. , '^■
*^->rf^f''^ /.•
^
*#^**V(-(^ ,.P-^^
■>^
<^ , ■ t ?r ♦ '.
T ;. . ' : ' 'V" .-.■.
^f >
► . ,..r ^Ai
lii^
^ ■'.'/
^^v .y
: »M-^ ,
^
Gesauimelte Abhaiidliingeii
zur
Amerikanischeu Sprach- iiud Alterthiiniskunde.
Gesammelte Abhandlungen
zur
Amerikanischen Sprach- und Alterthumskunde
von
Eduard Seier.
Erster Band
Sprachliches. — Bilderschriften. — Kalender und Hieroglypheneutzifferung.
Mit zahlreichen Abbildungen im Text.
BERLIN
A. Asher 6c Co.
1902.
Alle Rechte vorbehalten.
\)
THE GETTY CENTER
Vorwort.
Nur zögernd und eigentlich nur wiederholten Anregungen des unermüd-
lichen Förderers der Wissenschaft des neuen Continentes, Sr. Exzellenz des
Herzogs von Loubat, folgend, habe ich mich entschlossen, die in zahl-
reichen Einzelabhandlungen niedergelegten, in verschiedenen Zeitschriften
zerstreuten Ergebnisse meiner Studien über die Sprachen und die alte
Kultur der Stämme Amerikas gesammelt meinen Fachgenossen vorzulegen.
Wer da weiss, wie sehr ich in dem Gang meiner Studien selber gelernt
habe, wie oft ich früher für zweifellos Gehaltenes als irrthümlich habe
erkennen müssen, wird mein Zögern berechtigt finden. Immerhin glaube
ich, dass gerade der Fortgang in der Entwickelung meiner eigenen Kennt-
nisse geeignet sein wird, neu Herantretende in die Wissenschaft einzu-
führen. Denn nicht durch Aufnahme fertiger Resultate, sondern durch
eigene Arbeit und Mitarbeit, durch ein Prüfen, Kontrolliren und ein Nach-
schafifen des Geschaffenen lernt man wirklich. Ich habe, um den Gebrauch
des Buches zu erleichtern, die ihrem Inhalt nach zusammengehörigen
Abhandlungen zusammengebracht, innerhalb dieser Abschnitte aber die
zeitliche Foke innegehalten und bei iedem Stücke den Ort des ersten
DO **
Abdruckes genau bezeichnet. Der vorliegende erste Band entliält das
Sprachliche im engeren Sinne, Bilderschrifterklärungen und meine Unter-
suchungen über den mexikanisch-mittelamerikanischen Kalender und die
Versuche zur Hieroglyphonentzift'erung. Der zweite Band, der im nächsten
Herbste erscheinen soll, wird das eigentlich Archäologische, Geschicht-
liches u. s. w. bringen. Ich habe natürlich die verschiedenen Abhandlungen
nicht unverändert zum Abdruck bringen können. Wo früher Behauptetes
zu dem von mir jetzt Erkannten in Widerspruch stand, habe ich, so gut
es gieng, eine Umänderung vornehmen müssen. Es ist das nicht ganz
VI Vorwort.
ohne Ungleichheiten möglich gewesen. Ich hoffe aber, dass meine Leser
dafür eine Entschuldigung finden werden. Die Umänderungen haben viel-
fach eine beträchtliche Erweiterung zur Folge gehabt. Insbesondere ist
die Zahl der Abbildungen erheblich vermehrt worden. Eine Anzahl
gesicherter Ergebnisse glaube ich, als Frucht meiner langjährigen Studien.
in diesem Buche vorlegen zu können. Dass ich dabei mir bewusst bin.
dass, trotz Umänderungen und Erweiterungen, auch der Neuabdruck, den
ich hier biete, noch gar sehr an den Unvollkommenheiten menschlicher
Erkenntniss leidet, werden meine Leser mir glauben,
Steglitz, September 1902.
Eduard Seier.
Inhalt des ersten Bandes.
Erster Abschnitt. Sprachliches.
Seite
1. Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador 3
Originalmittheilungen aus der Ethnologischen Abtheilung der Königlichen
Museen Nr. I. Berlin 1885. S. 44— 5G.
Nachtrag A. Die verwandten Sprachen der Gayäpa und der Colorados von
Ecnador 18
Nachtrag B. Die Sprache der Indianer von Esmeraldas 49
März 1902.
2. Das Konjugationssystem der Maya-Sprachen 65
Inaugural-Dissertation. Leipzig 1887.
3. Notice sur les langues Zapoteque et Mixteque 127
Compte rendu de la VIII ''"i« Session du Congres International des
Americanistes. Paris 1900. p. 550—555.
Zweiter Abschnitt. Bilderschriften.
1. Der Codex Borgia und die verwandten aztekischen Bilderschriften 133
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 22. Januar 1887.
Zeitschrift für Ethnologie XIX. S. (105) — (114).
2. Eine Liste der mexikanischen Monatsfeste 145
Verhandlungen der Berliner Antliropologischen Gesellschaft. 19. Februar 1887.
Zeitschrift für Ethnologie XIX. S. (172) — 17G).
3. Die Columbus - Festschriften der Königl. Bibliothek in Berlin und der mexi-
kanischen Regierung 152
Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde. Berlin. 2. Dezember 1893.
4. Die mexikanischen Bilderhandschriften Alexander von Humboldt's in der
Königlichen Bibliothek zu Berlin 162
Berlin 1893,
5. Der Codex Borgia 301
Globus. Bd. LXXIV. S. 297-302; 315-819. (19. und 26. November 1898).
6. Codex Cospi. Die mexikanische Bilderhandschrift von Bologna 341
Vgl. Globus. Bd. LXXVII. S. 823—325. 2. Juni 1900.
7. Die mexikanischen Gemälde von Cuauhtlantzinco 352
Globus. Bd. LXXV. S. 96, 97. 4. Februar 1899.
Dritter Abschnitt. Kalender und Hieroglyphen- Entzifferung.
1. Maya-Handschriften und Maya-Götter 357
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 17. Juli 1886.
Zeitschrift für Ethnologie XVIII. S. (416) — (420).
2. üeber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Götter 367
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 19. März 1887.
Zeitschrift für Ethnologie XIX. S. (224) — (231).
VTjy Inhalt des ersten Bandes.
Seite
3. Entzifferung der Haya-Handschriften 390
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 19. März 1887.
Zeitschrift lur Ethnologie XIX. S. (231^ — (237).
4. Ueber die Bedeutung des Zahlzeichens 20 in der Maya-Schrift 400
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 19. März 1887.
Zeitschrift für Ethnologie XIX. S. (237) -(241).
5. Der Charakter der aztekischen und der Haya-Handschriften 407
Zeitschrift für Ethnologie XX. (1888>. S. 1—10.
6. Die Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gott-
heiten 417
Zeitschrift für Ethnologie XX. (1888). S. 10—97.
7. Die Chronologie der Cakchiquel-Annalen 504
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 22. Juni 1889.
Zeitschrift für Ethnologie XXI. S. (475) — (476).
8. Zur mexikanischen Chronologie, mit besonderer Berücksichtigung des zapo-
tekischen Kalenders 507
Zeitschrift für Ethnologie XXIII. (1891). 8.89—133.
9. Some remarks on Prof. Gyrus Thomas' brief study of the Palenque fablet . 555
Science. Vol. XX. No. 493. New York. 15. Juli 1892.
10. On Maya chronology 557
Science. Vol. XX. No. 496. New York. 5 August 1892.
11. Ein neuer Versuch zur Entzifferung der Mayaschrift 558
Globus. Bd. 62. (1S92). S. 59—61.
12. Does there really exist a phonetic key to the Maya-Hieroglyphic Writing? . 562
Science. Vol. XX. No. 499. New ITork. 26. August 1892.
13. Is the Maya Hieroglyphic Writing phonetic? 568
Science. Vol. XXI. No. 518. New York. 6. January 1893.
14. Some additional remarks on Maya Hieroglyphic writing 576
Science. Vol. XXI. No. 524. New York. 17. Fehruary 1893.
15. Die wirkliche Länge des Ratun's der Maya-Chroniken und der Jahresanfang
in der Dresdener Handschrift und auf den Copan-Stelen 577
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 15. Juni 1895.
Zeitschrift für- Ethnologie XXVII. "s. (441) — (449).
16. Die Bedeutung des Maya-Kalenders für die historische Chronologie 588
Globus. Bd. LXVIII. Nr. 3. Juni 1895. S. 37-41.
17. Das Tonalamatl der alten Mexikaner 600
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 28. März 1898.
Zeitschrift für Ethnologie XXX. S. (165)— (177).
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex Borgia-Gruppe 618
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 16. Juli, 1898.
Zeitschi-ift für Ethnologie XXX. S. ^346) — (383).
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan 668
Zeitschrift für Ethnologie XXX. 1898. S. 377—410.
20. Der Festkalender der Tzeltal und der Maya von Tucatan 706
Zeitschrift für Ethnologie XXX. 1898. S. 410-416.
21. Die Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatteu von Palenque . 712
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 18. No-
vember 1899. Zeitschrift für Ethnologie XXXI. S. (670) - (738).
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä . 792
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 17. März 1900.
Zeitschrift für Ethnologie XXXII. S. (188) — (227).
23. Die Cedrela-Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel 837
Zeitschrift für Ethnologie XXXII. 1900. S. 101—126.
Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Erster Abschnitt. 1. Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador 3
Abbildung. Colorado - Indianer von Santo Dominj^o de los Colorados. (Nach
de Wiener.) 5
Zweiter Abschnitt. 4. Die mexikanischen Bilderhandschriften Alexander von
Humboldt's in der Königlichen Bibliothek zu Berlin 162
Abb. 1. Das sechste Jahresfest Etzalqualiztli. Humboldt-Handschrift 1 164
,, 2. Das eilfte Jahresfest Oclipaniztli. Humboldt-Handschrift I 165
„ 3. Teteo innan. Sahagun. Ms. Biblioteca del Palacio 166
„ 4. Kopfschmuck ichcaxochitl der Teteo innan oder Tla^olteotl. Codex
Borbonicus 5 166
„ 5. Teteo innan oder Tla^olteotl. Codex Vaticanus A 29 (= Kingsborough 24) 166
„ 6. Teteo innan oder Toci. Göttin des Ochpaniztli-Festes. Sahagun. Ms.
Biblioteca del Palacio 166
„ 7. Das fünfzehnte Jahresfest Fanquetzaliidli. Humboldt-Handschrift I . . . 166
„ 8. Teteo innan oder TJueoIteotl, Regentin der dreizehnten Woche ce olin „eins
Bewegung". Codex Borbonicus 13 167
„ 9. Fahne in der Hand UitzilopocJitli's als Abbild des Festes PanquetzaUztli.
Codex Telleriano-Remensis 5 168
„ 10. Panquetsaliztli. Aus einer Malerei der spanischen Zeit 168
„ 12, Das zweite Jahresfest Thica.ripeualiztli. Humboldt-Handschrift I . . . . 169
„ 13. olin „Bewegung". Dreizehntes der zwanzig Tageszeichen der Mexikaner.
. Humboldt-Handschrift I 169
„ 14. olin „Bewegung". Dreizehntes der zwanzig Tageszeichen der Mexikaner.
Sahagun. Ms. Biblioteca Laurenziana 170
„ 15. olin „Bewegung". Dreizehntes der zwanzig Tageszeichen der Mexikaner.
Codex Telleriano-Remensis • 170
„ 16, olin „Bewegung", Dreizehntes der zwanzig Tageszeichen der Mexikaner.
Tonalamatl der Aubin'schcn Sammlung 170
„ 17. olin „Bewegung". Dreizehntes der zwanzig Tageszeichen der Mexikaner.
Codex Borbonicus l'^O
„ 18, 19. olin „Bewegung". Dreizehntes der zwanzig Tageszeichen der Mexi-
kaner. Codex Borgia l'^O
„ 20, 21. Hieroglyphe olin. Ms. Mexicain Nr. 3, Bibliotheque Nationale ... 171
„ 22—24. Thönerne Spinnwirtel von Cerro moutoso und Otates (Vera Cruz).
Sammlung Strebel . 1^1
„ 25, eecatl Wind. Zweites Tageszeichen der Mexikaner, Humboldt - Hand-
schrift I 1^1
' „ 26, maQotl Hirsch. Siebentes Tageszeichen der Mexikaner. Humboldt-Hand-
schrift I l"?!
„ 27. malinalli Gedrehtes, Besen. Zwölftes Tageszeichen der Mexikaner,
Humboldt-Handschrift I l"*!
X Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Abb. 28, 29. Goldbarren. Tribatliste des Codex Mendoza 183
„ 30. Goldbleche. Tribntliste des Codei Mendoza 183
„ 31. Schalen mit Goldstaub. Tributliste des Codex Mendoza 183
„ 32, 33. Kleiderbündel. Humboldt-Handschrift I 184
„ 34. Priester (Üamacuzque) mit Opfermesser, Räucherpfanne, Kopalbeutel und
Rasselbrett, das Tabaktäschchen (yequachtUj auf dem Rücken tragend.
Sahagun. Ms. Biblioteca del Palacio 187
., 35. der Priester Namens? Humboldt-Handschrift I 188
., 36. Darbringung einer in bunten Farben gewebten, mit Federbehang versehenen
Decke. Codex Nuttall 1 189
„ 37. Darbringung einer Decke? Codex Tro 29* 189
„ 38. Hieroglyphe Tilmallaueuh. Ms. Mexicain Nr. 8 Bibliotheque Nationale. . 189
„ 39. Tod C'acamatzin's. Humboldt-Handschrift I 189
.. 40. Regierungsantritt des Fürsten — (f). Humboldt-Handschrift I 190
,. 41. Tod des Priesters Namens? Humboldt-Handschrift 1 190
„ 42. Der Priester Chalchhih. Humboldt-Handschrift 1 190
„ 43—46. Hieroglyphe chalchiuitl „grüner Edelstein" 190
-, 47. „ chalchiuhtepetl „Edelsteinberg", d. h. Opferberg. Ms. der
Aubin"schen Sammlung 190
., 48—30. Der chalchiuitl als Hieroglyphe für ClicUco 190
,, 51, 52. Hieroglyphe xiuitl „Türkis" 191
„ 53. Hieroglyphe tezcatl „Spiegel" 191
„ 54. Der Priester Chi malt ecuhtli (?j. Humboldt-Handschrift I 191
„ 55. Hieroglyphe einer Stadt. Humboldt-Handschrift I 191
„ 56. Ocelotl (oder Tequanj, König von Atepec. Humboldt-Handschrift I . . . 192
„ 57. Hieroglyphe Atepec. Codex Mendoza 16 192
„ 58. „ Tzompanco. Codex Osuna 192
;i 59. „ Almoyauacan. Ms. Mexicain Nr. 3 Bibliotheque Nationale . 198
„ 60. Matlactli omame maqatl, König von f'acatlan (?'. Humboldt-Handschrift I 193
„ 61. Hieroglyphe (Jacatlan. Codex Mendoza 194
„ 62. ,. Cacatepec ,, 194
,. 63. (Jaccdollan „ 194
., 64. ,. Popotlan. „ 194
), 65. „ „ Codex Boturini 194
,. 66. acxoijatemaliztli. Sahagun. Ms. Biblioteca del Palacio 194
„ 67. Tochin (?), König von Tenanco (?). Humboldt-Handschrift I 195
„ 68. Tod König Ocelotl's. Humboldt-Handschrift I 195
»69. „ „ 195
„ 70. Xochuetl. Ms. Mexicain Nr. 3, Bibliotheque Nationale 1%
„ 71. Tziuacmitl. Ms. Mexicain Nr. 3, Bibliotheque Nationale 1%
„ 72. Tod Matlactli omome magatl's. Humboldt-Handschrift I 1%
„ 73. König Couatl (?). Humboldt- Handschrift 1 196
„ 74. Motecuhgoma Xocoyotzin. Humboldt-Handschrift 11 199
„ 75. König von Mexico. Sahagun. Ms. Academia de la Historia 199
„ 76. Hieroglyphe Ueiie Motecuhgoma. Codex Telleriano-Remensis f. 34 verso
{= Kingsborough IV. 12) 200
„ 77. Hieroglyphe Motecuhgoma Xocoyotzin. ibid f. 41 {- Kingsborough IV. 16) 200
r, 78. „ „ Ilhuicamina. Codex Mendoza 7 200
„ 79. „ „ Xocoyotzin. „ 14 200
» 80. „ ,, „ Sahagun. Ms. Academia de la Historia 200
55 81. „ Tigocic. Sahagun. Ms. Academia de la Historia 200
55 82. „ des Feuergottes. Von dem grossen sogenannten Kalenderstein
in Mexico 201
35 83. ,, Motecuhgonia Xocoyotzin, von der Innenseite des Deckels einer
Aschenkiste 201
Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes. XI
Seite
Abb. 84. xacalli, Strohhütte. Humboldt-Handschrift II 202
„ 85. Ländliches Arbeitsgeräth ? Humboldt-Handschrift II 202
„ 86. Hieroglyphe Quauhtemodzin. Humboldt-Handschrift II 202
„ 87. ,, „ Sahagun. Ms. Acadcmia de la Historia . . 204
„ 88 a, b. „ „ Codex Vaticanus A. fol. 89, 88 verso . . . 204
„ 89. ompoual xiuitl ozce, 41 Jahre. Humboldt-Handschrift II 204
., 90. Oquiztzin in azcapotzaico, Oquiztzin, König von Azcapotzalco. Humboldt-
Handschrift II 207
„ 91. Don Diego Vanjtzin. Humboldt-Handschrift II 207
92. Tliapia Motelchiuh. „ II 207
„ 93. Mexikanischer Krieger auf dem Marsche. Codex Mendoza 16 207
., 94. Yacatecutli, Gott der Kaufleute. Sahagun. Ms. Biblioteca del Palacio . . 207
„ 95. Hieroglyphe temillo. Ms. Mexicain Nr. 3. Bibliotheque Nationale. . . 208
„ 96. Uei tecuilhuitl, das grosse Herrenfest. Codex Telleriano-Remensis f. 1
verso (= Kingsborough I. 2) 208
„ 97. Tlacochcah-o ijuotl, der Krieger im Speerhause. Sahagun. Ms. Bibüoteca
del Palacio 208
., 98, 99. Köpfe von Thonfiguren mexikanischer Krieger. Sammlung Uhde. Königl.
Museum für Völkerkunde, Berlin 209
„ 100. Tauz der Krieger am Ochpaniztli. Sahagun. Ms. Biblioteca del Palacio 209
„ 101. Juan Velazquez Tlacotzin. Humboldt-Handschrift II 210
,, 102. Hölzerne Schaufel {couacatl) und Korb {chiquimtl) zum Fortschaffen der
Erde u. s. w. Codex Mendoza 71. 11 210
„ 103. Bearbeiten des Ackers. Codex Osuna f. 38 verso 210
„ 104. Hieroglyphe Ciuatlan. Codex Mendoza 40, 1 211
„ 105. CiuacoHafl, Göttin von Colhuacan. Historia Mexicana. Ms. der Aubin-
Goupil'schen Sammlung 211
„ 106. Hieroglyphe Motelchiuh. Sahagun. Ms. Academia de la Historia. ... 211
„ 107. ,, Vanitzin. „ „ „ „ „ . . . . 212
„ 108. „ Azcapotzalco. Codex Mendoza 5, 1 213
„ 109. „ „ Codex Osuna 213
., 110. ,, Xochiquentzin. Sahagun. Ms. Academia de la Historia . . 215
,, 111. Doti Diego Teuetzquiti. Humboldt-Handschrift II 216
„ 112. Don Diego Tevetzquititzin. Sahagun. Ms. Academia de la Historia. . . 216
„ 113. Tetlacevetzquititzin. Sahagun. Ms. Academia de la Historia 216
„ 114. Don MaHin Cortes Xe^acaltecollotzin. Humboldt-Handschrift IT 217
„ 115. Hieroglyphe tlacateccatl. Codex Mendoza 17 217
,, 116 a. „ Ne^aualcoijotl. Codex Telleriano-Remensis f. 36 (= Kings-
borough IV, 13) 217
„ 116 b. „ „ Sahagun. Ms. Academia de la Historia . . 217
„ 117 a. „ Negatialpilli. Codex Telleriano-Remensis f. 36 {- Kings-
borough IV, 13) 217
„ 117 b. „ „ Sahagun. Ms. Academia de la Historia . . 217
„ 118. mogauani, der Fastende. Codex Borgia 9 (= Kingsborough 30) .... 218
„ 119. Anauacatzin. Humboldt-Handschrift II 218
„ 120. Anauacatl. Ms. Mexicain Nr. 3. Bibliotheque Nationale 218
„ 121. Xaxaqualtzin. Humboldt-Handschrift II 2l8
„ 122. Cuitlachiuitzin. Humboldt-Handschrift II 218
„ 123. Vitznauatl. Humboldt-Handschrift II 218
„ 124. Vaxtepecatl petlacalcatl Humboldt- Handschrift II 218
„ 125. Hieroglyphe der Stadt Uäxtepec. Codex Mendoza. 219
„ 126. petlacalcatl, mayordomo; coauacatl j mancebo. Codex Mendoza 71, 11 . 220
„ 127. Itzpotoncatzin. Humboldt-Handschrift II 221
„ 128. Sacrificio gladiatorio, Bezeichnung für tlacaxipeualiztli, das zweite Jahres-
fest der Mexikaner. Codex Aubin 221
XII Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Abb. 129, uauautli, zum Sacrificio gladiatorio bestimmter Gefangener, bezeichnet
Eroberung einer Stadt. Codex Telleriano-Remensis 221
„ 130. Kriegsankündigung. Codex Mendoza 47 222
„ 131. Yxevatziu. Humboldt-Handschrift II . 222
„ 132. Hieroglyphe der Stadt CorouiiiUccan. Codex Mendoza 40, 9 222
., 133. Couaiiütziu. Humboldt-Handschrift II 222
„ 134. Iinexai/acafzin, Humboldt-Handschrift II 222
,. 135. inex.rai/ac(itl, Schcukel,haut)maske. Kriegerdevise. Sahagun. Ms. Academia
de la Historia 223
„ 13G. Xipaiioctzin. Humboldt-Handschrift II 224
„ 137. Tepotzitotzin. Humboldt-Handschrift II . 224
„ 138. YaotcquacKiltzitu Humboldt-Handschrift II 224
,, 139. Acai-ai/oltz/n. Humboldt-Handschrift II 224
„ 140. ÄinaqurnKfzin. Humboldt-Handschrift II 224
„ 141. Hieroglyphe Tcqueniecan. Codex Mendoza 224
,, 142. „ Aztaquemecan. Codex Mendoza 224
„ 143. Tepidoto», Berggötter. Sahagun. Ms. Biblioteca del Palacio 225
„ 144. Opfer an die Berggötter. Bilderhandschrift der Florentiner Biblioteca
Nazionale, Blatt 69 226
,. 145. Eitfdlafiizin. Humboldt-Handschrift II 227
„ 146. Te/lpitz/n. Humboldt-Handschrift II 227
,. 147. feoa//-f/ac7?//(o/// ^Ws^er ;Siv-or-^'^rfor) und Brand". Symbol des Krieges.
Humboldt-Handschrift III 229
,. 148. atl-tlachiiwlli. Aus dem Kopfschmuck der Göttin Chantico. Codex Telle-
riano Remensis f. 21 verso (= Kingsborough II, 28) 230
,, 149. Dasselbe. Codex Borbonicus 18 231
,, 150. Dasselbe. Aus dem Kopfschmuck Tlauizcalpan tecutWs. Tonalamatl der
Aubin'schen Sammlung 9 231
,. 151. tcoatJ. Codex Borbonicus 9 232
152. ÜachinoUi. Codex Borbonicus 9 232
,. 153. teoatl-tlachhwlU. Codex Borgia 69 [- Kingsborough 46) 233
•• 154. , „ „ „ 13 (= „ 26) 233
,, 155. Hieroglyphe der Stadt Otompan. Codex Mendoza 234
„ 156. „ chichimeca. Ms. Mcxicain Nr. 3. Bibliotheque Nationale . 234
„ 157. „ chichimecatl. Codex Boturini 2 235
„ 158. _ „ Ms. der Aubin'schen Sammlung 235
„ 159. nica i/ahKoi/ohca yn toca cuifli yn toconcol. Humboldt-Handschrift III . 238
„ 160,161. Hieroglyphe Cuixtli. Ms. Mexicaiu Nr. 3. Bibliotheque Nationale . 238
„ 162. Ecatl. Humboldt-Handschrift III 238
„ 163—165. Hieroglyphe Eccdl. Ms. Mexicain Nr. 3. Bibliotheque Nationale. . 239
„ 166. Zacateotlan. Humboldt-Handschrift III 239
„ 167. Ocelotl, Ahnherr von Zacateotlan. Humboldt-Handschrift III 239
„ 168. Tecpatl, Ahnherr von . Humboldt-Handschrift III 239
,, 169. Der Gott {Xhihtecutli, Fützintecutli) und die Göttin {XocJnquefzal), Feuer-
quirler und Bannerträger. Von einem Bruchstück der Biblioteca Nacional
in Mexico, das zur Humboldt-Handschrift III gehören muss 241
„ 171, Hieroglyphe Tefo/rfe^w, Codex Osuna fol, 36 (498) 243
„ 172, _ Lorenzo de San Francisco. Humboldt-Handschi-ift V . . . 244
„ 173. „ ? . Humboldt-Handschrift V . . . 244
,, 174. Icnotlacatl. Ms. Mexicain Nr. 3. Bibliotheque Nationale 244
., 175. Icnoix. Ms. Mexicain Nr. 3. Bibliotheque Nationale 244
., 176. Gerichtssitzung in Tetzcoco. Humboldt-Handschrift VI 246
„ 177. Uoctor JJorozco. Codex Osuna fol. 3 (465) 249
, 178. Hieroglyphe Antom'o de Mendoza. Codex Telleriano-Remensis fol. 44 verso
(= Kingsborough IV, 30) 251
Abb
. 179.
180.
181.
182.
183.
184.
185.
186.
187.
188.
189.
190,
192.
193.
194.
195.
196.
197.
198.
199.
200.
201.
202.
203.
204.
205.
206.
207.
208.
209.
210.
211.
212.
213,
Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes. xill
Seite
Hieroglyphe IaiIs de Velasco. Codex Osuna fol. 21 (483) 251
Gallego. Codex Osuna fol. 27 (489) verso 251
Dr. Vasco de Poga. Codex Osuna fol. 23 (485) verso . . . 251
., Doctor Zorita. Codex Osuna fol. 22 (484) verso 251
., Doctor Villanueca. Codex Osuna fol. 24 (486) verso .... 251
„ Doctor Villalobos. Codex Osuna fol. 24 (486) 251
Doctor Bravo. Codex Osuna fol. 22 (484) 251
„ Doctor Zei/nos. Codex Osuna fol. 26 (488) verso 251
Fiscal Maldonado. Codex Osuna fol. 25 (487) 251
Doctor Horosco. Codex Osuna 23 (485) 251
„ San Francisco. Codex Osuna fol. 37 (499) verso 251
191. Erste (unterste) und vierte Reihe der Humboldt-Handschrift VII . . 253
gacatl (Fiündel Maisstengel). Atlas Goupil-Boban PI. 27 254
„ „ „ Codex Osuna fol. 17 254
„gallina de la tierra" . Atlas Goupil-Boban PI. 27 254
/ peso ypan VI tomines. 1 Peso 6 Reales. Codex Osuna 13 254
ompohualli pesos ypan VII tomines ypan medio. 40 Pesos, 7Y2 Reales.
Codex Osuna fol. 37 254
27 Pesos 272 Reales. Codex Osuna fol. 31 255
31 Reales, oder 3 Pesos 7 Reales. Ms. Poinsett'sche Sammlung 255
Hieroglyphe Mizquiyauallan. Codex Mendoza 29, 7 256
„ „ „ Osuna fol. 36 256
„ Sonntag. Ms. Poinsett'sche Sammlung 258
Ein Truthahn. Zwei Real. Ms. Poinsett'sche Sammlung 258
Neun kleine Fische. Ein Real. Ms. Poinsett'sche Sammlung 258
24 Enchiladas(?). Ein Real. Ms. Poinsett'sche Sammlung 258
40 Tortillas. Ein Real. Ms. Poinsett'sche Sammlung 258
8 Körbchen voll Tamales. Drei Real. Ms. Poinsett'sche Sammlung . . 258
80(?). Ein Real. Ms. Poinsett'sche Sammlung 258
Ein Zuckergebäck(?). Zwei Real. Ms. Poinsett'sche Sammlung .... 258
Eine Fauega Mais. Drei Real. Ms. Poinsett'sche Sammlung 258
Zwei Bündel Zacate. Ein Real. Ms. Poinsett'sche Sammlung 258
Spanier (Richter oder Encomendero). Ms. Poinsett'sche Sammlung . . . 258
Die linke Hälfte der Humboldt-Handschrift VIII, auf ^j., verkleinert . . . 259
Zwei Ackerstücke von steiniger und sandiger Beschaffenheit und ihr Be-
sitzer Juan llatolmitl. Codex Vergara. Atlas Goupil-Boban PI. 39 . . . 261
214. Ackerstück von steiniger Beschaffenheit. Codex Vergara. Atlas Goupil-
Boban PI. 39 261
215. Zwei Ackerstücke von sandiger Beschaffenheit. Codex Vergara. Atlas
Goupil-Boban PI. 39 261
216. Ackerstück von 20 x 400 Ellen in der Flur I'e^ontitlan. Atlas Goupil-
Boban PI. 34 261
217. Ackerstück von 30 x 1200 Ellen in der Flur Tegontliyacac. Ebendort . . 261
218. „ „ 20 X 100 „ „ „ „ Huexoquappan. Ebendort . 261
219. „ „ 100 X 140 „ „ „ „ Tzonipantitlan. „ . 261
220. solarpan yhuan tlapechcalli, Grundstück mit Fruclitbäumen und Haus mit
flachem Dach. Atlas Goupil-Boban PI. 34 262
221. xulpan inilli, Acker in sandigem Erdreich, solarpan xacalli, Grandstück
und Haus mit Strohdach. Ebendort 262
222. Hieroglyphe ilhaitl „Tag, Fest". Relief der Uhde'schen Sammlung im
Königl. Museum für Völkerkunde, Berlin 267
223. Hieroglyphe chalchiuitl „grüner Edelstein". Desgl 268
224. „ ? an HimmclssrUiMern der Maya- Handschriften 268
225. „ kin „Sonne-', an Himmelsschilderu der Maya-Handschriften . 268
226. Humboldt-Handschrift IX, auf V3 verkleinert 270
XIV Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Abb. ±21. Humboldt-Handschrift X, auf V3 verkleinert 270
,, 228. „carpiuteros"' . Codex Osuna fol. 28, verso 271
.. 229. „tablones de madcra grandes". Codex Mendoza 25 271
,. 230. ^morillos de madera". Codex Meiidoza 28 272
,, 231. .^•igas grandes". Codex Mendoza 34 272
„ 232. tlapcchtli (tablad- .•^^" de tablas). Atlas Goupil-Boban PI. 34 ... . 272
„ 233. Humboldt-Handschrift XI und die drei obersten Reihen von XII .... 274
„ 234. Rest der Humbold-Haudschrift XII, auf Vs verkleinert 274
., 235. -papel de la tierra". Codex Mendoza 27 275
,, 236. ,miel de maguey espesa". Codex Mendoza 25), 77 275
„ 237. Die drei obersten Reihen der Humboldt-Handschrift XIII, auf ' g verkl. . 277
., 238. Das linke Ende der beiden untersten Reihen der Humboldt-Handschrift XIII,
auf Vi verkleinert 277
,. 239. Hieroglyphe ilhuitl „Tag, Fest". Codex Mendoza 19 278
„ 240. „ .. „ ., „ Osuna fol 16. (478) 278
„ 241, 242. Hieroglyphe metztli „Monat". Ms. Poinsett'sche Sammlung .... 278
„ 243. Zwanzig Frauen zur Dienstleistung, am Sonnabend und Sonntag. Hum-
boldt-HandscIirift XIII 279
,, 244. Mahlstein imetlail) und Handwalze (metlapilU). Ms. Poinsett'sche Sammlung 279
„ 245. Eine Fanega Mais. Ms. Poinsett'sche Sammlung 279
.. 246. Zwanzig Fanegas Mais. Atlas Goupil-Boban PI. 27 280
„ 247, 248. Unterschriften auf der Kehrseite der Humboldt-Handschrift VII . . 281
„ 249, 250. „ „ „ ., „ „ „ XIII . . 281
,, 251, 252. rit::)uiuatl(?), QuiyaulitX). Gobernadores de indios des Dorfes J//s-
quiyauuUan. Ms. Poinsett'sche Sammlung 282
„ 253. Humboldt -Handschrift XIV. auf -/s verkleinert 284
„ 254. Juan Üaüutln. Ms. Mexicain Nr. 3. Bibliotheque Nationale 285
„ 255, 256. Personen Namens Qiiaquauh. Ms. Mexicain Nr. 3. Bibüotheque
Nationale 285
„ 257. auh yn cacahuatl .... chiquacen tzantli ypan chicompohualli „Und
Kakaobohnen ... 6 x 400 4- 7 x 20". Codex Osuna fol. 37 (499) 286
,. 258. „1600 almendras de cacao." Codex Mendoza 19 286
,, 259. „carga de cacao." Codex Mendoza 48, 55 286
„ 260. Eine Tra erlast CtJamamaUi) Kakaobohnen (cacauatl). Codex Osuna fol. 37 286
„ 261—263. 43, 53 und 58 Lasten Zacate. Atlas Goupil-Boban PI. 30 287
„ 264. 8 Pesos, 27., Reales. Atlas Goupil-Boban PI. 30 287
„ 265. 5 „ 6»/., „ ., „ „ „30 287
„ 266. 5 „ 3 „ „ „ „ „ 30 287
Tafel zu Seite 289: — Das Glaubensbekenntniss und die zehn Gebote.
Humbold-Uandschrift XVi.
267. Los Articulos de la Fe son catorce 290
268. Los siete pertenecen jt la dinnidad 290
269. y los otros siete ä la santa humanidad de nuestro Senor J. C 290
270. Los que pertenecen ä la divinidad, son estos 290
271. El primcro creer en un solo Dios Todopoderoso 291
272. El segundo creer que es Dios Padre 291
273. El tercero creer que es Dios Hijo 291
274. El cuarto creer que es Dios Espiritu Santo 291
275. El quinto creer que es Criador 291
276. El sesto creer que es Salvador. 292
277. El septimo creer que es Glorificador 292
278. Los que pertenecen ä la Santa Humanidad de nuestro Senor Jesu Cristo
son los siguientes 292
279. rechts. El primero creer que nuestro Senor J. C. en cuanto hombre fue
concebido por obra del Espiritu Santo 292
Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes. XV
Seite
Abb. 279, links. El segundo creer que nacio de Santa Maria Virgen, siendo ella
Virgen antes del parto, y despues del parto 292
280. El tercero creer que recebiö muerte y pasion por salvar ä nosotros peca-
dores 293
281. El cuarto creer que descendio ä los infiernos y sacö las änimas de los
santos Padres, que estaban esperando su santo advenimiento 293
282. El quinto creer que resucitu al tercero dia de entre los muertos .... 293
283. El sesto creer que subio d los cielos, y estä sentado ä la diestra de Dios
Padre Todopoderoso 294
284. El septimo creer que vendrä ä juzgar ä los vivos y ä los muertos . . . 294
285. conviene ä saber, ä los buenos, para darles gloria, porque guardaron sus
santos mandamientos 294
286—288. y a los malos pena eterna, porque no los guardaron 295
289. Los mandamientos de la ley de Dios son diez 295
290, links. Los tres primeros pertenecen al honor de Dios 295
290. rechts, y los otros siete al provecho del prugimo 295
291. El primero, amaräs ä Dios sobre todas las cosas 296
292. El segundo, no juraras el nombre de Dios en vano 296
293. El tercero, santificaräs las fiestas 296
294. El cuarto, honraräs ä tu padre y madre 296
295. El quinto, no mataras 296
296. El sesto, no fornicaräs 297
297. El septimo, no hurtaräs 297
298. El octavo, no levantaras falso testimonio, ni mentiräs 297
299. El noveno, no desearäs la muger de tu prijgimo 297
300. El decimo, no codiciaräs bienes agenos 297
301. Estos diez mandamientos se encierran en dos 297
302. En servir y amar ä Dios sobre todas las cosas 298
303. y ä tu prögimo como ä ti mismo 298
Zweiter Abschnitt. 5. Der Codex Borgia 301
Abb. 1. Quetzaicouatl als Priester, Regent des ersten Tonalamatl -Viertels .... 305
„ 2. Tezcatlipoca, Regent des zweiten Tonalamatl-Viertels 305
„ 3. Die Erd- und Maisgöttin, Regentin des dritten Tonalamatl -Viertels . . . 305
„ 4. Der herabkommende Sonnengott, Regent des vierten Tonalamatl- Viertels . 305
„ 5. Der Gott des Ostens, erster der vier Hüter der zweiten Venusperiode . . 308
„ 6. Xochipilli, der Gott der Lebensmittel und der Blumen, dritter der vier
Hüter der ersten Venusperiode o08
„ 7. Xipe Totec, „Unser Herr, der Geschundene", dritter der vier Hüter der
vierten Venusperiode 309
„ 8. ChalchiuJitlicue, die Göttin des fliessenden Wassers, vierte der vier Hüter
der vierten Venusperiode 309
„ 9. Mixcouatl, der Gott der Jagd, zweiter der vier Hüter der fünften Venus-
periode 310
„ 10. Tlaiiizcalpan teciiUi, der Gott des Planeten Venus, zweiter der vier Hüter
der vierten Venusperiode 310
„ 11, Quetzaicouatl, der Windgott, und Tlauizcalpan tecuUi, der Gott des Abend-
stems Bl'2
„ 12. Der rothe und der schwarze TezcatUpoca auf dem ßallspielplatz 313
„ l3. Quetzaicouatl der Höhe, Regent des ersten Tageszeichens cipactli .... 314
„ 14. Gott des Ostens, Hüter der ersten Venusperiode 315
„ 15. Mixcouatl, der Gott der Jagd, Hüter der zweiten Venusperiode 316
„ 16. TezcatUpoca (in der Maske de.-^ Windgottes) und Quetzaicouatl auf dem
Wege zur Unterwelt 319
XVI Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Abb. 17. Quetzalcouatl, auf dem chalchiuhtepetl, vor Tezcatlipoca, ein Abbild des
Todosgottes (?) opfernd 320
., 18. Ciualcotl, erste der fünf Göttinnen des Westens 321
19. Macuil cueizpalin „Fünf Eidechse", erster der fünf Götter des Südens . . 321
., 20. Baum des Ostens 323
„ 21. Baum des Nordens 323
., 22. Baum des Westens 324
,. 23. Baum des Südens 324
„ 24. Baum der Mitte 325
„ 25. Toitafiuh der Sonnengott, vor dem Tempel des Ostens 326
., 26. Tezcatlipoca-itztlacoliuhqni, vor dem Tempel des Nordens 326
„ 27. Cinteotl, der Maisgott, vor dem Tempel des Westens 327
„ 28. Mictlantecutli, der Todesgott, vor dem Tempel des Südens 327
„ 29. Der Gott Macuil oliii fünf Bewegung 328
„ 30. Das Jahr naid calli vier Haus 328
„ 31. „ „ naui tochtli vier Kaninchen 328
„ 32. „ „ naui acatl vier Rohr 328
„ 33. „ „ naui tecpatl vier Feuersteinmesser 328
„ 34. Gottheit des Abendsterns, en face gezeichnet, mit dem Quincunx weisser
Flecke, der Hieroglyphe des Planeten Venus 329
„ 35. Der Abendstern (Tlauizcalpan tecutli)^ in der ersten Periode, den Speer
gegen ChalchiuhtUcue, die Wassergöttin schleudernd 329
„ 36. Tonafiuh der Sonnengott 331
„ 37. metztli, der Mond, und Tlagolteotl, die Erdgöttin 331
„ 38. Quetzalcouatl der Höhe 332
„ 39. Der Wanderer am Nordhimmel 332
„ 40. Der Wanderer am Südhiramel 333
„ 41. Iztac Mixcouatl 333
;, 42. Tonacatecutli, Tonacaciuatl, die Herren der Lebensmittel • . • 334
43. Xochipilli und Xochiqiietzal 334
„ 44. Xiuhtecutli, der Feuergott, und Tlauizcalpan teeutli, die Gottheit des
Morgensterns, Ptegenten des neunten Tonalamatl-Abschnittes 335
„ 45. Tlaloc, der Regengott, Regent des siebenten Tonalamatl-Abschnittes . . . 336
„ 46. Sonne, Mond und Morgenstern 337
„ 47. Quetzalcouatl, der Windgott, Regent der Jahre des Westens 338
Zweiter Abschnitt. 6. Codex Cospi. Die mexikanische Bilderhandschrift von
Bologna 341
Abb. 1. Das vierte Tageszeichen cuetzpalin, Eidechse 342
„ 2. Formen des Tageszeichen? tecpatl, Feuerstein, und des Steinmessergottes
Itztli, des zweiten der neun Herren 342
„ 3, 4. Die neun Herren der Stunden der Nacht 343
5. Tlauizcalpan teeutli, die Gottheit des Planeten Venus, in der zweiten
Periode, den Speer auf die Wassergöttiu schleudernd 344
6. Tonatiuh, der Sonnengott, Herr des Ostens 345
7. Tezcatlipoca-itztlacoliulupii, Gott des Nordens 345
Cinteotl, der Maisgott, Herr des Westens 346
Mictlantecutli, der Todesgott, Herr des Südens 346
10. C'e tochtli „eins Kaninchen" = Xiuhtecutli, der Feuergott 348
11. Ce acatl „eins Rohr" = Tlauizcalpan teeutli, Gottheit des Morgensterns . 348
12. Chicome acatl „sieben Rohr" - Chictlapanqui Tezcatlipoca, der halb weisse,
halb schwarze Tezcatlipoca (- TlauizcaljHm teeutli'^) 349
13. Spinne, Flügelinsekt, Skorpion, Schlange, Jaguar in der Höhle, Tages-
zeichenreihe bei dem Feuergotte als Zaubergott 350
9.
Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes. XVII
Seite
Abb. 14. Schnecke, Wurm u. s. w., Tageszeichenreihe bei den Erdgöttinnen als
Zaubergöttinnen 350
., 15. mal/ II all/, Schildkröte, Eidechse, Hirsch, Kaninchen, Tageszeichenreihen
bei Tezcatlipoca, dem Zaubergotte 351
„ 16. mulinalli, Papagei, Schildkröte, Kaninchen, Hirsch, Tageszeichenreihen
bei Tezcatlipoca, dem Zaubergotte 351
„ 17. lual/iialli, Schlange, Eidechse, Schildkröte, Kaninchen, Hirsch, Tageszeichen-
reihen bei Tezcatlipoca, dem Zaubergotte 351
Dritter Abschnitt. 1. Haya-Handschriften und Maya-Götter 357
Abb. 1—4. Chac, der Regengott. Dresdener Handsclirift 10b, 11c, 4a, 13a . . . 360
., 5—7. „ „ „ „ „ 30a, 44a, 67c 360
,. 8—10. „ „ „ Codex Tro 27b, 31d, 9*a 361
„ 11. Der Regengott Chac, auf der Schlange Äh bolon tz'acab, der Wasser-
gottheit, reitend. Codex Tro 2Gb 361
„ 12. r/rt/of, der Regengott der Mexikaner. Codex Borgia 67 (=Kingsborough 48) 362
„ 13. „ „ „ „ „ Codex Land 12 363
„ 14. „ „ ., ,, „ Codex Vaticanus B. 89 (= Kings-
borough S) 364
Dritter Abschnitt. 2. üeber die Namen der in der Dresdener Handschrift
abgebildeten Maya-Götter 367
Dresdener Handschrift, Blatt 25 368
„26 869
„27 370
„ 28. . . 371
Abb. 1 — 16 c. Hieroglyphen und hieroglyphische Elemente 375
Codex Tro, Blatt 23, 22 . . . . 382
„ „ „ 21,20 383
Dritter Abschnitt. 3. Entzifferung der Maya-Handschriften 390
Abb. 17—26. Hieroglyphe des Todesgottes und Ixirli-ittnde Hieroglyphen 392
„ 27—34. „ Itzanuiirti und begleitende Hieroglyphen 394
„ 36—37. Das hieroglyphische Element „Uaclion'- oder „Gesicht" n. a 394
„ 88. Hieroglyphe des Gottes mit dem Aa/(-Zeichen (des Maisgottes). . . . 394
„ 39 — 42. „ des Gottes mit dem X«;pe-Streifen im Gesicht und seine
Begleithieroglyphen 394
.. 43—63. Hieroglyphe des Bohrens u. a. Hieroglyphen 396
„ A. Der schwarze Cliac mit Speer und Wurfbrett 399
„ B-C. Der Jäger, mit Wurtbrett und Speerbündel 399
Dritter Abschnitt. 4. Die Bedeutung des Zahlzeichens 20 in der Maya-Schrift 400
Abb. 64—84. Hieroglyphe 20 u. a. Hieroglyphen 401
„ 85—90. Itzamnä. Dresdener Handschrift 9a, 9b, 5c, 14b, 14 c, 15b ... . 403
„ 91. Ah Kinchil Coba, Regent des Katun's 13. ahau. Chilam Balam von Mani 403
Dritter Abschnitt. 5. Der Charakter der aztekischen und der Maya-Hand-
schriften ^^
Abb. 1—6. Hieroglyphen Qiiauhtitlaii, Quauhnauac, Tollantzinco, Xilotepcc. Tcpe-
ijacac, Tcfzcoco
408
li
XVin Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Abb. 7 — 9, Hieroglyphen ijax, zac, ceh, das zehnte, eilfte und zwölfte Jahresfest
der Maja 410
„ 10,11. Hieroglyphe ijax hin, das siebente Jahresfest der Maya 410
„ 12—16. Die Hieroglyphen der fünf Farben: — yax grün, chac roth, zac weiss,
ek schwarz, kau gelb 410
IT — 21. Die Hieroglyphen der fünf Richtungen: — ti cuh unten, lakin Osten,
xaman Norden, chikin Westen, twhol Süden 410
„ 22,23. Andere Formen der Hieroglyphe ti cah unten
,, 24 — 25. Hieroglyphe kau kiii, das vierzehnte Jahresfest der Maya 410
„ 26. ., balaiH, Jaguar 410
„ 27. ,, eines Vogels 410
„ 28,29. „ der alten und der jungen Göttin 410
„ 30. „ des schwarzen Gottes 410
„ 31. ., des Gottes mit dem Ä-a;(-Zeichen 410
„ 32. ., des Gottes mit dem A'//)e-Streifen 410
„ 33. ., des Gottes mit dem aus einer Schlange gebildeten Gesicht 410
„ 34 — 79. „ Tragen, Matte, Fangen u. a. hieroglyphische Elemente . 414
Dritter Abschnitt. 6. Die Tageszeichen der aztekischen und der Haya-Hand-
schriften 417
Abb. 80—82. Hieroglyphe cipacfli, Krokodil 1. Tageszeichen der Mexikaner 423
w 83. „ eecail, Wind 2. „ „ „ 423
„ 84, „ colli, Haus 3. „ ., „ 423
„ 85,86. „ cuetzpalin, Eidechse 4. „ ,, „ 423
„ 87,88. „ couatl, Schlange 5. „ „ „ 423
89,90. „ miquiztU, Tod 6. „ „ „ 423
„ 91—93. „ ma(jafl, Hirsch 7. „ „ „ 423
„ 94,95. „ tochtli, Kaninchen 8. „ „ „ 423
„ 96—101. „ atl, Wasser 9. „ „ „ 423
„ 102—104. „ itzcuintli, Hund 10. „ „ „ *423
„ 105-107. „ ogomätli, Affe 11. „ „ „ 431
„ 108—114. „ wa/MjaKz, Gedrehtes^ Besen 12. „ „ „ 431
„ 115—119. „ acatl, Rohr 13. „ „ „ 431
„ 120—122. „ ocelotl, Jaguar 14. „ „ „ 431
„ 123—125. „ quauhtli, Adler 15. „ „ „ 431
„ 126 — 128. „ cozcaquauhtli, Geier 16. ,, „ „ 431
„ 129—132. „ olin, Bewegung 17. „ „ „ 438
„ 133 — 137. „ tecpatl, Feuersteinmesser 18. „ ,, „ 438
„ 138—140. ,, quiauitl, Regen 19. ., „ „ 438
,, 141—145. „ xochitl, Blume 20. „ „ „ 438
M 146. Pätecatl, der Pulquegott. Codex Borgia 439
V 147. Tla^olteotl, die Göttin der Erde. Codex Borgia 439
„ 148. Tezcatlipoca. Codex Borgia 439
,, 149. Itztlacoliuhqui, der Gott des Steins und der Strafe 439
„ 150. metztli, der Mond 439
„ 151. Xipe Totec, unser Herr, der Geschundene, der Erdgott 439
„ 152. chicauaztli, der Rasselstab Xipe's 439
„ 153. Das rothe Kopftuch Tlatläuhqui Tezcatlipoca' s 439
„ 154. tlachtli, Ballspielplatz 440
„ 155, 156. Die Bälle der Spieler auf dem citlallachtli, dem Stemballspielplatz.
Codex Borgia 35 (= Kingsborough 4) 440
„ 157,1.58. Himmelsschilder aus der Dresdener Maya-Handschrift 440
^ 159. quauhxicalli, Steinerne Opferblutschale. Innenseite 441
^^- V ,. „ Unterseite 442
Verzeiclmiss der Abbildungen des ersten Bandes. XIX
Seite
Abb. IGl — 197. imix 1. Tageszeichen der Maya und sein Vorkommen in anderen
Hieroglyphen ~7~T 450
„ 198—254. i'k 2. Tageszeichen der Maya und sein "V"oAommen_. . . . 454
„ 255 — 258. uo zweites Jahresfest der Maya 457
„ 259,260. mol achtes „ „ „ 457
„ 261 — 350. akbal 3. Tageszeichen der Maya und sein Vorkommen. . . . 459
„ 351 — 370. kan 4. „ „ „ „ „ „ 465
„ 371—408. chicchan 5. „ ■,■>■>■> 51 » » ^^^
„ 409-439. cmii 6. „ „ „ „ „ ,. 469
,, 440-479. manik 7. „ „ „ „ „ „ 471
„ 480—494. lamat 8. „ ■>■, v ^i ■>■> 5? ^^^
,. 495—519. miiluc 9. Tageszeichen der Maya und sein Vorkommen ._. . . . 474
„ 520-555. oc 10. „ „ „ „ „ " ;;" .' .... 476
„ 556—588. chuen 11. „ „ „ „ „ ,, 479
„ 589-602. eb 12. „ „ „ „ „ „ 483
„ 603—645. been 13. „ „ „ „ „ „ 484
„ 646—673. ix 14. „ „ „ » „ » 487
„ 674—700. men 15. „ „ ., -, >, „ 489
„ 701-721. cib 16. „ „ „ „ „ „ 491
„ 722—771. cabaii 17. „ „ „ „ „ „ 498
„ 772—784. e'tznab 18. „ „ „ „ „ » 495
„ 785-842. cauac 19. „ „ „ „ „ ,> 497
„ 843—876. ahau 20. „ „ „ „ „ „ 501
Dritter Abschnitt. 8. Zur mexikanischen Chronologie, mit besonderer Berück-
sichtigung des zapotekischen Kalenders 507
Abb. 1 — 4. lakin Osten, xamau Norden, chikin Westen, noTiol Süden 523
„ 5 — 7. ti cab unten 523
„ 8. zac eilftes Jahresfest der Maya 523
„ 9. yax zehntes Jahresfest der Maya 523
„ 10, 11. yax kin siebentes Jahresfest der Maya 523
„ 12. Hieroglyphe der rothen Göttin mit den Jaguartatzen 523
„ 13 — 16. Der gelbe, rothe, weisse, schwarze Bacab (?) 523
„ 17, 18. Der rothe und der schwarze Bringer der Jahre (?) 523
„ 19—22. kan gelb, chac roth, zac weiss, ek schwarz 523
Zu Seite 524 : — Codex Cortes 41, 42, die vier Viertel des Tonalamatl's
und die vier Himmelsrichtungen.
„ 23. Hieroglyphe Äh bolon tz'acab's, des Wassergottes, des Eegenten der
Jahre des Ostens 526
„ 24. Hieroglyphe Kinch ahau's, des Sonnengottes, des Regenten der Jahre
des Nordens 526
„ 25. Hieroglyphe Itsamnd's, des alten Gottes, des Regenten der Jahre des
Westens 526
„ 26. Hieroglyphe i^ac mann ahaii's, des Herrn der sechs Unterwelten, des
Regenten der Jahre des Südens 526
„ 27. Andere Form der Hieroglyphe Ah bolon tz'acab 526
„ 28. Begleithieroglyphe Kinch ahau's 526
„ 29. Begleithieroglyphe Ifzanuiä's 526
., 30. Andere Form der Hieroglyphe Uac mitun ahau 526
„ 31 — 34. Varianten der Hieroglyphe xaman „Norden" 526
„ 35, 36. Feueropfer (Hieroglyphe yax-kan) 526
„ 36b. Weinkrug 526
„ 37—63. Verschiedene Hieroglyphen und hieroglyphischc Elemente 537
„ 64 — 77. Hieroglyphe caban und ihr Vorkommen in anderen Hieroglyphen . . 549
YY Verxeichniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Abb. 78 — 84. Hieroglyphe cauac und ihr Vorkommen in anderen Hieroglyphen . . 549
^85. „ ^1«» Stein M9
„ 86, 87. „ ahau 549
88. „ eb 549
Dritter Abschnitt. 11. Ein neuer Versuch zur EntzlHerung der Maya-Schrift . 558
Abb. 1. Der als Schlange verkleidete Gott, mit der Hieroglyphe t/aa--kan. . . . 559
,. 2. 3. Opfergabe .Leguan?) 559
„ 4, 5. Hieroglyphe yax-kaiiy Feueropfer 559
Dritter Abschnirr. 12. Does there really exist a phonetic key to the Maya
Hieroglyphic writing? 562
Abb. 1 — 17. Buchstaben des Landa'schen Alphabets und ihnen entsprechende hiero-
glyphische Elemente 563
18. Hirsch und Hieroglyphe , Fangen" 563
19 — 22. Hieroglyphe des Truthahns fcutz). des Hundes (pel-J und des Uinal's
k-(ni hn 563
23. Der Todesgott 563
24—28. Landa's Wort l< .Lasso" und andere Elieroglyphen 563
,. 29, 30. Hieroglyphe i/aar-kan ^Feueropfer" 563
.. 31 — 33. Der Jäger 563
A. Cyrus Thomas's erstes Beispiel. Codex Tro 22* a 564
B. „ zweites Beispiel. Codex Cortes 26 564
C. „ drittes Beispiel. Codex Tro 32* b 564
Dritter Abschnitt. 13. Is the Maya Hieroglyphic Writing phonetic? 568
Abb. 1 — 16. Zifferschreibung auf den C'ojxsr« -Stelen 569
„ 17 — 20. Vorkommen der Hieroglyphe i/a.r-l-aii 569
„ 21, 22. Der Gott mit dem aus einer Schlange gebildeten Gesicht und seine
Hieroglyphe. Dresdener Handschrift 5a, lob 569
,. 23 — 35. Hieroglyphe ..Faugen" 569
^ 36, 37. Gegenseitige Vertretung der Hieroglyphen f:an und 7.-/;i 569
., 38. Xochiquetzal und der Tanzgott, musizirend. Codex Borgia 60
(- Kingsborough 55i 572
,, 39. Xochiqudzai und der Mondgott, musizirend. Codex Land 39 ... . 572
„ 40. Das indianische Orchester. Dresdener Handschrift 34 a 573
., 41, 42. Rasselstabschwinger und Paukenschläger. Codex Tro 24* 23* d . , . 573
43. Paukenschläger. Codex Mendoza 573
44. Das Orchester bei dem Bacah des Ostens. Codex Tro 24 574
45, 46. Paukenschläger und seine Hieroglyphen. Codex Tro 35 b 574
47. Norden, Westen, Süden. Osten und der weisse, schwane, gelbe, rothe
Bacab. Dresdener Handschrift 29, 30 c 574
48. Der gelbe, schwarze, weisse, rothe Bacal. Codex Tro 31, 30d . . . 574
Dritter Abschnitt. 17. Das Tonalamatl der alten Mexikaner 600
Abb. 1. Die neun Herren der Stunden der Nacht Codex Telleriano-Remensis . 604
M 2. „ „ ., „ „ ^ ■ ,, Codex Borbonicus 605
3. ^ „ ,. „ .. ^ „ Tonalamatl der Aubin'schen
Sammlung 605
n 4, 5. „ „ „ ^ „ .. ,, Codex Bologna 606
6. Die dreizehn Vögel. Codex Borgia 607
Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes. XXI
Seite
Abb. 7. Die dreizehn Vögel. Codex Borbonicus 608
„ 8. „ ,. „ Toualamatl der Aubia'schen Samiiilung 608
,. 9. Die dreizehn Herren der Stunden des Tages. Codex Borbonicus .... GIO
M 10. „ „ „ „ „ „ „ Tonamatl der Aubin'schen
Sammlung 610
Dritter Abschnitt. 18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex
Borgia-Grnppe 618
Abb. 1. tonatiu/i, die Sonne. Sahagun. Ms. Biblioteca del Palacio 619
„ 2. metztli, der Mond. Sahagun. Ms. Biblioteca del Palacio 619
„ 3. citlalpol, der grosse Stern, der Morgenstern. Sahagun. Ms. Biblioteca del
Palacio 619
,, 4. citlalpopoca, der rauchende Stern, der Komet. Sahagun. Ms. Biblioteca
del Palacio G19
,, 5. citlallamhia, der schiessende Stern. Sahagun. Ms. Biblioteca del Palacio 619
„ 6. Das Sternbild inamalhuaztli, Feuerbohrer. Sahagun. Ms. Biblioteca del
Palacio 620
„ 7. Das Sternbild miec, Haufe, die Plejaden. Sahagun. Ms. Biblioteca del
Palacio 620
,, 8. Das Sternbild citlallachtli, StembaUspielplatz. Sahagun. Ms. Biblioteca
del Palacio 620
., 9. Das Sternbild xonecuilU, das S-förmig gekrümmte. Sahagun. Ms. Biblio-
teca del Palacio 620
„ 10. Das Srembild colotl „Skorpion". Sahagun. Ms. Biblioteca del Palacio. . G20
„ 6 a — 10 a. Die Sterne, die den in 6 — 10 genannten mexikanischen Sternbildern
entsprechen 621
„ 10b. Himmelskarte der Hui chol-In dianer des Staates Jalisco. (Nach Lumbholtz) 622
,, 11. Tlauizcalpan tecutli, Gottheit des Morgensterns, und Hieroglyphe Ce acatl
„eins Rohr". Codex Telleriano Remensis'f. 14, verso (= Kingsborough II, 14) 626
„ 12. Xiuhteciitli, der Feuergott, und Tlauizccdpan tecutli, Regenten des neunten
Tonalamatl-Abschnitts. Tonalamatl der Aubin'schen Sammlung 9 . . , . 628
„ 12 a. Dieselben. Codex Borbonicus 9 629
,, 12b. Mumienbündel, für den toten Krieger errichtet. Bilderhandschrift der
Florentiner Biblioteca Nazionale 630
„ 13. Xiuhtecutli, der Feuergott, und Tlauizcalpan tecutli^ Regenten des neunten
Tonalamatl-Abschnitts. Codex Borgia 69 (= Kingsborough 46) 631
,, 14. Dieselben. Codex Vaticanus B 57 {= Kingsborough 40) 632
„ 15. Mixcouatl, Gott des Nordens. Codex Borgia 25 (= Kingsborough 14) . . 635
„ 16. „ „ „ „ „ Vaticanus B 70 (= Kingsborough 27) 635
,. 17. Gott des Ostens, erster der vier Hüter der zweiten Venusperiode. Codex
Borgia 15 (= Kingsborough 24) 636
„ 18. Tlauizcalpan tecutli, Gottheit des Planeten Venus, zweiter der vier Hüter
der vierten Venusperiode. Codex Borgia 16 (= Kingsborough 23) ... . 637
„ 19. Mixcouatl, der Gott der Jagd, zweiter der vier Hüter der fünften Venus-
periode. Codex Borgia 15 (= Kingsborough 24) 637
„ 20. Tlauizcalpan tecutli, Gottheit des Planeten Venus. Codex Vaticanus B 37
(= Kingsborough 85) 637
„ 21. Mixcouatl, der Gott der Jagd. Codex Vaticanus B 37 (= Kingsborough 85) 637
„ 22. Xochipilli, der dritte der vier Hüter der ersten Venusperiode. Codex
Borgia 16 (= Kingsborough 23) 638
„ 23. Tonatiuh, der Sonnengott, dritter der vier Hüter der zweiten Venusperiode.
Codex Vaticanus B 38 {- Kingsborough 86) 638
., 24. Chalchiuhtlicue, Göttin des jQüessenden Wassers, vierte der vier Hüter der
vierten Venusperiode. Codex Borgia 17 (= Kingsborough 22) 639
II*
jj^jj Verzeicliniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Abb. 25. Gottheit des Abendsterns, en face gezeichnet, mit dem Quincunx weisser
Flecke im Gesicht, der Hieroglyphe des Planeten Venus 641
2H. Hieroglyphe des Planeten Venus. Dresdener Handschrift 4G — 50 .... 641
97 .. „ „ „ Von Himmelsschildern der Dresdener
Handschrift 641
,, 28. Hieroglyphe des Planeten Venus. Copan. Altar E 641
„ 29. Tlaui-calpan tecutli. Codex Borgia 19 (= Kingsborough 20) 642
30. Qitft^ah-OKatl und. TIai<hc(tlj)an tecutli. Codex Borgia 19 (= Kingsborough 20) 643
31. Tlait/ci-alpan tecutli, Eegent der ersten der fünf Venusperioden. Codex
Vaticauus B 80 (= Kingsborough 17) . . .- 644
., 32. Derselbe. Codex Borgia 53 (= Kingsborough 62) 645
,. 33. Derselbe. Eegent der zweiten der fünf Venusperiodeu. Codex Bologna 9 646
,, 34. Vhcdchiuhtlicue, die Wassergöttin, vom Speer des Planeten Venus getroffen.
Codex Vaticanus B 81 (= Kingsborough 16) 649
„ 35. Ah bolon ts'acab, der Wassergott, vom Speer des Planeten Venus getroffen.
Dresdener Handschrift 46 649
„ 36 — 38. Ah bolon tz'ocab, die Wassergottheit. Dresdener Handschrift 3 a,
7a, 12a 649
„ 39. Dieselbe. Dresdener Handschrift 25 b 650
„ 40. Der Eegengott CJiac, auf der Schlange Ah bolon tz'acab reitend. Codex
Tro 26 b 650
„ 41. Uiic ekel ahaii und Ah bolon tz'acab. Copan. Stele D 651
„ 42. Dieselben. Copan. Stele D 651
„ 43. Hieroglyphe Ah bolon tz'acab. Copan. Stele J 651
„ 44. „ „ „ „ „ Altar E 651
„ 45. „ „ „ „ „ Stele P 651
„ 46. Ah bolon tz'acab, als Helmmaske. Eelief von Menche Tinamit 651
„ 46 a. „ „ „ im Eachen der Schlange. Detail der Stele D von Copan 651
,, 47. „ „ ,, auf dem Stabe 651
„ 48. Tezcathpoca, vom Speer des Planeten Venus getroffen. Codex Borgia 54
{- Kingsborough 61) 652
„ 49. Der Jaguar, vom Speer des Planeten Venus getroffen. Codex Vaticanus B 84
(= Kingsborough 13) 652
„ 50. Der Jaguar, vom Speer des Planeten Venus getroffen. Dresdener Hand-
schrift 47 652
„ 51. Cinteotl, der Maisgott, vom Speer des Planeten Venus getroffen. Codex
Borgia 54 (= Kingsborough 61) 653
„ 52. Derselbe. Codex Bologna 9 653
„ 53. Der Gott mit dem Äff»-Zeichen. Vom Speer des Planeten Venus getroffen.
Dresdener Handschrift 48 653
„ 54. Der Gott mit dem Äa«-Zeichen. Dresdener Handschrift 9a 653
„ 55. tlatocayotl, das Königthum, vom Speer des Planeten Venus getroffen.
Codex Borgia 54 (= Kingsborough Gl) 654
„ 56. Dasselbe. Codex Vaticanus B 83 (= Kingsborough 14) 654
„ 57. quauhi/otl, die Kriegerschaft, vom Speer des Planeten Venus getroffen.
