, EZ 1 = mal, 
ebenso zi : fli (< zihe : flihe) ßSp. 

§40. 4. Znr Stammsilbendehnang. 

Im Beimschatze B.'s begegnen häufig Bindungen von kurzem 
zu langem Vokal in offener Stammsilbe, wie z. B. farin : gebärin 
BSp 1988, und zwar vor folgendem b, g, h, r, m und t. Bei- 
spiele: 

Vor b. habe : gäbe BSp 1401, globe (= geloben) : gäbe Pa 1154; 

vor g. frägin : tragin BSp 1016, uzgezcogin : lägin Pa 1867, 
frage : uzsage BZ 568; 

vor h. gesehin : vorsmShin El 1259, slahin : enphähin BSp 901; 

vor r. gebere : beswere Pa 29, heimfarin : wärin El 1670; 

vor m. fromin : quämin Pa 959, El 1227, berßmit : zümit 
BSp 89; 

vor t. gote : berate El 137, bete : rete BZ 842. 

Die übrigen Belege finden sich in §§ 8, 9, 24, 26, 35, 37, 
41, 42^ 46, 48« Diese Erscheinungen legen die Vermutung nahe, 
dass B. die kurzen Vokale in offener Stammsilbe, wenn b, g, h, 
r, m oder t folgten, gedehnt gesprochen hat. Fest steht jeden- 
falls, dass die nhd. Schriftsprache in den angegebenen Fällen — 
ausser vor m und t — die Stammsilbendehnung anerkannt hat^). 

VI) Synkope und Apokope. 

§ 41. 1. Synkope. 

Gegen das bekannte mhd. Gesetz ist unbetontes e (bezw, 
Bothesehes i) nach den Liquiden r und 1 mit vorhergehendem 
kurzen Vokal in grösserem Umfange erhalten geblieben: so reimen 
geborin : gehorin BSp, farin : gebärin BSp, : wärin, : järin, : uffin- 
bärin Pa, heimfarin : wärin El, zugefärin : järin, irkorin : wärin, 
geborin : torin El, werit : gekerit BSp, gekorin : uffinbärin BZ, 
vorlorin : uffinbärin, : torin Pa, BZ; bcvolin : zcoUin Pa. Nach 
diesen Bindungen können wir die Erhaltung des unbetonten Vokals 
in den genannten Fällen auch für die zahlreichen neutralen Beime 
annehmen, wie z. B geborin : vorlorin, bewarin : farin BSp, Pa, 



»; Vgl. F. Vogt in der Festgabe für R. HUdebrand (1894) 8. 157 f. und 
Wümanns, Deutsche Grammatik' I, § 241. 



— 33 -- 

sparin : (ir-)farin RZ,E1; obirspelit : quelit BSp, unvorholin : be- 
folin El, stelit : hellt RZ, speletin : queletin Pa. 

Daneben beweisen uns die Reime den regelmässigen Vokal- 
schwund: geborn ; zcorn RSp,Pa,El, vorlorn : zcorn RZ, Pa, be- 
warn : adilarn RSp, (uz-, un-)gezcalt : gewalt RSp, Pa, begert: 
pferd El u. s. w. — Für den Schwund des unbetonten Vokals 
nach r hinter einer Nebensilbe (also bei der Silbenfolge .L ee) 
sprechen Reime wie andirn : wandirn RSp 2 =, RZ und Pa je 
1 = mal u. s. w. 

In den übrigen Fällen finden sich synkopierte und un- 
synkopierte Formen nebeneinander, ohne dass oft eine Entscheidung 
möglich ist. Sicher haben wir Synkope in Reimen wie nicht : 
gebricht, : spricht, : uzgericht RSp, RZ, Pa, El (bequem und 
häufig!), macht (< ich mac) : swacht Pa u. ä. Sicher haben wir 
weiter Synkope in den Fällen, wo dentaler Stammesauslaut mit 
dem t der Endung verschmolzen ist, also in der 3. sg. ind. präs., 
im präter. und z. T. auch im partic. präter. : spricht : bericht, 
: uzricht RSp, RZ, El, vicht : nicht, : uzricht Pa, RSp, sind : 
bint, : vint RSp, Wi, acht : swacht, : nacht RSp, : macht RZ, 
irmoite : werte RSp, hatte : schatte RSp, : (en-,be-)statte RZ, 
El u. s. w. Häufig stehen synkopierte partic. präter. im Reim; 
und zwar begegnen von deri langsilbigen schwachen Verben nur 
die kürzeren, umlautlosen Formen (Reimbequemlichkeit!). So 
finden wir bei R. häufig Reime wie gestalt (be-, wol-, obil-, un-) 
: alt, : gewald, behaft : geselschaft, gewant, genant, gesand : lant, 
: zuhant, : fand, behut : gut, : mut, : tud u. s. w. — Zu vollziehen 
ist die Synkope in Fällen wie gehörit : wort, gesehen : gesehin, 
wedirstet : vorlehit, vorsten : gehin, sted : twehit, nicht : sprichit, 
gewest : nehest u. ä. — Zweifelhaft bleiben Bindungen wie nennit: 
irkennit RSp, machit : uzsachit RZ, : swachit RSp, schickete : ir- 
quickete Pa, schickte : irquickte El (!), schonte : lönete Pa (!), hou- 
bit : irloubit RSp, gelobit : begäbit (daneben gelobt : begäbt) El u.s.w. 

Das unbetonte e der Partikeln in der Komposition (ge-, be-) 
scheint meistens bei R. gefallen zu sein: indessen bietet uns die 
Schreibung der Handschriften keinen sicheren Anhalt, auch Ur- 
kunde und Akrostichen lassen uns im Stich. Nur soviel lässt 
sich mit Sicherheit sagen: in RSp, RZ und Pa — El und Wi 
bleiben als ganz unzuverlässig in der Schreibung ausser Betracht 

Heiarieb, Studien /u Jubauues Eotbe 3 



— 34 — 

— finden wir gewöhnlich Formen wie glich, gloubin, glucke, gnng, 
gnuge, blibin u. s, w. (für mhd. gelich, gelouben, genuoc, genuoge, 
beliben). • — Auch die lebende Eisenacher Mundart synkopiert in 
den genannten Fällen; Belege finden sich bei Flex, Beitr. I, 
llff. 

Aus B.'s ürk. und Akr. sind zur Synkope folgende Beispiele 
zu erwähnen: ürk.: sullin 4 (= mhd. suln, süln); diese Form 
spricht also für die teilweise Erhaltung des unbetonten Vokals. 
Ferner mit Synkope sime 5, 16, erme 7, eyme 10, 11, 14 und 
sammente Akr. 9. 

§ 42. 2. Apokope. 
Nach kurzen Stammsilben. 

a) Nach 1 und r. 

ale, al. zcal (dat. sg.) : sal (= sol) BSp, zcal (dat. sg.) : sal 
(acc. sg.), zcal (acc. sg.) : mal El; in allen 3 Belegen ist also e 
geschwunden. Ein sicheres ale fehlt. 

ele, el. Die Bt. el und ele sind von einander geschieden, 
vel (= unflekt. no. acc. sg. neutr.) reimt gern zu sicherem el 
(spei, wel) BSp 6 =, BZ und Pa je 2 = mal u. s. w.; dazu 
kommt eine neutrale Bindung in BSp. Daneben steht ole im 
neutralen Beim (BSp 4 = , BZ 3 = mal u. s. w.). 

ole, ol. vol (unflekt. no.) reimt oft zu sicherem ol (BSp 6 -, 
BZ 4 =, Pa 1 = mal u. s. w.); dazu kommen noch einige sichere 
Beime von ol : ol (BSp 4 =, BZ 1 = mal u. s. w.); 2 = mal ist 
ol : ol neutral in BSp. ole begegnet nur in neutralen Bindungen 
(BSp, BZ je 1 — mal u. s. w.). 

are, ar. Das adv. dar {— mhd. dare, dar) reimt wiederholt 
zu sicherem ar, är (BSp 3 =, BZ 2 =, Pa 4 = mal u. s. w.), da- 
neben findet sich dare nur neutral (BSp 2 =, Pa 3 = mal u.s.w.). 
Das adv. gar (= mhd. gar, gare) reimt ebenfalls zu sicherem ar, 
är (BSp 5 =, BZ 1 =, Pa 3 — mal u. s. w.). Daneben steht es 
öfter im neutralen Beim (BSp 1 ==, BZ 2 = mal u. s. w.); ein 
sicheres gare fehlt wieder. Sonst ist noch zu erwähnen: var 
(conj. präs.) : clär BZ, tar (1. sg.): bewar (inf.) El. Die übrigen 
are sind sämtlich neutral (BSp und BZ je 1 =, Pa 2 = mal u.s.w.). 



— 85 — 

■ ' ere, er. . Sicheres er : er (er) ist einige Male belegt (ESp 3 =, 
Pa 2 = mal u. s. w.), dazu kommen vielleicht noch einige neutrale 
Bindungen (RSp, Pa u. El). Die gesetzwidrige Erhaltung des e 
beim Et. ere beweisen uns die Reime gebere : beswere Pa 29 und 
und gere : gemSre Pa 928. Sonst reimt ere nur neutral (ESp 
5 — , EZ 1 =, Pa 2 ^ mal u. s. w.). 

ore, or. Sicheres or haben wir in vor : kor ESp und tor : 
dafor El, dazu stellen sich vielleicht einige neutrale Bindungen 
(RSp 2, Pa 1 u. s. w.); ore ist nur einige Male im neutralen 
Eeim belegt (EZ, El). 

Passen wir das gewonnene Eesultat noch einmal kurz zu- 
sammen: in den Eeimen Eothes. ist 1) die regelmässige mhd. 
Apofcope dos e bezeugt beim Substantivum, Adjektivum, Adver- 
bium und Verbum nach al, el, ol, ar, er und or; 2) die gesetz- 
widrige Erhaltung des e nur für den Et. ere beim Substantivum 
und Verbum festzustellen. 

b) Nach m, n und t. 

ame, am. In der Schreibung findet sich ame nur in dem neu- 
tralen Eeim name : vorgrame (inf.)Wi. Mit apokopiertem e reimen 
licham (ESp 3 =, Pa 1 = mal), schäm (ESp 3 = mal), adverbiales 
alsam (ESp) und gehorsam (acc. sg. Wi). Daneben ist sicheres 
am : am bequem und häufig: (quam : nam u. s. w.!) ESp 6 =, 
EZ 2 =, Pa 25 = mal u. s. w. — Die Apokope ist also bezeugt 
nur für das Substantivum und für das Adverbium. 

eme, em. Der Et. em fehlt; eme findet sich einige Male 
im nicht beweisenden Eeim (ESp 3 =^, EZ 1 =, Pa 2 = mal u.s.w.). 

Der Et. ime, im felilt. 

ome, om. om fehlt ebenfalls; ome ist nicht selten im neu- 
tralen Eeim: (kome : frome!) ESp 1 =, EZ 2 =, Pa 1 = mal u.s.w. 

ume, um. Der Et. ume ist unbelegt; um findet sich 1 = mal 
in stum : pilatum Pa. 

ane, an. Hier finden wir in der Schreibung ane und an neben- 
einander. Die mhd. Präpositon ane, an reimt häufig zu sicherem 
an, an (: man, : getan, : hän, : kan u. s. w.): ESp 53 =, EZ 12 =, 
Pa 12 = mal u. s. w.; ane dagegen findet sich nur in neutralen 
Bindungen (ESp). Das mhd. Adverbium dane, dan reimt ebenfalls 

in der apokopierten Form dan zu festem an, an: ESp 3 =, EZ 1 =, 

. 3* . 



- So - 

?a 2 = mal u. s. w., ein dane fehlt. Sonst ist noch zu erwähnen 
ban (dat. sg.) : man (acc. pl.) Pa, also mit Apokope. 

ene, en. Der Rt. ene fehlt; für en haben wir einige Be- 
lege, z. B. h6n : ruben und : Vihen Pa. 

one, on. Der Rt. one fehlt; rahd. von, vone erscheint bei 
R. als von (van) im Reim zu festem on, 6n RSp 3 =, RZ l =, 
Pa 3 = mal u. s. w. Sonst haben wir noch on in Eigennamen, 
z. B. Salomon : Sampson RSp. 

ate, at. Vom Rt. ate findet sich 2 = mal sicheres ate : äte 
in bäte (mhd. böte) : gerate (inf.), : rate (subst.) Pa 878 und 1 ! 25. 
Ueber sicheres at : ät und at s. S. 15. 

ete, et. Es begegnen die Rt. ete und et. Das mhd. Adverb, 
mit, mite reimt 1) als mete (mede) zu festem -ete RSp 14 =, 
RZ 2 =, Pa 2 = mal u. s. w.; 2) als möt (med) RSp u. Pa je 
1 = mal (ausserdem häufig in El : Elisabet). Daneben haben wir 
noch einige Male -ete : festem -ete (-ete) RSp 2 =, RZ 4 =, Pa 
1 = mal. Die Apokope ist demnach nur für das adv. met (neben 
häufigerem m6te,m6de) bezeugt, üeber sicheres ete:etevgl.SS.23u.2D. 

ote, ot. Der Rt. ote begegnet nur neutral RSp and RZ. 
Üeber ot : 6t u. s. w. s. S. 16. 

§ 43. Nach langen Tonsilben. 

Sicher haben wir Apokope in Reimen wie keiser (no. sg.) : wer 
(— esset), kleyne : steyn (acc. sg.) Pa, sw^r (no. sg. — sweUir) 
: er (= §re) El u. s. w. üeber Apokope iu dÄ Substantivdekli- 
nation und beim Adverbium s. §§ 53, 54 und 56. 

§ 44. Nach Nebensilben. 

Hierfür begegnen in den Reimen R.'s nur wenige neutrale 
Fälle, sodass wir mit Sicherheit nichts feststellen können, so z. B. 
wedele : edele RSp, sehinde : gehinde Pa, trugene : lugene RZ. 



B. Zum Konsooantlsmus. 

I) Zur Lautvepsehlebunfir- 

§ 45. 1. germ. t. 

a. Zusammenfatl von s und 3 (< t). Die aus germ. t ver- 
schobene Spirans 3 ist in der Sprache R.'s mit s zusammen- 



^ 87 - 

cfefallen. Das beweisen uns: 1) die zahlreichen Bindungen von 8:3; 
2) die Schreibungen in R.'s Urkunde und in seinem Akrostichon. 

Zu 1 ). s : 5 im Auslaut. 

bas : (spigil-)glas RSp, gros : (truwe-,erbe-)16s RSp u. 
Pa je 3 = mal, das : was RSp l =, RZ 1 =, Pa 12 ~ mal, : las, 
: gras RSp, : häs[t] RZ, : Judas Pa 2 = mal, bas : was RSp 2 =, 
mues : umniesus, : ValiTius RSp, blos : ßrlös RSp, (her-)Ü3 : (gotis-) 
hüs RSp 3 =, : Tulius RSp 1 =, : Vegecius RSp 4 = mal, : pilatus 
Pa 2 =, : Julius Pa 1 = mal, büs : alsus RSp, has : palas RZ, : was 
Pa, genos : was Pa, (be-)sa3 : was Pa 3 = mal. Auch in El und 
Wi beweisen uns die Reime den Znsammenfall von s und 3 im 
Auslaut, also z. B. vorgas : was, : las, abeläs : was u. s. w. 

SS : 33 im Inlaut. 

vorgessin ; selmessin El, wissin : gedechtenissin El. 

Zu 2). 3 = s : ürk. [elisabeth 2,] sechs 10,11, als (2 = mal) 
17, des (2= mal) 20; Akr. etswanne 2,17. s = 3 fehlt (Zufall?). 

b. ünverschobenes t. 

Unverscllobenes germ. t begegnet in den Beimen R.'s ver- 
hältnismässig selten: kort (: sprich-wort) RSp 134, 662, (: gehört, 
:wort) El 71, 359 und dit (: gesmit) Pa 334. Ein dat fehlt; 
Tgl. die oben für das gegebenen Belege. Der einzige Reimbeleg für 
dit wird gestützt durch ein „dit" im Akr. 19. In RZ, Wi und 
ürk. fehlt ein ünverschobenes t. — Die heutige Eisenacher Mund- 
art hat in d6s (= Rothesch. dit) verschobenes t. Vgl. Elex, Beitr. 
II, 12. 

§ 46. 2. germ. d. 
Anlaut. 

Im Anlaut ist germ. d zu t verschoben: Akr. tochtir 19, tage 
24, 25, tag 29 [tvmherre 6]. In der Urkunde fehlt ein Beleg 
hierfür. (Kürze!) 

Inlaut. 

Inlautend nach Vokal und nach Konsonant stehen ünver- 
schobenes d und verschobenes t nebeneinander. Dies beweist uns- 

1) die Schreibung in R.'s Urkunde und in seinem Akrostichon; 

2) sein Keimgebrauch. 



— 38 — 

Zu 1). . ünverschobenes d: ürk. viscliirstade.6; geldis; (ge. 
sg.) 3. . 

Verschobenes t : genantin Akr. 8, sammente Akr. 9. 

Zu 2). Dass in der Sprache R.'s gerni. d z. T. noch un- 
verschoben war, beweisen uns zahlreiche Reime von t : d (= germ. 
d : J)), die sporadisch neben Reimen von t:t und d:d auf- 
treten. 

Nach Vokal. 

(dar-, her-)mete : (gotis-, un-)frede RSp 8 =, Pa i = mal, 
: (dawedir-)r§de RSp 3 = mal (auch in El), : gelede RSp, lidin 
:strltin RSp 2 = : gezcitin RSp 1 = RZ 2 =- mal (auch in El), 
lidit : stritit RSp, mid in : gezcitin RSp, RZ, stgtiii : r^din RZ, El, 
geledin : statin RZ, r^de : sete, : irbete RZ, : stete El, : mete RZ, El, 
: st^te RZ, frede : säte RZ, gelede : damete Pa u. s. w. 

Nach Konsonant. 

(da-)hintin : findin, : kindin El, Wi, blintin : kindin El, RSp; 
balde : voralte (inf.) RSp, : (ent-)halte (inf.) RSp 2 =, RZ l =, 
Pa= 3 mal (auch in El), bilde : hilte RSp, : milte RZ, El, : her- 
schilte RSp 2 =, felde : gezelte 3 = mal, : gelte (inf.) RSp, (un-) 
saldin : altin RSp, : (ent-, be-, ge-)haltin RSp 1 =,' Pa 2 =, RZ 
4 = mal, (un-)salde : behalte RSp 2 = mal (El), meldin : geltin, 
• bescheltin RSp, meldit : heltit RSp, melde : gelte (subst.) Pa, 
schuldin : gultin, (un-)schuldig : (un-)gedultig RSp, El, vorschuldit 
: dultit RZ, wilde: schilte RSp 3 — mal, golde (subst.) : wolte Pa, 
goldin (adj.) : soltin El u. s. w. 

Auslaut. 

Wie im Inlaut ist auch im Auslaut die Verschiebung des 
germ. d > t nicht durchgedrungen : auch hier stehen d und t 
nebeneinander. 

1) ünverschobenes d : ürk. sted 18, werdikeid 18, sichirheid 

20, Conrad 4, 11; Akr. stad-schriber 3, stad i), behegelichkeid 12, 
land-grauinnen 15. — Zu t verschobenes d : Akr. gebort 21, tvsint 

21, 27, genant Akr. RSp, mit ürk. 18. 

2) Reime von t : d (= germ. d : J)): 

leid : -heit RSp 13 =, R Z 1 =, Pa 7 = mal, (ge-)ward 
[: Bernhart,] : uffinbart, : gekärt RSp, : zcart, : unbewart, : fart Pa» 



-_ a9 — 

El, geled : darmet ESp, smert : daimet Pa, kind : sint ESp 6 = mal 
(El), : blint BZ u. Pa je 1 = mal, feld : gelt ESp, werd : swert 
ESp 6=, : begert ESp, El u. Wi je 1 = mal, bad (subst.) : sat 
ESp, fand : genant ESp 1 =, Pa 2 = mal, :irkant, : vorbrant, 
: hant, : lant Pa, El, damit : lid El, ungedult : Unschuld El, Wi 
u. s. w. 

§ 47. 3. germ. g. 

Auslautendes germ. g (= mhd c) ist in der Sprache unseres 
Dichters als Verschlusslaut anzusehen: es hat sich also noch nicht 
zur Spirans entwickelt. Das beweisen uns die Eeime von (inlaut.) 
g:(inlaut.)k — ein Eeim von g : ch fehlt — , das beweist uns 
ferner E.'s eigene Schreibung g (seltener c) für germ. g im 
Auslaut. 

Solche Eeime von g : k finden sich sporadisch in ESp, EZ, 
Pa, ElundWi : gesrauc : ungefug ESp, : trug EZ, danc : twang 
ESp, Pa, werc : Babinberg ESp, kranc : bedräng (subst.) EZ, : rang 
Pa, gec : enweg EZ, tranc : muzeggang EZ, irschrac ; lag Pa, 
gesraac : tag Pa, irtranc : lang Pa, danc : angefang Wi, sang (verb.) 
: danc, gesang (verb.) : gedanc El, berg : werc, tag : irschrac, ge- 
stanc : drang El u. s. w. ^). 

Aus E.'s Urkunde und seinem Akrostichon sind noch folgende 
Belege hinzuzufügen: 

ürk. Schilling 9, 14, 16, teig-scherre (Eigenname) 6; iclichis, 
iclicher 5, 7, ewiclichin 19. Akr. Cruzceborg 1 (auch in Akr. ESp), 
Swarczborg 18, zwenzcig 22, tag 29. 

§ 48. 4. germ. b. 

Spirantische Aussprache des inlautenden germ. b ist uns 
durch die Eeime von f (v) : b gesichert, die sporadisch bei E. be- 
gegnen : 



*) In El findet sich V. 3438 schoinbar ein Reim von g : oh in lag : sprach, 
der aber als unrothisch zu beseitigen ist. Der Zusammenhang macht es 
zweifellos, dass R. lag : pflag gereimt hat (vgl. auch V. 3264 lag : pflag). 
El 3438: 

Dyselbige fraw nicht ferne lag 
Desselben gebets sy euch „sprach" (I). 



— 40 — 

grßvinruzw^bin RSp 693, hüvin (Hnfen) : ubin RSp 2199, 
hofe : lobe RZ 784, büferie : düberie RSp 34, swävil : nebil Pa 
1652, nevin : gegebin Pa 369 (in El u. Wi unbelegt). 

Für den Auslaut fehlt ein beweisender Reim von f : b. — 
Aus Akr. ist noch zu erwähnen: schreib 9, also mit Ausbleiben 
der Verhärtung des ausl. b > p. 

II) Sonstige konsonantische Ersehelnungren. 

§ 49. 1. ht:cht. 

Für mhd. ht ist bei R. die Schreibung clit durchgeführt: dem- 
gemäss wird altes ht zu cht gereimt: 

mäht : gemacht RSp, zcweitraht : gemacht Pa 2 = mal, gealit 
(ge-)macht RSp 3 = mal, niht : (ge-)bricht RSp 12 =, RZ 1 = mal 
u. s. w., : spricht RSp 8 =, RZ 2 = mal u. s. w., ahte : machte 
RZ, Pa, irtraht(e) : macht(e) RZ, Pa, riht : spricht RZ, naht : 
entwacht, nahtin : bewachtin, mäht : swacht, riht : irslicht Pa, ge- 
macht : naht El, machte : ahte El, niht : gebrieht Wi u. s. w. 

Entsprechend schreibt R. für mhd. hs „chs". Aus Urk. und 
Akr. sind folgende Belege beizubringen: 

ürk. fastnachthuner 3, 6, achte 3, vastnaclithucn 7, 9; sechs 
(sechs) 8, 10, 11; Akr. dirlvchtin 13, 14, tochtir 19, godcclite- 
nissis 19, voUinbracht 20. 

§. 50. 2. Ausstossung eines h. 

a. Zwischen Vokalen. 

mhd. naeher und na^hest reimen bei R. als ner (: her RSp 
893, 1957 und El 1893) und nest (: gewest RZ 11G4; allirnest 
: gewest El 428). — üeber Formen wie van (< vähen), gesehen 
(< geschehin), geschiet (< geschihet) u. s. w. vgl. die einzelnen 
Verba § 55 und dazu § 57. 

b. Nach 1. mhd. bevelhen steht als befelin im Reim, so zu 
stelin RSp 2121; weiter befolin (: zcoUin) Pa 1194, (: unvorholin) 
El 688, beval (: obiral, : zcal) El 3200, 39GG. 

c. Zwischen r und t. 

mhd. vorhte reimt als forte (: werte) RSp 2866, fortin (: wortin) 
RSp 1994, 2926, (gotis-)f ortin (: wortin) EI 65, 2358. 



- 41 ^ 

d. Im Auilaut. 

mhd. hoch = liö, so reimt hö zu festem 6 (: zwo, ; dö, : also) 
BSp 601, 182«), 3573, hö : also Wi 54, hölich : frölich RSp 1989; 
nä (:dä) El 334, 1700, 4001, mhd. nähe, iiä; mhd. schuoch reimt 
als scliü (: darczu) Pa 1 873. 

§ 51. 3. Metathese des r. 

Vereinzelt findet sich Methathese des r : forst (= nihd. vrost, 
: dorst) RSp 3750, derte (= mhd. drite, : gef^rte) RSp 140->, El 
4002, dertin (: gefgrtin) RSp 690, eiitbornin (: zcornin) El 612. 



C Giiarakterlstlscbe Formen einzelner WOrter und 

Wortblidnngssoffixe. 

I) Substantiva. 

§ 52. mhd. herre, herre. Die Rothesche Form für das 
mhd. l.erre, herre = dominus ist liere. So reimen here, herin stets 
zu -ere, -erin : here ; beswere RZ, : meiere Pa; (banir-)herin : erin 
RSp 1 =, RZ 2 =, Pa 1 = mal, : kerin RSp u. Pa je 1 =, : ge- 
merin RSp 1 =, : lerin Pa ! = mal. Auch in El reimt herin 
(und Komposita) stets zu sicherem -erin (bezw. -jerin), so 456, 
716, 758 u. s. w. In Akr. begegnen tumeherre 6 und herin 21; 
bei letzterem schwankt Bech zwischen herin und herrin; die 
Formen here und herin sind aber zweifellos für R. das Richtige; 
in dieser Hinsicht ist also das Akrostichon noch zu berichtigen : 
tumehere 6 und (sicheres) horin 21. 

mhd. lere (=doctrina). Neben lere, 1er stehen auch läre, 
lär im Reim : Jer : lerer, : Romer RSp, : mer Pa, lere : beswere RZ 
: were, : sere Pa, ; ere El, lerin (dat. pl.) : erin RSp; neben diesen 
8 e = Formen haben wir 6 ä = Formen : läre : uffinbäre RSp, Pa, 
: järe El, lär : dar RSp 2 =, : jär Wi 1 = mal. 

mhd. saelde. Das mhd. st. f. saelde erscheint in der um- 
lautloseu Form saldo : so reimt saldo im ganzen 1 1 = mal zu 
festem a : (un-)salde : behalde RSp 2 =, El 1 = mal, (un-)saldin 
: (be-, ge-, ent-)haldin RSp 1 =, RZ 4 =, Pa 2 = mal, : aldin RZ. 

mhd. jugent, tugent. Für mhd. jugent und tugent scheint 
R. jogunt und togunt gesagt zu haben; beide Wörter begegnen 



— 42 — 

allerdings nur in neutralen Eeimen in RSp 5 =, RZ, El und Wi 
je 1 = mal 

mhd. licham. Die Rothesche Form ist wohl licham (: quam, 
: gehorsam, : gram) RSp, (: genam) Pa; daneben einmal zu hän 
El (3839); ein entstelltes lichnam ist nicht sicher nachzuweisen; 
leichnam findet sich in der ganz unrothischen Schreibung von El *). 

Das Suffix -nisse, -nüsse. 

Im Reim steht das mehr md. -nisse; obd. beliebtes -uüsse 
fehlt: so haben wir bekentenisse (.-gewisse) RSp "2775, liepnisse 
(: gewisse) RZ 560, gedechtenissin (: wizzin) El 1972; dazu „ge- 
dechtenissis" AJkr. 19. 

Das Femininsuffix -inne, -in, -in^). 

Häufig steht sicheres -inne im Reim : eselinne (: anbeginne) 
RSp 531, koniginnin (: gewinnin) Pa 397, 492, kouiginne (: ge- 
winne) El 857, forstinne (: sinne) El 882, marggrafinnc (: gewinne) 
El 1730, landgrafinnin (: beginnin) El 1775, bürinne (: sinne) 
El 2999, dinerinne (: sinne) El 3504 und herzcoginne (: gewinne) 
El 4080. 

Diese Belege für -inne werden durch folgende Formen aus 
dem Akrostichon gestützt: forstinnen 14, landgrauinnen 15 und 
marggrafinnen 16. — Den 13 sicheren Substantiven auf -inne 
steht nur ein sicheres Feminimum auf -in gegenüber : mithelferin 
:in') El 985; neutral bleiben folgende 5 Reime: landgrauinne 
: forstinne Wi 113; landgrauin : sin (dat. sg.) El 899, 1295, 1690 
und Wirtin : sin (dat. sg.) El. 2648. Für die letzten 4 Belege aus 
der schlecht überlieferten „Elisabeth'' werden wir wohl annehmen 
dürfen, dass unser Dichter landgrauinne : sinne u. s. w. gereimt hat. — 

Ergebnis: R. gebraucht gewöhnlich das Femininsuffix -inne 
im Reim; -in (-in) ist daneben selten. 

Die Deminutivsuffixe -lin und -chin. 

Im Reim steht ausschliesslich das sonst mehr obd. Deminutiv- 
suffix -lin (Reimbequemlichkeit!) : buchelin(: min) RSp, kindelin 



*) licham : -am ist Kriterium für Franken. Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 
45, 97 ff. 

>) Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 45, 78 flf. 

■) üeber langes in in der Sprache R.'s vgl. § 54. 



— 43 — 

(:mln) Pa,- (sin :) bnchelln ESp 1 =, : fingirlln 4=, (rubin :) 
wengelin 1 = mal, tochtirlin (: sin), fingirlln (: min), (: sin) El. — 
Ausserhalb des Beims finden sich -lin und -chin nebeneinander : 
und zwar begegnet in ESp nur 2 = mal -lin in fingirlln (ein 
-chin fehlt), in Pa dagegen nur -chin (in knechtchin, ledichin^ 
kindichin, körschin, stuckichin u. s. w.), [hier fehlt ein -lin]. In 
El stehen -lin und -chin ausserhalb des Eeims nebeneinander, so 
haben wir tochtirlin, kindelin, fingirlln, gebetlin, lemlin neben 
lidichin, bildichin, gebetichin. - In BZ und Wi fehlen sowohl 
-lin als auch -chin (innerhalb und ausserhalb des Beims). 

ü) Ac^ektlva. 

§ 53. 1. Dass B. bei den Adjektiven des Stoffes auf -in die 
volle Endung bewahrt hat, beweist der Beim silberin : fln Pa 340 
(in ESp, BZ, El und Wi ist ein solcher Beim nicht belegt). 

2. -lieh, -llch^. 

In den Eeimen unseres Dichters sind das unflektierte Adjek- 
tivum und das apokopierte Adverbium auf -lieh zusammengefallen, 
sodass wir sie hier zusammen behandeln wollen^). 

Ich unterscheide: 1) selbständiges glich, teils unflektiertes 
Adjektivum, teils gekürztes Adverbium. 2) -lieh (in der Kompo- 
sition), teils unflektiertes Adjektivum, teils gekürztes Adverbium. 

Dieses glich nun und ebenso -lieh reimen 1. zu sicher kurzem 
-ich (wie ich, mich, dich, sich): 

1) glich, unglich:sich ESp 101, 1086, 3949, Pa 310, 
EZ 255. 

2) gemelich : dich ESp 327, lobelich : sich ESp 3168, (un-) 
gewonlich : sich ESp 3543, El 1791, eigintl ich : mich Pa 1459, 
unerlich : dich ESp 1042, sichirlich : ich, : mich, : dich ESp 3971, 
El 1245, 2191, 3617, jemmirlich : sich, : mich Pa 23, 1901, El 342, 
unsubirlich : sich Pa 543, sundirlich : sich Wi 99, swerlich : sich 
El 3346, heimlich : mich El 1237, barmiglich, inniglich : tnich, 
:dich El 3155, 3422. 



*) Ich setze im folgenden absichtlich keine Längezeichen. 
') Denselben Zusammenfall hat Zwierzina für die md. „Erlösung" nach- 
gewiesen. Z. f. d. A. 45, 84. A. 5. 



— 44 - 

2. Schwanken könnte man znnachst in Bezug auf folgende 
Bindungen von -lieh ; -rieh (in der Komposition): 

Zu 1). glich : franckriih Pa 597, El 15'>.'i, Wi '215, : konij,nich 
RZ 790, : Ostirrich El 207, : crdrich El 270, 451, Wi 54, : Heinrich 
El 2144, 2228, 3874. 

Zu 2). gemelicü : franckrich RZ 1 106, suhirlich, gemechlich 
: Ostirrich El 1758, 2270, weltlich : erd rieh El 1070, adelich 
: Fridcrich El 38(>7. — Indessen -rieh in dm* Komposition ist bei 
R. überkriegend auf Kürze gereimt, nämlich ertrich (d;it. sg.) : sich 
RSp 222, Ostirricli (dat. sg.) : sich El 297, 18:i7, Friderich (no. sg.) : 
sich El 10, 2108, Heinrich (no. sg.) : sich El :52, 351, 248G, 4070. 
Diesen 9 sicheren Bindungen von -rieh in der Komposition zu kurzem 
-ich können wir in*RSp, RZ, Pa, El u»d Wi nur 2 Bindungen 
von Kompositions -rieh : langem -ich gegenüber stellen in himilrieh 
:tich RZ 113 und Ostirrich : tich Pa 1655»). 

Demnach ist auch für die unter 2. gegebenen Belege Kürzung 
des i in glich und Kompositions-lich d:is Wahr^choinlirhtie (und 
weiter auch für die zahlreichen neutralen Bindungen). 

Ergebnis: R. reimt glich und -lieh (in der Komposition), 
beide teils unllektiertes Adjoktivum, teils apokopiertes Adverbium, 
überwiegend zu sicherer Kürze, viellcii ht daneben auch selten zu 
Lange. 

Von den 5 Klassen, die Zwierzina für adj. -lieh, -lieh auf- 
stellte, haben wir unseren Rothe in die 1. Klasse zu stellen: „-lieh 
ohne Nebenform (meist alemannisch und rheinfränkisch).'^ Denn 
wir haben überwiegend sichere Kürze in -Hch, aber keine einzige 
sichere Länge. R. stimmt also in Bezug auf den Reimgebrauch 
von -lieh überein mit Albert, M. Himmelfahrt, Herb., Eraclius, 
Erlösung u. s. w. (Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 45, 89). 

III) Advepbla. 

§ 54. -liehe, -liehen. Neben -lieh ist die Rothesche Form 
des Adverbium -lichin (selten -liehe). So reimt demutlichin : richin 
Pa 992, sichirlichin : desglichin RSp 111)3, hochferticlichin : glichin 
RSp 1098, teglichin : derglichin, zeitlichin : entwichin, raanig- 



*) Ein selbständiges Substantivum rieh, das Reich und ebenso ein Ad- 
jektivum rieh fehlen in den Reimen R.'s ganz (RSp, RZ, Pa, El, Wi). 



- 46 - 

feldiglichin : richin, [hertiglichin : Heinrichin] El 1 155, 2416, 2778, 
2877; daneben haben wir einmal ewicliche : gerithe Pa 1361). — 
Der Verl*, der g. Frau, der des Servatius und Konrad von Würz- 
burg wechseln ähnlich wie R. im Adv. auf -liehen und -liehe ab'). 

adv. in, in-). Die meisten Dichter gebrauchen das Prä- 
positionaladverb in kurz, so schon Otfried, dann Hartmann, Fleck, 
Budolf von Ems u. s. w. Wolfram dagegen kennt nur langes in, 
ebenso Franken und Rheinländer. Einige Alemannen wechseln 
zwischen m und in. Bei R. nun reimt das adv. in (von einem 
neutralen Fall abgesehen) stets zu sicherem -in, in RSp, RZ, Pa, 
El (und Wi) zusammen 33 = mal : (hir-, dar-, hin-)in ; (vvedir-) 
schin RSp 2 =, : sclirin Pa 1 =, : sin (inf., pron.) RSp 6 =, 
RZ 2 =, Pa 1 =, El 10 = mal, : pin RSp 2 =, : win RSp u. El 
je einmal, : lin, : Augustin RSp, : Katherin El 2 = mal, : rin 
Pa 2 =, : swin El 1 = mal; neutral bleibt in : mithelferin El 
(aber auch hier ist in : -in das Wahrscheinlichere)^). 

Sit, sint und sider. Es stehen nebeneinander im Reim: 
sint und .-edir, so sint (: kind) RSp 1459, El 2C47, 2952, (; se- 
gilwint) Pa957; sedir (: wedir) RSp 555, Pa 20, 1725. Ein sit 
fehlt. — sint ist nach Zwierzina die md. Form, wird aber z. B. 
im Nib.-L. neben sit und sider verwandt. Bei Herbort und 
Ölte stehen sint und si<ler nebeneinander im Reim, während sit 
selten ist*). 

schier, schiere. Für das mhd. Adverbium schier, schiere 
gebraucht R. die Formen scher, schere und schir, schire neben- 
einander im Reim; jedoch überwiegen die e- Formen (Reim- 
bequemlichkeit!); scher : mer RSp 199, Pa 642, schere : lere 
ESp 1898, : ere RSp 39u0, El 1045, 3207, : raere (= mhd. m«re) 
Pa 35, : were Pa 1200, 1485, El 393, : predigere El 4038, scher: 
wer (= esset) El 315, 999; daneben schir : mir Pa 515, 915, 
1512, Wi 135, : ir El 1936 [schire : Tryre Wi 202]; neutral 
sind schir : vir El 22, : tir RSp 623, : panir 3717 (vielleicht 
scher : ver u. s. w.). 



») Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 45, 94 ff. 

■) Vgl. Zwierz., a. a. 0., S. 71 ff. 

') Ein dat. drin ('= tribus) ist nur einmal belegt: drin : dahin El 1028. 

*) Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 4j, 96 f. 



— 46 — 

sus-,' sust. Häufig wird das bequeme adv. sus, alsus im 
Reim vorwandt, daneb,en steht selten sust; die Form sunst, die 
sonst noch im Mhd. begegnet, fehlt, sus, alsus reimt 28 = mal 
zu sicherem -us (RSp 1 1 =, BZ 2 =, Pa. 10 =^, El 5 = mal), da- 
neben haben wir nur 4 = mal sust, alsust : -ust (ßSp, ßZ, Pa 
und Wi je 1 = mal). — Besonders gern reimt (al-)sus zu der 
lateinischen Endung -us (: Gregorius, : Boecius, : Pilatus u. s, w.) 
in ESp 10 ^^, RZ 2 =, Pa 10 =, El 5 = mal (Reimbequemlicji- 
keit!). Ausserdem finden wir 1 = mal ummesus : muez RSp 1445, 
alsust, ummesust reimt zu vorlust RSp 2899, : brüst RZ 202, 
: must Pa 1222 und : lust Wi 129. 

mit, mite. Das mhd. Adverbium mit, mite wird in den 
Reimen R.'s wiedergegeben durch m6d, mede (bezw. met, mete). 
Es begegnet häufig in Zusammensetzungen wie darmede, liermede 
u. a. mede (mete) steht 26= mal im Reim (RSp 14 =, RZ 2 =, Pa 
2 =, El 8 = mal), med (met) nur 12 = ynal (RSp, Pa je l = mal, 
El 10 = mal, : Elisabet!). — In R.'s Urkunde lesen wir einmal 
„mit" (18). — Vgl, auch SS. 23 und 29. 

gar, gare und dar, dare. Die Adverbien gar, gare und 
dar, dare reimen als gar und dar zu festem -ar und -är. gare 
und dare finden sich nur in neutralen Bindungen, auch ein 
garwe^) ist unbelegt. Im übrigen vgl. § 42. 

IV) Verba. 

§ 5[). län, läsen (und Komposita). Für den infin. be- 
gegnen län und läzin (bezw. apok. läze) nebeneinander: so (abe-:, vor-) 
län : daran RSp 2 =, : man Pa 1 = mal; daneben (ge-)läze : mäze 
RSp 4 =, : gesäze 1 = mal, : sträze RZ 2 =, Pa 1 =, El 1 = mal, 
vorläze : sträze El, läze : sloze RSp, El, geläzin, läzin : geäzin Pa, 
: vormäzin El. — Die 3. sg. ind. präs. lautet mit Umlaut let 
(oder „zerdehnt" lehit): let : slet RSp, (vor-)lehit : gehit RSp, 
: vorstehit RZ, : wedirstet Pa. Die 3. sg. conj. präs. ist einmal 
belegt in vorläze : vorwäze RSp 3918. — Das partic. präter. reimt 
1 = mal in der unkontrahierten Form irläzin : vorwäzin RZ 658. 
Das präter. endlich bogognet 7 = mal in der Form liez, liz im 
Reim, so liz : hiz Pa 13, 146G, El 1748, 1987, 2308, : anblies 



») Vgl. Zwierz. Z. f. d. A. 45, 1 flf. 