Codex Borgia 54 (= Kingsborough 61) 654
„ 58. altepetl, die Gemeinde, vom Speer des Planeten Venus getroffen. Codex
Vaticanus B 82 (= Kingsborough 15) 654
„ 59. Die Schildkröte, vom Speer des Planeten Venus getroffen. Dresdener
Handschrift 49 655
„ 60. Der Krieger, vom Speer des Planeten Venus getroffen. Dresdener
Handschrift 50 655
„ 61. aac, die Schildkröte. Codex Perez 24 655
„ 62. „ „ „ Codex Cortes 655
„ 63. kayab, das siebzehnte Jahresfest der Maya 655
Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes. XXHI
Seite
Abb. 64. Der schwarze Gott, der Regent der ersten Venusperiode. Dresdener Hand-
schrift 46 661
„ 65—67. Der schwarze Gott. Dresdener Handschrift 7a, 14c, 14 b 661
„ 68. Der Regent der zweiten Venusperiode. Dresdener Handschrift 47 ... . 661
„ 69. TJaidzcalpan tecutli. Codex Vaticanus B (= Kingsborough 17) 662
70. Sternauge oder Strahlauge. Wiener Handschrift und Wandmalereien
von Mitla 663
,, 71. Der Vogel Moan. Dresdener Handschrift 10a 663
,, 72. Der Regent der dritten Venusperiode. Dresdener Handschrift 48 ... . 663
„ 73. Der Hirschdämon. Dresdener Handschrift 13 c 665
„ 74. Die alte Göttin am Webstuhl. Codex Tro ll*c 665
„ 75. Der Regent der vierten Venusperiode. Dresdener Handschrift 49 ... . 665
„ "^e. „ „ „ fünften „ „ „ 50 ... . 665
„ 77. Die vier und die neun Formen des Abendstems. Codex Borgia 45 (- Kings-
borough 70) 667
Dritter Abschnitt. 19. Quetzal couatl-Knknlcan in Tucatan 668
Abb. 1. Das Hauptgebäude in Chi ch'eti Hza. (Nach Diego de Landa) 671
„ 2. Grundriss und Aufriss des Tempels „Caracol" in Chi ch'en Itza. (Nach
Holmes) 677
„ 3, 4. Relieffiguren aus dem Innern des Tempels „El Castillo" in Chi ch'en Itza 680
„ 5. Relieffiguren aus dem Innern des „Tempels der Jaguare und der Schilde"
in Chi ch'en Itza 682
„ 6. Geschnitzter Deckbalken aus dem Innern des „Tempels der Jaguare und
der Schilde" in Chi ch'en Itza 683
„ 7. Die ersten drei Figuren der linken Hälfte der untersten (fünften) Reihe des
Reliefs an der Hinterwand des Saales E am Ballspielplatze in Chi ch'en Itza 684
„ 8. Figuren der untersten (fünften) Reihe des Reliefs an der Südwand des Saales E 684
„ 9. Die ersten drei Figuren der rechten Hälfte der untersten (fünften) Reihe
des Reliefs an der Hinterwand des Saales E 685
„ 10. Die vierte bis sechste Figur der rechten Hälfte der untersten (fünften)
Reihe des Saales E 685
„ 11. Figuren aus der Mitte der dritten und vierten Reihe 687
„ 12. Figuren aus der zweiten Reihe 689
„ 13. Figuren aus der ersten (obersten) Reihe des Reliefs an der Hinterwand
des Saales E am Ballspielplatze in Chi ch'en Itza 690
„ 14. Quetzalcouatl-Kukulcan, Relief am Mausoleum III in CM ch'en Itza. (Nach
Photographie von Teobert Maler.) 692
„ 15. Periode von 8 x 52 Jahren. Ebendort. (Nach Photographie von Teobert
Maler.) 693
„ 16. ce xitiitl „eins Jahr"*, Bilderhandschrift der K. K. Hof-Bibliothek in Wien 694
„ 17. xiuhmolpiUi, s. toxitihmolpia -Jahresbündel" oder „unsere Jahre werden
gebunden" = 52jährige Periode. Historia Mexicana. Ms. Sammlung Aubin 694
„ 18. Hieroglyphe des Planeten Venus nach der Dresdener Handschrift und an
dem Altar R in Copan . 695
„ 19. Schmales Reliefband über dem Thüreingang des Ostflügels der Casa de
Monjas in Chi ch'en Itza. (Nach Maudslaj.) 695
„ 20. Leithieroglyphe für die zwanzig Gottheiten in der obersten Reihe der
Blätter 4 — 10 der Dresdener Handschrift 696
„ 21. Kukul can (?). Dresdener Handschrift 4 a 696
„ 22. Der junge Gott. Dresdener Handschrift 4c, 6a, 7c, Ha, 12b 697
„ 23, Derselbe (?), mit der Maske des Regengottes. Dresdener Handschrift 12 c 697
„ 24. Der Gott mit dem chicchan-Fleck. Dresdener Handschrift 7 b, 21c, Codex
Tro 9*b, Dresdener Handschrift 69. Schlangenleib. Codex Tro 12 . . . 697
jj^jy Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Abb. 25. Begleithieroglyphe für Kuhulcan(J) 700
„ 26. Hieroglyphe „das Thier mit der erhobenen Tatze" 700
„ 27. Hieroglyphe? 700
,. 28. Kukul can (?) Codex Tro 22 700
., 29. Kukul can (?) Codex Tro 31b 700
„ 30. Hieroglyphe tun (= Zeitraum von 360 Tagen) 705
,, 31. „ pax, sechszehntes Jahresfest der Mexikaner 705
Dritter Abschnitt. 21. Die Monumente von Copan und Quiriguä und die Altar-
platten von Palenque 712
Abb. 1. Altarplatten vor der Stele C in Copan, zum Theil ergänzt. (Nach
Memoirs of the Peabody Museum, Heft I) 714
,^ 2. Altar vor der Nordseite der Stele N von Copan 714
„ 2a, 2b. c'«»«f-Zeichen, von Altären in Copan 714
„ 3. Katun-Zeichen. Copan Stele D 715
4^ 5, „ „ ., ,, C, Südseite und Nordseite 715
6—8, „ ,, „ „ P, Süd-, Ost- und Nordseite 715
!, 9. „ V V ,. J 716
10. „ „ „ „ E 716
11. „ ,. „ . A 716
12. „ „ ., „ B 716
13. ., „ „ „ M 716
14. „ „ „ Altar S 716
15. „ ., ,. Stele J 716
16. „ „ „ ., F 716
17. „ „ „ Altar K : . 716
18. „ „ „ Stele N 716
„ 19. „ „ Quiriguä Kröte B 717
„ 20. „ „ „ Stele A 717
„ 21, 22. „ „ „ „ C, Ostseite, Westseite ........ 717
„ 23, 24. ., „ Palenque Kreuztempel I, II 717
^ 25. „ „ „ Sonnentempel .' . . 717
., 26. „ „ „ Hieroglyphentreppe 717
„ 27. 1. ahau. Copan, Stele M 721
„ 28. 8. ahau 8. zo'tz. Copan, Stele M 721
„ 29, 4. ahau 13. cumku. Copan, Altar S 721
30. 3. ahau. Copan, Stele P 721
„ 31. 4. ahau 18. cumku. Copan, Stele B 721
„ 32. 12. ahau. Copan, Stele A 721
„ 33. 5. ahau. „ „ J 721
„ 34. 6. ahau 13. (?) kai/ab. Copan, Stele C, 1, 2 721
„ 35. 4, (?) ahau 8. (?) cutnku. „ „ C, la, 2a 721
„ 36. 10. ahau. Copan, Stele D 721
., 37, 6. ahau. Quiriguä, Stele A 721
„ 38. 4. ahau 8, cumku. Quiriguä, Stele C, Ostseite 721
„ 39, 6. ahau 13. yaxkin. „ „ C, Westseite 721
„ 40. 8. ahau 18. tzec. Palenque, Kreuztempel I 721
„ 41. 1. ahau 18. mae „ „ II 721
„ 42 — 44. Ziffersäulen und Daten. Dresdener Handschrift 24, 43b, 31a . . . 722
„ 45. Ziffersäulen und Daten. Dresdener Handschrift 70, 71 — 73a, 71b
rechts 725
„ 46—49. Nach Art der Schreibung auf den Monumenten geschriebene Zahlen-
reihen. Dresdener Handschrift 61, 69 726
„ 50, 51. Desgleichen. Dresdener Handschrift 51, 52 a 727
Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes. XXV
Seite
Abb. 52 — 74. Hieroglyphe k-iu, Einer oder Einzeltage . 729
75. Gesicht des Sonnengottes. Rückseite der Stele H von Copan . . . 732
76 — 101. Hieroglyphe uincd, Zwanziger, oder zwanzig Tage 733
102 — 125. Hieroglyphe tun, Dreihundertundsechsziger oder Zeiträume von
360 Tagen 735
126 — 141. Hieroglyphe kaiioi, das Zwanzigfache von 360 oder Zeiträume von
7200 Tagen 737
142—158. Hieroglyphe des Zyklus, des Zwanzigfachen eines Katun, oder der
Zeiträume von 141000 Tagen 739
159. Die zwanzig Tageszeichen, nach Bischof Landa 741
160. „ „ „ , nach der Dresdener Handschrift . . . 741
161. „ ,, ,, , wie sie auf den Monumenten vorkommen 742
162. Die achtzehn iilnal, nach Bischof Lauda 743
163. „ „ „ , nach der Dresdener Handschrift ....... 743
163 a. Die xina kaba kin, „ „ „ „ 743
164. Die achtzehn uinal und die xma kaba kin, wie sie auf den Monu-
menten vorkommen 744
165. Hieroglyphe Null. Form der Handschriften 747
166 — 168. „ „ „ „ Monumente 748
169. Die sieben ersten Hierogly[)hen der Cedrela-Holzplatte von Tikal . 749
l70, 171. Textdaten und ihre Abstände. Cedrela-Holzplatte von Tikal . . . 750
172. Ostseite des „Enano" = Stele K, von Quirigud 753
173. Anfangshieroglyphen der Nord- und Südseite der Stele C von Copan 756
174. Hieroglyphe Sechs 756
175. „ Fünf 756
176 — 178. 0 caban 10 mol. Altäre Q, S und Hieroglypheutreppe von Copan . 757
179. 10 ahati, acht Tage, 10 kan 10 lamaf. Stele J von Copan .... 757
180. Hieroglyphe Zehn 757
181. Initial Series der Altarplatte des Sonnentempels, Falenque .... 759
182. Hieroglyphen C, D, 7, 8, des Sonnentempcls, Palenque 759
183. Initial Series des Kreuztempels II, Falenque .■ • • 759
184. „ „ „ „ I, „ 759
185. Hieroglyphe der Zahl Eins. Altarplatten Falenque 762
186. Figur und Hieroglyphe der Frau. Dresdener Handschrift .... 762
187. Hieroglyphe der Frau? Palenque 7G2
188. „ der Zahl Drei 763
189. „ „ „ Vier 763
190. Der Sonnengott, knnch ahau. Dresdener Handschrü't 763
191—193. Hieroglyphe der Zahl Fünf 764
194. „ „ ., Fünfzehn 764
195. „ „ „ Fünf 764
196, 197. „ „ „ Zehn 764
198, 199. „ „ „ Dreizehn 764
200. Hieroglyphen von der Mitte und dem Ostflügel des Inschriften-
tempels von Palenque 765
201. Hieroglyphe der Zahl Sechszehn 765
202. „ „ „ Sechs T65
203. „ ,. „ Achtzehn 766
204. „ „ „ Acht "«ÖG
205, 206. Bild und Hieroglyphe des Gottes mit dem /««-Zeichen. Nach der
Dresdener Handschrift 766
207—209. Dritte, zweite und erste der Zahlhieroglyphen der Altarplatte des
Kreuztempels I von Falenque 767
210—212. Hieroglyphe der Zahl Neun 768
213 — 217. Hieroglyphengruppen vom Inschriftentempel von Palenque 769
XXVI Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Abb. 218. 10 ahaii, 8 ck'eu. Stele D Copan 770
„ 219, 220. Hieroglyphe ch'ccti, neuntes Jahresfest der Maya 770
„ 221. Initial Series der Palasttreppe von Palenqnc 771
„ 222. „ „ „ Stele P von Copan 772
1» 223. „ „ „ „ E » ?5 < '3
„ 224. Hieroglyphen der Zahl Zwanzig 774
,, 225. Die zwanzig Götter der Dresdener Handschrift und die den Multi-
plikatorenzahlen entsprechenden Götterköpfe der Monumente ... 781
„ 226. Eine andere Hieroglyphe für die Zahl Eins 783
Dritter Abschnitt. 22. Einiges mehr über die Monumente von Copan nnd
Quirignä 792
Abb. 1. Hieroglyphe cahan. Westseite der Stele D von Quirigud 792
,, 2 — 11, Götterköpfe in den Katun-Zeichen 793
n 1^ 22. „ 5j ?> 5> '"o
55 23 31. „ 5J 5} 55 "^^^
„ 32. Hieroglyphe Mn. Kröte B von Quh-igud 796
„ 33. „ „ Ost- und Westseite der Stele D von Quirigud . . 796
„ 34, 35. „ uinal. Stele D von Quirigud 797
„ 36, 37. „ tun. „ „ „ „ 797
„ 38. „ katun „ ,, „ „ 797
„ 39. „ des Zyklus. Stele D von Quirigud 797
„ 40. Initial Series der Westseite der Stele E von Quirigud 798
55 '^i* 55 55 55 55 55 55 ^ 5? 55 '«'"
. „ 42. Hieroglyphe 31, 32 der Westseite der Stele F von Quirigud 12 caban,
5 kayab 798
„ 43 a. Hieroglyphe 16 der Westseite der Stele F von Quirigud 798
„ 43b. „ 18, 19 der Westseite der Stele F von Quirigud, 6 cimi,
4 fzec 798
„ 44. Initial Series der Ostseite der Stele F von Quirigud 800
„ 45. Hieroglyphe 16, 17 der Ostseite der Stele F von Quirigud, 1 ahau,
?> zip 800
„ 46. Initial Series der Kröte G von Quirigud 802
47. „ „ „ Stele J „ „ 802
48. Der Tag ahau, Ostseite der Stele D 802
„ 49—51. Quirigud. Stele D, Ostseite, Hieroglyphe 14, Stele E, Ostseite,
Hieroglyphe 17, Stele J, Ostseite, Hieroglyphe 27 803
„ 52. Quirigud, Stele D, Ostseite, Hieroglyphe 21: — 7 aliau, IS pop . . 803
:, 53. Hieroglyphe der Zahl Sieben. Stele D von Quirigud, Ostseite. . . 804
•5 54. „ „ „ Siebzehn. Stele D von Quirigud, Westseite . 804
55 55. „ „ „ „ Kröte B von Quirigud 804
„ 56. Kopf, Hand und Fuss der Figur auf der Nordseite der Stele A von
Quirigud 804
„ 57, 58. Hieroglyphe Null. Kröte B von Quirigud 805
„ 59, 60. „ „ Ostseite der Stele D von Quirigud ....'.. 805
61. „ cimi „Tod" 805
62, 63. Der Todesgott. Dresdener Handschrift 10 a, 12 b 807
V 64. Hieroglyphe der Zahl Zehn. Kröte B von Quirigud 807
,, 65. „ ,, ,, Fünfzehn. Ostseite der Stele D von Quirigud 808
55 66. „ „ „ Vierzehn. Westseite „ „ „ „ „ 808
55 67. „ „ „ Dreizehn. „ „ „ „ „ „ 808
55 68. ,, „ ,, Neun. Kröte B von Quirigud 809
55 69. „ „ ,. ,, Ostseite der Stele D von Quirigud . 809
55 "^O. „ „ „ „ Westseite „ „ „ „ „ . 809
Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes. XXVII
Seite
Abb. 71. Hieroglyphe der Zahl Zwölf. Kröte B von Qim-igud 809
„ 72, 73. „ „ „ Sechszehn. Westseite und Ostseite der Stele D
von Quin'gud 811
„ 74. „ „ „ Acht. Westseite der Stele D von Quirigud . 811
„ 75. „ Null. Form der Handschriften 81.3
„ 76 — 102. „ „ Form der Monumente 814
„ 103, 104. „ „ Copan, Stele D 4, 5 814
„ 105, 106. „ „ Kröte B von Quirigud 815
„ 107, los. „ ,, Ostseite der Stele D von Quirigud 815
„ 109—114. „ der Zahl Eins 816
„ 114 a. „ „ „ Zwei (?). Palenque, Kreuztempel I, A 3 . . 816
„ 115-118. „ „ „ Drei 817
„ 119-122. „ „ „ Vier 817
„ 123—129. ., „ „ Fünf 818
„ 130—132. „ „ „ Sechs 818
133. „ „ „ Sieben 819
„ 134—139. „ „ „ Acht 819
„ 140. Bild und Hieroglyphe des Gottes mit dem A•«?^-Zeichen, des Eeprä-
sentanten der Zahl Acht. Dresdener Handschrift 820
„ 141. Hieroglyphe der Zahl Acht. Stele D von Quirigud, Westseite . . . 820
„ 142—154. Hieroglyphe der Zahl Neun 820
„ 151. „ ., ., „ Kröte B von Quirigud 821
„ 152, 153. „ „ „ „ Ost- und Westseite der Stele D von
Quirigud 821
„ 154. „ „ „ „ Copan. Stele E 821
„ 155—160. „ „ „ Zehn 822
„ 161,162. „ „ „ Zwölf 822
., 163—169. „ „ „ Dreizehn 828
„ 170. „ „ „ Vierzehn 823
„ 171—173. „ „ „ Fünfzehn 824
„ 174—178. „ „ „ Sechszehn 824
,, 179, 180. „ „ „ „ West- und Ostseite der Stele D
von Quirigud 825
„ 181—184. „ „ „ Siebzehn 825
„ 185—188. „ „ „ Achtzehn 826
„ 189,190. „ „ „ Neunzehn 826
„ 191. „ „ „ Zwanzig. Gewöhnliche Foim der Handschriften 827
„ 192. „ „ „ „ Palenque, Kreuztempel I 828
„ 193. „ „ „ „ „ Palast C, Westflügel. . . 828
„ 194. Doppelköplige Schlange, Nephritplatte des Leidener Museums . . . 832
„ 195. Hieroglyphenseite der Nephritplatte des Leidener Museums .... 833
„ 196. Formen des Zeichens malinalli, des zwölften Tageszeichens der
Mexikaner 834
Dritter Abschnitt. 23. Die Cedrela-Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel 837
Abb. 1. Detail vom Fussgestell der grossen Hieroglyphenplatte I von Tikal . . . 838
„ 2. Hauptfigur der grossen Hieroglyphenplatte I von Tikal 839
„ 3. xiuhcouanaualli „Türkisschlangenverkleidung", a.— f. des Feuergottes,
g. UitzilopochtlPs, h. Tezcatlipoca''a 841
„ 4. Der vordere Kopf der Schlange der grossen Hieroglyphenplatte I von Tikal 842
» 5. „ hintere „ „ „ „ „ » » 5? 843
„ 6. Der Sonnenvogel, am oberen Rande der grossen Hieroglyphenplatte I von
Tikal 845
,, 7. Der Sonnenvogel, Stuckrelief von Palenque 845
XXVni Verzeichniss der Abbildungen des ersten Bandes.
Seite
Abb. 8. Skulpturstück am Passe des Tempels 11. Co-pan 847
9. Hieroglyphen der Schildkröte und der neun Riehtungen. Copan Stele B . 847
10. ,. Uuc tk-el ahau und Ah bolon tz'acah. Copan Stele D . . . 848
11 — 18. Hieroglyphengruppen (Zahlen und Daten) von der grossen Hieroglyphen-
platte I von Tikal 849
14. Anfangshieroglyphen (Zahlen und Daten) der Hieroglyphenplatte II von
Tikal 850
15. Hieroglyphe des Vorabends 851
,. 16, 17. Weitere Hieroglyphengruppen (Zahlen und Daten) der Hieroglyphen-
platte II von Tikal 852
., 18. Anfangshieroglyphen (Zahlen und Daten") der Hieroglyphenplatte III von
Tikal 853
.. 19. 12 e'lznab, 11 zac. Hieroglyphenplatte III von Tikal 854
,, 20. Hieroglyphe „Vorabend". Dresdener Handschrift 856
-, 21. „ xma kaba kin. Dresdener Handschrift 858
., 22. „ „ Pahnque 858
„ 23. 13 ik, 20 mol. Kreuztempel I. Palenqiie C. D. 9 859
„ 24, 9 ik, Vorabend sae. Kreuztempel I. Palenque E. F. 9 860
„ 25. 11 caban, Vorabend pop. Kreuztempel I. Palenque P. Q 861
„ 26. Hieroglyphe Vorabend. Kreuztempel I. Palenque 861
.. 27. „ Faststag >?). Inschriftentempel Palenque 861
Krster Abschnitt.
Sprachliches.
1.
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
Originalmitthoilungen aus der Ethnologischen Abtheilung der Königlichen Museen.
Nr. I. Berlin 1885. S. 44— 5G.
Die alten Chronisten erzählen uns, dass die kriegerischen Tnka, nach-
dem sie ihre Eroberungen auf dem Hochlande bis in das Gebiet der
Quillasenca („Mondnasen", von dem mondförmigen Metallschmuck, den sie
in der Nase trugen) von Pasto ausgedehnt, auch in das dem westlichen
Abhang der Cordilleren vorgelagerte Tiefland hinabstiegen und liier längs
der Küste, über die den grossen Smaragd umina verehrenden Manta hinaus,
bis in die Gegend des C. Passaos^) vordrangen. Hier seien aber die Be-
wohner so schmutzig und barbarisch gewesen, dass der Inka den Rückzug
befohlen habe, denn „diese Leute verdienten nicht, dass er ihr Herr sei"^).
Die Wahrheit ist wohl, dass durch diese von Feuchtigkeit triefenden pfad-
losen Urwälder sich einen "SVeg zu bahnen zwar einem Pedro de Alvarado
und seinen eisenherzigen Genossen möglich war, die erobernden Inka aber
hier ebenso wenig vorwärts kamen, wie an den ähnliche Verhältnisse auf-
weisenden östlichen Abdachungen der Anden. Für die Conquistadoren hatten
diese Gegenden Interesse, denn hier irgendwo in der Nähe von Manta und des
von den Spaniern gegründeten Santiago de Puerto Viejo wurden die schönsten
und grössten Smaragden gegraben, die überhaupt je in der neuen Welt
angetroffen worden sind. Auch an Gold und Silber waren diese Indianer
reich, wie die Genossen Alvarados erfuhren, von denen freilich die
meisten ihre erbeuteten Schätze wieder weg warfen, da sie in dem öden
Hochgebirg, von Hunger und Kälte erschöpft, kaum ihre Leiber mehr
weiter schleppen konnten. Die dauernde Ansiedelung der Spanier hatte
1) [So nennt es Cieza de Leon, der die Lage dieses Vorgebirges als mit der
Aequatorialhnie zusammenfallend angibt. Auf der Wolf sehen Karte von Ecuador
ist es als Caho Pasado bezeichnet.]
2) Garcilasso I, 9, 8.
1*
4 Erster Abschnitt: Sprachliches.
die Christianisirunu der Eingeborenen zur Folge. Später machten hier,
wie überall in dem der Kultur erschlossenen tro})ischen Amerika, die
Neoer dem einheimischen Element erfolgreich Konkurrenz. So sind von
den ursprünglichen Verhältnissen nur noch schwache Reste anzutreffen.
Cieza de Leon unterscheidet in den Territorien von Puerto Viejo
und Guayaquil zwei Arten von Eingeborenen. Die einen, die am C. Passaos
und am Fluss von Santiago und weiter südwärts, also in der heutigen
Provinz Manabi, Wohnenden seien dadurch unterschieden, dass sie ihr
Gesicht zeichneten, und zwar giengen die Striche von der Ohrwurzel bis
zum Kinn ^). Die anderen nennt er nicht; aus dem ganzen Zusammenhang
aber geht hervor, dass er den ersteren die Huancavillca von Guayaquil
eeffenüberstellt, deren Stammbesonderheit war, dass den Kindern schon
im frühen Alter drei Zähne jeder Kinnlade ausgebrochen wurden^), was
Garcilasso als eine ihnen vom Inka für ruchlose Empörung auferlegte
guädige Strafe darstellt'). In der Nähe der betriebsamen Hafenstadt sind
die alten Stammeseigenthümlichkeiten längst dahin geschwunden. Und
so auch fast in dem gesammten sich nordwärts erstreckenden Küstengebiet.
Aber in dem von Urwald bedeckten und von zahlreichen Wasseradern durch-
zogenen Berggewirr, dem Quellgebiet der Flüsse Daule, Palenque und Toachi,
wo zahlreiche Querriegel die westliche Hauptcordillere mit den Küsten-
ketten verbinden, finden sich noch ein paar Dörfer, die von Indianern be-
wohnt werden, welche die echten unverfälschten Nachkommen der alten
Bewohner von Manabi zu sein scheinen. Es sind dies die Dörfer Santo
Domingo, San Miguel und Cocaniguas, deren Bewohner unter dem Namen
Colorados bekannt sind, so genannt, weil sie sich das Gesicht*), oder, wie
Herr de Wiener angibt, der sie im Jahre 1880 besuchte, von Kopf zu
Fuss ziegelroth anstrichen^). Sie werden in Ecuador mit den anderen
nicht Hochland bewohnenden Indianern unter dem Generalnamen Yumbo
zusammengefasst^), welcher hier statt des alten Namen Yuuca gebraucht
wird, und sind, neben den Cayäpa, die einzigen Indianer der Westseite
Ecuadors, die noch eine eigene Sprache bewahrt haben.
Im Uebrigen wusste man von ihnen wenig. Halbwegs nach Latacunga
zweigt sich von der grossen, von Quito nach Guayaquil führenden Land-
strasse ein Pfad ab, der, zwischen den Vulkanen Corazon und Iliniza
hindurch, nach Santo Domingo de los Colorados führt'). Es ist ein Fuss-
pfad, der durch den Urwald geht und die zahlreichen Rinnsale auf einzelneu
1) Cieza I, 46.
2) Cieza I, 49.
3) Garcilasso I, 9, 3.
4) Manuel Villavicencio, Geogr. Rep. Ecuador, S. 295 u. 296.
5) Globus 47, S. 274.
6) Villavicencio, 1. c. S. 16«.
7) Briefliche Mittheilung des Bischofs Thiel von Costa Rica.
1. Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador. 5
darüber gelegten Baumstämmen überschreitet. Als ausgezeichnete Wald-
läufer helfen die Colorados den Weissen »und Negern bei <ler Gewinnung
des Kautschuk. Sie bringen nach Quito W^achs, Kautschuk, Krdnüsse und
getrockneten rothen Pfeffer.' Von Santo Domingo aus kommen sie bis-
weilen an den Charapoto hinab nach den Hauptorten der Provinz Ma-
nabi. Von San Miguel aus gehen sie im Kanu nach Baizar am Rio
Daule und bis nach Guayaquil. Die Leute von Cocaniguas steigen im
Thal des Toachi nach Esmeraldas hinab. Für gewöhnlich leben sie zer-
streut in den Wäldern und sammeln sich nur in ihren Dörfern, wenn an
hohen Festtagen ein Pfarrgeistliclier zu ihnen kommt*). Wegen Mangels
an Priestern ist es indes bisher fast unmöglich gewesen, sie geliörig zu
pastoriren. Ein im Jahre 1S74 vertriebener deutscher Priester, welcher
in Quito wohnte, entschloss sich im Jahre 1880, diese verlasseneu Indianer
aufzusuchen und blieb vier Monate unter ihnen. Im Jahre 1882 gieng er
zu ihnen zurück. Als Dolmetscher diente ihm anfangs der Gobernador,
ein Colorado, welcher das Spanische gut versteht. Jetzt versteht der be-
treffende Priester das Colorado so ziemlich
und ist auch des Quechua mächtig. Er hat
ein kleines Vocabular der Sprache der Colo-
rados und eine üebersetzung der Fragen
des kleinen Katechismus angefertigt, die im
Folgenden zum Abdruck gelangen. Ich er-
hielt dieses Material durch gütige Ver-
mittelung des Herrn Bischof Thiel von Costa
Rica, dessen Eifer für die Wissenschaft wir
eine schöne Sammlung von Wörtern der Costa
Rica- Sprachen verdanken.
Die Notizen, die mir der Herr Bischof ausserdem über das Aeussere
der Colorados und über ihre Sitten gibt, stimmen im Wesentlichen mit
dem überein, was Herr de Wiener, der, wie erwähnt, im .lahre 1880
in S. Miguel war und seine hiformationen dort von demselben Priester
erhielt, vor Kurzem veröffentlielit hat^). Die Colorados sind hellgelb
(von der Farbe des gelblichen Elfenbeins, sagt Herr de Wiener). Unter
den 500, welche gesehen wurden, hatten drei langes blondes Haar und
röthliche Augen. (Herr de AViener gibt noch an, dass sie Gesicht und
Arme manchmal durch Zeichnungen entstellen, und gibt eine nach einer
Photographie angefertigte Zeichnung eines Colorado, wo Paare von Strich-
bändern über Stirn, Nase und von der Ohrwurzel zum Kinn gezogen sind,
an die Beschreibung erinnernd, die Cieza de Leon^) von der bei den
1) Villavicencio, 1. c. S. 295.
2) Globus 47, S. 274.
3) — „y comienza la labor desde el nacimiento de hi oreja y suporior del,
y deciende hasta la barba, del anchor quo cada uno quiere".
Erster Abschnitt: Sprachliches.
alten Bewolinern von Puerto Viejo üblichen Bemalung gibt.) Vgl. die
umstehende Abbildung. Die C(dorados gehen nackt umher, haben nur eine
kleine Schürze um die Lenden. (Nach Herrn de Wiener tragen sie Feder-
kronen, metallene Armbänder und kleine Ponchos, ganz ähnlich denen, wie
sie in peruanischen Gräbern gefunden werden; ausserdem Halsbänder aus
Körnern. Yogelknochen und europäischen Glasperleu.) Sie leben ein fried-
liches, unschuldiges Leben in ihren Wäldern. Eigenthümlich ist ein Brauch,
den sie bei der Bestattung üben. Sie begraben ihre Todten unter einem
o-rossen Baume. Um den Leib des Todten wird eine Schnur gebunden,
die aus dem Grabe herauskommt und lang genug sein muss, um oben an'
einem Aste befestigt zu werden. Täglich besuchen sie ihre Todten, setzen
Mais und Chicba hin. So lauge die Schnur noch nicht verfault ist, glauben
sie, bleibe die Seele des Todten in der Umgegend. Wenn die Schnur
zerreisst, hat die Seele ihren Weg zum Grossen Geiste gefunden^).
Ich lasse nun die Wörter und Phrasen in der Form und Ordnung
folgen, wie sie mir überliefert sind, meine Bemerkungen mir zum Scliluss
sparend. Die Zahlen über fünf und einige andere Wörter sind dem
Queclma entnommen, wie ich das in den beigesetzten Klammern gleich
bemerkt habe. Ch wird wie im Spanischen, also wie ts; sh wie im
Englischen, also wie s, ausgesprochen.
"20. zehnmal chunyane.
"iL der erste caque.
22. der zweite venetdläle.
der dritte ndne pele.
der vierte neanaca.
\. eins manga.
2. zwei palugd.
o. drei paiman.
-t. vier humbä lulö.
5. fünf Tnanta.
6. sechs sta (quech. soyta).
7. sieben cancJd (quech. canchis).
8. acht poza (quech. pusay).
9. neun ishco (quech. iskoii).
10. zehn chunga (quech. chunca).
IL hundert patza (quech. pachayj).
12. zweihundert palupdtza.
13. tausend mü (span.).
14. zweitausend pahi mü.
L"). einmal mdnere.
1(). zweimal palune.
17. dreimal paimane.
15. viermal humpalulone.
Lt. fünfmal mantane.
u. s. w.
2;i
24.
25. der fünfte naneand.
26. der sechste nanean beneche.
27. ich la.
28. du nu.-
29. er 7ie.
30. wir lache.
31. ihr nuche.
32. sie nuche.
33. mein Vater luchi dpa.
34. dein Vater 9iuchi dpa.
35. sein Vater chitichi dpa.
36. Bruder acö.
"61. meine Brüder hantachi acö.
38. deine Brüder hannuchi acö.
39. seine Brüder hanchitichi acö.
1) Briefliche Mittheilung des Bischofs Thiel. Vgl. die Darstellung de
Wiencr's im Globus, die nur in unwesentlichen Details abweicht.
1. Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
40. Kirche i)ampa. 81.
41. unsere Kirche cocina pampa. 82.
(? cocina span. „Küche".) 83.
42. ich habe tcigöe. 84.
43. du hast nutde. 85.
44. er hat yatäe. 86.
45. wir haben chiquilla tdgöe. 87.
46. ihr habt llatcigoe. 88.
47. sie haben ya lldte. 89.
48. er ist chiquilla. 90.
49. ihr seid nuinanga. 91.
50. Regen chvdptana. 92.
51. Himmel iöquido oder 93.
52. lochincho. 94.
53. Sonne iö. 95.
54. Mond j)e. 96.
55. Stern tzabö. 97.
56. Donner cunta. i 98.
57. Blitz pinda. j 99.
58. Hitze chibage oder j 100.
59. lo balbd höe. \ 101.
60. Kälte hidage. j 102.
61. Tag ma. | 103.
<)2. Morgen ayuna (span.). 1 104.
63. Mittag iö tu. \ 105.
64. Abend qtie bina. 106.
65. Xacht lerne hua oder 107.
66. quepe. 108.
67. Woche domingo (span.). , 109.
68. eine Woche ma domingo. \ 110.
09. Monat mampe.
70. Jahr watd (quech. huata). 111.
71. Kopf viuchii (quech. muchu 112.
Nacken). 113.
72. Auge cacö. 114.
73. Hand tede. 115.
74. Bein nede. 116.
75. Finger temichu. 117.
76. Mund fiquiforö.
77. Nase quinfü. 118.
78. Bauch pecolo. 1 119.
79. Herz teng ca. j 120.
80. Haar apichü. 1 121.
Armschmuck caläiatechili.
Koj)fschmuck michu chili.
Halsschmuck chululuvi oder
chululü.
Nasenschmuck zocpe.
Körper chilatzatze pöcd.
Seele, Geist puianco.
Blut assang.
Leben chiquilla sondnu.
klein, kurz nachine, sinanü.
lang odnga sönanü.
Gift chuilla.
krank quiangpu oder
quiimpo.
gesund mosait näio.
gesund seseinba.
todt puana.
Schmerz quianguü.
der Tod puiang pu.
Mann unilla.
Weib söna söna.
Yater apd.
Mutter ayd.
Sohn nao.
Bruder acö.
Schwester soque.
Onkel mampi.
Tante mdmpeso.
Tochter namä.
Jüngling mangar mozo (halb
span.).
alt unica.
Fieber hieddcpara.
roth chachüa.
weiss fibaga.
schwarz fabdga.
Haus id.
Thür tamo pongo (quech. tampu
puncu Herbergsthür?)
Dach uriridpa.
Küche näda.
Ochs uald.
Pferd queld.
Erster Abschnitt: Sprachliches.
122. Schwein cutchi (spau.).
163.
123. Huhn ualpa (vgl. queoh. ata-
164.
'huallpa).
165.
124. Hühnchen ualpana.
166.
125. Hahn ualpa ujiila.
167.
126. neu pipoca.
168.
127. Fleisch tachiga.
169.
128. Hund chuch? (aztek. span. am.
170.
chicht).
171.
129. "Wasser, Flu>s pe.
172.
130. Salz pima.
173.
131. ein Thal er Salz malibai-ra pima.
174.
132. Milch zahebe.
175.
133. Brod hibü.
176.
134, Brennholz te.
177.
135. Gras zeld.
178.
136. Feuer ni.
179.
137. Teller vibdnido (?).
180.
138. Gefäss garro (span. jarro Krug).
181.
139. Stück mdmbite.
182.
140. Stein cku.
183.
141. Fisch oazd.
184.
142. Angel berü.
185.
143. Decke foaeä.
186.
144. Yogel pichö {quech. pickiu.piscu).
187.
145. Gold laquegala.
188.
146. Silber ^a/a.
189.
147. Messer eiickiüo (span.).
190.
148. Baum chitue.
191.
149. Berg heU.
192.
150. Blatt papd.
193.
151. hart ptoZo hod.
194.
152. Stock cAm^'.
195.
153. Hand e.
196.
154. Pastor pdtile.
197.
155. Weg miniö.
198.
156. Boden to.
199.
157. weit entfernt 6am
200.
158. nahe hate.
201.
159. reich tang.
202.
160. leicht rer«.
203.
161. langsam jucang.
204.
162. viel patagena oder
• 205.
viel legan.
wenig nasine.
nichts ictöa.
gross avä chue.
klein ndgao.
schön, hübsch sehiie.
hässlich diceto.
wild papo.
Wachs cTiinapa.
immer quhiac.
mein tina.
ja ahd oder
hod.
der grosse Sohn and?! ndo.
unverheirathet inangare hunla.
verheirathet unüatang.
wer? moaf
schreiben ckittde.
öffnen forode.
schliessen döde.
verkaufen oside.
kaufen oziäna.
geben üJd oe.
regnen chodgena.
schlagen olaga.
kochen tdde.
essen fide.
weinen oarinü.
sich verbrennen nienü.
knien teleide.
gewinnen gande (span. ganaf).
bezahlen calaquade.
lachen cacdride.
sterben podchi tu oe.
leben sönrade.
begraben tnenäde.
schneiden purede.
graben töade.
säen wöa quede.
tödten uälpato tede.
besteigen chvdide.
sich setzen chüdide.
laufen chvide.
1. Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
206. rufen, laut otide.
207. verzeihen queti oe.
208. streiten quicdlagine.
209. wegwerfen tobiquerede.
210. trinken ctichide oder
211. cuchizd oder
212. cucMLlacede.
213. lügen nene pami.
214. stehlen tarimpo.
215. sündi;jon qneca alügina.
216. sich waschen pipi achd.
217. kämmen paranguizä.
218. schweigen mozarde.
219. antworten becö homö.
220. sich auf die Erde werfen rodwa.
221. sich erheben cupade.
222. arbeiten vitd.
223. essen filainö
224. weinen chinö.
225. gehen maüainö.
226. schlafen catzozd
227. Wie heisst du? timu muna^
228. Wie oft hast du gefehlt? niriam' falta icdto? (Julia span.).
229. Warum hast du gefehlt? riridito katuiof
230. Niemals habe ich gefehlt numare vianta.
231. Guten Tag cimd hua.
232 Gute Xacht ora quebina.
233. Geduld lampo.
234. Süude ozdtang.
235. Zorn pdmque.
236. Liebe Gott, so gehst du zu Gott, zum Himmel Dios chiminechd
ioquidö minechd.
237. Bekenne deine Fehler zing confesa quinesa (confesa span. „beichte,
bekenne'').
238. Klage an deine Fehler nozdtela Idriza.
239. Bete jeden Morgen und Abend quepena lechdquina telale quehi rezagi
hdginu (i'ezar span. beten).
240. Hast du den Zauberer gerufen? ponelabe faHnul
241. Widersprichst du dem Yater? apaga ticJio mecöpätof
242. Widersprichst du der Mutter? ayanga tichi mecöpäto?
243. Widersprichst du dem Gatten? unillaga tequi chomecöpdtof
244. Habe Geduld sequema sönate.
245. Streite nicht tinango areque cdtuna.
246. Sei nicht zornig tinang paituna.
247. Hast du Streit gehabt mit dem Yater? apdga quemif
248. Hast du Streit gehabt mit der Mutter? ayanga quemi?
249. Hast du Streit gehabt mit den Kindern? naoga quemif
250. Hast du Streit gehabt mit den Colorados? tachiUaga quemif
251. Hast du Branntwein getrunken? uguardicnte cuchimif
252. Trinke nur ein Glas tina cuchi tudna.
253. Wirf es fort tobi querede.
254. Hast du Chicha getrunken? mala cuchimif
255. Bist du betrunken gewesen? manina vingang?
256. Das ist böse oudn hoza.
10 Erster Abschnitt: Sprachliches.
•257. Thue es nicht mehr tine cdtu de.
258. (Vom Manne) die Ehe brechen luatuyiäza tinu.
259. (Von der Frau) die Ehe l)rechen viangazdchi tensa muyo.
260. (Von einem jungen Manne) die Ehe brechen mängarin zachi.
261. (Von einem jnngen Mädchen) die Ehe brechen »tangarin zonä.
262. Mit Weibern nicht sclierzen sonülabe tensätana.
263. Mit Männern nicht scherzen unülabe tensutuna.
264. Du hast gestohlen nu tarimayo.
265. Du musst zurückgeben nelohotö pagare quete (pagar S])an. „bezahlen").
266. Du lügst nu neue pchnaijo.
'2Q7. Schlecht vom Xächsten sprechen uianlä pätiiiu, oder
268. huanla meco patinu.
269. Hass oder Rache liaben lachi haga quiremöqueto.
270. Fleisch essen tachica finu.
271. Gott verzeiht dir Dios telega perdonai (spau.).
272. Sündige nicht mehr tinangoza cätude.
273. Es gibt [nur] einen Gott mängarin Dios.
'11 Al. Gott ist im Himmel Dios iöquidobe.
'21b. Gott ist überall Dios chitelate tihele.
276. Gott hat keinen Körper Dios tepö cciitö.
277. Gott weiss Alles Dios telale mi.
278. Gott hört Alles Dios tnerä oe.
279. Gott sieht Alles Dios quidd oe.
280. gut, bös mii^ü oe, jucäng.
281. Die Sonne ist nicht Gott iö Dios chüe.
282. Der Mond ist nicht Gott pe Dios chüe.
283. Gott hat die Sonne, Mond, Körper und Seele gemacht Dios queca
io, pe, lachitzachi., puüngoco.
284. In Gott sind drei Personen Dios chi paiman.
285. Jesus Cliristus ist Sohn Gottes J. C. Dios chi nao.
286. Jesus Christus ist Gott uud Mensch J. C. Dios i imilla.
287. Maria ist Mutter Jesu Christi Maria J. Cristochi aya.
288. Jesus Christus hat keine Süude J. C. tiuzd itö.
289. Jesus Christus starb am Kreuz J. C. chiquilla chitengcld puü.
290. Jesus Christus wurde begraben für drei Tage J. C paiman mamenaco.
291. Jesus Christus erhob sich vom Grabe J. C. paiman mdtemangson oder
292. ./. C. ichundto bine^nenaratni.
293. Jesus Christus ist im Himmel' mit Körper und Seele J. C. amannd
cielobi puca (span. cielo Himmel).
294:. Die Seele stirbt nicht tenga puatumi.
295. Der Körper stirl^t tenga puan mi.
296. Der Hund hat keine Seele chuchu titenga itö.
297. Die Seele ist mehr als der Körper chila chi tenga timila puatumö.
1. Notizen über die Sprache der Colorados vou Ecuador. 11
298. Die Seele geht zu Gott chilla chi tenga Dios hemi.
•299. Der Körper geht zur Erde chilla chi chuzi cato purard hemi.
300. Der Meiiscli hat eine Seele un/lla zachi pi'iihni.
301. Das Weib hat eine Seele sonäla püämi.
302. Im Himmel sterben sie nicht ioquidobi pudti chunci.
303. Im Himmel sind sie nicht krank quic'i hi chtmd.
Einige Personennamen der Colorados:
Biturr, Cömbalo, Grande, Orazona, Jusana, Jchung, Cala-
ciin, Zango, Zaragai, Avaveli, Alope. Machiu, La-
quinchi, Lotehe.
Meist haben sie spanische und Quechuu-Xamen.
Bemerkungen.
Eine genauere Durchsicht des oben gegebenen Yocabulars zeigt, dass
melirere der deutschen Uebersetzungen nur im Allgemeinen den Sinn der
indianischen Phrase wiedergeben, stellenweise vielleicht geradezu irrthümlich
sind. Ich will im Folgenden versuchen, die Sache richtig zu stellen, so
weit es nach dem spärlichen Material möglich ist; zuvor aber dasjenige,
was sich von grammatischen Beziehungen erkennen lässt, zusammenstellen.
Das Genitivverhältniss wird in der Sprache der Colorados durch
die Partikel chi ausgedrückt, die zwischen den Besitzer und den ihm zu-
gehörigen Gegenstand tritt:
la ich, lachi mein, nu du, nuchi dein
J. C. Dios chi iiao., J. Chr. (ist) Gottes Sohn
Maria J. Cristochi aya Maria ist J. Christi Mutter.
Von anderen Yerhältnisssuffixen ist zu erwähnen:
Die Partikel be oder 6«, die wie die gleichklingende Quechua pi den
Locativ bezeichnet, aber auch den Illativ, wofür im Quechua eine
andere Partikel eintritt.
Dios iöquidobc Gott ist im Himmel
J. C. amannä cielobi puca J. Chr. ist im Himmel mit Körper und Seele
ioquidobi pudti chunä im Himmel sterben sie nicht
to bi querede wirf es weg (auf den Boden)
[unillabe tensdtana mit Männern nicht scherzen].
Gemeinschaft und Gegensatz wir<l ausgedrückt durch die Partikel ^a;
apaga ticho mecöpdto? widerspriclist du dem Vater?
apdga quemif luist du Streit gehabt mit dem Vater?
Der Quechua-Partikel yok entspricht die Partikel tang, den Besitzer
des betreffenden Gegenstandes bezeichnend:
unilla tang (wörtlich „einen Mann habend") = verheirathet
ozdtang ist angegeben als „Sünde", bedeutet aber „sündenbehaftef*,
denn „Sünde" heisst ozu, vgl. tinung oza cdtude „sündige nicht melu"- .
Dies tang hängt vielleicht mit tang „reich" und tag ..haben" zusannuen.
1*2 Erster Abschnitt: Sprachliches.
Ein Verbuni substantivum scheint nicht zu existiren:
J. C. Dios i unilla J. Chr. ist Gott und (span. if) Mensch.
Dairegen kommt eine Art copula privativa dadurch zu Stande, dass
das mit dem Suffix itö behaftete Wort durcli vorgesetztes ti einem anderen
angefügt wird, aussagend, dass das durch das letztere bezeichnete Subjekt
die Eigenschaft oder den Gegenstand nicht besitzt, den das erstere Wort
bezeichnet.
ckuchu titenpa itö der Hund hat keine Seele oder ist ohne Seele (tenga)
J. C. tiuzäitö Jesus Christus hat keine Sünde {oza)
Dios tepöcäitö Gott hat keinen Körper {pöca).
Der negirte Satz wird sonst durch tina, tinang gebildet, das auch
absolut in der Bedeutung „nein'' angeführt ist:
tijie cätude thue es uicht mehr
tinang oza cdtude sündige nicht mehr
tinang oareque cdtuna streite nicht
tinang paituna sei nicht zornig.
Daneben aber sind durch Xegativsätze ein paar Phrasen übersetzt, in
denen die Silbe diu eine Eolle spielt:
io Dios chue die Sonne ist nicht Gott
pe Dios chi'/e der Mond ist nicht Gott
ioquidobi puäti chunä im Himmel sterben sie nicht.
A'ielleicht ist das eigentlich*" eine Fragepartikel, entsprechend der gleich-
lautenden des Quechua.
Eine Pluralbezeichnnng tritt nur in den Personalpronomen lache
wir. nuche ihr. [nechej sie und in den Beispielen:
Jian lachi acö meine Brüder, han michi ac6 deine Brüder.
han chitichi acö seine Brüder
hervor, wo han ein vorgesetztes Demonstrativum Pluralis zu sein scheint.
"Von Yerbalsuffixen ist ein Imperativsuffix de deutlich erkennbar:
tohi querede wirf es weg (auf den Boden)
tine cätude thue es nicht mehr
tinang oza cdtude sündige nicht mehr.
Dasselbe Suffix haben auch eine grosse Zahl der in der Liste als Infinitive
aufgeführten Verben (180—83, 188, 189, 19-->, 194. 195, 197- -JOB, -210,
212, 218. 221).
Eine ähnliche Bedeutung scheint auch dem Suffix za oder sa inne-
zuwohnen :
nozätelaldriza bekenne deine Sünden {ozd) alle (Jelale).
Auch dies Suffix weisen mehrere Verba der Liste auf, z. B.:
trinken cuchi-de oder cuchi-za.
Daneben scheint auch eine Art Prohibitiv auf tana, tuna zu existiren:
so7vilabe tensätana mit Weibern nicht scherzen
uniltabe tensätana mit Männern nicht scherzen
1. Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador. 13
tinang paituna sei nicht zornig
tina cucki twina trinke nur ein Glas.
Das Suffix mi tritt in einigen Phrasen auf, die es zweifelhaft machen,
ol) man es als Suffix der zweiten Person oder als Fragejiartikel an-
sehen soll:
mala cuchimif hast du Chichu getrunken?
aguat'diente cuchimif hast du Branntwein getrunken?
apaga quemif hast du Streit gehabt mit dem Vater?
Andere Male wieder tritt das mi in Phrasen auf, die in der Ueber-
setzung offenbar ungenau wiedergegeben sind und wo mau es bald als
Fragepartikel, bald als Affirmativpartikel der dritten Person, vergleichbar
dem Quechua mi ansehen möchte. Diese sind:
tenga puatumi, tenga puanmi^
die übersetzt werden: „Die Seele stirbt nicht, der Körper stirbt", in denen
aber das AYort „Körper" gar nicht vorkommt, uud die mir beide die
Wiedergabe der Frage: „Ist die Seele (tenga) sterblich (püe)?"' zu sein
scheinen. — Ferner
unilla zc'ichi püami,
sonäla püami^
die übersetzt werden: „Der Mensch hat eine Seele, das Weib hat eine
Seele", wo aber wiederum von Seele nichts vorkommt, die mir vielmehr
die Antwort auf die vorigen Fragen zu enthalten scheinen, bedeutend:
„der Körper {zachi) des Mannes stirbt"
„das Weib (d. s. der Körper des Weibes) stirbt".
Verwandt erscheint das Suffix mayo^ bei dem aber eine Fragebeziehung
aus der Uebersetzung nicht erkennbar ist.
7iu tarimayo du hast gestohlen
7iu nene pcimayo du lügst
manga zachi tensäviayo mit einem Manne Unzucht treiben. Ehe
brechen (von der Frau gesagt).
Mit pu oder co werden Verbalnomina gebildet:
pwa, Radikal für „sterben'", puiangpu der Todte
puiangco der Geist des Abgeschiedenen, die Seele
quiang-pu oder quiem-pu krank
tarimpo ist mit „stehlen" übersetzt, scheint aber vielmehr ge-
stohlenes Gut zu bedeuten.
0'', was bei mehreren der in der Liste aufgeführten Verben und auch
unter den Phrasen auftritt, scheint nur eine Bekräftigungspartikel und
vielleicht wie in polo hoä „hart", se hue „hübsch", lo balhd höe Hitze, cimd
hua guten Tag, lerne hua Nacht. Vgl. 174 ahä oder hod „ja'\
Zweifelhaft erscheint ww, das vielleicht eine Causativpartikel dar-
stellt:
ni Feuer, nienu sich verbrennen.
14 Erster Abschnitt: Sprachliches.
P e r s o n a 1 p r o n u lu i ii a sind :
la ii'h. jui du, 7ie oder ya er,
lache wir, miche ihr, [nech']^). ya (oder han?) sie,
iiiui davon werden die Possessi tu
lacht mein, nuchi dein, chitichi sein
mittels der (Tonitivpartikel chi gebildet.
Von anderen Pronominihus ist nur das Interrogativ um moa wer?
angeführt.
Die Grundzahlen sind nur bis fünf vorhanden. Sie lauten:
manga eins, pahtgä zwei, paiman drei, humhälulö vier, manta fünf.
Ueber die ursprüngliche Bedeutung derselben weiss ich nichts an-
zugeben.
manga ist interessant, weil sich hier aus dem Begriff der Einheit,
des Alleinseins, der von „jung, unverheirathef' herausgebildet hat:
mangann Dios es ist nur ein Gott
mangarin zachi ein junger Mann
mangarin zona ein junges Mädchen
viangar mozo (span ) ein Jiingling
mangare hunla unverheirathet.
Die Grundform der Zwei ist offenbar palu, und dieselbe Form ist
auch in der Vier deutlich zu erkennen.
Für die Zahlen 6 — 10 treten die Quechuabezeichnungen ein, ebenso
für 100, w^ährend 1000 durch das spanische 7nil gegeben wird.
Aus den Grundzahlen werden Multiplicativa durch Anhängung der
Silbe ne gebildet.
Ganz abweichend gebildet und dunkel sind die Ordnungszahlen.
[Vielleicht sind das vielmehr die Namen der einzelnen Finger.]
Von syntaktischen Verhältnissen ist, ausser der Genitivbildmig mit chi.
noch zu erwähnen, dass das Attribut vor seinem Nomen steht, über-
einstimmend mit dem Quechna, Aymara und dem Dialekt von Moche und
Eten an der Küste von Peru, aber abweichend vom Chibcha, Guarani und
den Costa-rica- Sprachen.
Ich komme nun zu dem lexicographischen TheiJ. Hier will ich
zunächst einen Punkt erörtern, der mir auffällig gewesen ist. Herr
de Wiener, der, wie ich nach den mir zugegangenen Mittheilungen an-
zunehmen berechtigt bin, seine Informationen über die Colorados dem-
selben deutschen Priester verdankt, welcher das oben abgedruckte Vocabular
gesammelt, gibt an, dass die Colorados sich selbst Sacchas nennen. Unter
den Phrasen oben finden wir:
Hast du Streit gehal)t mit den Colorados? tachillaga quemif
Dieses Wort tachiUa erinnert an zwei Worte. Einmal finden wir das
1) [32. jiucfie „sie" scheint verschrieben für neche.]
1. Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador. 15
Wort zaehi oder tzachi, auch tzatze. Dasselbe erscheint in der Bedeutung-
„Körper**, z. B.:
Dios queca iö pe lachitzachi puringoco Gott hat Sonne, Mond, (unseren)
Körper und Seele gemacht,
aber auch in der Bedeutung „Mensch, Mann" :
mangunn zacJii ein junger Mann
manga zachi tensämayo mit einem Manne Unzucht treiben, Ehe
brechen.
Daneben kommt al)er auch das Wort chilla in der Bedeutung „Mensch"- vor:
chüla chi tenga Dios kernt die Seele (des Menschen) gelit zu Gott
chilla chi tenga timila puatumö die Seele (des Menschen) ist mehr
als der Körper
chilla chi chazi cato purarü hemi der Körper des Menschen geht
zur Erde
chila tzatze pöcci Kör|)er.
Das Wort zachi ist offenbar dasselbe wie Wien er' s Saccha, und zachi
sowohl wie chilla konnten beide aus einer volleren Form tzachilla (= dem
obigen tachilla) hervorgegangen sein. Das tzachilla wiederum erinnert an
chachila „roth". Demnach wäre der von de Wiener angegebene Stamm-
name, wie die in den Phrasen auftretenden Bezeichnungen für Mensch,
Uebersetzungen des Xamens Colorado „roth"', den sie auch im
Spanischen tragen.
Was im Einzelnen die Wörter des Vocabulars angeht, so habe ich
über die Zahlen und die Pronomina schon gesprochen.
Nr. 41. cocina pampa „Unsere Kirche (pampa)"- verstehe ich nicht.
Im Manuscript findet sich die Bemerkung: ,,cocina sicher aus dem Spanischen
Küche".
48. chiquilla ,.er ist" und 45. chiquHla tcigoe „wir haben". Dazu
89. chiquilla sonclnu „Leben" und J. C. chiqiiilla chi tengchi pud „J. Chr.
starb am Kreuz". — Sollte chiquilla mit chilla „Mensch" zusammenhängen?
49. numanga „ihr seid?" dem Wortsinn nach würde man übersetzen
„du allein".
69. mampe „Monat" ist vielleicht „ein {manga) Mond {pey. Vgl. mam-
bite „ein Stück".
75. temichu „Finger" ist vielleicht „Handspitze" (<^'c?^ Hand, muchu
Kopf, Ende?).
76. fquiforo „Mund" ist zu vergleichen mit foro-de öffnen.
79. tengca „Herz" und das in den Katechismusfragen vorkommende
tenga „Seele" sind offenbar identisch.
85. zocpe „Xasenschmuck". Vielleicht von pe „Mond". Vgl. Quillasenca.
86. chilatzatze pöcd „Körper". Offenbar zwei Synonyme: chilatzatze
„Mensch, Menschenleib, Körper" und pöcn („das Sterl)liche"?) der „Körper".
Vgl. 276. Dios tepöcäitö „Gott hat keinen Körper" und 373.
Iß Erster Abschnitt: Sprachliches.
89. chiqiiUla sonünu „Leben", vgl. Bemerkung zu 48.
90. nachine sinanü „klein, kurz", heisst offenbar: ..kurzes Leben"
{\g}. UU. nttsine „weuii;;").
in. ocinga sönanü „lang", offenbar ebenfalls „langes Leben".
98. quianguü „Schmerz", scheint verschrieben für quiangcu oder
quiaiig pu.
9\). yuianypu „der Tod", soll wohl heissen „der Todte", vgl. 87 puiancö
„Seele, Geist" (des Abgeschiedenen) und 283.
lOL söna söna „Weib" ist wohl eine Pluralform durch Verdop])elung.
In den Katechismusfragen ist mehrfach soiuda übersetzt.
108. mampeso „Tante", wohl von mampi „Onkel" und so = sond.
UO. manc/ar mozo ,, Jüngling", s. oben bei manga.
112. hiedtkpara „Fieber", vgl. GO. hidage Kälte.
134:. te „Brennholz" ist wohl eigentlich „Ast, Zweig", vgl. tede Arm,
temichu Finger, Uchili Armschmuck.
161. jucang „langsam", unter 280. auch als „böse, schlecht" angegeben.
Vgl. auch 256 und 267, 268.
166. avä chue „gross", vielleicht „grosser Stock" (chue).
167. nägao „klein", vgl. nasine „wenig'', nao „Sohn" und das Diminutiv
na in ualpana Hühnchen.
168. sehue „hübsch" ist vielleicht se-hüe oder se-oe^ und
169. diceto „hässlich", vielleicht ti-se-itö. Tgl. oben die copula privativa.
180 ff. Die Yerba sind meist in der Imperativform auf de angegeben.
202. udlpatotede „tödten", heisst „ein Huhn (ualpa) tödten".
209. tobiquerede „wegwerfen", heisst wörtlich: „wirf auf den Boden"
{to und Locativsuffix bi).
213. nenepami „lügen", eigentlich wohl „lügst du?", vgl, „reden,
sagen" in 241 — 245, 267 und 268 \\n(\. patile Pastor.
Unter den Phrasen 227 ff. sind mir einige nicht ganz klar geworden.
234. ozcdang „Sünde", heisst wohl eigentlich „sündebehaftet".
236. ? Sollte minechä mit miniö „Weg" zusammenhängen.
239. rezagi offenbar span. reza, rezo Gebet und hüginu = span. hagaf
244. sönate Imperativ „lebe".
278. Dios merd oe „Gott hört Alles" und 280. mird oe „gut", lassen
sich schwer vereinigen, ausser durch die Annahme, dass das Erstere nicht
zutreffend übersetzt ist und eigentlich bedeutet: „Gott ist gut".
289. ist mir ganz unklar.
290. J. C paiman ma menaco. Siehe ma „Tag" und mena-de „begrabe".
Leber 294 u. 295 und 300 u. 301 habe ich schon oben gesprochen.
Was nun die Stellung der Sprache der Colorados betrifft, so ist es
mir bisher noch nicht möglich gewesen, deutliche Zusammenhänge mit
irgend einem der bekannten Dialekte aufzuweisen, aya „Mutter" hat
1. Notizen iibcr die Sprache der Cdlorados von Ecuador. 17
wohl nur zufälli,i;'e Aelmliclikcit mit arowakisch mju. fi</e „iss"" im<l tachica
finu „Fleisch essen'' eriiiiierf an plienno „essen" der Sprache ih'r Vunca
von Eten^). Im Uehrigen ist diese Spraelie, an die man Ja zunächst
(hmken möchte, vollständig verschieden von der der Colorados. Auch
Cieza gibt an, dass die Indier des Distrikts von Puerto Viejo eine aiid(?re
Sprache redeten als die Huancavillcas und die Leute von Tumbex und
Trujillo. Aufschlüsse Hessen sich vielleicht aus der 8])rache der Cayapa
gewinnen, die nach Villavicencio: „conservan su primitive idionia que es
algo gutural"' ^), wenn von dieser Sprache noch etwas zu rotten ist. Doch
schreibt mir Bischof Thiel: „Meines Wissens sind die Colorados die
einzigen Indianer der Westseite Ecuadors, welche ihre Sprache behalten
haben. In Esmeraldas und (Juayas sucht man vergebens nach Sprachresten."
1) A. Bastian, Culturlandor des alten Amerika 1, S. 1G9 — IT.'!.
2) 1. c. p. ICS.
Seier, Gesammelte AbliainiliinKeii 1.
Ij^ Erster Absclinitt: Spracliliclics.
Naehtrao- A.
Die verwandten Sprachen der (ayapa und der Colorados
von Ecuador.
Meinen Aufsatz über die Sprache »1er Colorados von Ecuador vom
Jahre 188.') hatte ich mit der Bemerkung- geschlos.seu. dass sich für diese
Sprache vielleiclit aus der Sprache der Cayäpa Aufschlüsse gewinnen
liessen. die. wie Yillavicencio') versichert. ..conservan sii primitivo
idjoma que es algo gutural". Diese Yerniuthung hat sich bestätigt. Wie
ein Blick auf das Vokabular lehrt, das Herr H. Wilczynski in San
Lorenzo (Ecuador) auf Veranlassung Adolf Bastian's gesammelt und
der anthropologischen Gesellschaft zugesandt hat^). haben wir in der
Sprache der Cayäpa in der That ein Idiom vor uns. das dem der Colo-
rados ganz nahe steht. So erklärt denn auch Th. Wolf^) die Sprache der
Colorados nur für einen Dialekt der Cayapa-Sprache. Und Brinton*) führt
die Cayäpa und Colorados, zusammen mit einigen Bruchtheileu von Stämmen
tles Rio Patia Gebietes, in seinem „Barbacoas Linguistic Stock" auf.
Das Gebiet der Cayäpa. ist der nach ihnen benannte Fluss, der den
nördlichsten Theil der ecuadorianischen Provinz Esmeraldas in der Richtung
von Süden nach Norden durchfliesst und, mit dem Rio Santiago vereinigt,
in einem Netz von seenartigen Erweiterungen und halben Meeresarmen
endet, die das waldbedeckte flache Alluvialland der Küste von La Tola
in verschiedenen Richtungen durchschneiden.
Die ersten eingehenden Nachrichten über diese Indianer verdanken
wir dem verdienten Erforscher der geographischen und geologischen A er-
liältnisse der Republik Ecuador, Theodor Wolf. In seiner „3Ienioria
sobre la Geografia y (ieologia de la Proviucia de Esmeraldas", die im
Jahre 1879 in Guayaquil gedruckt wurde, beschreibt er am Schluss des
geographischen Theils (S. 51 ff.) die Indianer dieses Gebietes, und dieser
Abschnitt ist fast ganz den Cayäpa gewidmet. Er sagt von ihnen Folgendes:
1) Geografia de la Republica del Ecuador. Xow-York 1858. p. ICs.
2) Yerhandl. der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 19. November 1887
{.Zeitschrift für Ethnologie XIX) S. (597)— (599).
3) Geografia y Geologia del Ecuador. Leipzig 1892. p. 527.
4) The American Race (New-York 1891). p. 196— r.t9.
Nachtrag A. Die vorwandten Sprachen der Cayapa und der Colorados von Ecuador. l<t
„Wir kennen liereits das Gebiet, das diese Indianer einnehmen, und
<las .sie als ihr ausschliessliches Eigenthum in Anspruch nehmen. Sie leben
sn den Ufern des Rio Cayapas und seiner Zuflüsse, von der Eiumündmii^
des Rio (hizole (aufwärts) bis an den Fuss der hohen Cordillerenausläufer,
und nur wenige Familien finden sieh noch weiter hinten, in den Wäldern
<les oberen Rio Santiago, in dem Pueblo viojo de los Cayapas. Ihr
Land ist eines der schönsten des westlichen Abhanges der Anden. Der
äusserst fruciitbare Boden bringt in Fülle und fast ohne Arbeit Bananen,
iiuineos, Yukkas und andere essbare Wurzeln und Früchte hervor, von
denen die Indianer lel)en. Die Flüsse sind voll guter Fische, und die
Wälder voll Wild, dns Klima ist ausgezeichnet und die Temperatur
gemässigt. In diesem irdischen Paradiese leben die Indianer ein zu-
friedenes, ruhiges und bis zu einem gewissen Grade glückliches Leben.
Ungesellig, wie alle wilden Stämme des südamerikanischen Kontinents, ver-
einigen sie sich nicht in Dörfern, ausser wenn sie ein Fest feiern, und so
••^ind die Dörfer, die ich auf der Karte eingetragen habe, nur kleine
Gruppen verlassener Häuser, die nur für wenige Tage im Jahre als
Wohnungen dienen. Die Familien leben getrennt von einander und sehr
zerstreut und bauen ihre Häuser fast immer am Ufer eines Flusses, nur
höchst selten weiter drin im Walde. Ausserdem pflegen sie sehr häufig
den Platz zu wechseln, namentlich wenn das Haupt der Familie oder eine
andere angesehene Person stirbt. h\ diesem Falle l)egraben sie den
Toten unter dem Boden des Hauses und verlassen es, um weit entfernt
von der Unglücksstätte ein anderes zu bauen. Natürlich gibt es noch
keinen Zensus von diesen Indianern. Al)er wenn man die bewohnten
Häuser überschlägt, die ich auf meiner Reise an dem Hauptflusse an-
getrofl'en habe, und die Berichte über die Bewohner der Seitenflüsse,
soweit diese zuverlässig erscheinen, in Betraclit zieht, so glaube ich, dass
man ihre Zahl auf "2— 3000 veranschlagen kann. Der gleichen Ansicht ist
4ler Pfarrer von Esmeraldas, Dr. M. Echeverria, der in den Jahren, als er
Pfarrer von Rio Verde und La Tola war, diese Indianer wiederholt besuchte.
„Der physische Charakter dieser Indianer ist der gleiche wie der, den
ilie ganze südamerikanische Rasse an sich hat. Sie sind von mittlerer
Statur und robuster Konstitution. Ihre Farbe ist ein helles, ein wenig
ins Gelbliche fallendes Kupferl)raun. Ihre Gesichtsbildung ist nicht un-
angenehm, trotz der ziemlich vorstehenden Backenknochen, und unter den
jungen Leuten sieht man viele hübsche Burschen („buenos mozos"). Aber
sie entstellen sich dadurch, dass sie Streifen i'other, blauer, schwarzer
Farbe auf das Gesicht, die Arme, Beine, die Brust u. s w. malen, gleich
den Indianern des Napo. Vor allem scheint ihnen das feurige Roth zu
gefallen, das sie aus der Frucht des Achiote (Bixa Orellana) bereiten. Ich
habe einige Individuen gesehen, die sich den ganzen Körper mit dieser
Substanz angestrichen hatten. Ich weiss nicht, ob tliese Bemalung nur
.)!( Erster Abschnitt: Sprachliches.
Jer Verschönerung dienen, oder ob sie irgend einem anderen Zwecke
dienen soll. /.. B. die Mosquitos und andere Insekten abzuhalten. In diesem
Falle würde sie in gewisser "Weise die Kleidung ersetzen, die in der That
in diesem milden Klima beinahe überflüssig erscheint.
Die Männer tragen eine Art kurzer Hosen, von der Grössi' und Form
von Schwimmhosen, und einige ziehen bisweilen ein kurzes ärmelloses
Hemd an. das liis zum Xabel reicht. Die Weiber wickeln sich in ein
Stück Stotf. das ihren Körper vom Xabel bis zu den Knien bedeckt. Die>e
einfachen Kleider sind aus Zeug gefertigt, das sie in den Kramläden von La
Tola kaufen, oder aus einem Baumbast, der oben unter dem Namen tamajagua
beschrieben worden ist. Beide Geschlechter gehen stets unbedeckten Kopfes
und lassen ihr langes und schönes Haupthaar frei herabfallen.
Ausser der Bemaluug brauchen sie wenig Schmuck. Der ganze Luxus
der "Weiber besteht in einem Halsband aus durchlöcherten Silbermünzen,
und dies scheint die einzige Verwendung zu sein, ilie bei ihnen das Silber
hat, denn ihr ganzer Handel besteht im Austausch von Naturprodukten
(Kautschuk. Aehiote. Früchten) oder industriellen Erzeugnissen (Booten.
Rudern, Körben). Doch kennen sie, in Folge ihrer Berührung mit den
Bewohnern von La Tola, den Werth des Silbers und pflegen einige Pesos
für den jährlichen Besuch des Pfarrgeistlicheu aufzuheben. Für die Hals-
ketten ziehen sie die alteu und grossen Pesos vor. die man ,.Godos~ nennt,
und ich habe Weiber gesehen, die mit grossem Stolz gegen zwanzig
solcher Pesos aufgereiht trugen, und ganz kleine Kinder mit einem Gewicht
von fünf bis sechs Pesos am Halse. Von Goldgegenständen habe ich bei
ihnen nicht ein einziges Stück gesehen. Die Goldwäschen, die sich in
ihrem Gebiete befinden, beuten sie nicht aus. und gestatten auch Fremden
nicht, sie auszubeuten. Was Villavicencio über den Handel, den die
Cayapa mit Feingold treiben, sagt, ist falsch. Ich zweifle auch, dass in
früheren Zeiten bei ihnen ein solcher Handel bestanden hat. Denn ich
habe nirgends Spuren davon angetroffen, dass die goldhaltigen Bänke auf-
gegraben worden seien. Sie sind alle noch unberührt.
Ihre Häuser sind gut, aus Pambil — Stämmen und Balken einer
Palmenart der Gattung Iriartea — erbaut, geräumig und im Allgemeinen
reinlich. Von Hausthieren halten sie nur Hühner. Schweine und Hunde.
Ihre Beschäftigung besteht fast einzig in der Beschaffung des täglichen
Unterhalts mittels Jagd uud Fischfangs, denn <ler Anbau der wenigen
Vegetabilien, die sie zur Speise verwenden, erfordert keine Arbeit. Zu
gewissen Zeiten steigen sie mit ihren Familien an den Strand des Meere>
herunter, um sich mit Vorrätheu von Fischen, Austern, Miesmuscheln uud
anderen Seemuschelu zu versehen. Ich bin manchmal verwundert gewesen
über die gewaltigen Haufen von Schalen von Seemuschelu. die man neben
den Häusern antrifft, und zwar oft weit von der Küste, bis an den Oberlauf
des Rio Cayäpas. Im Flusse selbst leben essbare Mollusken (Ampullaria,
Nachtrag A. Die veiwandton Sprachen clor Cayäpa und der Colorados von Ecuador. 21
Tichogoiiia); essl)nv<' Lnndsehnocl^en findet man im Walde (dit> grossen
Arten Biilinius).
Sehr beschränkt ist die Industrie dieser Indianer, da sie keine höheren
Ziele kennen, auch kein Verlangen nacdi Reichthümern tragen — der
Vater vererbt nichts auf den Sohn, der Gatte nichts auf die Gattin — .
Nur, wenn sie genöthigt sind, irgend etwas in T.a Tola zu kaufen, z. B.
Salz, Zeuge, Aexte, Ikischmesser, versehen sie sich mit einigen Tausch-
artikeln. Als solche dienen ihnen, neben den gewöhnlichen Früchten,
l)esonders Tamajagua (der Bast einer Bombacee), die rothen Farbstoff ent-
lialtenden Samen der Bixa Orellana, geflochtene Körbchen. Pita (die
Faser einer Bromeliacee), gute Kanuo und elegante Ruder.
Einige besitzen schon Feuerwaffen, aber ihre nrs[)rüngliclie und ge-r
bräuchlichstc Waffe ist das Bhisrohr, das sie picliura nennen, und das sie
mit benierkenswerther Geschicklichkeit zu handhaben verstehen. Zum
Vergiften der Blasrohrpfeile bedienen sie sich eines sehr wirksamen Giftes,
das sie aus der Frucht der „venenillo" genannten Pflanze gewinnen. Ich
habe mir diese Pflanze angesehen, es ist eine Solanacee, die in jeder
Beziehung den- „naranjilla" (= Solanum quitense) gleicht. Nur ist die
Frucht nicht rund, sondern länglich birnförmig und von prächtiger, An-
fangs gelber, später orangefarbener Farbe und ohne die rauhe haarige
Schale, die die „naranjilla'' hat. Die Pflanze wächst in Menge an den
Ufern des Rio Cayapas und Rio Santiago, mit Vorliebe in der Nähe
menschlicher Behausungen. Es ist möglich, dass sie eine neue Art der
umfangreichen Gattung Sohinum darstellt. Denn ich besinne mich nicht,
ihre Beschreibung in irgend einer Botanik gefunden zu haben. In diesem
Falle wird sie passender Weise Solanum Cayapense benannt werden können^).
Meine Reise war zu kurz, als dass ich die angeborenen Sitten und den
Charakter dieser Indianer zur Genüge hätte studiren können. Im allgemeinen
scheint es mir, dass sie von sanfter Gemüthsart sind, nachgiebig, höflich und
gastlich gegenüber den Reisenden, die sie nicht belästigen. Mit einem kleinen
Geschenk, insbesondere einem Schluck Branntwein erlangt man Alles von
ihnen. Von den Weissen von La Tola habe ich ihre l'hrlichkeit rühmen
liören. Man sagt, dass Diebstahl bei ihnen unbekannt ist. Nur darf man
nicht zu ihnen gehen, mit der Absicht dort zu bleiben, — das ist das
erste, wonach sie fragen — . weil dann sogleich ihr angeborenes Misstrauen
erwacht. Sie wachen sehr eifrig über ihre Freiheit und Unabhängigkeit
und lassen in ihrem Gel)iet keine Bewohner anderer Rasse zu. Eine
<'inzige Negerfamilie traf ich an der 3Iündung des Rio Telembi, und diese
hatte die Erlaubniss in ihrem Gel)iet zu wohnen, von den Cayai>a nur als
ein ihnen gestattetes Privileg erlangt, nachilem sie ihm/n viele H<'weise einer
[1) F. Sodiro, Professor der TJotanik in Quito, dem ich ciive eingehende Be-
schreibung zusandte, vermuthet darin das Solanum nielancholicuni.]
22 Erster Absthuitt: Sprachliihes.
uneiiieniiüt/.ij;eii Freuiulscliaft .i4:oo:eb(.'n. und auch nur unter der ausdrück-
lichen Hedini,aing, kein Hold zu waschen. Ich weiss nicht, ob die Vor-
rechte und die Sonderstellung, ilie sie beanspruchen, gesetzlich begründet
sind, oder ob sie nur in ihrer Vorstellung existiren, aber Thatsachi' ist.
dass sie sie bis heute aufrecht zu erhalten wussten. und es erreicht haben,
sich frei von fremder Beimischung zu erhalten.
Wenn sie nach La Tola herunterkommen, nehmen sie im Kanu ihre
ganze Familie mit. aber sie bleiben in dem Ort nicht länger, als ihre
Geschäfte unbedingt erfordern, und verbringen selten die Nacht in ihm.
Wenn sie in ganzen Trupps herunterkommen, erwählen sie einen, der als
CTeneralbevollmäelitigter mit den Weissen verhandelt und alle Geschäfte
abschliesst. während die anderen als stumme Zuschauer daneben sitzen.
Das politische Band, dass sie mit den anderen Bewohnern der Provinz
verbindet, ist sehr locker. Sie stehen unter dem Gouverneur von Esme-
raldas, erkennen aber keine andere unmittelbare Autorität als die ihres
eigenen Häuptlings an, den sie ebenfalls „Gobernador" nennen. Ich hatte
die Ehre, in dem Hause dieses respektablen indianischen (rouverneurs zu
Gast zu sein, der in der Nähe des unteren Pueblo de Cayä})as wohnt
und sich in nichts von seinen Landsleuten unterscheidet, ausser durch
einen gewissen würdigen und patriarchalischen Zug seines gemalten Gesichts,
der ohne Zweifel zu seiner Würde gehört und die Ehrfurcht, die ihm die
anderen lodianer erweisen, erhöht haben wird. Der Sohn des Gobernadors
scheint ein Fortschrittsmann zu sein, da er der einzige unter der männ-
lichen Bevölkerung dieses Staumies ist, den ich Hosen aus schwarzem
Tuch habe anlegen sehen, und der auch leidlich gut spanisch spricht.
Deshalb begleitete er mich gern und mit einer gewissen Ostentatiou auf
meiner Reise, mit einigen anderen jungen Burschen, indem er mir als
Dolmetsch und gelegentlich auch als Beschützer diente.
Die Gayäpa sind auch Christen. Der Pfarrer von Pio Verde besucht
sie gewöhnlich ein .Mal im Jahre, um die Kinder zu taufen und die neuen
Ehen einzusegnen. Auf viel mehr wird sich sein Amt nicht erstrecken
können, da er die Sprache nicht kennt. Aus demselben Crrunde ist es
schwer zu erfahren, welches die Vorstellungen sind. <lie sich diese Indianer
von dem höchsten Wesen, von der Seele des Menschen und im Allgemeinen
von geistlichen und religiösen Dingen machen. Ich glaube, dass ihre
Begriffe nicht sehr hoch sind, und dass sie nicht über die einfachsten Vor-
stellungen hinausgehen, die die Vernunft oder eine Xaturreligiou ihiUTi
lehrte. Ebenso glaube ich, dass sie sich mehr durch die natürlichen sitr-
lichen Empfindungen, als durch die christliche Sittenlehre leiten lassen,
die sie fast niemals hören, oder nur in einer Sprache, die sie nicht verstehen.
Die Pietät, die den Toten gegenüber beobachtet wird, ist ein Zug,
der der ganzen eingeborenen amerikanischen Rasse eigen zu sein scheint,
und älter als das Christenthum ist, wie die Alterthümer ilieser Nationen
Nachtrag A. Die vervrandten Spraclicn der Cayii])a und der Colorados von Ecuador. 23
beweisen. Diese Pietät ist mit der Ausrottung der Oötzcndienerei nicht
verschwunden, aber sie äussert sich in anderen Formen, da man beobachtet,
dass alle Indianer an den ^rotenmessen, an den sogenannten „responsos"
und an allen gottesdienstlichen Zärimonien, die in irgend einer Weise auf
die Toten sich beziehen, besonders hängen, und es ist fast unmöglich,
ihnen gewisse alte abergläubische (lel)räuche zu nehmen, die sie mit dem
kirchlichen Kultus vermengen. So besteht auch die höchste Aeusserung
religiösen (refühls bei den Cayiipa darin, dem Pfarrer eine Messe für ihre
Toten zu bezalilen, und wenn sie ihren Zweck an der Küste nicht ein-
reichen, kommen s\i\ l>isweilen mit ihrem (^eld zu den Pfarreien der ßerg-
region von Ibarra und Otavalo, und g(dien nicht fort von der Kirche, als
sie nicht aHe bezahlten Messen haben feiern sehen. Ich 1)in überzeugt,
(hiss sie die besondere Bedeutung dieser Messen nicht verstehen, aber sie
begnügen sich mit der allgemeinen L'eberzeugung, ihren Toten etwas Gutes
angethan zu haben.
Die Cayäpa scheinen Mühe zu haben, das Spanische zu erlernen.
Obgleich beinahe alle JMänner einige AVorte verstehen, können es doch
nur wenige sprechen, und von dem Zeitwort gebrauche?! sie nur das
(Jerundium. Den Weibern verbieten sie. die Sprache der Weissen zu
erlernen. Xacli Villavicencio „sprechen alle das idioma general" (d. h.
das Quechua;. aber das ist ein Trrthum. Ich glaube, dass nur sehr wenige
es verstehen, und dass niemand es spricht. Unter sich bedienen sie
sich ausschliesslich ihrer eigenen Sprache, die nichts mit dein (Quechua
gemein hat."
Zum Beweis für das letztere gibt Th. Wolf eine kleine Liste von
Cayapa-AVorten mit ihren (iuechua-Entsprechungen, die ich mir ersparen
kann hier zu reproduziren. Von dem Idiom der Cayäpa selbst urtheilt
Th. Wolf, dass es die Aufmerksamkeit der Linguisten verdiene, da es
die einzige und letzte der Sprachen des westlichen Ecuador sei, die sich
rein und unverniischt mit spanischen und Quechua-Worten erhalten habe.
Er erklärt die Sprache der Cayäpa für sanft und volltönend und viel
weniger eine Kehllautsprache als das Quechua. Er ist der Meinung, dass
das spanische Alphabet zur Wiedergabe ihrer Laute genüge, unter Zu-
fügaug des englischen sh für den durch diesen Doppelbuchstaben be-
zeichneten Laut, für den es in dem modernen spanischen Alphabet an
einem Ausdruck fehlt.
Th. Wolf hat auch ein kleines Yokabular der Sprache der Cayäpa
aufgenommen, das er in seinem 18! »J veröffentlichten Werke „Geogratia y
Geologia del Ecuador'' reproduzirt. ^lir war, als ich den Plan gefasst
hjitte, meine in verschiedenen Zeitschriften zerstreuten kleinen Abhand-
lungen in dem gegenwärtigen Bande zu vereinen, der Wunsch rege ge-
worden, dem Abdruck meines Aufsatzes vom .lahre \>>K) noch das neuer-
dings über die Sprachen dieser Stämme bekannt gewordene oder sonst
.)^ Erster Abschnitt: Sprachliches.
noch von ilinen zu erreichende Material hinzu/ufüo-en. Ich wandte mich
deshalb an Th. Wolf, nnd dieser war so liebenswürdig, nicht nur das
u:enannte von ihm aufgenommene Cayapa -Vokabular, sondern auch alles
übrige in seinem Besitz befindliche Material über die eingeborenen Sprachen
K(.'uador"s mir zur Verfügung zu stellen. Tdi besitze deshalb jetzt über
die Sprache der Colorados
1. Das Vokabular des ungenannten (ieistlichen, das ich in meinem
Aufsatz vom Jalire 1S85 zum Abdruck gebracht habe. Die ihm ent-
nouimenen Worte und Sätze sind in der folgenden Zusammenstellung
durch den Buchstaben (A) bezeichnet
2. Ein von Herrn X. A. Martiuez in Quito aufgenommenes Vokabular.
Die W^orte dieser Liste sind unten durch den Buchstaben (M) gekenn-
zeichnet.
Ueber die Si)rache der Cayiipa besitze ich:
1. Das von Th. W^olf aufgenonmiene Vokabular, in der Zusammen-
stellung unten durch den Buchstaben (W) bezeichnet.
2. Das von H. Wilczynski in San Lorenzo der Berliner Anthropo-
logischen Gesellschaft eingesandte Vokabular, das in Band XIX der „Zeit-
schrift für Ethnologie" abgedruckt ist Es ist in der unten folgenden
Zusammenstellung durch die Buchstaben (Wi) gekennzeichnet.
3. Ein von Herrn Gntierrez, der Angestellter des Herrn Wilczynski
in Pailon war. aufgenommenes Vokabular. Dasselbe ist unten durch den
ßuclistaben (G) gekennzeichnet. Tli. Wolf vermuthet, dass das von
Wilczynski eingesandte Vokabular von demselben Herrn Gntierrez
zusammengestellt wurde.
4. Ein Vokabular, das Th. Wolf von Herrn Pallares in Esmeraldas
erhielt, bei dessen Zusammenstellung eine Xichte des Pfarrers von Esme-
raldas. der, w^ie oben schon erwähnt, eine Zeit lang Pfarrgeistlicher in
Rio verde und La Tola war. die Hauptbetheiligte gewesen zu sein scheint.
Die Worte dieses Vokabulars, das Th. Wolf für minder zuverlässig
erklärt als das Gutierrez'sche. sind unten durch den Buchstaben (P)
arekenuzeichnet.
Ich habe diese verschiedenen Vokabulare in der hier folgenden Zu-
sammenstellung vereinigt, mich dabei aber begnügt, die Worte und Sätze
nach 3Iaterien zu ordnen, ohne mich in eine Diskussion einzulassen oder
den Zusamuienliängen von Worten und Formen nachzugehen. Um bei
solcher l'ntersuchung zu brauchbaren Resultaten zu gelangen, ist das
Material doch nocli zu dürftig und zu unsicher. Und Vergleiche in grösserer
Ausdehnung vorzunehmen, dazu gebricht es mir an Zeit. Die Orthographie
dieser Vokabulare ist, wie oben schon angegeben, die spanische, unter
Zufügung des englischen sh für den unserem seh entsprechenden Laut,
für den aber der ungenannte Geistliche [A] überall c/i zu schreiben scheint.
Nachtrag A. Die verwandten Sprachen der Ca.vä|ia und der Colorados von Ecuador. ■_';')
Colorados.
Als Ausdrücke für ..Mensch" kommen
folgende Sätze des ungenannten Geistlichen (A.)
in Betracht, die vielleicht den Stammnamen
tzdfliila - eharhila „roth" der Colorados ent-
halten (vgl. oben S. 15).
tiiihilla-gu (jin'iiii — hast du Streit gehabt
mit den Colorados'!'
iln'/la ein ti iif/n Dios licini — die Seele [des
Menschen] geht zu Gott.
chilld flii fiiii/(( tiiiiihi pHdfiniiö — die Seele
|des Menschen] ist mehr als der Körper.
rhilla clii fhazi rafo piiranl Jirini — der
Körper des Menschen geht zur Erde.
i/i/lla tzutze 2}0C(f — Körper.
J. ('. ch'itjHilla chi tciii) vhi piiä — J. Chr.
starb am Kreuz [eig. „ J. Chr. des Menschen
Seele starb").
rhiqitilla soiirhtK [Menschen] Leben.
i-hi(luiU(( er ist [Mensch].
rliiiptUhi fiui <)!' wir [Menschen] haben.
Cayäpa.
iiKiiH/ariii zachi ein junger Mann. (A.) chtchi gente. (G.)
iiKfiiga zöchi fcnm mdi/o — (von der Frau) che'r/ii Jajiih-ffnia — viene gente. (G.)
die Ehe brechen. (A )
V
iitu7/a Mann. (A. W.i Hupula honibre. (Wi.)
iidlpa iinlla Hahn. (A.) [eig. „männliches omlnxla (spau.) hombre. (W.)
Huhn", indpa Quichua = Huhn]. umbere (spau.) hombre. (P.)
ninuda hermoso, soltero. (Wi)
ni((ii(/arc Inaihi unverheiratliet. lA.)
iiiiiUu-hc fcit.sd ffdift mit Männern nicht
scherzen. (A."
J. ('. I)/()s i iiiiill<( — J. Ch. ist Gott und
Mensch. ^A.)
iiiiilla zdehi pi(fhnl der Mensch (Mann| hat
eine Seele. (.A.i [eig. „der Mann stirbt"
vgl. S. 13.]
iiiiilla-fia tcipii choDiecö pato widersprichst du
dem Gatten? (.\.)
iiiiila-taufj verlieirathet [von -der Frau]. lA.i
üöna muger. (W.)
sniia salin Weib. (A.)
siniia esposa. (M.)
iiiuitf/ariii zoiia ein junges Mädchen. (A.)
.sniifila piUdiii das Weib hat eine Seele [eig.
^das Weib stirbt" vgl. S. 3]. (A.)
sondlubv tmsötaiia mit Weibern nicht scherzen.
(A.)
siijtii/d muger. (G.)
supi'ila muger. (W. Wi)
suciiUi muger. (P.)
in-aitpii esposa. (F.)
.siipiila-iiiid casado. (Wi.) [eig. _meine Frau",
mit dem spanischen Pronomen „mein" ge-
bildet?]
iiKiii .si'ipii/a jaiii/itsiiii una muger viene ya. G.)
'26
Erster Abschnitt: Si)rachHehcs.
Colorados.
sfquettui sönittf habe Geduld [mit der Frau]
Cayäpa.
(A.) llitba siipnlu muger honita. (G.)
pindi/u siipula uiuger olorosa. (G.)
siipitlih-hl itiii'i la aguja de la muger G.
mipuliichi panatoKfiino el fuego de la muger.
(G.)
dpa padre. (W.)
apa padre. (Wi.)
i/(ipa padre. (P.)
apd Vater, padre. lA. W. M.)
lacht' (ipri mein Vater, (A.)
inichi lipo dein Vater. (A.)
rhitichl äpd sein Vater. (Ä.)
apä-ga ipieiiii hast du Streit gehabt mit dem
Vater? (A.)
tipa-ga tlcho nuröp<'ito widersprichst du dem
Vater? (A.)
tti/il Mutter, madre. (A. W.i mditia span.? madre. (NV. Wi.i
fai/a madre. (P.) i/ana madre. (P.)
Maria J. Cristo rfii a>/a Maria ist J. Christi
Mutter. (A.)
ai/a-n;/a <jitem/ hast du Streit gehabt mit der
MutterY (A.l
<ti/d-iiga fir/ii Dncöpäto widersprichst du der
Mutter?
info Sohn, hijo. (A. \V. M.)
J. C. Dios chi iiao J. Ch. Gottes Sohn. lA.)
iiao-ga quenii hast du Streit gehabt mit den
Kindern? (A.)
audii nao der grosse Sohn. ( A.)
»ad hijo. (P.)
'i/iia hijo (W )
ratio nino. (Wi i
atutaiigai/i muchacho.
(G.
naind Tochter, liija. (A. W. M.)
tdtd abuelo. (M.)
ttiiitnd abuela. (M.l
an') Bruder, hermano. lA W. M."
hau lacht acö mein Bruder. (A.)
hau mirhl act') dein Bruder. (A.)
hau chichich! acö sein Bruder. (A )
soqai^ Schwester. (A i
st'tqtir hermana. (W.)
Hoipd hermana. (Wi.)
mipu-iiaitia niüa. (Wi.)
pagiia muchacha. (G.)
apai/ai/a I V apatjapa] abuelo. (Wi.) [Vaters
Vater.]
apatnattta abuela. (Wi.) [Vaters Mutter.]
uatala hermano ( Wi j
ignalfdla hermano. (W.)
itiango - uatala pariente.
Bruder"*.]
iin-socki hermana. Wi.)
itt-ztiquf hermana. (W.)
(Wi.) [eig. „ein
uiainpi Onkel. (A."!
vidtuhi tio. (M.)
tiidtu/if-iio Tante. (A.)
itiöttihi-aco primo (M )
teng ra Herz. (A.)
pitiaii rö Seele, Geist. (A.) [eig. „der Tote".]
rhilla cht' tenga Dios hiitti — die Seele [des
Menschen] geht zu Gott. (A.)
ijttagchitia sobrino. (Wi.
titiihdra alma. ( Wi )
Naclitiac: A. Die verwaiulton Sprachen der Cayäija und der Colorados von Ecuador. -J"
Colorados.
rliill(( chi t( iifia tiiiiil(( piiiifi(iHi') die Seele [des
Menschen I ist mehr als der Körper. (A)
[eig. „stirbt durchaus nicht".!
iiHiia })u((iunii die Seele stirbt niclit. (,A.)
r/iiichii ti tciiija - itö der Hund hat keine
Seele. (A )
hion ff'-pocd-iti) Gott hat keinen Körper. (A.)
[eig. „hat keinen Geist".)
./. C. ai/unuiil citlo-bi piira .]. Th. ist im
Himmel mit Körper und Seele. (A.)
r/i/'/fi izatze povii [des Menschen | Körper [und
Geist], [k.)
hios que'ra iö pc larhi tzaclii piuhii/oro — Gott
hat Sonne, Mond, [meinen] Körper und
Seele gemacht. (A.)
itnilla zufhi piiihni der Mensch hat eine
Seele. (A ) [? „der Körper des Mannes
stirbt er?"]
rhiUd chi rhiizi r<(t<t pi(r((r<i liciiii der Körper
geht ziu- Erde. (Aj
C'ayäpa.
iHurlni Kopf. (A.)
iiii.sliii calieza. (W.M)
apiclii'i Haar. (A.)
a}n'Nln< pclo. (W.M.)
rarö Auge. (A.)
Card ojo (M.)
(jiii)ifii Nase. (A )
tjn/'fif nariz. (M.)
fi</iiifor() Mund. ;.\.W.) (eig. „Essöffnung"
vgl. oben S. 15 Nr. 76.|
i/ittforo boca. (M.)
f.rsi! barba. (M.)
tifii diente. (M.)
jiKiiki oroja (M.)
ni(/-(tt! cuello (M.)
ri(, Ln pecho. (,W. M.)
jm'coIo Bauch. (A. W.)
t(i(/iu'. t(ik-i brazo. (W. M )
te<l,:, r Hand. (A.)
tedd mano. (M.)
fe-niicfiK Finger. (A.)
/.■ic-ni/sh/it dedo. (M.)
t((!/ii(f</ii(( una. (M.)
inisliK cabeza. (P.)
niishhi'ica cabeza. (W.)
niislipucu cabeza. (Wi.)
ucitöa pelo. (W.)
(ti-hii(i pelo. (Wi.)
cajura cara. (P.J
Uvhi Irente. (W. Wi.l
i-apiu-d ojo. (W.J
rapucua ojo. (Wi.)
capu pijo cejas y pestanas. |Wi)
(luijo nariz. (W.)
kijo nariz. (Wi,\
iiiesra nariz. (P.)
fibaijui boca. (W.)
tijxKjiii boca. (Wi )
trijK (luijada. (Wi.)
ttsco dientes. (Wi.)
uigcd lengua. (Wi.)
puiiffid oreja. (Wi.)
röto cuello. (W) — Th. Wolf 1. c. p. 58
vergleicht Quechua ccofo „enfcrmedad del
cuello".
tcmliupK ])echo. (W.)
feiuhapo pecho. (Wi.)
dji-a barriga. (W. Wi.)
pvjpij brazo. (W.)
puniilia brazos. (Wi.)
fiapupa manos. (Wi.)
ifuiutpa manos. (F.)
ipHu'shn mano. (W.)
painisho dedos. (Wi )
ptKpii unas. (Wi).
28
Erster AlJ^chIlitt.• Si)racliliches.
Colorados.
iH'th' Bein. (A.)
hostd pierna. (M.)
uchopd pie. (M.)
inboloiifid rodilla. (M.)
tuchifia Fleisch. (A.)
tachicu fiiiK Fleisch essen. (A )
(issoiH) Blut. (A.)
azaiiiH sangre. (M.)
Caj'jlpa.
vinho pieriias. (Wi.)
ik'p« pierna. ( W )
iif'papa pies. (Wi.)
iicnjca pic. (W.) (eig-. „Bauch, des Beins?"J
ncholo rodilla. (Wi.)
hagaraUa carne. (Wi.)
(UUi carne. (W.)
h't Sonne. (A.)
//o sol. (M.)
}u- Mond, luna. (A, M.)
izahö Stern. (A.) [vgl. Esmeraldas inu-ch(il>hi
estrellas ]
niitcara estrella. (,M.)
iüqiiiiJo Himmel. (A.)
loch hielt ü Himmel. (A.)
iö Dios eil HC, pc Bios rJnir die Sonne ist
nicht Gott, der Mond ist nicht Gott. (A).
Dios qtieca iö, 2"'> l'<i'hi tzarJii pudngoco Gott
hat die Sonne. Mond, [meinen] Körper
und Seele gemacht. (A.)
J)ioa ioqiiido-be Gott ist im Himmel. (A.)
iöqnidohi pudfi ciiioid, qtndlii rhioid im
Himmel sterben sie nicht, sind sie nicht
krank. (A.)
Dios r/ii iiiiiiir/id iöqiiido J/i/iicrJid liebe Gott,
so gehst du zu Gott, zum Himmel.
ina Tag. (A.)
)naa dia. (M.)
ai/iinu (span.) Älorgen, (A.)
/«' fi( Mittag. (A)
qiiebina Abend. (A.)
quehi tarde. ^M.)
qucpe, leiHf'Jiua Nacht. (A.)
qiiejte noche. (M.)
I)owiiH/o Woche. (A.) [span. = „Sonntag".]
j>ia doiniiiffo eine Woche. (A.)
loiia pe ines. (M.)
mam ^>p [ein] Monat. (A.)
iratd, ffuafd (QuichuaJ Jahr, ano. (A.M.)
ci-iiid liiia guten Tag. (A.)
./. ('. jxdnnoi iin( nienaro — .1. Ch. Mnrde für
drei Tage begraben. (A.)
J. ('. painian ma fenKdUf soii — J. Ch. erhob
sich [nach drei Tagen] vom Grabe lA.)
oi-a quebiita gute Nacht. (A )
([iifpc IIa Icclid qidiKi fchili' qiicin rcztKfi hdfiinu
— bete jeden Morgen und Abend. (A.)
iii Feuer, fuego. (A. M.)
pajf« sol. (W.)
paci(( sol. (Wi.)
piipdjfa luna. (W.) —
iiKicdi-d luna. (Wi.) [ostri'Ha
iitacdnt estrella. (W.)
cliätiiisli dia.
d(rli<(h( dia.
(Wi.
iW.)
qiicpe noche. (Wi.)
quppeto noche. (W.) — Th. Wolf 1. c. p. .")S
erklärt „luz muerta"
II i I candcla. (P.)
nillo luz. (Wi.)
Nachtrag A. Die verwandten Sprachen der Cayäpa und der Colorados von Ecuador. -J*)
Colorados.
viiin'i sich vorlirrnnen. (A.)
r/iiljoi/p I riM. /K \
(0 hmhd hih- \
hiduxfi' Kälte. ^A.)
lürddcpara Fieber. (A.)
pi Wasi-er, agua. (A. M.l
/;/ Fluss. (A.)
pipiachä sich waschen. (A.)
])ini(ir pucute. (M.)
pijxijn lodo. (M.)
<jii/'slii aire. (M.)
(/iiofohi vicnto. (M.l
s/nia Uover, y lluvia. (M.)
rlnt<!pf((ii(i. .sln(('ipt(inu Regen. (A.W,
rlio<it/t'ii(( regnen. (A.)
ri{iif(( Donner. (A.)
p/iii/'i Blitz. (A) [vgl. ;;//// „culebra"
tayapa.
ii'iif/öiiKi fuego. (W.i
iihif/uiiia fuego. (Wi.)
iiiifiiishca humo (Wi.)
paiiK ft'ii 1/(1 110 fuego. (G.)
.siipii/iir/ii paiifi fiiifjdno el fuego de la inuger.
(G.l
loniof/ triH/iKi calor. (Wi)
tenguiiiaii calentura. (P.)
i/s/ifnif/a frio. (Wi I
pi agua. (Wi. G. F.)
p/ agua, rio. iW.)
p/ii(ii/ii p/ agua olorosa (G.)
pi julc rio [„agua corrf'J. (G.)
arciiipi rio. (W.I
agucinhi rio. (Wi )
pi-rush-no beber [aguaj. (Wi.)
laniii ])i shiinda mar. (F.)
terushd mar. (G.)
ishHu aire, vicnto. (W.)
slnUi lluvia. (W.)
■itlht trueno y rayo. (W )
in tierra. ( W. M.)
fo Boden. (A.)
tohi (incrcdc wogwerfen. (A.i |,,wirf es auf den
Boden".]
i-hilla clii chdzi Cd fo piir((ni liciiii der Körper
[des Menschen: geht zur Erde. (A.)
./. ('. ichiriid tohi iip-inciia-ra-iiii J. Ch. erhob
sich vom Grabe. (.\.) [,blieb nicht in der
Erde Ijcgraben".]
lö(t(h' graben. (A.)
h,lr Berg. (A)
iiiicli' monte. (M i
I>ioa citi tr/dfc ti Itrlr Gott ist überall.
rhu Stein. (A)
■•<lu( piedra. (W.)
iiiiniö Weg. (A.)
niiifiiil Camino. (81 )
ijald Silber. (^A.)
rald plata. (M )
l<i<pte(i<da Gold. (A.)
/(upiff/ald oro. (M.)
i-olidd serrano. (M I
fori peso. (M.)
lA.)
tt( tierra.
ft( tierra.
(W.)
(Wi.
(((■ur! cerro. (Wi )
(nii/KiijjK mongon. (P.) [insolartig aufragender
bewaldeter Hügel.]
x/ii'i />!<(/(( piedra. (W.i
litshi plata, peso. (F.)
30
Eistor Abschnitt: Sprachliches.
Colorados.
jilina Salz. (A )
iiialibana pinia ein Thaler Salz. (A.) [eig.
Miaii libt-a (span), j)hna ^ein Pfund Salz".)
iiahi Ochse. (A.)
(/iialä vaca. (M.)
jfiiala-iiri ternero. . (M.)
zabebr Milch. (A.)
(jnel(i Pferd. (A.|
nitchi ^span.) Schwein. (A.)
chuchu, chuchi (aztekisch) Hund. (A.)
shushu perro. (M.)
chuchu ti tenga ifö der Hund hat keine
Seele. (A.)
niK/ii gato. (M,)
ffiiela tigrillo. (M.)
ffua (fiK'la tigre.
pichö Vogel. (A.) \
pishu päjaro. (M.) (
iialpa (Quechua) Huhn. (A.)
Kulpa to U'(fr [ein Huhn] töten
ualpa-uuild Hahn. (A.)
iialpa-nd Hühnchen. (A.)
!/uati( loro. (M.)
[Quechua: ]iirhiii, piscn.
(A.
Cayäpa.
tlushtii, tiityhtii peso. (_G.)
inuv duahtu [l. peso -| ocho reales. (G.)
man dushtii real 1 peso y 1 real. (G.)
pal tushtn dos pesos.
mau culr uiancha luy<i luxhi 20 pesos i)or cada
una [canoa]. (G )
nia-miiin [halber Peso] cuatro reales. (G.)
inauu'liii ral cinco reales. (G.)
tellu sal. (P.)
cucha perro. (W )
(p(pl(i tigre (P.)
huauhu mono uegro. (P.)
Ja-plslm päjaro. (W.i
fluaUapa (Quechua) gallina. (P.)
ataraco gallo. (P )
chupipe pollo. (P.) [in Guatemala rhompipr
= Truthahn]
uapipo huevo. (W. P.)
de pava (P.)
pini culebra. (M )
(fua-pini culebra graudo.
oazd Fisch. (A.)
iiuatza pescado. (M.)
fufü mosquito. (M.)
chinapa Wachs. (A.)
(M.)
piuc culebra. (P.)
embo lagarto. (P.)
chaugi'ico pescado.
bengolpog pescado.
zuclo".)
chiiubuza mojarra.
(tgih'lc siibalo. (P.)
ostiuo (span.) ostion,
fW.)
(Wi.) (vgl. rengula _an-
(Wi.)
chitue haum. (A.)
nhida ärbol. (M.)
chuc Stock. (A.)
ii' Brennholz. (A.)
])(i])(i Blatt. (A.)
Chi ärbol. (W.Wi)
pieichua piquigua. ^ü.) [bejuco, Liane
der Indianer von E.«nieraldasl]
Wort
Nachtrag A. Die verwandten Sprachen der Cayapa und der Colorados von Ecuador. 31
Colorados.
arlslni hoja. (M.l [eig. ..Haar", s. oben.]
z.lä Gras. (A.)
]il<) maiz. (M.)
(oiö platauo. i M.) [Musa paradisiaca und Musa
sapicntiuni.]
jiiihi batata. (.M.) [Convolvulus Batatas.]
ciishi'i yuca. (M.l [Manihot utilissinia.]
tu aji. (.M.) |L"a])sicu)n sp.]
i-hinila pifia. (M) [Ananas.]
///(' achiote. (M.) (Samen der Bixa orellana.]
/.'V7/ro/ guaba. (M.) (essbare Früchte von Arten
der Gattung Inga ]
i.shjtiuiiho palma. (M.)
oqüc chonta. (M.) [Bactris- und Iriartca-
Arten.j
ptc/iih-il cafia guadua. (ü.) (=^Bambusa angusti-
folia, 15— '20 Oll holie Grashalme.]
Cajräpa.
jiisliK maiz. (\Vi.)
ptuidx plätano. (P. Wi.) (vgl. Esmeralda:
jxKitd, pdToita platano.)
paudfillii plätanos maduros. (P.l
panda-luff platano niolido. P.i
paiida-fi)to\y&n. (W.) [eig.„ich isse Bananen.-
pauda f/'iio conier. (Wi.l
A/7//; Brot. (A.)
ijiald guarapo («jährender Zuckerrohr-Satt(. (P.)
iiidla riirlil ml hast du Chicha getrunken? (A.)
tiiiihiira Xägwa. (Wi.l JStcinnuss - Phytelepbas
macrocarpa.]
saljh< caucho. (Wi.)
««7/0 caucho. (W.)
tdsqui, deshqiii tamajagua. (P. G.) (Baumbast,
der als Kleiderstoff verwendet wird =
Ochroma sp., Farn. Bombaceae.]
sdini pita. (G.) (Faser von Bromeliaceen.]
i/slir((l(i aguardiente. (Wi.i
iUc(fl(( aguardiente. (P.)
t((pi-iaj)i ponchito. (M.)
„)irhii-<-hiIi Kopfschmuck. (A.)
nu-slin-iiHc tendama. (M.l (vgl. mirlni, iii/s/ni
cabeza, <•///// soga.)
r/infa/ii, rliuliihict Halssclunuck. [k.)
(jiii collar. (M.)
i-iddta tf- clill! Ohr^chrnwck. (A.) (eig. „Silber-
band'-.l
r/adt.s/i pulscra. (M)
Zac-/*/ Na.senschmuck. (A.i (vgl. yj'„Mond''.]
/'/ Haus (A.I
/f't casa. (M.)
t'diio 2)0)i(/o Thür. (A.) (vgl. Quechua: ^cn^/yj*'
piincti .,Herbergs-Thür''.]
toiiio/d pucrta. (M.)
trlridpa Dach. (A.)
II 'id(( Küche. (A.)
painpu Kirche. (A.)
conna 2)anipa iinsere Kirche. (A.)
i//in-o (iefäss. (A ) [= span. jarro?]
i/umif/d olla. (M.J
t/o casa. |W.\Vi.
pinniin olla. (P.)
32
Er.-ter Abschnitt; Sprachliches.
Colorado«
Cayäpa.
ribüuido Teller. (A.)
loa:o Decke. A.)
rhiU soga. (M.i
Uapuioh't bolsa. (M.
rurhiUo Messer, ik.)
[span.
ihlapiia escopeta. (M.)
hifi'i Angel. (A.)
tca~ oder guu „gross".
vgl. gua-guela tigre [grande]. (M.j
giia-piui cidebra grande. (M.)
ard rhue [er ist] gross. (Ä.)
aiiän Huo der grosse Sohn. (A.i
oi'ntgu söiiaiKi lang [es Leben]. (A.)
oiiaii hoza das ist böse. (A.) [eig. „grosse
Sünde''].
— itu .,klein'\
vgl. uulpu-mi Hühnchen. (Aj
guula-ntt t^mero. (^M.)
i\uo hijo {A.W. M.)
;(«»<«' hija. (A.^\. M.^
na-shii: wenig. (A.)
tmrhhxe sinanü klein, kurz [es Leben]. (A.l
iung reich. (A )
»'«///« -/««(/verheirathet. (A.) [eig. „einen Mann
habend '.]
ozii-iang Sünde. (A.) [eig. „mit Sünde be-
haftet'* oder „reich an Sünde'*.]
jxitugena viel. (A.|
Irgari viel. (A.)
tflale alles. (A.)
Dios telale iiii Gott weiss alles. (A.)
DioH rhi Ulah ti lule Gott ist überall. (A.)
'jtttpe na hchä ijm'iia tdale qn'hi rezagi hdginu
— bete jeden Morgen and Abend. (A.)
n-ozä-telal-firiza klage deine Fehler [alle] an.
(A.)
irtöa nichts. (A )
itar«'' weit, entfernt. (A.)
haie nahe. A.)
i/iiniar immer. (A.)
niitnare manta niemals habe ich gefehlt. (A.)
ituii aguja. (G.)
mipuli'n-hi i'tini la aguja de la iiuiger.
iG.)
rille canoa. \V. G. P.
rufe canoa. (Wi.)
'/aniapa, //ambopa canalete. (G. P.i
tuilr/iilora palanca.
i/liapd II escopeta. (G.l [=Quechua///r//yrf,.trueno
y relauipago"; illapa;/ .,volver ä r<'splau-
decer, tirar con piUvora".]
pichiira bodoquera. (W.) [Blasrohr.|
rntgiila anzuelo. (^W.i
n'angiile anzuelo. (G.)
annaiitja-i/i muchacho. (G.j
itad hijo. (F.) ignu hijo. (W.)
rana niiio. (Wi.)
sitpu-inniia nifia. (Wi i
Jugui/d chico. ^P.i
Nachtrag A. Die verwandten Siirachen iler Cayiipa und der Colorados von Ecuador. 33
Colorados.
iiiu'cu. alt. (A.)
pipoc« neu. (A.)
€ayiipa.
■nriil<( viejo. (Wi.) [= Quechua mcK.
mini oi' gut. (A.)
Dios iHprd oi' Gott hört alles. lA.) |„Gott ist
gut"!)
jid-Hii!) böse, langsam. (A.)
(>z((-tuti<i Sünde. (A.) [oig. ,,voller Sünde''.]
oiKin liozd das ist böse. (A.) |eig, „grosse
Sünde". I
./. ('. fi-iizd-ifö J. €h. ist ohne Sünde. (A.)
tiiunif/ ()Z(( ratii-dc sündige nicht mehr. (A.)
si' luic hübsch. (A.)
fi-nid hua guten Tag. (A.)
ili-ri-to hässlich. (A )
si'Ncniha gesund. (A.)
iiiosait iiöio gesund. (A.)
(Iiiiioifi-pii, qiiii'iii-po krank. (A.)
(/iii((ii(/-nii Schmerz. (A.)
/io(/i<i(/o-/j// (jitid-lii chiiiiii im Himmel sind
sie nicht krank. (A.)
})i)lö-hii((, ptolo fioii hart. (A.)
n'r/' leicht. (A.)
/.iiiipo ladron. (M.)
(■(icdi-i r&y. (M.)
ii>i<(a gobernador. (M.)
poiieluhc fari-ini hast du den Zauberer ge-
rufen? (A.)
i-harhi rojo. (M.)
rhac/ii/a roth. (A )
orö blanco. (M.)
fil)(i(l<( weiss. (A.)
pahaiii-o negro. (M.)
fahafid schwarz. (A.)
i-hi<piilla er ist. (A.)
i(i<l-()i' ich habe. (A.)
iiii-f(l-i' du hast. (A.)
i/K-iä-i' er hat. (A.)
r//i<jiii/fft fäfi-oi' wir haben. (A.)
//a-ffi(/-o('' ihr habt. (A.)
//(( ll(i-i-(' sie haben. (A.)
Scler, Gesamiuelto Abhaudluii^eu I.
II nihil bueno. (W.)
i/iijii iinibi- si es bonito. (G.)
linihi' si. (G.) [eig. „bueno" I|
iiniil nihd como estiis? (F.
bueno "r"'!
fiirzi'ui malo. (W,j
|eig. .,estas
Ihilxi siij)ii1(( mugor bonita. G.)
jan-hmiihn' saludes! (G.) (al encoatrarse cou
alguno.)
pcuymn« enfermo. (W.)
pcii/iKina enfermo. (Wi.)
piiiili/ii oloroso. (G.)
piiidi/ii-pi agua olorosa. (G.)
piiidjjii si'ipiih) mnger olorosa. (G.)
i/iijtu-a pindipi que oloroso 1 (G.)
jddiw hediondo. (P.)
jidc ligero. (P.)
liihi picaro. (P.)
taaiiio ladron. (P.)
inii/ii
liild Colorado. (Wi.)
fihd blanco. (Wi.)
iptijiiiiutiii negro. (Wi.)
liiiiti juipt hay coniida? (G.)
jiii/ii-ii-ili'ira däme de lo que hay. (G.)
taiicdi tienes? (P.)
iliiii) andar. (Wi.)
34
Erster Abschnitt: Sprachliches.
Colorados.
tiiui-Iaiiiö gehen. (A.)
chilla chi teitga Dios firnii die Seele geht zu
Gott. (A.)
rhiUa chi rhazi ra to purarö hcini der Körper
geht zur Erde. (A.)
lHos chi ini iiechil ioquidö iiii n< cliä liebe Gott,
so gehst du zu Gott, zum Himmel. ,A.)
chiU-df laufen. ^A."
teraqiii-sd bailar. (M )
cupa-(f( sich erheben. (A.)
J. C. painiaii nid tcniangson 5. Ch. erhob sich
[am dritten Tage] vom Grabe, (A.)
chiidi-df besteigen, sich setzen. (A.)
teleide knien. (A.)
rodi-zd sich auf die Erde werfen. (A.)
iod-of geben. (A.)
osi de verkaufen, i A.)
ozidiia kaufen. (A.)
cala-quu-de bezahlen. (A.) (vgl. caUl _plata-.)
tanm-po stehlen. (A I
11 1( tari-mai/o du hast gestohlen. lA.)
f-de, f-Iainö essen. fA.i
f-shd comer. (M.i
tachica ß-nu Fleisch essen. (A i
ciichi-de ctichi-:d ciichi-Ua-ce-de trinken. (A.)
cnchi-shd beber. (M.)
(ifftHifd teilte cnchi-mi mala cuchi-tiii hast du
Branntwein, hast du Chicha getrunken? (A.)
tiiia ciichi tiidiia trinke nur ein Glas, {k.)
[eig. „trinke nicht mehr!'-]
»laniita cinqunq bist du betrunken gewesen?
CA.)
chusd humear. (M.)
catzo-zd schlafen. (A.)
carho-sd dormir. (M.i
uiriaiie faliai cdto wio oft hast du gefehlt? (A.)
i-irlaito hatu to — warum hast du gefehlt? (A.)
tin-f catii-de thue e.-; nicht mehrl (A.'
Cayäpa.
inoca-jindo donde te vas? iP.)
ji-de ligero. (P.)
nü-de vavase, ända te. (P.)
sha vamonos. (P.)
Jdndetsiia vieiie, v vieneu. (G.)
chechi Jdiidetsiia viene gente. (G.l
inaii siipulajaiidetsna una muger viene ya. iG.)
pi-juh agua corre. (G.)
belaiii-ifhai/ bailar. (Wi.)
trldi-de hincarse. iP.t
uiishu ffuai/uque haz seiia con la cabeza. (P.)
taja-de trae' (P.;
ti» tajd-ifui/n que has traido? (G.)
cule taja-ifii has traido canoas? (G.)
iian cid fa/a-i/K cuantas canoas has traido? (G.)
ffKca da me iG.) [vgl. Esmeraldas t/ncds
da me.]
jaifii-n-güca da me de lo que hay. (G.)
aiddi vendes? (P.l
cadi/i quiero. (G.)
cachi quieres. (G)
ipiodtica veude me. (G.|
fiii-cide inod-tica vendeme tus canoas. (G.)
fi-iio comer. fP.i
paiida fi-iio comer [plätano]. (Wi.)
paiida fiuo pan. (W )
diuu comida. (G.)
diua jayu hay comida? (G )
pi-cush-no beber [agua]. (Wi.)
caato dormii-. (Wi.i
ifiicasahesusai/ suefiü. ^Wi.)
Xaclitrag- A. Dio verwandten Sprachen der Cayapa und der Colorados von Ecuador. 35
Colorados.
tiiiaiifi (xirc Hill' i-iUii-nu- streite nicht I (A.)
thifiiifi oza vatii-((t' sündige nicht mehr! (A.)
Dios (lueca io pc laclii t.~ac/i/ piidiif/o ro Gott
hat Sonne, Mond, [meinen] Körper und
Seele gemacht. (A.)
i'ti! arbeiten. (A.)
töa-ili' graben. (A.)
iroa qn('-(le säen. (A.)
to/>i i/iii'ri-(h- wirf es fort. (A.)
Cayäpa.
itlrff/ft schlagen. (A.)
jiiire-di' schneiden, (A.)
iKilpa io ie-dc [ein Huhn) töten.
foro-dc öffnen. (A.)
lii'i-ih' schliesson. (A.)
t(i-iii- kochen. (A )
rliiti-(li' schreiben. (A.)
piirutupii-zä kämmen. (A.)
j)i])iach(( sich waschen. (A.)
nipitn sich verbrennen. (A.)
(A.)
lnt('-dr moler. (P.)
paiida Iiitr plätano molido. (P.)
Di'iiii-'idi' leben. (A.)
i-luipiillu .soiui-iiit [Menschen] Leben (A.)
lu/r/i/iii- niiKi-ni'i klein, kurz [ist das Leben].
, (A.J ^
(xinga söna-ui'i lang [ist das Leben]. (A.)
])(>n chiUi oi'' sterben.
./. ('. chiquiUa rlii fi'iif/ rhi piiii J. Ch. starb
am Kreuz. (A.) |eig. „J. Oh. als Mensch,
seine Seele ist sterblich".]
ioijiiido hi piiii-fi rliinii'i im Himmel sterben
sie nicht. (A.)
ti'iifiu pua-tu-iui die Seele stirbt nicht. (A.)
[eig. „die Seele stirbt sie"?]
tnit/a pua-n-ml der Körper stirbt. (A.) [eig.
„die Seele stirbt sie"?]
rhilit r/ii teiKja fh)iila piia tu iiiö die Seele ist
mehr als der Körper. (A.) [eig. „die Seele
des Menschen stirbt durchaus nicht".]
iiiiiUa zachi pudini der Mensch hat eine Seele.
(A ) [eig. „der Mann stirbt er"?]
sDiiiila piid-iH/ das Weib hat eine Seele. (A.)
[das Weib stirbt sie?]
l)H(i-ii((. tot. (A.)
Iiiiiaiiff-pu der Tod. (A.)
piiian-cö Seele, Geist [der Abgeschiedenen]. (A.)
iiHiiii-dr begraben. (A.)
./. ('. jxiinKDi itia inena-co J. Chr. wurde be-
graben für drei Tage. (A.)
J. ('. icliiDui to-bi ne inena ra nii J. Chr.
erhob sich vom Grabe. (A.) [..blieb nicht
in der Erde begraben".]
sunchachi vivir. (W.i.)
urate vivo. (W.)
piitiil se acabü. (P.)
ix'to muerto. (W.)
nieiuo muerto. (Wi.)
36
Erster Abschnitt: Sprachliches.
Colorados.
Dios qtiidd oi' Gott sieht alles. (A.)
Dios nierii ol' Gott hört alles. (A.) [V
ist gut-?]
Cayäpa.
,Gott
»eiiepa-iiii lügen. (A.)
nu nene-pä-niat/o du lügst. (A.)
uianfd-pti-thni, Iniaii-la ineco pa-tiuu schlecht
vom Nächsten sprechen. (A.)
apu-gu ticho ntecö-pä-to widersprichst du dem
Vater?
uya-ngu ilcho nifcö-pn-to widersprichst du der
Mutter?
uniUa-ga tcqiii clio Dif-rö pü-to widersprichst
du dem Gatten?
mo:ar-de schweigen. (A.)
becö honiü antworten. (A.)
oti-de laut rufen. (A.)
oari-nti weinen. (A.)
chinö weinen. (A.)
i-acdride lachen. (A.)
qufpe iia lechä quiiia, tflok qufhl rezagi hd-
ginu — bete jeden Morgen und Abend.
(A.) [spau. rezar.]
poiielabe fari-ini hast du den Zauberer ge-
rufen? (A.)
n-ozd-telal-ari-zd klage deine Fehler [alle]
an. (A.)
ziug coufesa quiiu-sa bekenne deine Fehler
(A.) [span. confesar.]
//■ inu iniiua wie heisst duY (A.)
queti (je verzeihen. (A.)
qui cdlagine streiten. (A )
que caaldgina sündigen. (A.)
titiang oare que cdtu-na streite nicht. (A.)
apa-ga que-mi, aga-nga que-nii nao-ga que-tni,
tachilla-ga que-mi hast du Streit gehabt
mit dem Vater, der Mutter, den Kindern,
den Colorados? (A.)
seque-iita sona te habe Geduld [mit der
Frau]. (A.)
hitiipo Geduld. (A.)
pdnique Zorn. (A.)
pa-po wild. (A.)
tinang pai tu nu sei nicht zornig. (A.)
lachi hagu quireniöquefo Hass oder Rache
haben. (A).
uiüUabe tensdtaita mit Männern nicht scherzen.
(A.)
pu-de hablar.
pacto hablar.
(Wi.)
Jniato llorar. ,Wi.)
ucagto reir.
recse cantar.
,Wi.)
(Wi.)
utiaqueiio rezar. (Wi.)
f/ in KU iiiujfu como Hamas? (G.)
ti tuuiitü como te Hamas? (P.)
jainburcndo ?) querer. (P.)
ujdraya ctJlera, bravo. (P.)
Nachtrag A. Die verwandten Sprachen der Cayapa und der Colorados von Ecuador. ;^7
Colorados.
fiiniiihihc t('i)siii(i)i(i mit Weibern nicht scherzen.
(A.)
iiKiiiffa zachi tiH.sa iiiat/o [von der Frau] die
Ehe brechen. (A.)
tii/tii('(p'i~fi fiii(( (vom Manne] die Ehe brechen.
•A.)
P e r s 0 n a 1 p r 0 11 0 m i n a.
Säimntliche Beispiele nach dem Vokabular
des ungenannten Geistlichen (A.): —
ht ich lif-r/ie wir
IUI du iiii-vlu' ihr
lu er /iic-rJii'/ (verbessert für mf-r/if^) sie.
l<(-rln' äjxi mein Vater.
tiii-rJi/ apa dein Vater.
cliifi-cht äpa sein Vater.
]iiiti h(-rhi (irü meine Brüder.
hini Uli eh! (icü deine Brüder.
Iifiii rhitirht (irö seine Brüder.
tiiif-'i' ich habe.
nii-tii-c du hast.
i/a-fdc er hat.
rhtipiiUu triff oi' wir haben.
///i fiifi of ihr habt.
i/ii Uli ti' sie liaben.
Gayäpa«
IUI maiif/a ihr seid [? „du allein"!]^
IUI tan'-iiiaifo du hast gestohlen.
IUI lu'ii^-pa-iuiijio du lügst.
ii-iizii-fdal-ririza klage deine Fehler [alle] an.
i) II -ruh liioi'itli-ii vcnde me tus canoas. (G.)
Genitivsui'fix — -i-hi.
Sämmtliche Beispiele nach dem Vokabular
des ungenannten Geistlichen (A): —
la-rhi äpi'i mein Vater.
lui-rhi üpd dein Vater.
<-]ilti-rhi' dpa sein Vater.
hiiii Iii-ch! uro meine Brüder.
Im II lui-r/ii an') deine Brüder.
h'in rhitl-rlii an') seine Brüder.
./. ('. Dios-rhl iido J. Ch. ist Gottes Sohn
siipiifii-rhi itin'i la agiija de la muger. (G.)
supitlii -rhi paiia tnif/diKi el fuego de la
muger. (G.)
nati-rhi cuanto vale? (G.)
ral-chi, mau ral-rJii cuesta un real. (G.)
Maria ./. Crluto-rlii aija Maria ist J. Christi jial-rhi, pal-ral-rhl cuesta dos reales. (G.)
Mutter.
hliiN rhl paliuau in Gott sind drei Personen.
rhilla rhl triif/a /Hos lu-uil die Seele ]des
Menschen] geht zu Gott.
rliilla rhi rhazi rato piirard hrini der Körper
[des Menschen] geht zur Erde.
luiiu dislniial-liisliti'iu rhi cuesta seis pesos. (G).
38
Erster Abschnitt: Spraclilichcs.
Colorados.
Cayäpa.
Lokativsuffix:
-hv, -bi.
Säinmtlichc Beispiele nach dem Vokabular
des ungenannten Geistlichen (A>: —
Dios ii'tqiiido-he Gott ist im Himmel.
./. ('. (I man 11(1 ciclo-hi paca J. Chr. ist im
Himmel mit Körper und Seele.
ioquido-hi piifi-fl cIiiiikI im Himmel sterben
sie nicht.
to-hi qnerc-<i< wirf es fort |auf den BodenJ.
iiniUa-bc tcnna -tniia mit Männern nicht
scherzen
souala - h< foisa - fana mit Weibern nicht
scherzen.
Sozialsuffix: — -(ju.
Beispiele nach dem "Vokabular des unge-
nannten Geistlichen (A): —
apa-ga que'-iiii hast du Streit gehabt mit dem
Vater?
ai/a-iiga qiti^nii hast du Streit gehabt mit der
Mutter?
nao-ga quem/ hast du Streit gehabt mit den
Kindern?
tachilUi-fia qiteiiil hast du Streit gehabt mit
den Colorados?
apa-ga ticho mccö-ptä-fo widersprichst du dem
Vater?
aya-nga fichi mccö pä-tu widersprichst du
der Mutter?
uiiifla-ga fc qidcho nirro pä to widersprichst
du dem Gatten?
Bekräftigung.
ahf'i Jiod ja. (A.)
ha-lia si. (M.)
Die übrigen Beispiele alle nach dem
Vokabular des ungenannten Geistlichen
(A): -
mird oe gut.
Dios merd oe Gott hört alles [? „Gott ist gut!"]
Dt'os qui da oe Gott sieht alles.
se-Juie hübsch.
ci-nid Jiua guten Tag.
le-rne htia Nacht.
polö-hiia hart.
lo halhd hoe Hitze.
mu-fii! si quiero. (P.)
i'irab-e si. (G.) [eig. bien estä.]
iirabe, dfichi si, (G.)
i/i(ju iirabe si, es bonito. (G.''
f/uju-ra phidgu que olorosol (G.)
tag-oi' ich habe.
un-fd-i' du hast.
Nachtrag A. Dii' verwandton Sprachen der Cayäpa und der Colorados von Ecuador.
Colorados. Cayüpa.
ija-iä-l' er hat.
chiquilla t(lf/-oi' wir haben.
lla-foff-oi' ihr habt.
//(i 7/a-f-i' sie haben.
39
iod ot" geben.
qucti-oi' verzeihen.
pod-chitii oi' sterben.
Verneinung.
tiHu nein, no! (A. M.)
Die übrigen Beispiele sämmtlich nach
dem Vokabular des ungenannten Geist-
lichen (A): —
tine, catu-dc thue es nicht mehr.
tinattg oza cöfu-de sündige nicht mehr.
thiaiif/ oave rdtii-iia streite nicht.
tiiiaii;/ paltuna sei nicht zornig.
fina ciichi fuäua trinke nur ein Glas [„trinke
nicht mehr'."].
iniHUihc fi'iisa - fdiia mit Männern nicht
scherzen.
fiOHdluhc friisa - tftiKf mit Weibern nicht
scherzen.
chuchu fi-fpiu/a-ifö der Hund hat keine Seele.
J. ('. ti-Kz<(-ifö J. Chr. ist ohne Sünde.
Dios te-pöcd-ifö Gott hat keinen Körper.
(li-n-to hässlich (vgl. sr-Jnie „hübsch").
iinij-f!(> no! (G.)
iiins-fiir no quiero. i^P.)
//// rtlj tiKi no hay. (G.)
<uif( ([HC HO no quiero [contestando con so-
berbiay dcsobedicimiento). (P.) [spanisch:
que no ! " ? ]
iö D/'o.s c/nii' die Sonne ist nicht Gott.
pc Dios cliiie der Mond ist nicht Gott.
)0(jaido-bi puä ti chuiiä im Himmel sterben
sie nicht
iotjuido hi (]Ki(i-hi cliiiiiii im Himmel sind sie
nicht krank.
iftöa nichts.
nuniarc in(tn1(( niemals habe ich gefehlt.
Frage.
Sämmtliche Beispiele nach dem Vokabular
des ungenannten Geistlichen (A): —
nio(( war?
uffHUfdicHtc (•nrlii-ni! hast du Branntwein ge-
trunken ?
mala ciichi-ini hast du Chicha getrunken ?
apa-ga que-mi hast du Streit gehabt mit dem
Vater?
tii/a-iiffa qiie-iiii hast du Streit gehabt mit der
Mutter?
■tjii(ii(/ii(, iiui-ijin iitr (juieres? (F.)
40
Erster Abschnitt: Sprachliches.
Colorados.
iniillo zni-hi piiii-wi der Mensch hat eine Seele
[eig. „der Mann, stirbt er?"].
soiiäla piiä-iiii das Weib hat eine Seele
[eig. „das Weib, stirbt sie?"].
ti')itja piHi-tii-ini die Seele stirbt nicht [eig.
„die Seele, stirbt sie?"J.
tiuga pitd-u-iiii der Körper stirbt |eig. „die
Seele, stirbt sie?"].
II u tari-Diai/o du hast gestohlen [eig. _hast
du gestohlen?"].
>iii tutu'-pö-niuii» du lügst [eig. ,.hast du ge-
logen?"].
iiianga zöchi tcnsa luäi/o (von der Frau) die
Ehe brechen [eig. „hast (du) mit einem
Manne Unzucht getrieben"?].
f/'/un imina wio heisst du?
uirianv faJtai cdtu wie oft hast du gefehlt?
riria itn Jiatu to warum hast du gefehlt?
Cayipa.
tinni-inn como te Ilamas? (P.)
tinni-ii inujtn como Ilamas? (G.)
(iinn ja-ifu hay comida? (G.)
tin faja j/n i/u que has traido? (G.)
nilfi taja i/u has traido canoas? (G.)
itan cid faja i/ii cuantas canoas has traido ? (G.)
nan shi cuanto vale? (6.)
i)i(>ca jhi(U) donde te vas? (P.)
Imperativ.
Als Endung desselben scheinen, wie ich
in meiner ersten Abhandlung (oben S. 12)
auseinandergesetzt habe, die bei den Zeit-
wörtern der Listen häufig angegebenen Suffixe
-d( und -zu -b'ha zu fungiren: —
Vgl. die von dem ungenannten Geistlichen
(A) angegebenen Sätze: —
tobi querc-dr wirf es forti
ti>tc rdtn-dc thue es nicht mehrl
tinang oza ratii-de sündige nicht niehrl
n-ozd-teJaf-ori-za klage deine Fehler [alle] an 1
iaja-dc trae.
Uli -de vayase.
sha vamonos.
(P.)
anda te.
(P)
(P.)
Zahlwörter.
(A.)
(M,
(G.)
(P-)
1.
niauga
nianrari
)iiai)
iiia/u
2.
palugä
pal II cd
pallii
pallo
3.
painiati
pniia
peniii
poina
4.
hiinihd hiU't
iinihä li'li'i
talpaUii
talpallo
5.
nianta
niaiita igü
man da
man da
6.
sta
sota
1-Q
[uechua myta
DiaiidialniiaUi
inaiidasinain
7.
call eil!
raiicliis
cancMs
Diand-iüh-palhi
iiiandaspallu
8.
pozu
])()za
pusay
nuoid-ish-pcDiii
viandaspcma
9.
ishco
islicini
iakon
inaiid-lsli-ialpallii
mandastalpidlo
10.
chinuiu
eh 11)1 CK
cinnica 1
paltia
pailta
11.
paltia III all.
Nachtrag A. Die verwandten Sprachen der Cayäpa und der Colorados von Ecuador. 41
12.
13.
20.
21.
22.
30.
40.
50.
60.
70.
80.
90.
100.
200.
30(».
1000.
1878.
Colorados.
Zahlwörter.
Cayäpa.
(A.)
(M.)
patza patzcir
(vgl. Quechua pachu/^ .hundert'')
]H(Iti pafza
mit Tspan.) (inarauga
(= Quechua huaranea)
(G.)
(P.)
pultia pallii.
palf/'a priun
u. s. f
»Ktn chalKra wuiti lladora.
>nrf)ic/ialiira man.
manchaliira paUii
u. s. f.
peu chunga
(vgl. Quechua rJnnica ^zehn").
talpul rtmiif/a.
niaang rliioiga.
mandisli malli chuugu.
niandish pul chunga.
niandish pen chunga.
mandish ial pul chunga.
man hatsd.
pal batsd.
poi hatsd
u. s. f.
ptdtia hatsd.
paltia mandish ptmu hatsd.
mandish pal chunga mandish pcmu.
(A.)
)na domingo eine Woche.
wam pc [einj Monat.
mam hitc [ein] Stück.
mallharra j)ima ein Thaler Salz [eig. man
lihra ein PfundJ.
mungunn Bios es ist nur ein Gott.
mangarc hiinla unverheirathet.
mangar mozo Jüngling.
mangarin -achl junger Mann.
mangarin zond junges Mädchen.
niangu zdchi tensa nidi/o (von der Frau) die
Ehe brechen (eig. „hat ein unverheiratheter
Mann mit dir Unzucht getiiebcn':'"].
Dios chi painian in Gott sind drei Personen.
J. ('. paiman md mriia-ro J. Ch. wurde für
drei Tage begraben.
J. ('. paiman ma tcmang son J. Ch. erhob
sich [nach drei Tagen] vom Grabe.
)ndner<' ein Mal.
paliint' zwei Mal
paimanc drei Mal.
humpalulonr vier Mal
manfanc fünf Mal.
rh Ungarn' zehn Mal.
(G.)
mau siipu/a jandctsua una niuger viene.
l)aJ cu/p, pcn cu/r dos, tres canoas.
pi'u rdl tres reales.
man culc munchalura hisJii 20 pesos pur cada
una (canoal.
4-2
Erster Abschnitt: Sprachliches.
Colorados.
Zahlwörter.
lA.)
fuque der erste [Wochentag;
reiiffähtle der zweite
nä}i'':pi:-le der dritte „
neaiiaca der vierte
Haueana der fünfte
naitpn)! beiirhe der sechste
Cajäpa.
(G.)
tnaii r.il un real.
racil chi cuesta uu real.
j)äl chi, päl räl cht cuesta dos reales.
peti ral tres reales.
niamilin cuatro reales [eig. „ein halber Peso"
tiianii'llii ral cinco reales.
/iiaitifh'ii pil seis reales.
iiiai/iiliii pcH r'il siete reales
luaii diishtu un peso.
man dushtu ral un peso un real.
päl tiishtn dos pesos.
pen tushtu tres pesos.
tilpal-hishtu cuatro pesos.
Dinaiifi fi'ishiii cinco pesos.
niamlishiiiaJ-litshtii seis pesos
u. s. f.
inanchalnra hishi veinte pesos.
pen chunga lushi treinta pesos.
man bafsd hishi cien pesos.
In den Benierkuiiyeu. die Theodor Wolf dem kleinen spaniscli-
Cayäpa-Quechua Yokabnlar anfügt, das er in dem oben angeführten Bericht
über die Provinz Esmeraldas veröffentlichte, macht er darauf aufmerksam,
dass die Silbe pe, die im Cayäpa und in der Sprache der Colorados „Wasser"
und „Fluss'' bedeutet, in einer ganzen Reihe von Flussnamen des nörd-
lichen Theils der Provinz Esmeraldas vorkommt, wie Cacha-bi. Uim-hi,
Tulul-bi\ Pala-bi, Telew.-bi^ Canum-bi u. s. w., und in all" diesen Worten von
den Indianern eigentlich aucli mit einem harten p gesproclien wird. Er
schliesst daraus, dass Stämme dieser Sprache in alter Zeit weit nach
N(»rden bis zum Rio Patia verbreitet gewesen sein müssen. In der That
sprechen manche Umstände dafür, dass die eiust mächtigen Stämme der
Barbacoas, der Iscuandes und der Telembies. die die Wähler und
die Ufer der Ströme des Patia-Uebietes in ihren oberen, schon dem
Abfall der Cordillere angehörigen Theilen bewohnten, eine einzige grosse
S])rachgruppe gebildet liaben. und dass die Cav;i]);i und Colorailo.s nur
Nachtrag- A. Die verwandten Sprachen der Cayapa und der Colorados von Ecuador. 43
Uiiterabtheiluiigen dieser Spracli- und Völkergruppe darstellen. Einen
Rest dieser Stämme traf der fran/ösiselie Reisende Ed. Andre an dem
Ufer des Rio Cuaiquer, der dem dem Patia parallelen, aber südlich von
der Bahia de Tumaco in das Meer mündenden Rio Mira zuströmt. Er
beschreibt si(?^) als eine wenig zahlreiche, friedliche, durch Schlankheit
und Eleganz der Formen ausgezeichnete Menschenrasse.
Die Männer, sagt er, sind voji mittlerer («rosse, wohlgestaltet, von
leicht dunkelbrauner Hautfarbe. Die Haare sind straff und fallen ziemlicli
tief über den Nacken herab. Von den Indianern des Hoojilandes unter-
scheiden sie sich insbesondere durch die starke, gekrümmte, fein al)gesetzt(»
Nase, die niemals ])lnm}) und fleischig ist. Sie bemalen sich ganz all-
gemein das Gesicht mit dem Farbstoff einer Pflanze, die sie vija nennen,
einem schönen Orangeroth, untermischt mit einigen blauen Strichen, die
mit Indigo gemacht werden. Die Frauen sind klein, llire Hautfarbe
zeigt einen Orangeton. Die Nase ist adlerartig (nez bourbonien), mir
feinen rundlichen Flügeln. Die Haare lang und dick. Der Mund von
mittlerer (J rosse, mit schmalen Lippen, die einen dunklen Far1)enton auf-
weisen. Die Stirn ist niedrig, die Augenbrauen wenig sichtbar, die Lider
stark vorspringend und mit ziemlich stark entwickelten Wimpern versehen.
Die Augen sind glänzend, von mittlerer (irösse, nicht schräg gestellt und
ziemlich hübsch. Das Kinn ist klein und gerundet. Gegenüber der be-
trächtlichen Brustkasten - l^ntwickluug, die die Hochland-Indianer auf-
weisen, ist ihre Brust unter den niedrigen und anmuthig gerundeten
Schultern nur wenig geweitet und zeigt ovale Brüste, die, selbst bei jungen
Mädchen, mit einem stark entwickelten Hof und feiner Warze versehen
sind. Die Füsse sind klein und wohlgebildet, die Beine ^,d"une ligne
parfaite*', die Hüften wenig vorspriugend. Arme und Beine ein wenig-
schmächtig, aber von tadelloser Form. Die meisten gehen nackt bis zum
Alter von zwölf Jahren, wo sie sich verheirathen und Mutter werden.
Wenn sie das heirathsfähige Alter erreicht haben, wickeln sie schräg um
<lie untere Hälfte des Leibes einen Baststreifen oder ein Stück bayeta
(Flanell) von grober blauer Farbe, das sie zwischen den Beinen aufheben,
wenn sie auf dem Marsche sind."-
Weiterhin") hat Andre auch ein i)aar Worte ihrer Sprache auf-
gezeichnet, die ich hier unter Zufügung der entsprechenden Ausdrücke
jfler in dem Obigen behandelten beiden verwaudten Dialekte, wiedergebe: —
Colorado.
Mann mnUa
Frau
Ca.Viipa.
Cuftiquer.
itiniala
Iiaiiihd
liupula
imiberi'
sKpiila
iK(ri((iithH
1) „Lo Tour du Monde". Vol. 38. p. o^b. o(>(>.
2) „Le Tour du Monde^ Vol. 45. p. 344, 345.
44
Erster Abschnitt: Sprachliches.
Colorado.
Vater npii
Mutter (ii/ii
Solm tnio
Tochter imnui
Haar apirlui
Auije racö
Nase (jutiifii
Mund fiqidforo
Zahn fpfii
I.eib. Bauch .... pe'colo
Arm faipii
Hand fäh'
Bein nrdf, bostii
Fuss nebopö
Fleisch tachica
Himmel ionniiWi
Wasser />/
Erde io, tu
Silber ein
Brot
Gras (? herbei . . .
Haus ifd
Bett
Wie geht es? . . .
Gut. danke ....
Adieu
C'ayäpa.
Cuaiqiier.
dpa
nn-illii
ijaua
(iriHi
nna, if/tin
piiijpd
.Sllpil-Ilfllllll
iKirliniiliit pdijpii
payini
ach II II
<iii-lii
rapiira
i-iirlni
quijo
ijiimipii
fbaiiiil
jiit'n
fi'sro
all II II II
(IJr/i
11 /i 11(1
PK) P'J
tnnll
papapii
r/i •tu
eitiho, iii'pd
pliiiliiir
nepupu
niito
dUa
11(111
hdfiaralla
uildniuati
rhllln
pi
nidrri
tu
pill
pidl
jHlllltt'll
pmfl'ii
!l<i
l/dll '
rdilli
Uli Jdini Jdiiihi'i
fllldtill-ffildtill diiihod
i-dirhIdDihi'l
Au.< diesem mageren und auch wohl nicht sehr sicher überlieferten
Yerzeichniss lässt sich nun allerdings nicht viel schliessen. Doch springen
einzelne Uebereinstimmungen in die Augen, auf die auch schon Brinton
in seinem Buche „American Race" aufmerksam gemacht hat, wie apichü
achua und aichi „Haar'" \ cacö, capüca und cachu „Auge"; quinfü, quijo und
quimpu „Nase", sowie j/a und ijall ,,Haus". Am auffälligsten ist die Nicht-
übereinstimmung in dem sonst weitverbreiteten Worte für „Wasser". Und
ich habe eigentlich den stillen Verdacht, dass das von Andre mit der
Bedeutung „Erde" angegebene Wort pill eigentlich „Wasser" heisst und
dem pi der anderen beiden Dialekte entspricht, und dass das von Andre
für „Wasser" angegebene Wort cuavri mit dem C'ayäpa -Worte acuri „Berg''
zu vergleichen ist.
Noch weiter hat Brinton in seinem Buche „American Race" die hier
angenommenen Verwandtschaften verfolgt, indem er auch die Möguexs (wie
sie von den Paez genannt werden), die Guanaca oder Guambia, unter
welchem Namen sie von den älteren und den spanischen Autoren auf-
geführt werden, die neben den Päez auf der zentralen Cordillere von
Nachtrag A. Die verwandten Sprachen der Cay;ipa und der Colorados von Ecuador. 45
Columbion, an dem hohen Piiranio de las Papas wohnen \) und die ihnen
benaclibarten und sprachverwandten Bewohner der Dörfer Polindara
und Totoro, sowie die Coconuco, die ebenfalls in dem obersten Cauca-
Gebiet, am Abhang des Yolcan de Purace wohnen, in diese Sprachgruppe
einschliesst.
Ueber die Coconuco hat der General T. C. Mosquera^j interessante
Notizen verött'entlicht, die er „con uiil investigaciones entre los habitantes
de las selvas de Coconucos, Polindaras y Guambias" herausgefunden habe,
und er hat auch einige Worte ihrer Spraclie verzeichnet, die „niemals
vorher niedergeschrieben w(n'den" sei.
„Als Herr eines Theils jener Ländereien", sagt er, „habe ich mit
vieler Mühe mit einigen verständigen Männern und Frauen in Verkehr
treten können, die mir ein wenig von ihrer Sprache beibrachten und mir
von dem erzählten, was bei ilinen über die Eroberung und ihre Vorfahren
bekannt ist. Und zwei derselben, Namens Felipe Ol und Mauricio
Melenge, die 1811) scliou Greise von über achtzig Jahre waren, erzählten
mir, dass die Ländereien, die ich besass, dem Kaziken Mompotes ge-
liörten, und die von Cobalö dem Kaziken Guanaritas, und dass in dieser
Höhe sich die Spuren einer alten aus Erde und Steinen erbauten Festung
von quadratischem Grundriss finden und ein Zickzackweg, den sie in ihrer
Sprache quingos nennen, ein Wort, das auch im Quechuii vorkommt. . . . Diese
Indianer waren es, welche, um sich von den Eroberern zu befreien, alle
ihre Saaten zerstörten, damit Sieger und Besiegte durch Nahrungsmangel
zu Grunde giengen, und in der Hoffnung allerdings, dass, da sie viele
waren, einige von ihnen h'hen bleiben und das Land wieder würden be-
völkern können.''
„Zur Zeit der Conquista wurden die Pubenano und Coconuco von
einem Kaziken Namens Payan, die Paez oder Pijao von einem Namens
Calambäs beherrscht."
„Die Coconuco liatten einen Oberhäuptling, den sie yusgüen nannten,
was so viel ist als „König". Die Kaziken waren diejenigen, welche eine
bestimmte Abtheilung von Dörfern l)eherrschten. Unter ihnen standen die
caschü^ was so viel als „Gobernador" bedeutet. Und mit dem Worte
earabic bezeichneten sie die niederen Behörden, die etwa den Alkalden
(Dorfschulzen) entsprechen."
„Zum Bebauen des Ackers hatten sie Steinwerkzeuge, von denen icli
zwei in meinem Besitz habe. Sie bauten 3Iais, den sie hurä nannten,
Arracacha (eine essbare Wurzeln tragende Umbellifere), die sie huahue
1) P. Rodriguez. El Maranon y Amazonas. Madrid 16(S4. p. 72.
2) General T. C. Mosquera. Memoria sobre la Geografia, Pisica y Pohtica de
la Nueva Granada. Nueva York l'S52. p. 43 — 45.
4G Er;;tcr Abschnitt: Sprachliches.
ueuneii, die KuoUenfrucht UUuous tiiberosus (Fani. ßasellaceae), die sie
mit dem Queohuä-Wort uUuco bezeiclineii, die Oxalis tuberosa (die. wie es
scheint, von ihnen ebenfalls mit dem Uuechuä-AVort oca ])ezeichnet \N'ird]
und die Kartoffel, die sie [wie die Quechuä] papa nennen." — (-Mosquera
bemerkt, dass er die Kartoffel in den Bergen von Paletara wild angetroffen
habe, und dass aus diesen wilden, gar keine oder wenig Knollen tragenden
Pflanzen die Eingeborenen gute Esskartofteln zu züchten verstehen.) —
Wie ganz allgemein die Bewohner der Hochländer von Bolivien und Peru,
])flegten auch die Coconuco Blätter der Coca-Pflanze, gemischt mit Aetz-
kalk. den sie aus einer thonhaltigen Kalkerde gewinnen und pic oder
iiiambi nennen, zu kauen. .
Die Coconuco zählten, nacli Mosquera. nur bis sieben, und bedienten
sich für die höheren Zahlen der spanischen Ausdrücke. Gleich den Peru-
anern gebrauchen sie für ihre Rechnungen oder Inventare Knotenschnüre,
die mit dem peruanischen Worte quipu bezeichnet werden.
AVeiter gibt 3Ioscjuera noch, als der Sprache der Coconuco an-
gehörig, die Worte manche „Geist" „höchstes Wesen": palash „Himmel":
jKinsig ..Teufel (diablo)"; cuai „Dämon (demonio)" an.
Obwohl sie heute halbzivilisirt und zum Christenthum bekehrt seien,
hätten sie. als Reste ihres alten Glaubens, noch die Yorstellungeu eines
guten und eines bösen AVesens behalten. Das Böse schrieben sie dem
puil, das ist dem Monde zu, und dem panzig. das ist ihr „Dämon". Das
Gute erhoffen sie von dem puitchi\ das ist der Sonne.
Sie unterscheiden in ijirer Sprache, wie Mosquera sagt, die Fixsterne,
die sie sil. und die Planeten, die sie silg oder sill nennen, — [was mir
allerdings kein rechter unterschied zu sein scheint] — , und bezeichneten
das Gestirn der Plejaden mit dem Xamen site-silg.
Die Kamen anderer Sternbilder hat Mosquera nicht erfahren können.
Für „Monat" gebrauchten sie den Ausdruck cana-puil. d. h. „ein
Mond-.
Endlich will Mosquera noch ein dem Englischen ähnliches Wort bei
den Coconuco angetroffen haben, nämlich die Bekräftigungspartikel inde^
das ihn an das englische „indeed" erinnert.
A'on den den Coconuco nahe verwandten und ihnen benachbart
wohnenden Moguexs hat Leon Douay in dem Compte rendu de laVHeme
Session du Cougres international des Americanistes, Berlin 1888, p. 774
bis 781, ein A'okabular veröffentlicht, das er drei Jahre vorher von zwei
jungen Zöglingen des Colleges von Popayan, den Herren Carvajal und
Adriane Paz, erhalten hat. In der Einleitung dazu gibt Leon Douay
einige ethnographische Notizen über diesen Stamm, die ihm der aus dem
Orte Silvia stammende Pedro Carvajal übermittelt hat.
Auf Grund dieses A'okabulars und einer Totoro -Wortliste, die von
einem ungenannten Missionar in dem zwölften Bande (Jahrgang 1879) der
Nachtrag- A. Die verwandten Sprachen der Cayiipa und der Colorados von Ecuador. 47
Revue de Linguistique et de Philologie comparee veröffentlicht worden
ist, hat Brinton „American Race" p. Ml eine vergleichende Liste von
Colorado- und Cayäpa -Worten und Möguexs- und Totoro -Worten zu-
siimniengestellt, die in der That einige auffallende Uebereinstimmungen
znigt, und die icli zum Schluss hier, mit einigen Abänderungen und Ver-
vollständigungen, reproduzire: —
Mann .
Colorado.
unilla
Frau so)i<(
HOnala
Koyf Hill villi
Auge r<i(-<'>
Ohr pinili-i
Nase quill fit
Mund fiqii/foro
Zahn tcfi'i
Zunge
Hand t(d>'
Fuss ii('</c, iir/joj)(i
Sonne iö
Mond pr
Sterne t.:aliö
iiiaraca
Feuer iii
Wasser pi
Mais 2^"^
Haus /'/'
1 i?iaii-(/(i
2^ pohi-i/a
3 pdiniau
4 ]iiini-h('ilii-lö
5 111(1)1 -fn
6
Cayäpa.
II IUI (da
liupiild
SU pul (l
Uli alt II
in i.sli picea.
(■(ipiira.
puiifpii
ipiijo
fibaqui
tcsco
iilfjca
fiapapa
iK'papa
pacta
piipajfa
iiiariira
II ii, iii'/lo
ii/ii(/uiiia
P>
pish 11
II'''
mal)
pallii
piiiiii
fdl-paUii
>nau-(l(i
niaiid-ish-
Möguexs.
IllUI'k
srliut
2)iisro
cap
calo
kind
rliidhcliah
coze
kadzigd
puitchr
puizariim
puil
piilne
sill, silg
ipt
pii
bura
piirat
i/(((itk
Totorö.
III uij, nmjel
iuli u
pua/iu
r(ij)fr/i ul
l.-iiii
trii-trap
tchugiil
nüe
vaiiihil
lalli
kaiidi-do-rashani
pa-buin-shain
puhi-buH-sliaiii
pi-puiii-sh(iiii
tchaj-pun-sli am
kuiieii-guai/a
Für die Totoru-Zahlwörter ist dabei zu bemerken, dass l)ei den Zalilen
2 — 5 das bun-sham, pun-sham, buin-skam, iminshavi eine Präposition ist.
mit der Bedeutung „für'', die in ganz gleicherweise bei den Zahlen über
sechs, wo die Totoro sich der spanischen Ausdrücke bedienen, gesetzt
wird, z. B. diez-hunsham „zehn" (eig. „für zehn"). .Die gleiche Bedeutung
werden wir wohl auch dem ovasham der ersten Person und zweifellos dem
— ga der Colorado-Zahlwörter zuschreiben müssen. Die Uebereinstimraung
zwischen den beiden Idiomen, auch in den Zahlen, wird man nicht ver-
kennen.
4^ Erster Abschnitt: Sprachliches.