— 47 — 

El 400, ": vordriz 1875 ; ein präter. . lie' — die gew. mhd, Form 
— ist unlyelegt ^). Den conj. präter, haben wir in lize : vordri^e 
(inf.) El 1261. ; 

kerte, lerte (und Komposita). Für das präter. erscheint 
md. lärte, lärtin im Reim (: gebarte, : gebartin RSp), daneben 
einmal kerte (; werte Wi 1 58). Das partic. präter. reimt 11 = mal 
in der ä-Form, daneben einmal in der e-Form: (ge-,vor-)kärt : 
(bG-)wart BSp 2 =, : art 1 =, : hochfart 2 =, : raerfart El 1 = mal; 
gelärt, ■ wolgelärt : art RSp, RZ, : (ge-)uffinbart RSp 1- ==,: El 
2 = mal. Neutral bleiben (ge-, vor-^ be-) kärt : (wol-)gelärt RSp 
2 F=, El 1 = mal. Neben wolgelärt findet sich 1 = mal wolgelerft 
(: unbeswerit RZ 543). In der Pa ist keine der genannten Formen 
belegt (Zufall!): die Infinitive kerin und Ißrin dagegen begegnen 
(auch hie^O häufig (547, 589, 691 u. s. w.). . . 

entseben. Folgende Formen stehen im Reim: enzcebit ; 
(vor-)gebit RSp 2 =, RZ 1 = mal, : irhebit RSp^ enzcebin (3. pl.) 
: vorhebin RSp, : beschrebin Wi, enzcebin, enzcebe (inf.) : getrebin 
RSp, : üfhebe Pa; das präter. heisst enzcub (: irhub Pa, enzcu- 
bin : uzgrubin Pa), ein entsebete (entsebet) fehlt. Das partie. 
prätor enzcabin reimt zu (ir-)habin RSp 3 =, Pa 1 =, : getragin 
RSp 1 =, : grabin Pa 1 = mal. 

sagen (and Komposita). Neben den häufigeren Formen 
mit a stehen auch e-Formen (mit Analogieumlaut) im Reim: und 
zwar reimt im ganzen sagin (und Komposita) 41 = mal, (RSp 
4, RZ 5, Pa 9, El 22, Wi 1), daneben sqgin (und Komposita) 
15 ■-= mal (RSp 9, RZ 1, Pa 3, El 2). Ich führe nur die Belege 
für sogin an: (ange-, wedir-, uz-, nach-)segin : gekregin RSp 1=^, 
: (ge-)phlegin RSp 3 =, El 1 =, : (ir-) wegin RSp, RZ, : fegin 
RSp, : undirwegin Pa, El, : gelegin Pa, gesegit : angelegit RSp, 
sogist : phlegist Pa; enzcegin : degin und : undirwegin RSp. 

schämen. Die R. geläufige Form ist schemin, es begegnet 
15 = mal im Reim, daneben steht nur 2 = mal schamin (in RSp). 
So haben wir scheme(n) : nerae(n) RSp 5 =, RZ 2 =, El G = mal, 
schemit : vorfemit RSp, schemin : Bremin El. 

suln, süln. In der 2. sg. ind. präs. reimt einmal das md. 
Salt (: gostalt Pa); in der 3. stehen sal und sol nebeneinder : sal 



*) Fast nur liez hat Wolfram im Reim. Vgl. Michels, Mhd. Eiern. 
§227A. 



- 4ö - 

: abefal RSp 1 =, : kal 1 =, : obiral 3 =, : zcal 1 = mal, : alzcu- 
raal BZ. Daneben sol : wol ESp 4 =, BZ u. El Je i = mal. 
Der plur. piiis. ist nur in der Urkunde als „sullin*' (4) bele^'t. 
Das Präteritum lautet solde, soldit, soldin. So solde : golde BSp 
3 =i : wolde El 2 =, soldit : woldit Pa 1 =, soldiu : woldin Pa 

1 =, El 2 =, : goldiu El l = mal. 

wellen. Von „wollen" sind durch den Beim festgelegt die 
Formen wel (= mhd. wil) für die 1. und 3. sg. ind. präs. und 
wolde, woldit, woldin für das Präteritum; der plur. piäs. fehlt. 
(BSp, BZ, Pa, El, Wi, ürk. und Akr.) 1. sg. w6l : vel RSp; 
3. sg. wel : sßl BSp l ==, : vel BSp, BZ, El und Wi je I = mal, 
: (seitin-)spel BSp2=, : Ezechiel l =, : Israhel BZl =mal. — präter. 
wolde (wolt) : golde Pa, : solde (: holt, : solt) El G = mal, woldin : 
soldin Pa 1 =, El 2 = mal, woldit : soldit und wolde : wolde (!) Pa. 

hän, haben. Für den ind. präs. sind die herrschenden 
Formen hän, häs[t], hat, hän, für den infin. hän. Daneben kommen 
sporadisch Formen mit b vor. Dreimal begegnet für die 3. sg. ind. 
präs. die (thüringische) Form het im Beim. Das präter. lautet hatte, 
hattin (ind.) und hette (conj.), das partic. präter. gehät. — hän 
(1. sg.): man BZ, Pa, : dan BZ, : volusian, : vespesian Pa, : -an, 
: -an El 3 =, Wi 1 = mal; häs[tj (2. sg.) nur einmal in häs : daz 
BZ 960; hat (3. sg.) : stad BSp 8 -=, BZ 8 ==, Pa 5 = mal, 
: (un-,misse-)täd BSp häufig (617, 1453, 1893 u. s. w.), Pa l = 
mal, : sad BSp, BZ, : mad BSp, : räd BSp, : -at, -ätEl 1 1 = mal; 
hat (2. pl.) : -at El 1 = mal; hän (3. pl.) : an BSp 4 =, BZ 1 =- 
mal (gehän), : kan BSp 2 =, : enphän 1 =, : man BSp 3 =, BZ 
3 =, Pa 1 = mal, : dan, : wän BSp, : wolgetän BZ, : -an El u. 
Wi je 1 = mal. het (3. sg. ind. präs.) : nazareth Pa 1239, : 
Elisabeth El 2630, 3823. — hän, gehän (inf.) : man BSp 5 ^, 
BZ 7 =, Pa 4 = mal, : an BSp 7 =, BZ 3 =, Pa i> = mal, : getan 
BSp 2 =, Pa 1 = mal, : kan BSp 5 =, : undirtän, : vorstän BZ 

2 + 1 = mal, : Judan Pa, : -an, -an El 19 — mal. — präter. ind. 
hatte : schatte BSp 1 =, : (en-)statte BZ 2 =, Pa 1 =, : (be-) 
statte El 7 = mal, hattin : (be-,ge-)stattin El; conj. hette : 
obiltette (subst.) Pa. — Das partic. präter. steht 3 = mal in der 
kontrahierten Form im Beim : gehäd : -at Pa 848, El 1516, 3057. 

Neben den kontrahierten Formen von „haben** finden sich 
folgende Formen mit b: 1. sg. ind. präs. habe : -abe J]l 2 = mal, 



— 49 — 

3. eonj. (ge-)habe ; abe RSp 1 =, : gäbe BSp 2 = mal, 1. pl. 
habin : begrabin Pa, 3. pl. : stabin RSp. — inf. (ge-)habin : (be-) 
grabin BSp 4 =, BZ 1 =, Pa 2 =, : -abin El 3 = mal, : enzcabin 
BSp u. Pa je 1 = mal, (ge-)habe : abe BvSp 4 =, Pa 2 =, 
El 2 = mal, : snabe BSp, habin : stabin BZ. Urkundlich bezeugt 
ist zweimal „ich habe" (17, 18). 

beginnen. Von beginnen ist zu erwähnen, dass neben dem 
starken Präteritum began, begunnin auch das schwache begunde, 
begundin im Beim steht. Ein begunste, begonste, das sonst auch 
im Thüringischen begegnet, fehlt, began : zcuvoran El 2396, : 
gewan Wi 205, begunnin : gewunnin BSp 253; begunde : -unde 
BSp 2364, El 95, 515, 3605, begundin : -undin Pa 138, El 2578, 
3440. Das partic. präter. reimt regelmässig als begunnin 
(: sunnin BSp 1590, 3295, ; kunnin 2822). 

kunnen, künnen. Die 1. u. 3. sg. ind. präs. kan steht 
häufig im Beim (: man, : an, : dan u. s. w.). Von den übrigen 
Formen sind belegt : die 3. pl. ind. präs. kunnin (: be-, ingunnin 
BSp, ebenda : unvorsunnin, : ingewunnin, : besunnin BZ); 3. conj. 
präs. kunne (: gunne BSp neutral!). Das präter. lautet künde, kundin 
(: stunde Pa; : obirwundin, : fundin BSp, : stundin l*a 3 = mal; : 
-unde, : -undin El 11 = mal); conj. künde (: frunde BSp 4==, : 
gunde Pa 2 = mal). 

turren, türren. Belegt ist nur die 1. sg. ind. präs. tar 
(: bewar) El 2802 und das präter. torste (: forste) BSp 722. 

megen, mugen. Häufig reimt die 1. u. 3. sg. ind. präs. 
mag (: tag, : slag u. s. w.). Die 2. sg. steht zweimal im Beim: 
macht : swacht Pa 1276, : nacht El 3562. 

Von den übrigen Formen sind belegt: die 3. pl. mogin (: ge- 
zcogin) BSp 3042 und (: entogin) BZ 990 (neutral!). 

Den ind. präter. haben wir in mochte : brachte Pa 85, : tochte 
El 1024, vormochtin : tochtin El 2249, den conj. in mochte : tochte 
BZ 1178, El 2993, Wi 142. 

komen. Von dem Verbum „kommen" ist zu erwähnen, dass 
für das Präteritum die spezifisch md. Formen quam, quämin (: nam, 
: gram, : gezcam, : nämin mit Kompos. u. s. w.) ausschliesslich 
im Beim stehen. Der Infinitiv und das Partizip. Präter. heissen 
regelmässig komin. 

Heinrich, Studien zu Johannes Rotbe. 4 



— 50 — 

tuon. Von „tun" reimen häufig die Formen tut (3. sg. ind. 
präs.) und tu (apok. inf.), auch das partic. präter. getan. Belege 
finden sich SS. 19 und 27. 

Vom Präteritum sind die 3. pl. ind, tätin, die 3. sg. ind. töte 
(tet) und die 3. sg. conj. tßte zu erwähnen : tätin : (ir-)botin 
RSp,Pa, : brätin RSp, : (ge-)rätin RZ. — tete (t6t) : gebete (ge- 
bet) El 4 = mal; t§te : spete, : selgßrete, : bete El, : geb6te, : ge- 
trete, : vorsm§te Pa. 

sin, wesen. Die regelmässigen Formen bist, ist (auch ürk. 
u. Akr.), si (3. conj. präs.); was, wärin; w6re und wßrin stehen 
häufig im Reim. Für die 3, pl. ind. präs. reimt gewöhnlich die 
mhd. Form sint (: kind, : wind, : vind u. s. w.) RSp 10 =, RZ 5 =, 
El 6 = mal, daneben begegnet aber 3 = mal md. sin (Analogie 
nach dem conj.) in sin : Augustin, : hirin RSp 2291, 4105, : in 
El 2729. Der Infinitiv reimt als sin (bezw. apok. sl) in RSp 
etwa 35=, RZ etwa 10=, El etwa 30= und Pa 5 = mal, da- 
neben steht 4 = mal wesin (: gelesin RSp 397, 2606, Pa 293, 
: genesin El 1073). Das partic. präter. heisst gewest' (md!) (: ge- 
brest RSp 3897, : allir-nest RZ1164, El 428, : fest Pa 2032). 

gunnen, günnen. Belegt sind die Formen gan, gunne 
und ^unde. So reimt gan (3. sg. ind. präs.) : kan RSp, : hän El, 
gunne (conj.) : kunne RSp (neutral!); gunde (conj. präter.) : künde 
Pa 2 = mal (ebenf. neutral!). 

müesen. Es findet sich die 1. u. 3. sg. ind. präs. muz 
und die 2. sg. must. So reimt muz : ummesus, : Valerius RSp, 
: fuez Pa; must : ummesust Pa. 

wissen. Es stehen im Reim; die 3. pl. ind. präs. wizzin 
und der infin. wizze, wizzin; so haben wir wizzin (3. pl.) : be- 
schizzin RSp; wezze (infin.) : geledemezze RZ und wizzin : ge- 
dechtnissin El. 

tu gen, tu gen. Belegt sind folgende Formen: woltougin 
(inf.) : ougin RZ, entugin (3. pl. ind. präs.) : mugin RZ (oder 
: o); tochte (ind.) : mochte RZ 1 =, El 1 = mal, tochtin : vor- 
mochtin El; tochte (conj.) : mochte El, Wi. 

van, vähen; släii, slahen (und Komposita). Der Infini- 
tiv beider Verba begegnet in kontrahierter Form und in Formen 
mit h : (abe-)slän : hän RSp, : vorsmän Pa, enphän (enphä) : hän, 
(: Avicenna) RSp; daneben slahin : gesähin; : enphähin RSp. Auch 



— 51 — 

in der 3. sg. ind. präs. haben wir beide Formen nebeneinander 
slet : enphet RSp 2 = mal, : let RSp, : geschiet Pa, enphet : vorstet 
BZ, : beget El; daneben vehit : irslehit RSp, slehit : gehit RSp 
2 = mal, : geschiet Wi. — Das präter. von „van" reimt als fing, 
das von slän als slug. Beide Formen stehen häufig iih Beim, 
so z. B. (ir-)ging ; enphing BSp 829, Pa 1403, sing : gnug Pa 
329 u. s. w. — Das partic. präter. reimt als gefangin bezw. 
geslagin; (: enphangin, : vor-,be-,gangin) BSp 3 = mal, gefangin 
: (be-,ir-)gangin BSp 1 =, Pa 2 = mal; : enphangin BZ, : be- 
drangin, : gehangin Pa; (ir-, ge-)slagin : clagin BSp, Pa, : (vor-) 
zcagin, : sagin BSp 4 = mal, vorslagin : sagin Pa u. s. w. 

g§n, sten (und ihre Komposita). Für die 2. und 3. sg. 
und pl. ind. präs., sowie für den infin. begegnen in weiterem 
Umfange sogenannte „zerdehnte" Formen, wie gehist, gehit, gehin 
bezw. stehist, stehit, stehin ^). Diese h = Formen stehen auch 
im Beim zu altem h : aber die alten intervokalischen h sind auch 
nicht fest, und so ist es schwer festzustellen, inwieweit die h = 
Formen der Sprache B.'s selbst angehören. In seiner Urkunde 
und in seinen Akrostichen sind sie nicht belegt, in Urk. findet 
sich nur einmal sted (18). — Neben den zerdehnten Formen 
stehen sporadisch auch die alten Formen gest, get, gen (bezw. 
st§st, stßt, stßn), und zwar verwendet B. im Beim gewöhnlich e = 
Formen, nur von sten sind 2 ä = Formen belegt. Für das präter. 
haben wir die Formen ging, gingin und stund, stundin; für das 
partic. präter. werden gegangin, gegen und gegehin bezw. gestandin, 
gesten und gestehin nebeneinander im Beim gebraucht. 

Ich lege nun aus BSp, BZ und Pa das Material vor (die 
Untersuchung der Beime von El und Wi ergab in Bezug auf die 
Verba „gehen" und „stehen" keine neuen Besultate): 

1. „gehen", „stehen" (und ihre Komposita) reimen unter sich. 

a) in zerdehnter Form : 2. sg. ind. präs. gehist : gestehist BSp. 
— 3. sg. ind. präs. gehit : -stehit (vor-, nach-, dorch-, : vor-, be-, 
dorch-) BSp 4 = mal. — 3. pl. ind. präs. (umme-, undir-, be-) 
gehin : (wedif-)stehin BSp 4 =, BZ 1 = mal. — 3. sg. conj. 



*) Sie entstanden aus dem Bestreben, die Verba g^n und sten in den 
Präsensformeu den Verben mit Bindevokal gleich zu bilden und sind im Md. 
seit d. 14. Jh. nachweisbar (vgl. Weinh.« §§ 245. 352). 

4* 



— 52 — 

präs. (abe-)gehe : bestehe ESp. — infin. (ge-)gehiii : (vor-,be-,en-) 
stehin ESp 4 =, Pa 2 = mal. 

b) in alter' (mhd. Form) : 3. sg. ind. präs. (obir-)get : (be-) 
stM ESp 1 =, EZ 1 =, Pa 2 = mal; 3. pl. ind. präs. (umrae-) 
gen : (vor-)st6n EZ 3 = mal. — infin. (vor-)gen : (vor-)sten EZ 
1 =, Pa 3 = mal. 

2. reimen zerdehnte Formen von gen und sten zu Formen 
mit altem h. 

a) gehin. 3. sg. ind. präs. (nach-)gehit : geschehit ESp, : 
slehit ESp, : sebit ESp u. EZ je 1 ==, Pa 2 =mal, : vorsmehit 
ESp, Pa. — 2. pl. ind. präs. ummegehit : flehit ESp. — 3. pl. 
ind, präs. (be-, vor-)gehin : lehin (subst.) ESp, : (ge-)sehin ESp 
3 =, (: vor-, be-)s6hin EZ 2 = mal. — partic. präs. gehinde 
: sehinde Pa 2 = mal. — infin. (en-,ummege-,be-,ir-)gehin : (be-, 
ge-)sehin ESp 7 = EZ 1 = mal; : geschehin ESp 3 =, Pa 1 = mal, 
: drghin ESp. 

b) stehin. 2. sg. ind. präs. vorstehist : vorsehist EZ. — 3. sg. 
ind. präs. (vor-)stehit : (ane-,vor-)sehit ESp 2 =, : wehit 1 = mal. 
— 3. pl. ind. präs. wedirstehin : flehin ESp. — infin. (vor-, be-, 
ir-, ent-, ane-)stehin : (ge-, ir-, vor-, be-, an-)sehin ESp 3 =, EZ 
= mal, : (vor-)jehin ESp, Pa, : lehin (subst.) ESp. 

Neben diesen „zerdehnten" Formen von gen und sten haben 
wir folgende mhd. Formen : 3. sg. ind. präs. (umme-)get : ge- 
sehnt, geschiet ESp 1 =, EZ 2 = mal, (wedir-, vor-, en-)sted 
: gesched ESp 2 =, : (vor-)let EZ, Pa, : twet, : enphet EZ. — 
3. pl. ind. präs. sten : gesehen EZ. — 3. sg. conj. präs. (vor-) 
ste : nummirme EZ, : gesche. — infin. (ge-,vor-,nmme-,en-)gen, 
-ge : me ESp 2 =, : Josuen ESp 1 =, : gesehen EZ 1 ==, : we 
Pa 1 = mal; (vor-)ste : me ESp, : se Pa, : gesche EZ. Diesen 
zahlreichen e = Formen können wir nur 2 ä == Formen gegenüber- 
stellen : bestän (inf.) : man EZ 1139 und vorstän : hän 273. — 
Präteritum, ging, ginge, gingin und stund, stundin (und ihre 
Komposita) sind als Eeimwörter beliebt. Belege finden sich in §§ 13 
u. 16. — partic. präter : gegangin (und Komposita) reimt in ESp 4 =, 
EZ 1 =, Pa 9 = mal, (ge-)standin (und Komposita) in ESp und 
EZ je 1 = mal. Daneben stehen die seltenen Partizipien auf -en, 
-ehin 5 = mal im Eeim : durchgen : gesten EZ 853, ummegen 
: gesehen Pa 842; irgehin : gesehin Pa 1020, (ir-, vor-)stehin : 



— 53 — 

geschehin, : gesehin Pa 1110, 1638. (In El stehen die Partizipien 
[ir-, ge-] gehin, vorstehin und irgen auch einige Male im Reim.) 



D. Zur Formenlebre. 

I) Zar Deklination. 

§56. 1. Im gen. und dat. sg. der starken Feminina nach 
der i = Klasse und bei (dem alten u = Stamm) haut stehen in 
den Reimen R.'s gewöhnlich die unflektierten (also umlautlosen) 
Formen, die flektierten (umgelauteten) sind daneben selten : hoch- 
fart (gen. sg.) : art (acc. sg.) RSp 194, kraft (dat. sg.) : rittirschaft 
(acc. sg.) RSp 3505, stat (dat. sg.) : betrad Pa 477, : trat El 313, : 
bat El 2570, fart (dat. sg.) ; wart El 1063 (u. ö.), gewalt (dat. sg.) : 
manigfalt RZ 39 u. s. w. Daneben findet sich die flektierte Form 
z. B. in obiltete (dat. sg.) : rete (acc. pl.) RZ 894. Widerstand 
gegen den Umlaut in der flektierten Form zeigt der Reim gewalde 
(dat. sg.) : halde RZ 299 (vgl. ausserh. d. Reims gewelde V. 619). 

2. Im plur. stehen in den genannten Fällen umgelautete und 
umlautlose Formen nebeneinander (Reimbedürfnis!). Den Umlaut 
haben wir z. B. in hendin : endin RSp 437, : sendin Pa 1036, : 
wendin Pa 1947, El 2550, kreftin : beheftin RSp 3970 u. s. w. 
Daneben sind umlautlos : handin : schandin RSp 1078, : phandin 
RZ 422, : vorstandin RZ 535, nachtin : bewachtin Pa 1096, handin 
: landin Wi 218, manchirhandin : landin El 1454 u. s. w. 

3. Gelegentlich ist das Endungs-e geschwunden (hauptsächlich 
bei den starken 6 = Femininen) : sei (no. sg.) : wel RSp 106, lär 
(no. sg.) : dar RSp 2841, lär (dat. sg.) : dar RSp 1956, 1er (acc. 
sg.) : lerer RSp 1029, : Romer RSp 2581, lär (acc. sg.) : jär (acc. 
pl.) Wi 15, er (acc. sg. = ere) : swer (no. = swehir) El 1636, 1er 
(dat. sg.) : mer Pa 2021; unfur (no. sg, = mhd. unvuore) : flur 
(acc. sg.) Pa 1707, ertrich (dat. sg.) : sich RSp 222, hüs (dat. 
sg.) : üz RSp 2189 (u. ö.), behendikeid (no. pl.) : geleid RSp 2693, 
cardinäl (no. pl.) : zcal (no. sg.) RZ 27, rin (dat. sg.) : sin Pa 
455 u. s. w. 

4. Auch für die entgegengesetzte Erscheinung, den Antritt 
eines unechten e, haben wir einige Belege : keisere (no. sg.) : ere 
RSp 449, Schilde (no. sg.) : wilde RSp 3310, dinge (acc. pl.) : 



- 54 - 

geringe BSp 2661, wlbe (no. pl.) : schrtbe, : bllbe El 632, 1702, 
kinde (no. acc. pl.) : gesinde, : swinde El 1311, 2548 (u. ö.). 

5. Bei den nomin. agent. auf -ere ist das Endungs-e, der 
md. Neigung gemäss, in grösserem umfange erhalten geblieben; 
daneben beweisen uns die Reime allerdings auch den Schwund 
desselben. So ist e erhalten in rittßrin : erin BSp 1246, mertelSre 
(acc. pl.) : ere BSp 1293, weppenere (no. pl.) : beswere BSp 3829, 
: s§re BZ 185, wechtere (no. pl.) : sere BZ 163, kemerere (no. pl.) 
: sere BZ 296, dinere (acc. pl.) ; ere BZ 680, richtere (no. sg.) : 
kere Pa 695, wintrenkßre (no. pl.) : sere Pa 771, malere (dat. sg.) 
: wßre Pa 894, meiere (dat. sg.) : here Pa 900, schopföre : sere El 
3238, prediggre : schere El 4040. Neutral ist z. B. tregere : 
phleg§re BZ 247. — Andererseits ist in folgenden Fällen das e 
gefallen : rittir (no. sg.) : bittir BSp 902, 3217, kuwerittir (no. pl.) 
: bittir BSp 961, seidener (no. pl.) : mer BSp 1237, Bomer (no. 
pl.) : mer BSp 2849, BZ 1028, : ser Pa 2043, moller (acc. sg.) 
ser Pa 619, romer (no. pl.) m§r Pa 1855; neutral sind fogeler 
buteler BSp 3465, fleischower : lower BSp 3477 und Wucherer 
mortborner BZ 887. 

6. Im Plural der starken Neutra stehen gewöhnlich suffixlose 
Formen im Beim, Formen aut -er sind daneben selten. Suffixlose 
Formen haben wir z. B. in kindin : undirwindin BSp 190, : findin 
BZ 821, : blindin Pa 1228, : dahindin El 1810 (u. ö.), kind (no. 
acc. pl.) : sint BSp, BZ, Pa, El (häufig!), wip (no. pL) : lip BZ 
249 u. s. w. Daneben stehen einige Formen auf -ir (in El) : 
kleidir : leidir El 658, 1566, 1873, : beidir El, kinder : er El 4072. 

7. man. Vom Substantivum man reimen flektierte und un- 
flektierte Formen nebeneinander : man (und Komposita, no. acc. 
pl.) ; hän BSp 3 =, BZ 3 =, Pa 1 = mal (auch in El), : an BSp 
3 =, BZ 2 = mal (El!), : vespesian, : bau Pa, : getan BZ, dinstman 
(ge. pl.) : an Pa 784, man (dat. sg.) : an Pa 1525. Daneben * 
flektiert : (mer-)manne (no. pl.; dat. sg.) : danne BSp 427, Pa 73, ; 
mannen i dannen BSp 2246, Pa 1794, El 1684 u. s. w. I 

II) Zur Kolvjugatlon. I 

Brechung : i-e; iu-ie. 

§ 57. Der Wechsel von i und e in der Konjugation ist nach \ 
md. Eigentümlichkeit so ausgeglichen, dass im sing. ind. präs. und • 



/ 



1 
\ 



r 

l 



— 55 — 

im iraperat. bei den Verben der 3. — 5. Ablautsreihe altes 6 für 1 
;seht; solche e = Formen sind für die Sprache R.'s charak- 
teristisch (v^l. die S. 28 f. gegebenen Belege). Daneben sind 
aber Formen nicht unerhört, die das mhd. i noch haben. Sehr 
bequem sind vor allem Reime wie gebricht : nicht (z. B. BSp 23, 
372, BZ 992, Pa 1221 u. s. w.), ferner spricht : nicht (z. B. BSp 
105, 149, BZ 690, 856, El 1263 u. s. w.), : bericht, : undirricht, 
weiter auch Beime wie vorgist : ist BSp 360, vicht : nicht 1327, 
sprich (imper.) : mich Pa 1212. Diese Formen sind hauptsächlich 
dem Beirabedürfnis entsprungen : das Charakteristische für den 
Beimgebrauch unseres Dichters bleiben aber die e — Formen. — 
Aus B.'s Urkunde füge ich noch hinzu : gebe (1. sg.) 19. 

Zu erwähnen sind endlich noch folgende Doppelformen : 
1) geschßt, gescheit, geschehit und 2) geschit (< geschihet). BSp : 
gesched, geschehit : gesmet, : gehit, : ensted 4 = mal, gescheit : ge- 
sehit Pa876, : ansehit Pa 1308 ; daneben geschiet : get BZ 281, 1075> 
gehit : geschiht El 3055, : sl6t Pa 1706, geschiet : slehit Wi 74. 

Der Wechsel von iu und ie im Präsens der Verba nach 
der 2. Ablautsreihe ist im Md. (schon seit dem 12. Jahrh.) in 
der Art ausgeglichen, dass ie in die 1. sg. ind. präs. dringt. 
Bei unserem B. sind nur Formen in der 3. sg. mit u = iu be- 
legt : fluhit : schuhit, : bluhit BSp, irbutit : bedutit BSp, besluzit ; 
genuzit, gelugit : betrugit, czuhit : fluhit BZ, fluhit : vorzcuhit El 
(1803), trugit : bezcugit Wi (82). 

Auch der Wechsel von u und o in der 1. plur. ind. präter. 
und dem partic. präter. ist in der Sprache B.'s ausgeglichen. Vgl. 
die Belege auf S. 30. 

Der Analogieumlaut in der 2. und 3. sg. ind. präs. der 
ursprünglich reduplizierenden Verba der a = Klasse ist der Mund- 
art B.'s entsprechend durchgeführt. Also let, enphet u. s. w. sind 
die stehenden Formen bei unserem Dichter. Vgl. die Belege bei 
den einzelnen Verben § 55. Hier füge ich noch hinzu : vellit : stellit 
BSp 454, heldit : meldit 2386, obirfellit : bestellit 3712. Neutral 
: heldit : weldit BSp 3 =, BZ 1 = mal, beheldist : feldist BSp. 

Der apokopierte Infinitiv. 

Der thüringischen Mundart B.'s entsprechen die apokopierten 
Infinitive, die in seinen Beimen häufig begegnen; so haben wir 



— 56 — 

z. B. glucke : vordrncke BSp 18, czu : tu KZ 692, mer(mare) 
: vorzcer Pa 791, mitteile: heile El 119, schütze : nutze (adj.) Wi 
67. Neben diesen apokopierten Infinitiven reimen sporadisch auch 
solche mit festem n (wie im Mhd.): z. B. behutin : lehingutin 
RSp 583, werdin : begerdin EZ 1040, blibin : wibin Pa 1870. 
Sehen wir von den neutralen Bindungen ab, so ist das Verhältnis 
für ESp, EZ und.Pa zwischen apokopierten und unapokopierten 
Infinitiven folgendes: 

unapok. apok. 

ESp etwa 240 etwa 210 

EZ „ 70 „75 

Pa „ 85 „ 80 

Im ganzen stehen also etwa 400 n-Infinitiven nur rund 370 
apokopierte Infinitive gegenüber : oft wird der Dichter durch das 
Eeimbedürfnis sich gezwungen gesehen haben, die n-Form des 
Infinitivs zu gebrauchen, urkundlich belegt ist der inf. gebin 4. 
(In der heutigen Eisen. Mda. lebt der charakteristische apokopierte 
Infinitiv noch fort. Zahlreiche Belege finden sich bei Elex, 
Beitr. I und II.) 

Apokope des t. 

1) in der 2. sg. ind. präs. 

Hierfür haben wir den Beleg häs : daz EZ 960. 

2) in der 3. pl. ind. präs. Diese Form wird im Md. schon 
frühzeitig (12. 13. Jahrh.) in Analogie nach dem conj. ohne t ge- 
bildet, wie im späteren Mhd. und im Nhd. Im 14. Jahrh. sind die 
t-losen Formen fest. — So finden wir bei Eothe fast ausschliesslich 
die t-losen Formen im Eeim zu festem -en (bezw. -in) : gezcemen 
:nemen (inf.) ESp 403, machen : sachen (subst.) EZ 1251, habin 
: begrabin Pa 1017 und zahlreiche andere Belege. — 

Die 3. pl. ind. präs. von dem Verbum „sein" reimt gewöhn- 
ich als sint (seltener als sin), vgl. S. 50. Urkundlich belegt ist 
die 3. pl. ind. präs. gebin 4, also ohne t. 



E. Die Orthographie der Handschrift der Passion und ihr 
Verhältnis zu Rothes Schreib- und Sprachgebrauch. 

§ 58. Die Dresdener Handschrift der Passion Eothes weicht 
in ihrer Schreibung von dem bekannten Schreibgebrauche des 



— 57 — 

Dichters (wie wir ihn 1 . aus seiner Urkunde und seinen Akrostichen 
und 2. aus seinem Beimgebrauch kennen gelernt haben) ab. Im 
folgenden sollen nun die Hauptunterschiede zwischen der Ortho- 
graphie der Dresdener Handschrift und der Rothes selbst kurz 
zusammengestellt werden. 

1. Vokalismus. 

§ 59. -eist. Interessant ist die Schreibung ei in der Nebensilbe 
in segeist (: phlegist Pa 37), die auf die Unsicherheit des Schreibers 
zurückzuführen ist, der zwischen (irrationalem) i und e schwankte^). 

6e, 6i; äe, äL Die Neigung der md. Schreiber, dem langen 
6 oder ä einen unbestimmten Laut (e, i) folgen zu lassen, finden 
wir auch in der hs. der Pa : froe (: also) 45, kloiss (: gross) 303, 
slain (: vorsmaen) 199. 

Weiter sind vokalisch ungenaue Reime zu erwähnen, die 
durch Einsetzung der Rotheschen Wortformen zu bessern sind. 
Hierher gehören Reime von i : e, wie widir : sedir 19, widdir : 
neddir 207, : sedir 1726; schire : mere 35, mßr : schir 641; von 
u : 0. stundin : begondin 137, fürte : berorte 394, gewonnen : be- 
sunnen 1106, woldin : suldin 1164, wolde : wulde 1557, enzcubin : 
vzgrobin 1609, darczu : scho 1873, sterben : erwürben 1941, ge- 
hellt ; schult 1998, kummen : vernommen 2034 2). 

Ausserdem sind noch zu nennen: leid : czid Pa 1647, reyne : ^ 
gemyne 1042, mäyt : vorsagit 500 (vgl. magit : vorsagit 486), 
zcouberie : maledige 1062, darumme : stymme 1599. 

Fehlendes -e, oder -e-, -i- haben wir in : richter (no. sg.) : 
kere (inf.) 695, Jherusalem : vngeneme 701, maier : were 894, ging : 
enphinge 906, ertriche : gliche 1831, geschreye : manchirleye 1863, 
schonte : lonete 115 (oder schonte : lonte?), jarin : warn 135, 1829, 
2008, : varn 382, jarin : uffinbarn 2018. In silbern (: fyn) 340 fehlt i. ' 

^) Für dieses ei bei md. Schreibern gibt Weinhold (§81) noch weitere 
Beispiele. — Im allgemeinen finden wir in der Sprache Rothes das für 
seine Mundart charakteristische i der Nebensilben. Freilich bieten uns seine 
Reime keine sichere Gewähr. Ein^beweisender Reim von irrationalem i zu 
Yollvokalischem ist mir nicht begegnet. In Rothes Urkunde finden wir 
überwiegend dieses i in der ]^eben8ilbe, also vnsir, frowin, kerchin, abge- 
schrebin, geldis, gebin, sullin u. s. w. 

^) Auch in der hs. von R Z sind Reime wie geliden : stcden 267, furste : 
dorste 780 garnicht selten. Ich habe sie meist stillschweigend gebessert. 



- 58 - 

Andererseits findet sich überschiessendes e in steyn (acc. sg.) : 
kleyne 1703 nnd gab (präter.) : abe 2028. 

ee = e. Die Doppelschreibung ee zur Bezeichnung der Länge 
des e ist in der hs. der Passion garnicht selten: z. B. geseen : 
gesehen 27, widdirsteet : vorlehit 719, eer : keiser 1172, we : engee 
1861 u. s. w. 

2. Konsonantismus. 

§ 60. seh + cons. Interessant ist die Schreibung seh vor Kon- 
sonannten, wo Rothe (wie das Mhd.) einfaches s hat. So finden 
sich in der hs. die Verbindungen schl, schw, sehn, seht und schm; 
ein schp fehlt. Diese sch-Schreibungen begegnen in der hs. 
sporadisch, und zwar nur beim 1. und 3. Schreiber (1 — 747 S'; 
1678— 2051 S»): schlugk 139, schlug 336, erschlug 622, schleet 
1705, geschlagin 142; beschwere 29, schwinde 151, 189, schwumme 
1709; schnöden 29, schnöder 1714; vorschten 107, geschtorbin 
217, geschtalt 331, schteyn 1703; vorschmaen 200, schmed 314, 
schmachten 1970. 

th. Ferner ist die Schreibung th (= mhd. t) zu erwähnen. 
Dieses th steht in der Handschrift an allen Stellen im Worte und 
gehört allen drei Schreibern (sporadisch) an: scharioth 77, guth 223, 
both286; luthe, buthe 294; thun 625, thatin 688, gethan 946; 
armuthe 1431, 1426, bothe 1471. Zum Teil waren diese h-Laute 
wohl Dehnungszeichen und wurden als Ballast in die nhd. Schrift- 
sprache mitgeschleppt^). 

dd. Die Schreibung dd für mhd. = Bothesches d findet sich 
einige Male in der hs.: z. B. widdir : neddir 207, : nyddir 444, 478 
und : sedir 1725 (md.!). 

g, gk. In Bezug auf die gutturalen Verschlusslaute g und k 
haben wir zwischen den verschiedenen Schreibern zu unterscheiden. 
Der 2. Schreiber — der überhaupt der Rotheschen Schreibweise 
am nächsten kommt — hat im allgemeinen das Rothesche aus- 
lautende g (= mhd. inl. g und inl. k) : z. B. ging, enphing 906, 
1022, 1284, 1402, bedräng : getwang 1344, mag 808, 929, ding 
1237, 1239. — dang, kräng 1495. Der 1. und 3. Schreiber 
dagegen (V. 1—747 und V. 1678— Schluss) setzen für Rothesches 



^) In Rotheg Urkunde und in seinen Akrostichen fehlt ein Beleg für 
th, wobei ich natürlich von Eigennamen absehe. 



— 69 — 

g (z= mhd. inl. g und inl. k) gewöhnlich die Lautverbindung gk, 
welche von ihrem Schwanken zeugt: z. B. vorgingk 59, gnugk, 
schlugk 139, 329, twangk 65], gangk 119, bergk 1692. — dangk 
651, geschtangk, krangk 1879. Auch im Inl. steht bei S* und 
S' gk für Bothesch. = mhd. k und ck, so z. B. in gedungkin 181, 
genigke 203. 

s und z. Das Verhältnis der einzelnen Handschriften zu- 
einander in Bezug auf die Orthographie der s = und z = Laute 
möge folgende Tabelle veranschaulichen: 



mhd. 


RSp 


RZ 


Pa 


ürk. 


Akr. 


S 


s, z 


s, z 


s, z, hs 


S, Z 


s, z 


z 

(Anl. u. Ausl.) 


z 


cz, z 


cz, zc, tz 


ZC, cz 


zc [cz] 


tz 
(Inl. n. Vok.) 


tz 


cz 


tcz, tz, czc 


tz 


fehlt 


3 


z 


sz, z 


hs, shs, 
SS, s, z 


z, hs 


n 


33 


zz 


sz 


shs, hs, SS 


hs 


99 



IV. Die Quellen der Passion. 

§ 61. Die Dresdener Handschrift der Passion Rothes ist be- 
sonders dadurch wertvoll, dass sie die Sagen von Pilatus und 
Judas enthält. Bothe ist wahrscheinlich durch die im Mittelalter 
verbreitete und beliebte Legenda Aurea — die beide Sagen gibt 
— zu seiner poetischen Darstellung angeregt worden. Dass der 
Dichter aber die Legenda Aurea nicht allein für seine Passion 
benutzt hat, werden wir im folgenden noch zu zeigen haben. 



— 60 — 

§ 62. I) Zur Pilatussasre. 

Ueber das Leben des Pontius Pilatus wissen wir nur wenig. 
Historisch steht fest, dass er der römische Landpfleger (Prokn- 
rator, ^TrixpoTco?) von Judäa zur Zeit des öffentlichen Lebens und 
Leidens Jesu war (27 — 37 n. Chr.). Infolge mehrerer Gewalt- 
taten und Grausamkeiten, die er sich in seinem Amte zu Schulden 
kommen liess, (u. a. hat er den Juden heidnische Götzenbilder 
aufgezwungen) wurde er zur Bestrafung nach Eom berufen. Be- 
kannt ist dann weiter seine schwankende und unglückliche Stellung 
bei der Verurteilung Jesu. Ueber seinen Tod fehlt eine sichere 
Nachricht. Er soll durch Selbstmord im Exil in Vienne (Gallien) 
geendet haben*). 

Schon im frühen Mittelalter bemächtigten sich Sagen und 
Legenden der Person des Pilatus und verbanden sich mit lokalen 
üeberlieferungen, so in der Schweiz, Pilatusberg bei Luzern (vgl. 
sp.), ja auch in Spanien^). 

Im Zusammenhang hat zuerst Wilhelm Creizenach über „die 
Legenden und Sagen von Pilatus" gehandelt^), nachdem schon 
Massmann*) und du M6riP) wertvolle Vorarbeiten geliefert hatten. 

Verfolgen wir zunächst in grossen Zügen — und nur das 
kann hier unsere Aufgabe sein — den Inhalt von Creizenachs 
Arbeit. Der Verfasser stellt die allgemeinste Gestaltung der 
Pilatussage voran. Ausgehend vom historischen Pilatus, behandelt 
er dann die Entstehung und Bildung der Legende von der Ver- 
urteilung und dem Tode des Pilatus in der deutschen, französi- 



1) Nach Eu8. h. e. 2,7; Oros. 7,5; Frcculf Chron. II, 1.12; nach 
Malalac chron. (ed. Bonn p. 256) ist er dagegen unter Nero hingerichtet 
worden. — Im übrigen verweise ich auf: Herzogs Rcalcncyclopädie XI, 685 ff. 
(2. Aufl.); Wetzers und Welters Kirchenlexikon X, 2 f. (2. Aufl.); Schenkels 
Bibellexikon IV, 581 ff. und Gustav Adolf Müller, Pontius Pilatus der fünfte 
Prokurator von Judäa und Richter Jesu von Nazareth. Mit einem Anhang 
„Die Sagen über Pilatus" und einem Verzeichnis der Pilatus-Literatur. Stutt- 
gart 1888 S. 1—47. 

'j Vgl. Herzogs Realencyclop., a. a. 0., S. 686 und dazu die Be- 
merkung Creizenachs P B B I, 107. 

») PBB I, 89—107. 1874. 

*) In den Anm. zur Kaiserchronik III. 594 f. Pilatus' Schicksal; vgl. 
573 ff. Veronika. 

^) Poesies populaires latines du moyen äge p. 315 ff. 



— 61 ' — 

sehen und englischen Literatur. Nach ihm steht die gewöhnliche 
Version der Sage in engera Zusammenhang mit der Legende von 
der üebertragung des Schweisstuches der heiligen Veronika nach 
Bom. Vfeiter geht C. auf die Veronikasage näher ein. Bei der 
Behandlung der „Grabstätte" des Pilatus sodann bespricht er die 
Vermischung einheimischer Elemente mit der Sage. So ist der 
Name des Schweizer Berges „Pilatus*^ wahrscheinlich aus pileatus') 
(sc. mons = der mit einem Hute [Nebel] bedeckte) entstanden, und 
erst später wurde er mit Pontius Pilatus in Verbindung gebracht. 
Am Schlüsse seiner Abhandlung kommt der Verf. auf den Ursprung 
des jüngsten Teils der Sage zu sprechen, der von der Geburt und 
Jugend des Pilatus handelt; er bringt diesen Teil der Sage mit 
der sagenhaften Geburt und Jugend Karls des Grossen in Zu- 
sammenhangt). 

Die andere grundlegende und noch wichtigere Arbeit über die 
„Pilatussagen" gab uns — 2 Jahre später — Anton Schönbach 
in einer Anzeige der Evangelia apocrypba von Tischendorf ^). Seh. 
geht in seiner Untersuchung ganz anders zu Werke als Creizenach: 
diesem wirft er vor — und ich glaube mit Recht*) — dass seine 
Arbeit unmethodiscli angelegt sei: anstatt eine historische Ent- 
wicklung der Pilatussage zu geben, liefere er nur unter sich 
wenig zusammenhängende Anmerkungen^). 



*) C. zitiert u. a. auch den bekannten Spruch, der den Pilatusberg als 
Wetterpropheten kennzeichnet: „Wenn der Pilatus hat einen Hut" u. s. w. 

*) In diesem Punkte stimmt Schönbach mit ihm überein (A. f. d. A. II, 2. 
1876. S. 192). 

») A. f. d. A. II, 2. 1876. S. 149-212. — Von neuereu Arbeiten 
über die Pilatussage sind noch zu nennen: G. Nordmeyer, Pontius Pilatus in 
der Sage. Allg. Ztg. 1895, Beil. No. 92 (Gegenwärtiger Volksglaube) und 
K. Borinski, Die Pilatuslegende im 17. Jahrb., vgl. A. f. d. A. XY, 222 f. 
Eine „Skizzierung der Pilatus-Sagen** gibt G. A. Müller in seiner S. 60 Anm. 1 
angeführten Schrift im Anhang I. S. 48 — 54. Vgl. dazu sein Verzeichnis der 
Literatur über Pilatus, a. a. 0., S. V — VIII. — Uu Monte di Pilato in Italia. 
Nota di Arturo Graf. Torino. Ermanne Loeschero Libraio della R. Academia 
delle Scienze 1889. Angez. von Edm. Veckenstedt (Zeitschrift für Volks- 
kunde I, 367). — Ignaz Zingerle, Pilatus-Seo in Tirol (a. a. O. S. 426). 

*j Für die vorstehende Untersuchung wenigstens ist die Arbeit Schön- 
bachs von grösserem Nutzen gewesen als die ('reizeuachs. 

*) Im übrigen verweise ich in Bezug auf ihren Streit auf die von ihnen 
im A. f. d. A. (U, 2. 1876. S. 328 ff.) abgegebenen Erklärungen. 



— 62 — 

t 

( 

§ 63. Die verschiedenen Fassungen der Pilatussage stellte 
Seh., nun in einem Handschrifben-Stammbauni zusammen, dem er 
auch Johannes Bothes „Passion" einverleibte. Für unsere Unter- 
suchung interessiert uns der folgende Teil seines Stammbaumes: 



A 

\ 

K 



\ 

LM(N) 







VTT 



Die Erklärung der Buchstaben des Stammbaums ist nach 
Seh. folgende^): 

A = Mors Pilati, Tischendorf Evangelia apocrypha S. 456 
bis 458. 

K = Vindicta salvatoris, Tischendorf S. 471—481. 

L = Lateinische Pilatusprosa, Mon. Anz. 1838. S. 526— 529- 

M = Grazer Handschrift 37/45. 4« fol. 157b fif. 

N = Lateinische Pilatusprosa, Mon. Anz. 1838. S. 529 f. 

= Lateinisches Pilatusgedicht. Die älteste bekannte Hand- 
schrift erwähnt Wackernagel Zs. V, 293. Gedruckt von Mone, 
Anzeiger 1835. S. 425— 433, vgl. 1838. S. 530—532. DuM6ril, 
Po6sies populaires S. 343 — 357. 

V = Enenkels Weltchronik, nach den Angaben von Mass- 
mann a. a. 0. (M., Deutsche Ged. L) S. 574 f., vgl. auch S. 577 
Anmerkg. 

ir = Johannes Rothe in zwei seiner Schriften : 1 . Düringische 
Chronik, Ausgabe v. Liliencrons S. 64—66^). 2. Passion. Vgl. 
die Angaben Herschels im Anzeiger für Kunde der deutschen 



») Vgl. Seh., A. f. d. A. II, 2. 1876. 8. 167 ff. 

*) Ueber das Verhältnis der Pilatussage in der „Passion" zur Pilatus 
sage in der „Thüringischen Chronik*^ vgl. sp. 



- 68 — 

Vorzeit 1864. S. 364-369 und Bechs, Gennania IX, 172—179, 
insbesondere die Stellen in dem ausgehobenen Wörterverzeichnis. 

Wie aus der letzten Bemerkung Schönbachs hervorgeht, hat 
er die Dresdener hs. der Passion B.'s nur aus den verhältnismässig 
dürftigen Angaben Herschels (a. a. 0.) und Bechs (a. a. 0.) ge- 
kannt. Daher konnte er in Bezug auf die Quelle unseres Dichters 
nur die Vermutung aussprechen, dass wir bezw. L M als solche 
zu betrachten hätten, ohne seine Ansicht im einzelnen zu begründen. 
Die lateinischen Fassungen der Sage behandelt Seh. später im 
Zusammenhang S. 186 ff.; und zwar sind seine Ausführungen 
auch deshalb für uns besonders wertvoll, weil er den Teil der 
lateinischen Pilatusprosa L, den Mone im Anzeiger 1838. S. 526 flf. 
nur deutsch im Auszuge wiedergibt, vollständig abgedruckt hat 
(S. 186ff.). 

§ 64. Der Zweck der folgenden Untersuchung ist es nun 
darzulegen, in welchem Verhältnis die Lebensgeschichte des Pilatus 
nach Job. Rothe (Dresdener Handschrift der Passion) einerseits 
zu dem lateinischen Pilatusgedicht (s. o.) und andererseits zu 
der lateinischen Pilatusprosa LMN (s. ebenf. o.) steht. Da die 
Grazer Handschrift M mit L identisch ist (vgl. Schönbachs Aus- 
führungen a. a. 0.), und da weiter die kürzere Prosafassung N 
mit den beiden zuletzt genannten Fassungen im grossen und 
ganzen übereinstimmt, — die geringen Abweichungen werden im 
Laufe der Untersuchung noch genannt werden — so behandle ich 
(nach dem Vorgange Schönbachs) LMN stets zusammen. Die Be- 
zeichnungen L, M, N und 0, wie sie Seh. in seiner Abhandlung 
anwandte, behalte ich bei, nur für tu (= Rothe nach Seh.) setze 
ich „Ro" oder „Rothe" ein. 

1. Die lateinischen Fassungen „de vlta PUatl": und LMN. 

§ 65. a. Zu dem lateinischen Pilatusgedicht 0. 

Unter dem Titel „Die Sage von Pilatus" gab Mone im „An- 
zeiger für Kunde der teutschen Vorzeit" (IV. 1835. S. 421—446) 
zwei Pilatusgedichte heraus, ein lateinisches (gleich unserem 0) und 
das Bruchstück eines deutschen^). Das lateinische Pilatusgedicht 



*) Ueber dieses deutsche Pilatusgedicht, das ich hier nur flüchtig er- 
wähnen kann, hat Karl Weinhold ausführlich gehandelt (Z. f. d. Ph. VIII, 



— 64 — 

ist von Mone vollständig abgedruckt worden: es reicht von Sp. 
425 — 433 und umfasst 369 Verse. Mone entnahm diese Pilatusversion 
einer Strassburger hs. Johan. C. No. 105 (im Abdruck A), ver- 
glichen mit Johan. C. No. 102 (im Abdruck B); beide Hand- 
schriften (Papier und Quart) gehören dem 15. Jahrh. an. Ausserdem 
teilte Mone aus 2 Wiener Handschriften des latein. Gedichtes 
(No. 277 und 390) die abweichenden Lesarten mit (a. a. 0. 1838, 
Sp. 530—532). Du Meril druckte den Text der Wiener hs. 
No. 277 ab, während er die Varianten der 3 übrigen Handschriften 
in den Anmerkungen gab (Poes, popul. p. 343 flf.). Er bot also 
nichts Neues. Ausser den 4 genannten Handschriften der Vita 
Pilati gibt es aber noch eine 5., die Mone und du M6ril nur dem 
Namen nach gekannt haben. Diese ehemals Helmstedtische, jetzt 
Wolfenbütteler hs. (Cod. Heimst. No. 185 der Herzogl. Bibl.) habe 
ich verglichen und teile ihre Varianten im Anhange mit. ^) Die 
Lesarten der sämtlichen 5 Handschriften berücksichtige ich in 
Abschnitt 2. dieses Kapitels nur soweit, als sie für die Untersuchung 
von Wichtigkeit sind^). Im übrigen zitiere ich das latein. Pilatus- 
gedicht nach dem von Mone (a. a. 0.) abgedruckten Text 
(gleich unserem 0). Nimmt man also Mones und die unten mit- 
geteilten Lesarten zusammen, so hat man den Text der sämtlichen 
5 bekannten Handschriften des lateinischen Pilatusgedichtes.^ — 
In der Einleitung, die Mone den Pilatusgedichten vorausschickt, 
sucht er kurz die Entstehung und Bildung der Pilatussage dar- 
zulegen: er unterscheidet einen römischen Grundbestandteil „mit 
gallischen und teutschen" Erweiterungen (a. a. 0. Sp. 422). Die 
Verbindung von Judäa mit Mainz in der (jüngeren) Sage von der 



253 — 288). — Eine niederdeutsche Prosa-Pilatuslegende, die sich inhaltlich 
an die von Mone (Anzeiger VII) mitgeteilte lateinische Ifassung (gleich 
unserem L) anschliesst, gab L. Weiland in der Z. f. d. A. XVII, 147—160 
heraus. Diese Version ist von Schönbach a. a. 0. nicht erwähnt worden, 
lieber eine Berner Pilatusversion berichtet Friedrich Vogt (PBB IV, 50). 

^) Für die Übersendung der betr. Hs. spreche ich der Verwaltung der 
Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel auch an dieser Stelle meinen Dank aus. 

2) Die fünf Handschriften bezeichne ich folgendermassen: A = Strass- 
burger hs. Johan. C. No. 105; B == Strassburger hs. Johan. C. No. 102; 
C = Wiener hs. No. 277; D = Wiener hs. No. 390; E = Wolfenbütteler 
Cod. Heimst. No. 185. 



— 65 — 

Jugend des Pilatus sucht er auf die 22. Legion zurückzuführen, 
„die zur Zeit von Jerusalems Zerstörung in Judäa lag, bald darauf 
nach Mainz kam und viele Jahre dort verblieb" (a. a. 0. Sp. 424). 
Mones Ausführungen sind aber durch die (oben genannten) Ar- 
beiten von Creizeuach und Schönbach überholt worden. Letzterer 
hat (im A. f. d. A. XX, 194f.) kurz das Verhältnis von zu 
der Prosafassung LMN charakterisiert. Auf das Verhältnis von 
zu Eo einerseits und zu LMN andererseits werde ich noch im 
2. Abschnitt dieses Kapitels zurückzukommen haben, üeber das 
Alter der Passung sei hinzugefügt, dass Schönbach sie 
noch in das 12. Jahrhundert setzt (a. a. 0. S. 193 u.). Dieselbe 
Vermutung hat vor ihm schon Wilhelm Grimm ausgesprochen 
in seiner Abhandlung „Über die Sage vom Ursprung der Christus- 
bilder" (Abh. Akad. Berl. 1842 S. 130). Grimm hat den Teil des 
Pilatusgedichtes 0, der sich auf die Heilung des Kaisers durch 
Veronika bezieht — der Name der V. kommt übrigens im ganzen 
Gedicht nicht vor vgl. u. — in der ebengenannten Abhandlung 
dem Inhalte nach deutsch wiedergegeben (a. a. 0. S. 130 f.). 

§66. b. Zu der lateinischen Pilatusprosa „LM(N)". 

Die (lateinischen) Prosafassungen der Pilatussage hat eben- 
falls Mone abgedruckt (Mon. Anz. VII. 1838. Sp. 526—530); 
und zwar gab er 1) die ausführliche prosaische Sage (=L unserer 
Untersuchung) und 2) die kürzere prosaische Sage (=z=N u. U.) 
Die Fassung 1) gehört einer Pergamenthandschrift des 12. Jahr- 
hunderts an, Münch. codex ignotus No. 86,*) in Duodez; der Pi- 
latustext beginnt auf Bl. 44 der hs. • Die 2. Fassung gehört nach 
Mone einer ehemals Garster jetzt Linzer Handschrift (A. I. 11) 
an, die ebenfalls in das 12. Jahrh. zu setzen ist. Mit L ist — 
wie schon oben erwähnt — die Grazer Handschrift 37/45 4® 
(unser M) identisch. Auf die geringen Abweichungen von L und 
N untereinander soll — soweit es nötig ist — noch unten ein- 
gegangen werden. (Vgl. auch Schönbach, A. f. d. A. XX, 186 fif.) 
Auch die beiden Prosaerzählungen von Pilatus, L und N, werden 
von Wilh. Grimm in seiner oben erwähnten Abhandlung (S. 131 ff.) 
kurz besprochen. 



») Die heutige Bezeichung der hs. ist: „23390*^ (zz. 390) membr. 8». s. 
Xll/Xm 73 fol. (Vgl. Catalogus bibliothecae Monacensis II, 4 S. 67). 
Heinrich. Studien zn Johannes Rothe 5 



— 66 — 

Leider hat nun Mone (a. a. 0.) den lateinischen Text der 
Prosafassungen L und N nur im Auszuge — mit eingeschobenen 
deutschen Inhaltsangaben — wiedergegeben. Diesen üebelstand 
hat Schönbach dadurch zu beseitigen gesucht^ dass er die von 
Mone ausgezogenen deutschen Stellen der Fassung L M lateinisch 
wiedergab (a. a. 0. S. 186—190). 

2. Das Vorhftltnls dep.Pllatussasre nach Rothes Passion zu den 

latelnlsehen Fassungen LM(N) und 0. 

§ 67. . 1) Geburt und Jugend des Pilatus; sein Leben 
bis zu seinem Aufenthalt in Pontus. 

In üebereinstimmung mit dem latein. Pilatusgedicht be- 
richtet „Bothe** zunächst von einem gewaltigen König Atus — 
nach unserem Dichter im Volksmunde gewöhnlich Artus genannt 
— der in seiner Hauptstadt „Maguntia" am Rhein regiert. Zwei 
Nebenflüsse des Rheins, der „Mögen" und die „Tia", haben seiner 
Residenz den Namen gegeben^). Diese Erklärung des Namens 
Maguntia findet sich nicht in der lateinischen Prosafassung LM(N). 
Hier wird nur erwähnt, dass der König Tyrus (LM) bezw. Cirus 
(N) — der also dem „Atus" in Ro und entspricht — ein 
Mainzer seiner Abstammung nach ist; der Name Maguntia selbst 
begegnet nur in N^). Der König, der in dem Rufe steht, ein 
kundiger Sterndeuter zu sein, befindet sich nun einmal mit seinen 
Mannen auf der Jagd, und zwar in einem von Mainz weit ent- 
fernten Walde. Im Gegensatz zu Ro und wird in LM(N) 
sogar eine Stadt genannt, in deren Nähe sie jagen. Die Stadt 

■ 

heisst „Berleich" im Babenbergischen Gebiet (nach LM) oder 
„Babenberch" (nach N)^). Von der Nacht überrascht, kehrt die 



^) „Urbs erat insigDis, veteres quam constituere, 
Moganus atque Tia (Cia A, Scia C, D, tya E) rivus flumenque dedere 
nomcD, et inde fuit primum Maguntia dicta 
(Moguncia A, C, E, Moguntia D) 
nomine composito, non est assertio ficta*^. 
(„0** : V. 23 ff. Ygl. dazu Pa Y. 455 ff. — Mon. Anz. 1835 Sp. 425 u.) 

*)„... regem nomine Tyrum, Mogonciensem natione, . . . venari" 
(Mon. Anz. 1838 Sp. 526. „L^). ?, . . . accidit regem Cirum de Maguntia 
nationc . . . venari" (ebenda Sp. 529. „N"). 

*)„... accidit regem ... de quodam oppido, videlicet appeUatione 
peregrina Berleich nuncupato, in partibus Babenbergensium venari.** («L:** 



— 67 — 

königliche Jagdgesellschaft in einem Dorfe ein und findet dort 
gastliche Aufnahme. (Ueber das Dorf selbst erfahren wir nichts 
Genaueres.) Nach Bo bewirtet sie ein „rittir", in tut dies ein 
Bekannter, während in LM(N) weder von einem Dorfe noch von 
einem Gastgeber die Bede ist ^). Der König beobachtet dann den 
Sternenhimmel [so allgemein gesagt in LM(N)]; und zwar ge- 
schieht dies bei Bo und in nach Aufhebung der AbendtafeP). 
Sogleich teilt er seinem Gefolge mit, was er aus den Sternen zu 
ersehen glaubt: wenn um dieselbe Zeit — so berichtet der 
König — seine Gattin von ihm empfinge, so würde sie einen Sohn 
gebären, der einstmals als ein gewaltiger Machthaber viele Wunder- 
taten auf Erden verüben und die Welt in Staunen und Furcht 
versetzen würde. Seine Diener machen ihn darauf aufmerksam, 
dass er unmöglich zu seinem in Mainz befindlichen Weibe ge- 
langen könne. Aber dennoch solle er dem Winke des Schicksals 
folgen, und unter keinen Umständen dürfe er eine so wichtige 
Sache — gemeint ist natürlich die Zeugung eines Sohnes in jener 
Nacht — aufgeben. Der König ist damit einverstanden, und Pila, 
die schmucke und tugendhafte Tochter des Dorfmüllers, wird ihm 
zum Beilager gebracht. Der Bat, der Voraussage der Sterne ge- 
mäss, sich unter allen Umständen noch in derselben Nacht mit 
einem Weibe in Liebe zu vereinigen, wird dem Könige in den 
verschiedenen Pilatusfassungen von verschiedener Seite erteilt: 
bei Bo tut dies der „Bitter", der den König bei sich aufgenommen 
hat, während in es von selten seiner Mannen geschieht. Eben- 
so sind es die Begleiter des Königs (0) bezw. der Bitter (Bo), 
die ihn auf Pila (Pyla) aufmerksam machen: dagegen wird in 
LM(N) nur ganz kurz gesagt, dass die Diener, dem Befehle des 
Königs gemäss, diesem die Pila zuführen. Der Vater der Pila 



M.A.Sp. 526.) — In „Berleich" vermutet M. die Stadt „Berneck" bei Bayreuth, 
„welche durch ihre alte Burg bis zui* Abfassung der Sage hinaufreichen mag.** 
(M, Anm. a. a. 0.) — ^ „ . . . accidit regem . . . juxta Babenberch venari 
(„N'': ebend. Sp. 529j. 

^) Ygl. Pa V. 480 und „0" : „unius hospitium subeunt hominis sibi 
BOti*^ (M.A.Sp. 426 o. V. 36). 

2) „surgunt a mensa, facti pro tempore Iseti. 

rex ut homo sapiens stellis Ventura videbat, 
prospiciens igitur sie visa suis referebat: 
. . . «^ („0" : V. 38 ff. Sp. 426 oben). Vgl. dazu Pa V. 488 ff. 

5* 



. — 68 — 

ist in der Pilatusprosa LM(N) und ebenso bei „Rothe'' ein „Müller'' 
(molendinarius, molendinator), während das Gedicht ihn zu 
einem „villicus ^)" (= Meier, Wirtschaftsverwalter) gemacht hat. 
Wichtiger noch ist der Name des Vaters der Pila. In und 
bei „Rothe" wird er garnicht genannt, während er in LM(N) 
^Atus" heisst (= König in und bei Ro). Die Pila („pyla" E) 
nun empfängt von dem König in jener Nacht und gebiert nach 
Jahresfrist in der Tat einen Knaben, der — auf den Wunsch des 
Königs — nach seinem Vater Atus und seiner Mutter Pila „Pi- 
latus" („pylatus" E) genannt wird. — Dies ist die Darstellung 
in 0, welcher Ro folgt. In LM(N) erhält der neugeborene Knabe 
naturgemäss nach seinem Grossvater (vgl. oben) und seiner Mutter 
den Namen Pilatus, was der Verfasser von L(M) — etwas künst- 
lich — damit zu begründen sucht, dass Pila den Namen des 
Vaters ihres Kindes nicht gekannt habe^). Als der Knabe drei 
Jahre alt ist, wird er von seiner Mutter an den Königshof nach 
Mainz gebracht [LM(N) und „Rothe*'] •'^). Nach kommt Pilatus 
erst als „Jüngling" an den Hof seines Vaters*;. Der König ist 
über seinen natürlichen Sohn hocherfreut und zeichnet ihn vor den 
übrigen aus (nur bei Ro und in 0). Am Hofe findet Pilatus in 
einem etwa gleichalterigen ^) Stiefbruder — einem ehelichen Sohn 
des Königs — bald einen munteren Spielgefährten. Doch die 
Freundschaft zwischen beiden währt nicht lange. Der eheliche 
Sohn ist dem Pilatus an Körperkraft und an ritterlichen Tugenden 
bei weitem überlegen. Dies erfüllt den schwächeren mit Neid 
und Hass; es kommt zu Streitigkeiten zwischen den Brüdern 
und zuletzt wird der eheliche Sohn von Pilatus getötet. Diese 



1) „0": Mon. Anz. 1835 Sp. 426 V. 49. 

*) »Regis autem nominis ignara Pila, . . . indidit oi nomcn Pilatus" 
(„L«: M.A. 1838 Sp. 527). 

') „Annis vero tribus completis puer transmittitur patri suo Tiro**. 
(„L" : ebend.) — „Post tres annos puer a matre nutritug patri suo Ciro 
regi transmittitur" („N" : ebend. Sp. 529. Vgl. Pa V. 520). 

*) „crevit Pylatus et fit prudens adolescens, 

aulam regis adit, ..." (V. G3 f. „0" : M.A. 

1835 Sp. 426). 

6) Nach „Rothe" ist der Stiefbruder ein Jahr älter (V. 531), in LM ist 
er ihm „fere coffitaneus" (a. o. 0. Sp. 527), in N „coaetaneus" (Sp. 529), 
während in O sein Alter nicht genannt wird. 



— 69 r- 

Szene ist von Bothe nicht ungeschickt weiter ausgeführt als in 
den lateinischen Fassungen. In LM^) und N^) wird nur gesagt., 
dass Pilatus aus Eifersucht den ihm tiberlegenen Stiefbruder tötet; 
nach 0^) kommt es zwischen beiden zu häufigen Zwistigkeiten, 
ohne dass die Ursache näher angegeben wird, unser Dichter 
lässt — in einer aufgeregten Streitszene — den ehelichen Sohn 
seinen Bruder Pilatus einen „banghart, " einen Bastard schelten*) 
und hinzufügen, dass Pilatus in Zukunft ihm, seinem Herrn, 
grössere Ehren erweisen müsse. Hierüber ist natürlich Pilatus 
tief gekränkt: er fasst den Entschluss, seinen Bruder zu töten, 
worin ihn noch die Erwägung bestärkt, dass er nur so Thronfolger 
werden könne. Deswegen ersticht er seinen Bruder heimlich. 
Der König und mit ihm sein ganzes Haus werden natürlich durch 
diese Tat in grosse Trauer versetzt. In einer von ihm selbst be- 
rufenen Volksversammlung stimmt man zunächst für die Hin- 
richtung des Brudermörders. Aber man will nicht ein üebel 
durch ein zweites noch schlimmer machen; und so kommt man 
zuletzt überein, Pilatus als Geisel nach Eom zu schicken. Bei 
Eo macht ein alter Ritter, „ein weiser Mann," dem König diesen 
Vorschlag (V. 575): „Ir sult nicht schadin bossin myt schadin!" 
ruft er ihm zu. Denn wenn dem König kein männlicher Spross 
mehr geschenkt würde, könne Pilatus einstmals den Thron be- 
steigen — im anderen Falle könne es ihnen allen gleichgültig 
sein, ob er in Bom sterbe und verderbe. In geben die Be- 



^) „8cd gemina nobilitatis natura reginse filius ut erat nobilior sie in 
omni joco, paleestra, disco vel quocunque ludorum certamine nobilior et aptior 
Pilato prseeminebat. unde dolens^et feile doloris commotus fratrem suum la- 
tenter occidit Pilatus** (,.L": M.A. 1838 Sp. 527). 

') „Cumque ... et puer legitimus nobilitate morum et ludorum aptitu- 
dine eum longe praecelleret, Pylatus motus invidia fratrem sibi colludentem 
occidit" („N**: ebend. Sp. 529). 

') „huic (sc. filio legitime) colludendo Pylatus se sociare 

ccBpit et in ludo puerum ti*actabat amare: 
litibus assiduis discordia multiplicatur, 

dum puer a puero crudeli morte necatur" („O": V. 73flF. 
M.A. 1835 Sp. 427 o.). 
*) Pa V. 544 ff.: 

„Der eliche son irczornete do sich 
Vnde sprach: du tust nach dyner art, 
Du schemlichir bossir banghart!** 



— 70 — 

rater des Königs ihm diesen Bat, während er in LM(N) seihst 
darauf kommt ^)^). Zu erwähnen ist noch, dass der schon ohen 
herangezogene V. 575 der Pa: „Ir sult nicht schadin hossin mit 
schadin!" sich fast wörtlich auch in den lateinischen Pilatus- 
fassungen findet So heisst es in LM(N): „rex ad se reversus 
iniquitatem noluit iniquitate duplicare" (M.A. 1838 Sp. 527) 
und in 0: 

„praesens namque malum suadet Ventura timeri 
et monet a simili merito dehere caveri.*' 

(M.A. 1835 Sp. 427 V. 85 f. Diese Verse stehen in A, B, 
C, fehlen aher in D und E.) 

Pilatus kommt dann nach Rom; zu derselhen Zeit befindet 
sich ein (französischer) Königssohn ebenfalls als Geisel am römischen 
Hofe. Mit ihm schliesst Pilatus zunächst Freundschaft, zuletzt 
tötet er aber auch ihn wie seinen Bruder. Eothe spricht von 
„des Königs Sohn von Frankreich" (V. 598), und ebenso haben 
wir auch in der Prosa LM(N) es mit einem französischen Prinzen 
zu tun; in LM ist sogar sein Name „Paginus" genannt^). InO 
dagegen ist es ein englischer Prinz, den Pilatus in Rom tötet*). — 
Auch hier sehen wir wieder, dass Johannes Rothe seine lateinische 
Vorlage mit Nachdenken gelesen und in verständiger Weise 
wiedergegeben hat. Er sagt nicht fdnlach „und er tötete ihn", 

— das occidit bezw. jugulavit der latein. Fassung übersetzend 

— sondern er sucht den Totschlag zu begründen. Der französische 
Prinz ist von einer zahlreichen Dienerschaft umgeben, trägt 



*) „tunc adeunt regem, cui talia verba loquuntur: 

inclyte rex, salve, tibi cuncti compatiuntur, 
nil juvat extinotum, si victurus moriatur, . . . 
Pylatus meniit mortem, sed ne moriatur, 
Romam transmissus obses numquam redimatur" („O** : M.A. 
1835 Sp. 427 Y. 81 flf.). 

■) „rex ad se reversus . . . eum misit in obsidem" („L** : M.A. 1838 
Sp. 527). 

•) »Sed item Romce quendam nobilem, cui sociatus erat, Paginura, Pa- 
gini iilium regis videlicet Francise missum Romanis etiam in obsidem pro 
tributis, latenter occidit" („L": M.A. 1838 Sp. 527). 

*) „Anglorum regis natus rectä ratione 

obses erat RomsB pro census redditione, 
cui se Pylatus non absque dolo sociavit 
et puerum sicut l'ratrcm proprium jugulavit" (M.A. 1835 
8p. 427 „0": V.93ff.). 



— 71 — 

höfische Kleidung und macht auch sonst grossen Aufwand — der 
verstossene Pilatus dagegen geht in ärmlicher Kleidung, unedel, 
äne knechte einher. Natürlich bleibt der Makel seiner Geburt 
am römischen Hofe nicht lange unbekannt. Eines Tages — 
vielleicht infolge eines Zerwürfnisses, oder auch im Scherze — 
wirft ihm der französische Königssohn ein „Herr Müller" an den 
Kopl: der tief gekränkte Pilatus erschlägt ihn" hierauf. — So 
sucht ßothe überall seine Gestalten dem Leser lebendig vor Augen 
zu stellen. 

Die Römer nehmen den Mörder Pilatus sofort gefangen; sie 
getrauen sich aber nicht, ihn hinzurichten, weil sein Vater dann 
gegen sie feindlich gesinnt werden und ihnen die Steuerzahlung 
verweigern könnte. Er wird deshalb nach der Insel Pontus zu 
einem barbarischen Volke als Richter gesandt: dabei hegt man 
im geheimen die Hoffnung, dass er dort den verdienten Tod finden 
werde. — In der Angabe des Grundes, weshalb die Römer den 
Pilatus nicht töten, sondern nach Poncien schicken (s. o.), stimmt 
unser Ro mit dem latein. Pilatusgedicht genau überein ^). In 
der Prosa LM(N) dagegen tragen sie deswegen Bedenken, ihn zn 
töten, weil der, der seinen Bruder und den Paginus getötet hat, 
ihnen in ihren künftigen Kriegen von Nutzen sein könnte*). 
Weiter ist zu erwähnen, dass sowohl in 0^) als auch in LM(N)*) 



*) „quo facto (nach der Ermordung) cives perturbati doluerunt, 
et quidam punire nefas tantum voluerunt: 
decretum tarnen est, ut non interficiatur, 
ne pater illius contrarius efficiatur 
imperioque dari solitum censum prohibere, 

utpote vir, qui consiliis armisque valeret.** (»0": M.A. 1835 
Sp. 427; vgl. dazu Pa V. 627 ff.) 

*)„... cives Romani dolentes, an digna pena plectenda esset, an reser- 
vanda, dubitaverunt dicentes : 'hie si supervicturus esset, qui fratrem necavit, 
obsidem nostrum jugulavit, sua nequitia forsitan reipublice in debellandis 
hostibus utilis esset pro futuro.'^ (A. f. d. A. XX, 186 u.) 

«) „Insula grandis erat, Pontus hucusque vocata, 

incultisque viris et inhumanis habitata, 
qui sine prselato, sine judice quseque gerebant, 
nam dominos regesque suos ferro perimebant* (»0": 

M.A. 1835 Sp. 427 V. 103 ff.). 

*)„..., in Ponte insula in gentibus illis, qui nulluni paciuntur ju- 
dicem," . . . (A. f. d. A. XX, 186 u.). 



-^ 72 - 

die Roheit und Grausamkeit des richterlosen Volkes der Poncier 
geschildert wird: hiervon weiss ßo nichts. 

Wider Erwarten gelingt es jedoch dem Pilatus, in Poncien 
geordnete Verhältnisse herzustellen und die rohen Barbaren an 
mildere Sitten zu gewöhnen: ja, er erwirbt sich sogar den ehrenden 
Namen „Pilatus von Poncien". 

§ 68. 2) Pilatus und Herodes. 

Zu derselben Zeit herrscht in Jerusalem Herodes über die 
Juden, die den heidnischen Eroberer hassen. — In LM(N) ist 
seine Persönlichkeit näher bestimmt als „H. minor, filius Arche- 
lai, magni Herodis filii^)." — Er hört von dem Herrschertalent 
des Pilatus und beschliesst, ihn durch Geschenke und Ver- 
sprechungen als Mitregeriten und Helfer nach Jerusalem zu be- 
rufen. Pilatus nimmt auch das Geld an und geht nach Jeru- 
salem. Bald bricht er ihm aber die Treue und weiss es beim 
Kaiser (Tiberius) durch Bestechung durchzusetzen, dass er zum 
alleinigen Herrscher von Judäa ernannt wird: infolgedessen wird 
natürlich Herodes sein erbitterter Gegner. Beide wollen ihre 
Sache in Bom entscheiden lassen. 

„ßothe" folgt insofern dem Prosapilatus LM(N), als in beiden 
Darstellungen 1) Pilatus ohne Wissen des Herodes sich nach Rom 
begibt und 2) der Name des Kaisers — Tiberius — genannt 
wird. Demgegenüber bringt Pilatus es in 1) durch Sendung 
von Geschenken dahin, den Herodes aus seiner Stellung zu ver- 
drängen und 2) wird der Name des Kaisers nicht genannt, er 
heisst nur allgemein „Caesar". Ferner ist in dem Pilatusgedicht 
der ganze Verkehr zwischen Pilatus und Herodes — des ersteren 
Empfang, seine Vorstellung vor dem Volke u. s. f.^)' — weit- 
läufiger geschildert als in LM(N) und bei Rothe, die auch in 
dieser Beziehung zusammengehen. Auf der anderen Seite finden 
wir eine üebereinstimmung zwischen Ro und 0: der Umstand, 
dass Pilatus des Geldes wegen an Herodes zum Verräter wird, 
gibt dem Dichter in Gelegenheit, eine allgemeine Betrachtung 
über das Geld und das von ihm oft angerichtete Unglück einzu- 



1) M.A. „L«* 1838 Sp. 527. u. 

«) Vgl. „0": Y. 119 ff. M.A. 1835 Sp. 428 o. 



— 78 — 

Schalten. Eine Einschaltung ähnlicher Art, teilweise sogar mit 
denselben Ausdrücken, findet sich bei unserem Eothe (V. 709 
bis 724), weshalb ich es für angebracht halte, die Stelle aus 
unten wiederzugeben ^). — 

Bis zu dem Ausbruch der Feindschaft zwischen Pilatus und 
Herodes stimmt ßothe — wie wir sahen — in allen wesent- 
lichen Punkten mit den lateinischen Fassungen LM(N) und 
überein. Doch hier bricht der erste Schreiber der Dresdener 
Handschrift auf Bl. H,b mit den Worten ab: 

„Des beriffin sy sych da beiden 

kegen rome: da solde man sy entscheiden, 

Er iclichen noch syme rechtin. 

Nicht andirs kondin sy gefechtin." (Pa. V. 744 flf.). 

§ 69. 3) Der kranke Kaiser in Eom und seine Heilung 
durch das wundertätige Schweisstuch der Veronika. 

Auf Bl. 15,a der Dresdener Handschrift wendet sich der 
zweite Schreiber unmittelbar dem Kaiser Tiberius und dessen 
Heilung durch das wundertätige Schweisstuch der Veronika zu: 
er setzt also die Leidensgeschichte Christi als bekannt voraus; nur 
ganz kurz erwähnt er seinen Tod (V. 750 f.). 

Verfolgen wir zunächst den Fortgang der Ereignisse aut Grund 
der lateinischen Fassungen der Pilatusage. 

Um die Zeit als Pilatus und Herodes die bittersten Feinde 
geworden sind, ist Jesus Christus dem Tode nahe. Er ist von 
Judas verraten, den Juden überliefert und vor Pilatus gebracht 



^) »Heu quantum virtutis habes mala copia dandi! 

per te dampnantur ju8ti florentque nefandi, 
per te consequitur, quidquid mens captat habere, 
narn vix est aliquis, qui spem non ponat in aere : 
surripis omne bonum, supplantas omnia jura, 
illicitum licitumque simul misces sine cura; 
tu das ecclesias, praebendas, pontificatum, 
ordine mutato laicis das presbyteratum ; 
regibus et ducibus cum praesulibua do miliaris, 
subduuturque tibi, quorum deus esse probaris: 
prostituis dominas, peraguntquc vicem meretrices, 
nulli namque fidem servas, nee parcis amicis." (»0**: V. 
155—166. M.A. 1835 Sp. 428 u. — 429 o.) 



— 74 -^ 

worden. Doch letzterer hat nicht den Mut, ihn nach dem Wunsche 
der Juden zu verurteilen, sondern überweist ihn dem Herodes. 
Aber auch Herodes will an dem Blute Christi unschuldig sein 
und schickt ihn deshalb an Pilatus zurück. Zuletzt gibt Pilatus 
dem Drängen des jüdischen Volkes nach und lässt Jesum kreuzigen. 

Das ist etwa der Hauptinhalt sowohl der lateinischen Pilatus- 
prosa LM(N), als auch des lateinischen Pilatusgedichtes 0. 

Im einzelnen wäre noch hinzuzufügen, dass Herodes in der 
üeberweisung Christi an ihn eine Ehrung von selten des Pilatus 
sieht, und dass so eine Versöhnung zwischen beiden zu Stande 
kommt ^) 2). 

Der Dichter von — der Einschaltungen reflektierender Art 
liebt — beklagt (V. 196—203) die Torheit des jüdischen Volkes, 
das seinen Erlöser und Heiland schnöde von sich gestossen hat. 
Hieran schliesst sich eine kurze Erwähnung der Grablegung, Auf- 
erstehung und Himmelfahrt Christi, der am jüngsten Tage als 
Eichter wiederkehren soll"). 

Diese Erwähnung der Leiden Christi fehlt also bei Rothe. 

Unser Dichter wendet sich vielmehr (mit V. 748) gleich dem 
Kaiser Tiberius in Rom zu: dieser leidet am Aussatz, kein Arzt 
kann ihm helfen. Da hört er von einem wundertätigen „Arzte" 
in Jerusalem und hofft von ihm gerettet zu werden — er weiss 
ja noch nichts von dem Tode Christi. Der Kaiser schickt des- 
halb seinen vertrauten Diener Volusian mit dem Befehl zu Pilatus, 
ihm möglichst bald „den Propheten und Arzt" nach Rom zu 
senden. — 

Nach herrscht in Rom Titus (= Tiberius bei Ro) und zu- 
gleich mit ihm Vespasianus: beide sind unheilbar krank; jener 



*) „quem (sc. Jesum) Pilatus induit veste purpurca et misit Herodi, 
volens se servare innocentem a sanguirae ejus. Herodes autem credens hec 
ad honorem et reverentiam esse facta, mutuo dilectionis honore reraisit eum 
Pilato et reconciliati sunt Pilatus et Herodes in die iUa". („L" : A. f. d. A. 
XX, 187 0.) 

') „Herodes secum reputans quod conciliari 

y eilet Pilatus, rursumque sibi famulari, 
ut domino regique suo fit verus amicus, 
ejus cujus erat gravis et fervens inimicus". 
(„0": >I. A. 1835 Sp. 429 V. 186 ff.) 

3) „0": M. A. 1835 V. 204—207 Sp. 430. 



. — 75 — 

ist aussätzig, dieser hat Wespen in seiner Nase (Vespasianus wird 
bei Ro erst später erwähnt; vgl. u.). Titns beherrscht Rom und 
dessen Umgebung, während Vespasianus der Regent des westlichen 
Teiles des römischen Reiches ist. Sie hören von dem „Arzte" 
Christus in Jerusalem und hoflfen durch ihn geheilt zu werden. 
Zu diesem Zwecke beauftragt Titus den Pilatus durch eine Gesandt- 
schaft — bei Ro und in LM(N) ist es nur ein Bote — ihm Jesus 
zu senden. 

In der lateinischen Prosaversion LM(N) folgt auf die kurze 
Erwähnung der Leidensgeschichte Christi die Reue des Pilatus und 
die Entsendung eines Boten nach Rom, der ihn vor dem Reich ent- 
schuldigen soll. — Jedoch wollen wir den Pilatusboten zunächst 
beiseite lassen, um im Zusammenhang genauer auf ihn zurück- 
zukommen. 