Für die 1. 2. 3. Person »les Pronomens hat das Totorö die Formen
na-, ni- (oder gni'), ni- (oder </w/)- "^i*^' ^^^^"^ ^"" "^" '*^~ ^^^ Colorado und
Cayjipa entsprechen und wie diese präliu,irt werden. Das Totoro unter-
scheidet aber dabei den Singuhir und Plural des Pronomens durch Hin-
zufügung von -c'/i und 77ipt' und scheint ausserdem noch beim \ erbum.
oder bei gewissen Verben, eine sekundäre Personalbezeichnung durch be-
stinnnte Suffixe bewirken zu können. Diese sind für die l. Person -or
(oder -er), für die '2. Person -ego (oder -egne), für die 3. Person -in, sodass
demnacli z. B. das Zeitwort „haben" in folgender AVeise abgewandelt wird: —
tui-rr poih-or ich habe tKi-mpi po'ik-i r wir haben
(fiii-ce po'ik-cgo du hast j ni-nipc po'ik-cguc ihr habt
(jni-re poik-in er hat | tti-ttipc po'ik-iu sie haben.
Nachtrag B. Die Spraclip der Indianer von Esiiieraldas. 49
Nachtrag- B.
Die Sprache der Indianer von Esmeraldas.
Ueber die ethnographischen Verhältnisse des nördlichen Theils der
Küste von Ecuador wird von den alten Autoren leider fast nichts be-
richtet. Cieza de Leon zählt in dem dritten Kapitel seiner Crönica del
Peru die Häfen auf, die der westliche Rand des südamerikanischen Fest-
landes von Panama südwärts bis an die (rrenzen von Peru aufweist. Er
erwähnt zunächst den zur heutigen Republik Columbien gehörigen Küsten-
strich vom Cap Corrieutes südwärts bis zur Insel Gorgona, der die Bahia
del Chocö einschliesst. Diese ganze Küste, sagt er, ist flach, voll von
Mangowäldern und anderem Urwaldbestand. Es münden an dieser Küste
zahlreiche grosse Flüsse, darunter der mächtigste der Rio San Juan,
und an ihm wohnt eine barbarische Völkerschaft, die ihre Häuser auf
Pfählen errichtet haben, nach Art von barbacoas, und jedes einzelne
enthält zahlreiche Bewohner, da diese „caneyes"'' oder Häuser lang und sehr
l)reit sind. Diese Indianer seien sehr reich an Gold, und das Land, das
sie ihr eigen nennen, selir fruclitbar, und die Flüsse führen Mengen des
kostbaren Metalls. Aber das Land sei so waldig und unwegsam, so voller
Sümpfe und Lagunen, dass es nicht, oder nur unter grossem Kraftaufwand
erobert werden könne. Die Insel Gorgona rage hoch über dem AVasser
empor, und es blitze und donnere dort fortwährend, sodass es scheine, als
ob die Elemente dort miteinander in Kampf ständen. Die Insel sei ganz
mit Wald bestanden, voller Vögel, Wildkatzen und Schlangen und an-
sclioinend niemals bewohnt gewesen.
Weiter verlaufe die Küste in ähnlicher Weise bis zur Isla del Gallo,
und dann mit einer Wendung nach Südwest bis zur Punta de Manglares,
(1. h. der Mündung des Riu Mira. Die Küste sei flach und waldbedeckt,
und es mündeten hier zahlreiche Flüsse — diesem Küstenstrich gehört
4ie Mündung des Rio Patia an - und an diesen Flüssen lebten im
Binnenlande diesellien Völkerschaften, die schon am Rio San Juan genannt
worden seien, d. h. Pfahlbautenbewohner. In der That hat der Name der
Hauptstadt dieses Distrikts, Barbacoas, noch heute die Erinnerung an
diese Verhältnisse erhalten.
Seier. (Gesammelte Abliaiiillungen 1. 4
50 Erster Abschnitt: Sprachliches.
Von Punta 3Iangliiros verlaufe die Küste nacli Südwest zur Baliia de
Santiago und dem Ancon de Sardinas, wo der grosse und reissende Kio
de Santiago münde. Das ist der Fluss von La Tola, an dessen oberen
Zuflüssen die Cayapa wohnen.
Weiter erwähnt Cieza de Leon, — seiner Angabe nach, in etwas
über l'^ nörtllicher Breite gelegen. — die Bahia de San Mateo. Das
muss das heutige Esmeraldas sein.
You dort verlaufe die Küste 10 Leguas in westlicher Richtung zu
dem hoch gelegenen Cabo de San Francisco, in 1° nördlicher Breite.
Auf dem nun folgenden, nach ihm in südwestlicher Richtung ver-
laufenden Küstenstriche bis zu dem unter 0° gelegenen Cabo Pasaos
erwähnt er die drei Flussmünduugen der Quiximies (die Cojimies der
heutigen Karten) und im Binnenlande die hohe Sierra von Quaque.
Jenseit des Cabo Pasaos nennt er zunächst die Bahia de Cariiques
un«l endlich den Puerto viejo in 1° südlicher Breite, mit der zwei Leguas
von der Küste entfernt gelegenen Ciudad de Santiago und dem weitere
zwei Leguas nach Süden gelegenen Monte Cristo.
Die Eingeborenen dieses Küstenstriches beschreibt Cieza de Leon^)
als von mittlerer Leibesgrösse. Sie seien die Inhaber eines reichen, frucht-
baren Landes, in dem es Mais, Yüca (Manihot utilissima). Aji (Capsicuni
sp.), Bataten und andere nährstoffreiche "Wurzeln in Fülle gäbe. Ferner
zwei bis drei Arten Guajaven (Psidium sp.), Guabas (Inga sp.), Aguacaten
(Persea gratissima) und Kaktusfeigeu von zwei Arten, von denen eine
weiss und von vorzüglichem Geschmack sei, sowie Caimitos (Chrysophylluni
cainito) und eine andere Frucht, die man cerecillas (kleine Kirschen)
nenne. Endlich Melonen, einheimische und importirte, allerlei Gemüse
und Bohnen, Orangen, Limas und eine Fülle von Bananen. Die Wälder
wimmelten von Wildschweinen, deren Fleisch sehr wohlschmeckend sei.
und von allerhand Yögeln und anderem Gethier. Es fehle nicht an Bäumen,
die zum Hausbau und anderen Dingen nützlich seien, und in den Hohl-
räumen der Bäume gäbe es viel Honig. Die Indianer hätten auch zahl-
reiche Fischereien, in denen sie Fische in Menge fingen. Den „Bonitos".
die hier liefano-en würden, sagt er aber nach, dass sie Fieber und andere-
Krankheiten erzeugten. Auch sei unter den Indianern dieser Küste eine
Art Warzenkrankheit weit verbreitet, von der auch die Europäer befallen
würden, und die man dem Fischgenuss zuschreibe.
Unter den Indianern dieser Küste unterscheidet Cieza de Leon zwei
Arten:
Bei den einen, die vom Cabo de Pasaos und vom Rio de Santiago
(worunter al)er hier der Fluss von Puerto viejo, nicht der von La Tola,
verstanden wird) südw^ärts bis Zalango wohnten, tätowirten sich die Männer
1) Crönica del Peru cap. 46.
Nachtrag- B. Die Sprache der Indianer von Esmeraldas. 51
im (iesicht einen mehr oder minder breiten Streifen von den Ohren oder
den Scldäfen bis lienmter zum Kinn. Als die hauptsächlichsten Dörfer
dieser Bevölkerung nennt er Pasaos, Xaramixo, Pimpanguace,
Peclansemeque, das Thal von Xagua, Pechonse, und die Leute von
3Ionte cristo, Apechique, Silos, Canilloha, Manta, Zapil, Manavi
nn<l Xaraguaza. Diese Indianer giengen bekleidet und wohnten in
hölzernen mit Palmblatt gedeckten Häusern. Cieza rühmt ihr vorzüg-
liches Maisbrot, sagt ihnen aber unsittlichen Lebenswandel nach und ins-
besondere, dass sie allgemein dem Laster der Sodomiterei gehuldigt hätten.
Sit> hatten viele Idole und einen ausgebildeten Kultus mit Opfern von
Thieren und Kriegsgefangenen. Als Hauptfetisch wurde in Manta ein
grosser Smaragd verehrt, der die Krauken heilte und zu dem man von
weither gewallfahrtet kam. Von dem Cerro de Hoja, östlich von Monte
("risti, sind neuerdings sehr merkwürdige Steinskulpturen, die diesen
Stämmen angehören, Thier- und Menschenfiguren und von Thierfiguren
getragene Sessel in die europäischen Museen gelangt. Xach Cieza de
T^eon hätte in einigen Dörfern dieser Gegend auch die Sitte bestanden,
<Iie er iu Columbien, in dem Valle de Lile unweit Cali ebenfalls beob-
achtet hatte, die ausgestopften Häute der (Jeopferten in den Tempeln auf- -ff^-
zustellen. Diesei- Bevölkerung gehörten vermuthlich auch die merkwürdigen
Alterthümer an, die George A. Dorsey auf der Isla de la Plata ge-
sammelt und in den Yeröffentliclmngen des Field Columbian Museums von
•Chicago beschrieben hat^). Es haben sich darunter Silberfiguren und
Gefässe von peruanischem Typus gefunden, die erkennen lassen, dass der
Einfluss der Peruauer oder ihr Handel sich bis hierher erstreckte. Die-
selbe Thatsache kommt auch in den Erzählungen zum Ausdruck, die von
Eroberungszügen der Inca bis in diese Gegend berichten.
Von dieser tatuirten Bevölkerung unterschieden sich nach Cieza die
Caraques und ihre Nachbarn, d. h. also die nördlich von Puerto viejo an
der Küste wohnenden Stämme, dadurch, dass sie sich nicht tatuirten und
in ungeordneten politischen Verhältnissen lebten, indem sie beständig mit-
einander Krieg führten. Von diesen nördlicheren Küstenstämmen berichtet
Cieza die interessante Thatsache, dass sie den Kopf der neugeborenen
Kinder eindrückten und dann zwischen Bretter schnürten, sodass im Alter
von vier oder fünf Jahren der Ko})f eine nicht mehr sich verändernde
breite oder lange Form, bei der das Hinterhaupt nicht mehr deutlich
hervortritt, erhalten habe.
Endlich erzählt Cieza de Leon noch, dass die nordwärts von dem
Orte Colima (abajo del pueblo de Colima ä la parte del Norte), d. li.
wohl die mehr im Binnenlande auf der Wasserscheide des Rio Daule
und des Esmeraldas, oder an den oberen Zuflüssen des Rio Esmeraldas,
1) B^ield Columbian Museum. Anlhropological Series.Vol.II. No.5. (ChicagolOOL)
4*
K.) Erster Abschnitt: Sprachliches.
wohnenden Stämme — iiiul ilaniit könnten <lit' Vorfahren der lu'UtigtMi
Colorados gememt sein — nackt giengen nnd mit den Stämmen der zum
Rio San Juan sich liinziehenden Küste, d. h. den Cayiipa und den Bar-
bacoas, deu Stämmen des Patia-Gehietes, Handel trieben.
Wir können vielleicht mit einer gewissen AVahrscheinliehkeit an-
nehmen, dass das, was Cieza de Leon von den Caraque sagt, für die
««•auze Küste nordwärts bis Ksmeraldas und bis gegen La Tola hin, Geltung
habe. Denn, wie Theodor Wolf in seinem liuclie über Ecuai Un- horvttr-
hebt'), scheint aus den geographischen Namen, die sich in diesem Gebiet
erhalten haben, hervorzugehen, dass in alter Zeit die gleiche Sprache von
Esmeraldas bis zum Cap Pasaos und noch darüber hinaus gesprochen
wurde. Dann ist aber diese Notiz des Cieza de Leon die einzige zu-
verlässige Nachricht aus älterer Zeit, die wir über die Stämme von Esme-
raldas haben.
Einio-er Aufschluss liesse sich vielleicht durch eine eingehendere
archäologische Durchforschung des Gebietes gewinnen. Nach Theodor
Wolf*) soll es namentlich in Atacämes (westlieh von Esmeraldas) und
in der Gegend von La Tola zahlreiche „Huacas" geben, in denen mau
Thongefässe und Thierfiguren aus Thon oder Stein, selten aus Metall, ge-
funden hätte, den Hausrath einer armen, aber künstlerisch nicht ganz un-
gebildeten Bevölkernni-'. In einer Schlucht einige hundert Schritt südlich
von dem Orte Lagarto (der an der Küste etwa halbwegs von Esmeraldas
nach La Tola liegt) traf Theodor AVolf eine Huaca, in der eine 3Ienge
zerbrochener Metallgegenstände, Drähte, Scheiben, Bleche, Körner und
Bruchstücke von Finger- und Armringen, Halsketten, Ohrringen, unzweifel-
haft altindianischer Arbeit enthalten waren, die das Erstaunen des
Reisenden wachriefen durch die Verschiedenartigkeit ihrer Metallzusammen-
setzung. Wolf hat eine Anzahl dieser Stücke analysirt. Er fand unter
anderem : —
1. Verschiedene Fäden und Drähte aus l'i— ISkarätigem Gold, die
neben Silber immer noch etwas Kupfer beigemischt enthielten.
2. Ein Goldblech dunkler Farbe, das sich zu zwei Dritteln aus Kupfer,
zu einem Drittel aus Gold mit ein wenig Silberbeimischung zu-
sammengesetzt erwies.
3. Ein unbearbeitetes Körnchen Metall bestand aus Platin.
4. Eine dicke, mit Durchbohrungen versehene Scheibe ist Kupfer mit
ein wenig Beimischung von Zink und Eisen.
5. Eine dünne, aber harte und kaum biegsame Scheibe besteht aus
Zink und ziemlich viel Eisen.
1) Geografla y Geologia del Ecuador, p. 504 u. 5211.
2) Memoria sobre hi Geografla y Geologia de la Provincia de Esmeraldas.
(Guayaquil 1879.) p. 50.
Nachtrag B. Die Sprache der Indianer von Esmeraldas. 53
6. Ein Stück von der Cfrösse eines Reals, aber dünner, das ein platt-
gedrücktes Stück eines Armringes zu sein scheint, von der Farbe
etwa des gediegenen Wisnmtlis, nnd harter, wenig biegsamer Be-
schaffenheit, erwies sich in der Hauptsache als aus Gold und Platin"
zusammengesetzt, mit geringer Beimischung von Silber. Ein un-
löslicher Rückstand besteht aus Osmiridium.
Das Rohmaterial für diese Stücke scheint aus dem Gebiet des Cayäpa
gekommen zu sein, wo z.B. aus den Wäschereien von Sapayito Theodor
Wolf einen Sand erhielt, der sicli ungefähr in dem gleichen Verhältniss
aus Gold- und aus Platinkörnchon gemischt erwies. Theodor Wolf hebt
aber mit Recht hervor, dass zum mindesten die metallurgische Kunst dieser
Stämme nicht gering gewesen zu sein scheint, da sie es verstanden, das
Platin, das scliwierigst schmelzbare Metall, zu verarbeiten.
Die alte indianische Bevölkerung dieser Gegenden ist heute fast ganz
in der ]Mulatteiibevölkerung, die die gegenwärtigen Bewohner dieses Küsten-
striches sind, aufgegangen. Und damit sind aucli die alten Sprachen ver-
schwunden. Xnr in Esmeraldas hat es bis vor Kurzem noch einige alte
Indianer gegeben, die diese Sprache sprachen. Es ist ein grosses Yerdienst,
<las sicli Herr Tlieodor Wolf um die ecuadorianische Linguistik erworben
hat, dass er im Jahre 1877 durch Vermittlung des Herrn J. M. Pallares
in Ksmeraldas diese bislang ganz unbekannt gebliebene Sprache hat auf-
zeichnen lassen. Die über 450 Worte und Phrasen, die der genannte Herr
zusammengebracht hat, stellen wenigstens in lexikalischer Hinsicht ein
ziemlich ansehnliches Material dar. Ich bin Herrn Theodor Wolf zu
besonderem Danke verpflichtet, dass er mir gestattete, im Anschluss an
<lie Cayapa-Colorado -Vokabulare, diese Reste der jetzt auch schon als
ausgestorben zu betrachtenden Sprache der Indianer der Küste von Esme-
raldas hier zu veröffentlichen.
Für die Orthographie des folgenden Vokabulars gilt das Gleiche, was
oben (S. 24) bezüglich der Cayäpa- und Colorado -Vokabulare angegeben
ist. Wo der Aufzeichner des Vokabulars eine nasale Aussprache an-
gemerkt hat, habe ich ein Häkchen -^ gesetzt. Verbesserungen und eigene
Deutungen sind flurch eckige [ ] Klammern gekennzeichnet. Auf eine Er-
klärung der einzelnen Wortformen habe ich naturgemäss verzichten müssen.
Insbesondere das Verbum ist mir, nach dem hier vorliegenden Material,
nicht gelungen, in befriedigender Weise aufzuhellen. Dagegen habe ich
mich bemüht, wo ich Zusammenhänge in den Worten zu erkennen glaubte,
diese durch Zusammenordnuno; zum Ausdruck zu bringen.
:.4
Erster Abschnitt: Sprachliihes.
Uoin Mann.
ilömunt \o honibre [?].
Hon rirane cl hombrc [?].
hittioiii iloniau camina el hombrc.
ilini-it't-sa [mij hijo varon.
ilo-ijufiJpo gallo.
naca-ilö vanios con el marido ii otro
hombre.
tili-, tiöii-, ti(Titu — Fran.
tiaTiiKi, fioiKt muger.
(.,por sonar poco la u de la primera pala-
bra-'O
tiaidia ijunufi muger buena.
risele fiaiiiiii muger buena.
bisqtte tioiid muger buena.
ituälene tiona rird caminar la muger.
tin-iu-sa [mi] hija (d. h [mi] uifio hembra).
titi-ic-ä [tu (?)] hija.
in- Kind.
ic-e, !/i'-e, i/giii niüo, inuchacho [de alguno].
ubale itqüe se muriu su hijito.
ubale i/utqi'ic se muriü su hijita.
f/it-sa [mi] hijo.
iliin-iii-sa [mi] hijo varon.
tin-iu-sa [mi] hija.
fin-ic-d [tu (?'] hija.
.'// "'/-ff" cfpfi o-si'i pollo.
i/n-cüchi [kleines machete] cucliillo.
et-e, ef-qui-e marido [de alguna].
uaca-hete A'amos con el marido.
anrd esposa.
daUqui-e concubina [de alguno].
cuinnrair casado.
in shih familia.
tt't-e padre [de alguno].
ftpi madre.
paup-sd [mi] madre.
i/ar-sa [mi] hermano.
nu-ssa [mi] hermana.
tia-fsa [mi] tio (span.?)
ipi't-sa [mi] nieta.
JiKid-sd [mi] cuerpo,
chirctt hual-sd calor al cuerpo [mioj.
eherco hual-sd tengo calor.
mu-rdpa cabeza [tronco de la cabeza].
ra-rapo j»clo (Haupthaar).
ru-rap-sd [mi] pelo.
rar cerda.
lunchls rara piojosa [Haar voller Läuse].
rap-faa (Kopf der Füsse) - dedos de los pies.
mula cara, ojo.
chuoris inulga ciego ul«"^ •' casi no suena"
[„der, dessen Augen — sind-*).
chichiquiliu-sd nnifo-rd te saco los ojo.-- para
hacerlo tuerto.
re-ac-sd [mi] oreja.
re-aii-sd [mi] nariz.
isca n'-aii-soca ir a besar [küssen = riechen?
„der, welcher wünscht zu küssen"].
ril-to-sa I r -T 1
, , mi boca.
oder has-sa]
ril-tiin(i labio.
ra-tiina barba.
raha dientcs.
aUqui rd-ca dolor de muela [„der, welcher
Schmerz am Zahn hat*].
raan-sd [mi] lengua.
niu-cola pescuezo [tronco del pescuezo].
mn-jipppf espinazo [tronco del espinazo].
iini-quic culo [tronco del culo].
qui-e mierda [de alguno].
qui-ca mierda [oig. Ueno de mierda].
asca-qui-sa quiero cagar.
toa-qui cagar.
foa-qui-PiiP qaisqiti-sd ya se obra.
inu-tdii-sa [mi] pecho [tronco de mi pecho].
chiche pechos de la muger.
cobin-sa [mi] barriga.
cobt'i-ra barriga [? en la barriga].
niil-e corazon [de algnno].
mil-sa [mi] corazon.
rc-inil-e estomago [de alguno].
ia-qupl-sd [mi] espalda [Fuss oder hinterer
Theil meines Nackens?], (vgl. iim-quil-sa
[mi] hueso.)
ta-di'-ssa [mi] brazo [Fuss oder hinterer Theil
meiner Hand].
di'-ra brazo [? eu la mano].
di-sa [mis] manos.
di-p dedos [? ? mano de alguno I]
bal di-ca manco [„der, welcher keine Hände
hat^].
inu-ta-sa [mi] pienia [tronco de mi pierna).
taha pie.
tahd-sa [mi] pie.
utquishplp ci(-td-sH espinado el pie [de mi].
rap-taa dedos de los pies [Kopf der Füsse].
ta-ciUiqui el cabo de la hacha [Fuss des Beils].
ta-quianibra horcon [Fuss, Stütze des Hauses].
iii-ufi derecha.
Nachtrag B. Die Sprache der Indianer von Esnieraldas.
i)0
r/'-acu/io izquierdo (vgl. c/dcsha tempestad).
(jii/('ii(/iir,sh(' rc-cnl-f cojo, que se ha quebrado
la rodilla.
visca pieh
vinhd cuero, cäscara.
finmflule desnudo
mn-qnil-sa [m\\ hueso [tronco de iiii hueso].
(vgl. ta-qnrl-s(( |ini] espalda).
rara sangre.
rfirreffüc echar sangre.
nhisqut car-ca vomitar sangre.
iiiii-ti'bclc cielo.
tllH-C(ll<( sol.
sIthiiiiKi uiKcdla quema el sol.
/i/'iiir luna.
iiiii-f]i((hl(( cstrellas (vgl. Colorado izahö).
iiio-phic dia.
(ifälc cidra it-pine nos veremos otro dia.
ilan-a noche.
al-darra esta noche.
diu rhrli'iir [^ (tld fliclcnr] hoy so Vii.
rila dca sucli-sü hoy me voy a trabajar.
Oiilc ayer.
hidr (i-rlii'-jw vino ayer.
iii/iiiiiru manana.
niimor chelc se va mafiana.
iti4. nihini)-(( pasado juanana.
it(tr<( (jttid-nnica fuego, incendiode casas [gehen
wir zum Haus, das in Flammen steht].
iaihUp llama de la vela.
iHif-ffi/'te candela [Feuer-Holz? — vgl. c/i/fc
lena; aguja].
jx'pfr jiuf-r/i/tc atizar ü soplar la candela.
htilaalc quemar [quemado].
Uiluh'y UihüuHc hervida.
irnlquiuird oncender [no endendes],
pn-rJiancd- caliente.
clicrco hual-sd tengo calor.
i-liircit linul-sd calor al [mi] cuerpo.
sliiniina nincdla quema el sol.
ridcdlf liebrc [estä malo].
rldri-olilc calentura [estä malo].
/litico Iciid tengo frio [hace frio].
qiilscu Ii'hc hace mucho frio.
rishiUi' frio.
n'sholrd enfriar.
nnisdld humo.
iiiuhnl ceniza.
iiii(-ii!lii(il(' derretir.
iim-nivde manteca.
innv, drri agua. Pallares bemerkt zu dem
Worte: — ^por ser la primera / casi muda,
se pronuncia la segunda voz, siendo imper-
ceptible la ultima / en ambos casos."
lic-sa livoi tengo agua.
tu quiepp tinvc anda ä traer agua.
' dö üvve agua del rio [„agua de la tierra",
vgl. dida „tierra"].
ni-rc ishöla agua de la mar.
iicve vicölc agua sucia.
i uvve shacfilf agua salobre.
j uvve caro, tivve carolc agua colorada.
I shasma corriente, correntadas de la agua.
pup.-sh6le espuma.
ishola mar.
I Chiiifo el nombre antiguo del Rio Esmeraldas.
■Ulla aguacero.
uuna llover.
I uacalioiia llover.
I tduna agua llovida.
j quisera viento.
j »/«fs/;« tempestad [schlechtes, widrigesWett er].
I bf'Jjr rayo
dula tierra.
dtd-sd [mi] pais.
tucümule dida d iiid nifs/id voy [? val] ä traer
barro para hacer una olla.
mu-doqur lodo.
dii chitelc fangoso.
tunild cerro.
dun laurd hacienda [„en la tierra" „siendo
la tierra"].
duca loma.
ustandiva arriba en la loma.
qüequec mongon (inselartig aufragender Hügel).
queetde quebrada.
dtre Camino.
dir-ca-sheiie cantar caminando.
dir-cd-ne, der-cHclic, diirdshHe cantar.
mu-coina piedra, cascajo.
magüisere arena.
uachicluU barro.
huaiia plata.
anbot de liudna tengo mucha plata.
liuandlcnc yo tenia plata.
tica sal.
cualc, ras-tptdlc caballo.
quinc perro [Raubthier — vgl. Guarani i/ar/ua],
niuto-quinc tigre [grosses Raubthier „Erz-
raubthicr", vgl. Guarani i/af/ua-r-ffp"].
ntislir gato.
ruc/tdnipa puerco.
pf!r(t säino (= Dicotyles sp.).
(/uidc mico.
56
Erster Abschnitt: Sprachliches.
(ftiiama venado.
chfqtir conejo.
chisca ardilla.
dtia murcielago.
chinchi rata ö raton.
deere pajaro.
thii-ndeguf gavüan.
cula buitre.
rara gallinazo.
güalpa gallina (Quichua .
ilo-güalpd gallo.
i/irJ-fjüaIj)/io-i><'> polio.
cou-güaJp-hu huevo.
tishf ctutgualpu tienes huevos?
coüsha pavon.
quieshf huacharaca (= Penelope sp.).
gtiarr huacamayo (Arara = Sittace maca>) .
piania, piauiavu culebra.
hushe lagarto.
mafra iguana.
qui oder fitne pescado.
conrora bagre.
sara lisa (nombre de im pez%
titff cazon junger Haifisch.
nata säbalo.
tfii-cidf ballena.
mu-nchieche caraaiTon grande.
naca hete sheche vamos :t coger caraarron
(con el marido).
ichacolf camarron chico.
viu-ntipe avispa.
ehiacta zancudos.
quinqur garrapata (Zecke).
shusha coloradilla (kleine Milbe, Trombidinm
sp.? die auf der Haut stark juckende rothc
Flecken hervorruft).
rdne hormiga.
biana lombriz.
liairhis rdra estä piojoso.
rhfechc miel.
eu-cheche cera.
ca td-sd ärbol cuando son sembrados) [mis
ärbolesj.
tacfe, tdtf palo, ärbol.
gucu taca palo gnieso.
nuts-tatpa-ja cargar los puntales para la casa
chite lena [eig. „Splitter-'? vgl. rhiu agujaj.
piquigua bejuco.
r<id espina.
utqulshflp eil td-sa espinado el [mi] pie.
raiii-buche hoja blanca.
ram-pida [hoja- ?] („no distinguen el nombre
generico,sino el especifico,como mm pida")
[vgl. raaii ^lengua"].
mo-topa monte.
itacd inittuptt vamos al monte.
pi^l tdle paja.
rishd cäscara.
rlha maiz.
puida, pamita plätano („algiinos suenan la u,
pero de una manera iniperceptible, i es
muy nasal" — vgl. Cayäpa: pxmda).
shul-pacda platano maduro (vgl. sulte suave).
(df paanfa platano verde (vgl. dali-sheh ddl-
qifi crudo).
inds-p(da-j<i cargar plätanos.
cii.da yuca [Manihot utilissima].
ttiiiripe frejol.
mu-dane aji (Capsicum sp. .
isciimbd mudane däme el ajil
huh calabazo.
rdnsha tabaco.
risqui rarrauar rdnsha tabaco bueno.
au dp cana de azücar.
riidp guayabo ^.Psidium sp.).
sIiUp guaba ,Jnga sp.}
qttigüe aguacate (Persea gratissima).
chida pina.
tilgüe sapote.
giiigüa raate (Crescentia sp.).
»niransfi naranja.
niiincdl limon.
euf achiote (Bixa Orellana).
niogida fojon (, Grossblatt"? eine Pflanze diesea.
Namens?)
pdcofp coco [Kokospalme].
rddchilf gualte; = Iriartea sp.i.
filiPtp caucho (Kautschuk).
(IUP shevp toma el caucho.
sheriiir caucho macho.
DiacJip chiparo (? ein Baum,.
taqtihnde cana brava.
tapdqiie guadua (Bambus).
big ff a tagua, cadi (.hoja con que tapan las
casas) (= Steinuuss, Phytelephas macro-
carpa).
mn-stiqiif pita.
v(da tamajagua (Bast von Ochroma sp.).
eure algodon.
ta eure hilo.
itrcf brea ;Pech, Theer .
quieifle masato, bebida fermentada de plätano
maduro.
tcn-rnr chicha.
qiiidnia-ra, qniöni-ni, ijn'itntt-ln
la casa!].
.' en
Nachtrag B. Die Sprache der Indianer von Esmeraldas.
')?
fona ti'is/ie quiniii-ra esta en la casa.
(/iiiaiii' atiiii quiam-sd voi ;i tener casa f? aora
hago mi casalj.
(dfi rinuilln-sa qiiiaii-sä ijir-nd nie lo Uevo
y mi casa, porque es niio.
tiiii-qaiau-sa frente [de nii casa].
iiiiis-iuica-jä cargar los puntal^s para la casa.
ffi-qi(i-anihra horcon fFuss, Stütze des Hauses].
iini-dpfila escalcra
rliania banco.
hilti(](h- tabla.
poloü toldo.
rutu tamajagua (Bastvorhang).
iipU vata cama, tender la tamajagua para
dorniir.
s]iid(t frazada (Wolldecke).
clifhuh cuna.
cösha olla.
tmuhniilc diiht aiin'i riffshd voy [? va] ;i traer
baiTo para hacer una olla.
idllutaiKi plato (^vgl. Iniana plata).
sharta paleton.
pe2)If abanico (Feuerfächer).
peph' »nn-Ji/fr atizar ('i soplar la candela.
cdchi, machete.
ifi(-rdchi cuchillo.
ciniqiii hacha.
fa-oiiiqii/' el cabo de la hacha.
)inf-p/qi>i, iini-qil/j)/r lanza.
rnrin'i puja (Stachel am Stock des Vieh-
treiljers, des Picadors) — [eig. .Haar-
Spitze" y]
rliifr aguja [eig. „Splitter"].
chijxt rallador.
iiiK-fncsele escopeta.
üopoiiaiif bodo(iuera (Blasrohr).
bini-tf bodoque, saheta (Blasrohrpfeil 1 vgl.
ra-riri'i puya)T
foscadc balsa.
dialu canoa.
nis-rndial, iiis-diala cabo de la canoa.
2>de canalcte (Ruder).
pelicd bogar (rudern\
moritene palanca.
]}i]}i(df)int embarcar.
raqiiirili anzuelo.
riitiquciic pescador.
i/Kca pliyuir grande.
huni rilcd ancho.
t/Kcit taca [palo] grueso.
inongnalqtii estar gordo.
nosncrlifh' espeso.
//; chiiiealc pequeno.
nicrlicrdlt delgado.
t'dihiK' lejos, que se vä lejos.
niHmbird viejo.
tidal tieso.
quidtule duro.
dashalriit^ Ueno.
valadane entero [no esta roto].
que-shele entero, no esta. roto.
shelene alegi'e.
auü shf'lf'iir aqui [esta alegre].
j/agiid o hinquc bueno.
tiauiia i/agiid muger buena.
bisqiie f/'oiid muger bnena.
visqui rarraiiar rdiishft tabaco bueno.
rh-hi tierno.
bichele bonito.
n'selc tiaiDia muger buena.
inquitima-i:d buenos dias [eig. „estas bueno?"'].
htcutima-rd como estas?
!/a coctelpiir estoi bueno.
f/a hu-ulilpite, inquilene estoj' buena. como me
voy.
sa-bechi-nc que se sane pronto.
sulie suave.
sind paata platano maduro.
safic-shele dulce.
sliati'lp esta dulce.
ucve chadile agua salobre.
rhac-sidf, shac-sidc acido, fuerte (se refiere al
acido fuerte en su bebida del „masato"".
bigalp malo.
ata nonna bolffiip hablar mal de otro.
r/'role mui fea.
iirrc rlcölc agua sücia.
c/acci'de fiebre [esta malo].
vidccotilp calentura.
vidcsho izquierdo.
vidc s/fff tempestad [schlechtes widriges Wetter].
allquere dolor.
allqui rdca dolor de muela.
allqui !/aulsd tengo hambre.
(dUfilpI enfermo.
aitpcii larqiil-)ip cuidar ä un enfermo.
arqiideque para que se despierta.
dallqu/nird lavar una llaga.
inaladpiii' que esta flaco.
bal-quird-ru no tengo fuerzas.
daJi-shplp crudo.
ddl-qxi esta crudo.
ali paantd platano verde.
dun cajalp podrido.
shipidi hediondo.
iUquih huele.
chini/p hinchado.
(iiiqiii-fihrip escondido.
i'da blanco.
ran» colorado.
ö8
Erster Abschnitt: Sprachliches.
urre caro, nrre euröh agua colorada.
champane estar pälido una persona
chitote chitontelc oscui'O [v^^l. Chiuto nonibre
antigno del Rio Esineraldas].
r fliehe nCCTO.
aiia estar ['i aquilj.
atia inafi-sd aqui estäs l? atjui esto}!].
vKiIi-cn-nta qneda te.
du rdh ya estä.
tishe tishele hay.
tishe urre, cünta, paaiit« hay agua, yuca,
platano.
tishe ctin-gualpti ticnes huevos?
ama tiishe quiditi-ra estä en la casa.
tic-sa linii tengo agua.
tic-sha piilsani [yo tcngo] fiierza^).
hal-sü no tengo.
nacabrd andar, yä se van [? yendol]
uacd, nacaque vamos.
uacd i/dta vamos para allä abajo.
nard iiiufiipa vamos para el monte.
iiacd tu quebidja vamos ä beber.
}iacd tu inalrdg vamos ä donnir.
nacac quiiiiid-ja vamos a baöamos.
uacd atarrni-tlaja vamos a atarrayar (das
Netz auswerfen I.
uaca quid-i)iu-ca incendio de casas [gehen
wir zum Haus, das iu Flammen steht].
uaca ilö ir con el marido ü otro hombre.
uaca hete vamos con el marido.
uaca hete shech< vamos con el marido ä coger
camarron.
itudkue tioua rird caminar la muger.
hituom iloniau camina el hombre.
ustii chf-uf se fue para arriba.
ald [verbessert für olu] che-le-ue hoy se vä.
uiimor che-le se va mafiana.
hulea che-ue vino ayer.
aua hola ton chile este mismo el que vino.
pcelideleuv me voy.
i-teledeue deal-sa adios, me voy.
ba evilene no me quiero ir.
»r» cd-ma vcte, ändale que no te necesito.
t-ciamd anda, vete
ba enii-ra no te vas.
ülllene lejos, que se va lejos.
sha-ücu-ma ven aca.
uuqui ene-uid ven ji comer.
guaje cuiiud ven a comer.
iipü-ma arrima a(|ui.
iipu-ra-uajd aqui vamos ä llegar.
fiualrue llegar (vgl. span.: „fiuar"?).
cul-quiiuo entrar [en la casa].
culi-ma leviintate.
ardle culra it-piue nos veremos otro dia.
quitcrale gatear.
nudue bajar.
mishd-jalr hundirse.
sultdle caerse.
saltulegüc se cayo.
tu chiruaue'saltuhgüe'qnelo empujarony se cayo.
deactd-jak correr.
testiaja corramos.
isiuia uidba 6 cuchini-md 6 cusi-chel-ca anda
ligero.
icaJe huir.
shdmaja bailar.
shdiiuajilo bailar (como fue).
chinimaue sentarse.
tuti-cii-ma que va ä echarse.
ticaue me voy ä acostar,
ticome, ticaja, ticule-me acostarse.
ticuja echar.
nialedg dormir.
ircanua-sd ^ tengo
iramar-sa luahdg \ suefio.
uaca tu mahdg vamos a dormir.
sushirilque fatigarse.
sushilvilca aire.
causaleue (span.) cansarse.
causüshehuf estoy cansado.
chasuc culeleue tengo pereza.
quequitele dislocar.
vetqui-vd däle vuelta.
quilo-ra endereza.
tuchiruane empujar.
diacunibd batir.
diascihubuU despertar.
icouidiia quita de aqui.
cuuia~cu-ra trae.
ald cumilin-sa qulau-sd euc-sd nie lo Uevo ;i
mi casa, porque es mio [? para comerlolj.
tu cuuiule dida aiuü cutshd voy [? val] ä
traer barro para hacer una olla.
tu cuu-sa aniuu-nd voy ä traer para hacer.
tu quiepe urre anda a traer agua.
1) Wahrscheinlich vom spanischen -pulso". das oft für _fuerza" gebraucht wii'd:
pulso" statt „tengo fuerza". (Th. "SVolf.)
-tensro
Nachtrag B. Die Sprache der Indiaucr von Esmcraldas.
59
II jatiiii-rd anda ;i coger. j
liffcpiinifjiic oncierro.
ncäs dame.
N nnnhä iiiiidcliic djime cl aji.
xA-rt cci/c iiseiisc deine licencia para eiitrar
y'scovds vendcr [vendeme|.
)isroi:(is f/iia/pa vendeme una gallina.
)isrii-s(f to voy ä vcnder.
iquiUn-uhcli', (iroliiinlitlr esto}' dobiendo.
iciil/n shelriii' si le debo.
'xdUfih' robado.
■dtilc ladron.
■atiril saber robar.
iif/aii/joiipffuc cngafiar [span. onganaudoj.
''echiiii-ssa hacer [yo] (vom spanischen ficho -
hcclio).
'u füinulc dula ihiiii nifs/id yoy I":' va] ;i traer
barro, i)ara hacer una olla.
'ii n'in-sa aniun-sd — voy il traer, para hacer.
'luianr ((IHK qiiiati-su voy a teuer casa [ahoi'a
hago mi casa!].
•{iasca-iit' trabajar.
'/fasocohln estoy trabajando.
ulä deasucli-sd hoy voy ä trabajar.
nt/che-sd se acab(') el trabajo en el dia.
ina-dishi-vd dejur.
iia.sho cavar.
iiiitü-patu-ja cargar platauos.
uiits-tcitca-ja cargar los puntales para la casa.
rilciw limpiar el monte.
erhene cortar.
i'tquf'tel ecJicra cortadas.
ifdslia-ra cortar palos.
dorsJios/ra cortar.
diacslidlcn cortar [cortado, quo se ha cortadoj.
dtacshaleiic quo S(! ha cortado con cuchillo.
fddaah'iic lastimado.
clasalene aranar.
cucajanege morder.
danilc picar
vichde iiisuiiia azotar (vgl. hiclidi' „bonito").
ald i-ichelc isiinid tc voy ii pegar.
aiKi-rishclc-tiaiifaff herido con arma.
piiraiin/üp ralraiie r/roinici/iii' si no es por nii,
lo hubiera pegado.
siillquisiuiia abrazar.
atiia cKc-üd agarrar [yo| de las patas.
hiichacvasiiio amarrar.
d<qnini^ hilar.
pimcuidiic taiii-sd ((t(irr((;/(i quiero aprendcr
ii tejer una atarraya (\V urlnetz).
sharflllil slKirtiUili- coser (cstä o estoy cosiendo).
cliirrlürd labrar.
docii'rhclc doctnii' coc\u&t{G'ä\.-A 6 estoy cociendo).
aUqui ijaiil-sd y tengo
((fiqilid qniai'il-Kii ) hambre.
sind rln'ics((-s<i 1 , ,
^ . / tengo sed.
siijxi joiisa J
cnectja, cnene comer [comamos, comiu].
uuqui ene-ind ven ä comer.
ffiuijc (')ii-iiin ven ä comer.
ald cuniilhi sä qiiian-sd ciic-sd nie In llevo ;i
mi cosa, porque es mio l? para comerlo yoI|.
quebiaja beber.
naca tu qiichidja vamos ä beber.
qulim'a quiniile banarsc.
iiacae quiniiaja vamos a banarnos.
tuslaiie derramar.
paciifisJif'/ lavar.
iif'puii-rd lamer.
pichira caldar (nombrc usado por estos, desleir
u sacar el sumo en una cantidad de agua
para tomarlo).
iiHidaiicni' estoi borracho.
iimdiiilc esta borracho.
iniidichi'loir.
chiipu-sa fumar [yo].
ritiii-qiülc jugar.
sh/fidr hacer cosquillas.
fod-qii' cagar (vgl qm''', qii!c<( mierda iim-
qiiie culo).
asca-qu/'-sd quiero cagar
toa-qiii-enr qiiisqiii-sd yä se obra [schon wirkt
das Abführmittel].
huaqitipil-sd mear.
uralia escupir.
cai-regüc echar sangre.
shisqiii curca vomitar sangre.
dii})isniii(i\
\. ,,>curar.
tu diacii/r]
mu-didcoh el raoledor de niasato (bebida
fermentada de plätano maduroi.
eutenelc parir.
eptile cstä pariendo.
upd chene crecer.
icasJit'Ifi vivo.
hdstdlc perdido.
bapiulc que no h;i parecido.
sacäidc ahogado (Pallares bemerkt: — las
dos dd son una larga aspiracionl.
yatmdc acabado, se acabo.
yatalc urrr se acabo el agua
ub(di' muerto (verbessert für i/bale).
iihidc itqÜH se murio su hijito.
■iihidc i/idqih' sc murin su hijita.
iihlt (HC se quiere morir.
60
Erster Abschnitt: SprachHches.
nasraue horca [Galgen].
pasarilf-tif cairra »oscoue-ubule esta aborcado
sin saber como.
ubanegut' asesino.
isnta muerto.
uris-wa te mato.
musulrn epidemia.
shurshüh gotas [Gicht].
Iffipolf entierro [enterrado].
rirönia hablar.
uirdnia hablar len<raa.
miicd tubiinna porque me viene a decir [?]
atnnonuabolgm' hablar mal de otro.
shimonorn llamar.
shimunard lläma ä mi hijo.
dlcoiiia gritar.
>fioqHer«'lffj( ladrar.
biücuchela bramar el tigre.
erisheh llorar.
dircashene oantar caminando.
dircdne, dercüchf, di/rdshclf cantar (vgl. dn-c
„Camino").
dishumd callar.
rhaguah risa.
capeaale bostezar [abierto?].
achieije estornudar (Lautmalend).
cuinilrdne nos aguardan.
anshesqiir escuchar.
ofi-sa oii" yo.
riaüsoca riechen.
isca riaüsoca ir ä besar [..der. welcher den
Wunsch zu riechen, d. h zu küssen hat].
/so-sd querer, si quiero.
asquia qui aiU-su tengo hambre [quiero comer].
isca riaüsoca ir ä besar [el que quiere besar].
asca qui-sd quiero cagar.
toa-quieiif qiiisqiti-sd yä se obra |ya quiero
cagar].
irrarma-sd jfcaniar-sd maleag tengo sueno
[quiero dormirj.
ba-shunii-sd no quiero.
sli iipi-eli-sd antoj o .
supi-chiicsa-sa, supa-jou-sa tengo sed [quiero
beber].
tu-ilo-sd buscar.
dapaiif pedir.
baisbd cuidadol
giialiba ahora verasi
ba isic 1i md no arrimes!
iincHsattiah- ensenar.
tuquira i-sd espanto.
chirimiji'i ttiquil sd le han hecho espaiitar.
aburraleiip (spanisch) aborrecer (es al marido).
»ndori-sd aborrecer [jo aborrezco].
tinUiiri-sd tengo rabia.
»itilöh pelear.
miilociichi/p batalla.
mulo nii/r enemigo (el otro pelea' ivgl. »»//
„Herz").
iiiiilo »lir-sd enemigo [yo soy].
piiln brujo.
Porsonalpronomina.
Als solche dienen, und zwar sowohl als
Possessiva, wie als Prädikatssubjekte, wie
schon von Theodor Wolf in handschrift-
lichen Bemerkungen zu dem Vokabular ganz
richtig angegeben worden ist, die iruffixe: —
1. P. Sing. -*■"'
2. ., „ -n! oder md
Für die 1. P. Sing, verweise ich auf die
zahlreichen mit dem Sui'fix -sd verseheneu
Ausdrücke für Körpertheile und Verwandt-
schafts-Xamen. Ferner: —
dul-sa ,.[mi] pais", neben dida ,.tierra".
fic-sd droi tengo agua.
icaiiiai--sd niahdg tejigo sucfio [quiero donnir\
baf-sd no tengo.
iso-sd si, quiero.
ba-shiimi-sd no quiero.
cherco-hiial-sd tengo calor [heiss ist mein
Körper].
ald nniiiHii-sd qitian-sd fiie-sd me lo llevo a
mi casa, porque es mio [? para comerlo yoj.
fii cihi-sa (^ditla} amuu-sd (ciitsha) voy a
traer (barro) para hacer (una oUa)
u. a. m. — Und im Objektsverhältniss: —
incd-s da-me.
pisco-rd-s vende-me (gegenüber piscx-sd te
voy H vender).
Für die 2. P. Sing, ver-gleiche: —
ti)t-i[i]-rd [tu] hija (neben tln-iu-sd ,.[mi]
hija"\
rhiclilquiliii-sd itudo-rd te saco los ojos (vgl.
mida „ojo" chdoris »udga ,,cicgo"l.
iuquitima-rd ipicutima-rd couio estas? bucuos
dias! [eig. estas bueno?].
Ferner scheint in den verschiedenen Im-
perativformen das Pronomen der zweiten
Person Singularis bald als Suffix -ra, bald
als Suffix -nia vorzuliegen, wenn man nicht
etwa anzunehmen hat, dass das -uki ein Aus-
druck des imperativischen Modus ist.
ciii)ia-cit-rd traol
i'-couid-iia quita de atjui!
ift qiii-rd dale vueltal
Nachtrag B. Die Sprache der Iiidiauer vou Esmeraldas.
61
bu enti-iä no te väs!
tiijatiiii-rd anda ä cogerl
j)/sco-rd-s vendo mel
ri( fii rhcl-rd, cii rlniii-iiid oder isi)iiii(d-ha
anda ligero.
(judViha aliora veräs!
hu is bd cuidado!
ha isicti-ind no arrimes.
mall cii-ina (jueda te.
ndi-itia levanta te.
eci cd-iiia andate que W) te necesito.
iipii-iiia arrima aqui.
Für die dritte Person Singularis ver-
gleiche: —
t'f-e, ct-qtii-i' marido [de algunaj.
fiallqui-e concubina [de alguno] [eig. su moza,
SU manceba: vgl. dal/ijui „crudo" „(plätano)
verde" d. h. eig. „jung"].
ic-e, //f/i'-c nifio, muchacho [de algunoj.
iiiil-e corazon [de algunoj (neben mil-sd [mi]
corazon).
(li-c dedos [eig ,su mano"] (neben '//-«« manos
[eig. „mi mano"]).
qui-p und qiii-ca mierda.
iitu-qiti-e culo (neben toti-qui cagar asca-qiti-
sa quiero cagar).
Was die mit dem Pronomen der dritten
Person verbundeneu Verbalformen betrifft, so
scheinen dabei noch gewisse Infixe in Betracht
gezogen werden zu müssen, die einen Tempus-
unterschied zum Ausdruck bringen.
Und zwar scheint
-/- oder -h- das Futurum
-len- -Inu' das Präsens
-H- -lu'- das Präteritum zu bezeichnen. —
Vgl.:
oiiiiior che-l-c se va mafiana.
<ild chc-len-p hoy se vä.
htdra che-ne vino ayer.
Nach diesem Schema sind vielleicht die
zahlreichen von Pallares aufgezeichneten
Verbalformen, deren Liste man oben (S. 58 — 60)
lindet, zu beurtheilen, die in der üebersetzuug
bald in der Inlinitivform, bald in der dritten
oder gar der ersten Person des Verbum fini-
tum angegeben sind.
Eine besondere Verbalform stellen die
Wörter auf -cdr dar, die den Sinn eines Parti-
cipii Pcrfecti Passivi haben. —
Vgl.:
sucddle ahogado (las dos da con larga aspi-
racion).
yatuäle se acabo.
hapialc que no ha parecido.
hast die perdido.
iibalr muerto.
hapuh entierro [enterrado].
cnniHcalc casado.
duncujah podrido.
mecheräle delgado.
deucslialen que se ha cortado con cuchillo.
cadaalene lastimado [fue].
Von pluralen Pronominalformen, scheint
mir die erste Person des Plurals des Impera-
tivs, die mit einem Suffix -aja oder -tiaja
ausgedrückt wird, deutlich zu sein.
Vgl.:
nacd tu quehiäju vamos ä beber.
nacac quiinidja vamos ä bafiarnos.
itpa vanajd aqui vamos ä llegar.
testiaja corramos.
luicä atan-ai-t/fija vamos ä atarrayar (das
Netz auswerfen).
eiieaja comer [? Avohl richtiger mit .,comamos"
zu übersetzen].
Demonstrativa.
aitd este, esta, esto.
ana estar.
aita mali-sd aqui estäs [? aqui estoy!]
ana hola tod chUc este mismo el que vino.
anu shelene aqui.
ane sheve toma el caucho.
am como.
ainn iüshe quldinra estä en la casa.
ainata, ata el, ella.
al-darra esta noche.
ald cttiiidin-sd qttian sd ene sd me lo llevo
ä. mi casa porque es mio.
ala deasudisa hoy me voy ä trabajar.
alu chelene hoy se vä.
Fragepronomina.
cah'i umpechele quien es este?
utiica Kiuplshi'le que es eso?
tiiHcd tnbid-md porque me viene ä decir [?].
Adverbia.
Kstä chc-iic se fue para arriba.
Kstandi va arriba en la loma.
nacd i/dta vamos para allä abajo.
Verhältnisswörter — sind:
1. Das Suffix -ra. Es kommt neben den
Prouominalsuffixen -m und -e in den Worten
&2
Erster Abschnitt: Sprachliches.
für Körpertheile vor und scheint ^lokative"
Bedeutung zu haben: —
rohri-ra barriga [en la barriga].
(ii-ra brazo (en el brazo, en la mano].
<jiii(nn(i-ra, qiiiäin-ra, <jiii(ii)i-hra casa [en la
casa].
aina tuslir ijiiiain-ra esta en la casa
naca-brä andar, ja se van [eig. ^yendo"':'].
tiiiii la-um hacienda |eig. „en la tierra"
„siendo la tierra-].
2, üas Suffix -ca. — Dies scheint die
Hedeutung .mit etwas behaftet" zu haben: —
qui-ca „mierda" [eig. „Ueno de mierda-].
hal-qui)-ä-ca no tengo fuerzas.
hul-di-ca manco [„der der keine Hände hat"].
rhu Ovis mul-ga ciego [„der dessen Augen —
sind"].
anqui ra-ra dolor de muela [_der der Schmerz
an den Zähnen hat-].
f<hisqiii car-ra voinitar sangre.
isra riaü-so-ca ir ä besar [„der, welcher den
Wunsch zu küssen hafj.
uaca qinü-niii-f(( incendio de casas [gehen
wir zum Haus, das in Flammen steht].
(iir-cä-sln III cautar caminando.
Als Negation dient — Im.
h(i-l-( no, no liay.
ha-I-sd no tcngo.
ba-shunii-sd no quiero.
ha-sabeline no so [span. ^safjri-" „wissen*].
I/O cnii-iä no te väs
ba erileitc no quiero ir.
ba isirtinia uo arrimes.
hol qiiird-iyi no tengo fuerzas [? que no tiene
fuerza].
ba-l-di-ca mancb [que no liene mano].
ral-ada-)ip cntero [no estä roto].
Von Zahlwörtern hat Pallares nur
das für eins erkunden können: —
bashini uno.
Als Ordinalzahl „der zweite" kann man
das Wort Hu ,,der andere- auffassen, welches
in zwei Phrasen vorliegt: —
itii Dii'mura pasado mafiana.
aräff rulfii it-piuc nos voremos otro dia.
Ueber die Yerwandtschaftsverliältriisse dieser Öpraclie vermag icli
nichts Bestimmtes zu sagen. Ich habe daran gedacht, .sie mit dem Yarura
zu vergleichen, der Sprache eines Stammes, welcher, zur Zeit seines Be-
kanutwerdens. in den Llanos im Osten der Cordillere von Columbien,
zwischen den Flüssen Meta und Cassanare seinen Wohnsitz hatte. Die
Yarura -Sprache drückt den Personenunterschied aucli durch Suffixe, und
zwar durch die Suffixe -que, -me, -di für die 1. 2. 3. Person aus, die in
gewisser Weise sich den Suffixen der Esmeraldas- Sprache -sa, -va (oder
-ma) -e vergleichen Hessen. Den Plural des Pronomens der ersten Person
bezeichnet das Yarura mit der besonderen Form -öwd, während die
Plurale der Pronomina der zweiten und dritten Person nur durch Zu-
fügung von -no an die Suffixe des Singulars gebildet werden. Auch dafür
böte sich in dem Esmeraldas -Suffix -o;«, -iajd eine Parallele. Endlich
«üenen, älmlich wie es in der Esmeraldas-Sprache der Fall zu sein scheint,
zur Unterscheidung der Tempora in dem Varura gewisse Silben, die vor
dem Personalpronomen dem Yerbalstamme angefügt werden, also er-
weiterte, abgeleitete Thernaten bilden, und zwar glaubten die Missionare.
dass die Einfügung von -ri- ein Imperfektum, die von -au- ein Perfektum.
die der Kombination -ri-au- ein Plusquamperfektum, endlich -i- das
Nachtrag B. Die Sprache der Iiiflianer von Esmeraldas. (53
Fiitiiruni bezeichne. Auch dass in dem Yarura die Lokativpartikel -re
lautet mid auch dem Yerhum angefügt wird, gerundivische Ausdrücke
bildend — jura-re „essend" „indem (ich, du oder) er isst" — hat, wie
wir gesellen lial)en, seine direkte Parallele in dem Esmeraldas-Suffixe -ra.
Im Uebrigeu aber scheint der AVortscliatz beider Sprachen durchweg ver-
schieden. Nur vi „Wasser" vergleicht sich dem uvvi^ uvve der Esmeraldas-
Öpraclie und adö „noch einmal" dem iiü „der andere" des Esmeraldas.
Vielleicht kann man auch maa „Herz" und mil, ea „wollen"' und iso ver-
gleichen. Doch all das ist so wenig, dass man sich keine ernsthaften
Schlüsse zu machen getraut. Nun hat man ja mehrfacli die Ansicht aus-
gesprochen, dass auch bei durchgängiger lexikalischer Verschiedenheit eine
A'erwandtschaft zwischen zwei Sprachen angenommen werden könne, falls
nur der Bau der betreft'endeu Sprachen ein gleichartiger sei. Doch auch
unter Zulassung dieses Gesichtspunktes wird man sich in Betretf der oben
angeregten Parallele doch mit einem non liquet begnügen müssen. Denn
so auffällig ist wiederum die Uebereinstimmung im Bau zwischen den
beiden oben verglichenen Sprachen nicht. Ich möchte daher das Gesagte
im Wesentlichen nur als eine Anregung gelten lassen, es zukünftigen
Untersuchungen überlassend, hier zu bestimmteren Resultaten zu gelangen.
Auf einen geschichtlichen Zusammenhang, der möglicher Weise vor-
liegt, hat Theodor Wolf in einer handschriftlichen Bemerkung zu dem
Esmeraldas -Vokabular aufmerksam gemaclit. Er führt caro „colorado-
„rojc'' und cara „sangre'' an imd bemerkt: — „diese zwei vorstehenden
Worte, welche in der Esmeraldas-Sprache „roth" und „Blut'' bedeuten
und jedenfalls im genauesten etymologischen Zusammenhang stehen, ver-
dienen grosse Beachtung, da die alte Nation der Caras sich mit demselben
Namen bezeichnete, bei ihr also cara auch „Mensch" hiess. Dies er-
innert lebhaft an die Hebräer, bei denen der erste Mensch Adam, d. h.
der Rothe, der Röthliche, hiess. Die Caras Messen also die „rotlieu
Menschen", die „Adamiten". — Ich kann dieser Bemerkung noch hinzu-
fügen, dass dasselbe V\''ort cara „Mensch" möglicher Weise aucli in dem
Ortsnamen Caraque enthalten ist, der von Cieza de Leon im Norden
von Puerto viejo angegeben wird und daselbst sich bis auf den heutigen
Tag erhalten hat-). Ferner, dass der Stammname der eine andere Sprache
sprechenden Colorados, wie wir gesehen haben (oben Seite 15) ebenfalls
„roth" zu bedeuten scheint, und diese Indianer ja auch in der That von
den Spaniern „Colorados", d.h. „die rothen" genannt werden.
Es scheint also hier ein Zusammenhang vorzuliegen, der darauf hin-
weist, dass die Nation der Cara, die vor den Inca Herreu des Hochlandes
1) Der Ort heisst heute Bahia de Caniques. Eine alte Niederlassung der
Caras in der Provinz Imbabura hiess Caranqui. Das Dorf existirt noch, gleich
neben Ibarra. (Th. Wolf.)
(jj. Erster Abschnitt: Sprachliches.
von Quito waren, von denen wir aber, ausser fabelhaften Historien, nur
den Titel ihrer Könige (shin) und einige Eigennamen kennen, desselben
Stammes und derselben Sprache waren, wie die Bewohner der Küste von
Esmeraldas. Darauf deutet ja auch die bekannte Erzäliluiiu-. dass die
Cara in Flössen den Rio Esmeraldas heraufgefahren seien, obgleicli icli
weit davon entfernt bin, diese Erzählimg irgendwie wörtlich zu nehmen.
Nicht aus dem Meere sind die Völker gekommen. Die grosse Mater gentiimi
des südamerikanischen Festlandes ist das waldbedeckte Innere Brasiliens.
Verffleichbar in der alten Welt der arabischen Halbinsel und vernmthlich aus
flen gleichen Gründen. Die sprachlichen Zusammenhänge, die jetzt schon
vielfach nachgewiesen sind, lassen deutlich erkenneu, wie die Stämme die
Nebenflüsse des Amazonas hinab den Hauptstrom und die nach der ent-
gegengesetzten Richtung liegenden Nebeuströme hinauf bis au die Abhänge
der Berge gewandert sind. So mögen auch die Yarura der Llauos des
Cassanare und die alten Cara des Hochlandes von Quito vielleicht nur zwei
Etappen einer Völkerbewegung darstellen, die an der Küste von Esmeraldas
ihr Ende erreicht hat und jetzt ja auch, in anderem Sinne, thatsächlich zu
Ende gekommen ist.
Steglitz. März 1902.
Ed. Seier.
2. Das KonJHgationssystem dcv Maya- Sprachen. ({f)
2.
Das KoDJiigationssystein der Maya- Sprachen.
Inauguriil- Dissertation. Leipzig, 1887.
Vorbemerkung.
In der iiachfolg-eiiden Arbeit habe icli für die Maya-Worte die übliche
Orthographie der yukatekischen Grammatiken und Lexika zu (J runde ge-
legt, nach der die Buchstaben im Allgemeinen denselben Lautwerth haben
wie im Spanischen, nur dass c immer ein Guttural ist, dem c vor a, o, u
des Spanischen entsprechend, z ein scharfes s- bedeutet, jr = .? des Standard-
Alphabets, ch = ts ist, und h den Lautwerth des heutigen spanischen Jota
besitzt. Von den Letras heridas werden der dem c und k entsprechende
nicht besonders unterschieden, k bezeichnet theils einen tieferen Guttural,
theils die dem c und k entsprechenden Letras heridas, d. i. c' und k\ Der
dem p entsprechende wird durch pp, der dem ch entsprechende wird durch
chh, der dem t entsprechende durch th und der dem tz entsprechende durch
o gegeben.
Für die andern Sprachen habe icli ein Alphabet gewählt, das sich dem
vorigen möglichst anschliesst, einschliesslich des h mit dem Lautwerth des
lieutigen spanischen Jota. Nur ist, nach dem in den Sprachen Guatemalas
üblichen Gebrauch, statt des c vor e und *, wie im Spanischen, qu gesetzt.
Die Letras heridas bezeichne ich, nach dem Vorgänge von Stoll, durch
die ihnen entsprechenden Konsonanten mit Apostroph, also
g der Orthographie Brasse urs ==^ £1 des Grammatikers Flores, mit k'
6- tz
j »
Ein Gaumen-w der Ixil, welches Stoll ng schreibt, habe ich in «ler-
selben Weise wiederseffeben.
Die verschiedenen Idiome der Sprachfamilie, die man nach dem hervor-
ragendsten der Stämme, welche diese Sprache sprechen, als die 3Liya-
Familie zusammenfasst, zeichnen sich — mit Ausnahme ujir der «Mit-
Seler, Gesainnielte Abhandlungen I. -,
^^ Krster Abschnitt: Sprachliches.
feniter wohueuden, seit läiio:erer Zeit von der Haiiptinasst' der Natiuii
oetionntou und vielleicht auch etwas mit friMudarti^en Hestandtlieilen gv-
mischten Huaxteca — durch eine grosse lexikogra])hische Gleichförmigkeit,
sowohl in den Wurzehi. als in den Aldeitungssilben aus. Ein Blick aitf
das vergleichende Vokabular der Maya-Sprachen, das Otto Stoll in seinem
verdienstlichen Werke „Zur Ethnogra]»liie der Republik (iuat<Mnala"
(^Zürich, 1884) gegeben, genügt, sich v(>n dieser Thatsache zu überzeugen.
Und noch deutlicher wird man sidi derselbien bewusst, w<^un mau den
Bedeutuugsmodifikationen der einzelnen Wurzeln nachgeht und die laut-
lichen Variationen in Betracht zieht, welche die Wurzeln theils innerhalb
desselben Idioms erfahren, oder welche sich, als echte Lautverschieljungen,
zwischen der einen und der andern Sprachgruppe geltend machen. Um
so auffälliger erscheint es, dass die Mittel, deren sich die verschiedenen
Idiome zum Ausdrucke der verschiedenen Konjugationsformen liedieueu,
anscheiuend so verschiedene sind. Man vergleiche z. B. die vier Konju-
gationen der Maya-Grammatiken des P. Gabriel und l\ Bei trau n)it dem
Koujugationsschema der Quiche- und Cakchiquel - Sprachen, der Dar-
stellung der Konjugationsformen, die in StoHs neuestem Werk über die
Sprache der Ixil-Tndiauer (Leipzig, ßrockhaus. 1887) gegeben ist, und
mit dem verworrenen Bilde, welches Piment el nach der Grammatik des
P. Reynoso für die Mam- Konjugation entwirft. Es lohnt deshalb der Mühe,
tlie verschiedenen Konjugationsformen einer genaueren Analyse zu unter-
werfen, denn der Kern der ganzen Sprache (el blauco de este idioma) liegt, wie
der Granmiatiker Beitran mit Recht bemerkt, in dem Verl)um. Wer das
Verbum versteht, versteht die Sprache. Und eine genauere Analyse wird
auch, so meine ich, im Stande sein, die anscheinende Differenz und Vi(d-
gestaltigkeit auf wenige und einfache Gesetze zu reduziren.
JJas Wesen des Verbum liegt in der Verbinduug eines Nominal- oder
Verbälbegriffs mit einer bestimmten Person, und so siiul die prädikativen
Verbalausdrücke im Grunde vollkommen ident mit den ein possessives
Verhältniss bezeichnenden Kominalausdrückeu. In verschiedenen Sprachen
tritt diese Identität auch deutlieh zu Tage. Man vergleiche z. B. im
Ungarischen:
hdzatii, hdz-ad, hdz-a mein, dein, sein Haus.
vdr-om, vdr-od, vdr-ja ich warte, du wartest, er wartet.
vdrt-am, vdrt-ad, vdrt-a ich wartete, <lu wartetest, er wartete.
kez-em^ kez-ed., kez-e meine, deine, seine Hand.
k<'r-pm. ker-ed, kir-i ich bitte, du bittest, er bittet.
Die uieistcu S])rachen indess führen eine Differenziruug ein, indem sie
den Personalausdruck, zu welchem ein eine Eigenschaft oder eine Handlung
ausdrückendes Thema in prädikative Beziehung gesetzt wii-d. anders ge-
2. Das Konjugationssvst'em der Maja -Sprachen. f;7
stalten als den, welcher zum Ausdruck eines possessiven Verhältnisses neben
i''mein Substantivum steht. So sagt man im Mexikanischen:
no-UK mo-t(i, i-fu: to-tu^ amo-td in-t<i.
mein Vater, dein Vater, sein Vater; unser Vat<;r, euer Vater, ihr Vater.
iii-nenii, ti-neitiL -nemi'; tl-nemi\ an-nemi\ -neml.
it;h h'be. du lebst, er lebt: wir leben, ihr lebet, sie leben.
In den Maya-Sprachen werden die PersonalaUvsdrücke, zu welchen ein
Thema in possessives Verhältniss gesetzt wird, präfigirt'. Sie lauten
aber verschieden, je nachdem ein Thema mit einem Vokal oder einem
Ktinsoniinteii anfängt:*)
Tzeltal. Maya. Ixil. Pokonchi. Uspanteca. Qu'iche. Cakchiquel.
A. V<»r Konsonanten.
^iii>^^. 1. Pers. c in ung nu in nu nu
'2. ^ a ii a a a a a
,, o. „ z u i TU 1^ u ru
Pliir. 1. „ c ca CIL ka ha ka ha
•>
a a e a a i i
z u i qui ru qui qui
B. Vor Vokalen.
jSin«:
lur
1.
Pers.
c
u
vu
vu
vu
V
u
0_
^?
av
au
VUl
avu
avu
av
av
8.
„
y
//
f
r
r
r
r
1.
55
c
c
k
' k
k
k
k
■2.
55
av
au
et
avic
avu
iv
iv
8.
55
y
y
t
qui
r
c
c
Ich habe hier natüi-lich nicht alle Dialekte, sondern nur einige der
bekanntesten und hau])tsächlichsteu aufgeführt, um an ihnen die vor-
kommeiuien Modifikationen zu zeigeu. Das Tzeltal ist unter den vor-
-fteheuden der einzige Dialekt, bei welchem in der Personalbezeichnung
zwischen Singular und Plural gar kein unterschied stattfindet. Das Maya
1) [Seit ich diese Dissertation schrieb, ist manches neue Material über die
Maya-Spiachen bekannt geworden. Stell hat eine Grammatik und ein Wörter-
verzeichniss der Kekchi-Sprache veröffentlicht, und durch Dr. Sapper haben wir
Sogar höchst interessante Texte dieser Sprache kennen gelernt. Charencey hat
in den Actes de la Societe philologique die Mam-Grammatik des F. Diego de
lieynoso veröffentlicht. Dazu habe ich nachträglich durch Dr. Penafiel ein
Exerapliu- von Tapia Centeno's Uuaxteca- Grammatik, die mir früher nicht zu-
gänglich war, erhalten. Ich würde die Sprachen in der obigen vergleichenden
Tabelle der Possessivpräfixe jetzt etwas anders gruppiren. Unter Hinzufügung
der Mani-. Kekchi- und Huaxteca- Sprache und indem ich die Partikeln gleich
gg Erster Abschnitt: Sprachliches.
und das Uspanteca differenziren die erste Person Singularis und Plurali^^,
lassen aber die zweiten und dritten Personen ununtcrschieden. Das Ixil
[und das Kekchi] differenziren die ersten und zweiten Personen und lassen
die dritten ununterschiedeu. Das Pokonchi differenzirt die ersten und
dritten Personen und lässt die zweiten ununterschiedeu. Ebenso tias
Tz"utuhil. das ich oben nicht mit aufgeführt habe. Und nur (bis (juiche
dazu schreibe, die man in verschiedenen Dialekten dem possessiven Ausdrucke
anfügt, um die Zahl oder die Person noch genauer zu bezeichnen, würde die ver-
gleichende Tabelle der Possessivpräßxe die folgende Gestalt erhalten:
Mam. Ixil. Ou'iche. Cakchiquel. Uspanteca.
A. Vor Konsonanten:
Sing. 1.
Pers.
na-, iie-, tu-, no
-, 7Vt
-
U»(J-
n u-
711t-
m-
. 2.
r
1i- ...-</
a-
a~
a-
a-
, 3.
,^
la-. te-, //'-, to-.
tu-
1-
II-
ru-
ru-
Plur. 1.
!i
ka-, ke-, ki-, ko-
■,k(t-
kit- . . . 0
ka-
ka-.
. . (roh)
ka-
« -^•
r>
qui- . . . e
e- . . . i'.v
i-
i- . .
■ ('•'•^)
o- . .
.uA
fl 3.
V
qui- . . . liH
B.
i-
Vor Vokal
qni-
len:
qui-
. . . (rihe)
ru- .
. . uk
Sing. 1.
Pers.
w-
w-
IC-
ll -
u:-
r, 2.
fl
t(iy ...a
ma-
aic-
aw-
aw-
« 3-
«
/(/)- . . Jui
t-
r-
?•-
r-
Plur. 1.
n
k- ...0
k-
k-
k-. .
. (roh)
k-
0
•n
qtt (/> ...e
et-
iw-
hc- .
. . (rix)
aw- .
..ak
. 3.
V
qit (/)- . . . hu
t-
c-
c- . .
. (rihe)
r- . .
.nk
Pokonchi. Kekchi. Zo'tzll. Tzeltal. Maya. Huaxteea.
A. Vor Konsonanten:
Sing. 1.
Pers.
7IU-
iu-
h-
h-
in-
u-
„ 2.
•n
a-
a-
a-
a-
u-
a- (atia-)
« 3.
•n
ru-
X-
:-
.r-(c-)
u-
iti-
Plur. 1.
r>
ka-
ka-
h- ... iic
h- . . . tic
ca-
ya-
(inclusive)
ua-
(exclusive)
0
r>
a- . .
. tuk
e- . .
. ex
a- . . . ic
a- . . . ic
a- . .
. ex
ija-
:, 3.
■n
qni-
X- . .
.eb
B.
:- . . . ic
Vor Vokal
X- . . . ic
en:
u- . .
.oh
171-
Sing. 1.
Pers.
w-
ClC-
c-
c-
u-
U-
. 2.
»
aw-
acw-
aw-
ab-
au-
a- (anu)
„ 3.
n
r-
r-
11-
y-
y-
iii-
Plur. 1.
r
k-
k-
c- . . . iic
c- . . . iic
c-
ya-
(inclusive)
ua-
(exclusive)
. 2.
r>
au-- ,
. . . tak
er-
aw-. . .ic
ab- , . . ic
au- .
. . ex
ya-
, 3.
rt
c-
r- . .
.£•/>
ij... ic
y- • • • 'C
r ■•
.ob
/«-]
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 69
uvhI Cakchiquel [und das Mam] lial)en für alle drei J^ersonoii eine Differenz
zwischen Singular und Plural durchgeführt. Die letztgenannten beiden
Sprachen sind daher auch die einzigen, die im Stande sind, allein mit dem
Possessivpräfex, sämmtliche Personen des Singulars und Plurals genau und
korrekt zu bezeichnen. Die andern Sprachen helfen sich auf verschiedene
Weise Die einen, indem sie da, wo das Possessivpräfix den Plural einer
Person bezeichnen soll, dem ganzen Ausdruck eine Kollektiv- oder Plural-
partikel anfügen. — So das Tzeltal die Partikeln tic oder /c, z. B.:
cuum mein Besitz, cuun-tic imser Besitz,
avuwn dein Besitz, avuun-ic euer Besitz.
Das Uspanteca die Partikel ak, z. B. :
avuech-in was dir bestimmt ist, avu-ech-ak-in was euch bestimmt ist.
Das Pokomam und das Pokouchi die Partikeln ia oder iak, z. B :
a-tzi dein Hund, atzi-fa euer Hund.
Das Maya die Partikel 06, z. B. :
y-otoch sein Haus, y-otoch ob ihr Haus.
Oder aber, es wird, um den Unterschied zu markiren, wo die Pluralität
♦»itier Person gemeint ist, dem ganzen Ausdruck das betreffende Personal-
pronomen der Person im Plural nachgesetzt, denn bei dem Personalpronomen
ist die Differenzirung zwischen Singular und Plural gewöhnlich mehr durch-
geführt als beim Possessivpräfix. So geschieht es im Maya in der zweiten
Person Pluralis, z. B.:
au-otoch dein Haus, au otoch ex (dein Haus ihr) = euer Haus.