Im übrigen stimmt die Pilatusprosa LM(N) — im Gegensatz 
zu — ziemlich genau zu unserem „Rothe". Auch hier heisst 
der aussätzige Kaiser in Rom Tiberius, sein Bote an Pilatus heisst 
in M zuerst Volusian (= Ro!), später Albanus, wie auch in L(N); 
so ist bei Rothe der Bote, den dann Pilatus dem zurückkehrenden 
Volusian nachschickt, Albanus. Rothe hat den lateinischen Fassungen 
gegenüber wieder einige Zutaten. Er zählt die ersten römischen 
Kaiser kurz auf: Julius, Oktavian, Tiberius und Gajus. — Der 
Kaiser Tiberius hat seine furchtbare Krankheit übermässigem 
Weingenusse zu verdanken; drei Jahre leidet er schon an ihr. — 
Seinem Boten Volusian gibt er nicht nur einen Auftrag, sondern 
einen ausführlichen Brief an Pilatus mit. — 

Weiter kommt dann der Bote des Kaisers zu Pilatus, teilt diesem 
den Auftrag seines Herrn mit und bringt ihn dadurch in nicht ge- 
ringe Verlegenheit und Furcht. Pilatus bittet sich eine vierzehn- 
tägige Bedenkzeit aus: erst dann könne er ihm eine An wort geben. 
Unterdessen stellt der kaiserliche Gesandte in Jerusalem Nach- 
forschungen nach Christus an; zufällig lernt er eine Frau, Vero- 
nika, kennen: diese erzählt ihm von dem Leben ihres geliebten 
Herrn, von seinem unschuldigen Leiden und Sterben. Auch be- 
richtet sie ihm die Geschichte von dem Schleier mit dem Christus- 
bilde, den ihr Jesus kurz vor seinem Tode zum Andenken ge- 
schenkt habe. Durch jenes Schweisstuch würden Kranke aller Art 
geheilt. Auf des Boten Bitte zieht Veronika dann mit nach Rom, 



— 76 — 

» 

heilt dort den Kaiser durch ihr wundertätiges Tuch und kehrt 
hochgeehrt und reich beschenkt nach ihrer Heimat zurück. 

Bei „Rothe" folgt auf die Abreise des Volusian und der 
Veronika nach Rom (V. 959) die Episode der Sendung eines 
Boten Alban durch Pilatus an den römischen Kaiser, auf die wir 
an späterer Stelle ausführlich zurückkommen. — 

Die Verhandlungen des Boten Volusian mit der Veronika in 
Jerusalem, ihre heimliche Abreise nach Rom zum Kaiser Tiberius, 
des letzteren Heilung^) durch den wundertätigen Schleier, endlich 
auch Veronikas Empfang, Ehrung und Heimkehr stimmen bei Rothe 
ziemlich genau mit dem latein. Prosapilatus LM(N) — im Gegen- 
satz zu — überein. In beiden Darstellungen bittet Pilatus den 
Boten Volusian -Alban um eine vierzehntägige Bedenkzeit. — Der 
Bote ist äusserst betrübt, als er aus dem Munde der Veronika 
hört, dass Christus nicht mehr am Leben ist und seinem Herrn 
also nicht mehr helfen kann. Traurig ruft er aus: 

„Her (der kaisir) wirdit darum eyn betrubetir man, 

Wanne her das nü geset, 

Das sin begerunge nicht geschet 

Vnd ich werde eyn vnnuczter bathe." (V. 875 ff.) 2) 

Ferner schildert Veronika in beiden Fassungen (Ko und LM) 
genau, wie sie ihr mit dem Bildnis Christi geschmücktes Schweiss- 
tuch von diesem erhalten hat. Sie beschreibt dem Boten ihren 
Gang zu dem Maler, ihre Begegnung mit Christus auf der Strasse 
u. s. w. — Bei Ro fragte der Bote weiter die Veronika auf ihre 
Erzählung von dem heilkräftigen Schweisstuche, ob dasselbe für 
Silber und Gold für seinen Herrn feil sei, worauf sie ihm ant- 
wortet, dass sie nicht des Geldes wegen, sondern aus Frömmig- 



*) Der ausführliche Bericht der HeiluDg fehlt freilich in LM, aber wahr- 
scheinlich durch ein Verseheu des Abschreibers (vgl. die Anm. Schönbachs, 
A. f. d. A. XX, 189). 

*) Vgl. dazu das Gespräch zwischen dem Boten und der Veronika in 
LM: „revertar ego sine spe nee domino meo qui leprosorum detinetur in- 
firmitate reportabo solacium, non amplius sperabit medicaminis subsidium? 
Veronica: 'qui sperat in domino nostro non confundetur. speret in eo et dabit 
ei petitionem cordis sui, quia petentibus dabitur et pulsantibus aperietur.' 
Albanus: * vehementer doleo quod legationem domini mei nullatenus expleo/" 
(A. f. d. A. XX, 189 o.) 



— 77 — 

keit allein mit ihm zum Kaiser nach Eom ziehen und diesem das 
Tuch bringen wolle.'' (Pa. V. 926 flf.) Dies ist ebenso im latein. 
Prosapilatas LM dargestellt^) 

Auch noch in einem anderen Punkte geht „Eothe* mit der 
Prosa LM. Bei ihm lesen wir über den Empfang der Veronika 
in Rom (V. 1314 ff.): 

„Der keisir hiez sich di frowin bereite 

Vnd liez di wege bebreite 

Mit sidin tuchirn vnd kostlichin gewanden 

Vnd mit teptin manchir bände, 

Do si das bilde an dem tage* 

Czu eme in das palas solde trage." 

Diese Erwähnung der Ausschmückung der Strassen, durch die 
Veronika kam, finden wir von den lateinischen Pilatusfassungen 
nur in LM wieder, wo es heisst: „Cesar igitur jubet afferri im- 
aginem stratis palliis in viam purpureis, cujus viso aspectu con- 
secutus est graciam sanitatis." 

(A. f. d. A. XX, 189 f.) 2). 

Endlich sei noch erwähnt, dass die kürzere lateinische Pilatus- 
prosa N uns allein überliefert, Veronika sei das von Christus 
(durch Berührung des Saumes seines Kleides) vom Blutfluss ge- 
heilte Weib gewesen^). In Rothes Passion findet sich hiervon 
nichts. — 

Während so unser Dichter in Bezug auf die Darstellung der 
Legende vom Schweisstuch der heiligen Veronika und der Heilung 
des Kaisers in Rom mit dem lateinischen Prosapilatus LM(N) fast 
bis auf Einzelheiten übereinstimmt, zeigt die Fassung (latein. 
Pilatusgedicht) doch mannigfache Abweichungen. 



*) „Albanus: 'estne imago talis argento vel auro comparabilis?' Veronica 
dixit: 'non, sed pie devotionis aftectu'. Albanus: *quid ergo faciam ?' Vero- 
nica: (160a ) Hccum si placet proficiscar et medendam cesari deferam ima- 
ginem et revertar'". (A. f. d. A. XX, 189.) 

2) Auf diese Uebereinstimmung hat schon Schönbach (Anz. XX, 210) 
flüchtig aufmerksam gemacht. Er kannte die Stelle in der Pa Rothes aus 
dem Zitat, das Bech (Germania IX, 174) in dem ausgehobenen Wörterver- 
zeichnis unter „bebreiten" gibt. 

8) „Veronica erat mulier illa, quam prius sanaverat dominus a fluxu 
sanguinis per tactum fimbriao suao" (Mon. Anz. 1838 Sp. 530 o. „N"). 



— 78 - 

Allgemein können wir sagen, dass in — gegenüber Eo 
und LM(N) — Namen und genauere Angaben weggelassen sind. 
Der durch die Botschaft des Kaisers In Schrecken versetzte Pilatus 
bittet den Boten (oder vielmehr die Boten) um „Bedenkzeit" — 
gegenüber der „vierzehntägigen" Bedenkzeit in LM(N) uiidEo. — 
[Der Name des üeberbringers der Botschaft ist nicht genannt; 
es heisst nur ganz allgemein „legati" in (V. 221).] An dieser 
Stelle finden wir in eingeschoben : die Sendung von Geschenken 
des Pilatus an den römischen Kaiser, wodurch ersterer sich der 
Kreuzigung des unschuldigen Christi wegen entschuldigen will. 
Doch hiervon erst später! — 

Sodann verschweigt uns der Dichter den Namen der Veronika 
in 0; sie wird allgemein mit „mulier" oder „femina" bezeichnet 
(z. B. V. 260). Ueberhaupt ist die Unterhandlung des Boten mit 
der Veronika und der letzteren Erzählung von der Erlangung des 
heilkräftigen Schweisstuches in der Fassung zu kurz gekommen: 
hier erfahren wir nichts von dem Maler, zu dem Veronika sich 
begeben will, nichts von ihrem Zusammentreffen mit Christus 
auf der Strasse, nichts endlich von der Frage des Boten, ob ihr 
Schleier für Silber und Gold feil sei. Und weiter ist ihre An- 
kunft in Eom und die Heilung des Kaisers in wenige Verse zu- 
sammengefasst: ihr Empfang, ihre Ehrung und glückliche Heim- 
kehr - alles dies wird mit Stillschweigen übergangen. 

Nur in einem Punkte finden wir eine üebereinstimmung 
zwischen Eo und 0. Vor ihrer Abreise nach Eom lässt sich 
Veronika von dem Boten einen Eid schwören, dass ihr unterwegs 
und in Eom selbst kein Haar gekrümmt werden dürfe*). 

§ 70. 4) Der Bericht des Pilatus an den römischen 

Kaiser. 

Als Pilatus von der heimlichen Abreise des Boten Volusian 
und der Veronika gehört hat, sendet er — nach Eothe — vom 
bösen Gewissen beunruhigt, seinen Boten Alban mit einem 
Entschuldigungsschreiben an den Kaiser Tiberius nach Eom. 

*) » • • • jurate mihi, quando secura redibo. . . . 

jurant statim mulieri 

quod voluit, spondentque nihil debere tiraeri.* („0" : M.A. 
1835 Sp. 432 o. Vgl. Pa V. 934 ff.^ 



— 79 — 

Es ist nun an der Zeit, auf das Thema ,,der Sendung eines 
Boten von Pilatus an den Kaiser" näher einzugehen und zu ver- 
suchen, die in den verschiedenen Fassungen auseinandergehenden 
Darstellungen klarzulegen. Sowohl der mittelhochdeutschen als 
auch den lateinischen Fassungen liegt etwa folgender Sagenbe- 
stand zu Grunde: Pilatus schickt — aus Eeue — einen Boten 
nach Rom, der ihn vor dem Kaiser wegen der Kreuzigung Christi 
entschuldigen soll. Infolge eines Seesturms wird der Bote jedoch 
verschlagen und kommt zu dem römischen Statthalter Vespasian, 
der ebenso wie der Kaiser an einer unheilbaren Krankheit leidet — 
er hat Wespen in seiner Nase. — Diesem erzählt er von dem 
Leben und den Wunderwerken Christi und seinem unschuldigen 
Tode durch Pilatus und die Juden. Im Glauben an Christus 
wird Vespasian von seiner Krankheit geheilt: er entlässt den Boten 
reich beschenkt und begibt sich selbst nach Rom, um dem 
Kaiser von seiner glücklichen Genesung Bericht zu erstatten und 
des Pilatus und der Juden Bestrafung zu veranlassen. 

Was die Einzelfassungen in Bezug auf diesen Teil der Pilatus- 
sage betrifft, so wollen wir in der nachstehenden Untersuchung 
von folgenden Gesichtspunkten ausgehen: 

a. Veranlassung. 

Pilatus hat der Kreuzigung Christi wegen grosse Furcht vor 
einer Bestrafung durch den Kaiser. Er sucht sich deshalb durch 
eine Botschaft an diesen von aller Schuld rein zu waschen. 

Nach Ro veranlasst ihn hierzu die plötzliche Abreise des 
Boten Volusian mit der Veronika: den kaiserlichen Boten hat er 
ja vierzehn Tage mit einer Antwort hingehalten, auch war er so 
unvorsichtig, diesem mitzuteilen, dass Christus nicht mehr 
am Leben sei und „ein wunderliches Ende erworben habe." 
(V. 834 f.) 

Aehnlich ist die Darstellung in 0: nachdem die Gesandten 
des Kaisers (Titus) sich ihres Auftrages an Pilatus entledigt haben, 
gerät dieser in grosse Furcht. Er bittet um Bendenkzeit und 
fasst inzwischen den Entschluss, durch Sendung von Geschenken 
zu versuchen, Straflosigkeit beim Kaiser zu erwirken ^). 



^) „cogitat interea regi dare munera multa, 

ut pro muueribus Christi mors esset iu ulta." („O** : M.A. 
1835 Sp. 430 M. V. 224 f.) 



— 80 - . 

Auch was die zeitliche Aneinanderreihung der einzelnen 
Tatsachen angeht, stimmt demnach Bo mit überein: bei beiden 
wird Pilatus, durch eine kaiserliche Botschaft in Furcht versetzt, 
veranlasst, eine Gegenbotschaft zu senden. 

Abweichend hiervon berichtet der Prosapilatus LM(N), sowohl 
was die Veranlassung, als auch was die zeitliche Einordnung der 
Absendung der Botschaft des Pilatus angeht. Unmittelbar nach der 
Erzählung von der Kreuzigung Christi — so heisst es in LM(N) 
— lässt dem Pilatus das böse Gewissen keine Euhe: er kann 
nicht umhin, über den Tod Christi — zugleich zu seiner Ent- 
schuldigung — nach Eom Bericht zu erstatten^). 

ß. Der Name des Boton. 

Pur den Boten, welchen Pilatus an den römischen Kaiser 
sendet, begegnen in den verschiedenen Sagenversionen verschiedene 
Namen. Bei Eo heisst der 'Bote des Pilatus „Alban", im Prosa- 
pilatus L dagegen (mit leichter Aenderung) „Adanus", während 
die Prosafassung M (die sonst mit L identisch ist)^) ihm den 
Namen „Adrianus" beilegt. Mit M geht der „kürzere Prosa- 
pilatus" N, der übrigens nicht den Pilatus, sondern den Herodes 
den Boten nach Eom senden lässt^). Im Pilatusgedicht endlich 
sind die Boten -^ der uns schon bekannten Neigung des Dichters 
,ent5prechend — gamicht mit Namen genannt; es heisst dort 
einfach : 

„munera mittun tur, sed qui deferre volebant ..." 
(Mon. Anz. 1835 Sp. 430 M. V. 226). 

Die ursprüngliche Form des Namens ist wahrscheinlich 
„Alban" (— Eothe), denn es gibt einen Mainzer Märtyrer, „St. 
Alban**, dessen Leben von dem Mainzer Kanonikus Goswin um 
1072 beschrieben wurde. Da nun Mainz als Eesidenz des Vaters 



^) „Sciens autem (Pilatus) per iuvidiam traditum esse Jhesura et timcnB 
offensam Tiberii csesaris, quod san^inem innoceiitem condemnaverat, appa- 
rato nayigio multis muneribus onerato Adanum quendam sibi ^familiärem 
ad excusandum se misit Tiberio', . . ." „LM" : (M.A. 1838 Sp. 528 o.); ähn- 
lich in „N" (a. a. O. Sp. 529 u.). 

8) Vgl. A. f. d. A. XX, 136. 

«) Vgl. Mon. Anz. 1838 Sp. 529 u. 



•— 81 — 

des Pilatus eine grossfe Bolle in der Sage spielt/ könnte doch 
sehr leicht der Name „Alban'' mit Pilatus in Zusammenhang ge- 
bracht worden sein*). Die lateinischen Passungen L[M] und N 
mussten den Namen des Pilatusboten ändern, denn sie hatten 
„Albanus*" ja schon für den „Tiberiusboten" verwandt: so werden 
wohl die Namen Adanus (L) und Adrianus (MN) zu erklaren sein 2). 

Y- Inhalt der Botschaft. 

Den Inhalt der Pilatusbotschaft stellt Eothe den lateini- 
schen Fassungen gegenüber etwas anders dar. Zwei Gesichts- 
punkte sind hier für die Beurteilung des Verhältnisses der 
lateinischen Versionen zu unserer mittelhochdeutschen von Wichtig- 
keit. 1. In dem lateinischen Prosapilatus stellt Pilatus Christus 
als einen schlechten Menschen hin, der gerecht verurteilt worden 
sei und 2.* sendet er dem Kaiser reichliche Geschenke, um ihn 
zu bestechen^). In dem Pilatusged. wird mit dem in anderem 
Zusammenhang schon oben beigebrachten V. 226 flüchtig über 
den Inhalt der Pilatusbotschaft hinweggegangen und nur noch 
hinzugefügt, dass Pilatus 

„cogitat . . . regi dare munera multa, 

ut pro muneribus Christi mors esset inulta.'^ 

(Mon. Anz. 1835 Sp. 430.) 

Ganz anders bei unserem Johannes Bothe: er führt die 
Gestalt des Pilatus dem Herzen seiner Leser dadurch etwas 
näher, dass er ihn die Verdienste Jesu voll anerkennen lässt. 



') Andere Yermutungen hierüber spricht Schönbach aus (A. f. d. A. 
XX, 193). 

«) Vgl. auch Schönbach, Anz. XX, 206. 

') „LM*^: „(Pilatus) . . . apparato navigio multis muneribus onerato 
Adanum quendam sibi familiärem ad cxcusandum se missit Tiberio, qui dice- 
ret ei, quoniam ad honorem sui et conservationem juris et judicii magum 
quendam nomine Jhesum, regem se facientem, caesari contradicentem, justa 
in eum data sententia captum vinxisse et ad crucifigendum tradidisse populo.^ 
(M.A. 1838 Sp. 528 o.) Und ähnlich berichtet „N" : „Herodes (anstatt Pilatus) 
. . . Adrianum sibi quendam familiärem ad excusandum se Tiberio destina- 
yit, dicens se quendam magum nomine Jhesum, impcratori contradicentem, 
CTUcifigendam populo tradidisse.^ (Ebenda Sp. 529 u.) 

Heinrich, Studien za Joliannes Rothe 6 



— 82 — ' 

In einem Briefe — und einen solchen lässt unser Dichter den 
Pilatus schreiben — teilt dieser dem Kaiser Tiberius mit, dass 
die Juden durch die Kreuzigung des unschuldigen Christi ewige 
Verdammnis auf sich geladen hätten. Dann zählt er begeistert 
die Wundertaten auf, die der Herr auf Erden vollbracht habe. 
Nur mit Widörwillen und mit heimlicher Furcht habe er dem 
Drängen des jüdischen Volkes nachgegeben, das Jesus als Zauberer 
und Betrüger bei ihm verschrieen habe. Weiterhin schildert er 
noch kurz die Kreuzigung, Grablegung, Auferstehung un.d Himmel- 
fahrt Christi. Am Schlüsse seines Schreibens versichert er dem 
Kaiser endlich noch, dass er die volle Wahrheit gesagt habe 
(V. 1114 ff.): '' 

„Dit habe ich uch in warheit geschrebin. 

Ab ymant login hette getrebin. 

Das ir nicht gloubin soldit, 

Ab ir di warheit wissen woldit." 

8. Schicksal des Boten. 

Besonders wichtig ist dann 4. die Frage nach dem Schicksal 
des von Pilatus nach Rom gesandten Boten. Versuchen wir zu- 
nächst wieder, den Grundgedankengang aller Fassungen festzu- 
legen: der Bote des Pilatus wird durch Unwetter auf dem Meere 
verschlagen und kommt nicht nach Rom, sondern zu Vespasian, 
einem Statthalter des römischen Kaisers im Westen des Reichs. 
Dieser ist unheilbar krank, erfährt durch den Boten von dem 
„Arzte" Christus und wird durch den Glauben an diesen auf der 
Stelle von seiner Krankheit geheilt. Zuletzt zieht er aus Freude 
und Dankbarkeit über seine glückliche Genesung zum Kaiser 
nach Rom, um die Mörder des unschuldigen Jesu — die Juden 
und vor allem den Pilatus — zur Bestrafung ziehen zu lassen. 
Durch seinen Bericht bestärkt er den Kaiser in dem Entschlüsse, 
den Pilatus zu töten. 

So liegt eine gewisse Tragik darin, dass derselbe Bote, der 
den Pilatus retten soll, mittelbar zu seinem Verderben beiträgt. 

Wenden wir uns nun den einzelnen Versionen der Sage 
zu. Der Pilatusbote wird nach Ro an die Küste „Welschlands" 
verschlagen, der Prosapilatus lässt ihn an der „galicischen" 



— 83 — 

Küste Schiflfbrucb erleiden^), während in die Pilatusboten in 
Spanien landen und von dort zu Fuss nach Rom weiter wandern *). 
Auf dem Wege gelangen sie zu Vespasian. 

Der Prosa LM und unserem mittelhochdeutschen Gedichte 
gemeinsam ist die Erzählung, dass nach der Sitte des Landes, an 
dessen Küste der Bote geworfen wird, Schiffbrüchige ihr lieben 
verwirkt haben'). Hiervon wissen und N nichts. — Was 
weiter die unheilbare Krankheit des Vespasian betrifft, so be- 
richten uns alle Fassungen übereinstimmend, — also Ro, LM[N] 
und — dass er Wespen (von Jugend auf) in seiner Nase ge- 
habt habe. Die Prosa LM und Ro fügen noch hinzu, dass er 
diesem Umstände auch seinen Namen [„Vespesian'' (Ro,LM) oder 
„Vespasian" (N,0)] verdankt (!): 

(Pa V. 1214 ff.) 

„Nu hatte her vespin — horte ich sagin — 
Von jogunt in siner nasin getragin. 
Vnd darvon so wart her genant 
'Vespesianus' obir alle laut." 

Entsprechend lesen wir in der Prosaversion LM: „Vespesia- 
nus enim quoddam genus vermium forsitan ad manifestanda 
opera dei insitum naribus gerebat ab infancia, undeavespis dice- 
batur Vespesianus*)." 

Ueberraschend ist die Uebereinstimmung des Gesprächs 
zwischen dem Pilatusboten und Vespesian bei Ro mit dem Prosa- 
pilatus LM. Die Prosa hat hier die direkte Rede wie Ro, der 
oft wörtliche Anklänge an das Lateinische zeigt ^). In N und vor 
allem in haben wir auch hier wieder starke Kürzung. 

Es bleibt nun noch übrig, einige Worte über das Eintreffen 
des Pilatusboten bezw. des Vespesian in Rom nach den ver- 



*)„... ventis sibi contrariis in Galiciam mittitur." [„LM(N)": M.A. 
1838 Sp. 528 o.] 

*) n • • • Hispanosque legunt portus, tunc egrediuntur, 

perque yiam loDgam redeunt, Romam repeteDtes.'^ (Ebenda 1835 
V. 229 f. Sp. 430.) 

') „Erat autem consuctudo, ut quicunque hujusmodi relegationis exilium 
patieus terris aliquibus impcHeretur, principibus et terrae illius incolis rebus 
et Servitute subjiceretur.** (Ebenda 1838 Sp. 528 o. Vgl. dazu Pa V. 1186 ff.) 

*) A. f. d. A. XX, 187 u. 

•) Vgl. Anz. XX, 187 f. und dazu Pa V. 1200 flf. 

6* 



— 84 — 

schiedenen Versionen zu sagen. In diesem Punkte weichen die 
einzelnen Fassungen stark von einander ab. Bo steht mit seiner 
Auffassung aliein : bei ihm entlässt Yespesian nach seiner Heilung 
den Pilatusboten reich beschenkt nach Rom, wo er auch dem 
kranken Kaiser Tiberius helfen soll (Pa V. 1274—1279). Der 
Bote trifft in der Hauptstadt gerade in dem Augenblick ein, wo 
der Kaiser — nach seiner glücklichen Heilung durch das Schweiss- 
tach der Veronika — seine Diener zur Ergreifung des ruchlosen 
Pilatus nach Jerusalem gesandt hat. Tiberius findet in dem 
Briefe des Boten alles bestätigt, was Veronika und Volusian ihm 
über Pilatus gesagt haben. — Vespesian dagegen kommt erst 
später nach Rom, als Pilatus schon in die Verbannung geschickt 
ist. Durch den Bericht des Vespesian und seine erneute Anklage 
gegen Pilatus wird des letzteren Hinrichtung vom Kaiser end- 
gültig befohlen. — In LM(N) kehrt der „Bote** von Vespesian 
aus unmittelbar nach Hause zurück. Der Statthalter selbst wird 
nachher nach Rom berufen und stimmt natürlich auch für die 
Hinrichtung des Pilatus"). Nach endlich begeben sich Ves- 
pasian und die „Pilatusboten" gemeinschaftlich nach Rom — 
und zwar gleich nach des ersteren Heilung — und tragen durch 
ihre Aussagen wesentlich dazu bei, Pilatus ins Verderben zu 
stürzen ^). 

§ 71. 5) Verurteilung des Pilatus und sein tragisches 

Ende. 

Hinsichtlich der Verurteilung und des Todes des Pilatus 
liegt den lateinischen Versionen und unserem mittelhochdeutschen 



^) „Yespasianus qui advocatus (est) principain consilio morte turpissina 
dampnandum censuit Pilatum.'^ („LM^: Anz. XX, 190 o.) 

') Yespasianus und die Boten treten die Reise nach Rom an: 

„dispositis igitur cunctis iter aggrediuntur 

rex equitesque sui, cum quo pariter gradiuntur 

hi, quoB ut dixi, Pylatus miserat ante 

excusa^e malum fraudisque pericula tantae.*^ („0.*^M.A. 1835 
Sp. 4SI o. y. 248 If.) Des Yespasianus Ankunft in Rom: 

„äuget laetitiam veniens quoque Yespasianus, 

namque refert simili se curatum ratione, 

ut doluit de morte dei vel perditione. 

consilioque pari prodit sententia regum: 

perdere Pylatum justo moderamine legum*^ (ebend. Sp. 432 u.). 



— 85 — 

Gedichte knrz etwa folgender Sagenbestand zn Grande. Auf 
kaiserlichen Befehl wird Pilatus, der Kreuzigung des unschaldi- 
gen Christi wegen aufs schwerste belastet, ^ gefangen nach Born 
gef&hrt und bald darauf zum Tode verurteilt. Seiner Hinrichtung 
kommt er aber durch Selbstmord zuvor. 

Das berichten kurz sowohl LM(N) als auch 0. In der Prosa 
LM(N) findet sich noch folgender Ausruf des Kaisers, als man 
ihm die Nachricht vom Selbstmorde des Pilatus überbringt: „vere 
mortuus est morte turpissima cui manus non pepercit propria . , .^ 
(Anz. XX, 190). 

Ganz ähnlich lässt Bothe den Tiberius auf die Kunde von 
dem tragischen Ende des Pilatus ausrufen (V. 1545 flf.): 

„ . . . werlichin! der tod 
Ist schemelichir danne keynerlei nod, 
Wan eyner selber obir sich rieht 
Vnd vmme sine cigin bossheit irsticht." 

Sonst ist die Darstellung bei Bo ausführlicher als die der 
lateinischen Fassungen. Vor allem ist zu erwähnen, dass bei 
ihm die Schuld des Pilatus durch eine Anklage der Juden — 
von der die lateinischen Versionen nichts wissen — noch ver- 
grössert wird. Der Dichter hat diese Anklage fein motiviert: 
die Juden erfahren, dass ihr Statthalter in dem Berichte an den 
Kaiser die ganze Schuld an der Verurteilung Christi auf sie ab- 
gewälzt habe; deshalb senden sie ihrerseits heimlich einen Boten 
nach Bom ab, der den Pilatus aufs schwerste beschuldigen soll: 
er habe sein Amt schlecht geführt; sie bitten um einen anderen 
Bichter. (Pa VV. 1118— 1171; 1406 f.) 

Eine gewisse Tragik ist auch hier unverkennbar. Die Juden, ' 
durch die Pilatus unbestraft zu bleiben hofft — indem er sie 
für den Tod Christi verantwortlich macht — tragen später nicht 
unwesentlich zu seiner Verurteilung bei. — 

In den lateinischen Fassungen der Sage ersticht sich Pilatus 
bald nach dem Bekanntwerden seiner Verurteilung. Bei Bothe 
wird er nicht sofort zum Tode verurteilt, sondern zunächst nach 
Lugdunum in Burgund in die Verbannung geschickt (im J. 39 
n. Chr.), wo er ein Jahr lang in grösster Armut sein Leben fristet. 
Erst des Vespasianus Bericht gibt dem Kaiser die unmittelbare 
Veranlassung, den Hinrichtungsbefehl gegen Pilatus zu erlassen. 



— 86 — 

(Bei Ro kommen also für die Schuld des Pilatus in Betracht: die 
Aussagen des Volusian und der Veronika, die Anklage der Juden, 
des Pilatus eigener Brief und der Bericht des Vespasian.) 

In unserer mittelhochdeutschen Version endlich ersticht sich 
Pilatus in „Vihen": hiervon wissen LM(N) und nichts. Viel- 
mehr macht Pilatus in den lateinischen Fassungen in Born seinem 
Leben ein Ende. 

Auf die Namen „Lugdunum" und „Vihen" kommen wir im 
nächsten Abschnitt zurück. 

§ 72. 6) Das Schicksal der Leiche des Pilatus. 

üeber das Schicksal der Leiche des Pilatus mit besonderer 
Beziehung auf den Schweizer Pilatusberg als Grabstätte derselben 
besitzen wir eine Vorarbeit. Im „Anz. f. Kunde der deutschen 
Vorzeit« (N. F. Bd. XI, Sp. 364—369. 1864) druckte Herschel 
mit einer kurzen Abhandlung „zur Pilatussage" den Teil unserer 
Dresdener Handschrift M. 199 ab, der sich auf das Schicksal der 
Leiche des Pilatus bezieht (Pa V. 1551— 1714). i) 

H. weist nach, dass die uns bekannte älteste Erwähnung des 
Schweizer Pilatusberges (des alten „Frakmont")in unserer (Münchener) 
Prosafassung L stattfindet*). Weiter verfolgt er die späteren Er- 
wähnungen des Pilatusgrabes: 1. bei dem Züricher Chorherm 
Konrad von Mur (vgl. Capellerii historia montis pilati. Basil. 1767 
pag. 3). 

2. in der Legenda aurea des Jacobus a Voragine (Grässische Aus- 
gabe, S. 234) und 

3. bei dem Züricher Chorherrn Felix Hämmerlin, 

a) in dessen tractatu exorcismorum alio (Bl. 79 der in Eberts 
bibliograph. Lexikon unter 9430 aufgeführten Ausgabe) und 

b) ausführlicher in dem dialogo de nobilitate et rusticitate (in der 
bei Ebert mit 9429 bezeichneten Ausgabe, Kap. 32, Bl. 126). 
Herschel hat jedoch die Vergleichung der lateinischen Ge- 
staltungen der Sage mit der Darstellung Eothes im einzelnen nicht 
durchgeführt, sodass uns dies zu tun noch übrig bleibt. 

*) Nach Herschels Zählung V. 803—966. — AUerdiiigs Btimme ich in 
dem Lesen der handschriftlichen Ueberlieferung nicht immer mit ihm überein 
(vgl. unten den Text der hs.). 

■) Vgl. unten die betr. Stelle nach M. A. 



— 87 — 

Welches ist zunächst wieder der Kern aller Sagen Versionen ? 
— Der Leichnam des Selbstmörders Pilatus darf nicht bestattet 
werden. Er wird deshalb, mit einem Mühlstein am Halse be- 
schwert, in einen Fluss (in der Nähe einer Stadt) geworfen. Doch 
hier verursacht er grosses Unheil: Sturm und Gewitter, Hagel 
und Ueberschwemmung. Deshalb wird er nach einem See (, Brunnen") 
in den Alpen (in der Nähe des Frakmont oder mons septimus, 
des heutigen „Pilatus" bei Luzern) an einen tibelberüchtigten Ort 
gebracht, wo er bis heute im Bunde mit teuflischen Geistern sein 
Unwesen treibt. — 

Nach dem Pilatusgedicht wird des Pilatus Leiche in die 
„Rhone" geworfen und zwar in der Nähe der Stadt „Vienna." 
Zuletzt bringt man sie an einen unheimlichen Ort hoch in den 
Alpen. In LM(N) kommt sein Leichman zuerst in den Tiber, 
dann in die Rhone bei Vienna; später versucht man ihn in „Lo- 
sanne" zu beerdigen, sieht sich aber zuletzt genötigt, ihn nach 
einem „Brunnen" (puteus) in den Alpen zu schaffen (in LM wird 
übrigens Vienna als „Weg der Hölle", via Gehennae erklärt). 

Ro schliesst sich wieder der Prosa LM an: der Leichnam 
wird in die Rhone geworfen, in „Losanne" versuchsweise bestattet 
und findet endlich in einem Alpensee eine Ruhestätte. 

Vor seinem Tode muss Pilatus nach Ro zunächst nach „Lug- 
dun um" (Lyon) in die Verbannung gehen und stirbt in „Vihen**. 
„Vihen" ist offenbar gleich dem „Vienna" der lateinischen Vor- 
lagen. „Lugdunum" dagegen finde ich nur in erwähnt, in 
einer wahrscheinlich nicht altsagenmässigen Erweiterung des 
Dichters. An der betr. Stelle wird in gesagt, die Einwohner 
von Vienna kommen in Lugdunum zusammen, um über die Ab- 
wehr des durch die Pilatusleiche entstandenen Unglücks zu berat- 
schlagen („0":. M.A. 1835 Sp. 433 V. 346 ff.). 

Sonst hat Rothe den altsagenmässigen Bestand mit 
mancherlei phantastischen Zutaten ausgeschmückt: das Spiel der 
Geister mit dem Leichnam — die Steine auf dem Grabe in Lo- 
sanne, die mit mächtigem Getöse auseinanderfliegen — die ört- 
lichen Angaben in Bezug auf den Alpensee: Kostnicz u. s. w. — 
der Besitzer des Sees: Herzog von Oesterreich — und vor allem 
das in der Nähe desselben zur Abwehr des Teufelsspuks errichtete 
Kloster — — von allen diesen Dingen wissen die lateinischen 



— 88 — 

Pilatusversionen nichts. Herschel bemerkt deshalb wohl mit Recht, 
dass Bothe in Bezug auf die Ausschmückung des letzten Teils 
der Pilatussage „von einer argen Verwechslung oder gar von 
einer Erdichtung kaum freizusprechen sein wird". (A. a. 0. 
Sp. 369 u.)0. 

§73. 

Schönbach hatte die Vermutung ausgesprochen, dass Bo auf 
das Pilatusgedicht zurückgehe (vgl. seinen Stammbaum). Im 
Verlaufe seiner Abhandlung modifizierte er jedoch seine Ver- 
mutung dahin, dass Bo, „alles in allem genommen, nach einer 
Fassung gearbeitet sei, die unserer Prosa M am nächsten 
stehe.* 

Fassen wir zunächst die Ergebnisse unserer Untersuchung noch 
einmal kurz zusammen. 

§74. 

In folgenden Hauptpunkten stimmt Bo mit dem lateinischen 
Pilatusgedicht übereiu^): 



') Die Beschreibung der Grabstätte des Pilatus in den verschiedenen 
lateinischen Gestaltungen der Sage möchte ich — als einige der ältesten 
uns bekannten Zeugnisse über den „Pilatus*^ bei Luzern — hier noch hin- 
zufügen. 

„LM": Jlli (sc. incolae) yero non »quanimiter ferentes pr^memoratas 
deeraoniorum insanias Alpibus ipsum remittebant et in puteo quodam futili 
et montibus circumsepto submergebant. ubi relatione quorundam usque in 
eeternum moYentur et ebulliunt plurimse machinationes et impuritates diabo- 
licee. Puteus autem hie vicinus est monti, qui vocatur septimus mens, 
Tel quod montibus aliis circumseptus vel septimus mons tanquam de Septem 
montibus eminentioribus unus*^ (M.A. 1838 Sp. 528.). In „N" fehlt die letzte 
Erklärung des mons septimus. 

„0*': Alpibus in mediis locus est, sicut memoratur, 
tartareas flammas a se proferre probatur, 
in quem Pylatum traxerunt praecipitandum 
atque gehennali sicut decet igne cremandum. 
Tox ibi multotiens auditur daemoniorum, 
quorum gaudia sunt mors et poenae miserorum*S (M. A. 
1835 Sp. 433 u.) 

') Bei der Aufzählung der einzelnen Punkte verfahre ich wieder chrono- 
logisch. 



— 89 — 

1. Der Vater des Pilatus ist der König Atu8(!). 

2. Seine Hauptstadt heisst Maguntia und ist nach dem 
„Mögen" und der „Tia" so genannt. 

3. Nachdem die Abendtafel aufgehoben ist, beobachtet König 
Atus den Sternenhimmel. 

4. Die Bömer töten den Mörder Pilatus deshalb nicht, weil 
sein Vater ihnen dadurch feindlich gesinnt werden und ihnen den 
Zins verweigern könnte. 

5. Einschaltung einer allgemeinen Betrachtung über das Un- 
heil, welches das Oeld anrichten kann. 

6. Veronika lässt sich einen Eid für ihre Sicherheit 
schwören, beTor sie einwilligt, mit dem Boten und dem Schweiss- 
tuche nach Bom zum Kaiser zu ziehen, 

7. Veranlassung für Pilatus, eine Botschaft an den Kaiser in 
Bom zu seiner Entschuldigung zu senden. 

8. Die Erwähnung der Stadt Lyon (Lugdunum). 

§75. 

Dem gegenüber stimmt „Bothe" in folgenden Punkten mit 
der Prosafassung LM(N) überein. 

1. Der Vater der Pila ist von Beruf ein Müller (molen- 
dinarius). 

2. Pilatus kommt im Alter von drei Jahren an den Hof 
seines natürlichen Vaters. 

3. In Bom erschlägt er einen französichen Königssohn. 

4. Pilatus begibt sich ohne Wissen des Herodes* nach Bom 
zum Kaiser, um seine Beförderung durchzusetzen, und zwar wird 
der Name des Kaisers — Tiberius — genannt. 

5. Der (aussätzige) Kaiser heisst „Tiberius."(!) 

6. Sein Bote heisst in M zunächst „Volusian", später 
„Alban" und so auch in LN.(!!) [BeiBothe heisst der Kaiserbote 
Volusian, der Pilatusbote Alban]. 

7. Der Statthalter des Kaisers heisst gewöhnlich „Vespesian" 
(statt „Vespasian"). 

8. Die Schicksale des kaiserlichen Boten in Jerusalem und 
sein Verkehr mit der Veronika (teilweise wörtliche Ueberein- 
stimmung!). 



— 90 — 

9. Schilderung der Festlichkeiten in Rom zu Ehren der 
Veronika. 

10. Der Pilatusbote wird an die „welsche" (|galicische) Küste 
verschlagen. 

11. Nach der Sitte des L ndes — an dessen Küste der Bote 
des Pilatus verschlagen wird — sind Schififbrüchige dem Fürsten 
mit Leib und Leben verfallen. 

12. Der Statthalter Vespesianus hat daher seinen Namen 
erhalten, dass er von Jugend auf Wespen in seiner Nase getragen 
hat (fast wörtlich!). 

13. Gespräch zwischen dem Boten des Pilatus und Ves- 
pesian (!). 

14. Der Ausruf des Kaisers, als man ihm die Kunde von 
dem Selbstmorde des Pilatus überbringt. 

15. Die Leiche des Pilatus wird mit einem Mühlstein am 
Halse ins Wasser geworfen. 

16. Erwähnung der Stadt „Losaune." 

17. Der Schluss der Pilatussage im allgemeinen. 

§ 76. 
Hieraus ergibt sich, dass Rothe eine Quelle für seine Pilatus- 
darstellung benutzt hat, die sowohl auf die Pilatusprosa LM(N), 
als auch auf das Pilatusgedicht zurückgeht oder die gemein- 
same Grundlage von beiden bildet. Schönbachs Stammbaum (S. 62) 
ist also dahin zu ändern, dass nicht unmittelbar auf LM(N) 
zurückgeht, und dass weiter tt (= ßothe) nicht allein aus 0, sondern 
aus LM(N) und^O geflossen ist. 

§ 77. S. Die Pllatutoage In der „Passion'' und In der 

„Thüringischen Chronik'' Rothes. 

Ausser in der „Passion" hat Rothe auch in seiner „Thüringi- 
schen Chronik" die ganze Pitatussage dargestellt. In Chr um- 
fasst die Pilatussage folgende '4 Kapitel: 

,76. Wie Pylatus geborn wart. 77. Wie Pylatus zu Jheru- 
salem richter wart. 78. Wie Pylatus dem keisser schreib. 79. 
Wie Pylatus seyn ende nam." (S. 64—66.) Im Vergleich zu 
Pa ist die Sage aber wesentlich gekürzt: alle Detailschilderung 
ist weggelassen, nur die Hauptzüge sind wiedergegeben. So fehlt 



— 91 — 

die Angabe, dass der König Atus in der Astronomie bewandert 
ist. Unerwähnt bleibt ferner die Jagd, die Voraussage der Geburt 
des Pilatus, die Beratung über die Bestrafung des Mörders. Weiter 
fehlt die nähere Beschreibung von Pilatus' Aufenthalt am römi- 
schen Hofe und die Motivierung der Ermordung des französischen 
Königssohnes. Auch der Verkehr zwischen Volusian und Pilatus 
ist nur angedeutet, ebenso die Unterhandlung des Boten mit der 
Veronika und die Heilung des Kaisers Tiberius. Nichts erfahren 
wir davon, dass Pilatus einen Boten an den Kaiser sendet, nichts 
von der wunderbaren Heilung des Vespasian. Das Ende des Pilatus 
und das Schicksal seines Leichnams wird nur mit wenigen Worten 
beschrieben: Pilatus wird in ein „bruch" geworfen; von einem 
Alpensee wird nichts erwähnt. Endlich sendet der Kaiser zwei 
Boten an Pilatus, zuerst den Volusian und nachher den^Alban. 

— Nur die Erwähnung des Traumes, den die Frau des Pilatus 
hat, fehlt in Pa gegenüber Chr. 

§ 78. 4. Die PUatassage In der „Passion'' Rothes In Ihrem 
Verhftltnls zur PUatassage der „Legenda Aurea''. 