Beide hier angeführten Differenzirimgsmittel werden übrigens auch
pleonastisch gebraucht, wo ihre Hilfe zur Unterscheidung der Singular-
nnd Pluralperson nicht nöthig wäre. So z. B. im Pokomam und Pokonchi:
ru-tzi sein Hund, qui-tzi take ihr Hund
nnd im Cakchitpiel von S. .Fuan Zacatepequez:
t"w achö mein Haus, k-achö roh (unser Haus wir) = unsei' Haus,
avu achö dein Haus, iou achö rir euer Haus,
r-achö sein Haus, c achö rihe ihr Haus.^)
1) [Einen besonderen Fall zeigt das Mani. Hier ist innerhalb der Zahl, beides
im Singular und im Plural, zwar die erste Person von der zweiten und dritten,
aber nicht die zweite von der dritten Person geschieden, so dass zur genauen Be-
zeichnung dem possessiven Ausdruck das Personalpronomen, bezw. das Demon-
stratirum. angefügt wird. Z. ß.:
i-iini a „durch dich"; — i-uiu lii „durch ihn**,
qui-kiixomal e „eure Jugend": — qui-kuxomal Im „ihre (jener Personen)
Jugend".
Die pieonastische V'erwondung des Personalpronomens 0 in der ersten Person
Pluralis bei den vokalisch anlautenden Stämmen:
k-iiiii 0 „durch uns",
is.t vielleicht darauf zurückzuführen, dass der tiefere Guttural des Possessivpräfixes
der ersten Person Pluralis (/-) von dem Guttural der zweiten und dritten Person
71) Erster Abschnitt: Sprachliches.
Abgesehen von »iiesen Unterschieden, die sich auf die mehr «mUt
weniger (hircligeführte Differenzirung der Singular- und Pluralpersoue«
beziehen, sind die Possessivpräfixe in allen den oben genannten Dialekteu
ziemlich übereinstimmend. Das r der (luatennila-Sprachen in der dritten
Person Singularis, statt des/ der Maya. ist eine bekannte l.autversciiiebnng,
die schon Brassenr aufgefallen ist. und für wtdche Stoll eine Anzahl Ber-
spiele gibt (Am. Philos. Soc. Febr. 6. 1X85). Und da« t des Ixil ist viel-
leicht auch ein lautliches Homologon. Wenigstens finden wir das dem t
nahe verwandte ch im Mam und Ixil nicht selten als Vertreter von Mava
y und Quiehe r z. B. Maya yax: Qu iche. Cakchiquel fax; Mam. Ixil char
= ^grün" oder .^blau"".^)
Die Personalausdrücke. welche in prädikativen Verbindungen ge-
braucht werden, unterscheiden sich von den Possessivpräfixen dadurch, dass^
in ihre Form ein konsonantisches Element, Auslaut bildend, eingeht.
Indem dadurch bei ihnen, in Bezug auf ein nachfolgendes Wort, <ler Hiatus
((/«-), der an einer weiter nach vorn gelegenen Artikulationsstelle erzeugt werden
soll, nicht mehr ganz geschieden wurde. Der Pater Reynoso schreibt in der
That beide Präfixe mit dem besonderen Buchstaben (C), der in der Grammatik
des Flores für den von Stoll als A' bezeichneten Laut verwendet wird.]
1) [Das Mam hat die Eigenthümlichkeit. dass die Präfixe nach dem A'okal
der Wurzel, an die sie treten, vokalisirt werden:
iia-bauil „meine Güte", tachani mi LhIi „seine Spitze mein Bauch"
= das obere Ende meines Bauchs, meine
Brust,
ne-lep „mein Fischnetz", te-he a „sein Weg das Wasser" = der Kanal,
)ii-icitz „mein Gesicht", ii-wHz choerr „ihr Gesicht die Erde" = das
Gesicht der Erde.
no-nok „meine Baumwolle", to-hk ho „sein Fundament das Haus" = das
Fundament des Hauses.
nu-chu „meine Mutter-, tn-chu kak „seine Mutter das Feuer" — die
Mutter des Feuers, der Feuerstein.
ka-nima/iwal J. C. „unser Herr Jesus Christus".
kii c/rti Santa Jfjlesia „unsere Mutter, die heilige Kirche".
In der dritten Person Singularis hat also das Mam. gleich dem Ixil, ein /-,
das, wie oben angegeben ist. auch auf die zweite Person Singularis übertragen
wird. Dieses t- ist gleich dem r- (und ;/-) ursjn-ünglich wohl demonstratiren
Ursprungs, wie das c- (qu-) der dritten Person Pluralis eigentlich wohl das
Demonstrativ Pluralis bezeichnet. Das Possessivum m- der Guatemala -Sprachen
entspricht genau dem /o-, das im Maya Demonstrativ um ist. und das t des Mam
hat in verschiedenen Dialekten eine selbstständige Existenz als Demonstrativum
bewahrt. In einigen dieser Sprachen hat sich aus dem Demonstrativum auch ei«
Artikel entwickelt. So im Tzeltal:
te tcinir „der Mann", te aniz .die Frau",
und im Kekchi:
l-'m-tz'i „mein Hund": // ka l:t „unser Hund".]
Sing.
1.
l'cvs.
on
w
•)
n
at
riur.
1.
n
0
■)
ii
e,v
Pokonchi.
Qu'iche.
Cakchiquel
in
in (ww)
in
at
at
at
oh
oh
oh
at
ia:
ix
2. Das KonjugatioHSsystem der Maja ■;• Sprachen. 71
juisgeschlossen ist, so hal)en sie auch imr eine Form für uitchfolgenden
konsonantischen oder vokalischen Anlaut. Wo sie aber einem vokalisch
auslantenden Thema suffigirt werdtm, wird der Hiatus geduldet. Wir be-
zeichnen diese Ausdrücke, im (iegensatz zu den vorigen, als Personal-
pro nomi na. Ihre Formen sind:^)
Tzeital. Maya. Ixil.
en iii
ech a.v
on 0
ex ex
Die dritte Person hat kein besonderes Pronomen. Wenn Jemand
anders als der Redende oder Angeredete Subjekt eines prädikativen Aus-
ilrnckes ist, so pflegt er ausdrücklich genannt zu werden, oder es ist aus
tlem ganzen Kontext verständlich, wer gemeint ist, oder schliesslich es ist
kein persönliches Subjekt vorhanden. In den ersten beiden Fällen wäre
es überflüssig, im letzteren falsch, die dritte Person noch durch ein be-
sonderes Element zu bezeichnen. Ist trotzdem eine nähere Hindeutung
\vünsche))swerth, so treten die Demonstrativa ein.
Was die übrigen Personen betrifft, so sieht man, dass die Difl^'erenzirung
der Singular- und Pluralformen hier weiter fortgeschritten ist, als bei den
Possessivpräfixen. Ident sind nur die zweiten Personen des Pokomani
und Pokonchi [und des Zo'tzil], und nahezu ident die ersten Personen des
Zo'tzil, und auch die des Tzeital.
Um dem abznhelfen, treten wieder, wie bei den Possessivpräfixen,
Partikeln kollektiver oder pluraler Bedeutung, den Sinn präzisireud, ein.
So im Tzeital die Partikel iic, im Pokomam und Pokonchi die Partikeln
ia, tak, take.
Alle genamiten Sprachen aber wissen, in ähnlicher Weise, eine Unter-
S(Oieidung zwischen den dritten Personen Singularis und Pluralis herbei-
zuführe?!. Das geschieht im Tzeital durch tlie Partikeln iic und /ac, im
1) [Die prädikativ gebrauchten Personalpronomina sind Suffixe. Ihre
Vokalis;ition fällt daher naturgemäss vor den Konsonanten, wo ein solcher vor-
handen ist. Die durch Hinzufügung des Mam und des Kekchi vermehrte Tabelle,
\n ähnlicher Weise, wie oben in der Anmerkung für die Possessivpräfixe aus-
geführt, hat demnach die folgende Gestalt:
Qu'ichß
Mam. Ixil. Cakchiauel P"'***"^'''- Kekchi. Zo'tzil. Tzeital. Maya.
Sing. l.Pers. -/'/( -/// -in (-i) -in
9
i -m
-a -ux -at -at -at
r> 3. ., -Im -i
Plur. 1. „ -o (-o-o) -0 -oll -i)h
„ 2. „ -e {-e-e) -ex -ix -tri . . . tak
~ i- y, -e . . .-Im. -i -if (-lie) . . . (/;
-on
-tu
-at
-ech
-a
-i
-o-tic
-011
-ex
-ex
-ic
-ul>^
7*2 Erster Abschnitt: Sprachliches.
Pokomaiii und Pokonclii liurcli die Partikel take, im .Maya durch die Par-
tikel ob, im Quic'he und (akcbiquel dureli die Partikeln e oder he, —
alles Partikeln kollektiver und pluraler Bedeutung, die zum Theil direkt
als Pluralsuffixe oder Pluralprätixe ijebraucht worden oder (als Demonstrativ-
jtronomen) für sich allein eine Mehrheit von Geigenstunden bezeichnen.
Abgesehen von diesen Unterschieden, sind die Formen in den ver-
schiedenen Sprachen ziemlich ident. Das h der Guatemala- Sprachen in
der ersten Person Pluralis, statt des n des Maya, ist eine bekannte Laut-
verschiebung, die durch zahlreiche andere Beispiele belegt ist.
Was aber den Gebrauch dieser Pronomina betrifft, so scheiden sich
die Maya- Sprachen in zwei Gruppen, indem die einen — dazu gehört
Tzeltal, Maya, Manie und Ixil — das Pronomen dem Prädikate suffi-
giren, die andern — dazu gehört Pokomam und Pokouchi, Quiche,
Cakchiquel und Tzutuhil dasselbe dem Prädikate präfigiren.^)
So heisst es im Maya:
batab en ich bin Häuptling, hatab eck du l)ist Häuptling,
utz en ich bin gut,
bay-on (oder b-on) wir sind so wie die . . .
viac eck wer bist du? Pedro en ich bin Peter.
Und dieselVte Stelle erhält dann auch, wo dieselbe ausdrücklich ge-
nannt ist. die dritte Person oder Sache, welche das Subjekt eines prädi-
kativen Ausdruckes bildet.
ittz Pedro Peter ist gut.
Im Quiche dagegen heisst es:
in ahau ich bin der König
at ah mac du bist ein Sünder
oh utz wir sind gut
in va ich bin hier, at va du bist hier
und mit einer dritten Person als Subjekt
Pedro utz Peter ist gut, are utz er ist gut.
1) [In AVirklichkeit ist das Verhältniss vielmehr dies, dass im Mam und im
Ixil, sowie im Tzeltal, Zo'tzil, Maya die Personalpronomina dem Verbum
direkt suffigirt werden, während sie im Pokomam, Pokonchi und Kekchi,
sowie im Quiche. Cakchiquel und Tz'utuhil gewissen, meist auf einen
Konsonanten reduzirten Stämmen sich anfügen, die, wahrscheinlich ursprünglich
demonstrativen Charakters, oder allgemein eine Handlung bezeichnend, vor den
Verbalstamm gesetzt werden und zur Unterscheidung von Temporibus dienen.
In Folge dessen hat sich aber in dieser letzteren Gruppe von Sprachen der Ge-
brauch eingebürgert, diese Personalsuffixe auch ohne einen solchen Träger demon-
strativen oder zeitliche Verhältnisse bezeichnenden Charakters vor dem Verbum
oder Nomen zur Bildung prädikativer Aussagen zu verwenden.]
2. Das Konjugationssystem der Maja -Sprachen. 73
Doch ist zu bemerken, dass der stärkere Acceiit. der naturgemäss auf
dem Prädikat liegt, und die durch Aufzählungen oder nähere Bestimmungen
nicht selten hervorgerufene ungebührliche Ausdehnung des Subjekts es mit
sich bringen, dass auch im Qu'iche, wo eine dritte Person Subjekt ist.
dieselbe nachgestellt wird. So heisst es im Popol A'uh:
nim qui k^ih, nini pitch qui k'ab, c'ua-lab
gross ist ihr Glanz, gross auch ihre Macht, ihre Kraft.
Der hier hervorgehobene Unterschied ist wichtig, und er wird uns
bei der Konjugation noch zu beschäftigen haben. Zunächst muss ich
indess eine Eigenthümlichkeit erwähnen, die aus dieser Yerschiedenheir
der Konstruktion hervorgeht.
In denjenigen Sprachen nämlich, in welchen das Subjekt voransteht,
das Personalpronomen präfigirt wird, scheint das letztere mehr Körper-
lichkeit, so zu sagen, mehr Selbstständigkeit zu besitzen. Es findet sich
in derselben Form auch allein, als Antwort oder als Anruf, z. P). im
Oakchi(|uel :
?>, alabon ihr da, ihr Knaben
nak cat tu; wer bist du! In ich bin es.
Wo dagegen das Personalpronomen suffigirt wird, kaiui es in der
Ki'gel nicht allein und ohne einen besonderen Träger stehen. Daher
finden wir in den Grammatiken dieser Sprachen die Personalpronomiua nicht
in der kurzen, ursprünglichen Form angegeben, in der sie einem prädi-
kativen Ausdruck suffigirt werden, und wie wir sie in der obigen Tabelle
angegeben haben, sondern regelmässig in Komposition mit einer Demou-
strativpartikel. In dieser Verbindung nämlich w^erden diese Pronomina
gebraucht, wenn sie allein stehen. Als solcher Träger des Personal-
pronomens fungirt im 3Iaya die Partikel f, fe:
ten ich. tech du: toon wir, teex ihr.
im 'JV.eltal [und Pokonchi] die Partikel h, ha [im Mam a, im Kekchi la\.
hoon ich, haat du; hoon wir, haew ihr.
So wird in dem kleinen Uebeslied, . das Brasseur in seiner 3faya
Chrestonuithie abdruckt, die Geliebte apostrophirt:
tech. tulacal in tucul du. ganz mein (Tedanke.
Auf die Frage der Hausfrau:
niac ech wer bist du?
antAvortet der Diener:
ten, colel ich, Herrin.
Nur ausiiahnisweise, und auch nur nach vorangegangener Demonstrativ-
•Kelativ-Komposition, lesen wir z. B. in der Chronik des Nakuk Pech:
ten cen in Nakuk Pech ich, der ich bin, ich Nakuk Pech.
74 Erster. Absclinitt: Sprachliches.
Diese mir der Demonstrativjnirtikel koniponirten Persoualpronuniina
können pleouasrisoli ainiereii prädikativen Ausdrücken vorgesetzt werden,
/. B.:
ten batab en ich bin Hänptling.
Solche Ausdrücke werden gewöhnlich so interpretirt. als oh ten das
Subjekt wäre, mit der liedeutung „ich**, und batab en das dazu gehörige
Prädikat, und man wird um so eher zu dieser Auffassung verleitet, als
mit demselben Kecht auch gesagt werden kann:
ten batab ich bin der Häuptling.
In Wahrheit aber ist ten kein einfaches Personalpronomen, sondern
an sich schon ein prädikativer Ausdruck, bedeutend „ich bin der": und
es heisst:
ten batab en „ich bin der, ich bin Häuptling".
ten batab .,ich bin der. der Häuptling'', d. i. der Häuptling, das
bin ich.
Und dieselbe Auffassung gilt auch für die Formen, welche Beitran
für das Präsens der aktiven Verba angibt:
ten cambezic ich lehre ihn. ten tzick ich gehorche ihm, ten canantic
ich hüte es,
die aber in Wahrheit bedeuten:
..ich bin der. welcher ihn lehrt", „ich bin der. welcher ihm gehorcht".
„ich bin der. welcher es hütet'',
denn «lie Formen auf — ic sind echte gerundivische Formen, die die Be-
deutung eines ganzen Relativsatzes oder Umstandssatzes haben.
Auch im Quiche und Cakchiquel werden in ähnlicher Weise, d. -h.
prädikativ mit dem Personalpronomen konstrnirt. Demonstrativpartikelu
gebraucht, und zwar die Partikel ra, vi oder ri, z. B.:
.Tax in m oder wavi in tv' fiirwahr ich bin der,
xa.r at vi oder d-avi at ri fürwahr du bist der.
Dem Maya- Ausdruck ten batab en entspricht so im Cakchiquel:
in va in ahau ich bin der, ich bin der König.
Und wie im zweiten Theil dieses Satzes i Doppelsatzes) im Maya das
Personalpronomen wegbleiben kann, so sagt man auch im Cakchiquel:
.cax in vi tool ivichin fürwahr (wie zuvor) ich bin Freund zu Euch.
Auf solche Weise gewinnt diese Demonstrativpartikel vollständig die
Bedeutung eines Yerbum substantivum und wird auch als solches
(als Yerbum) geradezu gebraucht, z. B. im Pokomam, avo wir es mit den
Tempuspräfixen kombinirt verwendet finden:
i-in i:i ich war. .r-oh vi wir waren.
Wohl zu unterscheiden von diesem Gebrauch der Demonstrativpartikol
ist der andere, den wir in denselben das Personalpronomen präfigirenden.
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 75
[das Personalproiiomeu einem vor dem Verbum stehenden, die Zeit be-
zeichnenden defektiven Stamme anhängenden] Sprachen finden, imd der
weiter nichts ist als eine Jsebeneinander.stellung- des Demonstrativuni und
des Personalpronomens in der Weise einer Apposition. So finden wir im
Cakchiquel von Zacatepequez die Partikel ri verwendet:
r-at du, r-oh wir, r-ir ihr,
im (,iu'«?kchi die Partikel la:
la-in ich, la-at du, la-ö wir, la-e.r ihr,
im Pokonchi die beiden Partikeln re und ha:
reli-in ich. reh-at du; reh-oh wir, re-takt-h-ät ihr.*)
Ein zweiter auf die Konstruktion prädikativer Aus<lrücke bezüglicher
Punkt ist hier noch zu erörtern, nämlich die Konstruktion in Fragesätzen.
— Dieselbe hat in denjenigen Sprachen, welche das Subjekt hinter das
Prädikat setzen, also die Persoualprouomina suffigiren, keine Schwierigkeit.
Man sagt im Maya:
inac ech wer bist du?
hal u kaba was ist sein ^'ame? bal u nac welches sind seine Fehler?
bahiuv u caah wie gross ist seine Statur? bi^o a caah wie ist dein
Befinden?
Ebenso im Ixil:
abil a.v wer bist du?
cani a bi was ist dein Xame?
Diejenigen Sprachen aber, welche das Subjekt vor das Prädikat
s«'tzen und die Personalpronomina präfigiren. gerathen in eine gewisse
Verlegenheit, da nach einem den meisten Sprachen geuu'insamen Gesetz
das Fragewort den Satz beginnt. Mau findet daher im Qu"iche aller-
dings z. B. :
at achinak wer bist du?
wie mau sieht, regelmässig konstruirt. Lieber aber verwendet man zwei
Pronomina. Mit dem einen wird im Anfang des Satzes die Frage gestellt
und das zweite dann regelrecht mit dem Personalpronomen konstruirt. z. B.:
apa in chinak wer bin ich? apa at chinak wer bist du?
Oder aber, es findet vollständige Inversion des Subjektes statt. So schon
im Qu'iclie, wenn eine dritte Person Subjekt ist:
upachinak ri wer ist er?
und allgemein im Cakchiquel:
nak pe ri was ist das?
?iak elvi at wer bist du?
nak ri kalem ri vinak was ist die Stelluno; dieses Mannes?
1) [Meiner jetzigen .\uffassung nach ist dieser Fall ganz der gleiche wie im
Maya f-fti -ich^ l-ec/i ^d\x'~ u. s. f.]
7g Erster Abschnitt: Sprachliches.
Beiläufig bemerke ich. das.s, wenn das Fragepronomen Objekt ist oder
in Cienitivbeziehung zu einem Nomen oder Verhältnisswort steht, in den
Sprachen beider Gruppen die Inversion nothwendig wird, denn der Kegel
nach steht das Objekt unmittelbar hinter seinem A^erl>um. der Genitiv un-
mittelbar hinter seinem Nomen.
Wenn ich in dem Vorstehenden den Gebrauch des Personalpronomens
als Subjekt eines prädikativen Ausdrucks auseinandergesetzt habe, so habe
ich damit auch schon die einfache Form der Konjugation beschrieben.
Denn zwischen Ausdrücken', wie „ich bin ein König'' und ,,ich herrsche",
..ich bin jetzt ein Läufer" und „ich laufe jetzt'-, „ich bin ein Thier-
tanger'- und „ich fange Thiere" — besteht kein prinzipieller Unterschied.
— Die Maya-Sprachen haben aber nun die Eigenthümlichkeit. dass nur
ein Theil unserer Verbalausdrücke in der beschriebenen Weise 2:ebildet
wird. Im Allgemeinen nämlich werden — und das ist das Hauptgesetz
dieser Sprachen —
nur die absoluten, eines direkten Objekts entbehrenden
Verbalausdrücke durch Prädikatskonstruktion mit dem Per-
sonalpronomen gebildet;
die transitiven Verba dagegen sind wurzelhafte oder ab-
geleitete Nomina, die als solche mit dem Possessivpräfix ver-
bunden werden.
So heisst es im Maya:
hih-en ich fiel, lub-ech du fielst u. s. f.
tzic-en mir wuirde gehorcht, tzic-ech dir Avurde gehorcht u. s. f.
Dagegen :
in tzicah ich gehorchte ihm. d tzicah du gehorchtest ihm u. s. f.
in caruhezah ich lehrte ihn, d cambezah du lehrtest ihn u. s. f.
Ebenso im Tzeltal:
u paz-on ich machte, bildete, schuf, u paz-at du machtest u. s. f.
Dagegen :
u h-paz ich machte es. a-paz du machtest es u. s. f.
Und im Ixil:
cat cliany-in ich ass, cat chany-ax du asst u. s f..
al>er:
cat ung-cayi-la ich verkaufte es, cat a-c'ayi-la du verkauftest
es u. s. f.
Das ist jedenfalls auch hier der Unterschied dieser Formen, obwohl
Stoll, dem wir die Aufzeichnung derselben verdanken, eine Unterscheidung
zwischen träiisftiveTn und intransitivem Verbum nicht bemerkt haben will.
Dieselbe Differenz finden wir in den das Personalpronomen prä-
.figirenden Sprachen. Z. B. im Qu'iche:
x-in ul ich kam, .c-at ul du kamst, x-oh ul wir kamen.
2. Das Konjugationssysteni der Maya- Sprachen. 77
Dagegen :
j-i-v-oyobeh ich erwartete ihn, x-av-oyobeh du erwartetest ihn,
,i--k-oi/obeh wir erwarteten ihn.
Ein Blick auf die oben gegebenen Tabellen zeigt, dass hier im ersten
Falle das Personalpronomen, im zweiten das Possessivpräfix zur Ver-
wendung kommt.
Das Gleiche finden wir im Cakchiquel und Tz'utuhil. Und ebenso
im Pokomam und Pokonchi, z.B.:
x-in ykonhi ich wurde geliebt, x-o l&konhi wir wurden geliebt,
ix nu lo'koh ich liebte ihn, i/; ca ykoh wir liebten ihn.
Tch werde im Folgenden erst das Verbum absolutum und seine ver-
schiedenen Formen besprechen und dann das Verbum transitivum und
dessen eigentliche Bedeutung erörtern.
I. Das Verbum absolutum.
Die oben angeführten Beispiele zeigen, dass das Verbum absolutum
unter das Schema der prädikativen Aussage fällt. Die einfachste Form
des Verbum absolutum ist also die prädikative Aussage. Wir haben
gesehen, dass dieselbe zu Stande konmit durch einfache Verbindung des
Nominalausdrucks oder der adverbiellen Bestimmung mit dem Personal-
pronomen nach dem für die betreffende Sprache geltenden Gesetz, d. h.
durcli Suffigirung oder Präfigiruug des Personalpronomens. Wie hierbei
Tempusdififerenzen zum Ausdruck gelangen, soll später im Zusammenhang
erörtert werden. Hier ist zunächst noch die Frage zu beantworten, wie
in dem Falle, wo eine dritte Person (ein anderes Nomen) Subjekt ist, ein
solcher prädikativer Ausdruck von der attributiven Verbindung eines
Adjektivs mit einem Nomen unterschieden wird. Die Antwort ist: Es wird
dieser Unterschied dadurch hergestellt, dass das Prädikat die ursprüng-
liche substantivische Form behält, während das Attribut adjek-
tivische Form bekommt.
Es gibt in der Sprache keine ursprünglichen Adjektiva. utz und loh im
Maya heissen nicht „gut" und ., schlecht", sondern „etwas Gutes'', ..etwas
Schlechtes"; ek und zak nicht „schwarz" und „weiss", sondern ., etwas
Schwarzes", „etwas Weisses". — Zur Bildung prädikativer Ausdrücke
können solche Wörter direkt verwendet werden:
utz Pedro Peter ist gut; zak na das Haus ist w^eiss.
Sollen dagegen attributive Ausdrücke gebildet werden, so tritt eine
iM'weiterung mittels des Suffixes -al -el -il -ol -ul ein, z. B.:
Maya: utz-ul uinic-ob die guten Männer; zak-il na das weisse Haus.
Das Gleiche findet im (^u'iche und Cakchiquel statt. Nur dass das
Schluss-/ des Suffixes abgefallen ist und die Suffixvokale a und / die Ober-
hand gewonnen haben.
78 Erster Abschnitt: Sprachliches.
Man sagt also:
m'm a k'ab gross ist «lein Ann.
zak he qui r'it weiss sin«) ilirc Kleider.
aber:
ninia vinak ein grosser Manu, zaki ha ein weisses Haus.
Dass dieses a und / der Guatemala-Sprachen aus einem al, il liervor-
gegang:en. sieht mau an anderen sehr häufigen Adjektivbilduugen. die
ausser diesem dem Maya-Suffix entsprechenden Suffix noch ein Suffix -ah
enthalten, z. B :
niin gross, nimalah mak eine grosse Sünde.
utz gut. xdzilah ach ein guter !Mann.
cou stark, couüah che ein starker Baum.
Und so werden in l>eiden Sprachgruppen, mit Hülfe dieser Suffixe,
auch vou anderen unzweifelhaften Substantiven attributivisch verwendbare
Adjektiva gebildet. So heisst im Maya:
,van die zum Dachdecken verwandte Palme, .vanil na ein mit Palni-
blättern gedecktes Haus.
Und im Cakchiquel:
k'iv der Dorn, k'iialah bei ein dorniger Pfad.
civan die Schlucht, cicanüah huyu ein schluchtenreicher Berg.
Die beiden Suffixe -al -el -il -ol -ul und das Suffix -ah werden wir
unten noch eingehender zu besprechen haben. Die (Trundbedeutung der-
selben ist offenbar die eines Relativsatzes. Und weil der Relativsatz die
Grundbedeutung des attributivisch gebrauchten Adjektivs ist. finden wir
dasselbe auch mitunter mit Suffix -ic versehen. Z. B. Quiche-Cakchiquel:
hebel-ic Lrok eine schöne Frau'; bolobic huyu ein runder Berg.
Ich habe oben schon erwähnt, dass die Formen mit Suffix -ic die
Bedeutung eines echten genmdivischen Nebensatzes haben. — Soll das
Attribut einer Mehrheit von Gegenständen gelten, so treten statt der obigen
die Kollektivsuffixe -ic -tic -ak -tak, die wir schon oben lieim Possessiv-
präfix besprochen haben, ein. Z. B. Quiche:
iitz-ic va gute Speisen, nimak ha grosse Häuser.
rihi-tak vinak alte Leute.
Die prädikativen Aussagen können mehr oder minder umfassend und
mehr oder minder bestimmt sein. Die allgemeinste und farbloseste Aus-
sage würde die sein, dass Jemand an einem Orte oder zu einer Zeit oder
überhaupt nur vorhanden ist. Je allgemeiner und farbloser aber die eigent-
liche Aussage ist. um so bestimmter treten die Nebeubestimmungen der
Aussage in den Vordergrund, und so sinkt die eigentliche Aussage schliess-
lich zu einem blossen A^ermittler zwischen dem Subjekt und anderen
Xebenbestimmungen der Aussage herab. ])as ist der Prozess, der in tleu
indogermanischen S]>rachen dem Verbum „sein*" seine Rolle geschaffen.
■J. Das Konjugationssystem der Maja -Sprachen. 71)
Vn*{ einen ähnlichen Piozess können wir aneh an den Maya-Spraclien
verfolgen, wenn auch die Ausbildung des Verbum substantivum an keiner
Sn'lle soweit fortgeschritten ist. dass es den nothwendigen Yermittlei-
z:w'ischen dvm vSubjekt und gewissen anderen Bestimmungen bildete.
Rs ist einerseits die Demonstrativpartikel — fe des Maya. ha des
Tzeltal, a des Marne, ^a, vi, ri des Qu'iche und Cakohiquel — . welche in
dieticr Weise die Bedeutung eines Verbum substantivum gewinnt. So
im Maya das oben angeführte:
trn hatub oder ten batab-en ich bin der Häuptling.
V. (rabriel konjugirt in dieser Weise vollkommen durch. Es ist
indess doch das te nicht direkt den anderen Verben vergleichbar, insofern
es /war die l*ersonaleii düngen, aber in der Regel keine Tempuscharaktere
annimmt. Die letzteren tieteii an das Nomen an:
ten batab hi en ich war ein Häuptling,
ten batabac en ich werde ein Häuptling sein.
Nur im Imperativ und Öubjunktiv finden wir das betreffende Suffix
dem te unmittelbar angehängt:
teac, teaci oder teci er soll sein.
teac eck, teaci eck oder teci eck du sollst sein.
teac ob sie sollen sein.
Aehnlich scheint die Saclie im Mam zu liegen, denn wenn hier das
Paradigma. z.B. für das „Preterito Perfecto" folgendermaassen gegeben ist:
ain-hi
a-hi-ia
a-hi-hu
ao-hi-io
ae-hi-ie
ae-hi-hu
80 meine ich. dass das ki hier ebenso einem Prädikatsnomen angefügt zu
denken ist, wie in dem Maya-Paradigma:
ten (batab) Id en
tech 1t i ecli
lay id lo u. s. w.
' Leider hin ich aus Mangel au Material verhindert, diese und manche
andere interessante Fragen, welche das Mam darbietet, zu lösen.
Im Qu'iche und Cakchiquel sind, wie schon oben erwähnt, als homologe
Konstruktionen anzusehen solche wie:
,Ka,r in vi tooL ivicldn fürwahr ich bin Freund zu eucii.
Ich habe ebemlaselbst schon erwälnit. dass die Skizze der Pokomam-
firammatik, welche Thomas Gage seinem Reisewerke angefügt, die Par-
tikel vi, mit Personalpronomen und Tempuspräfixen beklei(h't, geradezu
als Paradigma für das Zeitwort ^sein" angibt.
HO Erster Abschuitt: Sprachliches.
Im Anschluss an «lieseu (lebraiicli der Demonstrativpartikeln ^Yäl■en
iiocli die Fälle zu betrachten, wo wir dieselben Deiuonstrativkonsonanteu
t und h nicht unmittelbar uud für sich mit dem Personalpronomen ver-
bundeu, sondern wie eine Endung; dem Prädikatsnomen angefügt linden.
So sagt man im Ixil allgemein:
niin-t-in ich bin gross, nim-t-a.c du bist gross, nim-t-o wir sind gros>>,
und im Tzeltal, wenigstens in der zweiten Person Singularis:
nim-h-at du bist gross (statt nim-at).
Lm Maya geschieht dieselbe Einfügung, wo die prädikative Aussage
substantivirt wird, d. h. von dem Yerbum „sein" mit dem Prädikatsnouiea
der Infinitiv gebildet wird, z. B.:
uinic en ich bin ein Mann, uinic eck du bist ein Manu.
uinic-h-al oder umic-t-al „Mann sein" „zum Mann werden".
Das h gehört vornehmlich der alten Sprache au; die ueuere Sprache
hat fast überall i dafür gesetzt. — Uud dieselbe Einfügung erkennen wir
im Präteritum, sowie, bei vokalischem Auslaut des Thema bildenden
Xomens, auch im Futur:
uinic-h-i er war ein Mauu. er wurde ein Mann, bin uinic-ac er wir«!
ein Mann sein.
bakte-h-ob sie kamen zusammen, bin bakte-h-ac-ob sie werden zu-
sammen kommen.
Es fragt sich, wie diese Einfüguno-en aufzufassen sind. Der Ixil-Gebrauch
legt es uahe, dieselben ebenfalls als Demonstrativa aufzufassen uud zu über-
setzen :
niiii-t-in gross das bin ich.
Doch ist es mir wahrscheinlicher, .dass hier wirkliche Ableitungen
von den zu Grunde liegenden Nominibus oder adverbiellen Ausdrücken
stiittfinden, — Ableitungen, die ja vielleicht, oder sogar wahrscheinlicl»,
elementaren Zusammenhang mit den oben erwähnten Demonstrativen haben,
die aber doch mit ihrem Thema zu besondern Einheiten verschmolzen
sind. Das letztere zeigt sich vornehmlich darin, dass diese Kompositionen
eine besondere, von der des einfachen Verbum substantivum abweichende
Siunbegrenzung erhalten, nämlich die von Inchoativen, und da diese
Yerba überdies, nach der bei den andern Yerbis absolutis üblichen Weise,
ihr Präsens zu bilden im Stande sind, so kann man dem Sinne nach unter-
scheiden :
uinic en ich bin ein Mann, uinic eck <lu bist ein Manu u. s. f.
uinic-h-al in cah ich werde ein Manu, uinic-h-al d cah du wirst
ein Mann u. s. f.
Durch besondere Infixe wird dabei die Art des Seins oder AVerdens
näher bestimmt. Solche Infixe sind p, k', ch, o, die im Allgemeinen be-
deuten, dass etwas zu einer bestimmten Zeit, zuiällig oder plötzlich oder-
nur eine Zeitlang ist oder geschieht, und das Infix la, laa, welches be-
2. Das Konjugationssystem der Maya • Sprachen. 81
deutet, dass etwas allg'emeiii ist oder geschieht, dass alle es sind. So
haben wir:
uinic-h-ai oder uinic-t-ai ein Mann sein, sich als Mann bewähren.
uinic-chah-al jetzt gerade ein Mann sein, mannbnr werden, eine
Stellung erlangen.
honi l.,och, Höhlung.
hom-pah-i, hom-kah-i, kom-chah-i es war plötzlich ein Ijoch da, es
stürzte ein.
ek., eek schwarz, ek hal, ek-t-al, eek-h-al, eek-t-al sch^varz sein, schwarz
werden.
eek-chah-al schwarz werden.
eek-laah-al dass alle schwarz werden.
Wir werden dieselben Silben pah, k'ah, chah, oah, laah, mit derselben
Bedeutung auch bei den anderen Yerbis absolutis verwendet finden.
Hier sind noch einige Verben zu erwähnen, welche dadurch ausge-
zeichnet sind, dass auch in der alten Sprache dem Stamm bei ihnen ein /
angefügt ist, während im Präteritum und Futur anscheinend unregelmässig
ein / auftritt, z. B.:
cux-t-al leben, cux-lah-i er lebte, cux-l-ac er wird leben,
cah-t-al wohnen, cah-lah-i er wohnte, cah-l-ac er wird wohnen.
I^]s liegen hier alte Nomina vor. cux, das als solches im heutigen
Maya nicht mehr existirt, eigentlich c'ux zu schreiben, entspricht dem
Qu'iche-Cakchiquel c'ux und heisst „Herz", cah ist „das Gesetzte, Ge-
gründete, die Ansiedlung, das Dorf". Von diesen Nominibus sind nun
mittels der Silbe t, die wir bei der Ableitung passiver Nominalstämme
wieder antreffen werden, und mit dem Suffix al el il ol ul, das wir bei
den Partizipialnominibus zu besprechen haben werden, andere Nomina ge-
l)ildet, mit der Bedeutung „mit dem und dem begabt, versehen", „das
und das besitzend"; und diese sind nach dem Schema der prädikativen
Aussage mit dem Personalpronomen und den Tempussuffixen zu Verben
verbunden. — Die beiden oben angeführten Verba sind prägnante Bei-
spiele. Aber in ähnlicher Weise lassen sich die Zusammenhänge auch
für die andern Verba dieser Klasse nachweisen.
Die Inclioativa bilden auch in den Sprachen, welche das Personal-
pronomen präfigiren, eine bekannte Verbalklasse, und os ist gewiss auf-
fällig, dass auch hier die Ableitungssilbe derselben denselben Konsonanten
enthält, welcher in diesen Sprachen das Demonstrativum stellt, r und ri
sind im Qu'iche und Cakchiquel die hauptsächlich gebrauchten Demonstrativa,
und ar er ir ur sind die Ableitungssilben, mit welchen von Nominil)us
Inclioativa abgeleitet werden, er und ir überwiegen. So haben wir:
ahau Herr, ahaiiar Herr werden, herrschen; — uleu Erde, ulenar
zu Erde werden.
Seier, Gesammeltt' Abhandlungen I. (i
^.} Erster Abschnitt: Sprachliches.
mein stumm, meiner stumm werden; — bak Knochen, baker. bakir
zu Knochen werden, mager werden.
abah Stein, abahir zu Stein werden: — atsaiu Salz, afzamir salzig
werden; — zak weiss, zakir weiss werden.
a'kal Kolile. akalw zu Kohle werden.
Bis hierher habe ich Bildungen und Formen besprochen, denen un-
zweifelhafte Nomina oder als Xomina fungirende Ausdrücke zu Grunde
liegen, und die nach dem Schema der prädikativen Aussage mit dem
Personalpronomen verbunden werden. Ehe ich nun diese verlasse und
zu den eigentlichen absoluten Yerben übergehe, will ich die andern in
den Grammatiken für unser Zeitwort „sein" angegebenen Ausdrücke be-
sprechen. Ich bemerke im Voraus, dass keiner derselben im eigentlichen
Sinne unserm Worte „sein" entspricht; sondern die einen fallen unter den
Nominalbegriff „gegeben, gesetzt, vorhanden", die andern haben die be-
sondere Bedeutung „an einem bestimmten Orte sich befinden" oder „zu
einer bestimmten Zeit sein", „geschehen". —
Zu den ersteren gehört das Maya an oder yan. Die nominale Natur
dieses Worts geht unzweifelhaft aus dem Gebrauch und der Konstruktion
hervor:
yan cutz es ist ein Truthahn da. yan cutz ob es sind Truthühner
da, yan en ich bin vorhanden.
yan-h-i tkul es war ein Kaninchen da, mau hatte Kaninchen,
hin yanac kahlay oh teex (oder ti tee.v) ihr werdet Aufzeichnungen
haben,
und so wird auch der Infinitiv mit dem Konsonanten h oder i gebildet:
yanhal^ yantal^ antal, ental.
Aehulich ist ohne Zweifel das entsprechende Lxil-Wort ai aufzufassen-
at ung-pua mein Geld ist da - - ich habe Geld.
at-in tu cu-otzotz ich bin in meinem Hause.
Anders die im Quiche-Cakchiquel gebrauchten Ausdrücke c'o oder
c'oh und ux.
Ersteres. welches wohl dem später zu erwähnenden Maya- Wort caah,
cah verwandt ist, aber anders konstruirt wird, bedeutet „an einem be-
stimmten Orte sein'' und wird tlieils unpersönlich, theils persönlich ge-
braucht. So im Qu'iche:
CO vinak pa ha es sind Leute im Hause,
in to r-iCc nu mam ich bin bei meinem Grossvater,
und im Cakchiquel von S. Juan Zacatepequez:
re hä jc-coh-e cht k-achö er war in unserm Hause.
Aehulich sagt man im Maya, aber mit anderer (nominaler) Konstruktion
des Wortes cah:
in caah oder in caacah yeteloh ich bin bei ihnen.
2. Das Eonjügationssystem der Maya - Sprachen. 83
Das Verbum ux entspricht vielleicht dem Maya uch-ul „geschehen,
sich ereignen". In seinem Gebrauch kommt es vielfach der Verwendung
unseres Zeitwortes „sein" nahe. So gibt Brasseur's Qu'iche-Grammatik
die Beispiele:
in ua- etamayovi ich bin der Weise»,
in ta r-ahaual Mexico ux-inak dass ich Kaiser von Mexico gewesen
wäre.
Und im Popol Vuh, wo es überaus häufig vorkommt, lesen wir U.A.:
nim i d'ohe-ic ch-ux-ic gross wird eure Stellung sein,
are curi Hurakan-Tucur, xa hun-r-akan c'o ux-ic
das ist der Hurakan-Tucur, nur ein Bein das ist sein Wesen,
Und im Cakchiquel haben wir:
nak cot ux wer bist du?
in utz xqu-in ux ich gut werde sein,
utz xt-ux Pedro Peter wird gut sein,
ix lo'k xqu-vv-ux chire Dias ihr werdet I)ei Grott geliebt sein.
Ich komme nun zu den eigentlichen absoluten Yerben. Dieselben
sind theils ursprüngliche, wurzelhafte Monosyllaba, in denen alle fünf
Hauptvokale vertreten sind, und die ihrer Bedeutung nach sich auf körper-
liche Thätigkeiten, örtliche Lage, zeitliche Veränderungen, überhaupt alle
möglichen inneren und äusseren Zustände und Veränderungen eines Gegen-
standes beziehen.
Ich nenne im Maya:
hau essen (= Ixil: chan) nac sich erheben,
uen schlafen em heruntersteigen,
dm sterben (= Qu'iche: cani)
ok weinen oc eintreten,
lub fallen
und zahlreiche andere, hier und in den andern Sprachen.
Denen gegenüber stehen die abgeleiteten Verba absoluta. —
Von sämtlichen Stämmen, die, mit Possessivpräfixen versehen, zur Wieder-
gabe unserer transitiven Verben dienen, können mittels des Suffixes -n,
bezugsweise -an -en -in -on -un absolute Verba abgeleitet werden, deren
Bedeutung ist „in der betreffenden Thätigkeit begriffen sein" „die be-
treffende Thätigkeit ausüben".
So heisst im Maya:
oib „das Geschriebene", die Schrift; in oib-ah ich schrieb es,
oib-n-en oder oib-n-ah-en ich schrieb d. h. ich übte die Thätigkeit
des Schreibens.
Ebenso im Quiche und Cakchiquel:
tz'ib die Schrift, tz'ibah etwas schreiben, tzHban schreiben (allgemein).
6*
5^4 Erster Abschnitt: Sprachliches.
Im Ixil ist ilieses Ahsolutuin der regelmässige Uebergang. um Aus-
drücke für Leute zu bilden, die etwas gewerbsmässig betreiben, z B.:
tz'a(h) etwas färben, tzaonal der Färber; — loch helfen, lo'chonal
die Hebamme.
acu-al das Gesäte, die Saat, avu-an-id der Säemann.
Im Qu'icdie haben wir ausserdem eine Ableitung mittels des Suffixes
-ou (bei dem AVurzelinlaut «, e, i, o) oder -u (bei Wurzelinlaut u). und es
werden von diesen Absoluten die Ansdriicke für den berufsmässiiren Aus-
über einer Thätigkeit hergeleitet.
ban ..gemacht werden" und ..etwas machen", banou machen (all-
gemein), banol der Schöpfer.
muh „begraben werden" und „Jemand begraben", muku begraben
(aligemein), muhul der Totengräber.
Es liegt indes nahe anzunehmen, dass sowohl diese Verba, wie diese
Substantiva. aus den vorigen mittels -ti abgeleiteten durch Synalephe ent-
standen sind.
Statt eines einfachen passiven oder transitiv verwendeten Stammes
kann ein ganzer passiver Ausdruck Grundlage dieser Verbalbildung werden.
So entstehen im Maja Yerba, die das Objekt inkorporiren. z. B.:
chuc cl'io es werden Ratten gefangen, man fängt Ratten,
chuc cl'io n-en oder chuc cho n-ah-en ich fieng Ratten.
clid hau es wird Wasser geholt, man holt Wasser.
cl'ia ha n en oder cha ha n-ah-en ich holte Wasser.
Schliesslich werden aus einfachen Substantiven, denen der Begriff
einer passiven Verbal thätigkeit ursprünglich fremd ist. mittels desselben
Suffixes Absoluta gebildet, deren Bedeutung zu sein scheint ..sich mit dem
betreffenden Gegenstande beschäftigen''. So haben wir (im Maya):
al das Schwere, die Bürde, das Kind der Frau. — al-anc-ol ge-
bären, al-nah-i sie gebar, bin al-n-ac sie wird gebären,
eel das Ei — eel-anc-al Eier legen, eel-n-ah-i (der Vogel) legte Eier,
cicil das Zitternde, der Puls, cicilnac zitternd, cicil-anc-al zittern.
cicil-?i-en, cicil-n-ah-en oder cicil-anc-ah-e?i ich zitterte.
thon die Kniebeugung, thonocnoc niedergedrückt, traurig, thonancal
sich demüthigen, niedergedrückt, traurig sein.
.\ls letzte Klasse bleiben die Passiva. Die Bildung derselben will
ich im Auschluss an den folgenden Abschnitt besprechen. Hier bemerke
ich nur. dass die Konjugation derselben, d. h. die Bildung von Personen
und von Temporibus, dieselbe ist wie die der Verba absoluta, und dass
die Grundzüge beider Konjugationen vollkommen in das Schema der prä-
dikativen Aussage fallen, dass genau so. wie bei der prädikativen Aussage
das Personalpronomen mit dem Prädikatsnomen verbunden wird, genau
so der al)S(dute aktive oder <ler passive Ver])alstamm mit dem Personal-
2. Das Koiijugationssystoui der Maya- Sprachen. g5
pronomen zur Bildimg der Personen des Yerbums sich verbindet. Da wir
es bei der prädikativen Aussage bestimmt, beim Yerbum passivum mit
grosser Wahrscheinlichkeit mit nominalen Thematen zu thun haben, so
liegt die Yermuthung nahe, dass auch die absoluten Verbalthemata ihrem
Wesen nach nominal aufzufassen sind. — Es scheint mir indes, dass bei
diesem Zurückgehen auf die Grundelemente der Sprache die Unter-
scheidung von Klassen, die für weiter entwickelte Bildungen von grosser
Bedeutung sind, nicht mehr recht anwendbar ist. Und ich begnüge mich
auf die Gleichartigkeit im Verhalten desjenigen, was man im eigentlichsten
Sinne als Verbum bezeichnen darf, mit dem prädikativ konstruirten Komen
hinzuweisen.
Zum Schluss bemerke ich noch, dass dieselben Silben pah, k'ah, chah,
oah, laah, die bei der prädikativen Aussage erwähnt wurden als den Sinn
in bestimmter Weise modifizirende Infixe, in derselben Weise auch für
die eigentlichen Verba absoluta und die Yerba passiva verwendet werden.
So heisst:
cim-il sterben, cim-laah-al dass Alle sterben,
oib das Geschriebene, die Schrift, es wurde geschrieben, oib-laah-i
es wurde allgemein oder von Allen geschrieben.
Diese Silbe Iah ändert auch ihren Platz und wird dann geradezu mit
„Alle"' oder „insgesammt" übersetzt, z. B.:
ul-lah-ob oder Iah ul-ob sie kamen Alle.
II. Das Verbum transitivuin.
Ich habe schon oben gesagt, dass den transitiven Yerbalausdrücken
nominale Themata zu Grunde liegen, denen die Possessiva präfigirt werden.
Es ist nun festzustellen, welcher Natur diese Nominalthemata sind. Suchen
wir behufs dessen nach anderen Fällen, in welchen dieselben Themata
Verwendung finden, so sehen wir, dass eine grosse Zahl dieser Themata,
welche, mit den Possessivpräfixen versehen, transitive Yerbal-
ausdrücke ergeben, durch einfache Verbindung mit den Personal-
pronominibus, nach den Regeln der prädikativen Aussage vor-
genommen, zu passiven Verbalausdrücken werden.
So haben wir im Quiche:
ca nn bah ich durchbohre etwas, qu-in buk icii werde durchbohrt,
im Cakchiquel:
ti ka ya wir geben (setzen) etwas, .K-oh ya wir werden gegeben
(gesetzt),
im Maya:
in tzic-ah ich gehorche Jemandem, hin in tzic-ic ich werde Jemand
gehorchen,
tzic-en mir wurde o-ehorcht.
86 Erster Abschnitt: Sprachliches.
Allerdings macht sich das Yerhältuiss mit volhn- Deutlichkeit imr bei
den wurzelhaften Thematen geltend, und auch bei diesen ist das Bestreben
nicht zu verkennen, neben dieselben andere erweiterte zu setzen, die dann
mit Vorliebe gebraucht werden und ausschliesslich für die Bildung der
transitiven Verbalausdrücke dienen. So haben wir im Qu'iche mit der-
selben oder nur leicht modifizirten, transitiven, aktiven Bedeutung ver-
wendet die Themata:
bak^ bakeh, bakih, bakuh durchbohren,
rab, rabeh, rabih, rabuh auf Fäden reihen,
während zu passiven Ausdrücken neben den Wurzeln noch Erweiterungen
mit -f-ah Verwendung finden. So sagt man :
ban und banatah gemacht werden,
muk und mukutah begraben werden,
oder Erweiterungen mittelst eines dem ebengenannten Suffixe -ah -eh -ih
-oh -uh parallelen Passivsuffixes -ax -ex -ix -ox -ux; z. B.:
Jd'k kaufen, gekauft werden, l&koh lieben, lo'kox geliebt werden.
Im Maya wird das Yerhältniss dadurch verdunkelt, dass einsilbige
vokalisch auslautende Wurzeln bei der Bildung passiver Ausdrücke ein b
einschieben. So heisst:
in oa oder in oa-ali ich gab, oab-en ich wurde gegeben (gesetzt),
und ebenso fügen mehrsilbige Wurzeln im Passiv ein -ab ein:
in cambezah ich unterrichtete '\\\ii^cambez-ab-en ich wurde unterrichtet.
Immerhin kann man sieh der Anschauung nicht verschliessen. dass
den transitiven und den passiven Verbalausdrücken dieselben Nominal-
themata passiver Bedeutung zu Grunde liegen, die zur Bildung der passiven
Ausdrücke nach den Regeln der prädikativen Aussage mit dem Personal-
pronomen verbunden werden, zur Bildung der transitiven Ausdrücke mit
dem Possessivpräfixe versehen werden. Die Mayaphrasen
a cimzah in yum, a oibah\uuh
heissen also eigentlich: „dein Getödteter ist mein Vater'', „dein Ge-
schriebenes ist das Buch". — Ausdrücke, die allerdings dem Sinn nach
vollkommen dasselbe bedeuten wie unser „du hast meinen Vater ge-
tödtet", „du hast das Buch geschrieben".
Dasselbe ergibt die Betrachtung der Objektkonjugation, d.h. der-
jenigen Ausdrücke, welche ein Personalpronomen als Objekt enthalten.
Dieselben werden in den verschiedenen Sprachen verschieden gegeben, je
nach den Regeln, die in der betreffenden Sprache bezüglich der prädika-
tiven Aussage gelten. Immer aber lassen sie sich mit Leichtigkeit nach
diesen Regeln der prädikativen Aussage ableiten, wofern man nur festhält,
dass diese sogenannten transitiven Verbalthemata nichts Anderes sind als
Nomina passiver Bedeutung.
2. üas Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 87
hl denjenigen Sprachen, welche das Personalpronomen suffigiren und
das Subjekt nachstellen, würde nach diesem Gesetz erwartet werden müssen,
dass das Personalpronomen, welches das Objekt eines transitiven Yerbal-
ausdrucks bildet, als Personalpronomen dem Verbalthema suffigirt wird.
So haben wir in der That im Maya:
in cimez eck (eig. „mein Getödteter bist du") = ich habe dich
getödtet,
ijacunah in cah ech (eig. .,mein gegenwärtig oder dauernd (geliebter
bist dir') = ich liebe dich.
Ebenso im Imperativ. Nur dass hier, weil die Aufforderung naturgemäss
und selbstverständlich an den Angeredeten gerichtet ist. das Possessiv-
präfix der zweiten Person weggelassen wird, also:
tzicien oder tzicen [derjenige, dem (von dir) gehorcht werden soll,
bin ich] =' gehorche mir,
tzicion oder tzicön [diejenigen, die (von dir) mit Gehorsam em-
pfangen werden sollen, sind wir] = gehorche uns,
in der dritten Person steht natürlich das Possessivpräfix:
u cavibez en [derjenige, der von ihm unterrichtet werden soll, das
bin ich] = er soll mich unterrichten.
In der Sprache der Ixil-lndianer haben wir dasselbe Gesetz, wie im
Imperativ deutlich erkennbar ist:
atzm-i [es werde gesalzen (von dir)] == salze es,
paa:-i |es werde zerbrochen (von dir)] = zerbrich es.
Nur verlangen in diesen Sprachen häufig BegrifPe ein direktes Objekt,
die wir mit einem indirekten Objekt verbinden, z. B.:
ack-in [mir werde erzählt (von dir)] = erzähle mir, unterrichte n^^ch,
boch-in [ich werde (von dir) mit etwas Eingewickeltem versehen]
= wickele es mir ein,
elza-in [mir werde weggenommen (von dir)] = nimm es mir weg.
Das Ixil hat aber die Eigenthümlichkeit, dass, Avährend transitive
Verbalausdrücke mit einer dritten "Person als Objekt genau der Regel ent-
sprechend und in der Weise des Maya gebildet werden können, z. B.:
nie ung-za chaon ich will essen,
ou oczah vu oczam ich zog mein Kleid an,
transitive Verbalausdrücke mit einem persönlichen Subjekt und einem
Personal])ronomen als Objekt anscheinend nicht gebildet werden, sondern
dafür unpersönliche oder genauer gesagt, possessivpräfixlose Ausdrücke
fintreten, die das Subjekt des transitiven Verbalausdruckes durch demon-
strative Voranstellung des Personalpronomens suppliren, also:
in cat Hon ax ich sah dich,
maax cat Hon in du sahst mich,
uv)ue cat Hon ex er sah euch.
88 Erster Abschnitt: Sprachliches.
Solche Ausdrücke sehen ganz so aus. als wäre, iu der Weise unserer
Sprache, erst das Subjekt, dann eine transitive aktive Verbalfonn. dann
das Objekt gesetzt. Und Stoll erklärt diese Ausdrücke auch so. In
Wahrheit aber fallen auch diese Ausdrücke ganz in den Rahmen unseres
Gesetzes. Wäre nämlich ihm ein aktiver Verbalausdruck, wie Stoll an-
nimmt, so könnte es nur das Yerbum absolutum sein. Denn die Wurzel,
welche transitive Verbalausdrücke liefert, heisst //, das zeigt der Ver-
gleich mit den verwandten Sprachen zur Evidenz; und -n ist ein Suffix,
welches aus solchen Wurzeln absolute objektlose Verben macht. — ein
Fall, der hier natürlich ausgeschlossen ist. In Wahrheit ist i/on ein Parti-
cipium Perfecti. von einem passiven Xomen gebildet, vgl. z. B. l'akchiquel:
han-on getlian. ü-on gesehen, tzet-on gesehen.
Und die oben angefühi'ten Ausdrücke bedeuten :
ich (oder ^was mich betrifft''), der Gesehene warst du == ich sah dich.
du (oder „was dich betrifft"), der Gesehene war ich = du sahst mich.
er (oder „was ihn betrifft"), die Gesehenen wart ihr = er sah euch.
Gehen wir nun zu den Sprachen über, welche iu der prädikativen
Aussage das Personalpronomen präfigiren. so müssteu wir. unserm Gesetz
gemäss, hier das Personalpronomen, welches das Objekt eines transitiven
Verbalausdruckes bildet, ebenfalls als Personalpronomen dem mit Possessiv-
präfix versehenen Verbalausdruck präfigirt vorfinden. So ist es in der
That. und es ist nur zu notiren. dass wo die transitiven und die neuti-o-
passiven Verbalausdrücke verschiedene Tempuspräfixe haben, die mit dem
Personalobjekt versehenen transitiven Verbalausdrücke dieselben Tempus-
präfixe erhalten wie die Xeutropassiva — zum deutlichen Zeichen, dass
die*Objektkoujugation ganz in den Rahmen der prädikativen Aussage
(mit dem Objekt unseres Transitivums als Subjekt) fällt.
So haben wir im Qu'iche:
ca ka lok-oh wir lieben (V. trans.). qu-i lo'k-oh ihr liebt (V. trans.).
k-oh lok-ox wir werden geliebt. qui-x lo'k-oh ihr werdet geliebt.
qu'ir ka lo'koh (eig. „ihr seid die von uns Geliebten"! = wir lieben
euch.
k-oh i lo'k-oh (eig. „wir sind die von euch Geliebten") = ihr
liebt uns.
Ebenso im Cakchiquel:
ti ka tz'et wir sehen (V. trans.). t-i tzet ihr seht (V. trans.).
k-oh tz'et wir werden gesehen. qwLv tzet ihr werdet gesehen.
qu-ir ka tzet (eig. ..ihr seid die von uns Gesehenen") = wir sehen
euch.
k-oh i tz'et (eivr- ..wir sind die von euch Gesehenen") = ihr
seht uns.
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 89
Die gleiche Konstruktion liaben wir auch im Pokoniani:
qu-in a lo'koh (eig. „ich bin der von dir Geliebte'') - du liebst mich,
.i'-in a lo'koh (eig. „ich war der von dir Geliebte'') = du liebtest
mich.
Die Maya-Sprachen besitzen also transitive aktive Verben
in unserem Sinne nicht.
Sie kennen nur Nomina und absolute Verba, die einen Zustand des
Seins, eine Eigenschaft oder eine Thätigkeit bezeichnen, die als Prädikate
zu einem Personalpronomen oder einer dritten Person als Subjekt kon-
struirt w^orden, aber kein direktes Objekt zu sich nehmen können.
Die Beziehung einer Thätigkeit auf ein Objekt wird entweder durch
besondere Yerhältoisswörter (Nomina oder Partikeln), die unseren Prä-
positionen entsprechen, gegeben. Z. B. Maya:
Tnan-en t-u cah-al ich habe sein Dorf passirt.
Und dabei können allerdings Ausdrücke zu Stande kommen, die voll-
ständig unsere transitiven Konstruktionen wiedergeben, z. B. Qu'iche:
Tiow .i'-banou rech cah uleu (eig. „Gott übte Thätigkeit aus in
Bezug auf Himmel und Erde") = Gott schuf Himmel und Erde.
Hier ist banou ein Yerbuni absolutum, und r-ech eig. „sein Besitz",
d. h. „für ihn", „mit Rücksicht auf sie", „im Hinblick auf sie".
Oder aber es treten, zur Wiedergabe unserer transitiven ol»jekt-
begleiteten Yerbalausdrücke, Nomiualthemata passiver Bedeutung ein, die
in der o]»en besprochenen Weise durch das Possessivpräfix, das ihnen an-
gefügt wird, denjenigen bezeichnen, von dem die Thätigkeit ausgeht (das
Subjekt unseres transitiven Ausdrucks), durch das nach den Regeln der
prädikativen Aussage als Subjekt zu ihnen konstruirte Personalpronomen
(oder Nomen substantivum) dagegen denjenigen, im Hinblick auf welchen
die Thätigkeit ausgeübt wird (d. h. das Objekt unseres transitiven Aus-
drucks).
Dementsprechend ist auch die Wortfolge nicht so, wie wir das in
unseren Sprachen gewohnt sind: I.Subjekt, '2. Verbum, S.Objekt. Sondern
es steht in denjenigen Sprachen, welche das Personalpronomen (das Su])jekt
der prädikativen Aussage) suffigiren, erst der mit dem Possessivpräfix
versehene Yerbalausdruck, unmittelbar darnach das Objekt und dann das
Subjekt unseres transitiven Yerbalausdrucks, falls dasselbe nämlich noch
durch ein besonderes Nomen substantivum oder Pronomen bezeichnet ist.
Also im Maya:
in cimez ech ich halje dich getödtet,
ü cambezah Juan Pedro Peter hat den Johann gelehrt,
kin tun ijaabü-e u kinil u tocic u col uinic
die Zeit (kinü)^ wo der Mensch (uinic) seine Pflanzung (col)
verbrennt (toc) ist der Sommer.
90 Erster Abschnitt: Sprachliches.
AVo anschoinend Abweiohmigen von dieser Regel vorliegen, da haben
wir es sicher mit Relativsätzen zu thiin. wie in dem o1)en schon berührten
Fall der Verbalformen auf -ic und -ci:
Pedro cambezic Juan, Pedro cambezci Juan
Peter lehrt den Johann, Peter lehrte den Johann,
die aber in Wahrheit bedeuten: „derjenige welcher Johann lehrt, ist
Peter" — „derjenige, welcher Johann gelehrt hat (von welchem Johann
gelehrt worden ist;, ist Peter" — oder wenn wir in der Chronik des
Nakuk Pech lesen:
lae Lvkakuk kaba u Ja in ijum Hob die Ixkakiik genannte gab mein
Vater ihnen.
In denjenigen Sprachen, welche das Personalpronomen (das Subjekt
der prädikativen Aussage) präfigireu. steht erst das Objekt imseres tran-
sitiven Verbalausdrucks, dann das mit dem Possessivpräfix versehene
Verbalthema. So mit voller Deutlichkeit in den oben angeführten Bei-
spielen der Objektkonjugation und auch in den ohne Tempuspräfix mit
dem Participium Perfecti gebildeten Ausdrücken. Cakchiquel:
jjin a tz'et-on (eig. „ich bin dein Gesehener") = du hattest mich
gesehen.
AVo das Subjekt oder Objekt unseres transitiven Ausdrucks ausserdem
noch durch ein besonderes Xomen sübstautivum oder Pronomen ausge-
drückt wird, steht dies, sei es ein Subjekt oder Objekt, in der Regel nach,
z. B. Cakchiquel:
qu-i ru-lo'koh Padre (ich bin der von ihm Geliebte, von dem Pater)
= der Pater lielit mich.
Es kommen Fälle vor. wo dieses ausdrücklich angegebene Subjekt
vorangestellt werden muss oder vorangestellt wird. Dann hat aber, nach
der Grammatik, statt des Transitivum die absolute Verbalform einzu-
treten — unter Beibehaltung übrigens des vorangestellten und durch ein
Personalpronomen bezeichneten Objekts, also:
nak x-at ban-o wer machte dich? Dios x-i bano Gott machte mich,
Pedro x-oli camiz-an Peter tödtete uns.
Diese Formen sind sehr merkwürdig und scheinen einem das Konzept
vollständig zu verrücken.
Ich meine aber, dass sie ähnlich wie die Maya-Formen auf -ic parti-
zipia] zu fassen sind, und zwar in dem Sinne:
wer ist der. durch den du gemacht worden bist? Gott ist der. durch
den ich gemacht worden bin.
Peter ist der, durch den wir getödtet worden sind.
Nur auf diese Weise nämlich lässt sich erklären, wie dieselben
Formen, die in den obigen beiden Beispielen anscheinend die Rolle eines
Verbum transitivum spielen, sonst ganz allgemein als Verba absoluta
gelten. Lässt man in den obigen partizipialen Ausdrücken die Subjekte
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 91
weg, oder vielmehr setzt man an «loren Stelle ein unbestimmtes Subjekt,
so erhält man:
nak X- bano (wer ist der, durcli den etwas gemacht wurde) = wer
machte, wer schuf?
Dios X- bano (Gott ist der, durch den etwas gemacht wurde) = Gott
maclite, Gott schuf.
Pedro a;- camizan (Peter ist der, durch den etwas getödtet wurde)
= Peter tödtete.
Und solche Beispiele sprechen allerdings sehr stark dafür, dass
auch die Yerba absoluta, wie oben schon angedeutet wurde, nominal zu
fassen sind.
Was nun die besprochenen, zur Wiedergabe unserer transitiven Yerbal-
ausdrücke dienenden passiven Nominalstämme betrifft, so sind dieselben
theils ursprüngliche theils abgeleitete. Die ursprünglichen sind, wie
die wurzelhaften Yerba absoluta, Monosyllaba, in denen alle fünf Haupt-
vokale vertreten sind, z. B. Maya:
tal berührt werden,
cliet gedreht werden,
oib geschrieben,
mol gesammelt,
clmc gelockert.
Mit dem Nominalsuffix -ü versehen, finden wir diese Wurzeln auch
in ihrer ursprünglichen Bedeutung in den Lexicis angegeben:
cimc-il — „/o aflojado''\
während sie für sich allein, wegen ihrer Yerwendung zur Wiedergabe
unserer transitiven Yerbalausdrücke gewöhnlich direkt mit einem Yerbum
transitivum übersetzt werden:
cliuc^ cliucali — ^,aflo}ar lo tirante ö estirado''^.
Yon den abgeleiteten Stämmen haben wir oben schon die Er-
weiterungen der ursprünglich passiven Stämme mittelst des Suffixes -ah
-eh -ih -oh -uh besprochen. Das eben daselbst erwähnte Suffix -ax -ex
-ix -ox -ux ist unserer Auffassung nach nicht nur eine parallele, sondern
eine homologe Bildung. Und beide sind eingeführt, um die beiden Be-
deutungen, die in der ursprünglichen Wurzel neben einander liegen, bezw.
die beiden Yerwendungen, welche der Begriff der ursprünglichen Wurzel
gestattet, zu scheiden.
Dieselben Suffixe werden indes auch verwandt, um ans neutralen
Thematen (Substantiven) zur Bildung transitiver Yerbalausdrücke ver-
wendbare passive Nominalstämme zu schaffen. So im Qu'iche:
ya Wasser {ijaar zu Wasser werden), ca nu ya-ah ich bewässere es,
(ttzam Salz (atzamir zu Salz werden), ca v-atzamih ich salze es,
akal Kohle (a'A'a(!^«■ zu Kohle werden}, ca o-akalnh ich verkohle es.
92 Erster Abschnitt: Sprachliches.
Im Maya fehlt das Suffix -ax -ex -ix -ox -ux, und das erstere Suffix
ist mu- in iler Form -ah vorhaiuleu. Es wird auch nur in dem erzählenden
Tempus (dem Haupttempus) gesetzt, und fehlt auch da Idsweilen. Z. B. finden
wir in der Chronik des Xakuk Pech dicht hintereinander:
lae Ixkakuk kaha u Ja in t/iim tiob die Ixkakuk genannte, mein
Vater galt sie ihnen.
lai u kaba dclniplal u Ja/i tiob das so genannte Mädchen gab er
ihnen.
Ableitung von nominalen Thematen mittelst des einfachen Suffixes -ah
ist selten, doch kommt sie vor. z. B. von dem Infinitiv tzacal des absoluten
Verburas tzac „suchen" finden wir in der Chronik des Xakuk Pech die
Form gebildet:
ca ix u tzacl-ah-ob u Cliiclien Ytza und sie suchten die Stadt
Chichen Ytza.
Häufig ist dagegen diese Ableitung unter Hinzufügung der Silben -en
(-in), cun (ein), encun. Z. B.:
yaab viel (^yaab-hi es wurde viel), in yaab-cun-ah ich verviel-
fältigte es.
ku Heiligthum, Tempel, (jcuijenhi er wurde heilig), in kuyencunah
ich heiligte es.
cul Baumstumpf. Sitz, {culhi er setzte sich, wurde gesetzt), in culcinah
ich setzte fest, setzte ein.
Allen Sprachen gemeinsam ist die Verwendung passiver, zur Wieder-
gabe transitiver Ausdrücke verwendbarer Themata mittelst der Konsonanten
i und z.
Zunächst haben wir im Tzeltal als gewöhnliche Ableitungssilbe der
passiven Verbalstämme die Silbe ot, z. B.:
paz machen, paz-ot gemacht werden.
Im Maya werden mit t-ah Kompulsive gebildet, z. B.:
alcab Eile (alcab-n-i oder aJcab-n-ah-i er eilte), in alcab-tah ich
machte ihn laufen.
chuuc Kohle {chuuc-hi er wurde zu Kohle), in chuuc-tah ich ver-
kohlte es.
e.anan Hut. Schutz ycananni oder canannahi er war Hüterj, in
canantah ich hütete es.
Im Qu'iche und Cakchiquel werden diese Themata in prädikativer
Weise konstruirt zur Bildung passiver Verbalausdrücke:
mah wegnehmen, mahtah weggenommen werden.
il sehen, üitah gesehen werden.
muk begraben, mukutah begraben werden.
Doch kommt auch Verwendung derselben zur Bildung ti'ansitiver
Verbalausdrücke vor. Brasseur führt diese Fälle in einem besonderen
Kapitel unter Ueberschrift Verba deponentia auf.
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 93
Er nennt hier u. A. :
mez fegen, wischen — meztah etwas weg^wischen, vergessen,
caz leben — caztah beleben,
wie man sieht, sind das Ableitungen nicht von transitiven (d. h. zur
Wiedergabe transitiver Yerbalausdrücke verwendeten), sondern von in-
transitiven, absoluten Thematen. Verwendet werden dieselben aber sowohl
zur Bildung von passiven Ausdrücken, wie zu der von transitiven Verbal-
ausdrücken, z. B.:
w caztah u vach sein Gesicht wurde belebt,
X u caztah r-ib er belebte sich, er wurde wieder lebendig.
Noch häufiger ist die Ableitung solcher Themata mittelst des Kon-
sonanten z. Z. B. im Maya:
cim sterben — cimzah tödten,
hin gehen, ul kommen, tal ankommen — binzuh, uJzah, ialzah
bringen.
oc eintreten — oczah hineinbringen (z. B. den Samen in die Erdej.
aak frisch, grün, feucht — aakezah, akzah befeuchten, bepissen.
Ebenso im Qu'iche und Cakchiquel:
cam, sterben — camizah tödten,
oc eintreten — oquezah^ oquizah hineinbringen,
el herauskommen — elezali lierausbringen.
Bei vokalisch oder mit r auslautender Wurzel hier unter Einschiebung-
eines /.'
pe kommen — petizah bringen,
var schlafen — vartizah einschläfern.
Auch von abgeleiteten Yerbis absolutis gebildet:
nimar gross werden, wachsen — niviarizah erhöhen, mit Stolz
erfüllen,
poklahir zu Staub werden — poklahirizah zu Staub reduzireu.
Im Maya findet auch hier wieder Kinschiebung der Silben /n und cun
statt, z. B. :
al der Sohn der Frau — alintah Jemand als Sohn gebären,
aak frisch, grün, feucht — aakcuntah, aakcunzah anfeuchten, be-
sprengen,
alcab Eile — alcahantzah Jemand eilen machen.
Das Tnfix-/aa wird in derselben Weise, wie bei den Verbis absolutis
angewendet, um zu bezeichnen, dass etwas allgemein oder vollständig
gemacht wird.
oib das (Jeschriebene, die Schrift — .nh-laa-ni-ah Alles der Keihe
nach aufschreiben.
94 Erster Abschnitt: Sprachliches.
III. Tempusbildung.
M ir siml von den uns geläufigen Sprachen her gewöhnt, die Tenipus-
dittereuz als etwas; Wesentliches bei dem Yerbuni anzusehen. Doch schon
die genauere Betrachtung des indogermanischen A'erbum zeigt, dass die
Grundform des Yerbum durch das unbestimmte Tempus, den Aorist, dar-
gestellt wird. Die zeitliche Differenzirung ist etwas Akzessorisches und
kommt durch verschiedenartige Erweiterung der Stämme (vgl. die neben
der Wurzelklasse aufgeführten acht Klassen der Präseusstämme des
Sanskrit) oder Kompositionen mit anderen Stämmen zu Stande.
Dasselbe sehen wir im indianischen Yerbum. Das Yerbum ist seinem
Wesen nach zeitlos. Eine Zeitdiffereuz kommt durch verschiedene Par-
tikeln oder durch Yerbinduug mit anderen Yerben zu Stande, spielt aber
bei Weitem nicht die Rolle in der Sprache, die man nach den ausge-
führten Konjugationsschematen der verschiedenen geistlichen Grammatiken
vermuthen sollte. Und weil die Tempusdifferenz etwas Unwesentliches
und Akzessorisches ist, darum finden wir auch gerade in der Tempus-
bildung die grössten Yerschiedenheiten zwischen sonst ihrem Wesen nach
eng verwandten Sprachen.
In den Maya-Sprachen kann man. in Bezug auf Tempusbildung, einen
Unterschied machen zwischen der einfachen prädikativen Aussage einer-
seits und dem Yerbum absolutum oder passivuni und der sogenannten
transitiven Yerbalkonstruktiou andererseits.
Die einfache prädikative Aussage ist ihrem Wesen nach Präsens (oder
Aorist). Wenn sich ein Bedürfniss für zeitliche Differenzirung einstellt,
so macht sich dies geltend für das Präteritum und das Futur.
Ich habe schon erwähnt, dass im Maya im Präteritum und, bei
vokalisch auslautendem Thema, auch im Futur, statt des einfachen Themas
ein durch den Konsonanten h erweitertes Thema eintritt, welchem das
präteritale / und das im Futur der absoluten Konjugation verwendete
Suffix -ac angefügt werden.
hay en oder ben ich bin so wie . . .
bay hl en oder bay hen ich war so wie . . .
bay ac en ich werde so sein wie . . .
Das Qu'iche und Cakchiquel helfen sich für das Präteritum durch ver-
schiedene Partikeln, oder es wird die dem Personalpronomen präfigirte
Partikel x gesetzt, die auch beim Yerbum absolutum und passivimi Ver-
wendung findet; dann muss aber ein eine adverbielle Bestimmung ent-
haltender Satz nachfolgen, z. B. Cakchiquel:
xin utz vi mahaniok cat ul ich war gut, ehe du kamst.
Das Futurum wird in diesen Sprachen gern mit Zuhilfenahme des
Zeitworts ux „geschehen, werden, sein," gegeben, z. B. Cakchiquel:
in utz ,v qu-in tu; ich werde gut sein
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 95
und im Popol-Vuli:
xavi varal ka hitijubal. ka ta^kahal ch-u.nc hier fürwahr werden
unsere Berge, unsere Kbenen sein.
üer einfachen prädikativen Aussage reihen sich auch die oben be-
sprochenen verschiedenen Verba an, welche „an einem bestimmten Orte sein
oder sich befinden" bedeuten, in sofern nämlich auch bei ihnen (h-r ein-
fache mit dem Personalpronomen verbundene Stamm, ohne weitere Be-
stimnmng, präsentische oder aoristische Bedeutung hat. 80 im Qu'iche
und Cakchi{(uel:
in CO. at c'o, are co ich bin, du bist, er ist,
in VnV, at ud\ are ux, dasselbe.
Desgleichen einige andere, viel gebrauchte Zeitwörter. Im Ixil:
7nat-in icli gehe,
ben-o wir gehen.
Die Maya-Wörter ohel, nah und kati, die mit den Possessivpräfixen
verbunden und in präsentischer Weise gebraucht werden, das erstere im
Sinne von „ich weiss, du weisst u. s. w.", die letzten beiden im Sinne von
„ich will, ich wünsche u. s. w."- — sind sicher nichts als Nomina, die als
Ergänzung ein Gerundium, einen Infinitiv oder abhängigen Satz zu sich
nehmen.
Bei den übrigen Verbalausdrücken werden die Tempora durch be-
stimmte, präfigirte Partikeln unterschieden, die sich am vollständigsten im
Quiche und in den verwandten Dialekten entwickelt haben.
Sie sind zum Theil etwas abweichend in den verschiedenen Personen
und sind auch hier und da andere in der absoluten und passiven Konju-
gation, als bei den transitiven Yerbalausdrücken. Ich führe daher hier
vollständige Paradigmen auf:^)
(Siehe die Uebersicht auf Seite 9ß und 97.)
Die hier zusammengestellten Präfixe stehen - — das ist unstreitig —
in einer gewissen Yerwandtschaftsbeziehimg zu einander und ich meine,
dass man ihnen einen demonstrativen Charakter zuschreiben muss, dass
man sie als Partikeln betrachten muss, die eine gewisse Aktualität der
Handlung bezeichnen, die aber mit einer Tempusdifferenz ursprünglicli
nichts zu thun haben und nur durch den Usus in der und der bestimmten
Sprache für das und das bestimmte Tempus sich festgesetzt haben.
Fangen wir mit dem Präsens des Yerbum transitivum des Cakchiquel
an, 80 haben wir dies i (tej schon oben als Demonstrativpartikel in Ver-
bindung mit dem Personalpronomen des Maya erwähnt:
ten ich bin der = ich, teech du, toon wir.
1) [Die Uebersicht, die in der Originalabhandlung gegeben war, ist hier durch
eine etwas erweiterte und anders geordnete ersetzt].
m
U6
Erster Abschnitt: Sprachliches.
1
Cakchiquel
Cakchiquel
Qu'icht
und
Zaca-
Kekchi
Tz'utuhil
tepequez
'
A.
Ver
bum neutropassi vuni
(effectivura)
(durans)
Präsens.
1.
Sin 11-.
c
c
ng
t
n
(ett'ectivura
2.
^
c
c
ng
t
nie
und durans)
3.
„
ca
ti
nd
ta
na
1.
Plur.
k
k
nk
t
nie
o
..
c
c
ng
f
nie
3.
c
c
ng
t
nie
Präteritum.
1.
Sing-.
.V
X
X
X
2.
•.,
•f
X
X
X
3.
,.
^v
X
X
X
1.
Plur.
X
X
X
X
•)
X
X
X
,/•
3.
„
X
X
X
X
Futurum.
1.
Sing-.
XC, i
XC
XC
ch
2.
„
,rc, c
XC
XC
ch
3.
„
xch,
ch
xt
xt
chi
1.
Plur.
xk, k
xk
xk
ch
2.
.,
XC, i
XC
XC
ch
3.
XC, c
XC
XC
ch
B. V
erb
um transitivum.
Präsens.
1.
Sing.
ca
ti
ni
t, ta
w, 7ia
(etfectivum
0
c
t
nd
t
nie, n
und durans)
3.
c
t
nd
ti, ta
na
1.
Plur.
ca
ti
ndi
to, ta
na
2.
„
c
t
nd
t
nie
3.
„
ca
ti
ndi
t
nie
Präteritum.
1.
Sing.
xi
X
xi
X
xi
X
qui
c
3.
,,
X
X
X
qui
1.
Plur.
X
X
.(•
qui
■>
-
X
X
X
c
3.
„
X
X
X
c
Futurum.
1.
Sing.
.ichi
, chi
xti
xti
ch
2.
»
xch^
ch
xt
xt
ch
li.
xch,
ch
xt
xt
chi
1.
Plur.
xchi,
. chi
xti
xti
cha
•)^
11
xch.
ch
xt
xt
ch
3.
n
.icht\
chi
xti
xti
ch
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 97
Poko-
Pokonchi Ixil Mam Zo'tzil Tzeltal Maya
mam
A. Verbiim neutropassivum.
(effectivum) (darans)
c in c 71-, nie tzum ch x
ti in n, nie tzum x
in in in w, nie tzum x
k in e w, nie tzum k x
ti in n tzum eh x
qiii in c, t w, nie tzum eh x
X . X
X
cat — n h]
ix cat — • n
ix cat — [cl
tx
X X cat — n
X ix cat — n
xi X Cat —
cac xc la ch, xch
e'a ti la (tz), xtz
c'a in la (tz;, xtz
c a k la k, ixk
Ca ti la ch, ixeh
e'a qui la eh, ixch
B. Verbum transitivum.
in
in
W, ',
nie
tzum
in
n
n, nie
tzum
in
in
n, nie
tzum
in
in
n, ',
nie
tzum
in
n
n
tzum
in
in
ix
n,
cat
nie
tzum
X
cat
u
ix
cat
u
ix
cat
u
X
cat
u
ix
cat
u
ra
la,
la,
la,
la,
la,
la,
tue
tue
tue
tue
tue
tue
IX
X
X, ix
X
ix, X
e'a
c a ch
c a ch, e\i chi
ca
ca eh
ca
Seier, Gesammelte Abhandlungeu 1.
h
ya
X
yaea
ya
h
ya
X
yaea
ya
ih, ilah
Iah
Iah
l. Iah
i, ila
la
ih, ilah
Iah
Iah
l. Iah
i, ila
la
9}^ Erster Abschnitt: Sprachliches.
Im Maya haben wir ausserdem die Ausdrücke te, tee, iei, feet „hier".
fi ^dort" und t, ti, tu, wehdiem Ixil f, iu und z, Quiche. Cakchiquel chi
eutspricht, als Verhältnisspartikel (Präposition) den Ort. die Richtung,
den Zweck und das Mittel bezeichnend, imd aueii // als Konjunktion im
Sinne von ..während, als" z. B. in der Chronik des Nakuk Pech.
ti yanob chuchi ca binon eil ob während sie dort waren, da gingen
wir sie zu sehen.
In der obigen Liste erscheint das i nicht nur als Präfix des Präsens
des Cakchiquel Yerbum transitivum, sondern auch als Bestandtheil des
Futurpräfixes desselben Yerbums, sowie im Futur des Qu"iche, denn ch
und i sind nahe verwandte Laute, ferner in der o. Pers. Sing, des Präsens
des Verb um ueutropassivum des Cakchiquel und als Bestandtheil des Futur-
präfixes derselben Person im Cakchiquel und im Qu'iche. [Endlich auch
im Präsens und Futur des Kekchi und einzelner Personen des Pokomam,
Pokonchi und des Mam]. Das n des Präsens [durans] des Pokomam,
Pokonchi [imd des Kekchi] dürfen wir wohl als lautliche Modifikation des t
auffassen, wozu die Zwischenstufe gegeben ist durch das ndi, welches
St oll für das Präsens des Cakchiquel von S. Juan Zacatepequez angibt.
Schliesslich wird auch im Präteritum (Aorist) des Maya-Yerbum absolutuni
in der ersten Person Singularis, zwar nicht regelmässig, aber bei einer
gewissen Anzahl von Yerben ein i präfigirt:
t lub-en ich fiel, t hao-en ich wurde geprügelt,
wie der Grammatiker Bei trän bemerkt. ..der Zierlichkeit und des besseren
Yerständnisses halber, damit sich die Form vom Imperativ (luben) unter-
scheide."- ')
Die Demonstrativ- Partikel ii hat ihre Parallele in der Partikel ca,
von Lucien Adam als Partikel der Aktualität bezeichnet. Allerdings
wird die letztere Partikel im Maya ziemlich ausschliesslich in relativem
Sinne gebraucht, doch thut dies der ursprünglichen Bedeutung derselben
als Demonstrativ keinen Abbruch, denn es fangiren in den Maya-Sprachen
allgemein die Demonstrativa als Relativa. Wir finden die Partikel ca als
Konjunktion in ausgedehntem Gebrauch und zwar in demselben Sinne,
wie oben das Beispiel für ti gegeben ist.
Den Kompositionen:
ten, tech^ toon, teejc,
entsprechen die Kompositionen:
cen^ cech, coon, cee.i\
nur dass sie nicht für sich allein in Hauptsätzen stehen, sondern als Relativa.
1) [Vgl. auch t pay hi a etez he ti oulob,
„ich wurde gerufen, den Spaniern den Weg zu zeigen",
/ htJi in in cimez uaca.r,
..ich gieng Rinder schlachten". (Bei trän, p. o3)j.
2. Das Konjugation§system der May a- Sprachen. 99
So tindeii wir in dem alten Confiteor Deo, dessen Abfassun»^' von Beitran
dem Fr. Jnan Coronel zugeschrieben wird:
ten, cen, ahzipil ich, der ich ein Sünder bin.
und in der Chronik des Nakuk Pecli:
ten^ cen in Nahik Pech ich, der ich hier bin, ich Nakuk Pech.
Auch in der obigen Tabelle sehen wir das ca eine gleiche Rolle
spielen wie das ti. Im Präsens des Verbum transitivum hat das Cakchiquel
und das Tz'utuhil das Präfix ii, das nahe verwandte Qu'iche das Präfix
ca. Im Präsens des Verbum neutropassivum haben beide Sprachen ca,
und in der dritten Person Singularis hat Cakchiquel wieder ti, wo Qu'iche
ebenfalls ca aufweist. Der zweite Bestandtheil des Futurpräfixes entspricht
wieder genau dem Präfix des Präsens, nur dass das Qu'iche sich hier dem
Cakchiquel accommodirt und in der dritten Person Singularis auch ein ch
statt des c enthält. Und wenn wir in der ersten Person des Maya-Präte-
ritum, zwar nicht allgemein, aber doch sehr häufig ein t präfigirt fanden,
so finden sich in der dritten Person Formen, die mit grosser Regel-
mässigkeit ein c präfigirt haben, z. B. die Form:
c-uch-%
die in den Wörterbüchern und Grammatiken als Adverbium aufgeführt ist,
mit der Bedeutung „ehemals, vormals''' und in dem Konjugationsschema
der Grammatiken zur Bildung des Tempus imperfectum dient, die aber in
Wahrheit nichts Anderes ist, als das Präteritum des Verbum uch-ul „ge-
schehen, werden, sein."
Beiläufig erwähne \c%, dass die Vokale i und a nicht ausschliesslich
in der Weise an t und c geknüpft sind, wie es in den obigen Beispielen
und in den Verbalpräfixen erscheint. Umgekehrt finden wir im Qu'iche
und C^akchiquel ia ganz im Sinne der Maya-Konjunktion ca gebraucht und
im Maya finden wir ci in gerundivischen Konstruktionen, z. B.:^^
hal ci au oktic was ist das, was du beweinst?
wo Quiche und Cakchiquel chi verwenden.
Sind nun aber // (chi, ni) und ca gleichberechtigte Partikeln, von
denen nur die eine von dieser, die andere von jener Sprache mehr bevor-
zugt werden, so werden wir auch in dem nie und cat des Ixil nichts Anderes
sehen können als Kompositionen dieser beiden Partikeln in umgekehrter
Reihenfolge, von denen die eine für das Präsens, die andere für das
Präteritum ausschliesslich in Gebrauch gekommen ist, indem aus dem
gleichen ursprünglichen Sinn der Aktualität, die eine zum Begriffe des
„jetzt'', die andere zu dem des „vormals" sich entwickelt hat.
Dürfen wir aber weder dem // noch dem ca eine ursprüngliche präsen-
tische Bedeutung beimessen, so liegt dieselbe Vermuthung nahe für das x,
<his wir als Präteritalpräfix sowohl im Qu'iche-Cakchiquel, wie im Pokomam
antreffen. Und wir werden uns dann nicht weiter wundern, dass wir den-
selben Laut in denselben Sprachen auch als Bestandtheil des Futurpräfixes
lOQ Erster Abschnitt: Sprachliches.
antreffen. Es fragt sich nun. was für oine Bedeutung wir diesem Präfix
beilegen müssen, bezw. ob wir ihm eine ähnliche beilegen dürfen, wie
den schon behandelten Präfixen.
Ich schicke voraus, dass mich verschiedene Erscheinungen vermuthen
lassen, dass in den Mava-Sprachen die Laute h und x vikarirend auftreten.
So musste ich oben das Suffix -ax -ex -ix -ox -ux, welches im (juiche und
Cakchiquel Themata für passive Verltalkonstruktionen liefert, gleich-
berechtigt ansehen dem -ah -eh -ih -oh -uh, ein Suffix, das in denjenigen
Thematen erscheint, welche das Substrat transitiver Verbalausdrücke bilden.
Und für die analoge passivbildende Kraft des h und x führe ich noch die
beiden folgenden Beispiele an. Das Pokomani:
/m zach ich verzeihe Jemandem. qn-i7i zach-hi mir wurde verziehen,
uutl Ixil:
n-uny-ban ich mache etwas, cat ban-.n in ich wurde (gesund)
gemacht.
Die Maya-Partikel ixmä, xmd ..ohne" liat liedenkliche Aehnlichkeit
mit hmä in Ausdrücken wie:
hna bat hin ein Geistlicher ohne AVissenschaft. ein ungelehrter
Geistlicher.
hma pet zuz ein Ungeschorener, ein Laienliruder ohne Glatze.
Und so bin ich nicht abgeneigt, die Geschlechtspräfixe ah- tmd ix- im
Sinne von ..der" und ..die" zu parallelisiren. — Lautlich ist ja ein solcher
Uebergang durchaus nicht unerhört. Es ist eine bekannte Thatsache. dass
das heutige spanische Jota sich aus einem dem englischen sh entsprechenden
palatalen Zischlaut entwickelt hat.
Um nun zu der Frage zurückzukehren, die uns hier augenblicklich
beschäftigt, so haben wir xa oder xi unter den eigentlichen Demonstra-
tiven bisher noch nicht angetroffen. Wohl aber ist ha ein bekanntes
Demonstrativ im Tzeltal und im Qu'iche und Cakchiquel.
Aber, irre ich nicht, so finden wir auch xa selbst im Qu'iche und
Cakchiquel in ausgedehnter Weise iu einem Sinne gebraucht, den war
nicht anders als einen demonstrativen bezeichnen können. Es ist dies
das xa, welches in deu ^Yörterbüchern gewöhnlich mit ..nur" ..allein"
übersetzt wird, das aber eigentlich weiter nichts als die Rolle einer Be-
kräftigungspartikel spielt. So im Popol Yuh. wo Hunahpu und Xbalanque
erklären :
viAi habt ka bi, .ca oh ub-om aa pu oh tzavab-om pa tak huyub,
wir haben keinen Xamen. wir jagen nur mit dem Blasrohr auf
den Bergen,
xa oh vi^ba^ ma habt nakila ech^ at c aJwl,
wir sind Waisen, wir haben kein Eigenthum, o Jüngling. .
xa chuti huyvJ) .va nivia huyub koh bec\ at c ahoL
die kleinen und die grossen Berge durchstreifen wir, o Jüngling.
2. Das Konjugatioiissystem der Maya- Sprachen. 101
In Komposition haben wir xax und xavi, die i^ewöhnlicli mit „derselhe-'
iil)ersetzt werden:
.rax in vi, .vavi in vi icli hin derselbe, fürwiilir ich hin der,
lind (lies xavi wird ganz parallel dem mavi gebraucht, ersteres positive,
letzteres neg-ative Sätze einleitend.
Also, um kurz m(une Meinung zu sagen, ich halt(> das x, »bis als
Verbalprätix in der obigen Tabelle erscheint, für nichts Anderes als die
Bekräftigungspartikel xa, die im Qu'iche und Cakchiquel, an Stelle des
im Maya gebräuchlichen ca, mit Vorliebe in der Erzählung gebraucht
ward und daher sicli in diesen Sprachen mit dem vorwiegend erzählenden
Tem])us, dem Präteritum, verband.
Dass nun in diesen Spraclien, von den verschiedenen Demonstrativen
und Bekräftigungspartikeln, ca und ii für das Präsens, x für das Präteritum,
und (Mue Kombination von x mit ca und ii für das Futur in Aufnahme
kam — ebenso wie im Ixil zwei verschiedene Kombinationen von ca und
// für das Präsens und das Präteritum gebräuchlich wurden — , erklärt
sich leicht aus dem Differenzirungstrieb. der in jeder sich entwickelnden
Sprache sich Geltung verschafft.
Für die Futuvbildung des Ixil gibt Stell zwei Formen an, die eine
mittels des Präfixes /a. Es liegt nahe, hier an die Maya-Partikel /ay, le,
die ein entfernteres Demonstrativ darstellt, zu denken und zu ül)ersetzen:
la k'ahan-in („dann betrinke ich mich'') = ich werde mich be-
ti'inken.
In dem kurzen Abriss der Pokomam-Grammatik, welche Thomas Gage
der Erzählung seiner Reiseergebnisse anfügt, finde ich die Futurform:
qu-in ra a-lo^koh du wirst mich lieben.
Ich glaube in dem ra, das hier neben der Aktualitätspartikel c ge-
braucht wird, dasselbe Demonstrativ wieder zu erkennen.
Eine zweite Futurform wird im Ixil nach Stell mittelst der Partikel
iuc gebildet. Stell l^ringt diese in Verbindung mit der Konjunktion iuc,
welche im Sinne von „und'' gebraucht wird, und erklärt beide aus dem
Possessivpräfix der dritten Person in Verbindung mit dem Verhältnisswort
uc, welches dem Qu'iche u'c, Cakchiquel i'quin, üspanteca i'quil, d. h. also
dem Maya icnal „mit'' entspräche. Die Nebeneinanderstellung des Ixil-
iiud des (ju'iche-Ausdruckes für die Zahl 101:
o'calal tue ung-vual,
o'cal ru'c hun,
spricht ja auch sehr für diese Erklärung der Konjunktion tue. Wenn
wir aber Futurformen finden, wie:
in tue ban-un^i
so erscheint es doch richtiger, das tue des Futurs mit den obigen Demon-
strativen t und c in A^erbindung zu bringen und auch hier zu übersetzen:
„mein dann Thun" = „ich werde thun'\
IQ-J Erster Abschnitt: Sprachliches.
Es bleiben iiiiu noch die Tempusformen des Maya zu besprechen.
Das Maya unterscheidet sich von den verwandten guatemaltekischen
Sprachen sehr bestimmt dadurch, dass die Terapuspräfixe in ihm nur eine
sehr unbedeutende Rolle spielen. Im Präteritum treten, wie erwähnt, die
Präfixe t und c auf. Das ist wichtig, weil es uns beweist, dass das Maya
der Mittel, welche in den anderen Sprachen sich Geltung verschafft haben,
nicht ganz entbehrt. Aber diese Präfixe treten durchaus nicht bestimmt
und regelmässig auf. Und Präfixe, welche es gestatten, die verschiedenen
Tempora zu unterscheiden, haben sich nicht herausgebildet. Diese Sprache
ist «laher genöthigt. zu 'anderen Aushülfsmitteln zu greifen, um die uöthige
Präzision in der Tempusbezeichnung zu erreichen, und sie findet solche
in periphrastischen Konstruktionen.
Behufs der Bildung des Präsens verwendet das Maya den Xominal-
stamm cah, caah, der. prädikativ mit dem Personalpronomen konstruirt,
„festgesetzt sein". ..an einem Orte bleiben" bedeutet, offenbar ident mit
dem oben besprochenen Cakchiquel -Worte c'oh. So finden wir in der
Chronik des Xakuk Pech:
lai yax cah-ic-ob dort wo sie zuerst sich niederliessen.
lai ye tan chan-patun-e uac-ppel hab cah-an-ob-i^
sie blieben in Champoton sechs Jahre.
Als Xomen wird das T\'ort allgemein im Sinne von _Dorf". ..An-
siedelung" gebraucht. Wird das Wort mit dem Possessivpräfix versehen,
so geht aus der Grimdbedeutung ^gesetzt werden". ..gemacht werden" die
andere „sich befinden'', .^sieh verhalten" hervor, z. B.:
bahiuv u caah wie gi'oss ist sein Verhalten? = wie gross ist er?
bLc a caah wie ist dein Befinden?
Aehnlich wie im Ixil aus dem Begriff ban, banxi „gemacht werden"
der andere „gesund gemacht werden". „Befinden". „Gesundheit" hervor-
geht. — Dieser selbe mit dem Possessivpräfix versehene Stamm gibt,
in Verbindung mit den die Grundlage der Verbalausdrücke liefernden
Nominibus. bezw. mit den zu Xominibus erweiterten Verben. Ausdrücke,
die in umschreibendem Sinne für dieses Präsens gebraucht werden können,
indem aus der Grundbedeutung „es wird von mir gemacht", „es wird von
dir gemacht" u. s. w. die andere „ich thue es~. „du thust es" u. s. w.
hervorsreht. — Dabei werden, wie erwähnt, wo den Verbalausdrücken
nominale Themata zu Grunde liegen, dieselben direkt verwendet, z. B.:
^ih das Geschriebene, die Schiift. oib-n-en ich schrieb,
oib in cah Schrift wird von mir gemacht, ich mache Schrift = ich
schreibe,
tzic-en mir wurde gehorcht, in tzic-ah ich gehorchte ihm.
tzic in cah ich gehorche ihm,
canan Obhut, in canantah ich hütete es,
canan in cah ich hüte es.
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. . 103
Wo aber das Thema verbale oder aktive Bedeutung hat, wie bei den
absoluten Verben, da muss von demselben erst die nominale bezw. Relativ-
satzform, der Infinitiv, gebildet werden:
nac-en ich erhob mich, nac-al in cah ich erhebe mich,
t lub-en icli fiel, luh-ul in cah ich falle,
desgleichen beim Verbnm passivum:
tzic-en mir wurde gehorcht,
tzic-il in call (dem gehorcht wird das bin ich) = mir wird gehorcht,
und auf diese Weise wird in einfaclier und scharfer Art ein Unterschied
hergestellt gegenüber den angeführten Formen, die wir mit dem Präsens
eines Verbum transitivum übersetzen.
Ich Itin in diesen Angaben der alten Autorität des P. Gabriel de
I> uenaventura gefolgt. Sein jüngerer Kollege, der P. Beitran, lässt
die eben besprochene Form des Präsens nur für die Verba neutropassiva
gelten, während er für die Verba transitiva eine Form angibt, die sich,
wie icli das später noch eingehend erweisen werde, als eine Umschreibung
mittels eines Gerundium oder Relativsatzes ergibt und daher auch von
P. Gabriel für Relativsätze] vorgeschrieben wird. Das ist die Bildung
mittels des 8uf fixes -ic.
ten cambezic^ ten tzicic, ten canantic ich lehre ihn, ich gehorche
ihm, ich hüte es (eig. ich bin der, welcher ihn lehrt, welcher
ihm gehorcht, welcher es hütet,
hal ci au oktic (oder bal lic au oktic) was ist das was du beweinst?
in keban ci in uoktic meine Sünde ist es, die ich beweine.
Beiläufig erwähne ich, dass diese beiden Formen durchaus nicht
immer in streng präsentischem Sinne gebraucht werden. So finden wir
in der Chronik des Nakuk Pech, mitten in der Erzählung vergangener
J3inge, den Satz:
talel u cah-ob ti cahtal Ich can zi hoo
sie (die Spanier) kamen in den Distrikt (von) Merida.
Ich gehe weiter zum Futurum. Dasselbe wird im Maya mit dem
Zeitworte bin „gehen" umschrieben. Auch im Qu'iche werden futurische
Formen mittels des Zeitwortes pe „gehen" gebildet, z. B. :
c-u pe nu lo'koh Tioj- (wörtl. es geht, dass von mir (Tott geliebt
wird) = es wird sein, dass Gott von mir geliebt wird = ich
werde Gott lieben.
Man möchte zunächst vermuthen, dass eine ähnliche Konstruktion
auch in der Fnturbildung des Maya vorliegt. Dem scheint indes nicht so
zu sein. Denn die Futurbildung des Maya hat die Eigenthümlichkeit,
dass hier mit dem Zeitworte bin „gehen" die Formen des Imperativs ver-
bunden sind. Das würde nun auch wiederum an sich nicht wunderbar
j()4 Erster Abschnitt: Sprachliches.
sein, <ia das Futurum leicht iniperativisclien Sinn erhält. Aber die Formen
des Imperativ weisen, wenijistens in jeder (iruppe. übereinstimmende Züge
auf, während das Futur verschieden gebildet wird und nur im Maya die
eben angeführte Eigenthümlichkeit zeigt. Ich nehme daher an. dass um-
gekehrt der Imperativ (his Prius ist. und so ergibt sich die Nothwendig-
keit, zunächst mit dem Imperativ ins Reiue zu kommen.
Die Imperativbildung ist eine verschiedene in der Konjugation, welclie
unsere transitiven Yerbalausdrücke wiedergibt, und in der Konjugation
der Neutropassi va.
In der ersten finden wir den Imperativ gebildet theiLs durch da.s
nackte Thema (ohne Suffix -ah). So bei den Thematen. die mittels des
Konsonanten z von iutransitiven Thematen sich ableiten:
cambez lehre ihn. ocez ti mazcäb wirf ihn ins (refängniss,
u cambez er soll ihn lehren.
Und dasselbe nackte Thema erscheint dann auch im Futur:
bin in cambez ich werde ihn lehren.
Oder das Thema erhält das Suffix -d -e -/' -d -ü. So nach F. Gabriel
bei den einsilbigen Wurzeln, wie tal^ tzic. niol, und der Yokal des Suffixes
richtet sich nach dem Wurzelvokal:
talä berühre es, tzici gehorche ihm. molö sammle es.
In den entsprechenden Futurformen finden wir hier nicht die eben-
genannten, sondern die Suffixe -ab -eb -ib -ob -üb, aber ebenfalls betont:
bin in talab ich werde es berühren, bin in tzicib ich werde ihm
gehorcheu. bin in molob ich werde es sammeln.
Da aber sonst allgemein in dieser Sprache der Imperativ mit dem
Futur übereinstimmt, so bin ich geneigt, die letzteren Formen als die
m'sprünglichen zu betrachten und das Imperativsuffix aus dem Futursuffix
durch Abfall des Endkonsonanten entstanden zu denken.' Der Vorgang
stände in den Maya- Sprachen durchaus nicht vereinzelt da. So ist z. B.
fast regelmässig im Cakchiquel das auslautende b des verwandten (^u'iche
abgestossen. z. B. :
huyub, huyu Berg, cib, vi mich selbst.
Oder aber, Imperativ imd Futur haben das Suffix -e. So bei den
von Nominibus oder Intransitivis mittels des Konsonanten t abgeleiteten
Stämmen, z. B.:
canante hüte es, bin in canante ich werde es hüten.
P. Beitran schreibt diese Art der Imperativbildung auch den Verben
der vorigen Klasse zu. indem er auf die Imperative der Objektkonjugation,
die den auslautenden Vokal elidiren. verweist, wie:
tzicen gehorche mir. tzicöb "ehorche ihnen,
und die doch nicht aus
tzici en^ tzici ob
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 105
entstanden sein könnten. — Ich halte das -e bei den einsilbigen Wurzeln
für eine Ausdehnung des -e der mehrsilbigen Stämme auf die einsilbigen,
und dieses -e der mehrsilbigen Stämme selbst, nach Analogie der vorigen
Klasse, aus einem ursprünglichen -eb entstanden.
Die Imperative der anderen das Personalpronomen (Subjekt der prä-
dikativen Aussage) suffigirenden Sprachen schliessen sich den obigen
Klassen an. — So wird im Tzeltal der Imperativ des [transitiven] Zeit-
wortes paz „machen '% welches in dem kurzen Abriss der (Trammatik, den
Brasseur gibt, als Paradigma fungirt, durch Anhänguug des Suffixes -d
gebildet [das im Zo'tzil mit dunklerer Klangfarbe als -6 ausgesprochen
wirdj.
Im IxiL ist nach den Beispielen, die Stoll gibt, nicht zu erkennen,
ob Suffixe angehängt werden, da alle mit einem Pronominalobjekt ver-
sehen sind und vor diesem, wie wir im Maya gesehen haben, das vokalische
Suffix abgestossen wird. Doch ist es immerhin möglich, dass das i, welches
wir bei mehreren der Beispiele angehängt finden, und das Stoll als das
Objekt „es'' auffasst, dem Suffix -e des Maya zu vergleichen wäre.
Die das Personalpronomen präfigirenden Sprachen verwenden ein
Tempuspräfix, und zwar Cakchi(|uel ii, Qu'iche und Pokomam chi-; und
zwar tritt bei mehrsilbigen Stämmen kein Suffix weiter an, z.B. Qu'iche:
ch-a meztah nu varabal fege mein Schlafzimmer,
höchstens die Optative Partikel ia oder iah, z. B. Qu'iche:
ch-a lo'koh tah dass du ihn liebst, liebe ihn!
Einsilbige Stämme nehmen das Suffix -a -o -u an, und zwar -a bei
dem Wiirzelvokal a, e, i, -o bei dem Wurzelvokal o, -u bei dem Wurzel-
vokal u, z. B. Oakchi(][uel und Qu'iche:
t-a ban-ä thu es, ch-av ila schau es,
t-a tzet-a sieh es,
t-a quird binde es los,
t-a lo'kö kaufe es, ch-a vorö bohre es,
t-a chup-ü quetsche es,
und in der dritten Person, Qu'iche:
ch-u chapd ri che er soll den Stock nehmen,
cM qui vorö ri che sie sollen das Holz durchbohren.
Für den Imperativ der Neutropassiva haben die das Personalpronomen
suffigirenden Sprachen besondere Formen für die zweite und für die
dritte Person; das Tzeltal ausserdem noch eine besondere Form für die
erste Person.
Die erste Person des Imperativs hat im Tzeltal die besondere
Endung -uan.
paz-uan i(di soll machen. paz-uan tic wir sollen machen.
20h Erster Abschnitt: Sprachliches.
Die zweite Person hat im T/eltal die Enduiii; -an, in den anderen
Sprachen -en. — Also Tzeltal:
paz-dn macli! p<iz-'iji ic macht!
Im Maya:
nac-en steh auf! cim-en stirb! nac-en iw steht auf!
batab h-en sei ein Cazike!
cua- lah-en lebe!
oib n-en schreib!
Im Ixil ebenso:
tzib-en schreib! el-en geh liinaus! lachen erhebe dich!
cox-eb-en lege dich nieder.
Die dritte Person hat im Maya die Endung- -ac -ec -ic -oc -uc, im
Tzeltal die Endung -uc.
Also Maya:
nacac er soll aufstehen, emec er soll herunter kommen, lubuc er
soll fallen.'
un<l im Tzeltal:
paz-uc er soll machen.
In den Sprachen, welche das Personalpronomen präfigiren. wird auch
hier wieder ein Tempuspräfix gesetzt, und zwar im Qniche ca-, im Cak-
chiquel ii-, im Pokomam ii- oder chi-, und fakultativ tritt ein Suffix -oc
(im Pokomam -o) ein, das im Passiv des Qu'iche nach der Grammatik
obligatorisch ist. — Also Qu'iche:
c-at el oder c-at el ul-oc geh hinaus!
c-at hkox-oc werde geliebt!
Tm Cakchiquel:
t-a ban-oc thue!
Im Pokomam:
ti vi {chi vi) oder ti-v-o (chi-v-o) sei!
Fragen w-ir nun, was diese verschiedenen Imperativformen ihrem
Wesen nach bedeuten, so wollen wir ausgehen von der Form 1 des Maya-
Yerbum transitivum:
cambez Pedro lehre den Peter,
n cambez Pedro Juan Johann soll den Peter lehren.
Der Fall liegt hier in den Maya-Sprachen ganz anders als wo in
indogermanischen Sprachen ein sogenannter reiner Stamm als Imperativ
fungirt. Denn, wie oben auseinandergesetzt, sind ja diese Stämme gar
keine Yerbalstämme, sondern Themata nominaler und passiver Bedeutung,
unti die oben angeführten zwei Beispiele müssen wörtlich übersetzt werden:
gelehrt Peter,
, von ihm gelehrt Peter, (nämlich von) Johann.
2. Das Koiijugationssystem der Maya- Sprachen. 107
Diese Ausdrücke sind also reine Partizipialkonstruktionen, durchaus
vergleichbar Konstruktionen, wie:
cimci in naa nachdem meine Mutter gestor])en war,
nur dass in letzterem Falle die Art, wie die Partizipialkonstruktion auf-
gelöst werden muss, vorgezeichnet ist durch das Suffix ci-, welches aus-
schliesslich die Vergangenheit bezeichnet, während in den oben ange-
führten zwei Beispielen die richtige Art der Auflösung erst hineingetragen
werden niuss:
auf dass Peter (von dir) gelehrt werde,
auf dass Peter von ihm gelehrt werde, von Johann.
Die übrigen Formen des Imperativs des Maya-Verbum transitivuni
haben, wie ich oben anführte, wahrscheinlicherweise ihre Grundform in
den mit Suffix -ab -eb -ib -ob -üb, bezw. [-eb] e, versehenen Formen des
Futurs.
Der Konsonant b spielt im Maya als Suffix eine doppelte Kolle. —
Einmal finden wir ihn, wie schon oben einmal erwähnt, zur Bildung
partizipialer passiver Ausdrücke verwendet. So finden wir in der Chronik
des Nakuk Pech die Sätze:
ca tah culcint-ab en und ich wurde eingesetzt,
ca iic uy-ab-i u tllan-ob turnen bafob-ob und es wurde gehört ihr
(der Spanier) Gebot von den Häuptlingen,
ca tal katunt-ab-il-ob turnen Cucul-ob und es kam ihr Angegriffen-
werden durch die Leute von Cupul.
Eine andere ausgedehnte und eigenthümliche Verwendung hat der
Konsonant zur Bildung instrumentaler Ausdrücke. — So werden im
Qu'iche und Cakchiquel mittels infigirteu 6's Verba instrumentalia gebildet:
camizah tödten, camizabeh mit etwas tödten,
camizax getödtet werden, camizabex mit etwas getödtet werden,
z. B. hun abah ch-in camizabeh oae tziquin ein Stein um damit
diesen Yogel zu tödten,
hun abah chuve chi camizabex rech vae tziquin ein Stein, dass damit
dieser Yogel getödtet werde.
Im Maya werden mittels dieses Konsonanten von Yerbalstänmien
Nomina gebildet, die das Instrument bezeichnen, womit die Handlung aus-
geführt wird, z. B.:
bah nageln, bahab (womit man nagelt), der Hammer,
coh klopfen, cohob (womit man klopft), Schlägel, Hammer,
lom stechen (z. B. mit der Lanze), lomob mazcdb Meissel (eiserner).
hee öffnen, heeb Schlüssel,
uiil essen, uiileb che (das Holz auf dem mau isst), der Speisetisch.
chuy hochheben, aufhängen, chuyeb cimen Todtenbahre.
108 Erster Abschnitt: Sprachliches.
Aelmlich im QuMclu' und Cakohiqiiel. nur dass das Wort noch mit
dem Nominal- (]*artizipial-) Suffix versehen wird:
tziz nähen, tzizbal Nähnadel,
tzapih schliessen. tzapibal Schlüssel.
eta messen, etabal Waaire.
c'ay verkaufen, c'aihal (wo man verkauft), Marktplatz,
und j^enau ebenso im Ixil:
echa messen, echabal Maass.
c'ay verkaufen, c'aibal Marktplatz.
Und in .sämmtlicheu genannten Sprachen werden in derselben Weise
partizipiale Ausdrücke gebildet, die den Sinn eines Finalsatzes haben,
so im Maya:
uchebaU uchbal auf dass es sich ereignet, damit es geschehe,
welche Form geradezu als Finalpartikel fungirt.
Die Doppelbedeutuug des b, einmal als Passiv-, das andere Mal als
Instrumental-Final-Suffix. springt auch klar in die Augen, wenn man die
Bedeutung der beiden Maya-Suffixe -6/7 und '-ben verfolgt. — Bei den
mit dem ersteren Suffix gebildeten Partizipien ist in dem Lexikon von
Perez regelmässig die Bedeutung angegeben, „was gethan worden ist"
oder „was gethan werden soll". — Und auch mit dem Suffix -ben finden
wir einerseits:
chacben ausgerodet,
ataiv ben mit einer Frau versehen, icliamben mit einem Manu ver-
sehen = verheirathet (das erste vom Mann, das zweite von der
Frau gesagt).
andererseits eine ganze Zahl von Partizipien von der Bedeutung des
lateinischen sogenannten Participium Futuri Passivi. z. B. :
cliaben annehmbar, cuchben tragbar (eine Last). Haben sichtbar.
u. A. m.
Aus der letzten Bedeutung entspringt es wohl auch, dass das Suffix
-6/7 oder -izil in Verbindung mit Verwandtschaftsbezeichnuns>en und anderen
Nominibus gebraucht wird, um eine unbestimmte Possessivbeziehung zum
Ausdruck zu bringen:
yum bü (der Täter sein kaim) = Jemandes Vater,
tial bü (was Eigenthum sein kann, was als Eigenthum betrachtet
werden muss) = Jemandes Eigenthum.
^^ ir haben oben angegeben, dass das Suffix -e — vielleicht entstanden
aus einem [-e6] — im Futur und Imperativ mehrsilbiger Stämme die
gleiche Polle spielt wie das Suffix -ab -eb -ib -ob -üb bei einsilbigen
Stämmen. Damit stimmt es wohl zusammen, dass wir das Suffix -el im
Qu'iche dieselbe Rolle spielen sehen, wie im Maya das -6/7, d. h. die des
lateinischen Participium Futuri Passivi:
bak-el der durchbohrt werden kann oder durchbohrt werden soll,
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 109
und dass im Ixil das Suffix -el, ganz wie das Suffix -bal gebraucht wird,
um Nomina instrumouti zu bilden, z. B.:
muh verbergen, begraben, muhet wo man sich oder etwas verbirgt,
der Winkel; mol sammeln, violel der Haufe.
Gehen wir nun zurück zu der Frage, die uns hier beschäftigt, so
meine ich^ es unterliegt keinem Zweifel, dass der Imperativ
tzic-en,
mögen wir uns denselben nun mit P. (fabriel aus einem tzid-en ent-
standen denken und dies auf eine Grundform tzicib-en zurückführen, oder
mögen wir mit V. Beitran ein besonderes, aber dem -ah -eb -ib -ob -üb
gleichberechtigtes Suffix -e in der Form annehmen, — in der Weise einer
])rädikativen Aussage oder (dner Partizipialkonstruktion übersetzt werden
muss mit:
ich bin der, dem (von dir) Gehorsam geleistet werden soll,
oder: — auf dass mir (von dir) Ofehorsam geleistet werde,
~eine Uebersetzung, die vollständig mit der übereinstimmt, welche sich uns
oben für das camhez Pedro ergab, nur dass eben hier die Art. wie die
Partizipialkonstruktion aufgelöst werden muss, durcli die Natur des
Suffixes genau vorgeschrieben ist.
Ebenso begreift sich die Form der Futurbildung ohne Schwierigkeit:
bin in camhez es geht (es ist im Werk, es wird sein), dass von
mir gelehrt wird = ich werde ihn lehren,
bin in tzicib (P. Gabriel) oder bin in tzice (P. Beitrau),
es geht (es ist im Werk, es wird sein), dass von mir Gehorsam
geleistet wird = ich werde ihm gehorchen.
Und w^r sehen, dass im Grunde also doch die Maya-Futurbildung mit
den mittels des Zeitwortes pe „gehen"' gebildeten und gleichfalls futurischeu
Sinn ergebenden (^u'iche-Ausdrücken, von denen wir oben ein Beispiel
gegeben haben, ident ist.
Für die Richtigkeit meiner Auffassung von der Natur der Formen,
die im Futur des Maya mit dem Zeitworte bin „gehen" verbunden sind,
führe ich noch au, dass, wo im Maya, nach Zeitwörtern des Gehens, die
eben besprochenen Futur-Formen nicht angewendet werden, die Partikel
ti, welche die Richtung oder den Zweck und das Mittel bezeichnet, ein-
zutreten hat, z. B.:
tal in cah in to-ib ex ich komme euch zu besuchen,
bini ti ximbal er ging spazieren.
Ich gehe weiter zum Verbum neutropassivum. Die Form des Impe-
rativs desselben, die uns hier zunächst interessirt, ist die der dritten Person
Imperativi. Es ist diejenige, die auch in subjunktiven A^erbinduugen ge-
braucht wird und die bei der Bildung des Futurs verwendet wird. Die
Kndung derselben ist im Maya -ac -ec -ic -oc -uc, im Tzeltal -uc. Im
HO Erster Abschuitt: Sprachliclies.
Ixil tindt' ich iliose Form nicht besonders angeiieben. Es fragt sich nnn,
was für eine Bedeutung wir diesem Suffixe zuschreiben müssen.
In Verbindung mit der Silbe -bal finden wir das Suffix bei den
passiven Nominalstämmen, die zur Bildung transitiver Yerbalausdrücke
dienen, und bei intransitiven Themateu zur I^ildnng von Partizipien Perfecti
verwendet, z. B.:
naao-al sich nähern, nao-uh nalie bringen, naoac bal was nahe
gebracht ist,
lub fallen, hibuc bal was gefallen ist.
Diese Ausdrücke sind vollständig ident mit anderen, die mittels des
Nominalsnffixes vom Participium Perfecti abgeleitet sind, z. B.:
lub-ül (luub-id} fallen, lübul gefallen, [lubul il] lublil was gefallen ist.
In anderen Yerbinduniien hat dieses Suffix mehr die Bedeutuno- eines
Participii Präsentis. So werden, wie oben augegeben, mittels des Konso-
nanten -n von Nominibus intransitive Yerbalthemata abß-eleitet.
Tritt an diese das Suffix -ac an. so entstehen adjektivisch verwend-
bare Nomina, deren Bedeutung ist: ..sich so und so verhaltend, wie das
ursprüngliche Xomeu angibt'', z. B.:
aak das Frische, Grüne. Feuchte, aaknac friscli. grün, feucht,
cicil der Puls, cicilnac zitternd.
Oder aber, es tritt an das ursprüngliche Nominal- oder intransitive
Yerbalthema erst das Suffix -ac -ec -ic -oc -uc und dann noch n mit dem
Suffix -ac. So entstehen Nomina von der Bedeutuno' der vorio'en. nur
mit etoas intensiver Nebenbedeutung; z. B.:
al das Schwere, alacnac schwer,
Mn Zeit, Mnicnac rechtzeitig,
tul-al voll sein, tulucnac bis zum Rande voll.
Dass also diesem Suffix, wie dem Suffix des Imperativs und Futurs
des Yerbum transitivum, eine partizipiale Bedeutung innewohnt, wird man
nicht bestreiten können, nur dass hier nicht, wie bei jenem, in der Form
des Partizip unmittelbar eine Instrumental- oder Finalsatzbeziehung gegeben
ist. — Letzteres ist übrigens entbehrlich. Denn die dritte Person des
Imperativs wird kaum jemals so. wie sie in den Grammatiken angegeben
ist, für sich allein, sondern stets mit irgend einer exhortativen oder Optativen
Partikel gebraucht werden. Wo diese Formen einen Subjunktiv darstellen,
ist die besondere Art der Subjunktion durch die subjunktive Konjunktion
gegeben. Und das periphrastische Futur erklärt sich einfach unter Zu-
grundelegung der partizipialen Bedeutung dieser Formen:
bin nac-ac en es geht (wird sein) sich erhebend ich
d. h. es ist im Begriff, sich zu erheben, ich = ich werde mich
erheben.
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 111
Es bleibt uun noch die zweite Person des Imperativs der Yerba nen-
tropassiva zu besprechen. Wenn irgend eine Imperativform Anspruch
darauf hat, als sui generis betrachtet zu werden, so ist es diese. Denn
sie kehrt in keiner subjunkti vischen oder futurischen Verbindung wieder.
Zieht man aber die sonst allgemeine Verwendung participialer Formen
für Imperativische und futiirische Zwecke in Betracht, so fülilt man sich
doch veranlasst, nach dem etwaigen anderweitigen Gebrauch des Suffixes
dieser Person sich umzusehen. Und da ist es denn doch auffallend, dass
gerade das Suffix -en -an ganz allgemein üblich ist zur Bildung des Parti-
cipii Perfecti. — Im Maya sind allerdings die einfachen mit Suffix -en
versehenen Formen selten, doch finden wir z. B.:
cim-il sterben, cim-en gestorben, todt.
Um so häufiger sind Formen, wo hinter der Wurzel mit Suffix -en
die Wurzel noch einmal wiederholt wird. Die Bedeutung ist ebenfalls
die eines Participii Perfecti. allerdings meist mit kollektivischer Neben-
bedeutung, z. B.:
cliac „cortar con golpe"; — chac-en-chac „cosas cortados con golpe",
cliuc „aflojar lo tirante 6 estirado, plegar corao fuelle." — chuc-en-chuc
„cosas flojas ('> suaves que antes estaban cenidas 6 tirantes",
thon „humillar, inclinar". — tllon-en-thon „tristes, amodorrados, sin
haliento, abatidos".
Und -an, -aan ist die reguläre Endung des Participium Perfecti:
hin gehen, hinan gegangen,
nac sich e-rheben, nacan^ nacaan was sich erhoben hat.
Ich bin also in der That geneigt, auch der zweiten Person des Impe-
rativs der Verba neutropassiva die ursprüngliche Bedeutung eines Parti-
cipii Perfecti zuzuweisen, welche imperativische Bedeutung in derselben
Weise bekommen hat, wie etwa unser Kavalleriekommando „Aufgesessen!''
— Eine Ditferenzirung des Imperativs und des Partizipium kommt in ein-
facher Weise durch den Accent zu Stande, indem der Imperativ in ein-
dringlicher Weise die letzte Silbe betont, das Participium den Ton auf
der Stammsilbe behält.
Für das Suffix der ersten Person des Imperativs des Tzeltal wage
ich keine Analyse zu geben.
Der Imperativ der Sprachen, welche das Personal})ronomen (das Sub-
jekt der prädikativen Aussage) präfigiren, reiht sich durch die Verwendung
der Tempuspräfixe — die übrigens im Allgemeinen mit denen des Präsens
übereinstimmen — den andern Temporibus an. Von einer Partizipial-
koiistruktiou kann liier daher nur insoweit die Kede sein, als wir geneigt.
] 1 "2 Erster Abschnitt : Sprachliches.
bezw. gonöthiict siiul. die tler Konjugation unterliegenden Themata als
nuniinale anzusehen. Immerhin ist es ein beachtenswerther Fingerzeig,
dass auch in diesen Sprachen der Imperativ der Yerba trausitiva auf die
betonten Vokale a, o, u ausgeht, was entschieden an die (nach P. Gabriel)
im Maya gebrauchten Sufiixe -a -e -/' -o -u erinnert. Die mit dem Konso-
nanten b gebildeten partizipialen und nominalen Formen, welche meiner
Ansicht nach die (Trundform des Maya -Imperativs bilden, sind ja eben-
falls, wie ich oben des Näheren auseinandergesetzt, nicht nur im Maya
und Ixil. sondern auch im (^uiclie und C'akcliiquel durchaus gebräuchlich.
IV. Partizipialkoustruktiouen und Aerbalnomina.
Ich habe im Verlauf der obigen Ausführungen mehrfach darauf hin-
gewiesen, dass die Themata, welche der Bildung der transitiven Verbal-
ausdrücke zu Grunde liegen, mit Bestimmtheit als Xomina anzusprechen
sind. Das Gleiche gilt vielleicht auch für die Themata der Verba neutro-
passiva. so dass sich dann der unterschied zwischen beiden Konjugatious-
fornien im V^esentlichen darauf beschränken würde, dass bei der einen
die Themata bloss in prädikativer V\ eise mit dem Personalpronomen oder
einem anderen Sul)jekt konstruirt werden, während bei der anderen die
Themata ausserdem noch mit Possessivpräfixen versehen werden. — AVenn
demnach in dem Folgenden die Partizipialkonstruktionen und Verbal-
nomina erörtert werden sollen, so sind damit Bildungen sekundärer Xatur
gemeint, Erweiterungen mittels gewisser Suffixe, die eine neue Jfominal-
beziehung der alten hinzufügen. Die in dieser Weise verwendeten Suffixe
sind folgende:
-al -el -il -oJ -ul -ac -ec -ic -oc -uc
-ah -eh -ih -oh -uh -ak
-aa; -ea' -ür -od- -ux -an -en -in -on -un
-ar -er -ir -or -ur -am -em -im -om -um
-at -et -it -ot -ut -o -ou -u
-ez -iz -ab -eh -ih -ob -üb
-tz -l'
Sie treten einzeln oder in Kombinationen auf. und ihre Verwendung
lässt folgende Gesetze erkennen:
1. Verschiedene dieser Suffixreihen werden in ganz gleicher Weise
verwendet.
'2. Die Anfügung dieser Suffixe ist vielfach noch wirklich, und war
ursprünglich wohl allgemein, durch lautharmonische Gesetze ge-
regelt. Usus und Differenzirungstrieb wirkten indes dahin, dass
in den verschiedenen Sprachen für bestimmte dieser Suffixe bei be-
stimmten Verwendungen ganz bestimmte Vokale Regel wurden.
2. Das Koöjugationssystem der Maya- Sprachen. 113
3. Dasselbe Suffix bildet einmal Verbaliiomina, die wir als Abstracta
oder in grammatisclieni Sinne als Infinitiva aufzufassen geneigt
sind, während das andere Mal Ausdrücke b(^stinnnt partizipialer
Natur entstehen, die wir, je nachdem, durch einen Relativsatz oder
einen Adverbialsiitz wiedergeben können.
Das Suffix -al -el -il -ol -ul fungirt im Maya als lnfini,tivenduug der
Verba neutropassiva. Die Endung ist betont, und die Anfügung ge-
schieht bei den einsilbigen Wurzelverben nach lautharmonischen Ge-
setzen:
nacül sich erheben, uenel scldafen, cimil sterben, ocöl eintreten,
iubül fallen.
Bei erweiterten Stämmen überwiegt die Endung -al:
uinic-h-aL Mann sein oder werden, camhez-ah-al unterrichtet werden,
bin-eh-al gehen werden.
Wo Nomina abstracta von anderen Nominibus gebildet werden, die
Kndung -//.'
chu^ Weib, chu\nl das Weib sein (la calidad de ser mujer),
al schwer, aJil die Schwere; — noh gross, noliil die Grösse,
cKucil locker, eliuclil das Lockersein.
Mit derselben Endung wird in den Grammatiken von dem Präteritum der
Verba neutropassiva und der Verba transitiva ein Infinitiv Präteriti gebildet:
naci-il sich erhoben liaben, vambezah-il ihn gelehrt haben.
Dasselbe Suffix -al -el -il -ol -ul finden wir aber auch als Partizipial-
endung und zwar als die des Participium Präteriti der Verba absoluta.
Doch bleibt dann der Ton auf der Stammsilbe :
näcal aufgestanden, gestützt, clietel gefallen.
Durch AViederholnng der Wurzelsilbe hinter dem Suffix entstehen eine
Art Particij)ia intensiva:
ac etwas Breites, ac-tal sich auf dem Boden ausbreiten, ac-al-ac
was sich auf dem Boden ausbreitet und Pfützen bildet,
cliet gekrümmt, cl'ieet-el von der geraden Linie abweichen, cl'ietel
cl'iet sich vielfach krümmend.
iJei erweiterten Stämmen herrsclit die Endung il:
biz-ab-il was gebracht worden ist oder was gebracht werden soll.
Mit lU'rselben Endung // oder ul werden von Noniinibus Adjektiva
gebildet:
xan~il na ein mit Palmblättern gedecktes Haus,
utz-ul uinic-ob die guten Männer.
Und nur wie ein Artikel fungiren diese Emlungen, wo ein passiver
Nominalstannn substantivisch gebraucht werden soll:
in cliucalt ich lockerte etwas, cl'nic-il das Gelockerte,
ppa.rü oder ppaa;ul das Geliehene.
Seier, Gesammelte Abhandlungen 1. ^
114 Erster Abschnitt: Spracliliches.
Häutiu cxistiit die Porm mit (lern oinfaclioii Suffix nicht, oder es
wird in anderer Redeutnni»' gebraucht, alter es existirt das Suffix in Kom-
position:
ciin-il sterben, chn lal der Todte,
ueni'l schhifen. der Schlaf, uen-l-ic schhifeijd.
Und so hin ich geneigt, das vielfacli verwendete Suffix -lac -lic,
welches aus passiven o(k^r intransitiven Stämmen Partizi])ialnomina kollek-
tiver oder pluraler Bedeutung bihlet. auf dieses Suffix -al -el -il -ol -ul,
dessen Snffixvokal elidirt ist. mit dem Kollektiv- oder Pluralsuffix -ac -ic
zurückzuführen:
tl'ion niedergebeugt, in tlionuh ich beugte nieder,
tlion-oc-nac niedergebeugt, traurig (Sing.), tl'ionlac^ tl'ionlic dass.
(Flur.).
Lni Quiche und Cakchiquel fehlt die im Maya so häufige infinitivische
Verwendung dieses Suffixes. — Wohl aber werden mit ihm, wie im Maya.
von Nominibus neutraler Bedeutung Nomina abstracta gebildet. Sänimt-
liche fünf Suffixvokale werden verwendet, doch gewinnt es den Anschein,
als ob dabei nicht Lautharmonie, sondern Lautdiskrepanz das Be-
stimmende wäre. Vgl. im Quiche:
nim gross, nimal Urösse; — chaom schön, chaomal Schönheit.
zak w^eiss, zakil W^eisse; — utz gut, .utzil Güte; — cou stark, couil
Stärke,
tzil schmutzig, tzilol Schmutzigkeit.
Ferner wird in ausgedehntem Maasse auch in diesen Sprachen das
Suffix zur Fartizipialbildung verwendet, und zwar macht es, neutralen und
passiven Stämmen angefügt, Nomina agentis (Participia Präsentis). Die
Anfügung geschieht nach laut harmonischen Gesetzen:
hanaL machend, bakal durchbohrend, vaal, val essend,
hakal durchbohrt seiend,
me'kel w^ärmend.
Dabei ist offenbar die Endung unbetont. Denn bei auslautendem
h, k, z wird der Suffixvokal elidirt, z. B.:
c^azl lebend, c'ohl seiend.
Von den passiven Nominalstämmen, die zur Bildung transitiver Verbal-
ausdrücke dienen, wird erst das Verbum absolutuni auf o oder u gebildet,
und diesem das Suffix angefügt. So entstehen auf -0/ und -u/ auslautende
Nomina, die den berufsmässigen Ausüber der betreffenden Thätigkeit be-
zeichnen:
ban gemacht werden, banol der Verfertiger, der Schöpfer.
tzakol, bitol der Erbauer, der Bildner (Ausdrücke des Popol Vuh
für den weltschöpfenden Gott),
muk begraben werden, mukul der Todtengräber.
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. Ili5
Und mit dem einen instrumentalen Sinn involvirenden e, welches wohl
ursprünglichem -eb entspricht, zusamm<m (vgl. oben), bildet das Suffix
Participia Futuri Passivi. die auf -e/ auslauten.
in bakel avumal = „yo he de ser horadado por iv\ ich nmss durch
dich durchbohrt werden,
bei erweiterten Stämmen lierrscht die Endung -al, so bei dem Xominibus
instrumenti:
eta messen, etabal Waage: — cay verkaufen, c'atbal Marktjilatz.
Das Ixil schliesst sich in der Verwendung dieses Suffixes im Allge-
meinen dem Qu'iche-Gebrauch an. insofern die infinitivische Verwendung
desselben fehlt. So heisst „ich will essen" im Maya:
in kati Iian-al
und im Ixil:
nie ung-za chüon^
ferner in der Bildung von Xominibus agentis von intransitiven Stämmen :
lo'k gekauft werden Id'k-o-I und lo'k-on-al der Käufer,
und in der Bildung von Nominibus instrumenti von den mit b oder e er-
weiterten Stämmen:
eta messen, etabal das Maass,
wuh verbergen, begi'aben. muhel wo man etwas verbirgt, der Winkel.
Allen Sprachen gemein ist die Verwendung dieses Suffixes, um die
unmittelbare Zugehörigkeit eines Dinges zu einem andern, im
Gegensatz zu dem blossen Besitzverhältniss zu bezeichnen — ein Fall, in
welchem bekanntlich auch das Mexikanische statt der einfachen Ding-
wörter selbst die von denselben gebildeten Abstracta auf _yo-^/ verwendet, z. B. :
no-nac mein Fleisch, das Stück Fleisch, das ich gekauft habe.
das mir gehört.
no-naca-yo das Fleisch meines Körpers,
und so natürlich auch — denn der Herr, der Edelmann ist nicht mein
Eigenthum, sondern gehört zu mir —
no-tecu-yo mein Herr.
Im Maya wird dabei, wenn der betreffende Gegenstand zu einer dritten
Person gehört und diese dritte Person ausdrücklich genannt ist. das
Possessivpräfix der dritten Person als überflüssig nicht gesetzt, z. B.:
u clieen in yum der Brunnen meines Vaters, d. h. welcher meinem
Vater gehört, welcher Eigentlmm meines Vaters ist,
cl'ten-el in yum der Brunnen, aus dem mein Vater sein Wasser
nimmt.
Die anderen Sprachen setzen das Possessivpräfix. Also im Quiche:
nu bak-il. v-iboch-il die Knochen, die Adern meines Leibes,
8*
l|iß Erster Abschnitt: Sprachliches.
ka pokolah-il. k iih'u-al, ka iiolt-il unser Staub, unsere Erde, unser
Fleisch d. h. der Staub, der Koth. das Fleisch aus dem unser
Körper besteht.
u pop-ol chat die Matratze des Bettes,
r izm-ul nu vi das Haar meines Kopfes,
und so auch — denn der Herr ist nicht mein Fi^euthiim. sondern gehört
zu mir —
k ahau-al Jezu Cria'to unser Herr .lesus (')iristus.
Was nun die ( irundbedeutung- dieses vielseitig- verwendeten Suffixes
angebt, so meine ich, dass sich die verschiedenen Bedeutungen desselben, die
infinitivische, die Abstracta-bildende. die adjektivirende und die Participia-
und Nomina-bildende, am besten vereinigen lassen, wenn wir ihm als ur-
sprüngliche Bedeutung die eines Kelativpronomen oder Gerundivsuffixes zu-
schreiben. Und ich kann nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass der
Konsonant / auch unter den Denionstrativpronominibus und Demonstrativ-
partikelu eine grosse Rolle spielt, und dass auch in dem Zustand, den
diese Sprachen gegenwärtig repräsentiren. die Verwendung dieser Partikeln
zu Zwecken, wo wir ein Relativ})ronomen anwenden, ganz allgemein
üblich ist.
Das Suffix -ah -eh -ih -oh -uh haben wir oben zum Theil schon be-
sprochen. — Wir fantlen. dass dasselbe im Quiche Cakchicpiel «len Xominal-
stämmen passiver Bedeutung, welclie zur Bildung transitiver Ausdrücke
verwendet werden, angefügt wird, um durch diese Anfügung die besondere
Verwendung dieser Themata zur Bildung transitiver Ausdrücke zu kenn-
zeichneu — im Gegensatz zur Bildung passiver Verbalausdrücke mittels
Prädikatskonstruktion. Da im Lebrigen das durch das Suffix bereicherte
Thema genau ebenso verwendet wird, wie die suffixlose AVurzel. so muss
auch die Xatur des erweiterten Themas die gleiche sein, wie die AVurzel.
d. h. das Suffix -ah -eh -ih -oh -uh muss in diesem Falle nomenbildende
partizipiale Kraft haben. Und wenn wir in dersellien AVeise das Suffix
auch intransitiven Wurzeln angefügt finden, z. B.:
j;ub. xubah^ xubih^ xubuh pfeifen,
so kann uns das eben nur in der oben schon mehrfach ausgesprochenen
\ ermuthung bestärken, dass auch die Verba intrausitiva eigentlich Xominal-
themata sind, die nur ohne Possessivpräfix gebraucht und ausschliesslich
prädikativ konsti'uirt werdei]. — AA'elcher Suffixvokal bei der Anfügung
zur VervNeudung gelangt, dafür existiren keine Regeln. Zum Theil scheint
auch hier Lautdiskrepanz das Bestimmende gewesen zu sein:
tzibah schreiben.
rabeh, rabi/i, rabuh auf Faden reihen.
atzamili salzen, lobih Frucht essen,
tihoh lehren.
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 117
Bei «leii von Participiis Perfectis auf m abgeleiteten, bei deu mittels
<les Konsonanten z ge])il(leten Koni])ulsiv(Mi und bei den mittels des Konso-
nanten t gebildeten Passiven wird -«Ä bevorzugt, z. B.:
c'olem das 8ein, das Wesen, tolemah Jemand gewöhnen,
catn sterl)en, camizah tödten,
ban thun, il sehen — haiiatah gethan werden, ilatah gesehen
werden.
Bei den mittels -ab -eb -ib -ob -üb abgeleiteten Yerbis instrumenti
ist -eh Regel:
ramizabeh mit etwas tödten.
Deutlich partizipiale nomeubildende Kraft hat das Sufhx -oh -uh da,
wo es, einer Art reduplizirten Stamms augefügt, zur Bildung von intransi-
tiven Partizipien pluraler Bedeutung dient, z. B.:
ba kauen, baboh die Gekauten,
buk durchbohren, bakaboh die Durchbohrten,
pil schinden, pilipoh die Geschundenen.
zu reinigen, zxizuh die Gereinigten.
Und wie im Maya mittels des Buffixes -// -ui von den eine Eigen-
schaft bedeutenden Wurzelnominibus Adjektiva abgeleitet werden, so im
Qu'iche und Cakchiquel von den von den Wurzelnominibus abgeleiteten
Nominibus abstractis mittels des Suffixes -ah.
Maya: — utz-ul ninic-ob die guten Männer,
Qu'iche: — ufz-il-ali ach ein guter Mann.
Dasselbe Suffix -ah -eh -ih -oh -uh kommt im Qu'iche und Cakchiquel
aber auch in Verwendungen vor, die wir nicht anders als infinitische be-
zeichnen können. So in Sätzen wie das oben schon einmal angeführte:
c-u pe nu lo'koh Tiox es geht, (es wird sein), dass Gott von mir
geliebt wird. = ich werde (xott lieben,
ka in rap {rapah) ich schlage Jemand — hun rapah ein Schlag.
Und wenn von den zur Bildung transitiver Verbalausdrücke ver-
wendeten Stämmen mittels o und u die Absoluta gebildet werden, so
entsteht durch Herantritt dieses Suffixes — natürlich unter Elision des
Suffixvokals — der normale Infinitiv oder das Verbalabstraktum:
ca in bak ich tlurchbohre etwas, — bakoh die Thätigkeit <les Dureli-
bohrens,
poloh das in Ohnmacht Sinken,
puluh das Kochen, z. B. u puluh pah das Schäumen des Meeres.
Im Maya ist das Suffix ungleich seltener. Den wurzelhaften passiven
Nominalstämmen entsprechende Erweiterungen mit -ah -eh -ih -oh -uh
existiren nicht. Man sagt:
tzic in cah ich gehorche ihm. canan in cah ich hüte es,
und nicht
tzicih in ca/t, canantah in cah.
US Erster Abschnitt: S]>rachliches.
Nur bei den Kompulsiven auf -z nitr in derselben Weise wie im
(^u'iche das Suffix -ah auf:
cambezah in cah icli uuterriehte ilni.
Auch die Bildung" von Adjektiven von Nominil)us abstraetis, die wir
eben im Qu'iche erwähnt haben, fehlt im Maya. Sie ist hier überflüssig,
da das blosse Suffix -// -ul diesem Zwecke genügt.
H^ine dem Maya eigenthümliche Verwendung dieses Suffixes tinde ich
in <lem h, welches, Nominibus angefügt, neutrale Themata mit der Be-
deutung „zii dem und dem gemacht", „das und das seiend" bildet, z. B :
— ' eek-h-al schwarz sein, schwarz werden.
Qu'iche Cakchiquel verwenden zu diesem Zwecke das Suffix -ar -er -in
-or -ur.
Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass im Maya und im Quiche und
Cakchiquel die Suffixe -er/ -el -il -ol -ul und -ah -eh -ih -oh -uh einander
eru'änzen. Man vergleiche z. B.: _
Maya: — in cliucah ich lockerte etwas — clhic-il das Gelockerte,
lockern,
Quiche: — x in rap-(^ah) ich schlug Jemand — hun rap-ah ein
Schlag,
Maya: — y ah-al cab das Erwachen der Welt, Tagesanbruch.
Qu'iche: — u pul-uh palo das Schäumen des Meeres.
Ich glaube berechtigt zu sein, dem -ah -eh -ih -oh -uh eine ähnliche
(rrundbedeutung zuzuschreiben, wie ich sie vorhin für -al -el -il -ol -ul
annahm. Und ich weise darauf hin, dass das h unter den Demonstrativis
des Qu"iclie und Cakchiquel eine ähnliche Rolle spielt, wie das / unter
den Demonstrativis des Maya.
Ich erwähne, dass es im Qu'iche und Cakchiquel noch ein zweites
Suffix -ah -eh -ih -oh -uh gibt, welchem ein Maya- Suffix -ah entspricht,
welches aber wesentlich ein Präteritalsuffix zu sein scheint. — Wir
finden es im Qu'iche in der sogenannten pluralen Konjugation. Neutro-
passiven Verbalthematen angefügt und mit dem Pluralsuffix -eb -e oder
eiak versehen, bildet es plurale Ausdrücke, die Brasseur als besondere
Konjugation aufführt:
k-oh lo' k-ox-eh-eb wir sind geliebt,
x-e ca7n-ih-eb sie sterben, x-e be-ah-eb vinak die Leute giengen,
x-e ban-at-ah-ah-e (oder banatahehe oder banatahihetak) sie wurden
gemacht.
Im Maya entspricht diesem Suffix das -ah, das wir im Präteritum der
transitiven Wurzelkonjugation finden:
in tzicah ich gehorchte ihm, in niolah ich sammelte es.
so wie im Präteritum der mittels der Konsonanten -/ und -n von Nominibus
oder passiven Thematen abgeleiteten Absoluta:
cah-l-ah-i er wohnte, bin cahl-ac er wnrd wohnen.
•_'. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 119
oih-n-ah-en ich schrieb, cHa-haa-n-ah-en ich holte Wasser, bin oih-
nac-en ich -sverde scliroihon, hin cha-haa-nac-en ich werde Wasser
holen.
Es ist das Letztere eine ucnere BiMung, denn P. (i;il»ri<'l giht noch
als Regel au:
Hb-n-en ich schrieh, cf'ia-haa-n-en icli holte Wasser.
Ueher (his Suffix -ax -ex -ix -ox -ux haben wir oben schon gesprochen.
Es ist ein dem Suffix -ah -eh -ih -oh -uh paralleles Suffix und tritt im
Qu'iche und C'akchiquid überall für das letztere ein, wo die mit diesem
Suffix versehenen Stäninic. prädikariv mit dem Personalpronomen konsh'uirt,
zur Bildung passiver Verbalausilrücke verwendet werden :
ca ka lo'k-oh wir lieben ihn. k-oh lo'k ox wir werden geliebt,
ca ka camizabeh wir tödten mit etwas, k-oh camizabex wir werden
mit etwas getödtet,
X ka tzapatzoh wir vei'si'hiosseu. x-oh tzapatzox wir wur<len ein-
geschlossen.
Eine Ausnahme machen allein die mit -i erweiterten Stämme, vielleicht
weil bei ihnen dnrcli das -t die passive Beziehung schon genugsam aus-
gedrückt ist
k-oh banat-ali wir werden gemacht.
Auch über -ar -er -ir -or -ur haben wir schon gesprochen. Es bildet,
wie das h des Maya, im Quiche und Cakchiquel Stämme, welche bedeuten,
..zu dem und dem werden" oder „zu dem und dem gemacht werden*-'. —
Die Yokalisation der Anfügung entspriclit der der vorigen beiden Suffixe.
Dürfen wir ein Suffix -at -et -ii -ot -ui annehmen? — Für sich allein
kommt es nur im Tzeltal-Passiv auf -oi vor, und in dem t, welches im
mnieren .Maya statt des h an Nomina antritt, mit der mehrfach genannten
Bedeutung „zu dem und dem gemacht-\ z. B.:
uinic-t-al zum Mann werden, uinic-h-i er wurde ein Mann,
und welches schon im älteren Maya statt des / in der Bedeutung ..mit dem
und dem versehen" gebraucht wird.
cux-t-al mit Herz versehen sein, leben, c'ux-l-a/t-i er lebte, c'ux-
l-ac er wird leben.
In Verbindung mit -ah bildet es im Qu'iche und Cakchiquel passive
Stämme:
ban-at-ah gemacht werden, il-it-ah gesehen werden, rtnik-ut-ah be-
graben werden,
und im Maya viel verwendete Kom)ndsiva.
Auch z und iz erseheinen regelmässig in Verbindung mit -ah. Be-
deutung ebenfalls „zu dem und dem gemacht", „zu der und der Thätigkeit
120 Erster Absclinitt: Sprachliches.
gebracht". Die damit y(»])ildpteii Kompulsive liahe ich o})en schon l»e-
sprocheii. Ein Suffixvokal fehlt entweder, oder es wird mit Vorliebe e
und / jj;ebraucht.
Nur in der Maya- Endung tzil erscheint der Konsonant unabhänui»;-
von der Endung -ah. Die Bedeutung von -tzil ist die gleiche, wie die
oben schon besprochene von -6/7, d. h. gleichzeitig passiv nnd final.