Auch Jacobus a Voragine behandelt in seiner Legenda Aurea 
(Cap. 53 „De passiohe domini") die ganze Pilatussage. Ein Ver- 
gleich zwischen seiner Darstellung und der Kothes zeigt, dass 
L-A die Sage äusserst gekürzt wiedergibt. Schon der Anfang 
„über die Zeugung und Geburt" des Pilatus beweist uns dies. 
L-A: „fuit quidara rex nomine Tyrus (!), qui quandam puellam 
nomine Pylam, filiam cujus molendinarii nomine Atus (!) carna- 
liter cognovit et de ea filium generavit, Pyla autem ex nomine 
suo et nomine patris sui, qui dicebatur Atus, unum nomen com- 
posuit et nato puero imposuit nomen Pylatus." — Die Hauptstadt 
Maguntia — die Weissagung der Geburt des Pilatus — die Jagd 

— die näheren Umstände bei dem Verkehr zwischen dem König 
und der Pyla — Alles dies bleibt in L-A unerwähnt, während 
Pa oft in wörtlicher üebereinstimmung mit LM(N) bezw. uns 
alle diese Einzelheiten berichtet. Vor allem fehlt in L-A auch 
der Bote Alban und die ganze Episode von der Heilung des 
Vespasian (!). Der Beweis liesse sich leicht weiter führen, dass 
die Legenda Aurea in vielen Punkten von Pa abweicht. 



— 92 — 

Diese Tatsache bestärkt uns in der Annahme, dass Bothe für 
die Darstellung seiner Pilatussage in Pa nicht die Legenda Aurea, 
sondern die lateinischen Pilatusfassungen LM(N) und unmittel- 
bar oder mittelbar benutzt hat. Allerdings ist es wahrscheinlich^ 
dass unser Dichter auch die Pilatussage in der Fassung von L-A 
gekannt hat (vgl. hierüber später). 

§ 79. 
II) Die Jttdassagre und die Erzählung: von der ersten Mflnze 

und den 80 silbernen Pfennigen. 

Ausser der Pilatussage enthält die Dresdener hs. der Passion 
Bothes fast die vollständige Sage von Judas Ischarioth. üeber 
die Judassage haben gehandelt: a) du M6ril, Po6sies populaires 
latines du moyen äge. Paris 1847. (L6gendes de Pilate et de 
Judas Ischariote p. 315 — 368.) b) d'Ancona, La Leggenda di 
Vergogna testi del buon secolo in prosa e in verso e la Leggenda 
di Giuda teste italiano antico in prosa et francese antico in verso. 
Bologna 1869 p. 94 f. c) Creizenach, PBB II, 177 fif. („Judas 
Ischarioth in Legende und Sage des Mittelalters.") d) Constans, 
La Legende d'QEdipe. Paris 1881 (III. La Legende d'(Edipe dans 
les traditions populaires Sect. 1 „La L6gende de Judas")*). Die 
4 genannten Forscher kannten von den ältesten (lateinischen) 
Fassungen der Sage 1. die Darstellung der Legenda Aurea (Kap. 45) 
und 2. ein Judasgedicht (abgedr. bei Mone im A. f. K. d. d. V. 
Bd. VII [1838] Sp. 532—536 und bei du M6ril a. a. 0. S. 326 
—335)2). Wie du M6ril (S. 326 f. Anm.) im einzelnen darge- 
legt hat, geht das unter 2. erwähnte lateinische Judasgedicht auf 
L-A zurück. Auch die von d'Ancona (a. a. 0. S. 63 — 73) abge- 
druckte italienische Fassung der Sage'), sowie die altfranzösische*) 



^) lieber die Entstehung der Judasdage und ihre Verwandtschaft mit der 
Oedipussage handelt Constans ausführlich S. 97 if. 

') Anf.: Dicta vetusta patrum jam deseruere theatrum 

et nova succedunt, quae prisca poemata laedunt. 
Schluss: botryficam vitem scimus Christum fore mitem, 

a quo distractus Judas noxae luit actus. 
') Anf.: Leggesi [in] una storia u. s. w. 

*) Ygl. hierzu R. Köhlers Anzeige Ton d'Ancona, Leggenda ... in 
Eberts Jahrbuch für roman. und engl. Litter. Bd. XI, S. 817. 



— 93 — 

(ebend. S. 75 — 100) sind aus L-A geflossen.. Ausserdem erwähnen 
die genannten Gelehrten, dass Leyser in seiner Historia poetamm 
et poematum medii aevi 1721 S. 2125 ein anderes latein. Jadas- 
gedicht mit dem Anfange „Canctorum veteram placuere poemata 
mnltum" zitiert hat. 

Dieses bisher noch ungedmckte latein. Jadasgedicht findet 
sich in dem Cod. Heimst. No. 1 85 der Herzog!. Bibl. zu Wolfen- 
büttel, den wir schon auf S. 64 dieser Arbeit in anderem Zu- 
sammenhange erwähnt haben. Es steht vor dem ebenfalls auf 
S. 64 erwähnten latein. Pilatusgedicht und nimmt Bl. 215, b, ß 
— Bl. 217, a, a der hs. ein (=256 V.). Wir teilen diese Vita 
Judae traditoris im Anhange mit. 

Wie verhält sich nun Rothes Judassage — wie er sie in Pa 
und Chr darstellt — zur Legenda Aurea und zu der Wolfen- 
bütteler Vita Judae ?^) 

Pa (V. 1 — 77): In Jerusalem lebt ein Mann Namens Buben 
aus dem Oeschlechte Juda (nach Hieronimus aus dem Geschlechte 
Isachar), dessen Weib Ciborea heisst. Nach einer ehelichen Um- 
armung wird Ciborea von einem so unangenehmen Traum be- 
unruhigt, dass sie unter Seufzern erwacht und ihrem geängstigten 
Mann den Inhalt des Traumes erzählt: sie würde einen schändlichen 
Sohn gebären, der sie und ihr ganzes Geschlecht ins Verderben 
stürzen würde. Buben sucht sie zu beruhigen: ein „böser Geist'' 
habe sie betrogen ; an leere Träume dürfe sie nicht glauben. 
Doch Ciborea antwortet ihm, falls sie einen Sohn zur Welt brächte, 
würde der hässliche Traum sicherlich in Erfüllung gehen. In der 
Tat gebiert sie bald darauf einen Knaben : die Bestürzung der Eltern 
ist gross. Nach langem Ueberlegen — sie können doch ihr eigenes 
Kind nicht töten — legen sie den Neugeborenen in ein Kästchen 
und lassen ihn durch einen Fischer auf dem Meere aussetzen. Der 
Wind führt das Kästchen nach der Insel Scharioth. — 

Mit Pa stimmt Chr (S. G6f.) in allen wesentlichen Punkten 
überein: nur ist die Darstellung gedrängter; daraus erklären sich 



^) Das von Mone und du Meril abgedruckte latein. Judasgedicht kommt 
auB dem oben angeführten Grunde für unsere Untersuchung nicht besonders 
in Betracht. 



— 94 — 

auch die geringen Abweichungen. Buben aus dem Geschlechte 
Isachar — Ciborea träumt einen Sohn zu gebären, ,,der dem tufel 
gleich were" — die Eltern selbst setzen den Knaben aus. Die 
Bemerkung, dass Judas von der Insel Scharioth seinen Beinamen 
erhält, fehlt in Pa, findet sich aber in Chr. 

Soweit stimmt auch die Legenda Aurea (S. 184) der Haupt- 
sache nach mit der Darstellung E.'s überein; teilweise finden 
sich sogar wörtliche Anklänge: „vel secundum Hieronymum 
de tribu Ysachar" (= Pa V, 10) — „videbatur mihi, quod filium 
flagitiosum parerem, qui totius gentis' nostrae causa perditionis 
exsisteret" (= Pa V. 27 flf.) — „si me concepisse sensero et filium 
peperero, absque dubio non spiritus phitonicus exstitit, sed reve- 
latio certa fuit^ (= Pa V. 47 ff.). 

Die Wolfenbütteler Vita Judae begjnnt (nach einer Einleitung 
des Dichters) in V. 21 mit der Darstellung der Judassage. 
Gegenüber Pa ist die Erzählung in Bezug auf Einzelheiten gekürzt: 
so werden nur die Namen der Eltern des Judas, Euben und 
Cyborea, kurz erwähnt; für „Jerusalem" ist allgemein „in vrbe 
ebrea" gesagt, auch fehlt eine Angabe aus welchem Geschlechte 
' Buben stamme. 

Dass Judas von den Eltern selbst ausgesetzt wird, dass er 
von der Insel Scharioth seinen Beinamen erhalten hat, berichtet 
L-A zusammen mit Ohr und der Wolfenbutt. V. J. Dass Kuben 
auch „Syraon de tribu Dan" genannt wird, findet sich in L-A 
allein. In der Wolfenbütt. V. J. erinnert der Dichter, nachdem 
er von der Aussetzung des Judas erzählt hat, an ähnliche sagen- 
geschichtliche Fälle, so an Bomulus und Remus u. s. w. ^) 

Pa (V. 78—160): Ein Fischer findet das Knäblein und bringt 
es der Königin von Scharioth, die (selbst kinderlos) bei seinem 
Anblick in lautes Wehklagen ausbricht. Auf ihren Wunsch wird 
der Findling heimlich der Frau des Fischers zur Erziehung über- 
geben. In der Folgezeit gibt die Königin vor, schwanger zu sein : 
der unbekannte Knabe wird später als Königssohn untergeschoben. 
Kurze Zeit darauf empfängt die Königin in Wirklichkeit von 
ihrem Gatten und schenkt ihm einen Sohn. Die Kinder werden 



^) Das Gedicht ist überhaupt reich an eingestreuten Beispielen • und 
Sentenzen. 



— 95 — 

Spielgefährten; doch Judas misshandelt oft seinen Stiefbruder, 
wofür er von der Mutter gezüchtigt wird. Da aber die Bestrafung 
nichts nützt, eröffnet ihm die Königin zuletzt die Geschichte seiner 
Auffindung. Natürlich verdriesst dies Judas, sodass er zuletzt 
den verhassten Bruder tötet. Um sich seiner Strafe zu entziehen, 
entflieht er nach Jerusalem. — 

In Chr findet die „furstynne des landes" selbst den Knaben 
am Strande und nimmt ihn heimlich zu sich. Ferner wird noch 
gesagt, dass sie einen Sohn von ihrem Manne empfängt, als Judas 
ein Jahr alt ist. 

Auch in"L-A fehlt der „Fischer", ebenso in der Wolfenbütt. 
V. J., sonst haben wir wieder (z. T. wörtliche) üebereinstimmung 
mit Pa (Chr)): z. B. „o si solatiis tantae sublevarer spbolis, ne 
regni mei privarer successore" (= Pa V. 92 ff.). Die Erwähnung 
des Alters des Judas fehlt auch hier (wie in Pa und in der 
Wolfenbütt. V. J.). 

Pa (V. 161 — 253): In Jerusalem tritt Judas in den Dienst 
des Pilatus, der ihn bald lieb gewinnt und ihm grossen Einfluss 
verschafft. Eines Tages wird Pilatus von leidenschaftlichem Ver- 
langen nach schönen Aepfeln erfüllt, die er in einem Garten sieht. 
Der Besitzer des Gartens ist Ruhen. Auf seines Herrn Bitte 
macht sich dann Judas auf, die Aepfel zu stehlen. Hierbei wird 
er jedoch von seinem Vater Euben — den er nicht kennt — 
überrascht: es kommt zu einem Handgemenge, in dem Judas den 
Buben tötet. Pilatus gibt dem Mörder die Witwe des Erschlagenen, 
Ciborea, zur Frau. Bald kommt aber die fürchterliche Wahrheit 
ans Licht, dass Judas seinen Vater erschlagen und seine Mutter 
geheiratet hat. Dem Verzweifelten rät Ciborea, zu Christus zu 
gehen und für seine Sünde Busse zu tun. — 

Auch in Bezug auf diesen Teil der Sage berichtet uns Chr im 
wesentlichen dasselbe wie Pa (es fehlt in Chr nur die Bemerkung, 
dass Judas in Jerusalem Einfluss gewinnt; ausserdem „ersticht^ 
J. seinen Vater). Dasselbe gilt auch für L-A (und die Wolfenbütt. 
V. J.). Ich hebe einige charakteristische Stellen heraus: L-A „et 
quoniam res similes sibi sunt habiles**. (= Pa V. 161: „glich 
gesellit sich gerne"; Chr „eyn itzlichs hat seynen gleichen liep" 
S. 67 ; Wolfenbütt. V. J. V. 69 f. : 



- 96 - 

„Serunpi vir reprobus letatar habere scelestnm 

Et seruum dominus honestus querit honestum".) — 

„Judas, quis pater aut quae patria sua fuerit, penitus ignorabat.^ 
(=Pa V. 183 f.; Wolfenbütt. V. J. V. 85: 

„Est pater ignotus nato natusque parenti.*') — 

„tanto illorum fructunm captus sum desiderio, quod, si his 
frustratus fuero, spiritum exlialabo" (= Pa V. 189 flf.; Wolfenbütt. 
V. J. V. 75 f.). — „Tandem Judas Buben in ea parte, qua cervix 
coUo fconnectitur, lapide percussit, pariter et occidit." (= Pa 
V. 201 flf.; vgl. Wolfenbütt. V. J. V. 87 f.) — „heu infelicissima 
sum omnium feminarum" etc. (= Pa V. 231 ff.; Chr: „Ach ich 
armis unseliges weip vor allen weihen" etc. S. 67; Wolfenbütt. V. J. 
V. 125: „pauperrima sum mulierum!"). In der Wolfenbütt. V.J. 
sind wieder mehrere Beispiele und Sentenzen in die Erzählung 
eingestreut (z. B. V. 117 ff.). Sonst wird hier noch abweichend 
von Pa (Chr und L-A) berichtet, dass Judas aus eigenem Antriebe 
sich zu Christus begibt. 

Pa (V. 254—291): Judas wird von Christus zum Apostel an- 
genommen und zu einem „scheffenere" gemacht. Dann folgt ein 
Vergleich zwischen Moses und Judas. Mit V. 291 bricht die 
Judassage in Pa ab. — 

Auch Chr erzählt, dass Judas des Herrn Apostel und „Schaffner" 
wird. Während sich aber Pa hiermit begnügt, fugt Chr noch 
folgendes hinzu (S. 68): Judas stiehlt von dem ihm anvertrauten 
Qeldo stets den zehnten Teil. Weiter wird berichtet, dass er den 
Herrn aus A erger darüber för 30 Pfennige verrät, dass Maria 
Magdalena Christus mit einer kostbaren Salbe — sie kostete 
300 grosse Pfennige — gesalbt hat. J. wollte nämlich diese 
Salbe verkaufen, angeblich um das Geld armen Leuten zu geben, 
in Wirklichkeit aber, „uf das om der zehnde werde dorvon". 
Deshalb verrät er den Herrn später für die 30 Pfennige, die er 
beim Salbenverkauf bekommen hätte. Nach dem Verrat Christi 
wirft er aus Beue das Oeld in den Tempel und erhängt sich: 
sein Körper aber platzt auf, sodass die Eingeweide heraustreten: 
^denn seine Seele durfte nicht aus dem Munde herausfahren, der 
Christus geküsst hatte." — Der Vergleich zwischen Moses und 
Judas fehlt in Chr. 



— 97 — 

Die Legen da Aurea erzählt ebenfalls, dass Christus den Judas 
zu einem Apostel und Schaffner (procurator) annimmt; der Ver- 
gleich zwischen Moses und Judas fehlt auch hier (wie in Chr). 
Mit der Geschichte von dem Salbenverkauf und dem Ende des 
Judas findet sie sich folgendermassen ab (S. 185 f.): „Dolens vero 
tempore dominicae passionis, quod unguentum, quod trecentos 
denarios valebat, non fuerat venditum, ut illos etiam denarios 
furaretur, abiit et dominum XXX denariis vendidit, quorum unus- 
quisque valebat decem denarios usuales et damnum unguenti 
tricentorum denariorum recompensavit; vel (ut quidam ajunt) 
omnium, quae pro Christo dabantur, decimam partem furabatur 
et ideo pro decima parte, quam in unguento amiserat, scilicet pro 
XXX denariis, dominum vendidit, quos tamen poenitentia ductus 
retulit et abiens laqueo se suspendit et suspensus crepuit medius 
et diffusa sunt omnia viscera ejus. In hoc autem delatum est 
ori, ne per os effundeietur, non enim dignum erat, ut os tam 
viliter inquinaretur, quod tam gloriosum os scilicet Christi con- 
tingerat". — 

Nach der Wolfenbütt. V. J. wird Judas ein Jünger Christi. 
Dann folgt eine längere Einschaltung über die Wundertaten des 
Herrn, worauf ausführlich erzählt wird, wie Judas den HeiTn für 
30 Silberlinge verraten hat. Das Ende des Verräters wird im 
wesentlichen ebenso wie in L-A dargestellt. Für das Sündengeld 
wird ein Acker gekauft, auf dem Pilger bestattet werden sollen 
(ähnlich Pa). Den Schluss der Wolfenbütteler Version bildet die 
Schilderung der Ereignisse nach Christi Tode und ein Hinweis 
auf die Zerstörung Jerusalems. 

Bis zu dem Punkte der Sage, wo Judas von Christus zu 
einem „scheffenere*' eingesetzt wird, stimmt also Pa sowohl mit 
Chr und der Wolfenbütt. V. J. als auch besonders mit L-A der 
Hauptsache nach überein. Auf V. 291. folgt nun aber nicht in 
der Dresdener hs. die Erzählung von dem Salbenverkauf und dem 
Ende des Judas — beides fehlt in Pa — sondern eine längere 
Erzählung von der ersten Münze und den 30 silbernen Pfennigen, 
für die zuerst Joseph nach Ägypten verkauft und später Christas 
von Judas verraten wurde. 

Pa (V. 292—449) : Nach der Sintflut bedienen sich die Leute 
im Handelsverkehr silberner und goldener Stücke, die je nach 

Helnricli, Stadien za Johannes Rothe 7 



— 98 — 

ihrem Gewichte hezeichnet sind. Da dies aber zn Irrtümern Ver- 
anlassung gibt, lässt der König Ninns kleine Stücke machen; aber 
auch so ist dem Uebel noch nicht abgeholfen. Der Schmied 
Thare, Abrahams Vater, prägt nun zuerst Geldstücke, sogen, 
„schouwephennige", die des Königs Bildnis tragen. Er verfertigt 
grosse und kleine Pfennige; 10 kleine Pfennige kommen auf einen 
grossen, 10 grosse Pfennige sind einem Gulden gleich. Von dem 
geprägten Gelde behält Thare 30 grosse silberne Pfennige für sich; 
mit diesem Schatze zieht er in Begleitung seines Sohnes Abraham 
von „Caldea" nach „Mesopothanea". Nach seines Vaters Tode 
erbt Abraham das Geld; als dessen Weib Sara stirbt, kauft er 
von einem gewissen „Effron*^ einen Acker, in dem Adam und 
Eva begraben liegen. Die 30 Pfennige kommen dann an einen 
Neffen Eflfrons, der sie zu einer „brutgift** verwendet; weiter ge- 
langen sie unter die „Hismaheliten^. Ein Kaufmann zieht nach 
Ägypten und kauft mit dem Gelde den Joseph seinen Brüdern 
ab. Später begeben sich Josephs Brüder während der Teurung 
nach Ägypten und kaufen für das Geld Korn ein, sodass die 
30 Pfennige in Pharaos Schatzkammer kommen. Von Pharao 
gelangt das Geld zuerst an Moses, dann an sein Weib, die Königin 
von „Morenland", die es auf ihre Töchter vererbt, bis die Königin 
von Saba es der Tempelkasse in Jerusalem zuwendet. Als die 
Stadt Jerusalem von König Nabuchodonosor zerstört wird, nimmt 
er die 30 Pfennige mit nach Babylonien ; weiter kommt das Geld 
an den König der Araber, Nabuchodonosors Bundesgenossen. Nach 
Christi Geburt schenken dann die hl. drei Könige die 30 Pfennige 
der Maria, die sie der Kirche vermacht. Endlich geben die Priester 
das Geld dem Judas, der es nach Christi Verrat aus Reue wieder 
in den Tempel wirft. Zuletzt erwirbt man für die 30 silbernen 
Pfennige einen Acker, der den Pilgern als Begräbnisstätte dienen 
soll (vgl. oben die Wolfenbütt. V. J.). — 

Diese Münzgeschichte findet sich weder in der Legenda Aurea, 
noch in dem lateinischen Judasgedicht (Mone, du M6ril), noch in der 
Wolfenbütteler Vita Judae traditoris, auch nicht in der Thüringischen 
Chronik. — Nach Creizenach war die Erzählung von den 30 Silber- 
lingen, die der Schmied Thare prägte und für welche Joseph und 
Christus verkauft wurden, „der Mittelpunkt einer eigentümlichen 
und vielverbreiteten Sage" (a. a. 0.). In der Legende vom Grendel 



— 99 — 

werden ^drlzig gülden (!) pfenninge" erwähnt*). Eine lateinische 
Behandlung erfuhr die Geschichte der Silberlinge in einem Ge- 
dichte Gotfrieds von Viterbo (abgedruckt bei du Meril, Po6s. popul. 
p. 321 ff.). Ein Vergleich der Darstellung E.'s mit der Gotfrieds 
ergibt, dass beide Sagen Versionen zwar in den Hauptzügen über- 
einstimmen, dass sie im einzelnen aber doch Abweichungen zeigen. 
Beiden Erzählungen ist gemeinsam die Erwähnung des Königs 
Ninus, der Thares, den Vater Abrahams, die ersten Geldstücke 
und die 30 Silberlinge („denarios" bei Gotfried) prägen lässt. 
Thares vererbt sie an seinen Sohn, der sich einen Acker dafür 
kauft; für das Geld wird Joseph nach Ägypten verkauft; später 
gelangt es in die Schatzkammer Pharaos, durch den König 
Nabuchodonosor kommt es nach Babylon, dann an die hl. 3 Könige, 
die es der Maria schenken; weiter kommen die 30 Silberlinge in die 
Tempelkasse, aus der sie Judas als Lohn für seinen Verrat erhält; 
nachher wirft J. aus Eeue sie wieder in den Tempel. — Auf der 
anderen Seite weiss Gotfried von Viterbo nichts von den Anfängen 
des Handelsverkehrs mit silbernen und goldenen Stücken. Es fehlt 
bei ihm ferner, dass Abraham einem gewissen Effron den Acker 
abkauft; dass die Brüder Josephs für die 30 Silberlinge Korn 
bei Pharao einkaufen. Weiter sind nicht erwähnt: Moses und sein 
Weib, die Königin von „Morenland" mit ihren Töchtern, der 
König Sedechias, der Gottesacker, üeberhaupt ist die Darstellung 
Rothes viel ausführlicher gegenüber der Gotfrieds von Viterbo. 
Dass B. alle diese Züge frei erfunden habe, ist wohl nicht anzu- 
nehmen. 

Bis jetzt habe ich die Münzgeschichte sonst nirgends finden 
können: auch in dem „alten Passional"^) fehlt die Erzählung von 
der ersten Münze und den 30 silbernen Pfennigen; ebenso in dem 
schwedischen „Volksbuch von Judas Ischarioth", das K. Tamms 
übersetzt hat (im neuen Jahrbuch der Berlinischen Gesellschaft 



») Grendel (Ausg. Berger, Bonn 1888 S. 28) V. 744 ff.: 
„T>6 meister Ise daz ersach, umb die drizig gülden pfenninge: 

daz der roe als fül was, als vil was euch der ^rste schätz, 

dd gab er in im vil ringe da got unser her umb verkoufet wart.*^ 

*) K. A. Hahn, Das alte Passional. Frankfurt a. M. 1845. Vgl. hierzu 
Constans, Legende d'CEdipe p. 98 Anm. 2) : „La version du vieux ,PassionaP 
allemand . . . semble tiree de la , Legende Doree' !" 

7* 



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— 100 — 

für deutsche Sprache und Altertumskunde Bd. VI S. 144 — 153) 
und in d'Ancona, La Leggenda . . . di Giuda, die ja auf L-A 
zurückgeht (vgl. oben). Der Dichter selbst macht über seine 
Quelle zur Münzgeschichte nur die allgemeine Angabe: 

„In eyme buche han ich gelessin 

Das mag villichte war wessin" (V. 292 f.). 

§ 80. Ergebnis. 

1. Für seine Pilattcasage hat Bothe wahrscheinlich eine uns 
nicht erhaltene lateinische Fassung benutzt, die wir nur aus LM(N) 
und kombinieren können, d. h. welche entweder aus der latei- 
nischen Pilatusprosa LM(N) und dem lateinischen Pilatusgedicht 
zugleich geflossen ist oder die Grundlage für beide gebildet hat. 
Dass er daneben auch die Pilatussage der Legen da Aurea gekannt 
hat, ist anzunehmen (vgl. 2). 

2. Von den uns bekannten lateinischen Darstellungen der 
Judasaage (Legenda Aurea und Wolfenbütteler Vita Judae traditoris) 
kommt die Legenda Aurea der Fassung Rothes ^m nächsten. 

3. Für Rothes Erzählung von der ersten Münze und den 
30 silbernen Pfennigen konnte bis jetzt eine (lateinische) Quelle 
nicht nachgewiesen werden. 



V. Der Text von Johannes Rothes Passion. 

§ 81. Im folgenden habe ich versucht, den Text der Hand- 
schrift M. 199 der Königl. Oefifentl. Bibliothek zu Dresden, der 
einzigen bekannten Handschrift von Rothes Passion, in die Sprache 
Rothes zu übertragen — soweit dies auf Grund der Untersuchung 
über die Sprache des Dichters (S. 11—59) möglich war. 

Die Eigennamen, die in der hs. meistens*) klein geschrieben 
sind, haben durchweg grosse Anfangsbuchstaben erhalten. Die 
Abkürzungen Jhüs, Jhü; xpüs, xpi, xpö, xpm sind stets in Jhesus, 



1) */b aUer vorkommenden Eigennamen sind in der hs. klein geschrieben. 
— In Urk. sind die zahlreichen Eigennamen ebenfalls überwiegend klein ge- 
schrieben, also: rudiger, sommer, keiser, teigscherre u. s. w. Daneben finden 
sich allerdings: Else, Arnold, Isenache u. s. w. 






— 101 — 

* 

Jhesu, Jhesum; Kristus, Kristi, Kristo, Kristum aufgelöst worden 
(vgl. „Jhesu Kristi« Akr. 21). 

Nach Urk. 10, 11 ist „phennige" für „phenninge", bezw. 
„phenge" eingesetzt worden. In Ueberein Stimmung mit Rothes 
Gebrauch (vgl. S. 46) habe ich die handschriftliche 'Schreibung 
„mit (myt), met, mede" und „iar, jar" (vgl. Akr. 23, 24 „iar(e)" 
und ürk. 4 Jerlich") beibehalten. Für mhd. „künic, küniginne", 
das für Rothe nicht belegt ist, gebe ich die Schreibung der hs. 
„konig (konnig), kong, koning, kon(i)gin(n)e, konniginne, . konin- 
gin(ne)" wieder. 

Doppel Schreibungen wie zc, cz (= z), s, z (=s), z, ss (=3); 
y, i (= i), V, u (= u), welche sämtlich auch bei Rothe vorkommen, 
sind beibehalten worden. 

In den Nebensilben ist i (= mhd. e), das Rothe in Akr. und 
ürk. überwiegend hat (vgl. S. 57 Anm. 1), stets durchgeführt 
worden: nur in Eigennamen und (selbstverständlich) in Reimen 
wie z. B, keisere : ere (V. 974) habe ich e stehen lassen. 

Nichtmittelhochdeutsche Doppelkonsonanz ist stets vereinfacht 
worden: beibehalten wurde sie nur in den wenigen Fällen, in 
denen Rothe abweichend vom Mittelhochdeutschen Doppelkonsonanz 
schreibt, nämlich in „desse, (auch Akr.) [eilff,] briffe, briff, suUin", 
sämtlich in Urk. 

Die übrigen geringen Abweichungen von der handschriftlichen 
Ueberlieferung sind in den Anmerkungen verzeichnet worden. In 
zweifelhaften Fällen habe ich mich der Schreibung der hs. ange- 
schlossen, anstatt in mehr oder minder willkürlicher Weise zu 
ändern. 

Die prosaische Einleitung und die Kapitelüberschriften habe 
ich in der Schreibung der hs. wiedergegeben, da sie wahrschein- 
lich nicht von Rothe verfasst worden sind. Die Interpunktion 
endlich ist hinzugefügt worden. 



Bl. l,b. 

Diet nachgeschrebin buchelin [ist] vssgeczogin vss dem buche 

der passion Jhesu Christi*), die er Johann Rothe, vorcziten*) 

Scolasticus uff dem Stiflfte zcu Isennache, beschrebin had vnd sagit 

von den nachvolginden selczen stugkin: 



*) ihu xpT. •) Vczite. 



— 102 — 

Das erste Capittel sagit von dem vorretir Juda, wy der geborn 
vnd vff das wassir in eyme schrin glich moysi geworffln, auch 
von eynir konnigin fundin vnd irczogin ist vnd der konnigin 
rechtin Son, der sin bruder sin sulde, zcu tode brachte vnd 
darnach zcu Jherusalem quam vnd pilatus des valschen Richters 
dyner gewest ist, der auch sin eygin*) vatir by pilato ermortte 
vnd sine eigin mutir zcu der ehe besliff vnd darnach vnssirs 
hern*) Jhesup junger vnd apostel wart. 

Das ander Capittel: wy die erste muncze nach der sindflut 
erdacht wart; vnd von den drizig») silbern pfennigen in der seibin 
ersten muncze geslagin, darvmmb erst Joseph in egipten vorkauflFt 
wart; dy seibin pfeninge von den heiligin dren konigin Jhesu 
vnssirm*) herren mit dem golde, mirren vnd wyrouche geopphirt 
wurdin vnd hernach von marian mit yrem kinde In den Tempel 
zcu Jherusalem^) geopphirt wurdin, als sy zcu der kirchin ging 
In festo purificationis®); vnd also wurdin die hirnach in vnssirs 
heren^) liden Judan dem vorreter In dem kouffe gegebin, der die 
in®) falscher ruwe weder®) in den tempel warfif, dar vmmb eyn 
agkir gekaufft wart den pilgeryn zcu begrepenisse; die erde von 
dem agkir hernach von tyto vespesiano ^®) uflf schiffin ufiF dem 
mere gein rome bracht wart vnd an die ende quam, da man nach 
die (!) pilgerym begribit (!) vnd heisset der gotis agkir. 

Bl. 2,a. 

Das dritte capittel: von dem valschen Richter pilato, wy der 
by Menczce von konig artus vnd von eynes mullers tocliter geborn 
wurdin ist; sinen bruder des konniges elichin Son irstach, darnach 
kein Rome zcu gysel geschigkt wart, daselbis er auch eyns konnigis 
son [von] frangkinrich ermorte vnd darnach gein poncio vnd 
furder gein Jherusalem quam vnd da richter wart by keyser 
Tyberio etc. 

Darnach volgit, wy sichs by keyser Tyberio vand, vnder des 
gecziten Cristus den tod leyd; derselbe keysir Tyberius") wart 
zcuhant noch gotis martil ussseczig vnd [von] der heiligin veroniken 
gesünt, dauon sich by dessselbin geczyten die vrsache irhubin, 



*) eygn. «) vnsss h'n. •) X X (verderbt in der hs,)- *) TnBsm. ») A«. 
verderbt: Jherusal . . . •) purificä . ') VDSsrs h're. ®) hs. verd.: n; von hier 
an ist der Rand von Bl. 1 beschädigt. •) w . . der. *•) vespesia • »>) Tyberi^. 



— 103 — 

das gotis liden vnd sin tod obir firczig') Jar nach cristus tode 
an den joden gerochin vnd Jherusalem vorstorit wart vnd vndir 
des pylatus vor den keyser geheissit wart; vnd wy her in das 
enelende wart gesand vnd sich selber irstach; vnd wy on*) die 
erde nicht wulde tragin vnd vil gross obels von ym geschach, 
wo man on in wassir adir in die erden brachte. 

Das leczte Capittel: wy die Juden uss allen orten des judi- 
schin*) ßichs vnd landin nff die ostirlichin*) czit gemynlichin (!) 
zcu dem^) grossen feste gein Jhemsalem komen weren. da wurdin 
sy*) vnuorsehnlichin da berant vnd belegen von Tyto vnd ves- 
pesiano*^) den Komischen furstin vnd was mancherley vn . . .®) 
drie gancze jare sie in der seibin Stad vndir eynandir hattin^) 
mit mordin ^"), todslaen, hungers noit vnd anders, als vil darufif 
das mal tod blebin zcu zcen^^) mahel hundert thusint Juden ^^). 
So wurdin or dar obir verkaufift Sieben vnd nunczig thusint ^') vnd 
drizig^*) Juden gegebin vor eynen grossin phenning; die also in^^) 
alle land verteylit vnd vorfurt wurdin, als das Joseph der judin 
houbptman^®) beschrebin had gelassin, als man in dem^^) seibin 
Capittel egintlichin *®) beschrebin vindyt. 

Bl. 2,b. 
Wy iudas grebom, erezogin, Erst pylatus dyner gewest 

vnde dar naeh vnssirs hern jungrir wurden ist^^). 

Wenig lute habin daz vornomin, 1 

Wo dan der vorretir sy komin, 
Judas Scariod genant. 
In eyme buche ich beschrebin vant, 
. Daz eyn man zcu Jherusalem sesse, 5 



*) XL *) Die Formen on, om (= mhd, in, im) begegnen in dei' hs. ge- 
legentlich; sie sind bes, Ihüring, und ripuarisch. (Vgl. Weinh.' §§ 57, 476.) 
■) jüdisch . . . Von hier an ist der* Rand des Blattes wieder stark beschädigt 
*) ostirlichn. *) de . . . •) s . . . '') v . . . siano. ^) Vielleicht unfride? 
») hat . . . ^ mord ... ") x. ") Jude ... ") thu . . . i*) xxx. 
**) i . . . *•) Die interessante Schreibung — bpt zeugt von dem Schwanken des 
Schreibers, ") d . . . ") egitlichn. ") Die üeberschnft ist mit roter Tinte 
geschrieben, 

1 vomöme. 4 boche. 



— 104 — 

Der sich synis richtums gross vormesse; 

Des name hiss Buben, 

Der lebite rolichin hen 

Vnde were von dem gesiechte Jnda. — 

Sente leronimus segit andirs da, 10 

Her were geborn von Isachar, 

Dez rede halde ich, daz sy synt war. — 

Syn wyp by namin Ciboria hiss, 

Dy synin willin nicht in liss. 

Ez geschach do yn eynir nacht, 15 

Daz sy beyde warin entwacht 

Vnd tadin da waz yn was ebin, 

Also sich geheischit daz eliche lebin. 

Darnach enslif Ciborea wedir; 

Eyn swerir troum der troumite er sedir, 20 

Darvon sy also sere irschrag, 

Daz sy vort vngeslafin lag, 

Sundim sy irsufzte jerairlich. 

Buben der vorwundirte sich 

Vnde fragite sy der mere, 25 

Waz er wedirvarin were. 

Sy sprach: „ich habe eynin troum geseen, 

Daz ich forte, vns sy obil gesehen, 

Daz ich eynin snodin son gebere, 

Der alle vnse gesiechte suUe beswere, 30 

Vnde dich vnde mich vns beyde El. 3,a. 

Brengin zcu grossim leide; 

Vnde sulle des obils werdin eyn sache. 

Davon sich der Judin vorterbin mache." 

Buben der antwerte daruf schere: 35 

,,Du segist nu gar böse mere! 

Ez ist nicht gut, daz du ez segist 

Adir betrupinisse darvmb phlegist. 

Wann ich achte daz allirmeist, 



8 =frolichin? [Vgl V. 1285) oder zu niwe? {Vgl. berorte V. 395.) 
16 Das dae. 23 ersufftzte. 24 verwunderte. 27 traom. 28 furohte. 35 sohire. 
38 betropenisBe. 



— 105 — 

Dich habe betrogin eyn bosir geist. 40 

Der had dir daz na yn gegebin, 

Daz her dir betmbe dyn lebin. 

Nem dich solchir tronme nicht an, 

Welta andirs gemwig lebin han, 

Adir du werdist nummir fro/' 45 

Ciborea dy antwertte also: 

„Ist daz ich nn dyt war irfinde, 

Daz ich ben beswert myt eyme Idnde 

Vnde darnach eynin son gebere. 

So wel ich des vorwar gewere, 50 

Daz myne rede synt yngelogin 

Vnde mich keyn geist hat betrogin; 

Sondim god lezt myr daz vorkunde 

Vnde wel nn strafin ynse snnde, 

Vnde daz wir nn allin ynsim mnd 55 

Habin gekart nf czitUch gud/' 

Buben sprach: „geswig der rede, 

Tronme synt kogin, slaf, hab frede!*^ 

Also nn vaste dy czyt vorging 

Nach dem tage daz sy enphing, 60 

Da wart er alliz leidir wan vor, Bl. 3,b. 

Biz daz sy daz kint gebar. 

Da irfnndin sy vnde sahin daz, 

Daz ez eyn knechtchin was. 

Da betmbitin sy sich beide 65 

Ynd en wart zcn male leide 

Ynd wnstin nicht, wes sy soldin begynnin. 

Sy begnndin manchirley besynnin 

Ynd mochtin doch yn den notin 

Eris eigin kindis nicht getotin. 70 

Cznlest do gefil en daz yn, 

Daz sy ez legitin yn eyn schrin 



44 lebin am Bande der At. 45 firoe. 53 list 55 aUir. 58 Trenme 

F(^. F. Bech, Germaiiia IX, 179. 63 eye. 64 ki, knechin (!) = moMCulus 

fmeTj KMoUem; wuL! Weitere Belege out Rotke «. a. bringt F. Bech bei 

{Oermamm IX, 177). 67 snldm. 69 noffi. 70 eigin itm Bande der ki. 

71 Cza leiit 



— 106 — 

Ynde lonitin eyme mermanne, 

Der ez myt eme fürte von danne. 

Vnde der warf ez uf daz mer 75 

Da nam ez der wint ane wer 

Vnd fürte ez hen keyn Scharioth. 

Da was ez vel nahe gestorbin tod, 

Da begunde ez eynir irwische, 

Der uf dem mer wolde vische. 80 

Gzuhant her daz ledichin uf brach, 

Vnde da her daz kindichin gesach 

In eyme korschin, daz was bunt, 

Vnde daz em nach wagite der munt 

Vnde nuname geschrigin mochte, 85 

Gzuhant her ez der kongin brachte 

Vnde liss daz vischin vndir wegin 

Vnde begunde da er zcuhant segin, 

Wy ez eme were irgaugin, 

Daz her daz kint hatte gefangin. 90 

Also dy konnlgynne daz kint gesach, 

Do hub sy an vnde sprach: Bl. 4,a. 

„Ach! hette ich eynin solchin trost. 

So worde ich von seuin gancz irlost, 

Vnde gewunne eyn solchiz kindelin 95 

Uns zcu erbin vnde dem lande myn, 

Waz wolde ich dan mer clagin,?" 

Der vischir sprach: „ich wel ez tragin 

Von stunt enheym zcu mynim wibe, 

Dy ez nu beheldit by lybe, 100 

Vf daz ez icht sterbe alzo drate. 

Indes so sullit ir uch berate, 

Wy yr ez damede wullit halde. 

Ich muss nu vischin alzo balde 

Vnde dy in dy kuchin brengin. 105 

Wes uch myn here wel vorhengin, 



78 jnermanne seltenes Wort = nauta (vgl. Germania IX, 177). 79 bc- 
gonde. 80 wulde. 83 korschin == mhd. kärsen, kürten. 88 begonde. Ol kö- 
nigyne. 93,95 sulchin; sulchis. 97 wulde. 103 wült ; haldin. 104 nu. 



— 107 — 

Daz suUit ir mich danne lassin vorsten, 

Ez sal lieh nach uwirme willin gen. 

Sy sprach: „gang, halt ez vorswegin, 

Sage nicht, wy du ez hast irkregin!" 110 

Der vischir daz kint syme wibe brachte, 

Dy des nymande vort gedachte, 

Snndirn ez heymlichin czoch 

Vnde alle lute darmede floch. 

Der konigynne sy damede schonite, 115 

Dy er daz vel wol lonite. 

Dy konigynne machte sich gefuge 

Vnde ted, ab sy eyn kint trüge 

Vnde machte gross erin lib 

Mit vel tuchirn also eyn wib, 120 

Dy zcuhant sal gelyn 

Vnde liz er vaste wehe sin. Bl. 4,b. 

Darnach sy daz kint gebar. 

Also sprachin dy wyp, ez was nicht war. 

Der lumunt ging do alzcuhant 125 

Czu Scariod obir alliz daz lant. 

Dy lute yn deme lande do 

Dy wordin alle des kindis fro. 

Ez wart frischlichin irczogin, 

Syn adil wart alzo gelogin. 130 

Obir etliche czid darnach irging, 

Daz dy kongin von dem konige enphing 

Vnde gebar eme eynin rechtin son: 

Do irhub sich grosse froide von. 

Vnde alzo dy kindir nach etzlichin jarin 135 

Gewuchsin vnd gross warin 

Vnde myt eynandir zcu den stundin 

Manchirley spelis begundin, 

Judas allis den jungin sing 

Vnde ted em ouch leidis genug. 140 



y. 107 ist in der h», itceimal getchrieben, 108 geh in. 115 schonte 
(: lonete). 117 mhd. gevüege {vgl Germania 1X,176). 119 lieb (: wip). 134 freude. 
135 etczlichn. 136 warn. 138 begondin. 140 ouoh. F^/. Akr. 17; h$,'. auch. 