Ueber das Suffix -ac -ec -ic -oc -uc habe ich oben, bei Gelegenheit
des Imperativs und der Futurbildung des Maya-Verbum neutropassivuni.
schon eingehend gesprochen. — Doch ist hier noch die besondere und
eigenthümliche A^erwendung zu erwähnen, welche das Suffix -ic sowohl
im Maya wie in den Guatemalasprachen erfährt.
Das Suffix -ic hat im Maya zwei, aber in engster Beziehung zu ein-
ander stehende Verwendungen, nämlich zur Bildung von Relativsätzen und
zur Bildung infinitivischer Ausdrücke. In beiden Fällen tritt das Suffix
an die passiven Nominalthemata, die zur Bildung transitiver Verbalaus-
drücke verwendet werden, direkt an. So in der Chronik des Nakuk Pech:
toon ix yax oa-ic patan yetel oicil Hob,
wir auch waren die ersten, welche gaben Tribut und Gehorsam
ihnen.
Diese Formen mit vorangeschicktem Personalpronomen, oder richtiger
demonstrativem Personalausdruck — sind es, welche P. Bei trän als die
reguläre Form des Präsens der Verba transitiva angibt:
ten tzicic ich gehorche ihm, ten cambezic ich lehre ihn, ten canantic
ich hüte es.
Aber schon die Wortstellung widers])richt dieser Auffassung. Denn
im Maya steht das Subjekt nach. Die angeführten Ausdrücke bestehen
aus einem Haupt- und einem Nebensatz — um mich so auszudrücken —
und bedeuten: ,,ich bin der, welcher ihm gehorcht, der, welcher ihn lehrt,
der. welche]' es hütet''.
Auch an intransitive Themata tritt das Suffix mitunter direkt an:
lai yad' cah-ic-ob dort wo zuerst sie wohnten.
In der Regel aber wird von diesem erst, mittels des Suffixes -al -ei
-il -ol -ul ein Nomen gebildet, und diesem die Endung -ic angefügt:
nok tepp-l-ic das Kleid, in das er sich hüllt.
utz luum cah-l-ic in yurn gut ist das Land, in welchem mein Vater
wohnt,
ina uah tu liun-al cux-l-ic uinic nicht ist Brot das einzige, wovon
der Mensch lebt.
Es kann aber auch dem ganzen Ausdruck die Partikel lic und Heil
vorangeschickt werden — die offenbar nichts Anderes darstellt als die
Demonstrativpartikel mit diesem Suffix ic versehen — und darnach das
Verbum in der relativen Form folgen, d. h. Verba absoluta mit der Endung
2. Das Konjugationssystem der Maya- Sprachen. 121
-al -el -il -ol -ul, die passiven Noniiiialtheraata, die zur Bildung transitiver
Yerbalausdrücke dienen, mit der i^^ndung ic:
utz yaab kan Heil ä uenel sehr gut ist die Hängematte, darin du
schläfst,
lay tzimin lidl in bin-el das Pferd, auf dem ich reite,
tech Heil u al-cun-ic u-ol dn bist <ler, auf den ich mein Vertrauen
setze,
huun Heil in canic das Buch, aus dem ich lerne.
Aus der Verwendung zu Relativsätzen und zu Infinitiven geht die
:andere zur Bildung von Objektsätzen und Finalsätzen hervor. Und hier
sind wiederum überall die Verba neutropassiva mit dem Suffix -al -el -il
-ol -ul, die passiven Nominalthemata, die zur Bildung transitiver Verbal-
ausdrücke dienen, mit dem Suffix -ic gesetzt, z. B.:
paya Pedro eavibezic palaloh rufe Peter, dass er die Knaben lehre,
cHa tok ä cimzic pek lo nimm das Messer, um damit diesen Hund zu
tödten.
In diesen Verbindungen kommt die Bedeutung des Suffixes sehr nahe
derjenigen, die wir oben für die im Futur und Imperativ verwendeten
Suffixe -ab -eb -ib -ob -üb festgestellt haben. In der That finden wir auch
die Futurformen in ganz gleicher Weise wie diese infinitivischen Suffixe
verwendet:
in kiUi binel ich will gehen,
in kati in lovi-ob Juan ich will Johann stechen,
in kati d cambezie in mehen ich will, dass du meinen Sohn lehrst,
paija Pedro cambezie palalob und paija Pedro u cambez palalob,
rufe Peter, dass er die Knaben lehre,
in payah in pal-il in tlian-ab ich rief meinen Knaben, um mit ihm
zu sprechen.
und ich hätte diese ganzen Auseinandersetzungen und Beispiele auch oben
zur Stütze meiner Erklärung des Maya-Imperativ-Futurs anführen können.
Das Suffix -ic verbindet sich mit dem präteritalen i, und so entsteht
die Endung -ci, das präteritale Korrelat des Suffixes -ic, — wie dieses,
ausschliesslich in partizipialem gerundivischem Sinne gebraucht.
eiiHci in naa meine Mutter, welche gestorben ist, oder: nachdem
meine Mutter gestorben war,
ah-ei cab nachdem die Welt aufgewacht war, nach Tag<'sanbruch,
lay tzimin Heil in binei das Pferd, auf dem ich geritten bin.
so auch geradezu Adjektiva bildend.
in cliuc-ah ich lockert«' — cliucliuc-ei faltig, locker.
Ein (lerundiv des Futurs wird gebildet, indem man das Verbum -bin
zu Hülfe nimmt und den Stämmen des Verbum transitivums die Cierundiv-
endung des Präsens -ic gibt, beim Xeutropassivum mit dem bin den soge-
nannten Infinitiv Futuri verbindet, d. h. die durch Kombination des Suffixes
]-2'2 Krster Abschnitt: Sprachliches.
-ab -eb -ib -ob -üb mit dem Kelativ- (Intinitiv-) Suffix al ü,('1til<leten Parti-
cipia absoluta, welche wie schon oben augeführt. die Bedeutung' eines
Finalsatzes haben. Man sagt also. z. B.:
huun licil in canic, can-ci in yum, bin iv n canic-ob in mehenob xan
das Buch ans dem ich (es) lerne, aus dem mein Vater gelernt
hat und aus tlem meine Söhne lernen werden,
luinn Jiiil in nianeU tnanci in yiunob. bin ix manebalob u-ioinob
das Land iu das ich gehe, in das meine Väter eingegangen
sind, und in das auch meine jiingereu Brüder eingehen werden.
Im Qu'iche und Cakchiquel finden wir ilas Suffix -ic wieder als
Infinitivendung der Verba neutropassiva. Denn diesen Sprachen fehlt, wie
ich oben angab, der Infinitiv, welchen das Maya mittels des Suffixes -a
-el -il -ol -ul von neutralen und passiven Stämmen Viildet. Im Qu"iche
sagt mau dagegen mittels des Suffixes -ic:
nu bak-ic avumal mein Durehbohrtwerden durch dich. = ich werde
von dir din'chbohrt,
yiu bakonic (nu bakou ic) rech tzalam mein Bohren in Bezug auf
«len Tisch, = ich durchbohre den Tisch,
nu doh-e-ic mein Wesen, mein Sinn, meine Xatur.
In »lem Abriss der Cakchiquel-Sprache von S. Juan Zacatepequez
gil)t St oll eine Participialform auf -on-ic an. mit der Bedeutung eines
hifinitiv Futuri:
7iu lo'k-on-ic mein Kaufenwerden = ich werde es kaufen.
Man kann das verschieden erklären, entweder als Itifinitiv, von dem
mittels -n abgeleiteten Verbum absolutum gebildet, oder als Grerundium,
von dem Participium Perfecti auf -on abgeleitet:
mi lo'k-on-ic indem es von mir gekauft wird, welches von mir ge-
kauft wird,
was übrigens im Grunde vermuthlich auf dasselbe hinauslaufen wird.
Jedenfalls ist auch im Qu'iche diese Form vollkommen ident der. welche
man als Infinitiv Futuri bezeichnet, d. h. dem mittels des Suffixes -ab -eb
-ib -ob -üb und der Relativ- (Infinitiv-) Endung -al gebildeten Participium
absolutum. Man sagt:
u k^ih lo'k-ob-al oder u k'ih lo'k-on-ic es ist Zeit zu lieben.
chire ii lo'k-ob-al und chire u lo'k-on-ic um ihn zu lieben.
Im Maya tritt in solchen Fällen bei A'erbis neutropassivis der mit -a/
-el -il -ol -ul gebildete Infinitiv, bei den Stämmen des A^erbum transitivnm
dii' Form auf -ic ein :
ü habil cimil es ist Zeit zu sterben,
ü kintzil d choch-ic d keban es ist Zeit, dass du deine Sünden
beichtest.
Ich erwähne noch, dass im Maya ein Suffix -ac existirt, welches jeden-
falls dem oben erwähnten zweiten -ah -eh -ih -oh -uh bezw. -ah des Maya
2. Das Koiijugatioussysteiu der Maya- Sprachen. 123
ideiit ist, (1. h. präteritiile Beileiituii';' hat. Wir timleu dasselbe Nomiiial-
liihlimgen uud Frage])roiioiiiiiiibus angefügt:
alabil was gesagt ist oder werden soll — alabüac es war gesagt.
alintabü was geboren ist oder werden soll — alintabilac was ge-
boren war.
alakbil Hanstiiier — (tlakbilac es war im Hause aufgezogen,
bahun wie viele? - hahunac wie viele waren es?
bikin, bikinx wann? — bikin.vac wann war es?
Das Huffix -ic tritt im (juiclie und Cakchiquel auch adjektivbildend
auf. Wie mittels des Suffixes -oh -uh von einer Art reduplizirten inten-
siven Stammes Partizipien und Adjektiva pluraler Bedeutung gel)ildet
werden, so werden von einem in ganz gleicher Weise hergestellten redu-
l>lizirteu Stamm mittels des Suffixes -ic Adjektiva singularer Bedeutung
gebildet; z. B.:
bol rollen, bolob-ic hinßi ein runder Berg,
li stellen (vom Wasser), lilic ta'kah flache Ebene,
che Holz, checkte holzig.
Diesem Singularsuffix -ic ents])richt ein Plural-Suffix -ak:
bolobak huiju runde Berge, lilak ta'kah flache Ebenen.
Dieses Adjektiv - Pluralsuffix kommt auch bei anderen einfachen
Stämmen vor:
nimak ha grosse Häuser.^)
Und ebenso findet sieh bei einfachen Stämmen -ic, aber auch als
Adjektiv-Pluralsuffix :
utz-ic va gute Speisen, hebelic ivok eine schöne Erau.'^)
Und neben -ic und -ak finden sich, nicht nur im Qu'iche und Cak-
ehiquel, sondern auch in den anderen Sprachen weit verbreitet, -tic und
-tak (take) als Kollektiv- oder Pluralpartikeln. Ich habe bei Uelegenheit
der Possessivpräfixe und des Personalpronomen auf ihre Verwendung auf-
merksam gemacht. Und -lac und -lic, die Adjektiv- Pluralsuffixe des Maya,
habe ich oben schon Gelegenheit gehabt zu erwähnen.
Dass alle diese Suffixe unter sich verwandt sind, unterliegt keinem
Zweifel. Dass sie aber auch in Beziehung zu dem Gerundialsuffix -ic
stehen, das scheint mir aus den Qu'iche-Beispielen:
bolobic huyu, lilic ta'kah u. A.
und dem ganz ähnlichen adjektivischen Gebrauch des Suffixes -// -ul im
Maya hervorzugehen.
Ich komme nun zum Suffix -an -en -in -on -un, für welches in manchen
Sprachen (Quiche), oder in manchen Yerwemlungen -am -em -im -om -um
eintritt.
1) Im Mam: — vimuk izi whiak „grosse Leute''.
•2) Ebenso im Zo'tzil, Tzeltal: — lequ-k „gute Leute"; izael-ic „kleine Leute".
Im Mam dafür -ek: — ban-ek ,,guto Leute"'.
l'J4 Erster Abschnitt: Sprachliches.
Die Verwendung dieses Suffixes zur Bildung- von Partizipien-Perfecti
habe ich oben, yelei^entlich des Imperativs der zweiten Person der Yerba
absoluta, schon besprochen. — Es wäre hier höchstens noch nachzutragen,
<iass im Quiche und C'akchiquel diese Partizipien, mit dem Possessiv-
präfix versehen, sehr allgemein verwendet werden, um eine Art Präterital-
konjugation herzustellen, so im Cakchiquel:
nu yk-on mein (Gekauftes = ich habe es gekauft,
und im Qu'iche
baiiom c-u/tial von mir gethaii.
a ba7W)ii dein Gethanes = du hast es gethan.
Die Verwendung dieses Suffixes beschränkt sich indes nicht auf diesen
präterital-partizipialen Gebrauch. Wir finden dasselbe vielmehr, ganz wie
das an erster Stelle besprochene Suffix -a/ -e/ -// -0/ -u/ einerseits ver-
wendet, um Nomina agentis oder Participia Präseutis. andererseits um
Infinitive zu bilden.
Zur Bildung von Xominibus agentis tritt im Quiche das Suffix -an
statt des Suffixes -a/ -el -il -ol -ul an alle die neutralen oder passiven
Stämme an. welche auf -/ auslauten:
cul-an begegnend, pul-an kochend, hul-an glänzend.
Andere Beispiele solcher Verwendung dieses Suffixes liefert das Ixil:
tz'ac malen, tz'ac-an der Maler.
(vgl. fe'a färben, tz'a-on-al der Färber),
eVka stehlen, eV'kon der Dieb.
Und hier bringt der Fortgang unserer Betrachtungen uns allerdings
von selbst dem schon oben angedeuteten Gedanken nahe, dass die mittels
desselben Konsonanten -n abgeleiteten Themata, die war bei den absoluten
Anerben besprochen haben. — weil sie. prädikativ mit dem Personal-
pronomen konstruirt. sich durch objektlose Yerbalformen übersetzen lassen,
— auch nichts Anderes seien, als Nomina agentis und mit den anderen
Verbalnominibus auf -n ident seien.
Für die infinitivische Verwendung dieses Suffixes liefert ebenfalls das
Ixil treffende Beispiele:
in nie banon mein jetzt Thun = ich thue jetzt,
in cat banon mein damals Thun = ich that.
171 la banon mein dann Thun =- ich werde thun.
Und im Quiche finden wir bei den Stämmen des Verbum transitivum
die Endung -an, bei den neutropassiven Stämmen die Endungen -em
oder -in in sehr eigenthümlicher Weise verwendet zu infinitivischen Kon-
struktionen :
eu verborgen, heimlich, ca in eu (ah) ich verberge etwas.
eu-an r-ih v-ech das Sichverbergen in Bezug auf mich, mein Sich
verbergen = ich verberge mich.
cai/eu eu-an r-ib schwer ist das Sichverbergen.
2. Das Konjngationssystem der Maya- Sprachen. ]25
und mit iieutropaBsiven Stämmen:
cant-eni v-ech oder cani-ic vech das Sterben in IJezuü,- auf niirli.
mein Sterben = ich sterbe,
caijeu bin-eni schwer ist das (iehen.
Dasselbe Suffix tritt an das Nomen agens der Neutropassive :
cuh sitzen, cnhuleni das Sitzen. u
tza'p verschh)ssen sein, tzap-al-em c-ech das Yerschlossensein in
Bezug auf mich, mein Verschlossensein = ich bin eingeschlossen.
Schliesslich scheint im Mam -em die reguläre Endung des Infinitiv
Präsentis, -im -in die des Infinitivs Präteriti zu sein.
Als letztes konsonantisch auslautendes Suffix hätten wir dann noch
-ab -eb -ib -ob -üb. Die eigenthümliche Bedeutung desselben habe ich
schon ol»en bei der Besprechung des Imperativ -Futurs des ^[aya aus-
führlich klar gelegt.
Es bleiben nun noch die vokalisch auslautenden Suffixe -o, -ou, -u
und -e. — Die ersteren drei sind vollständig parallel dem Suffix -an -en
-in -on -un und haben neben diesem ihre Besprechung beim Yerbuni ab-
sohituni gefunden.
Das Suffix -e ist parallel dem Suffix -ab -eb -ib -ob -üb und ist im
Anhang zu diesem besprochen worden. Es kommen jedoch noch Fälle
der Verwendung dieses Suffixes vor, die anders geartet zu sein scheinen.
— Das ist einerseits die Verwendung im (ju'iche, wo es nach Brasse ur
mit dem Personalpronomen konstruirte neutrale Verben (von transitiven
Yerbalstämmen abgeleitet) l»ilden soll.
Und dann finden wir das Suffix im Ixil in einer Art infinitivischer
Verwendung, bei neutropassiven Stämmen verwendet und Themata bildend,
die mit dem Possessivpräfix verbunden theils Präterita, theils Präsentia
ergeben :
v-ul-e (mein Gekommensein) = ich kam,
ni v-ul-e (mein jetzt Gekommensein) = ich komme
Schliesslich erwähne ich noch, ilass sowohl das Suffix -ic wie das
Suffix -e — vermuthlich wegen der (dnfachen demoustrativen Bedeu-
tung, die ihnen ursprünglich inne wohnte, in einer Weise abgeschwächt
auftreten, (hiss sie nur noch als Exjjletivpartikeln zu fungiren scheinen.
So ist -ic im Quiche und Cakchiquel die selten fehlende Partikel, mit
welcher der Satz abgeschlossen wird,
apazvari c-u ban Pablo f was thut Paul? tziban ic er schreibt.
L'nd ebenso erscheint -e im Maya und im Ixil, theils am Schluss des
Satzes, theils am Ende von Abschnitten desselben, in einer Weise, dass
1-26 Erster Abschnitt: Sprachliches.
es einem wirklich schwer wird, ihm noch irgend welche Bedeutunu' beizu-
messen; z. B. in der Chronik des Nakuk l'ech:
lue toon ix kam-e tu oaolal-ob-e nnd wir nahmen sie auf mit Auf-
merksamkeiten.
Hier fungirt allerdings das erste -e in einer Weise, wie wir -ic ver-
wendet finden.
^wir waren diejenigen, die sie aufnahmen."
Aber was dann das zweite e besagen soll, ob es nur das mit dem
ersten Gesagte noch einmal aufnehmen soll, oder was sonst, vermag ich
nicht zu sagen.
SchlQSsbemerliuugeu.
In jeder sich entwickelnden Sprache machen sich" neben einander
zwei entgegengesetzte Prinzipien geltend. Das eine bedingt ein Proli-
feriren. das Auftreten einer Fülle verschiedener Formen für denselben
Gedanken, dieselbe Beziehung. Das zweite bedingt ein Zurückschneiden
der Triebe durch das zur Herrschaft gelangte Differeuzirungsstreben. Für
ilie Wirksamkeit dieser beiden Prozesse im Gebiete der 3Iaya- Sprachen
glaube ich in dem vorstehenden Abschnitt Material genug beigebracht zu
haben. Im Uebrigen kann ich auch nicht entfernt daran denken, die hier
sich aufdrängenden Fragen in der Weise, wie sie eigentlich behandelt
werden müssten. zu erledigen. Dazu wäre erforderlich das ganze Material
der Sprache heranzuziehen, der Formenlehre und Syntax in allen ihren
Wandlungen nachzugehen. Dazu bietet diese kleine Abhandlung keinen
Kaum, und unsere Kenntniss dieser Sprachen ist auch noch zu lückenhaft,
das Material, «las wir benutzen können, zu unvollständig.
Am meisten habe ich bedauert, dass für das 3Iam mir nicht nielir
Material vorlag. Die kurzen Xotizen. welche Pimente! gibt, lassen er-
kennen. <lass die bekannten Verhältnisse der anderen Maya-Spracheu auch
hier die Grundlage bilden. Doch scheinen eine Reihe interessanter Be-
sonderheiten zu existiren, die uns für die Auffassung der Sachverhältnisse
auch in den anderen Sprachen Aufschluss gewähren könnten. Hoffen
wir, dass in nicht zu ferner Zeit ein kundiges Ohr und eine berufene
Hand die Lücke füllen.
Im Uebrigen, glaube ich, werden die obigen Betrachtungen und Nach-
weise genügen festzustellen, dass ein Gesetz in der exuberanten Vegetation
von Suffixen und Formen herrscht, und dass es gleichartige und parallele
Bildungen sind, die, die einen hier, die anderen dort, vorherrschen und
der jedesmaligen Sprache ein besonderes Gepräge zu geben scheinen.
Notice sur les langues Zapoteque et Mixteque. 127
3.
Notice sur les langues Zapoteque et Mixteque.
Comptc rendu de la VIIF'me Session du Congres International des Americanistes.
Paris 1890, pag. 550—555.
C'est pour des raisons puremeiit pratiques. afin de gagner un poiiit
d'appui dans l'etude des antiquites du pays des Zapoteques, qiie, duraut
ces dernieres annees, je me suis efforce de faire la connaissance de la
laiigue zapoteque et de ses alliees et de peiietrer les lois qui gouverneut
ces Jangues. J'ai reuni les resultats de mes etudes dans un petit memoire
que je pense publier dans quelque temps. Pour niaintenant, je demande
la permission de sigualer tel ou tel point qui parait d'interet special.
La prononciation et la forme des mots varient considerablement. Pour
,,je pique". ou „je perce aveo une fleche" on dit dans le district de
Tlacolula tdo-a, dans celui d'Ocotlau rUu-a; pour „celui qui pique'\ on
dit la peni-cöto et ici benni-göto. Quant ii la region des Mixteques, on
dit par exeraple, a Tepozcolula dzutundi ou taandi mon pere, et a Yanhuitlan
rMaa nchu. Pour „le travail" on dit a Tepozcolula tnino ;i Yanhuitlan
chino. Mais, en general, ce sont des lois tres precises qui president aux
variations et aux nuances de la prononciation. .I'ai pu le constater, parce
que. pour la langue zapoteque. j'avais ä ma disposition l'ancien vocabulaire
tres complet du tres reverend pere Fr. Juan de Cordoba. qui collectionna
ses phrases dans le district de Tlacochahuaya. et un autre vocabulaire
manuscrit. aussi bien complet, qui fut compose en mil sept cent quatre-
viiigt-treize ä Saint-Martin Tilcagete du district d'Ocotlan. Et pour les
dialectes Mixteques on pourra constater la meme chose, en comparant
l'ancienne grammaire du tres reverend pere Fray Antonio de los Reyes.
ecrite dans le dialecte de 'rej)Os<'olula. et le catecliisme. publie par le
))('re Fray Antonio Gonzales en mil sept cent dix-neuf, qui appartient
au meme dialecte, avec les catechismes en „Idioma Mixteco segun se habla
en los curatos de la Mixteca Baja et en Idioma Mixteco Montanez". publies
])ar Teveche de Puebla en mil huit cent trente-sept.
Les elements constituants de tonte langue soTit ces associations simples
de sons articules qu'on s'est accoutume crappeler les radicaux, et que
riiomme inventa pour designer les choses palpables qui se presentaient ä
liii dans ses environs immediats. T.a langue naipiit au nioinent oii se
l^js Erster Abschnitt: Sprachliches.
forma une regle poiir associer ces sons coinplexes suivciiit le rapport qui
existait ou quoii croyait voir entre les choses nieme. Le moyeu le plus
simple <le mettre en avant eette assoeiation. cetait de distiiiguer j>ar la
Position le sujet et le verbe. le substantif et ladjectif. le possesseur et la
chose possedee. Voila la loi syntactique la plus elementaire. La formatiou
de eette loi nVst pas la raeme dans les differentes langues. mais eile est
eil vigueur daus toute laugue. si compliquee quelle soit. Et generale-
lueiit. eile est siiivie dune mauiere d autant plus rigoureuse. qut' la langiie
iiieme est moins compliquee. Les langues mixteques-zapoteques suiveut
la regle de mettre la uotiou qualiliante apres la uotiou qualifiee. Et
coiume iiotion qualitiante ne figureiit pas seulenient Tadjettif vis-ii-vis de
soll substantif. j)as seulement ladverbe vis-ä-vis de soii verbe. mais aussi
le sujet vis-ji-vis du verbe. C est le fouclionnemeut de eette regle qui
me prouve que le verbe et le nom entrent dans la meme categorie.
Je cite eomnie exemples pour le fonctionuemeut de la regle signab^e.
»Ml laugue Mixteque:
tay-yaha oet bomine. tuy-cuisi boiunie blaue.
tay-yucu bomme de la moutague. montagnard.
ihe-quete la bete est debout. iiie-tejidolio la cruclie est debout.
yo-siiii-mani-itahii-ndi je vois avec bienveillance siir quelquun.
yo-smi-vhui-naha-ndi je vois avec haiiie sur quelqu nn.
En laugue zapoteque:
peni-tij ou benni-Hj cet homme. manni-Hj cet aniinal.
guela-yaa uuit claire. guela-tola nuit obscure.
peni-tani montagnard. late-tani pays montagueux.
tago-a je mange. tago-xata-yu je niauge V)eaucoup.
ri/iaa-ckn-ya je vois avec bienveillauce sur quelqu uu.
n naa-todo-ya je vois avec haine sur quelquun.
Dapres eette loi. le regime direct ou indirect fonctionne egalement
corame notioii qualifiante. a peu pres de la meme mauiere. comme uu
adverbe, et pour eette raison est incorpore ;i la locutiou verbale, p.. e.. en
Mixteque:
yo chihi-iiuhu-fidi je mets le feu h quelque cbose.
yo-chihi-cattiu-ndi j'attacbe un iiceud ;i quelque chose.
Xaturellement. il n'est pas tont a fait de rigueur d incurporer les
ailverbes et les regimes. C'ela se defeud en raison de la constinictiou de
la phrase, qui deviendrait n-op compliquee; cest une conseqiience de la
faiblesse de la pensee humaine. qui est incapable dembrasser dun trait
la notioii et tous ses qualifiants. Alors c'est par la postposition. par des
Supplements qui. naturellement sont prouonces apres la declaration ])riu-
cipale, quon cherche a completer la phrase coramencee.
Les eategories les plus elementaires et principales dans une laugue
sont Celles qui correspondent aux notions du sujet. c"est-ä-dire de la per-
"). Noticc sur les langues Zapoteque et Mixte(|ue. 129
sonne qui parle, et de la personne, a laqnelle les i)aroles se dirigent.
C'est un fait tres curieux que dans la langue zapoteque il y a un radical
(|ai change sa voyelle suivant la personne qui le (|ualifie. C'est le verbe
au aller, cpii se coiijugue de la niauiere suivant(!:
i'l-aa-ifa^ ri-ee-lo^ ri-ee-ni je vais, tu vas, il va,
ri-oo-ton-oo, ri-ee-too^ ri-ee-ni nous allons, vous allez, ils vont.
Nous voyons que \a se modifie en e pour distinguer la preniiere
personne de la seconde et de la troisienie, c"est-a-dire pour distinguer
celui qui parle des autres auxquols ses paroles s'adressent ou qui sont en
dehors de la conversation inunediate. Et nous voyons que Va se modifie
en 0 j)Our distinguer celui qui parle de la totalite qui enibrasse celui-meme
qui parle et les autres. Cette nienie loi fonctionne dans bon nombre de
prefixes.
Xous rencontrons la moditieation de 1"« en e ou o eneore ailleurs
dans la langue zapoteque. La voyelle a s'emploie pour designer un aller,
un mouvement a un point eloigne de celui qui parle, et l'action de faire
une chose ])0ur la premiere fois. La voyelle e semploie pour designer
larrivee, le retour, la repetition, p. e.:
aa. zaa aller, ele, ete venir,
zaa aller, ezaa aller de nouveau,
aca^ zaca etre fait, eaca, ezaca etre fait de nouveau.
Dans d'autres cas la voyelle a signifie la direction en haut, la voyelle
e la direction en bas, p. e:
aa monter, quiaa^ caijaa en haut,
ete descendre, queta, quete en bas,
aza sauter en haut, aze tomber en bas,
liza eriger, elever. Uze, Ute incliner, abaisser,
bau en haut, heureux, riebe, fortune, bee etre assis sur la terra ou
tirer quelque chose du fond dune autre,
baa-bee pele-mele, soudain.
De meme la voyelle a signifie la surface, la voyelle o Liuterieur:
aa etre etendu sur la surface, oo etre dans Tinterieur d'une chose,
caa mettre un objet sur la surface d'un autre, c.oo le mettre dans
l'interieur d"un autre,
zaa aller sur la surface d'une chose, zoo etre debout dans un
certain point,
zaa-zoo pele-mele, soudain.
II resulte de ces exemples que la niodification de Ya en e ou en
0 signifie une difference de la direction. Peut-on en deduire que la modi-
tieation semblable, par laqnelle se distinguent la premiere personne de la
seconde et la premiere personne du singulier de la premiere personne du
pluriel, se derive de ce (pie les differences des personnes dans Torigine ne
sont pas autre chose quune diiference de direction? Je crois que oui.
Seier, (Gesammelte Abhandlungen 1. y
IgQ Erster Abschnitt: Sprachliches.
Car si vraimeut il en est aiusi. comme uiie differeuce de la direotion iie
represente que deux extremes, il en resulte comme cousequeuce logique
qu'a Torigine le pronom de la secomie personne doit etre le merae que
celui de la premiere personne du pluriel. Et c'est justement ce qu'on
observe dans les langues zapoteque et mixteque. Dans la langue zapoteque
le pronom de la premiere personne du singulier sVxprime par la voyelle
a, les autres personnes par la voyelle o, mais on place devant lui, la
consonne /, pour designer la seconde personne du singulier; la consonne t
ou r. pour designer la seconde personne du pluriel; et la consonne n, pour
designer la premiere personne du pluriel, p. e:
pizaana-ya ma soeur, pizaana-lo ta soeur,
pizaana-noo notre soeur, pizaana-too votre soeur.
11 Y a plus de Variation dans les dialectes mixteques, mais on re-
connait toujours que les memes affixes servent pour la seconde personne et
pour la premiere personne du pluriel. Dans la langue de Tepozcolula,
c'est la voyelle i qui fonctionne pour la premiere personne du singulier,
la voyelle o qui fonctionne pour les autres personnes; mais toujours les
voyelles sont unies ä une dentale, qui dans ce dialecte se prononce comme
un d ou uu d nasal:
dzutu-ndi mon pere, dzutu-ndo ton pere,
dzutu-ndoo notre pere, dzutu-ndohoo votre pere.
Dans les autres dialectes Vi de la premiere personne se remplace
par un u court, et la dentale se transforme en une /, ou r ou _?/, et dans
la seconde personne quelquefois dans la palatale ch, et meme dans la
gutturale g.
Les dialectes zapoteques et ceux de la langue mixteque presentent
cette differeuce, que les premiers emploient la voyelle a pour la premiere
persoune du singulier, les derniers la voyelle i. Par contre, c"est la voyelle
i qui. dans la langue zapoteque, sert a designer la troisieme personne et
le demonstratif, et c'est la voyelle a, par laquelle. dans les langues mix-
teques, ces personnes s'expriment.
On voit ainsi que les transformations des langues se gouvernent, en
premier Heu, par recononiie, par la necessite de tenir compte du nombre
restreint des sons, qui sont a leur dispositiou. Je ne peux entrer ici dans
toutes les peripeties de ces langues simples, mais bien developpees. Ce
que j'ai eu riiouneur de vous presenter. vous servira de preuve qu'il y a
des problemes interessants a resoudre partout oü, sur l'ancien sol du
Nouveau-Monde, on veut enfoncer la beche.
Zweiter Abschnitt.
Bilderschriften.
^fp
1.
Der Codex Borgia und die verwandten aztekischen
Bilderschriften.
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. "22. Januar 1887.
Zeitschrift für Ethnologie XIX, S. U05)-(114).
Unter den in der Kingsborough' sehen Sammlung enthaltenen Bilder-
schriften nicht historischen Inhalts befindet sich eine Anzahl, die ihrem
Inhalt und der Art der Darstellung nach unstreitig zusammengehören.
Das sind:
1 . der zweite Theil des Codex Telleriauo Remensis und die vorderen
Tafeln des Codex Vaticanus A.;
2. der Codex Borgia, Vaticanus B., Bologna, Fejerväry und Codex
Laud, welche letztere beide wieder, dem Styl der Darstellung
nach, unter sich die grösste Aehnlichkeit zeigen;
8. der Codex Viennensis und die Codices der Bodley- Sammlung,
welchen sich ein im Besitz des Frhrn. von Waecker - Götter,
des deutschen Ministerresideriten in Mexico, befindlicher Codex
anschliesst, der mit leider ziemlich verwischten tzapotekischen
liegenden versehen ist.
Für die ersten beiden dieser Codices, den Codex Telleriauo Remensis
und Vaticanus A., existiren verlässliche Interpretationen, aus den ersten
Zeiten nach der Conquista stammend und von Missionaren herrührend, die
in langjährigem persönlichem Verkehr mit der Bilderschrift kundigen Ein-
gebornen standen. Für die anderen fehlen solche. Denn die Interpretation,
welche der Jesuit Fabregat für den Codex Borgia geliefert hat, ist nur
eine Studie auf Grund des von den beiden erstgenannten gelieferten
Materials und stammt aus einer Zeit, wo die Kenntniss der alten Bilder-
schrift im Volke nicht mehr vorhanden war. Bei einer Durchmusterung
der Handschriften der Gruppe 2 erkannte ich, dass die Hauptdarstellungen
des Codex Telleriauo Remensis und Vaticanus A., theils direkt, theils in
234 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
verwandten Darstellunuen. auch in den Handscliriften dieser Gruit}»e wleder-
keln-en. Diese AVahrnelmiung veranlasste mich, eine genaue Vergleichung
dieser Handschriften vorzunehmen, um. von <lem festen Punkte aus, der
durch die vorhandene Interpretation des Codex Telleriano Remensis und
Vaticanus A. gegeben ist. womöglich zu einer Erklärung des Inhalts dieser
Schriften vorzudringen. Dabei ergab sich, dass die Handschriften dieser
Gruppe in der That nicht verschiedene Dinge behandeln, sondern dass
eine bestimmte, verhältnissmässig kleine Zahl von ( rrundschriften in den
verschiedenen dieser Handschriften typisch wiederkehrt.
Die Anordnung der Theile imd die Folge der Darstellungen ist in
den verschiedenen Codices sehr verschieden. Der Fortgang ist theils von
links nach rechts (von vorn nach hinten), theils von rechts nach links
(von hinten nach vorn), über verschiedene Blätter weggehend, oder auch
unten rechts beginnend, nach links fortschreitend und dann umkehrend,
oben nach rechts sich bis zum Anfang fortsetzend, oder umgekehrt. Beim
Codex Telleriano Remensis, Vaticanus A. und Bologna l)ezeichnet das
erste Blatt der Kingsborough" sehen Zählung den Anfang des Codex;
beim Codex Fejerväry und Codex Laud das letzte Blatt. Beim Codex
Borgia bezeichnet das 38. Blatt der Kingsboroughschen Zählung den
Anfang, und die Darstellung schreitet dann von rechts nach links bis zum
Blatt 1 fort und setzt sich weiter von Blatt 76 bis zuriick zum Blatt 39
fort. Der Codex Vaticanus B. enthält zwei verschiedene Theile: der eine
beginnt auf Blatt 49 und ist von vorn nach hinten zu lesen, der andere
auf Blatt 48 und ist rückwärts von hinten nach vorn zu lesen.
Bei der folgenden Liste von Parallelstelleu ist überall die Kings-
boroughsche Zählung zu Grunde gelegt. Ich beginne mit dem Codex
Bologna, dessen Anfang das erste Blatt «ler Kingsborough "sehen Zählung
ist. Es ist:
Cod. Bologna 1—^ = Cod. Borgia 31— 38 = Cod. A^it. B. =49-ö6,
9—11= _ .. 61—6-2= „ .. .. -13—17-
rj — 13= .. Fejerväry 11 — l'J unten = den oberen Mittel-
gruppen der unteren Abtheiluug der Blätter 63
bis 66 des Codex Borgia,
14 — •_'4 enthalten, wie die Blätter 23—40 des Codex Fejer-
väry, neben <len Figuren hohe Zahlenzusammenstellungen. Die
Bedeutung derselben habe ich aber noch nicht euträthseln und
direkte Parallelen auch noch nicht auffinden können.
Beim Codex Fejerväry ist überall von hinten nach vorn zu lesen, und
ich beginne daher mit den hinteren Blättern:
Cod. Fejerväry 44 hat eine gewisse Parallele in Codex Laud 1 und
ausserdem, wie Cyrus Thomas nachgewiesen, in Blatt 41. 42
des Mava Codex Cortesianus.
1. Der Codex Borgia und die verwandten aztekischen Bilderschriften. 135
Cod. Fejerviiry 41 — 43 = Cod. Boryia 25 = Cod. Tat. ß. 67 — 70 unten
und 71.
Die Blätter 31 — 40 des Cod. Fejerviiry sind interes.sant durch die
hohen Zahlen, die auf ilnien angegeben sind. Sie erinnern dadurch an
Cod. Bologna 14 — 24, ilodi luibe ich noch keine direkte Parallele aus-
tindig machen können.
Das Gleiche gilt von Blatt 29—80 und von Blatt 23-28.
Cod. Fejervary 20 — 22 unten = Cod. Vat. B. 57 — 59 oben,
16 19 unten, hat keine direkten Parallelen,
16—22 oben -Cod. Borgia 22—34,
= .. Vat. B. 81—90 oben,
13 — 15 unten = ., Vat. B. 57 — 59 unten,
13 — 15 oben =- ,. Borgia ()0,
11 — 12 unten = ,. Bologna 12—13 = den oberen
Mittelgrupjien der unteren Abtheilung
der Blätter 63—66 des Codex Borgia,
11 — 12 oben, hat keine direkten Parallelen,
„ .. 8 — 10 unten = Cod. Borgia 58,
2 — 7 unten, Parallelen fehlen,
5 — 10 oben, Parallelen fehlen,
3 — 4 oben ^ Cod. Vat. B. 72 — 75 = den Gruppen der
oberen rechten Ecke der unteren Ab-
theilung der Blätter 63 — 66 des Cod.
Borgia,
2 oben, hat keine direkte Parallele,
1, hat ebenfalls keine direkten Parallelen.
Beim Codex Land ist ebenfalls von hinten nach vorn zu lesen Dieser
Codex, der, wie schon oben erwähnt, im Styl grosse Aehulichkeit mit dem
Codex Fejervary hat, fällt insofern aus der Reihe der übrigen heraus, als
bt'i ilmi nur wenige Stücke direkt mit anderen zu parallelisiren sind.
Es sind das:
Blatt 33 -38 = Codex Borgia 55—57 -- Cod. Vat. B. 81- 90 unten,
2, das zu vergleichen ist mit Codex Borgia 22 unten,
1, das zu vergleichen ist mit Blatt 44 des Codex Fejervary.
Beim Codex Borgia beginne ich mit Blatt 38, das ohne Zweifel den
Anfang des Codex bezeichnet, uiul es ist überall von hinten nach vorn
zu lesen.
Cod. Borgia 31-38 - Cod. Bologna 1 - 8 - Cod. Vat. B. 49—56,
26—30 = „ Vat. B. 3—10 und 76-80,
25 = „ Vat. B. 67—70 unten,
= .. Fejervary 41—43,
136 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Cod. Boro;ia 22 oben bis 24 ^ Cod. Vät. B. 81— iU) oben.
=^ y, Fejerviiry IG— 22 oben,
22 unten ist zu vergleichen mit dem Blatt 2 des Codex
Land. Die 20 Tageszeichen sind den verschiedenen
Körpertheileu eines Gottes zugeschrieben; nur steht
hier der Gott Tezcatlipoca, auf dem BLitt des Codex
Land der (Jott T/aloc,
1'^— 21, eine sehr merkwürdige und interessante Dar-
stellung, für die ich aber noch keine direkte Parallele
gefunden habe.
17 oben = Cod. Yat. B. 20 b,
15 — 17 habe ich ebenfalls noch keine Parallele ausfindio-
machen können,
U = Cod. Tat. B. 27,
13 fehlt eine direkte Parallele,
„ 12 = Cod. Yat. B. 28,
11 ist eine der vorigen (12) verwandte Darstellung: eine
direkte Parallele ist in den anderen Codices nicht zu
finden.
Auf Blatt 10 beginnt eine Anzahl komplizirter Darstellungen, die in
den anderen Codices keine Parallelen haben, und deren Bedeutung zu
euträthseln mir bisher auch noch nicht gelungen ist. Sie setzen sich l)is
Blatt 1 und von Blatt 76 bis Blatt 69 fort.
Die beiden rechten Felder der oberen und mittleren Reihe des Blattes 68
des Cod. Borgia sind = Cod. Yat. B. 61 — 62.
Die anderen Felder dieser Reihen und die obere und mittlere Reihe
des Blattes 67 = Cod. Yat. B. J8— 20a.
Die unteren Reihen der Blätter 67 und 68 enthalten offenbar eine,
den vorigen verwandte Darstellung, direkte Parallelen fehlen aber in den
anderen Codices.
Cod. Borgia 62 b — 66 unten ist eine interessante Darstelhmg. Wir
finden hier eine Art Kompilation, eine Zusammenstellung der Gottheiten
und Symbole, die auf die vier Himmelsrichtungen Bezug haben. Die Dar-
stellung als Ganzes hat keine direkten Parallelen in den anderen Codices,
wohl aber die einzelnen Theile derselben. So sind
die unteren Mittelgruppen zu vergleichen mit Cod. Yat. B. 6ä — 6i.K
die oberen Mittelgruppen = Cod. Bologna 12-13.
= ., Fejerväry 11 — 12 unten,
die Gruppen der rechten oberen Ecke = Cod. Yat. B. 72 — 75,
= .. Fejerväry 3-4 oben.
Für die anderen Grup])€n habe ich noch keine direkten Parallelen
gefunden.
1. Der Codex Boi-fria und die verwandten aztekisclien Bilderschriften.
137
Doch ist Cod. Borgia 62 b offenbar zu vergleichen mit der in der
mittleren Reihe miten des Cod. Yiennensis 87 befindlichen Gruppe:
Cod. Borgia G2b— 66 oben -= Cod. Vat. B. 67—70 oben,
ß'2 a oben =
61— 62 a unten =
„ . 1,
„ „ 13-17,
= „ Bologna 9—11,
60 = „ Fejervary 13—15 oben,
59 = „ Vat. B. 21,
58 = „ Fejervary 8 — 10 unten,
55-57 - „ Yat. B. 81—90 unten,
= „ Land 33 - 38,
45—54 = „ Vat. B. 29-48,
= ., Teil. Rem. IL 1—33,
= „ Vat. A. 17—56,
44 hat keine direkten Parallelen,
43 -- Cod. Vat. B. 24,
42 22,
41 -^^^ 23-
39-40 hat keine direkten Parallelen.
Codex Vaticanus B. enthält verschieden angeordnete und zu lesende
Theile. Ich beginne mit
Cod. Vat. B. 1 =r Cod. Borgia &2,
,, „ „ 2 fehlen direkte Parallelen,
3 — 10 (von hinten nach vorn zu lesen) = Cod. Vat. B.
76— 80 = Cod. Borgia 26—30,
11 — 12 fehlen direkte Parallelen,
13 — 17 (von hinten nach vorn zu lesen) -- Cod. Borgia
61— 62 = Cod. Bologna 9—11,
, 18 — 20 a (von hinten nach vorn zu lesen) = Cod. Borgia
67— 68 a,
„ „ 20b = Cod. Borgia 17,
„ 21 (hierzu gehört auch die Reihe der Tageszeichen, die
auf der rechten Seite des vorhergehenden Blattes 20 b
steht),
= Cod. Borgia 59,
22= „ „ 42,
, 23= „ ., 41,
24 -- 43.
., 25 hat keine direkten Parallelen in den Codices dieser
Gruppe, dagegen sind die zwölf Figuren, die 4uf der linken Seite des
Blattes 25 des Codex Viennensis stehen, in direkte Parallele zu stellen
mit den neun Figuren hier. — Uebrigens das einzige Beispiel einer Konkor-
13^ Zweitor Abschnitt: lüMorschrifteii.
(laiiz des Wiener Codex mit den Codices der Borgia- Gruppe, das mir
bislier aufgestossen ist.
Cod. Yat. B. ^2(^ hat keine direkten Parallelen.
-JT-Cod. Borgia U,
-28= .. „ 12.
,. 29 — 48 (von hinten naeli vorn zu lesen) = Cod. Borgia 4;')
bis 54,
= Cod. Teil. Rem. II. 1— 33, - Cod. Yat. A. 17—56,
49 — 5() (von vorn nach hinten zu lesen) = Cod. Borgia
31—38,
= Cod. Bologna 1 — 8,
57 — 55' oben ^ Cod. Fejervary 20 — 22 unten,
57 — 59 unten = ,. „ 13 — 15 unten,
60 hat keine direkte Parallele,
61 — 62 = den beiden rechten Feldern der oberen und
mittleren Reihe des Blattes (i8 des Co<lex Borgia,
63 — 64 hat keine direkte Parallele.
65 — iM) ist zu vergleichen mit den unteren Mittelgruppen
der unteren Abtheilungen der Blätter 63 — 66 des Cod.
Borgia,
67 — 70 oben = Cod. Borgia 62—66 oben,
67 — 70 unten (von vorn nach hinten zu lesen) und 71
= Cod Borgia 25 = Cod. Fejervary 41—43,
72 — 75 (von vorn nach hinten zu lesen) = Cod. Fejer-
vary 3 — 4 oben = den Gruppen der oberen rechten
Ecke der unteren Abtheilung der Blätter 63 — 66 des
Codex Borgia,
76 — 80 (oben beginnend, von vorn nach hinten und rück-
laufeud unten von hinten nach vorn zu lesen) = Cod.
Yat. B. 3— 10 = Cod. Borgia 26-30,
81 — 90 oben (von vorn nach hinten zu lesen) = Cod.
Borgia 22 — 34 = Cod. Fejervary 16—22 oben,
.... ..81 — 90 unten (von hinten nach vorn zu lesen) = Cod.
Borgia 55 — 57 = Cod. Land 33-38,
„ 91 — 96 hat keine direkten Parallelen.
Was nun den Inhalt dieser Schriften angeht, so ist derselbe im Wesent-
lichen astrologischer Xatur.
Wie bekannt, bildete die Grundlage der aztekischen Zeitrechnung ein
Monat von 20 Tagen, dessen einzelne Tage besonders, und zwar mit den
Xanien bestimmter, greifbarer Gegenstände, Thiere u. A. , bezeichnet
wurden. Der Ursprung dieser Zeichen ist unbekannt. Man hat vielfach
versucht, für diesen 3Ionat von 20 Tagen eine astronomische Grimdlage
zu finden: bislier mit nicht viel Glück. Mir scheint das vigesimale Zahl-
1. Der Codex Borgia und die verwandten aztekischen Bilderschriften. 139
System, das bei sämmtlichen Völkern des inexikauischen Yölkerkreises im
(Jebrauch war, eine g-enüg-ende Erklärung- zu bieten. Neben dieser Kechnung
läuft eine andere einher, bei der die Tage in (jrruj)pen von 13 Tagen zu-
sanimeugefasst wurden. Diese Grrup])en hatten, wie es scheint, eine l)e-
stimnite astronomische Bedeutung. Sie bezeichneten einmal den Zeitraum
(ivto^oliztli, „das Wachen" genannt), in welchem der Mond des Nachts am
Hinmiel sichtbar ist; nnd dann den Zeitraum (cochüiztli, „das Schlafen''
genannt), in welchem der Mond nur bei Tage am Himmel erscheint und
des Nachts unsichtbar bleibt^). Durch eine Kombination dieser beidun
Rechnungen, indem man die Tage einmal mit dem ihnen zukommenden
Tageszeichen (einem der 20) benannte, andererseits die Ziffer angab,
welche ihnen nacli ihrer Stellung in dov Woche von 13 Tagen zukam,
ergab sich, dass erst nach einem Zeitraum von 13 ■:20, bezw. 20X13, d. li.
2()0 Tagen es eintraf, dass ein Tag w'ieder dasselbe Zeichen und dieselbe
Ziffer erhielt, wie ein vorhergehender. Dieser Zeitraum von 260 Tagen
wurde Tonalamatl, „Buch der Sonnen od.er der Tage", genannt, und
dieses Tonalamatl ist es, welches die eigentliche Wissenschaft der Tonal-
])Ouhque, der „Sonnenzähler" oder Auguren, ausmacht.
Wir haben in den Berichten der alten Missionare bestimmte Angaben
darüber, wie diese Auguren verfuhren. Es galten nämlicli sowohl von
den Ziffern (i — 13), wie von den 20 Zeichen die einen für glücklich, ilie
anderen für unglücklich, die dritten für indifferent oder richtiger für zweifel-
haft, bald Grlück, bald Unglück bringend; und zw'ar wurde nicht nur Zeiclien
und Ziffer des Tages selbst beachtet, sondern das Anfangszeichen einer
Woche von 13 Tagen erstreckte seinen Einfluss über die ganze Woche.
Der Einfluss, den ein Zeichen übte, äusserte sich übrigens in bestimmter
Art, je nach Natur und Bedeutung des Zeichens. Weiter aber ergaben
sich einerseits aus der Natur des Zeichens Beziehungen zu bestimmten
(iottheiten, andererseits wurden wohl auch bestimmte Reihen von Gott-
heiten oder Manifestationen einer Gottheit zu den verschiedenen Ab-
theilungen des Tonalamatl in Beziehung gesetzt. Denn anders lässt es
sich wohl kaum verstehen, wenn Durän^) das Handwerkszeug eines solchen
Auguren beschreibt als „un papel pintado de cuantos idolos habia y ado-
raban, donde tenian cada idolo en su casa junto ä estos dieses
estaban pintadas las letras de los dias del mes de su calendario. Sobre
este papel echaban suertes y conforme ii como caia pronosticaban; y si
caia la suerte sobre el Dios de la vida, decian que era de larga vida" etc.
Wenden wir uns nun zu unseren Handschriften, so zeigt uns die
Hauptmasse derselben weiter nichts als Darstellungen des Tonalamatl, voll-
ständig oder in verkürzter Form, mit Figuren von Göttern, die. wie es
scheint, den einzelnen Abtheilungen desselben vorstehen.
1) Gama, Dos piedras p. 27.
2) Edit. Mexico 11. p. 259.
"14:0 Zweitor Al'schiiitt: ßildcrscliriftoii.
Die Anordnung des Tonalaniatl ist dabei eine zweifache:
Einmal ist dasselbe, in Wochen abgetheilt, aufgeführt, jede AVoche
mit der ihr präsidirenden Gottheit. Das ist die Redaktion, die im Codex
Telleriano ]\eniensis IL 1 — 33 und Cod. Tat. A. 17 — 5(i, sowie im Cod.
Borgia 45 — 54 und Yat. B. •29—48 vorliegt. Die Interpreten des Cod. Teil.
Rem. und des Yat. A. geben die Namen der Gottheiten an, und die Figuren
der anderen Codices entsprechen diesen genau. Sie sind von grossem
Interesse, weil wir darunter Namen finden, die von den Historikern nicht
oder nur ganz beiläufig erwähnt werden. Die ganze Reihe der Kalender-
gottheiten ist offenbar eine von den (Jottheiten des staatlichen Kults ver-
schiedene. Auf eine Diskussion der Bedeutung derselben kann ich hier
nicht eingehen; sie soll an anderer Stelle gegeben werden, wo ich auch
'die Abweichungen, welche die Codices Borgia und Yaticanus B. gegenüber
Teil. Rem. und Yat. A. zeigen, besprechen werde.
Bei der zweiten Redaktion des Tonalaniatl sind die Zeichen der ersten
vier Wochen (4X13 Tage) hinter einander geschrieben, darüber die der
zweiten, darüber die der dritten, vierten und fünften vier Wochen. So
erhalten wir 4x13 = 52 Vertikalreihen von je 5 übereinander stehenden
Zeichen, wo jede 5. Reihe immer wieder dieselben Zeichen, nur in anderer
Reihenfolge, enthält und alle Zeichen derselben Reihe dieselbe Zitier
Tragen. So ist das Toualamatl im Codex Bologna 1—8, im Codex Borgia
31—38 und Yaticanus B. 49 — 56 neschrieben. Die Vertikalreihen sind am
Fuss- und Kopfende von Götterfiguren oder symbolischen Darstellungen
begleitet, in denen eine bestimmte, nicht sehr grosse, wiederkehrende Zahl
gewisser Typen zu erkennen ist. Die Bedeutung dieser Figuren ist offenbar
in sämmtlichen drei Codices die gleiche, doch sind die Darstellungen in den
verschiedenen Codices nicht ganz übereinstimmend. Beispielsweise ent-
spricht im Codex Yaticanus B. zwar die untere Reihe der Darstellungen der
unteren Reihe in den beiden anderen Codices genau, die obere Reihe
dagegen erscheint in einzelneu Partieen gegen die obere Reihe des Codex
Borgia um eine oder gar zwei Stellen verschoben.
Bei beiden Redaktionen sind ausserdem, in einzelnen Codices, die auf
einander folgenden Tage begleitet von einer von 9 Gottlieiten, deren Reihe
gewöhnlich als die „senores de la noche" oder „acompaüados de la
uoche'' bezeichnet wird. Ihre Namen sind nämlich im Boturini mit der
Silbe yolnia komponirt. Augenscheinlich bedeutet das aber nichts Anderes
als „der von dem und dem Gott begleitete" und ist Bezeichnung des be-
trefi'enden Tages. Denn -liua ist Suffix des Besitzers und -yo die Silbe,
welche Concreta in Abstracta verwandelt, eine Umwandlung, die regel-
mässig vorgenommen werden muss, wenn ein Gegenstand als von Natur
zu einem anderen gehörig betrachtet werden soll. Auch diese Gottheiten
galten, wie die Tageszeichen selbst und wie die Nummern, die ein Tag
in seiner Woche hat, theils als glücklich, tlieils als unglücklich, theils als
1. Der Codex Borgiii und die vorwnudten aztekischen Bilderschriften. 141
zweifelhaft. Man sieht, was für ein weites Fehl diese Kombination von
Nummer, Zeichen und ( Jottheit dem Auguren eröffnete. Was nun die (Jott-
heiten selbst angeht, so geht aus (h'in Blatt 44 des Codex Fejervary un-
zweifelhaft hervor, dass die Zahl von !) dadurch zu Stande kommt, dass
immer je '2 einer der 4 Himmelsrichtungen zugeschrieben und einer der
Ciötter das Centrum oder, wenn man will, die Kichtung von oben nacdi
unten oder umgekehrt bezeichnet. Das Centruni bezeichnet Xiuhtcotl, der
Gott des Feuers, dem Osten werden Ttztli {Tezcatlipoca) und Tonatiuhy dem
Süden Cmieotl und Mictlanteotl, dem Westen Chalclduläliaie und Tlacolteotl^
dem Norden Tepei/oUotl und TLiloc zugeschrieben.
Neben den vollständigen Darstellungen des Toiiahimatl finden sich nun
aber auch solche, welche dasselbe in abgekürzter Form darstellen, ge-
wissermaassen nur einzelne springende Punkte desselben hervorheben.
So finden wir auf den Tafeln (M und f)8 des Codex Borgia und ent-
sprechend auf den Tafeln 18 — 20 des Cod. Yaticanus B. die Wochen ce
ma^atl (eins Hirsch), ce quicüiiiitl (eins Regen), ce ocomatli (eins Affe), ce
calli (eins Haus) und ce quautli (eins Adler) dargestellt durch das Anfangs-
und Endzeichen der Woche, ein dazwischen liegendes Zeichen und
10 Punkte. Und neben ihnen sind Frauengestalten gezeichnet, verschieden
gefärbt und in Tracht und Ansehen der Tla^olfeotl gleichend (der Göttin
der Liebe, d h. der, w'elche die sündliche Liebe, den Ehebruch, verfolgt).
Nun finden wir im Sahagun gerade diese 5 Tage angegeben, als die Tage
oder Wochen, an denen die Ciuapipiltin, die gespenstischen Weiber, die
im Westen hausen, zur Erde uiedersteigen, die Kinder mit Krankheit
schlagend und die Männer zur Unzucht und Sünde verleitend. Es unter-
liegt keinem Zweifel, dass auf den genannten Tafeln diese gefährlichen
Wochen und die Art ihrer Gefahr bezeichnet werden sollten.
Bei weitem der Mehrzahl der Grundschriften liegt aber nicht das in
Wochen abgetheilte Tonalaniatl, sondern die Redaktion desselben zu Grunde,
welche die Tageszeichen in 5'2 Yertikalreihen von je ') Zeichen ordnet.
Es sind dann immer einzelne dieser Vertikalreihen voll hingeschrieben
und die Zwischenglieder durch Punkte markirt. Wichtig sind vor allem
diejenigen Blätter, auf denen das Tonalaniatl in vier Abschnitte gegliedert
ist. Vier ist die Zahl der Himmelsrichtungen, und so wird vier über-
iiaupt die heilige Zahl. Alles, was in iMythologie und Glauben unter der
Yierzahl untergebracht wird, hat also auf diesen Blättern seine Stelle.
Ausser der Viertheilung kommt aber auch Sechstheilung, Achttheilung u. s. w.
vor, und die verschiedenartigsten Reihen von (iöttern (und Festen?) können
also auf diese \N'eise in den Rahmen des Tonalaniatl untergebracht werden.
Auf Einzelheiten einzugehen, muss ich mir versagen, ich hoffe, wie er-
wähnt, die ganze Materie an auderer Stelle eingehender besprechen zu
können.
14: "J Zwoitcr Abschnitt: Bilderscliril'ten.
Schliesslioli werden die Taueszeieheu selbst einfach wie Ziffern ge-
braucht, um bestimmte Reihen von (Jottheiten in ihrer Ordnung aufzu-
führen.
80 finden wir die (rottheiten, welche in den Cod. Teil. Remensis
und Vaticanus A. und übereinstimmend im Codex Borgia und Vaticanus B.
als Scluitzgottlieiten der NA^ochenanfänge angegeben sind, im Cod. Borgia
('i(> — 30) und Vaticanus B. (3 — 10 und 7() — <S0) in nahezu derselben Reihen-
folge aufgeführt, aber neben ihnen nicht die 20 Wochenanfänge, sondern
die 20 Tageszeichen in der Ordnung, wie sie im Monat einander folgen.
Nur eine Unregelmässigkeit \st zu bemerken. Beim 11. Zeichen (ofomatli
Att'e). welches auch das 11. Zeichen in der Reihe der Wochenanfänge
bildet, ist der, den Schluss der Reihe der Wochenschutzgottheiten bil-
dende Feuergott ^) eingeschoben. Darnach aber geht die Reihe regelmässig
weiter bis zu XochiquetzaU die also hier den Schluss der Reihe bildet,
während sie unter den Schutzgottheiten der Woche an vorletzter Stelle steht.
Desgleichen findet sich auf der Tafel 25 des Cod. Borgia, und ent-
sprechend Cod. Tat. B. 67—71 unten und Cod. Fejerväry 41 — 43, mit den
Tageszeichen 1 — i> versehen, die Reihe der !) sogenannten Senores de la
noche (s. oben).
Auf anderen Tafeln ist in anscheinend unregelmässiger Weise eine
Reihe von Gottheiten neben den voll hingeschriebenen oder durch Punkte
angedeuteten Tageszeichen eines oder zweier Monate aufgeführt.
Schliesslich findet sich, und zwar übereinstimmend Cod. Borgia 55 bis
57, Cod. Tat. B. 81—90 unten und Cod. Land 33 — 38 eine Reihe von
Gottheiten, neben denen keine Tageszeichen stehen, sondern die Zifiern
2 — 2() durch Punkte markirt sind.
Dass das Sonnenjahr aus 365 Tagen besteht, wurde von den Mexikanern
unstreitig schon früh erkannt^). So ergab sich, dass bei «lern gleich-
massigen Weiterzählen von den zwanzig Tageszeichen nur vier, nämlich
das erste, sechste, eilfte und sechszehnte, auf die Anfangstage der Jahre
fielen. Nach diesen Anfangstagen wurden die Jahre benannt. Es scheint,
dass die Reihe der Tageszeichen ursprünglich mit acatl (Rohr) begann.
So wurden wenigstens die zwanzig Zeichen bei den in altvaterischer Sitte
lebenden Bewohnern der rauhen Berge von Meztitlan^) uml bei den Naua
1) [Die Identifikation der Gottheit des eilften Zeichens der Wochenanfänge
mit dem Feuergott ist ein Irrthum. Ich habe späterhin nachgewiesen, dass dieser
Gott des eilften Zeichens eine besondere Figur ist, der Gott der Tänze, Gesänge
und Spiele, der unter dem Namen Macuü xocliiü bekannt ist].
2) Die „Historia de los Mexicanos pur sus Pinturas'" sagt: Contavan el uiio
del equinocio per marco quando el sol hazia derecha la sombra, y luego como se
sintia qua el sol subia, contavan el primer dia.
;i) Coleccion de Documeiitos ineditos del Archivo de Indias IV. Madrid (1865),
pag. 530.
1. Der Codex Borjiia und die verwandten aztekisclien Bilderschriften. 143
des fernen Nicaragua^) gezählt. Später wnrde, wie es scheint, der Anfang
des Jahres um .52 Tage zurückgeschoben, während die Jahre in alter Weise
weiter benaunt wurden, so dass also das Jahr ce acatl (eins Rohr) mit
dem Tage ce cipactU (eins Meerungeheuer) begann. Die vier Zeichen
nun, acatl (Rohr), tecpatl (Feuerstein), calli (TIaus), tochtli (Kaninchen),
denen die Aufgabe, die Jahre zu bezeichnen, blieb, gewannen dadurch
besondere Bedeutung, und in der Vierzahl dieser Zeichen wurde selbst-
verständlich wieder die geheime Beziehung zu den Himmelsrichtungen und
zu der heiligen Zahl erkannt. Demgemäss wurden auch die Jahre glück-
bringend oder Unglück verheissend, je nach dem Zeichen, das sie trugen,
oder je nach der Hiuimelsrichtung, der sie angehörten.
Wir lesen im Duran^), dass die Jahre acatl, die dem Osten angehören,
als reiche, fruchtbare, glückliche galten; die Jahre tecpatl, die dem Norden
angehören, der Region, von welcher der erstarrende kalte Wind bläst,
galten als unfruchtbar und dürr; die Jahre calli, die zum Westen gehören,
wo die Sonne sich verbirgt, galten als nasse und regenreiche; die Jahre
tochtli, die dem Süden angehören, sind unsicher, meist unglückbringend.
Fast w^örtlich dasselbe, möchte man sagen, finden wir auch auf einigen
Tafeln der Codices angegeben, nämlich dem Codex Borgia 12 und Cod.
Yat. B. 21. Wir sehen die Zeichen der Jahre ce acatl, ce tecpat/, ce calli,
ce tochtli und. neben ihnen, die ihrer Anfangstage ce cipactli, ce miquiztU.
ce o^mnatli, ce cozcaquauhtli.^)
üeber den Zeichen ce acatl, ce cipactli steht unter einem feuchten,
wolkentragenden Himmel Tlaloc schwarz und als Kopfschmuck ein Cipactli
tragend, das Symbol der Fruchtbarkeit, Wasser auf die Erde giessend, die
hier durch ein Cipactli dargestellt ist, aus w^elchem in reicher Fülle Mais-
kolben hervorspriessen.
üeber den Zeichen ce tecpatl, ce rniquiztli steht unter einem Himmel,
der glühende Sonnenstrahlen herabsendet, Tlaloc, gelb und das Haupt mit
einem Todtenschädel geschmückt. Die Erde ist in Schollen geborsten,
und die kümmerlichen Maiskolben werden von aus der Luft herabfliegenden
seltsamen Heuschrecken verzehrt.
lieber den Zeichen ce calli, ce opomatli steht, unter einem wasserreichen
Himmel, Tlaloc, in die blaue Farbe des Wassers gekleidet, mit einem
Affenkopf als Kopfschmuck. Unter ihm schwillt das Wasser und ersäuft
fast schon die daselbst aufspriessenden Maispflanzen.
1) üviedo IV. p. 52.
2) ed. Mexico II. p. 254, 255.
o) [Die von älteren Autoren und neuerdings von ürozco y Berra aufgestellte
Theorie, dass die Tage ce dpactli w. s. w. die Anfangstage der Jahre ce acatl u. s. w.
darstellen, habe ich später als irrig erkannt. Die vier Tage ce cipactli u. s. w.
haben ihre besondere Bedeutung dadurch, dass sie die Anfangstagc der vier Viertel
des Tonalamatls bezeichnen].
144 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Ueber den Zeichen ce tochtli, ce cozcaqiiauhtli schliesslich steht, eben-
falls unter einem dürren. Sonnenpfeile herabschiessenden Himmel. Tlalot\
in rothe Farbe gekleidet, das Haupt mit einem Geierkopf geschmückt.
Die auf der dürren, gelben Enle aufspriessenden Maispflauzen werden von
Kaninchen gefressen.
Ueber den Zeitraimi dieser vier Jahre gehen die Darstellungen der
hier besprochenen Codices anscheinend nicht hinaus. Was die hohen
Zahlen auf den oben angegebenen Blättern des Codex Bologna. Codex
Fejerväiy und Codex Land bedeuten, habe ich noch nicht ermitteln können.
Im Wiener Codex und in den Bodley Codices dagegen knüpft die be-
sondere Darstellung überall an die Koinzidenz eines bestimmten Tages
und eines bestimmten Jahres des 5"2jährigen Zyklus an. Die Zeichen der
Jahre sind hier durch ein eigenthümliches. an ein A erinnerndes Zeichen
ausgezeichnet. Ich will nicht tmerwähnt lassen, dass dasselbe Zeichen
auch auf den interessanten Darstellungen der Tafeln 62 — 66 des Codex
Borgia vorkommt, so dass also hier auf eine der (Tliederung des Tonalamatl
parallel gehende Yiertheilung des .)"2 jährigen Zyklus Bezug genommen ist.
2. Eine Liste der mexikauischen Monatsfeste. 145
2.
Eine Liste der mexikanischen Monatsfeste.
.Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 19. Februar 1887.
Zeitschrift für Ethnologie XIX. S. (172) — (176).
Nach Motolinia') hatten die alten Mexikaner fünf Arten von Bilder-
schriften oder Büchern: die erste handelt von den Jahren und Zeiten und
ist historischen Inhalts, die zweite behandelt die Feste, die im Verlauf
des .lahres stattfinden, die dritte, vierte und fünfte Art von Büchern sind
astrologischen Inhalts. Greschichtlichen Inhalts sind z. B. von den in der
Kingsborough'schen Sammlung enthaltenen Codices der erste Theil des
Codex Mendoza, der Codex Boturini, der dritte Theil des Codex Telleriano
Kemensis und die Tafeln 91 — 146 des Codex Vaticauus A. Wesentlich
astrologischen Inhalts sind die Codices Borgia, Vaticanus B. und die ver-
wandten Bilderschriften; ferner der Codex Yiennensis und die Bodley
Codices. Die übrig bleibende, zweite Klasse von Schriften, in welchen
die, im Yerlaufe des Jahres stattfindenden Feste behandelt werden, ist ver-
treten durch die Tafeln 57—74 des Codex Vaticanus A. und die Tafeln I,
1 — 13 des Codex Telleriano Remensis. Die zwanzig Monate des mexi-
kanischen Jahres sind hier dargestellt durch die Gottheiten, denen in
diesen Monaten Feste gefeiert wurden, und zwar
der 1. Monat Atlcaualo durch das Bild Tlalocs,
„ ,. „ Xipe's,
„. „ „ der Cinteotl,
„ „ „ der Cmteotl,
„ „ „ Tezcatlipoca's,
„ „ „ Tlalocs,
,1 „ „ der Uixtociuatl,
Ueitecuilhuitl durch einen vornehmen Mann in Festtracht
(Tanztracht), der das Zeichen ilhuitl „Fest, Tag" in der
Hand hält,
9. „ Miccailhuitzintli \ durch einen in einen Mumienballen ge-
10. „ JJeimiccailhuitl J schnürten Todten auf einem Trauffestell,
2.
„
Tlacaxipeua lizüi
a.
n
To^oztontli
4.
7)
üeitogoztli
5.
•n
Toxcatl
6.
n
Etzulqualiztli
7.
55
Tecuühuitontli
8.
n
Ueitecuilhuitl du
1) Joaquin Garcia Icazbalceta. Coleccion de Documentos para Ja Historia
de Mexico I, S. 3.
Seier, Gesammelte Abliaiidlungen I. iq
12.
T>
Teotleco
13.
V
Tepeilhuitl
U.
v
Quecholli
15.
V
Panquetzalü
IG.
•n
AtemoztU
17.
r>
Tititl
18.
n
Izcalli
14H Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
der 11. Monat Ochpaniztli durch das Bild der Teteoinnan oder Toci,
„ „ „ Tezcatlipoca's,
„ „ „ eines Berges mit dem Kopf
Tlaloc's
r, ^ „ Ca7na,i-flis oder AJi^rcoatri-
„ „ „ Uitzilopochtli':^.
„ „ „ Tlaloc'ii mit einem Wasser-
strom,
„ ,, „ der Ilamatecutli,
„ y, „ Xiiihtecutlf ^
und die fünf übrig bleibenden Tage, die Nemontemi „unnütze, unbrauch-
bare" genannt werden, weil sie als Unglückstage gelten, an denen man
kein Geschäft verrichten dürfte, sind Codex Telleriano Remensis I. 13,
durch fünf Feuerzungen in schwarzem Felde dargestellt.
Eine andere Darstellung, auf die, meines Wissens, noch nirgends auf-
merksam gemacht worden ist, existirt in der, durch Hrn. Aubin zusammen-
gebrachten Sammlung mexikanischer Documente und ist als Anhang zu
dem, im Jahre 1880 von der mexikanischen Regierung lierausgegebenen
Geschichtswerk des P. Dur an publizirt worden. Wir sehen den ersten
Monat Atlcaualo. der in dem Codex Yaticanus A. dureli das Bild TIalocs
dargestellt ist, von s])rossenden Bäumen umgeben, deren Wurzeln im
Wasser stehen, hier dargestellt durch einen Priester mit der Kopf binde
Tlaloc's, der in der einen Hand einen Maiskolben, in der anderen eine
Räucherpfanne (in der Gestalt eines Schlangenkopfes) ^) hält. Genau in der-
selben Weise (schwarz geschminktes Gesicht mit weissem punktirtem Fleck
auf der Backe) wird übrigens auch der „Tlaloc tlamacazqui, dios de las
pluvias"^, in dem Sahagun-Manuskript der Bibl. Laurentiana in Florenz
abgebildet.
Der zweite Monat, Tlacaanpeualiztli, ist im Codex Yaticanus A. durch
das Bild Xtpet^ dargestellt, in der üblichen Tracht, in die abgezogene
Menschenhaut gekleidet, auf dem Haupt die spitze Mütze mit den flattern-
den Bändern. Das Dokument der Aubin" sehen Sammlung zeigt statt
dessen eine Darstellung des Sacrifizio gladiatorio, welches einen Haupt-
bestandtheil des, in diesem Monat dem Gott Xtpe gefeierten Festes bildete.
Wir sehen den, mit einem Strick an den temalacatl befestigten Gefangenen,
in Festtracht, d. h. ganz mit Federn beklebt und auf dem Haupt die spitze
Mütze des Gottes Xipe — denn die Opfer wurden immer in die Livree
des Gottes gesteckt, welchem sie geopfert werden sollten. Und ihm gegen-
über der „grosse Jagiiar"^, der in Jaguarfell gekleidete Krieger, der den
Gefangenen zu bekämpfen hat.
1) [einen Krug mit r/a/or- Maske]
2. Eine Liste der mexikanischen Monatsfeste. 147
Der dritte und vierte Monat, To^oztontli und UeitogoztU., sind im Codex
Vaticanus A. beide durch das Bild der Cinteotl dargestellt. Das Aubin'sclie
Dokument hat für beide Monate nur ein Bild*), und zwar ist auf demselben
das rot he Gewand der Cinteotl dargestellt, eine blühende Maisähre
darüber und darunter ein Korb mit feinem Samen (chianf), ein Korb mit
Klössen (tamalli) und rechts davon, wie es scheint, eine Tortilla und ein
Paar Tamalli; denn Cinteotl, die Göttin der Maisfrucht, ist die Göttin aller
Lebensmittel.