— 108 — 

Daz mochte dy kongin nicht vortragin. 

Judas wart sere dammb geslagin 

Ynde trag uf en grossiu czorn, 

Wan her von er nicht was geborn. 

Nach^) was Judas alzo gar eyn wicht, 145 

Her liz en vngeslagin nicht. 

Czulest sagite em dy konigin daz, 

Wy ez Tmme en komin was, 

Daz her er son nicht were. 

Daz muite Judam also sere 150 

Ynde schemite sich des also swinde, 

Daz her do des kongis kinde. 

Den her zcu brudir solde han, Bl. 5,a. 

Heymlichin legite den tod an. 

Gzuhant alzo her das beging, 155 

Syne flucht her do an gefing: 

Her forte, her muste darvmme sterbin. 

In eyn schif begunde her werbin, 

Daz zcu Jherusalem wolde var, 

Also quam her ouch dar. 160 

Nu spricht man: „glich gesellit sich gerne. ^ 

Daz mochte man do wol lerne 

An em ynde Pilato, 

Der nam en zcu eynim dinere do 

Ynde gewan Judam zcu male lib. 165 

Da irkante eyn schalg eynin dib. — 

Judas by Pilato da wilt, 

Synin hof her eme schone hilt, 

Daz her allir dinge hatte macht 

Ymme schulde vnde vmme czweitracht. 170 

An eyme tage geschach eyn ding, 

Daz Pilatus uss syme palas ging 



») = Daz? 

141 muchte. 147 Czu letcz. 150 muete. 153 sulde. 158 begonde (oefer 
begon do?). 159 walde yarin. 160 auch. 161 Vgl, RZ Y. 1268 f.: 
„dit mag man wole daran lerne, 
Glich daz gesellit sich gerne*' und Germama IX,] 79. 
164 din'e. 165 lieb (rdyp). 168 hoaff. — Vgl. Chr S. 712. 



— 109 — 

Ynd begande do schonir ephil wartin 

In eyme synis nackeburis bonmgartin. 

Ynde begerte sere der zcu essin, 175 

Wann eyn krangheyt hatte en besessin, 

£n gelaste do her der genas. 

Der selbe bonmgarte Rubens was, 

Judas vatir, den her nicht kante. 

Der Judam uf daz mer sante, 180 

Vnd hilt daz vor war yn syme gedunkin, 

Her were vor langir czyt yrtrunkin. 

Vnde Judan dem was vnbekant Bl. 5,b. 

Syne eldirn vnd ouch syn vatirlant; 

Vnde hatte von nymande vornömin, 185 

Wo danne her were komin. 

Do pilatus dy schonin ephil gesach, 

Wedir synin dynir Judam her sprach: 

„Mich gelustit der ephil alzo gar s winde, 

Ist daz ich des keyne busse vinde, 190 

Daz ich er zcu «ssin nicht mag irwerbin, 

So dunkit mich, ich müsse sterbin. ^ 

Also Judas desse rede vornam, 

Ueymlichin her yn den gartin quam 

Vnde brach er, waz her mochte gelangin. 195 

Indes quam da Buben gegangin 

Vnde wolde Judan daz werin. 

Her begunde scheidin vnde swerin 

Vnde en vmme synin schadin slan; 

Daz begunde Judan vorsman 200 

Vnde irwischt« eynin steyn, 

Da sy warin yn dem gartin alleyn 

Vnde slug Buben yn daz genicke 

Alzo hart vnd ouch alzo dicke, 

Daz her tod vil yn daz gras. 205 

Gzuhant irhub sich Judas 



173 begonde; epphel. 174 baumgartin. 177 genoss. 184 auch. 
187,189 epphel; epphil. 197 wulde. 199 schlain (: vorschmaen). 200 be- 
gonde. 204 auch. 205 graz. 



— 110 — 

Vnd steyg nss dem gartin wedir 

Ynde ging zca hns vnde legite sich nedir, 

Biz daz der tag anbrach. 

Nymant desse geschichte sach. 210 

Dy ephil brachte her Pilato; 

Der az sy vnde wart er fro. 

Da Babens [dinir] üfgestnndin, 

In deme gartin sy en tod fandia. BI. 6,a. 

Sy wnstin nicht, wy em was gesehen, 215 

Eeyne wandin knndin sy an em gesen. 

Wanne sy achtin, her were snellichin gestorbin 

Vnde des abundis aUo vortorbin. 

Also nu gesehen warn desse ding, 

Pylatus zcu Cyborien ging 220 

Vnde friite sy da Judan; 

Dy muste en zcu eyme manne han. 

Also quam her yn synis fatir gud 

Vnwissin vnde had gndin mud. 

£z geschach darnach yn eynir nacht, 225 

Daz Ciboria wart vortracht 

Vnde irsufczte jemirlichin vmme daz. 

Do sprach zcu er do Judas: 

„Frowe, yr suUit myr nu sage, 

Waz ist uwir leid vnde clage?" 230 

Sy sprach: „ich muss leidir blibin 

Eyn vnselige vor allin wibin! 

Wann ich habe myn kint lassin irtrenkin 

Vnde yn daz wilde mer vorsenkin. 

So ist myn man gelingin gestorbin. 235 

Darnach so han ich dich irworbin. 

So habe ich ouch wedir frunde adir kint — 

Also hat mich Pilatus myt dyr beswerit 

Vnde myn betrupinisse gemerit." 



211 epphel. 218 dinir fehlt in der ha.; uff geschundin (Schreib fehler). 
216 gesehin. 217 geschorbin (SchreUtfehier), 225 geschagk (!). 226 vor- 
trachten 8w. v. = grübeln^ sich in Gedanken verlieren (vgl» Germania IX, 175). 
231 blieben (: wiben). 237 auch ; der Reimvers fehlt. 



— 111 — 

Also Judas hatte gehört 240 

Von enne kinde solche wort, 

Vnde wy manig jar ez wasy 

Daz sy desselbin kindis genaä, 

Do wart an er beydir rede fundin, ' Bl. 6,b. 

Daz her sich synir mutir hatte vndirwundin 245 

Vnd ouch synin vatir irslagin. 

Daz begunde her jemirlichin clagin 

Vnde gewan vmme sine sunde ruwe. 

Do rit Ciborea di getrowe, 

Daz her zcu Jhesu Kristo ginge 250 

Vnde dammme bnsse enphinge. 

Der were eyn prophete, eyn heyligir man, 

So mochte her der sunde werdin' an. 

Do Judas zcu vnsirme herin quam, 

Czu eyme apostiln her en nam 255 

Vnde satzte en zcu eyme schejSenere, 

Wann her was gescheffig sere. -^ 

Dyt ist her, der andir Moyses. 

By dem erstin gedenkit man des, 

Wy her dy iudin yn Egiptin tröste . 260 

Vnde sy von gotis wegin irloste. 

Abir dessir andir Moyses, der Judas, 

Kunde wol zcu wege brengin daz, 

Daz der judin riebe vorging ' 

Vnde daz sy konig Tytus ving * 265 

Vnde teylite sy wedir yn daz laut, 

Also sint sy noch des richis phant. 

Beyde wordin sy in der kintheit 

In schringin uf daz wassir geleyt; 

Beyde sy zcu den konigin quamin, 270 

Dy sy zcu kindirn an sich namin; 

Beyde habin sy myt gote gewandirt, 

Abir Judas hat sich obil geandirt. 

Wann her hat Kristum vorratin. 



241 sulcbe. 243 dezselbin. 246 auch; irsclagin. 247 begonde^ - 249 die. 
251 darynne. 255 appostiln. 256 sattzte. 257 gescheffig. Vgl. die Belege 
in der Gennania IX, 175 f. 263 Konde. 264 juddin. ' 267 nach. 



— 112 — 

Sy warin beide gotis botin: 275 

Moyses den jadin gnade irwarb, Bl. 7,a. 

Von Jadas botschaft Kristus starb. 

Moyses fürte oblr mer 

Dy Jüdin myt eyme grossin her, 

Do konig Pharao ynne irtrang. 280 

Der jndin irlosnnge wart nicht lang. 

Judas fürte sy yn den gartin, 

Do sy Kristus soldin wartin. 

Darvon wordin dy cristin irlost 

Vnde dy yn der helle enphingin trost. 285 

Moysen gab god daz hymilbrod, 

Krist Judan synin licham bot. 

Ood Moysen zcen gebot gab, 

Judas der ted sy wedir ab. 

Waz Moyses den judin gutis irwarb, 290 

Von Judan ez alzcumal vortarb. 

Hy had es eyn ende von juda, wy her groborn wart. 

Bl. 7,b. 

Wy dy erste muneze naeh der Sintflut erdacht wart; vnde 
von den drissigr silbirn phenningin *) in der seibin erstin 
sreslagin muntezen, darvmmb erst') Joseph^) in egripten 
vnde hernach vnssir herre Jhesus vorkaufft wurdin^). 

In eyme buche han ich gelesin — 

Daz mag vellichte war wesin -— 

Daz nach der sintflut dy lute 

Mustin koifin myt der buto 295 

Also eyne habe vmine di andirn. 

Vnde dy obir feit soldin wandirn, 



278 meher. 280 pharo (!). 283 Buldin. 287 lichnam (vgl. S. 42). 
295 keuffin ; bäte st. f. = compensatio m^rcium, sonst bei Rothe gleich ftraeda 
(vgl, Germania 1X,175). 296,297 die, dye. 

^) Mä roter Tinte geschrieben {in der Mitte von BL 7^a); ebenso ist 
die lieber Schrift des folgenden Kapitels (HL 7yb) mit roter Tinte geschrieben. 
■) phenign. •) ^st. *) Josep (!). •) wurdu. 



— 113 — 

Dy furtin silbir vnde golt gewegin 

An stuckichin, alzo noch etzliche phlegin. 

Dy warin geczeichint nach dem gesichte, 300 

Wy vel sy hattin an dem gewichte. 

Dyt machte dicke ertura gross, 

Wann zcu vel adir zcu wenig wog der kloss. . 

Darvmme der konig Nynus 

Vant eyne solche wise alzns: 305 

Man sülde kleyne stuckichin machin — 

Dy werin nutze yn allin sachin — 

Von silbir vnde von golde. 

Daz ted man, alzo der konig wolde. 

Dy stuckichin wordin da vnglich, 310 

Darvmme errite daz volk sich. 

Wann man dy sweristin usslas, 

Darynne abir eyn forteil was. 

Nu was yn syme lande eyn smed. 

Der alzo wol künde darmed, 315 

Daz man dy stucke glich machte. 

Deme konige her eyne wyse irtrachte, 

Daz her daran syn bilde sluge, 

So wolde her sy machin alzo gefuge, 

Daz man er wol dy gnuge 320 

Obir feit uf dy merte trüge. 

Dyt daz ist zcu Nyneuen, 

In der grossin stad, gesehen. Bl. 8,a. 

Da machte sy der smed Thare, 

Der nuwelichin was komin dare. 325 

Abrahames vatir derselbe was, 

Der also dem konige ussrichte daz 

Vnde machte eme der phennige gnug; 

Darnach her andir kleyne slug, 

Der zcene eyn grossin da galt, 330 

Dy warin euch subirlich gestalt. 



299 Btuchin (!). 300 geczichent den. nach fehlt 301 wol. 303 woug. 
kloBS st. m. = ungeprägtes Metallstück (vgl. Germania 1X,176). 305 sulche. 
306 Bulde; stuchichin. 315 alzcu. 319 wulde. 322 Dyt daz; vgl. V.V. 
770,1642 und 1995. 331 Dyt; auch. 

Heinrich, Stndien zo Johannes Bothe 8 



— 114 — 

Myt dessin munczin sich entrichte 

Daz volg vnde errite sich an nichte. 

Dy erste muncze was nu dyt, 

Dy uf erdin y wart gesmyt, 335 

Do Thare den erstin phennig slug, 

Der behende was vnde klug, 

Vnde dy schowephennige ^) dem konige wiste, 

Dar her syne kunst myt pryste; 

Dy guldin vnde dy silberin 340 

Da warin so schone vnd fyn, 

Beyde dy wissin vnd dy rotin 

Dy wogin da alle zcu lotin: 

Zcen kleyne guldin eynin grossin, 

Darnach so warin sy gestossin, 345 

Zcen grosse phennige an den schuldin 

Do beczalte man mede eynin guldin. 

Also guldin der kleynin phennige hundirt 

Eynin guldin vngesundirt. 

Thare was czum munczin gar flissig; 350 

Der grossin silberin phennige drissig 

Behilt her da gar schone 

Vnde ouch der guldin zcu syme lone. Bl. 8,b. 

Darnach her von dannin quam 

Myt sjone sone Abraham. 355 

Vnde czogin von Caldea 

Vnde wontin zcu Mesopothanea. 

Do starb Thare vnde wart begrabin; 

Wer solde syn gelt billichir habin 

Dann syn son Abraham, 360 

Der alle syn gut zcu eme nam. 

Darnach alzo Sara gestarb, 

Abraham vmme eynin ackir warb 

Von eyme, der hiss Effron; 

Vnde dyt geschach darvon, 365 

Daz Adam vnd ouch Ena 



1) Vgl, Germania IX, 178. 

343 wugen. 351 phenninge {und so noch öfter in der /<«.); vgl, hierzu 
y. 408 und S. 101. 353 auch. 359 sulde. 366 auch. 



— 115 — 

Beyde login begrabin iä. 

Da wordin desse phennige vmme ge^bin 

Vnde quamin an eyne synin nebin. 

Deme wordin sy zcn eynir brutgift ^)j . 370 

Alzo wart eyn ee darmede gestift, 

Alzo qnamjn sy zcu den geczytin 

An dy Hismahelitin. 

Nu was derselbe, der sy gewan, 

In dem lande eyn richir koufman. 375 

Der czoch da in Egiptenland 

Vnde hatte vel gatis vndir sinir band, 

Do her koufmanschacz mede treyb; 

Dyt gelt in syme bntil bleyb. 

Der koifte myt der seibin habe 380 

Josephen synin brudir abe. 

Darnach in den tnrin jarin 

Dy bmdir woldin nach körne varin 

In Egiptin vnde holin spise. 

Da quamin dy phennige in solchir wise Bl. 9,a. 385 

In des konigis kastin alzo, 

Der genant was Pharao. 

Darnach obir lange cz3rt geschach daz. 

Also Moyses yn des konigis hofe was. 

Da wart her myt eyme here gesant 390 

Vf dy konyngynnin in Morenland. 

Da gab eme czeregelt konig Pharao; 

Da wordin eme desse phennige do 

Myt andirme gelde, daz her fürte. 

Doch der desse phennige ny berurte, 395 

Biz daz her begunde gewynnin 

Daz lant do myt der konigynnin, 

Dy her zcu eyme wibe nam; 

Dyt gelt do an dy konigynne quam. 



*) Vgl GermaDia IX,175. 

375 kauffmaa. 378 kouffmansczatcz (!). 383 wuldeD;vam. 385 sulohir. 
Am Rande stehen von jüngerer Hand die Worte: „Und Jesus sprach zu seinen 
Jüngern." 388 gesczach. 389 hoffe. Vgl. aber hofe ürk. 5, 7, 16. 
395 berorte. 396 begonde. 398 wiebe. 

8' 



— 116 -^ 

Dy hilt ez erin tochtirn vort 400 

Von eynir yn dy andira gebort, 

Biz daz dy konigin von Saba quam 

Czu Jherasalem, dy ez myt er |nam 

Vnde beschowite Salomonis ere 

Vnd waz czirunge yn deme tempil were. 405 

Da gab sy dy phennige myt andir gäbe 

In den tempil, gote zcn lobe. 

In dy schaezkamere sy do quamin, 

Dy prystir sy zcu behaldin namin. 

Do quam der konig Nabuchodonosor, 410 

Von demejdyjprophetin sagitin vor, 

Vnde vorstorit en Jherusalem dy stad 

Vmme der judin obiltad. 

Alzo der konig, genant Sedechias, 

In deme judischin lande eyn konig was, 415 

Da wart der tempil beroubit gar, 

Daz her wart allis schatzis bar. Bl. 9,b. 

Dy drissig phennige vndir andirme gelde 

Mustin sich darmede melde, 

Dy wordin zcu Babilonien bracht, 420 

Alzo Nabuchodonosor hatte gedacht. 

Der konig von Arabien myt eme da was, 

Deme wart des geldis, vmme daz 

Her eme gefolgit hatte dar 

Myt eynir grossin mechtigin schar; 425 

Da wordin eme drissig phennige vndir. 

In Kristi gebort geschach daz wundir, 

Daz dy dry konige geleitte der sterre 

Von Oriente kegin Bethlehem gar verre. 

Da brachtin sy dy phennige dar 430 

Vnde gabin sy Kristo myt andirn gewar. 

Alzo quamin sy in Marian hende, 

Dy begunde sy yn den tempil wende, 

Da sy zcu der kerchin ging: 



406 phenge. Doch vgl. „phennige" Urk. 10, 11 und V. 351. 408 quam. 
412 vostoreten (!). 427 xpiis. Doch vgl. Akr. 21. 428 stere. 431 gewar(e) 
= Gepäck, Kau/mannsgut; vgl. Germania IX, 176. 433 begonde. 



— 117 — 

God schickite alzo desse ding. 435 

Wy dicke desse phennige in den jarin 

Von eynandir geteilt warin 

Adir vndir andir gelt gemengit, 

God ez alle czyt vorhengit, 

Daz sy by eynandir quamin. 440 

Czulest sy da dy pristir namin 

Von des tempils gelde vnde gabin sy Judan. 

Da der sach, daz her hatte obilgetan, 

Da gab her den judin dy phennige wedir 

Vnde warf sy in dem tempil nedir. 445 

Darnach wordin sy ufgehabin 

Vnde vmme eynin ackir zcu begrabin 

Den pilgerimin gegebin. 

Dyt was en wol ebin. — 



Wer nu gerne daz vorneme, Bl. 10,a. 450 

Wy Pilatus zcu Jherusalem queme, 

Vnde wy her do worde eyn richtere, 

Dem wel ich sagin desse mere, 

Dy vel lichte ouch war syn. 

Ez was eyn konig an dem Ryn, 455 

Des name was koning Atus, 

Den dy lute nach nennin Artus. 

By dem Ryne eyn stad da lag, 

Da her synir herschaft ynnin phlag, 

Da der Mogin ged yn den Eyn, 460 

Vnde da bynedir Scia flussit yn. 

Von dessin zcwen sy den namin hat, 

Daz Maguncia heissit dy stad. 

Mentcz ist ez, als ich uch dute. 

Also heissin sy gemeynlichin dy lute^). 465 



441 Czu letzt, 452 richtir (: mehir). 454 auch. 459 hirschafft. Doch 
vgL herschaft Akr. 11. 463 magücia. 

*) F. 458 — 465 druckte schon August Witzschel ah {Beiträge zur Textes- 
kritik der Düringischen Chronik des Johannes Rothe II. Jahresbericht über das 
Karl-Friedrichs -Gymnasium zu Eisenach 1874—75, S, 2), 



— llS — 

Da sass konüig Artus ynae, 

Gewaldig, riche vnde wise von synne; 

Vnmassin gross was syn ere. 

Man spricht, daz her eyn meystir were 

In der kunst, dy von dem gesterne gehit, 470 

Daz man zcukunftige ding wol sehit. 

Eynis tagis reyt her gagin 

Myt synin mannin noch syme behagin. 

Vnd sy quamin yn eynin walt gar verre 

Vnde retin dar ynne alzo lange erre, 475 

Biz daz sy dy nacht betrad, 

Daz sy nicht mocbtin zeu der stad 

Czn Mentcz komin heym wedir; 

In eyn dorf slngin sy sich nedir. 

Da was eyn rittir ynne gesessin, 480 

Der myt trynkin vnde myt essin 

Des konigis da gar wol phlag. — Bl. 10,b. 

Eyn mole vor dem dorfe lag. 

Da hatte der selbe moUir da 

Eyn tochtir, dy hyss Pyla, 485 

Alzo eyn geczuchtige stolcze magit, 

Daz man verre dar von sagit. — 

Do dy geste alle wordin sad. 

An eyn venstir her da trad, 

Daz gesterne her do ansach; 490 

Wedir syne dynir her do sprach: 

„Ach! hette ich nu dy kongynnin. 

Ich wolde in dessir nacht gewynnin 

Eynin son, daz suld yr gesee. 

Von deme vel wundirs uf erdin geschee." 495 

Dy dynir sprachin: „tud uch des abe! 

Ir mogit der konigin nicht gehabe, 

Ir hat zcu verre zcu der stad. 

Der moUir hy eyne tochtir had," 

Sprach der rittir, „eyne stolcze magit, 500 



467 wiesse. 482 plagk (!). 486 stulcse. 493 wulde. 495 gesehe. 
499 muller. 500 sttilcze; mayt. 



— 119 — 

Ich meyne, daz her sy uch nicht vorsagit. 

Noch der so suUit ir sendin 

Vnde daz biz hint mit ere endin, 

Daz so getan frucht nicht dahindin blibe, 

Dy komin mochte von nwirme libe." 505 

Des moUirs tochtir wart em bracht: 

By der so slif her da dy nacht, 

Alzo daz^) darnach der nunde raande vorging 

Eynin schonin son sy da gebar. 

Dyt tet man dem koninge nffinbar. 510 

Der frowite sich des gar swinde. . 

Der böte frogite nach dem kinde, 

Wy man daz solde myt namin nenne, 

Daz man ez recht mochte irkenne. 

Der konig antworte daruf schir: Bl. ll,a. 515 

„Man nenne ez nach synir mutir vnde myr! 

So werdit ez onch alcznhant 

Von vns beidin Pilatus genant." 

Daz kint was von libe czart. 

Da ez dryir jar alt wart, 520 

Pila, syn mutir, des gedachte, 

Daz sy ez yn dy stad zcu Mentcze brachte 

Vnde andelogite*) ez zcu hofe da. 

Der koning was des kindis fro. 

Ez wart gar listig und geschide 525 

Vnde wolde zcuhant nicht gerne lide. 

Ez ging da yn des konigis sal 

Vnde behagite den herin obiral. 

Der selbe koning hatte eyn elidiin son, 

Der was hobisch vnde wolgeton 530 

Vnde eldir kegin eyme jare 

Vnde künde gar edilich gebare. 

Dy zcwei kint myt eynandir 



501 myne; md.=^mhd. meine. 503 nit ore. 504 bliebe. 513 sulde. 
517 auch. 519 liebe. 523 hoffe; vgl. V. 389. 525 gescheide (: leide). 526 wulde. 
531 kegein(!). 532 konde. 

*) Der fehlende Reimvers ist vielleicht hier durch si dy frucht enphing zu 
ergänzen. *) md. = mhd, an€Ula(n)gen, überantworten ; vgl. Chr S, 463, 



— 120 — 

Begundin unglichin wandirn. 

Vnde da sy zcu erin jarin quamin, 535 

Daz sy böse vnd gud vornamin, 

Da begundin sy myt eynandir rangin') 

Sy worfln den steyn vnd schossin dy stangin 

Vnde trebin manchir hande spei. 

Der elichir son was sterkir vel 540 

Wan der banghart Pylatus was. 

Myt bosin tuckin vorgalt her daz 

Vnde schemphte mjt em vnsubirlich. 

Der eliche son irczornite do sich 

Vnde sprach: „du tust nach dynir art, 545 

Du schemlichir, bosir banghart! 

Wy schemphistu nu myt dime herin! Bl. IIb. 

Sal ich lebin, ich wel dich lerin, 

Daz du mich baz must vor ougin han, 

Den du biz her hast getan. ** 550 

Pylatus gedachte yn syme synne: 

„Du kanst ez nummir gut gewynne, 

Du wordist dan des brudir los; 

Her vortribit dich, wan her werdit gross. 

Vnde wan vnsir fatir gesterbit, 555 

So werdistu von eme vorterbit. 

Du weit en brengin von dem libe, 

So mag dir daz riche blibe. 

Der koning dich libir dan en had, 

Du besitzist wol syne stad." 560 

Dy truwe her an dem brudir brach, 

Daz her en heymilichin irstach. 

Do der koning daz vornam. 

In gross betrupinisse her quam. 

Der koning vorbotte do synin rod 565 

Vmme dy seibin bosin tod. 

Vnde bat sy alle daruf synne, 



1) =zluctari. Ebenso RZ V. 191 ( : bedrangin) ; vgl, Germania IX, 177. 

534; 537 Begondin elichin. Vor diesem Wort ist radiert; vgl. „geliche 

wandern '^ Passional 3,90. 549 angin. 557 liebe (: bliebe). 559 lieber. 560 8tadtt(!). 



— 121 — 

Wez her myt dem mordir sulle begynne. 

Sy sprachin alle, her solde sterbin. 

Her mochte wol andir kindir irwerbin, 570 

Solde her andirs lebin. 

Eynin andirn rat begunde eme gebin 

Eyn aldir rittir, eyn wysir man. 

Her sprach: „here, yr suUit ez lan, 

Ir suUit nicht schadin bnzin myt schadin! 575 

Ir wordit andirs obirladin 

Myt betrupinisse yn nwirn synnin. 

Ab ir nicht kindir mochtit gewynnin, 

Do storbe nwir land erbelos, Bl. 12,a. 

Der schade worde dan zcn gross. 580 

Wir woldin libir Pylatum zcu herin han 

Dann eynin andirn fromdin man. 

Ir mussit den Eomirn jarzcins gebin. 

So werdit uch Pylatus dar zcu ebin, 

Daz yr en zcu gisil da setzit. 585 

Werdit yr dan hyrnach irgetzit, 

Daz yr gewynnit eliche erbin, 

So lassit en dy Romir vorterbin 

Adir machin zcu eyme herin 

Vnde suUit uch dan numme an en kerin. 590 

Gewinnit yr abir erbin nicht, 

So hat yr balde daz ussgericht, 

Daz ir wedir nach eme sendit 

Vnde uwir gnade zcu em wendit." — 

Alzo wart her do alczuhant 595 

Den Eomirn zcu eyme gisil gesant. 

Czu der cz3rt, dem seibin glich. 

Wart des konigis son von Frankrich 

Ouch kegin Rome gesant 

Alzo eyn gisil vnde eyn phant, 600 

Daz her nicht wol de abekere, 

Sundirn den Romirn dynin vnd sy ere. 

Czu deme gesellite sich Pylatus 



575 boBBin. 581 wuldin; lieber. 596 Der(!) 598,605 franckrioh. 



122 



Vnd ging myt ^m in vnd uss. 

Von Frankrich des konigis son 605 

Der was gar hobelich getan, 

Der hatte dynir, dy namin syn war. 

So was Pylatus komin dar 

Ane dynir vnd ane knechte, 

Also ab vnedil were syn gesiechte. Bl. 12,b. 610 

Wann der vatir was eme gram, 

So was vnelich oueh syn stam. 

Gar nerlich*) so was ouch sin kleyt, 

Darvmme her vel spottis leid 

Also lange, biz man irfur daz, 615 

Wy ez vmme syne mutir was. 

Do eme syn vatir nicht dar sante. 

Des von Frankinrichis son en do irkante 

Vnde hiss en da „er moller!*' 

Daz muite en da alzo ser, 620 

Daz her eme nicht was gut genug, 

Daz her en darvmme ouch irslug. 

Czuhant alzo daz was irgangin^ 

Da wart her. von den Bomirn gefangin. 

Sy sprachin da nu rad zcn: 625 

„Was wuUin wir mjrt dessim tu? 

Ist daz wir eme nemin daz lebin, 

Syme vatir wir dann sache gebin, 

Daz her vns vint wert vnd wedir 

Vnde legit vns den zcins nedir. 630 

Noch so hat her vordynt den tod, 

Brengin wir en in solche nod, 

Daz her den an vnse schult irwerbit 

Vnde von andirn lutin sterbit. 

Czu Poncien wuUin wir en sendin. 635 

Ean her dan daz do geendin, 



1) =imhd. ncErlich{e\ vilis; vgl, Germania V,242; VI, 62 und K,177. 
610 gesclechte. 618 franckinrichis. 622 auch. 625 raid. 62^ yient. 
636 woln. 



— 123 — 

Daz 'her blibit vnirslagin, 

So mag her wol von gluoke sagin. 

Der richtir sal her da syn, 

Dy alzo syne sdialgheyt eme brengin yn, 640 

Daz her vns nicht hindirt mer.** 

Her wart dar hene bracht gar scher. 

Gar snel so hatte her daz vornomin, Bl. 13,a. 

Daz her darumme dar was komin, 

Daz her von en werde irslagin. 645 

Her begunde nach den richstin > fragin, 

Dy yn der insiln warin 

Ynde begunde frnntlich zcu en gebarin 

Myt gäbe vnd myt gelde, 

Daz en nymant torste scheide. 650 

Dy andirn her myt drowin twang, 

Daz sy eme wordin gehorsam ane dang. 

Also Pylatus solche liste hatte fundin 

Vnde dy von Poncien alzo obirwundin, 

Daz her darvon obir alle laut 655 

Pylatus von Poncien wert genant, 

Konig Herodes daz vornam, 

Demo dy judin warin gram, 

Vmme daz her zcu Jherusalem saz 

Vnde nicht eyn Jude geborn was, 660 

Sundirn eyn heydin vnde eyn komin. 

Wann den judin was daz riebe genomin. 

Also der patriarche her Jacob 

Syme sone ted wissagindiz lob, 

Daz syn riebe alzo lange solde besten 665 

Vnde syn herczogetum euch nicht vorgen, 

Biz der heilige der heiligin queme 

Vnde dy menscheyt an sich neme 

Vnde her werde eyn beytunge der heidin, 

Dy von dem vngloubin soldin scheidin. 670 



646,648 begonde. 648 gebani. 651 drauwin. 660 judde. 663—72 
interpoliert? (Vogt). 664 tad. 666 auch; Torgeen. 670 aoldin. 



— 124 — 

Der heiige der heiligin Kristns was komin 

Do wart den jndin daz riche genomin. 

Darvmme hastin sy Herodem sere 

Vnde woldin sich an syne gebot nicht kere; 

Vnde warin eme vngehorsam Bl. 13,b. 675 

Vnde von ganczim herczin gram. 

Da gedachte Herodes yn sjrme synne, 

Kundistu Pylatum zcu richtir gewynne, 

Daz her dyr desse judin hetwunge, 

Vellichte dyr dan baz gelange. 680 

Her sante zcu eme syne botin, 

Dy eme gut gelobide tatin, 

Daz her zcu Jherusalem queme 

Vnde daz gerichte zcu eme da neme. 

Da wolde her eme vele gutis vmme gebin 685 

Vnde en riche mache, solde her lebin. 

Pylatus zcu Herode do quam, 

Golt vnde gut her von eme nam. 

Des samminte her vel vnde gnug, 

Her was geschide vnd ouch klug. 690 

Vnde czoch myt dem gelde do 

Czu dem keisir Tyberio 

Vnde irwarb daz von eme zcu der stunde, 

Daz her wart des richis formunde 

Vnde eyn bestegtir*) romischir richtere 695 

Vnde wolde sich an Herodera numme kere, 

Des eme dy judin do bestundin. 

Do Herodes an eme daz hatte irfundin 

Daz her was also eyn vngetruwir man 

Vnde gewan eme daz gericht also an 700 

Vnd dy formundeschaft zcu Jherusaleme, 

Da wart her eme gar vngeneme 

Vnd was syn vint uffinbar. 

Des achte Pylatus nicht eyn har, 



678 Kondistu. 685 wulde. 686 sulde. 689 samentze; vgl. Akr. 9 
pSammente". 690 auch. 691 czogh. 699 her her. 
') < bestegin {mdJ) = mhd. bestetigen. 



— 125 — 

Sundirn her was des keysirs knecht 705 

Vnd gab den von Jherusalem recht 

Ynde samminte des keisirs zcins da Bl. 14,a. 

In dem lande zcxi Judea. 

Nu merkit, waz daz gelt macht, 

Daz alzo vel bosheit sacht. 710 

Dy gutin vnde fromin ez begebit, 

Dy vngetruwin vnd bosin ez irhebit. 

Dy gerechtin myt den vngerechtin ez mengit, 

Daz gerichte obir dy vnschuldigin vorhengit, 

Den vnediln gebit ez gewalt vnd ere, 715 

Ez wel sich wedir an god nu kere 

Noch an recht noch an daz gesetze. 

Den rechtin gloubin kan ez vorletze, 

Kongin vnde forstin ez wedirsteet, 

Wibe vnd kindir ez vorlet. 720 

Sele vnd ere dy lute begebin, 

Vmme gelt vorlisin si er lebin. 

Keyne truwe wert da gehaldin, 

Wo dy geltgiftigin ^) wuUin waldin. 

Also wart nu konig Herodes 725 

Von Pylato wol gewar des, 

Der damede em quam in .syn riche^) — — 

Daz her eme sine herschaft 

Myt synir bosin geldis kraft 

Vnde den her Mit vor eynin besundirn frunt, 730 

Den hatte da sin gelt entczunt, 

Daz her sin vint darmede wart, 

Ouch synir ere vnbewart. 

Daz clagite her vnde was eme leyt, 

Daz Pylalus myt solchir bosheyt — — 735 

Pylatus myt synin wortin gar harte 

Konige Herode alzo antwarte: 



707 sämete. 710 sachtt (sachit). 712 vngetrouwin. 719 widdirsteet 
(: vorlehet). 722 sie (über geschrieben). 733 Auch. 

1) Vgl. Germania IX,175; dazu „obirgiftig" a. a. 0. Y,243 und VI,57. 
*) Der Reimvers fehlt. 



— 12ß — 

Her hette kejm recht an eme gebrodiin Bl. 14,b. 

Noch eme yn syne herschaft gesprochin;. 

Her were ouch myt keynir fruntsdiaft 740 

Noch myt eydin eme behaft — 

Sundirn der keysir hette eme gegebin 

Daz gerichte vnde waz eme were ebin. 

Des berifin sy sych da beide 

Eegin Borne: da solde man sy entscheyde, 745 

Er iclichin nach syme rechtin. 

Nicht andirs kundin sy gefechtin. 

Tiberius*) der keiser, BL 15,a. 

Ich meyne, daz her der derte wer, 

Von der. vnseligin judischeit 750 

Kristus do dy martil leit. 

Wan der erstir der hiz Julius. 

In dez gezcitin ging vns vz 

Maria, di mutir Kristi, 

Ez mochte na vor syme ende sy. 755 

Der andir was Octauian; 

Kristus menscheid hub sich do an. 

So starb her vndir Tiberio, 

Dez riche hub siph an also, 

Do Kristus sechzcen iar alt was; 760 

Noch sime tode her daz riche besaz 

Dan noch wol sechs gancze iar. 

Noch eme quam keysir Gayus dar, 

Virczig iar nach Kristus gebort, 

Der richite firdehalb iar vort. 765 

Dessir keisir, Tiberius genant. 

Wart darnach vzsetzig alzcuhant, 

Also Kristus hatte dy martil geledin 

Noch der aldin cronikin redin. 

Dit daz quam darvone gar sere, 770 



739 hirschafift. Vgl. V. 459. 740 auch. 744 beiden (: entscheydeo). 
747 kondin. 769 kronikin; vgl, aber Akr. 10. 770 quame. 

^) Rot und gelh gemalte Initiale. Mit Bl. 15,a beginnt der 2. Schreiben 



— 127 — 

Her was ein grossir wintrenkere.- 

Dy erczte eme zcu den stundin 

Von der suche nicht gehelfin kundin. 

Dit werte mit eme dri gancze iar; Bl. 15,b. 

Darnach so wart eme uffinbar 775 

Vnd gesagit vor wäre mere, 

Daz zca Jherusalem eyn prophete were, 

Der künde mit sinin wortin zcnstunt 

AUirlei sichin machin gesnnt. 

Her wnste dan noch nicht daz, 780 

Daz her von den judin getotit was 

Vnd Pilatus obir en hatte gericht. 

Do stundin vor sinir angesicht 

Vele sinir friin dinstman, 

Dy sach her do gutlichin an 785 

Vnd sprach zcu Volusiano, 

Sime besundirn dynir also: 

^Nn bereit» dich alzcuhand 

Vnd zeuch hene in daz indische land. 

Nem mit dir, daz du macht vorzcer 790 

Vnd var zcu Jherusalem obir mer 

Vnd sprich z(m Pilato, daz sy myn ger, 

Daz her mir den prophetin sende her. 

Eynin briflf^) den schreib her eme alsus: 

„Der romischir keisir Tiberius 795 

Enputit sine gnade vnd blibin fro • 

Deme richtir von Poncien Pilato. 

Vor vnsir orin ist nuwelichin komin, 

Daz wir gar gerne habin vornomin, 

Wy daz zcu Jherusalem hy sy * 800 

Eyn prophete, der dir wone by. 

Der kunne wedir alle suche gebusse^). Bl. 16,a. 

Nu sint vns vortorbin vnsir fusse, 

Daz wir nicht wale mogin gegehin 

Vnd vnsenfte geritin vnd gestehin. 805 



771 wintrenkire (!). 779 siechin. 794 hir. 

^) Vgl. Urk. 18 „briflfe« und 21 „briff«. «) Am Rande steht von 
jüngerer Hand: „der künnc wedir alle suchen gebüsse". 



— 128 — 

Dammme wallin wir daz von dir hau, 

Daz da yns sendist den seibin man. 

Der VHS mag gesant gemache. 

Vnd wer ez abir sache, 

Daz her di reise vngerne tete, 810 

Wan man en von vnsir wegin gebete. 

So laz ez an gelde nicht gebreche. 

AUiz daz da von vnsir wegin tadist spreche, 

Daz wallin wir stete vnd gancz haldin. 

Des gedingis salta selbir waldin. 815 

Ta hirzca daz allir beste 

Vnd laz desse botschaft sin dy leste*^. 

Do Volnsianas zea Pilnto qaam 

Vnd her den briff von eme genam. 

Her brach en af vnd las, 820 

Was daran geschrebin was. 

Her dirschrag darvon also sere, 

Daz her nicht mochte gesprechin mere 

Vnd vorte des keisirs czorn, 

Daz her sine gnade hette vorlorn, 825 

Vmme daz her des vnschuldigin Jhesa lebin 

In der jadin hende hette gegebin, 

Di erin willin mit eme hettin begangin 

Vnd en smelichin an eyn crazce gehangin. Bl. 16,b. 

Czolest do antworte her also 830 

Demo seibin botin Volnsiano: 

Daz her sich enthilde virzcen tage, 

So wolde her eme eyne antwerte sage. 

Der prophete der ist gestorbin 

Vnd hette ejm wnndirlich ende irworbin. 835 

Daz her nicht er künde wedir geschribe, 

Her muste also lange bi eme blibe, 

Biz daz her mit rate daruf gedechte 

Vnd eyne gade botschaft wedirbrechte. 

Also bleib her do di virzcen tage 840 



806 wollin. 809 weris (!). 8U wollin. 821 gescrebin. 824 vorchte. 
829 krucze. Vgl. „Cruzceborg" Akr. 1 und Akt. RSp. 833 wulde. 836 konde. 
840 vierczen. 



— 129 — 

Ynd begande alle ding Yzfrage, 

Wi man mit Kristo hette vmmegegen, 

Vnd waz wundirs von eme were gesehen. 

Vnd begnnde do alle stete beschowin; 

Do wart her gewist zcn eynir frowin, 845 

Dy wonite in der stat alda 

Vnd was geheissin Veroniea. 

Di hatte vele heymlichkeid gehad 

Mit Jhesn Kristo an manchir stad. 

Czu der qnam her gegangin do 850 

Vnd frogite von Jhesu Kristo, 

Der eyn prophete gewest were, 

Daz si eme sagite von sinir lere. 

Wan her were darumme dar gesand, 

Daz her en solde alzcuhant 855 

Deme keisir zcn Borne brengin. Bl. 17,a. 

Nu wolde eme Pilatus nicht vorhengin, 

Daz her wandirt also balde. 

Her wolde en do virzcen tage halde 

Vnd spreche na, her were gestorbin 860 

Vnd hette di botschaft vmb sus geworbin. 

Si sprach: ach! leidir der here myn 

Leid vor sime ende grosse pyn 

Vnd eynin iemirlichin tod. 

Her was myn here vnd myn god, 865 

Den Pilatus durch der judin haz 

Vortumite vnd gestatte en daz, 

Daz sy groz vnrecht mit eme^) begingin 

Vnd en an eyn cruzce hingin.'' 

Volusianus sprach: „daz ist mir leid, 870 

Daz ich vorlise myne arbeid 

Vnd vmb suz ben her gezcogin 

Vnd myn here des ist betrogin, : 

Daz ich en nicht gebrengin kan. 



844 begonde ; beschauwin (: frouwen). 847 geheisin (!). 848-Die^£53 sie. 
855 on. 857 wulde. 872 gezcagin (: betragin). 

') one; md, accus, nach miti {Vgl, Weinhold, mhd. Gr.« § 334.) Rothe: 
„mit allem nutzen" Urk. 18. 

Heinrieh, Stadien zn Johannes Bothe 9 



^ • V 



~ ISO — 

Her werdit daram eyn betrubitir man, 875 

Wanne her daz nu ges^it, 

Daz sin befemnge nicht gescbehit 

Vnde idi werde eyn vnnutzir böte. 

Ach! frowe, kund ir mir icht gerate?* 

Veronica wedir den botin sprach: 880 

„Czn eynin gecEitin daz geschach, 

Daz myn here predigite vnd andir lare Bl. 17,b. 

Ynd begande daz ouch nffinbare, 

Daz her mit sinie Übe 

Yf erdin nicht lange solde blibe. 885 

Also ich daz nu hatte vomomin 

Vnd wedir enheyto was komin, 

Da bedachte ich ebin sine wert, 

Di ich von enfie hatte gebort. 

Daz ich scher sinir keginwertikeid 890 

Enpmn solde, daz was mir leid. 

Vnd wart^) do des zcu rate, 

Daz ich also drate 

Wolde gehin zcu eyme malere, 

I>er sinis hantwerkis eyn meistir were, 895 

Der mir noch sinir kanste wit2e 

Sin bilde malite noch sime antlitze. 

Eynin sleigir ich do zca handin nam. 

Do ich nf di Strasse qnam 

Vnd wolde zca deme malere, 900 

Do begeynite mir myii libir here 

Vnd fragite mich, war ich weide gehin, 

Daz ich en daz lisse vorstehin. 

Ach! wi wole wüste her daz, 

Worumme ich nzgegangin was 905 

Vnd fragite doch, war ich ginge, 

Vf daz ich trost von eme enphinge. 

Do ich eme gesagite dy Sache, 

Vnd waz ich wolde lassin mache, Bl. 18,a. 



876 gesellet. 877 gescheit 878 ynaaczter (!) bathe. 879 frauwe kSnd. 
888 begondc. 884 liebe. 899 die. 900 meiere. 901 lieber; 
*) übergeschrieben. 



- 131 ^— 

Eyi) Wilde, daz ich gin ged^Hte, " • 910 

Wan her sine worte voUinbrechte 

Vnd von dessir werlde quenie, 

Daz ich trost darvone geneme, 

Do hisch her daz taeh von mir 

Vnd druckite ez an sia antlitze schir 915 

Ynd gab ;nir schone gemalit sin bilde. 

Desse rede di ist uch gar wilde 

Ynd ist doch di warheid sichirlieh 

Ynd syme ersamin antUts^e glich. 

Nu saltn des sin von mir bericht:. 920 

Wan dessis bildis angesieht 

üwir here mit ynnikeit anesehe, 

So ist eme nergin also ^ehe. 

Her worde y(m sinir suche zcustunt 

Beide frisch, heile vnd gesunt^ 925 

Her sprach: „daz bilde, ist daz feile, 

Min here der sal dir medeteile 

Silbir vnd gold noch dinir gere." 

Sy sprach: „ich mag sin nicht ^) gemere, 

Ymb ynnikeid wel ich mit dir dar 930 

Obir mer kegin Borne var 

Ynd wel ez selbir furin. 

Andirs sal ez nymant berurin. 

Ir suUit mir abir eynin eyd 

Swerin, daz mir nummir leid 935 

Yf deme weg« wediryare, Bl. 18,b. 

Ynd daz ich sichir kome dare 

In des keisirs geleite, 

Ynd wi länge ich zcu Eome beite 

Ynd mit dem antlitze do Mibe, 940 

Daz nymant do mir armin wibe 

Tu mit deme bilde gewalt, 

Ynd daz ich habe sichirn enthalt 



911 volbrechte. Doch vgl „voinnbracht** Akr. 20. 917 die. 925 friesch. 
.939 wi«, 941 wiebe. 

*) übergeschrieben (?). 

9* 



— 132 — 

Vnd sichir darmede her wedir kome, 

Ez frome dem keisir, adir ab ez nicht frome, 945 

Daz mir keyn leid werde getan." 

Daz gelobite er da Volusian 

Vnd swur er des eynin eyd 

Vor sinir gote werdikeid 

Vnd hi des keisirs heile darzcu, 950 

Daz er nymant solde leide tn. 

Also begundin sy do beide 

Heymilichin von Jhemsalem ^qjheide 

Mit deme antlitze vnd erme gesinde 

Vnd ilitin do zcu schiffe swinde. 955 

Qod bescherte en gudin segilwint, 

Daz si gar czowilichin sint 

Obir mer kegin Borne qaamin. 

Des gewunnin si ere vnd fromin. — 

Do Pilatus daz hatte vornomin, 960 

Daz Volusian enweg was komin 

Vnd hatte der czid nicht gebeitit, 

Daz her sine antworte hette bereitit Bl. 19,a. 

Vnd sich kegin deme keisir entschuldigt, 

Do wart her darumme gar vngfeduldig. 965 

Vnd sante sinin eigin bötin von dan. 

Der was geheissin Alban. 

Deme was kegin Bome gach 

Vnd schiffite Volusiano nach 

Mit eyme briflfe, den Pilatus 970 

Deme keisir schreib vnd der lutte alsus: 

„Deme allir hoisten konige togintlich,* 

Deme uf erdin nymant ist glich, 

Tyberio, deme romischin keysere, 

Deme enputit lob vnd ere 975 

Poncius Pylatus, sine vndirtenikeid . 

Vnd noch sime dinste bereid (?). \ 

Czu Jhemsalem ist daz geschehin, i 



951 ur. 952 begondin. 954 orme. 958 meer. 959 framen. 962 gebeid. 
971 Bcreib. 978 gesehen. 



\ 



— 13a — 

Daz ich geprnfit habe vnd gesehin 

Also daz di judin dorch erin haz 980 

In grossir bosheid tadin daz, 

Daz si sich vnd ere nachkomin 

In freislich vortumnisse han genomin, 

Daz zculesrt^ obir sy gehit; 

Wann si habin gotis woltad vorsmehit. 985 

Wan nu erin vetirn, di heilig warin, 

God hatte gelobit vor manchin iarin 

Synin son zcu sendin, 

Der en al ere nod solde swendin 

Vnd solde er konig werde genant, BI. 19,b. 990 

Also wit, also do worin ere lant. 

Vnd her solde obir sy richin 

In grossin togundin demutlichin. 

Den globite her en zcu gebin 

Von eynir magit in kuschime lebin. 995 

Den hatte er en gesant 

In ere stete vnd in er lant; 

In dem was en god vorborgin. 

Der wolde sy alleczid besorgin. 

Gade lere knnde her en gegebin, 1000 

Wy sy haldin soldin er lebin. 

Her machte en di blindin sehinde 

Vnd di lamin gehinde; 

Di vzsetzigin machte her reyne, 

Sy worin gross adir kleyne, 1005 

Vnd di zcubrochin hatte der gicht, 

Dy liz her vngetrostit nicht. 

Her gab en wedir ere gelede, 

Dy si vorlorin hattin dormede, 

Di wordin en gancz vnd heile. 1010 

Solche gnade künde her en medegeteile. 

Di bosin geiste her vztreib. 



982 ore. 993 togindin. 999 wulde. 1000 konde. 1006 gicht sonst nur 
St. n. oder /,; bei Rothe auch m. {Vgl F. Bech, Germania IX,179). 1009 sie. 
1010 Die. 



— lai' — 

Daz er keynir by den lutin bleib. 

Di totin her wedir irqmckite 

Vnd zcu rechtim lebin her sy schickite, 1015 

Di gereide^) warin begrabin, 

Der noch vel daz lebin habin 

Vnd noch den lutin wundir sagin, Bl. 20,a. 

Di sy gntlichin danimme fragin, 

Wy ez en dy wile habe irgehin, 1020 

Vnd waz sy wandirs habin gesehin. 

Uf dem wassir her hene ging, 

Daz her nnmmir nezze enphing. 

Her gebod derae winde nf der Strasse, 

Daz her mnste sin wehin lasse. 1025 

Her künde ouch wole gewere 

Deme vngewettir nf deme mere. 

Di vische warin eme gehorsam, 

Der grosse menige vor en quam, 

Wor her sy wolde habin, 1030 

Gesnntheid had man enzcabin, 

Wan man sin kleid rurte an. 

Also grosse zceichin had her getan, 

Daz her veletnsint mensche spisite 

Von fünf*) brotin, do her bewisite, 1035 

Daz ez wnchs in erin hendin. 

Daz oberie muste her von eme sendin. 

Des warin zcwelf korbe vol. 

An den lutin ted her dicke wol, 

Nymant kan däz vol achte, 1040 

Waz her wundirwerke machte. 

Sin lebin hilt her zcu male re3me, 

Do en alliz judisch volg gemeyne 

Hilt, daz her eris gotis son were. 

Daz muwite der judin pristir sere Bl. 20,b. 1045 

Vnd wordin eme darumme gram, 



1016 Die. 1023 her fehlt, neczce. 1037 ome. 1043 gemyne. 1044 eris 
übergesekrteben. 

*) bereits; adv, {Vgl Germania IX, 175). «) Vgi, »von fiinf «ckirii« 
Urk. 18. 



— 135 — 

Daz her en di ere bitnana, 

Vnd daz her sy starafte sere 

Mit sinir bestendigen lere. 

Gzolest si met em« ymmegingin, 1050 

Daz si en geslugin vnd gefingin. 

Vnd bracbtin en vor mich vßd gebatin gerichte 

Vnd machtin en 9cn male gar zcn nicbte. 

Ynd sagitin der vntad von eme gnug, 

Daz her alliz gednldiclichin vortrug. 1055 

Vnd irdachtin vele loginmer, 

Dy myr zcu hörne warin swer. 

Ere gecznge falsohin si vurtin, 

Di mich sere berariin. 

Noch künde ich mich des nicht irwerin, 1060 

Daz ich en vor en mochte irnerin. 

Si sprachin, her knnde zcouberie, 

Ynd begnndin en sere maledie, 

Ynd bette der tnfil gnde macht: 

Mit den hette her sine werke zenbracht. 1065 

Her were eyn bosir^ snodir man 

Ynd bette wedir ere gesetze getan. 

Daz ich daz gerichte lisse irgehin, 

Ynd wan daz von mir were geschehin, 

Ez were böse adir gud, 1070 

So solde obir sy gebin sin bind Bl. 21,a. 

Ynd darezQ obir alle ere kind. 

Sy machtin mich mit wortin also blind, 

Daz ich glonbite erin wortin. 

Wol daz ich daz tede mit fortin, 1075 

So Hz ich en mit geisiln howin 

Ynd ted, nf daz si daz soldin schowin, 

Daz ich en darnmme gecznchtigit bette 

Ymme di seibin obiltette. 

Ynd meynte, ich wolde ez vorfugin, 1080 



1061 sie; on {übergcBchriebtn}. 1054 gagittin. 1062 konde. 1063 begon- 
diu; maledige. 1068 iigehekin (!). 1076 ho&win (:8oh»uwen}. 107« bete; 
obütete? 1079 die. 



— 1«6 — 

Si soldin en darane lassin gnngin 

Ynd des enwoldin sjr nicht tu. 

Do gab ich en di loube darzcn, 

Daz si selbir obir en richtin 

Noch erme gesetze vnd enn geschichtin. 1085 

Do kartiu si sich abir nicht an, 

Si woldin en gecmzcigit han. 

Also wart daz gerichte begangin, 

Ynd her wart an eyn cmzce gehangin 

Ynd an deme seibin tage begrabin. 1090 

Si woldin des eyne gewisheid habin, 

Also [her] en vor hatte voriehin, 

Her wolde von deme tode irstehin. 

Ynd sacztin hntir bi daz grab, 

Di nicht torstin gehin er ab 1095 

Nach dren tagin ynd dren nachtin; 

Stetlichin sy daz bewachtin. Bl. 21,b. 

An deme dertin tage her irstnnt. 

Also en daz was wordin tont, 

Do brante in en dannoch der haz. 1100 

Den hutim gabin si gelt vmme daz, 

Daz si sprechin, sine iangim werin komin 

Ynd hettin en vz dem grabe genomin, 

Des nachtis heymilichin vorholin 

Ynd hettin en duplichin gestolin. 1105 

Abir do di hntir daz gelt gewunnin, 

Erin haz si do besunnin 

Ynd sagitin di rechtin warheit, 

Ez were en lib adir leid. 

Ynd sagitin, daz si ez hettin gesehin, 1110 

Daz her von deme tode were irstehin. 

Ynd bekantin des oueh gar ebin, 

Daz en daz gelt were gegebin. — 

Dit habe ich uch in warheit geschrebin; 



1084 on. 1085 ern? (übergeschrieben.) 1087 wuldin; gecrucigit (!). 
1091 Sie wulden. 1092 on. 1093 wulde. 1094 bie. 1095 Die. 1106 ge- 
wonnen. 1109 lab. 1110 sagittin. 



— 187 — 

Ab ymant login hette getrebin, 1115 

Daz ir nicht glonbin soldit, 

Ab ir di warheit wessin woldit.** — 

Dy judin hattin daz vorstehin, 

Daz clage obir si was geschehin 

Vor deme romischin keisere. 1120 

Daz vorsmahite en gar sere 

Vnd irfurin daz ouch alzcuhant, 

Daz Pilatus sinin botin hatte gesant. 

Dar umme gingin si zcn rate: Bl. 22,a. 

Von en wart uzgesand eyn böte, 1125 

Der si entschuldigite vor deme riebe 

Vnd si mochte behaldin bi gliche. (?) 

Vnd enpotin deme keiser, 

Daz en Pilatus were zcu swer, 

Daz her en seczte eynin amchtman, 1130 

Si mochtin sin numme bi en gehan. 

Wann her tede en grossin vordriz 

Vnd vele vnrechtis umme sinin geniz. 

Her machte en ere gesetze wilde 

Vnd seczte sine gote vnd sine bilde 1135 

In erin tempil zcu smacheid 

Vnd tede en vnzcellichiz leid. 

Daz gelt, daz in den tempil queme 

Czu ophir, mit gewalt her neme 

Vnd tede daz in sinin nucz 1140 

Vnd hettin von eme keynin schucz. 

Her vorteidinge wedir sy dy heidin 

Vnd wordin nummir recht entscheidin 

Von eynandir mit orteile, 

Wan sin gerichte daz were feile. 1145 

Her Verc' ouch in den tempil komin 

Vnd hette des bischofis kleid genomin 

Vnd sinin gesmug, den her solde han 



1115 login. 1125 bathe. 1127 sie. 1132 vordriez (igeniez). 1137 Tn- 
oeUiohes. 1139 opphir. 1142 vorteidingege (!). 1147 bischoffis. Doch vgl, 
„bischofis« Akr.4. 1148 gesmug. Vgl. Germania VI,276 und IX, 176. j 



— 138 — 

Vnd ZGU herin gezdtin tan m, 

Ynd hette den mit eme hejm getragin: BL22,b. 1150 

Daz woldin sy sinin gnadin clagin. 

Ynd wanne her des solde gebmchin. 

So mnstin ä ez kegin eme rorsnchin 

Mit gelde vnd mit gäbe 

Ynd mastin eme daz globe, 1153 

Wann si daz feart Yollinbrechtin, 

Daz si eme daz wedirbrechtin, 

Ynd daz selbir nicht behiidin 

Ynd des erin selbir wildin. 

Also phlege her sy zcn bedrangin, 1160 

Glich also ab si werin sin gefaogin. 

Des vnrechtis vnd des gliehin 

Were gar vele sichirlichin 

Daz si wole bewise w<ddin 

Yor sinin gnadin, wann si soldin. 1165 

Ynd betin en des fielichin bb, ^ 

Daz her en gnade wolde tn 

Ynd en des eyn wandil schicke, 

Daz her si vordir me nicht also dicke 

Yorvnrechle vnd tede en vordriz 1170 

Ymme schinderie^) vnd bosin geniz. 

Desse botschaft quam nn er 

Kegin Borne zcn dem keiser 

Danne der büte genant Alban, 

Der Pilatus botschaft sold habe getan. 1175 

Dit was nu di sache: , Bl. 23,a. 

Eyn gross wettir begande sich mache 

Yf dem mere allinendin, 

Ynd der wint begnnde sich wendin, 

Daz her stant in welsche land. 1180 

Do slug her en hene uf den sand, 



1151 wuldin. 1153 sie. 1155 glabe (= gelobe). 1156, 1164, 1165 sie. 
1165 snldin. 1166 Vor en noch es. 1170 vordriez (igenyez). 1172 eer. 
1176 die. 1177 begonde. 1178 meere. 

>) tt, /. = exspoliaUo; vgl, Oenniuua 1X,178. 



— 1S9 — 

Daz eme dar vone daz schif zcnbraeh. 

Mit grossir nod eme daz geschadi, 

Daz her der late hülfe genam 

Vnd mit dem lebin dar vone quam. 1185 

Nu was do di gewonheid, ' 

Wer den schifbrach uf deme wassir leid, • 

Wo danne her were geborin, 

So hatte her lib vnd gut vorlorin. 

Vnd her was des forstin eigin, 1190 

Her wolde eme dan gnode irczeigin. 

Nu was do Vespesianus, 

Der hatte ynne welsche land alsus, 

Daz si eme Tiberius hatte bevolin 

Mit zcinsin, rentin vnd mit zeoUin 1195 

Vnd mit der herschaft vngezcalt; 

Von deme keisir hatte her di gewalt. 

Vor den wart bracht der böte Alban, 

Der den schif bruch hatte getan. 

Den frogite Vespesianus gar schere, 1200 

Wo danne her queme, vnd wer her were, . 

Vnd wo her hene wolde varin, Bl. 23,b. 

Daz solde her eme uffinbarin. 

Her sprach: „von Jherusalem ben ich gesand 

Vnd ben Albanus genant. 1205 

Czu Bome so hatte ich gedacht, 

Nu had mich der wint her bracht." 

Do sprach zcu eme zcuhant alsus 

Der forste Vespesianus: 

„Du bist von wisir lute landin, 1210 

Do man vele kunste had zcu handin. 

Bistu eyn arczit nu, daz sprich, 

So saltu ouch gesunt machin micL" 

Nu hatte her vespin — horte ich sagin — 

Von jogunt in sinir nasin getragin. 1215 

Vnd dar von so*) wart her genant 



1212 arez (?). 
*) übergeschrieben. 



— HO — 

Yespesianog obir alle lant. 

Do autweiie eme dorof Alban: 

„Here, der arezdige ich nicht kan! 

Dar DDune kso ich nch nicht 1220 

Gehelfin, wan mir der kaust gebricht". 

Vespesianiis sprach: ,ez ist nicht Tmme sost 

Czn deine keisir zca zcihin: helfio dn mnst 

Hir na, adir da mast sterbin. 

So kansta keynin dang irwerbin. 1225 

Wan da bist also eyn arczit gestalt, 

In ernste da mir faelfin salt." 

Her sprach: „ich sterbe vngeme mynin kindin. B1.24,a. 

Lebite der noch, der di blindin 

Uit sinin wortin machte sehinde 1230 

Vnd di lamin oach machte gehinde 

Vnd di tnfite') vz dem Intin schickite 

Vnd di totin wedir irqaickite. 

So wolde ich di botschaft ta, 

Daz ir gesant wordit iin." 1235 

Do sprach Vespesianns: „wer was der man, 

Der sogetane ding had getan?" 

Der böte sprach: „Jhesas von NazareÜi 

Sogetane ding begangin het. 

Wer an en glonbite, deme ted her daz. 1240 

Den cmzcigitia di jadin vmme erin haz. 

Vnd lebite her vnd hettit eme glonbit, 

Ir werit nwir snche gancz beronbit." 

Vespesianns sprach: „had her totin irqaickit 

Vnd han di jndin daz mit eme geschickit, 1245 

Snmme myn nase!*) daz neme ich en abe*). 



1226 srczt(¥). Vgl. V. 1212. 1231,1232 die. 1234 wulde. 
') Die Stelle ist verwiicht; darüber tuflle. •} „Bei meiner Neue! Dafür 
»e ich ti* büttea {abenemen, it. v.), leenn ander» ich dat Leben habe.' summe 
mhd. M mir, *am mir, lemniir. Aehalich B8p 1106 f.: 
„daz di JBraheliechia woldeti reche 
Vnd den von Qabaa das nemen abe.' 
H'eitere Bei»piele ditter leUenea md, Autdrucksioeitii tiad beigeiraclil 
nnonis V, 236 u. IX, 174. 



— 141 — 

Sal ich andirs daz lebin habe.^ 

Dy vespin vilin eme do zcuhant 

Yz der nasin in sine hant. 

Also Vespesianus dit gesach, 1250 

Mit lutir stymme her do sprach: 

„Tud dit nu der totir man, 

Waz solde her danne habe getan, 

Do her daz lebin dannoeh hatte. Bl. 24,b. 

Ach! daz man den jadin des statte, 1255 

Daz si also mit eme vmmegingin 

Vnd en an eyn crnzce hingin. 

Vor mynin gotin daz ich spreche: 

„Ich wel noch sinin tod reche, 

Ist daz ich behalde daz lebin 1260 

Vnd werdit mir di lonbe gegebin." 

Her antworte em: „dit was die sache, 

Daz ich mich begnnde vz zca mache, 

Daz ich vnsirme herin dem keisir gesagite 

Vnd obir di bosin judin geclagite, 1265 

Daz si Jhesum, den gotisson. 

Von deme übe hettin getan**. 

Do antworte eme damf alsus 

Der höre Vespesianus: 

„Gewislichin han ich irfundin daz, 1270 

Daz her gotis son was. 

Der mich zcu dessin stundin 

Von mynir suche had enpundin. 

Nem wedir, waz du hast verlorn 

Vnd irhebe dich fru biz raom 1275 

Vnd var kegin Bome, wan du macht. 

Der keisir an dem libe euch s wacht. 

Brechstu deme also gude mere 

Also mir, du irworbist gut vnd ere," 

Endes — also ich han vornomin — Bl. 25,a. 1280 
Was Volusian kegin Bom enkomin 



1263 begonde; zcu in der hs. verwischt. 1264 vnssme {vgL „unsirs 
herin« \kr. 20). 1277 liebe. 



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— :U2 — 

Ynd hatte wt ^mci Vieronicani 

Dare bradit, also eme wol gezcam. 

Do her vor den keisir ging, 

Tiberius en gar frolichin enphing 1285 

Ynd sprach: j^hastn den mdsür bracht, 

Vf den ich lange habe gedacht?" 

Her sprach: „here, des ir begerit, 

Des meistirs sit ir vngeneiit 

Wan Pilatus vnd di judin han 1290 

Vnschuldiclichin getotit den seibin man 

Ynd habin en an eyn cmzce gehangin 

Ynd da? in grossime hasse begangin; 

Ynd ist obir sy di grosse clage, 

Daz ich daz alliz nicht kaa volsage 1295 

Yon den lutin, di her had gesaut gemacht. 

Eyn wibisnamin hau ich mit mir bracht^ 

Di hat des seibin Jhesus bilde. 

Lassit nch 4i rede nicht wesln wilde! 

Daz had her aelbir vzgeamuckt 1300 

Ynd yon syme antlitze gedruckt 

Des habe ich er mynin eid getan, 

Daz si keynin schadin neme darvon,. 

Daz si mit mir her ist komin. 

Si suUe sin habe -ere vnd fromin 1305 

Ynd in uwirme geleite zcihin hi danniii 

Bi uwir achte vnd bi uwirm bannin. Bl. 25,b. 

Ist daz ir daz bilde ansehit, 

Ynd daz mit ynnikeid geschehit. 

So sullit ir daz irwerhin zcu stunt, 1310 

Daz ir heile w^rdit vnd gesunt. 

Daz wesse si sichirlichin vor war, 

Also had si *gesprochin uffinbar," 

Der keisir hiz sich di frowin bereite 

Ynd liz di wege bebreite ^) 1315 



1289 vngeneret. Vielleicht ist ungewerit zu lesen, 1291 Ynatihuldkli- 
lichin. 1308 dar van. 1304 beer. 1309 gescheit. 
») Vgl, Germania IX,174i 



— 143 — 

Mit sidin tnchirn viid kostlichin gewaoden 

Vnd mit teptin manchir hande, 

Do si daz bilde an dem tage 

Czn em in daz palas solde trage. 

Ker<?zin hiz her enpornin gnug, 1320 

Di man schone vor er trug. 

Gzu hant also her das antlitze gesaeh, 

Vffinberlichin her do sprach: 

„Jhesüs, gotis son, irbarme dich 

Doirch dine togunde obir mich! 1325 

Also du obir manchin man 

Vf dessir erdin hast getan 

Vnd mache mich nu ouch gesunt!* 

Sehit, do vilin eme zcustunt 

Di schupifl von sime libe. • 1330 

Her nam daz bilde von dem wibe Bl. 26,a. 

Vnd druckite ez vndir sin antlitze. 

Do quam eme eyn sweiz vnd eyn hitze 

Vnd gesuntheit obir alle sine licham. 

Er dann« her ez y dar von genam, 1335 

So sagite Volusianus di mere, 

Wi ez vmme Jhesum Kristum were. 

Wi her von den judin were gestorbin, 

Vnd wi Veronica hette irworbin, 

Do her noch was an sime lebiu, 1840 

Daz er daz bilde wart gegebin. 

Dar nach obir etliche tage 

Quam vor den keisir der judin clage, 

Wi en Pilatus tede bedrängt) 

Vnd legite an si grossin getwang. 1345 

Daz sin gnade en wolde wandil tu 

Vnd gnediclichin en ratin dar zcu. 



1825 toginde. 1330 schupe; vgl Germania IX, 178. 1842 egliche oder 
igliche (?). 

*) 8t. m.; vgl. RZV. 88 f.: 

„wanne dit houbit werdit kräng, 
so hdin di armin groBzin bedräng.^ 
Weitere Belege finden sich Germania IX, 175. 



— 144 — 

Erin briflf her do uf brach: 

Dar ane her beschrebin sach, 

Wi her ez hatte angefangin 1350 

Vnd mit en vmme hatte gegangin. 

Do wart her vor grossime wundir stum 

Vnd gar czornig nf Pilatuin, 

Der sogetane schalgheit hatte begangin . 

Vnd Jhesum ynsehaldiclichin gehangin, 1355 

Der den lutin allin nutze was. Bl. 26,b. 

Vnd ted daz ymme der jadin haz 

Vnd Yorterbite also daz romisch gerichte 

Vnd machte ez onch gar zca nichte 

Vnd ted den judin wedir recht vordriz 1360 

Vnd wedir willin vmme sinin geniz. 

Pilatus wart her zca male gram. 

Her begabite do Veronicam 

Mit kleynotin vnd mit gewande 

Vnd mit friheitin manchirhande. 1365 

Geldis des enwolde si nicht, 

Her hette si andirs do ussgericht, 

Daz si were wordin geriche ^) 

Vnd si geholfin hette ewicliche. 

Her liz si do sine eigin man 1370 

Von Bome geleitin bi sime ban 

Obir mer biz kegin Jherasalem. 

Si was eme gewest gar genem, 

Vnd hette si gerne bi eme behaldin 

Mit deme bilde, den lutin zcu saldin ^): 1375 

Do wolde si zcu Bome nicht blibin. 

Eynin briflf liz her Pilato schribin, 

Daz her zcu stunt zcu Bome queme, 

Wann her sinin briflf vomeme. 

Mit sinin mannin, di her hatte gesant, 1880 

Di Veronikin brachtin in er laut. 



1355 ynschuldichlichin. 1369 gehulffin. 

*) adj.-dines; vgl. Germania IX,175. *) Vgl. S. 41 und Germania VI, 
278; IX, 177. 



— 145 — 

Indes so quam alerst Alban 

Von dem forstin Vespesian, 

Den der wint hatte vorslagin Bl. 27,a. 

Vf deme mere, vnd begande sagin, 1385 

Wi en der richtir Pilatus 

Mit sime briffe hette gesant yz. 

Do her vor den keisir quam 

Vnd den brifif von eme genam 

Vnd mit flisse den obirlas, 1390 

Waz daran geschrebin was, 

Do sprach her: ,, Pilatus had bekant, 

Darumme ich nach eme habe gesant. 

Ich finde beschrebin an dessir stad, 

Waz mir Veronica gesagit had 1395 

Vnd ouch myn dynir Volusian. 

Di rechtin worheit ich nu han/ 

Pilatus torste nicht lange beite, 

Her muste zcuhant werde gereite 

Vnd mit des keisirs dinirn varin 1400 

Eegin Bome schiffin, di do warin. 

Also dit nu also irging, 

Der keisir en do nicht enphing, 

Sundirn liz do also balde 

Daz gerichte obir en halde. 1405 

Di judin do obir en clagitin 

Vnd vele vntad von eme sagitin. 

So vorczalte ouch Volusian, 

Waz her wedir Jhesum hatte getan. 

Do wolde en der keisir lassin totin. 1410 

Do wart eme daz irworbin notin, Bl. 27,b. 

Daz man en solde sende 

Kegin Lugdunum in daz endende. 

Da was her vor wol bekant, 

Vf daz her do mer worde geschant. 1415 

Ez geschach noch Eristi gebort zcwar, 

Do man schreib nuenvnddrissig iar, 



1382 al e'st. 1385 begonde. 1399 gereite. 1410 wulde. 1413 lugdm^ 
Heinrich, Studien zu Johannes Rothe 10 



— 146 — 

Daz Pilatus, von Poncien genant, 

Wart in daz enelende gesant 

Von deme keisere Tiberio. 1420 

Des wordin di judin alle fro, 

Dy zcu Jherusalem warin, 

Daz si des richtirs vnd sckalkis enparin. 

Do her von Jherusalem was komin, 

So wart eme alle sin gud genomin 1425 

Biz uf di kleidir, di her ane trug. 

So hatte her nicht zcu czerne gnug, 

Wan her sich des nicht vorsach, 

Daz eme do zcu Bome geschach, 

Daz man en wolde sende 1430 

Mit armute in daz enelende. 

Do leit her hungir vnd ^maclit^). 

Sinir herschaft wart wenig geacht, 

Di her vor hatte getrebin, 

Di sinin alle hindir eme blebin. 1435 

Do ging her in armute vnd in nod, 

Daz man eme gebin muste daz brod, Bl. 28,a. 

Wan her künde nicht irwerbe 

Vnd muste vorsmachtin vnd vorterbe. 

Do her eyn jar do gewas, 1440 

Also daz her kume do genas, 

Do quam der forste Vespesian 

Kegin Bome, also ich vornomin hau, 

Geczogin vz welschin landiu 

Vmme sache, di her hatte vorhandin 1445 

Vz zcurichtin vor deme keisere. 

Vndir andirn dingin lobite her en sere, 

Daz her were wordin gesunt. 

Der keisir der ted eme daz kunt, 

Wi em dar zcu were geschehin, 1450 

Daz her eyn bilde hette gesehin, 



1423 enporin. 1450 gesehen. 

') 8t. n.; vgl. Germania VI, 60 und IX, 178. 



- 147 -■ 

Vngemalit vnd vngeferwit . . -0 

„Daz had Jhesns, der grossir prophete, 

Den daz judische volg vorsmete, 

Vnd Pilatus obir en richte, 1455 

Ane schult, glich eyme bosin wichte, 

Daz her wart an eyn cruzce gehangin, 

An sin antlitze gedruckit vnde an sine wangin, 

Daz ez sine gestalt had eigintlich. 

Daz bilde had geholfin mich, 1460 

Daz ich ez vndir myn antlitze druckite. 

Minin licham ez zcuhant smuckite 

Czu gesuntheid, daz ich sin enczub. Bl. 28,b. 

In froidin sich myn hercze irhub. 

Di frowe Veronica hiz, 1465 

Daz bilde si nicht hy liz. 

Si had ez wedir zcu er genomin 

Vnd ist wedir zcu Jherusalem komin." 

Do begunde Vespesianus iehin: 

„Here, mir ist des glichin geschehin. 1470 

Pilatus böte, genant Alban, 

Der hatte eynin schifbruch getan. 

Wan der wint hatte en vortrebin, 

Daz her uf eyme sandwerf*) was blebin. 

Daz ^ngewettir was also gross, 1475 

Daz her zcu vnsir stad floz 

Vnd muste mit sime schiffe blibe. 

Do greif ich enie zcu deme libe 

Vnd wolde en behalde zcu eigin. 

Do begunde her bezceigin, 1480 

Daz her were zcu uch gesant 

Vnd hette di botschaft nicht geant, 

Sundirn begunde des sere clagin, 

Daz en der wint hette vorslagin. 

Do fragite ich en gar schere, 1485 



1457 ozniooO). 1458 ane. 1460 gehulffin. 1464 froudin. 1469 begonde. 
1482 die. 

*) Der Reimvers fehlt. ') st.m. = Sandbank; vgl, Germania IX, 178. 

10* 



— 148 — 

Waz dan sin botschaft were. 

Do sagite her mir zcahant alsus: 

Von Jherusalem Pilatus 

Hette en mit syme briflf dar 

Gesand — daz were sichir war — 1490 

Vmme Jhesum, den prophetin, Bl. 29,a. 

Den di judin vorsmetin, 

Vnd di liste irdachtin, 

Daz si en zcu dem tode brachtin, 

Vnschuldiclichin an sinin dang, 1495 

Der allin den half, di do warin kräng, 

Daz si gesuntheit irworbin; 

Vnd eczlichin, di do warin gestorbin, 

Solchin trost had gegebin, 

Daz si wedir enphingin daz lebin. 1500 

Do ich gehorte desse mere, 

Do irschrag ich er gar sere; 

Wan ich hatte hoffenunge dar zcu, 

Daz her mir uuch solde holfe tu 

Vnd begunde daz bi mynir nasin spreche, 1505 

Ich wolde sinin tod reche. 

Ab uwir gnade mir des gunde. 

So ich allirerst daz getun künde. 

Czuhant also ich daz wort gesprach, 

Eyn zceichin do von eme geschach. 1510 

Di vespin vilin vz der nasin myr 

Vnd wart von mynir krangheit schir 

Czu den seibin stundin 

AUir dinge enpundin. 

Ach, libir here, solchin gebrechin 1515 

Lassit vns an den judin rechin 

Vnd euch an deme richtir Pilato, 

Der des vorfolgit had also!** 

Tiberius sprach: „also du hast gesprochin. 

So ist ez an Pilato gerochin. Bl. 29,b. 1520 



1495 Vnschuldichliohiii. 1500 ephingin (!). 1503 huffenüge. 1505 he- 
gende. 1510 zcichiD. 1515 lieber. 



— 149 — 

Den habin wir in daz enelende gesant, 

Do hene in Burgundienlant.* 

Vespesianus sprach: „here myn, 

Daz ir vmmir selig mussit sin! 

Eyme solchin bosin lestirlichin man 1525 

Deme snllit ir lassin legin an 

Eyn bosin snodin ierairlichin tod, 

Der Jhesum an had gelegit nod, 

Vnd en iemirlichin vorterbit had * 

Ane schult vnd ane missetad." 1530 

Der keisir sante botin do hen 

Czu Pilato in Vihen, 

Daz man en solde lassin sterbin 

Vnd eynin schemilichin tod irwerbin. 

Also nu di botschaft do hene quam 1535 

Vnd Pilatus daz vornam, 

Daz ene worgin solde daz vngemach. 

Mit sime messir her sich selbir irstach. 

Obir sich selbir her also richte 

In der lute angesichte. 1540 

Di botin quamin wedir zcu Borne do 

Vnd sagitin deme keisir also 

Vnd deme forstin Vespesian, 

Waz Pilatus eme selbir hette getan. 

Do sprach der keisir: „werlichin! der tod 1545 

Ist schemilichir danne keynirlei nod, 

Wan eynir selbir obir sich rieht 

Vnd vmme sine eigin bosheit irsticht. 

Wi mochte vf dessir erdin Bl. 30,a. 

Vmmir bosir tod werdin!'^ 1550 

Do Pilatus was gestorbin^) 
Vnd hatte eyn bosiz ende irworbin 
Vnd sich selbir libelos getan, 
Do warf man en in den Rodan. 



1537 wügr. 

*) Zum folgenden vgl, S, 86: „Das Schicksal der Leiche des Pilatus* 



— 150 — 

Daz ist eyn schifrich^) wassir groz. 1555 

Sinir bosheid her genoz, 
Daz en nymant begrabin wolde. 
Ood ez onch nicht habin wolde. 
Eyn grossir steyn zcn den stnndin 
Wart eme an den hals gebundin 1560 

Vnd wart do in daz wassir gesenkit, 
Also man dibe vnd schal ke irtrenkit. 
^er bosin geiste qnamin zcn eme vel 
Vnd trebin gar wnndirlichiz spei. 
Daz böse vorworfin gesinde 1565 

Daz frowite sich sinir bosheid swinde. 
Mit dem snndigin lichamin si spelitin, 
In dem wassir si en qnelitin. 
Icznnt si en nfnamin, 

In di lüfte si mit eme quamin 1570 

Mit eyme grossin schalle 
Vnd lissin en dan in daz wassir valle, 
Daz man ez gar wite horte. 
Dit brachte di Inte sere in forte, 
Di bi deme wassir warin gesessin, 1575 

Wann dessiz spei was vngemessin. 
Groz vngewettir dar nfe wart, 

Daz ez sere hindirte di vart, Bl. 30,b. 

Di schiffe di gingin vndir. 

Man sach domfe grossiz wnndir 1580 

Von donir vnd von blicke, 
Daz di geiste begunde schicke. 
Der schiffe vel vorsnnkin, 
Der lute vel darumme irtmnkin. 
Daz fuer nf derae wassir brante, 1585 

Dar vone man gar wol irkante, 
Daz ez Pilatus schnlt were, 
Daz si geplagit wordin so sere. 
Den bosin licham den^) vorfluchtin 



») Vgl, Oermania VI, 62 und IX, 178. «) der. 

1558 wulde. 1565 vorwurffin. 1566 frouwete oder frouwett. 1582 be- 
gonde. 



— 151 — 

Si in deme wassir also lange suchtin, 1590 

Biz daz si en dar inne fundin. 

Den namin sy do zcu den stundin 

Vnd meyntin, si woldin sin los werdin 

Vnd begrubin en tif in di erdin 

Vnd trugin dar uf grosse steyne 1595 

Vnd meynitin, si werin sin los reyne. 

Doran warin si sere betrogin. 

Di steyne also wit do flogin, 

Also di velt warin dar umme 

Vnd hortin do also iemirliche stymme, 1600 

Also sy noch ymir hattin vornomin, 

Sedir si zcu der werlde warin komin. 

Der hagil slug en al er kom, 

So warin alle ere fruchte vorlorn, 

Was darumme was gelegin, 1605 

Daz bleib als gar vndir wegin, 

Daz wettir ez also, vorterbite, 

Daz man nicht nutzlichis erbite. Bl. 31,a. 

Do des di lute abir enzcubin, 

Czuhant si en do wedir vzgrubin, 1610 

Vf daz si vor eme mochtin genesin. 

Do was her gancz vnd vnvorwesin. 

Dit was gesehen zcu Losannen. 

Den vorfluchtin licham furtin si dannen, 

Wann si mit eime grossin schadin 1615 

Sere mit eme warin beladin. 

Her wart do zcu der seibin zcid 

Von en gefurt gar wid, 

Vf daz der tufil mit sime getrete ^) 

Den lutin nicht grossin schadin tete 1620 

An erme vihe vnd an erin eigin libin 

Vnd fruchte vnd obiz en mochte blibin, 

Di en darvone storbin 



1594 die. 1597 Dor ane. 1602 wer'lde. 1609 enzcübin (: vzgrobin). 
*) Vgl. RSp V. 1601 getrete (iplanete) und Germania IX, 176. 



— 152 — 

Vnd mit eynandir vortorbin. 

Si getorstin en in keyn wassir me 1625 

Werfln. nu lid eyn tiflr se 

In deme wildin geberge — 

Do ryd en hen eyn ferge — 

Vf eyme berge, der gar hoe sted, 

Eyn Strasse do bynebin ged, 1630 

Pobir Kostnicz zcwo mile adir dri, 

Do mag der selbe tich sy. 

Si woldin en nicht werfin in den Byn, 

Sundirn do seibist worfin si en )m. 

Hettin sy en in den Eyn geworfin, 1635 

So were in stetin vnd in dorfin 

Den latin grossir schade gesehen 

Vnd were manig schif ouch vndirgegen Bl. 31,b. 

Und uf deme Kyne vortorbin 

Vnd manig mensche gestorbin, 1640 

Daz dar nfe solde varin. 

Dit daz woldin si na bewarin 

Vnd worfln en in den wildin se, 

Den man sehit uf dem berge ste, 

Vf daz her keynin schadin na 1645 

Den lutin^vort me mochte getu. 

In dem seibin se her noch lid 

Vnd gelegin had biz uf desse czid. 

Do tribit der tafil noch mit eme wnndir, 

Her furit en uf vnd senkit en vndir 1650 

Vnd macht dicke eynin grossin nebil 

Vnd stinkinde luft also von sweviL 

Des nachtis man farige flammin sehit, 

Des tagis ouch rouch darvzjgehit. 

Dit geberge vnd ouch dessin tich 1655 

Besitzit der herczoge von Ostirrich, 

In des lande her ist gelegin, 

Obin bi dem Byne höre ich segin. 

Also Pilatus dar ynne gelag, 



1626 See. 1628 ryd. 1643 see (rstee). 1647 sehe; leid. 1649 nach. 



— 158 — 

Manchis getrognissis der tnfil phlag. 1660 

Wer bi den tich do hene ging, 

Deme wedirforin ebintnrliche ding. 

Eczliche do er synne vorlorin, 

Eczlichin begunde her sich nffinbarin 

Also eyn schoniz wip noch erme gednnkin^ 1665 

Vnd brachte si darin, daz si ii-trunkin. 

Eczlichin irschenin do grosse vische Bl. 32,a. 

Vnd wan her di danne wolde irwische, 

So vil her darin vnd irtrang. 

Eczliche lute di wordin do kräng, 1670 

Daz si snchiltin biz an er ende. 

Des tufils liste sint gar behende. 

Wer danne des tichis wassir bewegite 

Adir etwaz darin legite, 

Lussin^), rusin, hamin adir garn 1675 

Noch den vischin, di darinne warn, 

Der nam schadin also balde. 

So hnb sich dan in') dem walde 

Donir, blick vnde grossir regln, 

Daz dy Inte, dy der Strasse phlegin, 1680 

Dicke vortorbin von dem wettir. 

Dy fruchte darvmme wordin schettir *), 

Daz von deme seibin tufilischin plagin 

Dy lute uss den dorfirn czogin 

Vnde lissin lin den ackir vnde daz erbe 1685 

Vnde woldin sich nicht lassin also vorterbe. 

Do der herczoge von Osteriche dyt gesach, 

Daz also gross schade den lutin geschach, 

Do gab her daz gerichte dorch god, 

Do dy lute ynne ledin solche not, 1690 

Vnde liss eyn klostir schone vnde nuwe 

Na by den seibin berg buwe. 



3660 8t. n» = deliramentum; vgl. Germania IX,176. 1664 begonde. 
1669 Si(!). Uli 8uchelen,8w.v,^ kränkeln; v^/. Geniiania IX,179. ]676Yara(!). 
1690 Bulche. 

*) Eine Art FUchemetz; vgl. Germania IX, 177. ■) Hier beginnt der 
3, Schreiber. ') adj, = dünn^ mager ^ mangelhaft; vgl. Germania IX, 178. 



— 154 — 

Do dy monche sol(Jin ynne 

Tag vnde nacht nichtis mer beginne 

Den stetiglichin yn gotis lobe steen, 1695 

Ab daz vngewettir da wolde vorgen^). 

Also gehorin dy seibin lute . Bl. 33,b. 

Czu dem clostir noch hnte; 

Abir sy Tjiussin den ticji habin yu hüte, 

SuUin yndy fruchte komin czu gute, 1700 

Dy en wachsin uf dem felde. 

Ez begynnit sich gar schere melde, 

Wan man yn den tich werfit eyn steyn, 

Her sy gross adir sy kleyn, 

Adir myt.ichte dar yn sleet: 1705 

Eyn stormwettir danne geschiet 

Vnde also gross vnfur, 

Daz ez en vorterbit den flur, 

Vnde waz ist by eynir myle darvmme, 

Daz syt man alliz swumrae. 1710 

Daz wettir grossin schadin brengit. 

Dit got alliz vmme Pylatum vorhengit, 

Vf daz wyr irkennin da by, 

Wy böse eyn snodir richtir sy. — 

Vespesianus was gar eyn toginsamir man, 1715 

Also ich von em gelesin han. 

Von den Eomirn wart her uss gesant 

In dutsche vnde yn welsche lant. 

Wedir dy begunde her stritin 

Zcwei vnde drissig mol czu den geczitin, 1720 

Daz her en alle czyt angewan^) 

Vnde machte sy den Bomirn vndirtan. 

Den Bomirn her grosse ere irwarb. 



1693 sulden. 1695 schteen. 1701 od. 1704 kleyne. 1705 schleet 
.(•.geschyet). 1708, 1716, 1721 on; om. 

*) Die nächsten beiden Seiten der hs. sind vom Schreiber- versehentlich 
leer gelassen worden. Auf Bl. 32 ^a unten findet sich die hierauf bezügliche 
Bemerkung: Verte duo folia. ■) Vor „«rngewan* steht noch jbOii.** 



— 155 — 

Biz daz der keysir Glaudins gestarb. 

Do czoch her kegin Borne sedir 1725 

Vnde wart da uss gesant wedir 

Vf dy judin in daz lant Judeam. 

Vmrae dy martyr Kristi nu daz qnam. Bl. 34,a. 

God hatte en subinzcig jar gegebyn 

Noch Kristi tode, daz sy er lebin 1730 

Bessir soldin vnde ruwe gewynnin 

Vnde ere sunde neme czu synnin, 

Daz sy todtin den vnschuldigin man, 

Dy zcwene Jacobi vnde Stephan 

Vnde vnsirn herin Jhesum Krist, 1735 

Der en von gote gesant ist, 

Dem sy ane legitin martir gross 

Vnde lissin Barrabam den mordir los. 

Dyt beweynte obir sy Kristus, 

Da her obir sy daz clagite alsns 1740 

Vnde sprach: „Ach, wustu daz dich obirgeet! 

Keyn hus yn dynir murin besteet, 

Keyn steyn uf dem andirn blibit, 

Grossiz jamir daz folg den tribit.*' 

Wan an dem heiligin ostirtage 1745 

Quamin dy judin, nach der buchir sage, 

Czu Jherusalem uss allin stetin 

In den tempil nach erme setin, 

Daz sy daz fest begyngin dar ynne. 

Nu quam noch dem seibin synne 1750 

Vespesianus vor dy stad 

Vnd brachte der Romir myt em sat 

Vnd belag dy judin, daz sy nicht kundin 

Her uss komin czu den stundin. 

Do login sy vor, daz ist war, 1755 

Volliglichin wol dry jar, 

Er Man sy ez da gewunnin. 



1729 BuczigO). 1730, 1732, 1736' or; ore; on. 1731 gülden. 1735 
▼nssen. 1737 leytcn. 1742 bescliteet. 1745 heilgn; vgl. „heiligin** Akr. 23. 
1752 om. 1755 wor. 



— 156 — 

AUiz judischiz lant sy dorch runnin Bl. 34,b. 

ünde vorterbetin ez ^) al di wile gar. 

Vespesianus, der herczoge, wart gewar, 1760 

Da Josephus, der judin houbitman, 

Hatte syne flucht eruss getan, 

Dy seibin stad her ouch belag 

Also lange biz uf eynin tag, 

Daz sy dy ßomir irstegin 1765 

Vnde Josephum dar ynne irkregin: 

Den brachte man yn daz her gefangin, 

Den wolde Vespesianus habe gehangin. 

Do sagite em Josephus dy mere, 

Daz her eyn czukunftigir keisir were. 1770 

Daz solde her irfurin alczuhant 

Vnde ted em vel fromdis dingis bekant. 

Dar vmme so behilt her daz lebin 

Vnde wart fry vnde ledig gegebin 

Indes Claudius der keysir starb, 1775 

Gaba vmme daz riebe warb. 

Der wart czuhant czu Bome irslagin 

Darnach quam Otto yn firczig tagin; 

Der totte sich selbir, do quam alsus 

Eyn andir, der liiss Vitellius. 1780 

Der horte sagin, daz dy romischin man 

Vor Jherusalem korin Vespasian. 

Den woldin sy habe czu eyme keyser. 

Daz was Viteliio czu Eome swer 

Vnd wolde daz riebe begebin h'an; 1785 

Daz wedirrytin eme syne man. 

DaiTmme vorfolgite her alczuhant 

Vespesianus brudir, Sabin genant. Bl. 35,a. 

Den jagite her uf daz ralhus do 

Vnd bisch holcz vnde stro 1790 

Vnde vorbrante sy also gar myt ere habe, 



1760 gewor. 1761 heutman. 1763 auch. 1769, 1772 om. 1770 hee. 
1771 Bulde. 1788 wuldin. 1786, 1798 ome; on. 1787 vofulgete. 1789 he; 
rathuez. 1791 orre. 

^) vorterbeteiss. 



— 157 — 

Daz man sy ny doiffce begrabe. 

Do czoch Vespesianus von danne 

Eegin Borne myt eczlichin synin mannin 

Vnde irfur, daz do alczuhant 1795 

Vitellius synin brudir hatte vorbrant 

Vnschuldiglichin, sjmir ere vnbewart. 

Do begreif her en uf der fart 

Myt allin den synin czu den standin. 

Den wordin dy hende feste gebundin 1800 

Vnde schentlichin gefurt obir den mart. 

Myt gabiin vnde hakin man sy gar hart 

In dy Tybir (sy) vorsenkite 

Vnde uffinberlich irtrenkite. 

In daz mer sy do flossin, 1805 

Er vntruwe sy genossin, 

Daz sy onch myt erin libin 

Vnbegrabin mustin blibin. 

Also bleib do czu Eome Vespesian. 

Syn son Tytus nam sich des heris an, 1810 

Daz vor Jhernsalcm noch lag, 

Vnde grossir vnmyldikeyt do phlag. 

Keynin her gefangin nam, 

Got wolde daz her en were gram. 

Daz selbe clagite her sere, 1815 

Daz syn gemute en also harte were, 

Daz her er nicht geschonin künde. Bl. 35,b. 

Wi obile her en des schadin gande 

Vnde her ere gnade wolde tu, 

So woldin sy sich nicht ^chickin darczu, 1820 

Vnde wan her en bod den frede. 

So woldin sy nicht darvmme rede. 

Vespesianus dy wile zu Bome was. 

Den keysirstul her do besass 

Vnde hub daz rathus czu buwin an 1825 



1792 nye. 1805 meer. 1807 auch. 1807, 1814, 1816 oren; on. 1810 
heeres 1814 wulde. 1818 Wie. 1818, 1819, 1821 onf ore. 1819, 1820, 
1822 wulde; wulden. 1824 keysers schtol. 1825 rathues. 



— 158 — 

Also der stad eyn getmwir man. 

Daz Capitolium ist ez genant^ 

Eyn houbitsloz obir alle lant, 

Dy nf ertriche 'ergin warin, 

Wan sy dintin darufe yn den jarin. 1830 

Keyn hns was euch uf ertriche, 

Daz eme mit richtnm were gliche. 

Her was onch also togintsam, 

Daz her sinis findis tochtir nam. 

Der eme synin brudir hatte gebrant, 1835 

Vitalins tochtir vorgenant, 

Vnde gab dy nss eyme richin herin 

Myt syme eigin gute, myt grossin erin. 

Dar nach, also her wart kräng 

Vnde vaste mjrt dem tode rang, 1840 

Also her daz begande enczebe. 

Da hiss her, man solde en nf hebe 

Vnde en also stende halde 

Vnde sprach: „eyn keysir sal des walde, 

Daz her sterbe uf gericht 1845 

Vnd uf der erdin lege nicht." 

Also starb her, vnde dy Romir Bl. 36,a. 

Korin czu eyme keysir 

Tytum, der vor Jherusalem lag 

Vnde des grossin heris pblag. 1850 

Czu Jherusalem in der stad 

Was der fromdin judin sad. 

Vndir den wart gross czweitracht 

Vmme dy spise vnde den trang gemacht. 

Hir usse stormtin sy dy Eomer, 1855 

Dar ynne hattin sy krigis mer. 

Daz blut in dem tempil floss, 

Wan daz mordin daz was vndir en gross. 

Nergin endin was do frede. 



1828 heubtsohlos. 1831, 1833 auch. 1835, 1842, 1843 ome; on. 1842 
Bulde. 1857 blot, 1858 on. 



— 159 — 

Mort vnde brant ging vndir en tnede, 1860 

Dar obir tet en der hungir we, 

Dem yhgemache binde nymant enge. 

Allin enden was forte vnde gescbrey 

Von mannin vnde wibin manchirley. 

Da irkantin sy, daz sy Barrabam lissin lebin 1865 

Vnde Jhesus wart yn den tod gegebin. 

In dem tempil da dy korpir lagin 

Irworgit, irmordit, nss geczogin, 

Beyde von mannin vnde von wibin, 

Vnde stunkin, daz nymant da mochte blibin. 1870 

Nymant sy alle begrabin künde, 

Also vel wart er czu der stunde. 

Der hungir wart also gross dar czu, 

Daz sy frossin er aldin schu, 

Spru, trebir^), vnde waz sy mochtin geban. 1875 

Alrest hub sich er vngemach an, 

Daz man sy warf obir dy murin, Bl. 36,b. 

Dy fromdin borgir myt den geburin. 

Do wart also gross der gestang, 

Daz sy von geruche wordin kräng. 1880 

Josephus der schribit daz, 

Der judin forste, der da by was, 

Daz er obir huudirt tusint storbin tod 

Von hungir, wan sy hattin keyn brod, 

Vnd sechs hundirt tusint wordin irslagin 1885 

Man vnde wybe yn den tagin 

In der stad vnde den gassin, 

Wan sy begundin sich vndir eynandir hassin. 

Er eyn gab es dem andirn schult 

Vnde wordin myt vnbarmherczikeyt irfult. 1890 

Also vel was do totin czu den stundin, 

Daz sy dy nicht begrabin kundin. 

Do wart von en also grossir gestang, 



1860, 1861 on. 1862 engee. 1863 furchte; geschreye. 1872, 1874, 
1876 or. 1874 Bcho. 1880 geroche. 1883, 1893 or; on. 
*) 8t. f.; vgl. Germania IX, 179. 



— 160 — 

Daz dy andim wordin da von kräng. 

Vnde mochtin der nicht gefdrin, 1895 

Sandim worfln sy obir dy stadmnrin 

Vnde Mtin dar mede cre grabin. 

Da Tytus, der herczoge, des hatte enczabin, 

Daz solchir mort geschadi dar ynne, 

Daz bewegite eme syne synne 1900 

Vnde irsufzte dar obir gar jemirlich 

Myt betrupinissc vnde enschnldigite sich 

Vnde hub syne hende kegin dem hymii nf 

Vnde kegin gote, der en schnf 

Vnde sprach: „nymant sal myr daz cznschribe, 1905 

Daz ich vngnade an en tribe Bl- 37,a. 

Vnde wolle en keyne gnode tu; 

Er czweytracht brengit sy hirczu. 

Vnde hettin sy frede gebetin 

Adir czn stritin kegin uns getretin, 1910 

Wir woldin er dy jnngin myt den aldin 

By dem lebin habin behaldin." 

Ez geschach uf eynin tag, 

Daz er funczentusint tod lag 

Vnde eyn vnd achczig vnde dryhundirt, 1915 

An dy ediln, dy da wordin ussgesnndirt 

Vnde yn der stad begrabin, 

Der czal wir nicht nn habin. 

Dy judin, dy dy Romir fingin 

Vnde dy czu en yn daz her da gingin, 1920 

Den man essin vnde trinkin gab 

Vnde en dy gedouete spise ging ab. 

So vant man yn den dreckin 

Edil gesteyne vnde guldin steckin. 

Also man des an en wart gcwar, 1925 

Alle dy zcu en quamin dar. 

Den wordin dy libe uf gesnetin 

Vnde daz golt gesucht nach dem setin. 



1896 wurffen. 1897 ore. 1899 sulcher. 1900, 1904, 1906 öme; on. 
1901 erBufftzte. 1902 enschulgete (!). 1907, 1920, 1922 o,.. 1925, 1926 on. 



— 161 --. 

Alzo quam ez, daz yn eynir nacht 

Zcweitusint wordin czu dem tode bracht^ 1930 

Den man dy Übe begnnde uftrynne 

Vnde suchtin da dy guldin ynne, 

Dy sy yn sich hattin geslnndin, 

Vf daz sy cznhant wordin fundin. 

Er was vel also hungirig, waz sy geassin, Bl. 37,b. 1935 

Daz sy dy masse nicht mochtin gelassin 

Vnde storbin nf der stunde, 

Wan sy dy spise hattin yn dem munde. 

Eczliche warn vorsmacht also, 

Wan sy sahin dy spise, daz si wordin also fro, 1940 

Daz sy vor froidin den storbin, 

Er dan sy dy irworbin. 

Eyne riche frowe was yn der stad, 

Dy hatte gutis vnde geldis sat. 

Wan dy gekoifte er spise ture, 1945 

So künde sy dem folke nicht gesture, 

Ez werde er genomin uss erin hendin. 

Czulest begunde sich ez also wendin, 

Daz man keynirley veile fant, 

Daz czu eynir spise worde irkant. 1950 

Da sprach sy czu erme kinde: 

„Der hungir beginnit mich nu dringe, 

Daz ich nummiir kan gelebin. ^) 

Du must euch nu sterbin, wer begrebit dich? 

Bessir ist ez, daz du komist yn mich/ 1955 

Also ted sy er ougin da czu 

Vnde todte erin son nu 

Weyninde also her daz gerit 

Vnde kochte dar von vnde brit 

Vnde ass sin mit grossira leyde 1960 

Eyn teyl myt den yngeweyden 



*) Der Reimvers fehlt» 

1989 vorschmaacht (!). 1941 freuden. 1942 erwürben. 1943 frauwe 
1945 gekaufifte. 1945, 1947 or; orin. 1948 Czu letcz. 1951 orme. 1954 aach. 
1955 klimmest. 1956, 1957 or; orin. 1957 thodte. 

Heinrich, Studien zu Johannes Rothe 11 



— 162 — 

Vnde beMlt daz andir üf den czukanftigiii tag, 

Daz sy abir dar von hette erin gesmag. 

Daz haldin vmme sust do was, 

Der gernch der melte daz. Bl. 38,a. 1965 

Dyt vor der judin forstin quam, 

Dy rettyn dar vmbe also en geczam 

Vnde sprachin, wo den sy were beratin, 

Daz sy fleysch nu hette gebratin 

Vnde si mustin fastin vnde smachtin 1970 

Vnde stetlichin uf er were trachtin. 

Si solde en euch gebe czu den stundin 

Der spise, dy sy hette fundin. 

Sy sprach: „habit nicht vor obil myr daz, 

Ich habe der spise, dy ich ass, 1975 

Vwir teyl nach behaldin 

Czu mynin grossin vnsaldin. 

Ich wel uch an mynin tisch setzin 

Vnde uch myt mynir spise irgetzfn. 

Nu essit eyne haut adir eynin fuess, 1980 

Sint daz ich uch mede teylin muss, 

Daz uss raynem Übe ist geborn, 

Myn eyngia kint han ich verlorn, 

Vf daz ich behilde mynin lib 

Eyne kleyne czit, ich vnseligiz wip." 1985 

Also man schreyb nach Kristi gebort 

Sechs vnde sebinczyg jar, han ich gehört, 

Da gewan Titus Jherusalem dy stad, 

Dy sich selbir vorterbit hat. 

Do wordin der judin forstin gefangin 1990 

Vnde dy quamin vor en gegangin 

Vnde batin, daz her en gnode tete. 

Er bete Tytus da vorsmete, 

Wy senftmutig her eyn man was. Bl. 38,b. 



1962 czukuntigen(!). 1965 geroch. 1966 den. 1967 on. 1970 bu. 1971, 
1972 or; on. 1972 sulde; auch. 1973 sye. 1978 an fehlt, 1982 myne. 
1991, 1992 on. 1993 beete(!). 1994 senfftmotigk. 



— 163 — 

Dyt daz tet her vmme daz, 1995 

Daz her gerne hette frede gegebin, 

Daz dy lute hettin behaldin er lebin, 

Woldin sy den Romirn habe gehult. 

Des woldin sy nicht; daz was er schult. 

Dar vmme dy räche an en geschach. 2000 

Den tempil Salomonis man czubrach 

Ynde man nam dar nss alliz, daz man fant. 

Jherusalem wart da vorbrant 

Vnde reyne verstört vnde czubrochin, 

Also Kristus vor hatte gesprochin; 2005 

Vmme daz sy den nicht hattin irkant, 

Der en von gote wart gesant. 

Dy heyligin fromin yn den jarin, 

Dy czu Jherusalem wonh?iftig warin, 

Den sante god daz yn ere synne da, 2010 

Daz sy quamin yn ein sloss, hiss Pella. 

Do blebin sy ynne myt gemache 

Vnde warn vnbekummirt myt dossir sache. 

Dy pristir, dy desse zcweitracht 

Vndir dem volke hattin gemacht, 2015 

Dy lyss her dar nmme totiu 

Vnde irslaen vnde teigin yn grossin notin. 

Da wordin yn den dren jarin 

Gestorbin vnde irslagin^) uffinbarin 

Zcen mal hnndirt tusint vnde mer 2020 

Noch der aldin cronikin 1er. 

So fürte man gefangin von dan 

Sobin vnd nunczig tusint man. Bl. 39,a. 

Dy wordin vorkoift yn dy laut 

Vnde wordin allin endin hen gesant, 2025 

Vnde do drissig judin myt lib vnde lebin 

Vmme eynin grossin phennyg gegebin. 



*) Es folgt noch : also daz. 

1995 det. 1997, 1999 or. 1998, 1999 Wulden, wulden. 1998 gehollt. 
2000, 2007 on. 2008 heylgin; vgL V. 1745. 2020 mere (:lere)V 2021 kro- 
nikin; vgl. V. 769. 2023 Über das thüring. sobcn vgl Weinh. § 336,7. 
2024 Yorkauift. 



— 164 — 

Also man Kristum vmme drissig phennyge gab, 

Also nam der kouf nn wedir ab, 

Daz nn von den seibin schnldin 2030 

Drissig jndin eynin phennyg guldin. 

Dar vmme ist er also vel do gewest, 

Daz sy begyngin er ostirlichiz fest 

Ynde mnstin alle da hen komin, 

Also ir vor wol hat vornomin. — 2035 

Nach synis fatir tode Tytns 

Wart czn eyme keysir gekorn alsns 

Vnde richte nicht lengir den dry jar 

Vnd knnde Krigisch, Latin vnd Ebrehemsch gar 

Vnde was also togintsam genant, 2040 

Daz man zcu Rome synin glichin nicht fant. 

Vmme synin tod betrubitin sich also ser 

Alle edil vnd wise Romer, 

Alzo ab sy alle werin wordin czn weysin, 

Wan her was gar trostlich yn den reysin 2045 

Vnde alliz, daz do was betlich. 

Des geczwigite her dy Inte stetlich 

Vnde sprach, daz nymant myt leyde 

Solde von eyme keysir scheyde. 

M3rt tognndin hat her daz geant, 2050 

Daz her vor synin vatir werdit genant. 



Vnsers hern^) Jhesu Christi lidin sy yn 
vnsem herczin^). 



*) he'n. *) herczn. 

2029 kauff; abe. 2031 gülden oder golden? 2032, 2033 or. 2033 t?^/. 
„ostirlichin" Akr. 23. 2034 kummen. 2042 betrobeten. 2049 SrMe. 2050 
togenden. 



Anhang. 



I. 

Cod. Heimst. No. 185 der Herzogl. Bibliothek zu Wolfen- 
büttel: Vita Judae traditoris (Bl. 215, b,ß— Bl. 217,a,a)i). 

Cvnctornm veterum placnere poemata multum, 1 

Nunc nona scribentem pl^bs irridet quasi stultum, 
Divicie modulis musarum preualuere, 
Nemo placet populis, nisi quisquis habundat ia ere. 
Vnde satis vereor, iam cum noua metra propino, 5 

Inuidus irrisar me mordeat ore canino. 
Vna tamen vires scripture res mihi prestat, 
Quad sanctos eciam repröborum lingwa molestat: 
Jeronimus pater egregius triplex ydeoma 
Nouerat et nobis doctrine misit aroma; 10 

Non timuit liuor huic obuius ire magistro, 
Latratu lacerans illius scripta sinistro. 
Talibus exemplis firmatus, carbasa ventis 
Exponam. Faueat mihi virtus omnipotentis! 
Eem referam gestam, que non est cognita multis. 15 

Obsecro vos, socii, carmen qui discere vultis, 
Quod, si pars operis vobis non vera videtur, 
Non mea sed primi culpa scriptoris habetur. 
Non ego materiam nugaci pectore finge, 
Sed mihi narratam puerili carmine pingo. 20 



*) Für die freundliche Unterhtützung heim Lesen und Emendieren des 
schwierigen lateinischen Textes sage ich Herrn Qeheimrat Prof, Dr, Vogt \Mar- 
hurg\ Herrn JProf. Dr. Kalbfleisch {Marburg) und Herrn Oberbibliothekar Prof, 
Dr. Milchsack (Wolfenbüttel) auch an dieser Stelle meinen Dank, 

5 propono. 6 mordet. ♦ 



— 166 — 

Forte Buben dictns vir in vrbe manebat Ebrea, 
üxorem ducens, cni nomen erat Cvborea. 
lUa cnbans thalamo prenidit plena timore 
Sompnia, qae sponso pauido dennnctiat ore: 
„Heu mihi! me vidi natnm peperisse nephandnm, 25 

Quo genus Ebreum sit honore suo spoliandum." 
Hijs dictis mestus respondit voce molesta 
Et monet, ut taceat, ne res fiat manifesta. 
Infans concipitur; mater ventrem grauidatum 
Comperit et certo producit tempore natum. 30 

Quem calato claudunt illius vtrique parentes, 
Demergunt freto, prosagia visa timentes. 
Bomulus in fluuium positus fuit ipse Bemusque, 
Dicitur, et veniens fit lupa nutrix vtriusque. 
Stulta parens, frustra temptans submergere prolem, 35 
Qui faciat verum morti succumbere solem! 
Quid Thetidi prodest natum zelare tenellum, 
Qui Troyam degestus agat laudabile bellum? 
Consilium superum non euitabile durat, 
Est ratum quicquid fatorum sanxio iurat. 40 

Vas uatat in terram, Scharioth cui nomen inheret, 
Cuius regina, cum nuUum pingnus haberet, 
Vas vidit nimioque fuit percussa timore 
Edueique iubet infra spacium breuis höre. 
Fluctibus equoreis extractum vas aperitur: Bl. 216, a, a. 45 
Pulcher et insignis infans in eo reperitur. 
Quem regina iubet sibi clam pro tempore pasci 
Atque fatetur eum proprio de corpore nasci. 
Sic aluit quondam pastorum prouida cura 
Inuentum Paridem, Troia quo fuit peritura. 50 

Bex ouat et cuncti letantur regis amici 
Totaque congaudet regio false genitrici. 
Nomine de terrae nomen puero geminatur, 
Nam Judas Schorioth scriptura teste vocatur. 



21 Sorte. 23 cubes. 27 rndit vir vooe. 29 grauidatä. 82 Demer- 
gentes. 37 prodest fehU, 88 troye gestus. 40 yatorum. 41 intcrea. 45 Flucti- 
bus Cis'rcis vas extraotum. «52 geniti. 



— 167 — 

• 

Interea coninnx concepit regia molem 55 

Ventris; et eflfudit maturo tempore prolem 

Barbarij sexas, cui Judas associari 

Cepit; et assiduo pnerum fecit lacrimari. 

Vnde dolet genitrix et Judam verbere mactat 

Et non esse suo genitum de corpore iactat. 60 

Erubuit Judas, et turbatns vehementer, 

Legitimam regis sobulem necat ense latenter. 

Qui modo leticiam cordi dederat puerorum, 

Nunc in tristiciam risnm connertit eorum. 

Hec vir neqniciae Judas preludia gessit. 65 

Occidi gladio metuens a rege recessit. 

Jerusalem veniens cepit seruire Pilato: 

Congruit ille cliens sceleratus liero scelerato. 

Seruum vir reprobus letatur habere scelestum, 

Et seruum dominus honestus querit honestum. 70 

Judex peruersus seruum dilexit iniquum 

Et sibi pre cunctis specialem fecit amicum. 

Uicina poma ferens ortus se visibus offert 
Presidis. Ille suum servum vocat et sibi refert 
Talia verba: „Fac ut comedam de fructibus istis, 75 

Haut animam rapiat mihi mors de corpore tristis." 
Accelerat Judas, orti repagula pandit, 
Intrat et vnius super arboris ardua scandit, 
Pomaque carpenti pater ipsius Buben astat. 
Clamans ille: „Quis est, mea qui pomaria vastat? 80 

Hercle! non pacior dampni zelus huius invltum!" 
Non potuit Judas huius sufferre tumultum: 
Desilit, et mangnum concepit vterque fuvorem, 
In prolem genitor et proles in genitorem. 
Est pater ignotus nato natusque parenti; 85 

Verbera fert Judas reddit viceque ferenti, 
Nam lapidem magnum, furia stimulante, leuavit 
Ac patrem proprium letali vulnere strauit. 
Exijt infelix ortum, genitore necato, 



58 assidue oder assidua. 62 Legittimam. 73 poa. 80 pomeria. 86 ferienti. 



— 168 — 

Atque domum rediens manifestat queqne Pilato. 90 

Noctis in aduentu redeunt in propria queque. BL216, a, ß. 

Tempore cenandi Euben quesitiis vbiqne. 

Ingrediens ortum famnlonim protinns vnus 

Corporis extincti vidit miserabile fnnus. 

Qui rediens inqnit: ^heu trislia visa reporto! 95 , 

Ecce, iacet dominus noster defanctus in orto." 

Morte repentina Euben excubuisse putatur; 

In tota rumor lacrimabilis vrbe vagatur. 

Quas nunc, latro ferox, habuisses in pectore vires, 

Criminis auctorem tanti cum te fore scires? 100 

Perde, Pilate, reum! iudex, regis iuris habenas, 

Patrator scelerum dignas debet dare penas. 

Diflfert vindictam bonitas divina malignis, 

Ut magis vrat eos post mortem demonis ignis. 

Sic pietate dei latuerunt criniina Jude; 105 

Po8t modicum tempus patuerunt omnia nude. 

Presidis auxilio fit Judas vir Ziboree, 

Et fit, in talamo ludum peragunt Cytheree. 

Proch dolor! est matris conjunx et filius idem. 

Eector Thebarum connubia talia pridem 110 

Fecit et vlciscens facinus se priuat ocellis; 

Fratemis Thebe ceciderunt postea belli«. 

Sic Zmirna Ciniras cum nata concubuisse 

Fertur et Adonidem Veneri gratum genuisse. 

Forte die quadam Ziborea miserrima fleuit, 115 

Vnde dolor Jude vehemens in pectore creuit. 
Vxoris lacrime sunt sponsi maxima pena 
Et superant que non posset superare leena. 
Acrior est omni mulierum lacrima telo, 
Sub toto non est tam bellica machina celo. 120 

Sampsonem quondam, qui coUa rebellia fregit, 
Fletibus et precibus muliercula sola subegit. 
Sic lacrimis Judas et vi superatus amoris, 



99 nc oder üc. 104 vret. 108 citharee. 112 Paternis. 113 Zmirna 
Ciniras] zmerna mox -\- Schleife, nato. 114 autrouidem (?). 118 supat. 
120 pellita. 



— 169 — 

Querit ab vxore, que sit hec* causa doloris. 

Pemina respondit: ^pauperrima sum mnlierum!*' 125 

Et cepit seriem gestarum pandere rerum. 

„Abstulit infantem mihi, prach dolor! vnda marina, 

Dilectumqne virum rapuit mihi mors inopina. 

Tradidit vxorem tibi me ferus ille Pilatus, 

Sic meus est animus triplici dolore grauatus." 130 

Sponse compaciens Judas hec verba loquenti, 

Que passus fuerat retulit discrimina fleuti: 

„Me genitrix paruum dimersit in equoris vnda, 

Sed tarnen euasi de tempestate profunda. 

Fluctibus ereptum regine gracia pauit, 135 

De qua me genitum provincia tota putauit. 

Cuius occidit proprium mea dextera natum; Bl. 216, b, a. 

Ne gladio peream, fugiens accedo Pilatum. 

Missus ad hunc ortum, saxo prosterno maritum 

Atque cibum rediens domino reporto cupitum." 140 

Flebilis hie rumor matris precordia tangit, 

Ingemit et tristi luctu sualumina frangit, 

„Ve mihi!" proclamans „meus es puer atque maritus! 

Et pater est a te crudeli verbere cesus!'' 

Se miser in tanto depressura crimine noscens, 145 

Ad Christum properat, veniam prece supplice poscens. 

Quod petit assequitur cordis contricio munus: 

Fit de discipulis Christi specialibus vnus. 

Jam varijs signis micuit deus inter Hebreos, 
Jussa paterna docens et confnndens Phariseos, 150 

Qui de virginei talamo processerat alui, 
Vt peccatores per eum possent fore salui. 
Principio limphas inter conviuia vino 
Mutat et aflferri iubet potum architriclino. 
Corpora debilium restaurat multa saluti, 155 

Mutorum lingwas faciens sermonibus vti, 
Auditum reparat surdis, obsessaque fuscis 
Corpora demonijs absoluit, munere lucis 



139 saxa. 142 Ingemuit. 144 lies tiitus statt cesus? 146 properans. 
Ibl fusti8(?) 15S «bsoluat. 






— 170 — 

Exhilarat cecos, lepre contagia tergit, 

Ac pedis incessu vada per neptunia pergit. 160 

Ne remeare sinat populos miseratur inanes, 

Quinqae inbet modicos mensis accrescere panes. 

Imperat equoreis eciara qniescere ventis. 

Restituit vitam fetentibus in monumentis. 

Et faror Ebrens, non passns talia signa, 16o 

Insidias domino tendebat fraude maligna. 

Haut aliter quondam conspirauere gigantes, 

Contra rectorem superam bellare parantes. 

Quis potuit tua, liuor edax, euadere bella? 

Propositum rectum conturbat iniqua procella. 170 

Tu potes, infelix, magnos dampnare poetas, 

Imperijsque tuis vetus et noua subditur etas, 

Est homini per te paradisi ianua clausa, 

Inpungnare deum tua seua manus fuit ausa! 

Pontificis tenuit Caiphas hoc tempore sedem. 175 

Scribe cum senibus veniunt illius in edem, 
Consilioque pari dum querunt perdere Christum, 
Vir scelerum Caiphas sermonem protulit istum: 
„Vtile fit nobis, ut pro populo moriatur 
Vnus homo, socij, ne tota gens pereatur." (!) Bl. 216, b, ß. 180 
Pontificis, Caiphas, de iure datur tibi nomen, 
Nam tua doctrina nostre fidei fuit omen: 
Pontem fecisti nobis ad gaudia lucis, 
Nam tecum tibi commissos ad tartara ducis. 
Ni crucis ligno Christus mala nostra luisset, 185 

Subdita seruicio Sathane gens tota fuisset. 
Tunc Sathane stimulis Judas arreptus amaris, 

• 

Pontifices summos verbis compellit auaris, 
Dicens: „quid precij dabitur mihi, si modo vadam 
Protinus et vobis hunc certo tempore tradam?'' 190 

Ista sacerdotes mulcet promissio summos, 
Argenti statuunt sibi terdenos dare nummos. 
Turpis auaricia, Sathane miserabile rethe. 



159 Exhilarct. 169 tua/<;A/^ 170 rM. 184 /t>« Dum «^o^^ Nam? 185 In. 



« • • • ■ 



— 171 — 

Eveniunt mundo quam plurima vicia de te: 

Preda, dolus, furtum, periuria, prelia, cedes! 195 

In baratri fundo tibi ponitur horrida sedes, 

Qua resides horum mangno circumdata vallo, 

Quos tua damnauit fulgente dextra metallo. 

Si liceat verum mihi salua pace fateri, 

Intendit rerum lucrum pars maxima cleri. 200 

Ipsi pontiflces tibi, pessima, subiacuerunt, 

Muueribus comites et reges allicuerunt. 

CoUa sacerdotum quamuis subdant tibi victi, 

Non superare potes, quos ordo tenet Benedicti. 

Ergo famem cupiens Judas saciare crvmene, 205 

Tradidit insontem sacre post fercula cene. 

Basia blanda ferens habitum pretendit amici. 

Vir pie, sis merens, audis ubi talia dici ! 

Innocuum nocui cupientes perdere gratis, 

Judicio tradunt, manibus post terga ligatis. 210 

Talia cernentem Judam torquet dolor ingens; 

Infelix abijt; laqueo sua guttura stringens, 

Scinditür: exta solum fedant eflfusa per aluum; 

Os, quod Acta deo porrexerat oscula, saluum 

Permanet; sie pendens inter terramque polumque 215 

Interijt, prodens qui perturbauit vtrumque. 

Dignus erat tali für vitam perdere clade, 

Qui plasmatorem prothoplasti tradidit ade. 

Für pendet; merito mors est haec propria furis, 

Sicut ciuilis poscit sententia iuris. 220 

Pro precio sceleris ager est emptus peregrinis, Bl. 217, a, a. 

Vt tumulentur ibi, quibus imminet vltima flnis. 

Omnibus expletis, que vatum pagina dixit, 

Inter latrones Judea deum crucifixit. 

Territa terra trerait et scinditür arida petra, 225 

Nox obschura premit mundum caligine tetra, 

Corpora sanctorum tumulis abiere relictis: 



195 plia. 199 pace salua. 201 obicierunt. 208 ubi] y\ 212 loqueo. 
213 fedat. 215 hie iter. 216 prodens] iöndes (?). 



— 172 — 

Ex ewangelicis potes hec cognoscere dictis. 
Inde datar tumnlo, qni yitam dat tumulatis, 
Manitnrqne locus custodibus officiatis. 230 

Post obitum Christi lux tercia quando reluxit, 
Saluator yeram carnem de morte reduxit, 
Que de visceribus fuerat concepta pudicis, 
Diuersisqne modis se declarauit amicis. 
Hinc repetit patriam vietor sedemque supernam 235 

Et locat ad dextram terrestria membra paternam. 
Ergo ne numerus sacer eclipsim paciatur, 
Mathias tunc vice Jude sie connuniejatur. 
Natalem Jude docui finemque nephan^' i :u: 
Ebraiee gentis est excidium memorandum. 240 

.Cumque quater denos Judea peregevat annos, 
Tunc per Bomanos fuit expugnata nephandos 
Jerusalem. Murum occisi plebis acerui 
Equant et reliqui se subiciunt quasi serui 
Romanis ducibus et flunt bellica preda, 245 

Spernentes Christi postquam fuerant iuga feda. 
Qui quondam sanctum deriserunt Helizeum, 
Hij pueri populum signare videntur Ebreum: 
Vr^orum rabies illos in frusta redegit, 
Judaicas apiees Bomana potentia fregit. 250 

Carminis efficiens huius se prodere causa 
Non est inuidie stimulis obstanL'bus ausa. 
Nam detractor atrox auctorem si bene nosset, 
Hoc opus exiguum cicius vilescere posset. 
Christo, tuum famulum solita bonitate guberna, 255 

Pos8it ut in vita te coUaudare superna. 
Explieit vita Jude Christi traditoris. 



228 hac nosce. 234 möis. 236 dexteam. 241 peragerat. 243 Irlm. 
Lies Muros? 246 preterquam. 249 frustra. 253 ii08cit {doch undeutlich). 
254 vilescere vielleicht auch »veteresoere^ {undeuilich). 



— 173 — 

n. 

Die Lesarten der hs. E^) der Vita Pilaü gegenüber AB^). 

TUel fehlt. 2 docendo. 3 für „sio" „qTie«(?). 6 onmi(?). 
7 ob invidiam. non. 8 placeat. 9 Etqae probant reprehendnnt 
dictTim(?). 10 Cum. 13 Aut . . . aut. potentem. 14 maltis. 
15 sint. sie scribam. 17 uel Actum nc(= nunc?) (üc?). IStribuas. 
19 manavit. 22 iste labor. solito foue(!). ({Mq fehlt. 23 ftiit. haue. 
24 tya. fiumen rivusque. 2d moguncia. 26 coiiiposita(!). est fehU. 
assertia (!). 27 veteres cives monstrant mumm cecidisse. 31 qua- 
dam. 33 yma. 34 utraque. 35 silua8(!). 42 Egregiem (!) prolem. 
43 Temporibus mundus cuius tot mira videret (: videret [!]). 45 
diuersa. 46 possimus. 47 Nee, 49 ViUä(?). 53 rex fehlt* 58 
Gaudet rex. 60 Nomen eonveniens. 61 m. quoque. 65 adiife 
letus tanto. 66 cum reliquis. 69 hie rex. 70 Et sie. 71 u. 72 
fehlen. 73 Cui. 76 Nam. pylato {statt puero). 82 Inclite. 83 
tunc si. 84 a facto tali. moriatur(!). 85 u. 86 fehlen. 87 mortem 
meruit perimatur. 93 iusta. 96 proprium fratrem. 98 quidem. 
statim {statt tantum). 100 ipsius. 101 Imperao' censumque dari 
solitnm prohiberet, 102 Vtpote vir fortis qui consiliisqae valeret. 
105 Hü. 106 iudices. gladio. 108 cito. 110 Für „et« „vt^.- 
111 u. 112 fehlen. 115 locus est hie. 116 Pocius (!). 118 barbarion» 
(?) convertat in sua vota. 122 Qui(!). 123 se credit, sua fehlt. 
paciflcari(!). 125 Fmr „regem" „igitur''. sic^to^^sit. Ft«r Jussa" 
• „verba". 126 iudee rex. te pilate, 129 WorUteUung: eg; s. eos 
r. i. 1. 130 reoreansi 131 manifeste (h sibi teste)! 133 u. 134 
fehlen. 136 mihi statt sibi. 137 summa; 138 Wortst.: s. ta. 
i. f. 140 Accipere. parat, 141 u. 142 fekhen. 143 quemlibet. 
144 Atque. 147 ducit. 148 N. m. t. respondit 150 quod. 
151 Continuo. 152 venales. 153 petitus. 154 Arripit ad prava 
quaeque. 158 mens que captatur h. — ponit. 159 piuifa. 160 
miscens. für „cum** „et". 168 q. s. verum fidumque putabat a. 
169 Vor „i^s" „rex". 171 se contra. 172 wieder: mendsse. 
173 Cesareo. 175 quo. 181 oulpam fehlt 182 nece divinar. 
183 fehlt. 184 quod(?). 189 verus i, 190 u. 191 fehlen. 192 
vitam non vult dare morti. 193 statt ,,se vult" „sese". 196—199 
später. Auf 195 folgen: 

„0 quantum, rex Christe, dabit tua vita beandis, 
Cuius mors pacem confert eciam reprobandis. 

>) Vgl. S. 64.