Der fünfte Monat, To.icatl, ist sowohl im Codex Yaticanus A., wie in
dem Aubin'schen Dokument durch das Bildniss Tezcatlijjoca's dargestellt.
Im Codex Vaticanus A. ist er ohne Weiteres kenntlich durch den rauchenden
Spiegel am Ohr und den Spiegel, aus dem Feuer und Wasser hervorschiesst,
am linken Fuss, sowie durch die Bemalung. Die beiden schwarzen Quer-
streifen über das Gesicht sind auch in der Figur des Aubin'schen Doku-
ments zu erkennen, und die Nasenscheidewand ist von einem Pfeil durcii-
bohrt, der auch sonst bei Bildern dieses Gottes zu sehen ist.
Der sechste Monat, Etzalqualiztli, ist sehr ü])ereinstimmend in beiden
Handschriften durch das wohlbekannte Bild T/aloc's, mit einer blühenden
Maisstaude in der Hand und einem Topf mit Wasser dargestellt.
Im siebenten Monat, Tecuilhuitontli, ward der Uixtociuatl, der Göttin
des Salzes, der älteren Schwester des Regen- und Wassergottes Tlaloc,
ein Fest gefeiert. Im Codex Telleriano Remensis und Vaticanus A. ist
daher dieser Monat durch eine Frauenfigur dargestellt, die mit beiden
Händen an einem Strick ein Fass mit körnigem Inhalte hält. Der mit
Troddeln und Quasten versehene Strick, sowie der Kopf- und Rückenputz
der Frau sind weiss, mit körniger Zeichnung, der Natur des Stoffs ent-
sprechend, dessen Patronin in diesem J\lonat gefeiert wird. In der viel
charakterloseren Zeichnung des Aubin'schen Dokuments ist eine directe
Beziehung auf die Göttin des Salzes nicht zu erkennen, aber die Haltung
der Figur ist die gleiche wie bei den Figuren der älteren Dokumente und
augenscheinlich durch jene inspirirt. Sie hält ebenfalls mit der rechten
Hand ein Fässchen in die Höhe, und in der linken einen mit Quasten und
Troddeln versehenen Strick.
Der achte ]\Ionat, Ueitecuilhuitl, ist das Fest der Xilonen, der Göttin
<les jungen Maiskolbens. An ihm fand grosse Volksspeisung statt, die Vor-
nehmen führten mit ihren Damen feierliche Tänze auf, und die Göttin,
bezw. das. die Stelle der Göttin vertretende, mit den Attributen der (iöttin
1) [Der Vergleicli mit der Bilderhandschril't der BibUoteca Nazionale, von
der diese Aubin'sche Handschrift nur eine Kopie ist, Jehrt, dass nicht dieses
eine Bild für zwei Monate der Jahresfeste gehen soll, sondern dass durch irgend
einen Zufall das Bild für den dritten Monat, die Figur der Cinteotl, verloren
gegangen ist]. "*"
10*
14;!^ Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
iieschniückte Ojifor \vanl in feierlichem Zuge nach den vier Hininiels-
richtnngen geführt, um Jann in iler, bei <len Erd- und Fruchrgöttinen
üblichen Weise geopfert zu worden. Im Codex Telleriano Remeiisis nnd
Vaticanus A. ist. wie oben erwähnt, dieser Monat dargestellt durch einen
vornehmen Mann (Jccutli), in Fest- oder Tanztracht der in der linken
Hand das Zeichen lUntitl ^F^est, Tag" hält. In dem Aubin"schen Doku-
ment sieht man dafür die Göttin selbst^), in rotheni Oewand und mit Adler-
helm, auf mit einem Haufen von ^laiskolben bedeckter Bahre getragen,
unter A'orantritt eines Priesters, der die ^luscheltrompete bläst. Die beiden
Träger der Bahre haben genau die gleiche Tracht, wie der Tecutli des
Codex Telleriano Remeusis und Vaticanus A.
Im neunten und zehnten 3Ionat wurden den Manen der gestorbenen
Angehörigen Opfer und iTcbete dargebracht, in dem ersteren, wie es scheint,
den Seelen der gestorbenen Kinder, im letzteren denen der erwachsenen
Gestorbenen. Der erstere Monat heisst darnach MiccaiUmüo?itli oder
Miicailhuitzintli, „das kleine Todtenfesf, der letztere UeimiccaüJiuitl^ „das
grosse Todtenfest"; der Gebrauch war wohl allgemein. Er übertrug sich
in der christlichen Zeit auf die Tage Aller Heiligen und Aller Seelen,,
au denen man, genau in derselben altheidnischeu AVeise. den Seelen der
gestorbenen Kinder und Erwachsenen zu essen gab. über welchen Gräuel
und dessen Duldung schon Dur an Klage erhob 'j; und er ist noch heute
unter der indianischen Bevölkerung des Landes üblich^). Dieser Bedeutung
der Monate entsprechend, sind diese, wie schon oben erwähnt, im
Coilex Telleriano Remensis und Yaticauus A. durch je einen, mit Blumen
und Fähnchen besteckten Mumienballen dargestellt, mit aufgesetztem Kopfe,,
an die bekannten falschen Köpfe der peruanischen Mumien aus den Gräbern
von Ancon erinnernd.
In denselben 3Ionaten wurden aber auch grosse öffentliche FVste ge-
feiert. So wurde im neunten 3Ionat in Mexico die Statue des Gottes
Vitzüopocldli. Tempel und Häuser mit Blumen bekränzt, und der Monat
heisst darnach Tlad-ocltiniaco, _wo man einem Gegenstand Blumen brino-t".
1) [Das ist ein Irrthuui. der mir erst zum Bewusstsein gekommen ist, als ich
die besser gezeichnete Handschrift der Biblioteca Xazionale in Florenz zu Gesicht
bekam, von der das hier besprochene Au bin" sehe Dokument nur eine schlechte
Kopie ist. Es ist nicht eine weibliche Gottheit, die bei diesem achten Feste
dargestellt ist, sondern der den Herzstab {yoUotopiUi) führende Gott der Blumen,
der Spiele, der Feste und der Fürsten, Macuil xochiil oder XochipilU i^enatint, der
allerdings in den Liedern auch als der Maisgott {Cinteotl) und als der Vogel,
der in der Morgenfrühe singt, angeredet wird. Ich habe diesen Irrthum später
in meinem Aufsatz „Die bildlichen Darstellungen der mexikanischen Jahresfeste''
(Veröffentlichungen aus dem Kön)gl. Museum für Völkerkunde zu Berlin. VI. Bd..
'2. bis 4. Heft. S. 61) richtig gestellt"!.
2) ed. Mexico 11, S. 299.
3) Vgl. Sartorius. Mexiko S. •262ff.
2. Eine Liste der mexikanischen Monatsfeste. 149
Der zehnte ]\Ioiiat dagegen ^val• grosses Fest der Tepaneca. An ihm ward
ein, schon den Monat vorher, im AValde gefällter und sorgfältig geglätteter
Baum, der auf der Spitze, aus Teig gefertigt, den Vogel des Feuergottes
trug, unter grossem Hailoh aufgerichtet. Fs galt dann den Baum zu er-
klettern und die Insignieu des Gottes herunterzuholen, worauf, unter nicht
minderem Hailoh, der Baum umgerissen ward. Nach diesem Feste ward
der zehute Monat Xocouetzi, wörtlich „das Fallen der Früchte", aber als
„Herniederholen des Baumes Xocotl'' erklärt^).
Durjin führt den Namen Xocouetzi neben Ueimiccaillniitl auf, aber
Sahagun kennt nur die beiden Namen Tla.vochimacQ und Xocouetzi^ und auf
sie allein beziehen sich auch die Darstellungen des Aubin'schen Dokuments.
Wir sehen den neunten Monat dargestellt durch die Figur Uitzüopochtlfs
(kenntlich .durch die gestreiften Beine) in einem Kranz von Blumen;
und den zehnten Monat durch einen, am ^[astbaum emporkletterndeu
.lüngling.
Der eilfte Monat, Ochpaniztli^ ist das Besenfest, in welchem Häuser.
Höfe und Strassen gefegt wurden, und dei* Erdgöttin Teteoinnan oder TocL
die mit der Tla^olteotl der Historiker und der Interpreten ident ist,
grosse Feste gefeiert wurden. Der Monat ist, sowohl im Codex Telleriano
Remensis und Yaticanus A., wie in dem Aubin'schen Dokument, durch
das Bild dieser Göttin (kenntlich durch die weisse Kopf binde und die
Spindeln im Haar), dargestellt, mit dem Besen in der Hand.
Der zwölfte Monat heisst Teotl eco, „Ankunft der Götter". An ihm er-
wartete man das Neuerscheinen oder Wiedererscheinen der Götter. Er ist
im Codex Telleriano Remensis und Vaticanus A. dargestellt durch das
Bild Tezcatlipocas, denn dieser, der junge Gott (Telpochtli) erscheint zuerst
Ton allen Göttern. Im Aubin'schen Dokument dagegen ist der Tempel
dorgestellt mit den Fussstapfen des Gottes (die in ausgestreutem Mehl
sich abdrückten!) und der Priester (teoua)^ der, nachdem der Fussabdruck
in dem Mehl gesehen worden ist, mit lauter Stimme der harrenden Stadt
die „Ankunft seiner Hoheit" verkündet. [Daneben ist das grosse Feuer-
opfer, das den Schluss dieses Festes bildet, durch einen in die Gluth ge-
worfenen Menschen dargestellt].
Der dreizehnte Monat heisst Tepeilhuitl, das Fest der Berge oder des
Berggottes. An ihm wurden kleine Bildnisse der Berggötter (Berge mit
Frauenkopf) gefertigt, mit Papieren geschmückt, und ihnen Opfer dar-
gebracht. Desgleichen wurden Bildnisse von Schlangen (Symbol des
1) [Xocotl heisst in der That .Frucht". Aber Xocotl ist auch der Name eines
Gottes, der in dem Lande der Otomi auf dem Berge Xocotiilan verehrt wurde,
und der deshalb auch mit dem Namen otontecxiüi bezeichnet und als der „Feuer-
gott der Tepaneken'- erklärt wird. Das Abbild dieses Gottes ist es, das. aus
Teig gefertigt, auf der Spitze des Baumes angebracht wurde].
"J50 Zweiter Absflinitt: Bilderschriften.
Blitzes mul des Kegeni;ottes) angefertigt und adorirt, und vier Frauen
und ein Mann, letzterer als der Münauatl (der Geist des Feldes), der
lebende Repräsentant der Schlangen, wurden <len Berggöttern geopfert.
Im Codex Telleriano Remensis und Vaticanus A. ist dieser Monat durch
einen, mit TeteuiÜ (mit Kautschuk betropfteu Papieren) besteckten Berg,
und einem T/a/oc-Kopf darauf veranschaulicht. Im Aubin'schen Doku-
ment ist ein Berg mit einer Schlange darauf dargestellt, danmter ein
Pulque trinkendes Paar (Knabe und ^Mädchen) und gegenüber das Bild
einer Göttin, anscheinend eine Chalchmlälicue oder eine andere Berg-
göttin').
Der vierzehnte Monat, Queckolli, ist das Fest Cajncwtli-Mixcoatl's, des
Jagdgottes. Das Bild dieses Gottes, kenntlich durch die Streifung der
Körperhaut und die den oberen Theil des (lesichts bedeckende Maske
ist sehr übereinstimmend in allen drei Handschriften zur Bezeichnung
dieses Monats verwendet.
Der fünfzehnte 3Ionat, PanquetzaUztli, ist das Fest Uifzilopochtli' s uuil
durch das Bild dieses Gottes bezeichnet.
Im sechzehnten Monat. Atemoztli, wurden dem Gotte Tlaloc wieder
Feste gefeiert, und so erscheint sein Bild, in allen drei Handschriften,
zur Bezeichnung dieses Monats. Im Codex Telleriano Kemensis und Yati-
canus A. kommt ein AVasserstrom an seiner Seite herunter, denn Atemoztli
heisst „das Herabsteigen des Wassers". In dem Aubin'schen Dokument
sind, dem Gotte gegenüber, fallende Regentropfen gezeichnet.
Der siebzehnte Monat, Tititl, ist das Fest der „alten Frau", Ilama-
tecutli, auch Tonaii, „unsere Mutter" genannt. Das Bild dieser Göttin,
mit dem Tzotzopaztb', dem, zum Festschlagen der Gewebefäden dienenden,
hölzernen Messer in der Hand, bezeichnet in allen drei Handschriften
diesen Monat.
Der letzte Monat, Izcalli, ist ebenfalls gleichmässig in allen drei
Handschriften durch das Bild des Feuergottes Ixco(;auhqui oder XiuktecutU
bezeichnet, dessen Fest in diesem Monat gefeiert ward.
Die genannten drei Handschriften sind wichtig, weil wir im Stande
sind, die in ihnen dargestellten Figuren bestimmt zu rekognosziren. Denn,
über die, in den verschiedenen Monaten gefeierten Feste und ihre Gott-
heiten sind die Angaben der Historiker sehr bestimmt und ausführlich.
Yon besonderem Interesse ist, dass wir hier, als Bezeichnung des fünf-
zehnten Monats, ein authentisches Bild des aztekischen Stammgottes
üitzilopochtli vor uns haben, der sonst in den Handschriften selten auf-
zufinden ist. da diese sich, ihrer Hauptmasse nach, mit astrologischen
1) [Es ist, wie wir durch den Interpreten der Florentiner Handschril't erfahren^
die Göttin Xochiquetzal, deren Fest bei den Tlalhuica am Tepeilhuitl dürr'' ein
Saufgelage von Knaben und Mädchen gefeiert wurde].
2. Eine Liste der mexikanischen Monatsfeste. 151
Dingen befassen, Uifzilopocht/i aber augenscheinlich in der Reihe der
Kalendergottheiten fehlt. An der Identität liier ist nicht zu zweifeln, denn
das Gesicht des Gottes ist aus dem aufgesperrten Rachen eines Kolibri
(uitzitzilin) hervorschauend gezeichnet, genau so, wie im Dunin Trat. 2°
Lara. 2a, und wie im Codex Boturini der, die Azteken auf ihrer Wanderung
geleitende Gott dargestellt ist. Und es ist sehr bomerkenswerth, dass der
Uitzüopochtli, wie man ilm liier abgebildet sieht, unzweifelhafte Verwandt-
schaft mit Tezcatlipoca zeigt. Er trägt, wie dieser, den rauchenden Spiegel
au der Federkrone, und der Federschmuck des Nackens mit dem einge-
steckten Fähnchen, sowie das Brustgeschmeide ist bei beiden absolut gleich.
Fin Ineinandergreifen dieser beiden Gottheiten ist ja auch sonst zu be-
merken. Auch Tezcatlipoca heisst Yaotzin, der F^eind, der Krieger, und
das Fest Teotleco, an welchem die Ankunft des jungen Gottes Telpochtli
oder Tezcatlipuca gefeiert wird, ist nach Dur an das F^est der Geburt
Uitzilopocktli's.
152 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
3.
Die Colnmbns-Festscliriften der Königl. Bibliothek in
Berlin und der niexikaniselien Eegierung.
Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde. Berlin, 2. Dezember 1893.
Der Tierhundertjährige Gedenktag der Entdeckung Amerikas, der im
vorigen Jahr gefeiert und diesseit und jenseit des Oceans festlich begangen
wurde, hat nicht nur für die grosse That der Entdeckung und die Per-
sonen, die an derselben betheiligt waren, das Interesse neu belebt, sondern
hat auch allen auf das Land und seine damalige, seine frühere und seine
gegenwärtige Creschichte gerichteten Studien einen neuen Anstoss gegeben.
Ganze Ausstellungen sind veranstaltet worden, in denen man zu vereinigen
gesucht hat, was die Kenntniss des Landes und seiner Bewohner zu fördern
im Stande ist. Institute und Staaten haben gewetteifert, dasjenige, was
von handschriftlichen Schätzen und anderem auf Amerika bezüglichen
Material in ihrem Bereich lag. allgemeiner Benutzung zugänglich zu machen.
Die Gesellschaft für Erdkunde ist. wie Ihnen allen bekannt, hierin nicht
zurückgeblieben.
Ich habe heute den Auftrag. Ihnen zwei Schriften vorzulegen, die der
Bibliothek der Gesellschaft zugegangen sind und die von diesem rühm-
lichen Wetteifer ebenfalls rühmliche Kunde geben.
Wir Deutschen dürfen mit Stolz den Mann zu unseren Volksgenossen
zählen, der in gewissem Sinn als der wisseuschaftliche Entdecker der
neuen Welt bezeichnet werden kann. Alexander von Humboldt.
Seinem universalen, auf alle Seiten des menschlichen Erkennens gerichteten
Streben war die grosse Bedeutung nicht entgangen, welche die mexi-
kanischen Bilderschriften für die Kenntniss der alten Geschichte des Landes
und für die Erkenntniss der Entwickelung des menschlichen Geistes über-
haupt haben. Er hat, obwohl sein engeres Arbeitsfeld eigentlich auf ganz
anderem Gebiet lag, den mexikanischen Bilderschriften nicht nur ein ein-
gehendes Studium gewidmet, er hat auch, bei seinem Aufenthalt im Lande,
von den daselbst zur Zeit vorhandenen, dem Wechsel der Besitzer und
dem Zufall preisgegebenen Stücken eine Anzahl erworben und durch
Üeberweisuno; an die Köniu:liche Bibliothek zu Berlin der Xachwelt er-
3. Die Columbus- Festschriften. 153
halten. Die General -Verwaltung- der Königlichen Bibliothek hat den
Gedenktag des vorigen Jahres nicht besser ehren zu können gemeint, als
indem sie von diesen im Besitz der Königlichen Bibliothek befindlichen
Stücken Kopien anfertigen Hess und sie an wissenschaftliche Institute und
andere betheiligte Kreise vertheilte. Ein Exemplar dieser auf photo-
graphischem Wege hergestellten Kopien der mexikanischen Bilderhand-
scliriften Alexander von Humboldt's liegt Ihnen hier vor, als ein
Geschenk der General -Verwaltung der Königlichen Bibliothek. Ich habe
im Auftrag der General -Verwaltung ein paar Erläuterungen dazu ge-
schrieben, die Ihnen gleichfalls vorliegen. Was zunächst den Ursprung
der Stücke betrifft, so habe ich nachweisen können, dass die meisten —
vielleicht alle — dem „Museo ludiano'' des unglücklichen mailändischen
Historikers und Archäologen Cav. Lorenzo Boturini angehört haben
und wahrscheinlich bei der Versteigerung des Nachlasses des bekannten
Schriftstellers Leon y Gama von Alexander von Humboldt erworben
worden sind. Die Sammlung umfasst 16 Stücke, die sich auf 14 reduziren,
da zwei der ursprünglichen Stücke erst zum Zweck des Einkh^bens in
den Folio-Atlas, in ''dem die Stücke in der Königlichen Bibliothek auf-
bewahrt werden, zerschnitten worden sind. Einzelne der Stücke gehören
der alten heidnischen Zeit an, die anderen sind in früher christlicher Zeit
entstanden. Einige stammen aus der Haujitstadt selbst oder ihrer un-
mittelbaren Nachbarschaft, andere gehören dem Gebiet des alten König-
reichs von Tetzcoco an. Ein paar der älteren Stücke sind in Huamantla
im Staat Tlaxcala gefunden worden, andere sind Rechnungen aus dem
Dorfe Mizquiyahuallan im Lande der Otonii. Das interessanteste der
Blätter ist ohne Zweifel der grosse zusammengefaltete Codex Nr. 1. Es
ist eiue über 19 Jahre sich erstreckende Liste der Abgaben und Gefälle,
die an vier Jahresfesten au einen bestimmten Tempel gezahlt worden
sind. 3Ian sieht auf der rechten Seite des Blattes die Reihe der Feste
und die Daten, auf welche sie fielen, und dazwischen, gross gezeichnet.
Figuren von Priestern; das sind augenscheinlich die regierenden Tempel-
dynasten. Denn Ableben des einen und Regierungsantritt des anderen
wird im Bild vor Augen geführt. Auf der linken Seite des Streifens sind
die Tribute selber aufgemalt, in Gold und gewebten Decken bestehend,
dazwischen Figuren von Orten und deren Fürsten, augenscheinlich die
Butler der den Betrag Leistenden. Das Blatt ist deshalb von besonderem
Interesse, weil es das einzige bisher bekannt gewordene ist, auf welchem
eine über eine Reihe von Jahren sidi erstreckende Liste von Tagesdaten
angegeben ist. Es ist daher das einzige bisher bekannt gewordene Blatt,
das einem ermöglicht, über gewisse Grundfragen der mexikanischen
Chronologie Aufschluss zu gewinnen. Ich habe, auf Grund dieses Blattes
und unter Zuhilfenahme der wenigen in den Historikern und in aztekisch
ireschriebenen Handschriften enthaltenen Daten, eine Konkordanz der
i;)4 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
moxikaiiisolieii iiiul clor eiiropäiseliou Zeitroc-hiiuiig- hergestellt, die zu ganz
anderen Erüebnissen uetulirt hat, als man bisher auf Grund anderer unbe-
stinnnterer Nachrichten annehmen zu müssen geglaubt hat. Die anderen
Stücke haben nicht das hervorragende wissenschaftliche Interesse, namentlich
nicht diejenigen aus christlicher Zeit, von denen es auch an anderen
Orten mehr oder minder gleichartige genug giebt; denn fast das ganze
t'rste .lahrhundert nach der Eroberung hindurch musste die viel schreibende
spanische Burt'aukratie zu Bilderschriften ihre Zuflucht nehmen, wenn sie
von Indianern Berichte forderte oder sich ihnen verständlich machen
wollte. Lange Zeit hindiu'ch bestand daher neben einem Lehrstuhl für
mexikanische Sprache auch einer für mexikanische Bilderschrift an
der Universität von 31exico. Immerhin l)eanspruclien die Bruchstücke
dieser Art, die sich in der Humboldt'scheu Sammlung befinden, insofern
ein besonderes Interesse, weil einige, ausser mit Bilderschrift, auf der
Rückseite noch mit wirklicher Schrift versehen sind, und die Vorderseite
und die Rückseite entsprechen einander, wie ich feststellen konnte. Die
Vorderseite enthält in Bilderschrift die Rechnung, welche die Indianer
den Spaniern für gelieferte Lebensmittel, für Futter. fiU" Hausarbeit u. s. w.
aufstellten, und die Rückseite in spanischer Schrift die Quittung über den
dafür gezahlten Preis mit der Unterschrift des Indianers und der Be-
glaubigung der Behörden, des Ortspfarrers u. s. w. Ich glaube, dass man
insofern Werth auf diese dokumentarische Bestätigung legen muss. als
vor Km'zeni ganz ähnliche Bilderschriften in Amerika unter dem Titel
,,Tributi-olle" und ^,Kalender'' veröffentlicht w^orden sind. Das letzte Bruch-
stück endlich ist eine jener meines Wissens nicht gerade häufigen Bilder-
schriften, in welchen die christliche Glaubenslehre den Indianern auf dem
ihrem Anschauungsverraögen entsprechendsten AVege, durch Bilder, über-
mittelt wurde. Und zwar ist das Humbold t'sche Bruchstück das best-
gezeichuete und originellste Stück dieser Art von Handschriften. Ich
habe nachweisen können, dass es die Glaubensartikel und die zehn Gebote
in Bildern enthält, und in meinen Erläuterungen Satz für Satz den be-
treffenden Abschnitt des Katechismus Romanus und das Bild, das ihn
darstellt, aufweisen können.
Die Bruchstücke, die Alexander von Humboldt nach Europa ge-
bracht hat, stellen nur einen winzigen Bruchtheil dessen dar, was von
Bilderschriften im Lande vorhanden war und vorhanden ist. Eine Anzahl
anderer ist in verschiedeneu europäischen Bibliotheken verstreut Die
wichtigsten derselben sind schon vor Jahrzehnten in dem grossen Werk
Lord Kiugsborough's veröffentlicht worden. In Mexico selbst existiren
noch eine Anzahl anderer, von denen bisher nur der das Land durch-
streifende Reisende oder mit 3Iexikanern in sehr enger Fühlung stehende
Gelehrte etwas erfuhr, deren Benutzung aber dem europäischen Forscher
direkt verschlossen war. Die Junta Colombina in Mexico, die Kommission,
3. Die Columbus- Festschriften. löä
die zum Zweck der würdigen Feier des Gedenktnges der Entdeckung
Amerikas in Mexico zusammentrat und die allerdings die klangvollsten
Kamen zu ihren Mitgliedern zählte — Männer wie ]). Joa([uin Garcia
Icazbalceta, Jose Vigil, Alfredo Chavero, Francisco del Paso y
Troncoso u. A. — hat sich ein hohes Verdienst dadurch erworben, dass
sie diese Handschriften sammelte und die wichtigsten derselben in den
Farben des Originals vervielfältigen liess. Es ist der stattliche Band, der
Ihnen hier vorliegt, der so stattlich hat ausfallen können, weil die Junta,
in weiser Abwägung des zu erreichenden Zweckes und der vorhandenen
.Mittel, alles im Lande hat anfertigen lassen und dadurch zugleich vor
aller Welt eine ehrende Probe für die Leistungsfähigkeit des Landes ab-
gelegt hat. Besonderer Dank gel)ührt auch der Regierung des Landes,
insbesondere dem Präsideuten der Kepublik, General Porfirio üiaz, für
die Bereitstellung der Mittel und für die Freigebigkeit, mit der die kost-
baren Bände an Korporationen und Gelehrte zur Vertheilung gelangt sind.
Fünf grosse Codices sind hier zum Abdruck gelangt, davon einer
aus 80 grossen Blättern bestehend. Fast jeder derselben hat seine
Geschichte. Ich beginne mit dem ersten, der von der Kommission dem
l^itdecker Amerikas zu Ehren Cödice Colombino getauft worden ist.
Das Original stammt aus dem Bergland der Mixteca im Nordwesten des
heutigen Staates Oaxaca und zwar aus alter heidnischer Zeit. Das Original
ist mit zahlreichen Legenden in mixtekischer Sprache versehen, die aber,
scheint es, nur zur Irreführung etwa inquirirender Mönche eingetragen
worden sind. Denn <ler Codex ist unzweifelhaft mythologischen, kalen-
darischen, astrologischen Inhalts. Die Legenden sind aber im wesentlichen
Ortsnamen, wollen also augenscheinlich den Anschein erwecken, als ob
es sich nur um eine unschuldige Flurkarte oder dergleichen handle. Das
Original wurde vor einigen Jahrzehnten einem deutschen Kaufmann, Herrn
Konsul Dorenberg in Puebla, zum Kauf angeboten. Ueber seine Herkunft
weiss man nichts weiter. Ich habe seiner Zeit, auf meiner Keise in Mexico,
in dem Hanse des Herrn Dorenberg diese Handschrift kopiren dürfen.
Und als ich zurückkam, zu dem Amerikanisten -Kongress, der damals in
Berlin stattfand, da hatte dort Herr Pliili])p Becker aus Darmstadt, der
ebenfalls als Kaufmann lange Jahre in Mexico gelebt hat, eine Hand-
schrift ausgestellt, die er durch einen Bekannten in der Hauptstadt Mexico
erworben hatte, und die sich mir als das genaue Gegenstück, ja ich möchte
sagen, nur als anderer Abschnitt des Deren berg'schen Codex, d. h. des
Cödice Colombino, erwies. Ueber diesen Beck er' sehen Codex weiss man
aber etwas. Es ist das nämlich der Codex, von dem ein Genfer (ielehrter,
Dr. Henri de Saussure im Jahr 18.rJ in Puebla eine Kopie angefertigt
hat, die er jetzt, ohne zu wissen, dass das Original noch existirt, unter
dem Xamen „Le Manuscrit du Cacique" veröffentlicht hat. Das Original,
von dem De Saussure seine Kopie nahm, wurde im Jahre \i>'r2 von einem
15H Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Indianer <ler Mixreca «loni Advokaten I.ic. D. Pascal Ahnazan über-
braclit und sollte als Belegstück «lienen für die Ansprüche, die der Indianer
auf gewisse Grundstücke machte.
Aus dem benachbarten Gebiet der Zapoteken stammt der zweite
Codex. Er ^iirde in Oaxaca gekauft und ist dem Präsidenten der Ee-
j)ublik zu Ehren, der. gleich dem verstorbenen Juarez, ein Oaxaqueno
ist, Cödice Porfirio Diaz getauft worden. Ausser Bildern finden sich
auf ihm in grossen bunten Lettern Legenden in zapotekischer Sprache.
Die vierte Handschrift ist von dem letzten Besitzer Teodoro A. Deheza
der Junta zum Zweck der Veröffentlichung geschenkt worden und trägt.
dem Scheuker zu Ehren, den Xamen Cödice Deheza. Vorher hatte sie
Herrn Melgar in Veracruz gehört, der erste bekannte Besitzer derselben
war der Lic. Cardoso in Puebla. Sie scheint aus der gleichen Gegend
zu Staramen, trägt aber Legenden in mexikanischer Sprache. Beide Hand-
schriften können sich an Bedeutung nicht mit dem Cödice Colombino
messen. Sie sind schlechter gezeichnet, der Inhalt, wie es scheint, zum
Theil historisch. Zur Zeit wissen wir aber von der Mythologie und den
Traditionen der Mixteca und Zapoteca zu wenig, um mit Sicherheit an
die Deutung derselben gehen zu können. Direkt benutzbar und von Werth
sind sie aber "heute schon für alle diejenigen, die sich für das archäo-
logische Detail, Tracht u. s. w. dieser Stämme iuteressiren.
Von geringerem Wertli ist der dritte Codex, der dem Ministro de
Justicia e lustruccion Publica. Lic. D. Joaquin Barauda. zu Ehren
Cödice Baranda getauft worden ist. Er stammt schon aus christlicher
Zeit und ist im AVesentlichen wohl eine Art Ahnentafel, eine Aufzählung
der Geschlechter einer bestimmten Gegend, und enthält daneben Vorgänge
aus der Erobemug. Ganz ohne mythologische Beziehung ist auch dieses
Blatt nicht. Das zeigt die Schlange, aus deren zeiTissenem Leib Wasser
hervorströrat. Ganz denselben Vorgang sehen wir auf einem Blatt einer
der Selden-CoUection augehörigen, in der Bodleyan Library in Oxford
aufbewahrten Handschrift unzweifelhaft mythologischen Inhalts.
Aon dem grössten allgemeineren Interesse ist jedenfalls die grosse,
die zweite Hälfte des Bandes füllende, über 80 Blätter enthaltende Re-
produktion des Licenzo de Tlascala. Das ist eine seit alter Zeit be-
rühmte, auf ein Stück Baumwollzeug von über 5 Ellen Länge und 27a
Ellen Breite gemalte Darstellung des Friedensschlusses, den die Tlaxcaltekeu
mit Cortes gemacht hatten, und der verschiedenen Begebenheiten, bei denen
die Tlaxcaltekeu als Hilfstruppen des Cortes und der Spanier thätig waren.
Das Original ist, wie sich aus einer Legende im Kopftheil des Streifens
ergiebt. zur Zeit des Vicekönigs D. Luis de Velasco. des ersten dieses
2^amens, angefertigt worden, also etwa um das Jahr 1560. Das Original
wurde seit alter Zeit in dem Ayuntamieuto, dem Magistratsgebäude von
Tlaxcallan. aufbewahrt. Aber während der Reüieruns: des Kaisers Maxi-
3. Die Colmnbus- Festschriften. 157
miliaii liess man es nach der Hauptstadt kommen, damit die französische
wissenschaftliche Kommission davon eine Kopie nehmen könne. Seit der
Zeit ist das Original verschwunden. Es war zwar schon früher eine
Kopie angefertigt worden, die sich zur Zeit noch im Museo Xacional (h»
^[exico befindet. Sie ist aber, nach dem Urtheil kundiger Leute, ziemlich
ungenau. Glücklicher Weise hatte ausserdem, auch schon vor Jahren, der
bekannte mexikanische Archäolog Lic. Alfrede Chavero, nach dem Ori-
uinal eine farbiü'e Pause anfertigen lassen. Diese Pause, von der bisher
nur ein paar kleine, schlechte Abzüge in dem ersten Baud des Geschichts-
werkes „Mexico k traves de los siglos" veröffentlicht worden sind, hat Hr.
Chavero jetzt der Junta Colombina zur Verfügung gestellt.
Die Darstellungen gliedern sich in einen Kopftheil, der sich über
die ganze Breite des Blattes erstreckt, und 86 Einzelgemälde.
Der Kopftheil des Blattes zeigt in der Mitte den spanischen Doppeladler
mit der Kette des goldenen Vliesses und eingerahmt von zwei Säuleu mit der
Inschrift Phis-Ultra, den Säuleu des Hercules, nach denen die spanischen
Thaler in Africa noch heute unter dem Namen „Vater der Kanone" be-
kannt sind. Darunter folgt ein Berg mit einem Wappen, das ein Bap-
risterium in rotheni Felde zeigt, gekrönt von einer Marienkapelle — die
Stadt oder den Bezirk Tlaxcallan darstellend. Darunter endlich errichten
spanisclie Soldaten ein Kreuz. Zwei Gruppen von Indianern stehen dabei,
<lie den Vorgang mit lebhaftem Interesse beobachten.
Zur Seite des Berges mit der Marienkapelle sind links und rechts
Gruppen von Spaniern, auf 'dem Richterstuhl sitzend, dargestellt. Auf der
rechten Seite drei, der eine in bischöflichem Ornat, die anderen mit dem
Kreuz der Ritter von Calatrava geschmückt.
In der Kopie des Museums stehen bei diesen Personen folgende Bei-
schriften:
D. Sebastian Ramires de Fuenleal, presid ente de la R'^
Audi e n c i a
D. Antonio de ]\[endoza
El Exmo S"" DouLuys deVelasco mando hacer este mapa.
Es ist also der Bischof Ramirez, der als Präsident des obersten
(Jerichtshofes fungirte und die beiden ersten Vizekönige, die nach ihm
das Regiment in Mexico übernahmen. — Auf der linken Seite sieht man
ly Spanier auf ihren Stühlen, in vier Reihen geordnet. Und hier geben
die Beischrifteu folgende Xamen:
D. Hernando Cortes, Capitan General. — Tesorero.
Luis Ponce. — Marcos de Aglor.
Fator. — Marques. — Gusman. — Salmeron.
Madecio. — Maldonado. — Delgadillo. — Ceynos. — Quiroga.
Das sind also in der Hauptsache die Spanier, die als Richter {oydorea}
m den ersten Jahrzehnten nach der Conquista fungirt haben.
"J58 Zweiter Abschnitt: Hilderschriften.
Nacli aussen von diesen Mittelgruppen sind die vier sogenannten
Hauptstädte (Cabeceras), d. h. die vier Hauptstämme der Tlaxcalteken dar-
gestellt: Tepeticpac, Ocotelolco. Tieatlan und Quiauiztlan. Unter den vieren
nahm zur Zeit des Cortes Tieatlan den ersten Platz ein. da sein Stanini-
liäuptling Xicotencatl der zur Zeit älteste der vier Häuptlinge war. Er
war so alt, dass er die Augenlider nicht mehr hochheben konnte. Leute
seiner Begleitung mussten sie ihm in die Höhe ziehen, damit er den
Cortes und die Spanier sehen konnte, und durch Betasten suchte er dann,
nach Art eines ganz Blinden, das Bild der Fremdlinge sich zu vervollständigen, /x
Das Abzeichen und Banner der Häuptlinge von Tiratlayi war ein fliegender
Reiher. Ihn sehen wir daher in den folgenden Einzelbildern am häufigsten
unter den verschiedenen Federbannern und Abzeichen, welche die Führer
im Kampf auf dem Rücken geschnallt tragen, dargestellt. Und der Reiher
bezeichnet auch in dem Kopftlieil des Gemäldes das eine der vier Häuser,
wodurch die vier Stämme der Tlaxkalteken dargestellt sind. Ein zweites
trägt als Standarte aufgesteckt ein anderes Kriegerabzeichen, von kamm-
artiger Grestalt und ebenfalls aus Federn gefertigt, welchem als technische
Bezeichnung der Name patzactii zukommt. Dies scheint das Abzeichen
der Häuptlinge von Quiauiztlan gewesen zu sein. Bei den letzten beiden
Häusern fehlt das Abzeichen.
Die Einzelbilder beginnen mit einer Scene in dem — so zu sagen —
Senat von Tlaxcallan. Ein Bote, der durch leichte Bekleidung und durch
Tätowirung auf Wange und Schenkel als ein Totonake. ein Küsten-In-
dianer, gekennzeichnet ist. überbringt den Häuptlingen der Tlaxkalteken
einen Brief des Cortes mit Freuudschaftsanerbietungen. Cortes schickte
einen Brief, obwohl er wusste. dass die Thlaxkalteken ihn nicht lesen
konnten. Aber er wollte augenscheinlich durch das fremdartige Papier
den Indianern imponiren und gleichzeitig den Boten, als von ihm, dem
Führer der „teules" (eigentlich teotl ^^Gotf*^), der wunderbaren über
Meer gekoipmenen Fremdlinge, abgesandt legitimiren. Ein alter rother
Filzhut. den er gleichzeitig mitschickte, bekräftigte die Legitimation.
Die Botschaft selbst konnte der Totonake mündlich sehr gut ausrichten.
Denn die Totonakeu von Cempoallan, d. h. des Küstenlandes nördlich
von Vera Cruz, die ersten Verbündeten des Cortes. waren ein Misch-
volk aus einer einheimischen Urbevölkerung und einem später zuge-
wanderten, den Tlaxkalteken verwandten und befreundeten Eroberer-
stamm, den sogenannten Chiohimeken.
Das zweite Bild zeigt den Einzug des Cortes in das tlaxkaltekische
Gebiet. Die Bewohner der Orte, durch die er kam, bringen ihm Lebens-
mittel. Das ist eine kleine Fälschimg, die sich der Zeichner erlaubt
hat. Die Bewohner der Orte waren meist geflohen. Die Truppe des
Cortes ernährte sich von den Lebensmitteln, welche die Bewohner in
den Dörfern zurückgelassen hatten, insbesondere von den kleinen Hunden.
3. Die Columbus- Festschriften. 159
welche die Bewohner dos alten Mexico als Scdilaclitthiere mästeten, und
die, obwohl sie von ihren Tferren auf der Flucdit niitn-enommen worden
waren. Nachts in ihre u'ewohnte Heimstätte zurückkehrten. Neben Cortes
ist hier — ■ wie auf den folgenden Blättern regelmässig — seine indianische
Freundin Dona Marina gezeichnet, die ihm als Dolmetscherin unschätz-
bare Dienste leistete, (ieboren in einem Dorf bei Ooatzacualco, wo das
eigentliche Mexikanisch die Landessprache war, war sie als Kind nach
Tabasco verkauft worden und hatte dort die Maya-Sprache gelernt. So
war eine Verständigung mit Jeronimo de Aguilar möglich, der in
Vukatan einige Jahre als Sklave gelebt und dann Gelegenheit gefunden
hatte, sich dem Cortes anzuscdiliessen. Sie war, wie der Chronist sagt —
una 7/1111/ ed-celente miijer — . und d(>r Fjrfolg der Expedition ist nicht zum
geringsten Theil ihrer treuen, stets willigen und geschickten Vermittelung
zuzuschreiben.
Auch das dritte Blatt ist in erster Linie merkwürdig durch das, was
es nicht ausdrückt, üeber dem Blatt steht in grossen Ijcttern der Name
Tecoacanco. Das ist der Name des Ortes, wo Cortes erst am 2. Sep-
tember, dann am 5. September und dann noch einmal in der Nacht, wie
es scheint, vom (i. zum 7. September, den wilden Ansturm der llaui)t-
macht der Tlaxkalteken unter dem jungen Xicotencatl zu bestehen hatte.
Cortes konnte dem Angriff nur dadurch begegnen, dass er die Fusstruppeu
geschlossen zusammenhielt und auch die Reiter nur zu zweien und dreien,
so dass sie sich gegenseitig unterstützen konnten, sich an die Feinde
wagen Hess. Aber ein Pferd wurde ihm gleich am ersten Tag in Stücken
gehauen, mehrere Mann wurden ihm getödtet und gegen siebzig verwundet,
desgleichen wurden ihm fast sämmtliche Pferde verwundet. Cortes be-
stattete seine Todten heimlich in unterirdischen Gemächern, und die
Wunden heilte man, da man kein Oel zur Stelle hatte, mit dem Fett
eines feisten Indianers, der in den Scharmützeln des Tages zuvor von den
Spaniern erschlagen worden war. Trotz der wiederholten Angriffe aber
wurde Cortes nicht müde. Boten mit Friedensanerbietungen den Tlax-
kalteken zu schicken, und diese wurden schliesslich auch wankend, und
hielten es für gerathener, die kampfesmächtigen Fremdlinge sich zu
Freunden zu machen. Die Gesandten der Häuptlinge, und schliesslich
der Feldherr der Tlaxkalteken selbst, der junge Xicotencatl, kamen zu
Cortes mit Lebensmitteln und (reschenken, und der Bund ward in aller
Form geschlossen. Dieser letztere Vorgang allein ist auf dem Blatt, das
die Ueberschrift Tecoaccinco trägt, dargestellt worden. Die Kämpfe, die dem
Friedensschlüsse vorausgiengen, hat der Zeichner unterdrückt.
Die folgenden Blätter 4 — 8 schildern den Empfang der Spanier vor
den Thoren und innerhalb der Stadt TIa.rcallan, die Darbringung von
Lebensmitteln, von Geschenken, die Aufrichtung eines Kreuzes in der
.Stadt und <lie Taufe der tlaxkaltekischen Fürsten. Unter den Geschenken
100 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
figuriren neben Decken und Schmncksaehen (goldenen Oln-pfiöcken. Lippen-
prtöcken, Halsketten n. s. w.) auch eine Anzahl Mädchen. Die Spanier
tauften sie schleunigst, und Cortes vertheilte sie dann unter seine
Kapitäne.
Mit dem Blatt 9 beginnt die lange Reihe der kriegerischen Er-
eignisse, an denen die Tlaxkalteken als Hilfstruppen der Spanier theil-
nahnien.
Der Zug nacli Mexico, die Kämpfe in 3Iexico während der Ab-
wesenheit des Cortes und nach seiner Rückkehr, die verzweifelte Flucht
über die Dämme in der Xacht des 30. Juni 1520 {la nochc triste) und der
unter den grössten Mühseligkeiten und fortwährenden Kämpfen bewerk-
stelligte Rückzug nach Tlaxcallan. Dann die Heranführung neuen Kriegs-
materials, die verschiedenen Züge, die Cortes unternahm, um den 3Iexi-
kanern allen Rückhalt, den sie noch im Lande hatten, abzuschneiden, der
zweite Zug nach Mexico, der Angriff von der AYasserseite und die endliche
Erobernng Mexicos. Ein paar weitere Blätter schildern den Krieg gegen
die Huaxteka (Blatt 49—51), eine grosse Zahl anderer (Blatt 52 — 74) ist
ilem Zuge Guzman's nach den Provinzen des Nordwestens gewidmet, die
letzten Blätter endlich führen uns nach dem Süden, nach dem Land der
Zapoteken und nach Guatemala.
Eine Fülle des werthvollsten archäologischen Materials ist in diesen
vun indianischer Hand gezeichneten, aus einer Zeit noch lebendiger
Tradition stanmienden Blättern enthalten, — die Tracht und Bewaffnung
iler mexikanischen Krieger, die vielgestalteten, aus bunten Farben ge-
fertigten Abzeichen, welche die Führer auf dem Rücken geschnallt trugen,
Städte-Hieroglyphen, und Tracht und Bewaffnung der wilderen, anders-
sprachigen Stämme, mit denen die Tlaxkalteken auf diesen Zügen in
Berührung kamen. AVas mau nach den Berichten der Chronisten und
den spärlichen Notizen in anderen Bilderschriften sich mühsam zusammen-
trägt, das sieht man hier in freilich noch etwas naiven, aber flott ge-
zeichneten und packend wirkenden Bildern vor Augen geführt. Nicht
mehr der strenge, immer etwas ornamental wirkende Stil, auch keines-
wegs die peinliche Genauigkeit der alten priesterlichen Bilderschriften,
aber dafür eine viel grössere Lebendigkeit und unmittelbarere Wieder-
gabe natürlicher Vorgänge. Dabei hat man trotzdem fast überall den
Eindruck grosser Treue und Zuverlässigkeit im Einzelnen. Kurzum, das
Tuch vou Tlaxcallan wird immer eines der denkwürdigsten Dokumente
der alten einheimischen Kultur dieser Länder und ihres Unterganges sein.
Ausser den fünf besprochenen Bilderschriften enthält der von der
Junta Colombina veröffentlichte Band noch ein paar Tafeln, auf denen
eine Anzahl merkwürdiger Alterthümer aus dem Staat Chiapas abgebildet
sind. Lieber ihre genauere Herkunft weiss man nichts. Es ist ein Depot-
fund. Sie sind in einer aus Asphalt gefertigten Kiste im AVald vergraben
3. Die Columbus Festschriften. 161
gefunden un<l nach Mexico zum Verkauf gebracht worden.^) Es sind Ziegel,
die auf der einen Seite Darstellungen in Relief, auf der anderen farbig
(in Aveiss, roth und 1)raun) ausgeführte Zeiclinungen tragen. Die Vorder-
seite und die Rückseite sclieinen insofern einander zu entsprechen, als die
Reliefseite in der Regel eine lebenspendende (xottheit. die farbige Seite die
entsprechende todbringende, furchtbare (Jewalt zum Ausdruck bringt. Die
Darstellungen sind insofern höchst merkwürdig, als in Figuren und Sym-
bolen eine Miscimng von ^laya-, d. h. yukatekischen Typen und mexi-
kanischen Typen zu Tage tritt, die bisher noch bei keinem anderen Doku-
ment beobachtet worjlen ist. In der That waren wohl Chiapas und Tabasco
die bedeutendsten Punkte, wo diese beiden Kulturen miteinander in Be-
rührung traten. Denn Chiapas sowohl wie das südliche Tabasco waren
von Maya-Stämmen bewohnt. An sie al)er grenzten im Norden von Chiapas
zapotekische Völker, die — was Bildersclirifteii u. s. w. betrifft — ganz
<lem Kinfluss mexikanischer Kultur unterlagen, oder sagen wir genauer,
lieren Hilderschriften u. s. w. von demselben oder wenigstens sehr ähn-
lichem Typus sind, wie die mexikanischen. Im Norden von Tabasco
folgten unmittelbar die mexikanisch redenden Stämme. ])as südliche
Chiapas und Tabasco sind mir daher innner als die (Jegenden erschienen,
wo gerade über die Elemente, welche den beiden alten Hauptkulturen
Mittel- Americas gemeinsam sind, insbesondere den Kalender, und alles,
was damit zusammenhängt, am ehesten Aufschluss zu erhalten sein wird.
Leider gehören gerade diese Gegenden — abgesehen von dem einen viel
besuchten und beschriebenen Punkt Palenque — zu den archäologisch
unbekanntesten Gebieten der Republik Mexico. Hoflen wir, dass die
neuen Wege, welche jetzt dnrcli das Land von Ozean zu Ozean geführt
werden, auch der archäologischen Forschung zum Nutzen gereichen.
Der Junta Colombina gebührt aber auch für diese Veröffentlichung
der Dank aller betheiligten Kreise. Es ist die erste Probe aus einem
neuen vielversprechenden Gebiet. Mögen ihnen bald andere folgen !
1) [Es scheint leider keinem Zweifel mehr zu unterliegen, dass diese Tafeln
Fälschungen sind. Die Originale hat Niemand gesehen. Die Zeichnungen hat
ein junger Tabosco-Iudianer gefertigt, den Alfredo Chavero in Europa hat als
Maler ausbilden lassen. Von demselben Zeichner ist neuerdings dem Herzog von
Loubat eine angebliche Maya-Handschrift zum Kauf angeboten worden, die in
derselben Weise wie die Abbildungen der angeblichen Chiapas Ziegel, eine sonder-
bare Mischung von Maya- und von mexikanischen Formen zeigt. Diese Hand-
schrift ist aber eine notorische Fälschung. Denn die Darstellung ist sinnlos,
und für die meisten Bilder lassen sich die Vorbilder in den vorhandenen Maya-
Handschriften nachweisen].
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 11
1(52 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
4.
Die mexikanischen Bilderliandsehriften Alexander von
Hnmboldt s in der Königlichen Bibliothek zn Berlin.
Berliu 189:'..
Torbemerkung.
Die folgenden Aufsätze bilden die Erläuterung zu einem Atlas von Lichtdruck-
reproduktionen der in der Ueberschrift genannten Bilderschriften, der von der General-
verwaltung der Königlichen Bibliothek zu Berlin aus Anlass des vierhundertjährigen
Gedenktages der Entdeckung Amerikas (1"2. Oktober 1S92) herausgegeben worden war.
Ich habe, da eine Wiedergabe des Atlasses in diesem Buche ausgeschlossen ist, wenigstens
die für das Verständniss nothwendigsten Einzeltiguren herauszeichnen lassen. Die Ab-
bildimgen. welche den Text des ersten Abdrucks dieser Erläuterungen begleiteten, sind
sämmtlich beibehalten worden. Ich habe sie aber umzeichnen lassen, da sie damals
riemlich schlecht und mangelhaft von mir ausgefühit worden waren. Da also, gegenüber
dem ersten Abdruck, die Zahl der Abbildungen bedeutend vermehrt worden ist, so haben
sich die Nummern der Abbildungen sämmtlich geändert. Sachliche Aenderungen habe
ich nur selten vorgenommen. Wo diese Aenderung etwas Wesentliches betrifft, habe ich
im Text oder in der Anmerkung darauf hinsewiesen.
Einleitung.
Die sechszehn Bruchstücke alter mexikanischer Bilderschriften, die
auf den Tafeln des Atlas in Lichtdruck wiedergegeben sind, gehören einer
-merkwürdigen im Jahre 1803 im Königreiche Xeuspanien gemachten
Sammlung" an. die „im Januar 1806 von dem Freiherrn Alexander von
Humboldt der Königlichen Bibliothek verehrt'' wurde. So berichtet
Friedrich "Wilken S. 155. löi» seiner im Jahre 1828 gedruckten Geschichte
der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Wilken nennt „dreizehn Frag-
mente historischer Hieroglyphenschrift der Azteken auf einem aus den
Fasern der Agave americana verfertigten Papier, nebst einem dazu ge-
hörigen Codex in ähnlicher Hierogly]^)henschrift von vierzehn Fuss Länge."
Die Zahl stimmt niolit mit der Anzahl der jetzt vorhandenen Stücke. Denn
darnach dürften es nur 14 sein. Der Grund ist. dass zwei der ursprüng-
lichen Streifen ihrer Länge halber zerschnitten und neben einander auf
dasselbe Folioblatt geklebt wurden. Es sind dies die mit Xummern IX,
4. üie uiexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. ItjS
X und XL XII in dem Atlas bezeichneten Stücke, wie ich in der Er-
läuterung dieser Stücke näher zeigen werde. Mit Ausnahme des Bruch-
stückes I, das in seiner ursprünglichen Form als „zusammengelegter Codex''
aufbewahrt worden ist. sind sämmtliche Stücke auf Folioblätter aufgeklebt
und in einen Atlas zusammengebunden. Das Titelblatt ist in dem Licht-
druck-Atlas reproduzirt. Es ist beibehalten worden, obwohl die geschicht-
lichen und archäologischen Bemerkungen auf demselben dem. was wir
heute über diese Dinge wissen, nicht melir entsprechen.
Von dem Bruchstück II der Sammlung berichtet Alexander von
Humboldt, der es in „Vues des Cordilleres et Monuments des Peuples
indigenes de l'Amerique" Fl. XII unter dem Titel „Genealogie des Princes
-d Azeapozalco'" abbildet und beschreibt, dass er es zu Mexico in der Ver-
steigerung der Sammlungen des Herrn (lama (des bekannten Astronomen
und Verfassers der Schrift „Las dos Piedras", mit vollem Namen Antonio
<le Leon y Gama genannt) gekauft habe. Und Humboldt vermuthet,
dass es ehemals dem „Museo Indiano" des mailäudischen Historikers und
Alterthumsforschers C'avaliere Lorenz o Boturini Bernaducci an-
gehört habe. Da, wie ich unten zu zeigen haben werde, verschiedene
andere dieser Bruchstücke sicher der Sammlung Boturini 's angehört
haben, und wir wissen, dass Gama in der That einen grossen Theil von
Boturinis Sammlung gekannt, benutzt und besessen hat, so dürfen wir
wohl die Vermuthung wagen, dass auch die anderen Stücke der von
Alexander von Humboldt zusammengebrachten Sammlung auf dem-
selben Wege erworben worden sind.
Die Bruchstücke II und VI sind von Alexander von Humboldt
selbst in dem genannten Bilderwerk „Vues des Cordilleres et Monuments
des Peuples indigenes de lAmerique" veröffentlicht und beschrieben worden.
Von II ist aber nur ein kleines Stück und ohne die Beischriften, die
dasselbe begleiten, abgebildet worden, und beide sind nicht ganz genau
und fehlerfrei wiedergegeben. Die Bruchstücke I und II sind ausserdem
in dem zweiten Bande des grossen Werkes von Kingsborough „Mexican
Antiquities"' in farbiger Wiedergabe veröffentlicht worden. Xr. II aber
ohne die Beischriften. Und beide sind, wie eine genauere Vergleichung
unschwer erkennen lässt. sowohl was Zeichnung, als was Farbengebung
betrifft, durchaus nicht korrekt und fehlerfrei wiedergegeben. Die ganze
Sammlung war im Jahre 1888, als der internationale Amerikanisten-
kongress in Berlin seine Sitzungen abhielt, mit anderen auf die Sprache
und Geschichte Amerikas bezüglichen Handschriften und Drucken in den
Räumen der Königlichen Bibliothek ausgestellt. Die vierhundertjährige
Wiederkehr des Tages, au welchem Columbus zum ersten Mal den Boden
der neuen AVeit betrat, gab der Verwaltung der Königlichen Bibliothek
die gewünschte Gelegenheit, die ganze Sammlung wenigstens durch photo-
graphische Vervielfältigung — da zu farbiger Wiedergabe die vorhandenen
11*
]^4: Zweiter Absclinitt: Bilderschriften.
Mittel nicht ausreiehrt'n — allgemeinerer Benutzung zugänglich zu machen.
Mir ist der ehrenvolle Auftrag zu Theil geworden, die Blätter mit einigen
Krläuterungen zu begleiten. Ich spreche der Verwaltung der Königlichen
Bibliothek hierfür meinen Dank aus.
I.
Ein 4,3 m lauger, etwas über 8 cm breiter Streifen Agave-Papier, der
auf der einen Seite bemalt und danach vierzehn Mal zusammengefaltet,
also in ein Buch von etwa ein Fuss Länge zusammengelegt ist. Die be-
malte Seite ist durch senkrechte Liuien in fünf Längsstreifen und durcli
andere die ersteren unter rechten Winkeln schneidende Linien in 75 Quer-
felder getheilt worden. Die Längsstreifen will ich von rechts nach link&
mit den Buchstaben A B C D E, die Querfelder, von unten beginnend —
denn dort liegt der Anfang der Lesung — mit den Ziffern 1 — 7.3 be-
zeichnen. Das untere Ende ist unvollständig. Es ist deutlich zu sehen,
dass darunter noch ein Querfeld kam, das in ähnlicher Weise bemalt war
und vielleicht das Ende einer ganzen Reihe fehlender darstellt. Das
obere Ende erscheint glatt abgeschnitten. Da schon in dem fünften Quer-
felde darunter die eigentlichen sachlichen Eintragungen (Kolumnen C — E)
fehlen, so dürfen wir wohl annehmen, dass dies das eigentliche Ende war;
dass der Streifen nicht weiter beschi'ieben worden ist. weil man aus dem
einen oder anderen ( Jrunde mit den Eintragungen aufhörte.
In iler Kolumne B folien in regelmässiirer Wiederholimic einander
vier Bilder, die ich, von unten nach oben fortschreitend, mit a. b. c, d
bezeichnen will. Es steht also a in den Feldern 1, .3, \). 13 u. s. w.: b in
den Feldern 2. (>. 10. 14 u. s. w.: c in 3, 7, 11, 1.3 u. s. w.: e in 4. JS,.
VI. 16 u. s. w.
Das Bild a (Abb. 1) zeigt ein dunkel gefärbte^
Gesicht mit i^rossem. rundem Auge, einer Reihe
langer Hauzähne und einem winklig nach unten ge-
bogenen und an den Enden eingerollten (,blauen>
Streifen über der Lippe. Das ist das bekannte Gesicht
des Regen-. Gewitter- und Berggottes der Mexikaner,
Tlaloc genannt. — ein Gesicht, dessen Formen ur-
sprünglich durch die Windungen zweier Schlangen
\bh 1 — Bild a hervorgebracht gedacht sind, dere« (mit lang herab-
Das sechste Jahresfest reichenden Hauzähnen versehene» Sclmauzenenden
Etzalquahztli. jj, ,]gj. ^[j^^e der Oberlippe zusammenstossen'). Das
1) Vgl. Seier. Das Tonalamatl der .\ubinschen Sammlung. Comptes
rendus VII Sess. Congr. intemat. Americanistes. Beriin 1888. S. 584; und —
deis. das Tonalamatl der .\ubin 'sehen Sammiunff. Berlin IHOO. S. 64. Abb. '2b.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humlioldt's.
165
<Jesicht des Kegengottes steht hier für das Haii|)tfest desselben, des (nach
der üblichen Zählung) sechsten der achtzehn Jahresfeste der Mexikaner,
EtzalquaUtztU genannt, d. i. „wo man Bohnenspeise (Bohnen mit ganzen
Maiskörnern zusammengekocht ^) isst"-.
Das zweite der vier Bilder, b, (Abb. -J) zeigt einen weissen, mit
schwarzen spitzwinkligen Figur(Mi bemalten Streifen, der mit einem rothen
Bande iimsclilungen ist, uml aus dem oben zwei gellt gemalte Büschel her-
vorselum. Der weisse, mit den spitzen Figuren bemalte Streif stellt ein
sogenanntes teteniti oder arna-teteuiÜ vor, einen Sti'eifen weissen Kinden-
|t;ipiers (Hast einer Feigenart), auf dem mit flüssig genuichtem Kautschuk
-ewisse Figuren gezeichnet sind. Diese teteuiÜ waren als Opfergaben
idlgemeiu gebräncldicli. Heim Fest der Regengötter hieng man dieselben
;in lauger Stange im Hofe des Hauses auf^j. Den kleinen Llolen der
l>ergg('>tter lieft<'te man sie vor dit' Brust''). Und den Feuergöttern ver-
brannte m;in sie*). Es waren gewissermassen leicht beschaffbare Abbilder
■<lei' (i(»tter seihst, die man ihnen ilarbrachte. Denn
d;is Bild des (iottes, oder ein Symbol desselben, wurde
mit der Kautschukzei(dinnng auf den Papieren an-
gebracht^). Das rothe Band, mit dem das Papier um-
schlungen ist, ist ein Lederriemeu, wie sie, gefärbt
und auch vergoldet, als Bandriemen und Schmuck-
riemen viel verwendet wurden"). Die gelben Büscdiel
•endlicli. die oben hei'.iusragen, bezeichnen einen Besen.
Dieselben wniden aus einem hartcui pfriemenartigen
iirase gefertigt, das man mit Sicludn in den Berg-
wiUdern des Popocatepetl imd des Ajusco schneiden
gieng'). Das gsinze Bild ist ein Symbol der alten Erd-
gt'Utin, Toci „unsere Ahne" o<ler Teteo innan „Mutter
der Ciötter" genannt, und des (nach der üblichen Zählung i eilften der
iichtzehn Jahresfeste der Mexikanre, Ochpaniztli, des „Besenfestes" oder
..Hausfegefestes", das mau dieser Göttin feierte. Denn der Besen, der
♦"ine der ersten häuslichen, d. i. weiblichen Thätigkeiten bezeichnet, war
^in besonderes Svmltol dieser (iöttin, die aber eben deshalb Jiuch als (löttin
Abb. 2. — Bild b.
Das eilfte Jahres fest
Ofhpdiiizfli.
1) Vgl. Duräu in. § C. Sahagun 2, ü.
•2) Sahagun 2, 20; 2, ob.
3) Sahagun 2, -Vi.
4) Sahagun 9, 3; 2, 34.
5) Vgl. Sahagun '••, cap. 3.
6) Vgl. die Hieroglyphe von (,'ueihtxthni „das Land des Leders" in Codex
Mondoza -s, 21; 51, 1.
7) Sahagun 10, 24, Vol. 111, S. Gl (edit. Bustamante) u. Comm. cl. Herausg.
z. d. St.
166
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
der Reinheit. »1er ReiniLninü-, der Süiulontiluuiiir ualt^). Dhs fefeuifl Vfi\ner.
mit welchem der Besen zusammeiigefasst ist. ist in nnserm Bilde b mit
Fiofuren bemalt, die wiedermn eiti Attribnt derselben (TÖttin bezeichnen.
Mit spitzwinkli.s:en Fijfuren oder mit Grnp)»en paralleler Striche auf weissem
Grunde bezeichneten die Mexikaner in ihren Malereien die rohe uny;e-
Mfii
inc».
Abb. 3, — Titcd in Htm.
Sahahagun-Ms. Bibl. del Palacio.
Abb. 4. — Kopfschmuck irhraxochiti
der Tf^teo >n nun oder Tlarolfeotl.
Codex Borbonicus ö.
sponnene Baumwolle. Die letztere, das weildiche Arbeitsmaterial, war
gerade deshalb eines der vornehmsten Ausstattungsstücke der genannten
Gottheit. Aus Baumwolle bestand ihre Kopfbiude (vgl. Abb. 3, 4).
i-ichcaivochiuh „ihre Kopfbinde aus Baumwolle" genannt"'). Ein Streifen
ungesponuener Baumwolle hieng aus ihrem Ohrpflock. Und lose Bauni-
Abb. 5. — Tot(u hi/iHii oder
TlarolUofh Codex Vaticanus A 29
''= Kinirsborouorh 24).
Abb. 6. — Tett-o hl 11 an oder
Toci. Göttin des (irhpanizfll-
Festes. Sahagrun-Ms. Bibl.
del Palacio.
Abb. 7. - Bild c.
Das fünfzehnte
Jahresfest
I'aiiquetzaliztli.
wolle war an den Enden der Spindel befestigt, ilie sie zwischen Haar
und Kopfbinde eingesteckt trug. (Ablt. 5.) Ein mit Bauniwollzeiohnung
bedecktes Papier sehen wir in der Abbildung '^ auch am Hinterkopf der
Göttin befestigt. Die Glieder selbst der Göttin erscheinen in <lem grossen
1) Seier. das TonalamatI der Au bin" sehen Sammlung 1. c, S. 6.51.
Tonalamatl der Aubin' sehen Sammlung. Berlin 190(\ S. 94.
i) Veröffentlichungen aus dem Königl. Museum für "\''ölkerkunde I, S. 148
Das
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
167
Bilde des Codex Borboiiicus (Abb. 8) mit dem gleichen Material bedeckt.
Dass in unserem Bilde b das mit den spitzwinkligen Figuren bemalte
Papier, gleich dem Besen, ein Symbol der Erdgöttin ist, wird auf das
Klarste dadurch bewiesen, dass mit in gleicher Weise bemaltem Papier
der Besen umwickelt ist, den das Abbild der Göttin Tod selbst in der
Hand trägt. So sehen wir es in der Abb. 6, die dem Bilde (Mitnommen
ist, durch welches in der Sahagun- Handschrift der Bildiotheca del Palacio
zu Madrid die verschiedenen Zärimonien des Festes Ochpaniztli zur An-
schauung gebracht sind.
Abb. S. — Teteo innav oder Tlarolfiotl, Eegentin der dreizehnten Woche
rp olin -eins Beweffuno". Codex Borbonicus 13.
Das dritte Bild in der Kolumne. d;is ich mit c bezeichnen wollte (Abb. 1),
stellt eine Fahne dar, und zwar, wie der Anschein lehrt, eine Fahne aus
gewebtem gestreiftem Stoff, mit am Kopf befestigten Bändern aus dem-
selben Stoft'. Solche Fahnen wurden, wie es scheint, quachpaviitl genannt.
— abgeleitet von quachtli „ein viereckiges gewebtes Stück Zeug'' und
■pamiü „Fahne". Fahnen und andere Abzeichen spielten bei den Mexikanern,
ähnlich wie W\ den altweltlichen Nationen, eine Rolle im Krieg. ?^ur
dass die Mexikaner diese Abzeichen in der Regel nicht frei in der Hand,
16N
Zweiter Abschnitt: Büderschiiften.
sondern auf den Rücken uesclinallt rrunen. Es scheint indes, dass Fahnen,
und Awar Fahnen derselben Gestalt und Beseiiattenheit. wie die in unserem
Bilde c dargestellt»', auch in der Hand geschwungen wurden. Es wurde,
wie wir aus Sahagnu erfahren, mit ihnen das Zeichen zum Kampf gegeben.
So lesen wir in dem aztekisi hen Manuskrii)t der Academia de la Historia
zu Madrid: i/n quachpaniü, loztic teocuitlapanitl youn quetzalpaiiitl , ipi
teeuitia yyaoc: yn otnottac ye meuatiquetza yn izqui quachpaniü. nivtan
cemeua yaoquüque ;mif miccali. Sahagun dib. <s, cap. VI) übersetzt etwas
ungenau: — tambien usaban de unas vanderillas de oro, las cuales en
toeando al arma las levautaban en las manos, i)or(.|ue comenzasen
ii pelear los soldados." — Die wirkliche Uebersetzimg lautet folgender-
massen: — ..Die Fahne aus gewebtem Stoff, die Fahne aus llohlblech
und die aus Quetzalfedern verfertigte, die rufen die Leute im Kriege zum
Aufbruch. Wenn man sieht, jetzt fliegen überall die quackpunitl (die
Abb. 9. Falme in der Hand
ntsilojyochtli's als Abbild
des Festes Patnpietzaliztli.
Cod. Tell.-Rem. 5.
Abb. 10.
Abb. 11.
Fahnen aus gewebtem Stoff) iu die Höhe, dann brechen die Krieger zum
Kampfe auf." Das Aufheben der Fahne war also das Zeichen für den
Beginn des Kampfes. Panquetzaliztli, das Aufheben <ler Fahne, hiess
deshalb das Fest — das fünfzehnte, der gewöhnlichen Zählung — . das
die Mexikaner dem Gotte üitzüopochtli feierten, iler insbesondere als Gott
«les Streites imd der Schlacht galt. Im Coilex Telleriano Remensis und
Vaticanus A wird dieses Fest veranschaulicht durch die Figur des Gottes
selbst, der eine Fahne iu der Hand hält (Abb. 9). die im übrigen im
Wesentlichen dieselben Merkmale zeigt, wie die. weiche unser Bild c vor
Augen führt. Anderwärts wird statt dessen das quackpamitl allein gemalt.
So in späteren Kalendern, aus denen ich die betreffende Figur mit der
Legende in den Abb. 10. II wiedergegeben habe. Und so auch in unserem
Bilde c, das also das fünfzehnte Jabresfest, das Fest Panquetzaliztli^ ver-
anschaulicht.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldfs.
1(19
Abb. 12. - Bild d.
Das zweite Jahresfest
TlacaTipeualiztli.
Das vierte Bild eiidlicli, das icli mit d bezeichnete (Abb. 12), führt den
Kopf eiiiei' bekannten (fottheit vor Augen, des rotheii Gottes Xipe^ der bei
den Yopi in (b'n tief ein<>'erissenen Sehluchten «ler pazifischen Abhänge seine
insprüiigliche PLeiniar hatte, dessen Kult aber sich weit über (bis lloch-
hiiid verbreitet hatte, und der insl)eson(b're in der Hauptstadt sidbst mit
liesondercMii Pomp gefeiert wurde. Eine besondere
lOigenthiimlichkeit dieses (Jottes i.st, dass er in die ab-
gezogene Haut eines Menschen gekleidet einhergeht.
An sfdneni Fest wurden deswegen die Opfer nicht
mir (in der üblichen Weise durcdi Herausreissen des
Herzens) geschlachtet, und ihm die Herzen dar-
li'ebracht. Son(h'rn na( limalen wurde der Leichnam
geschunden, und die abgezogene Haut hiengen sich
diejenigen über, die dem Gotte aus irgend einem
Gnmde besondere Devotion erzeigen wollten und
trugen dieselbe die zwanzig auf (bis Fest folgenden Tage
hindurch. Dieses Fest, Tlacadipeiiuliztli „Menschen-
•^ehinden" genannt, — das zweite (nach der üblichen Zählung) — ist hier in
unserem Bilde d durch den Kopf des Gottes Xipe zur Anschauung gebracht.
Wir haben also in den Figuren a. b, c, d der Kolumne B die Bilder
von vier Jahresfesten. und zwar des sechsten, eilften, fünfzehnten und
zweiten der üblichen Zählung. Das se(diste Fest steht von dem eilften
um .") X 20 = 100 Tage ab, das eilfte von dem fünf-
zehnten um 4 X 20 = 80 Tage, das fünfzehnte von
dem zweiten um 5 X 20 -(- 5 = 105 Tage (in diesen
Zwischenraum fallen die nemontemi, die fünf über-
schüssigen Tage, die am Ende von Izcalli gezählt
wurden). Das zweite von dem sechsten endlich steht
wieder um 4 X 20 = SO Tage ab. 100 ^ 80 + 105 + 80
= 305. Wir haben also in diesen vier Festen zwar
keine genaue Viertheilnng des Jahres, aber eine An-
näherung an eine Viertheilung, so genau und so regel-
mässig, wie solche bei der l^jintheilung des Jahres in
IS Allschnitte von 20 Tagen und 5 überschüssige Tage möglich war. -
Betracliten wir nun die Kolumne A, die erste an der rechten Seite
des Streifens. Hier sehen wir immer neben dem Feste EtzalqualizÜi
(a der Kolumne B) ein Bild angegeben und eine Anzahl kleiner Kreise,
die der Ausdruck einer bestimmten Zahl sind. Auch hier wieder sind es
vier Bilder, die in regelmässiger Abwechselung von unten nach oben ein-
ander folgen. Ich will diese, von unten beginnend, mit a. ß. ;>, <) be-
zeichnen.
Das erste Zeichen (aj (Abb. 13) setzt sich zusannnen ans einem Auge,
einem senkrechten Strahl nntl zwei Seitentheilen, die wohl aus der Zeichnung
Abb. 13. — Bild «.
oliii ..Bewegung".
Dreizehntes derzwanzig
Tageszeichen
der Mexikaner.
170
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
eines etwas spitzwinklig sich schneidenden Kreuzes, Sinnbildes der vier
Himnielsriclitungen, hervorgegangen sind (vgl. die Variante dieses Zeichens
Abb. 14 aus dem Öahagun-Ms. der Biblioteca Laurenziaua), vielleicht
aber auch Anklänge an die auf Spinnwirteln (vgl. Abb. 22 — 24) häufig-
angebrachte Zeichnung von zwei die Höhlung (die als Auge gedacht ist)
umrahmenden Augenbrauen haben. Vgl. die Abb. 20, 21, die einem
Personenregister der Orte üexotzinco und Xaltepetlapan (Ms. Mexicain
Nr. 3 der Bibliotheque nationale de Paris) entnommen sind und <laselbst
Personen Xamens Olin bezeichnen. Das ganze Zeichen führt^ nämlich den
Namen olin ..das Rollende". Es ist das siebzehnte der zwanzig Tages-
zeichen der ^üexikaner und wurde in besonderer Beziehung jzur Sonne
Abb. 14.
Abb. 15.
Abb. 16.
Abb. 17.
Abb. 18 a. Abb. 18b.
Abb. 19.
Abb. 14 — 19. Das Tageszeichen olin.
Abb. 14. Sahagun-Ms. Bibl. Laurenziana. — Abb. 15, Codex Telleriano- Remensis. —
Abb. 16. Tonalamatl der Anbin 'sehen Sammlung. — Abb. 17. Codex Borbonicus. —
Abb. 18 — 19. Codex Borgia.
stehend gedacht. Die Form, die das Zeichen hier, in unserer Figur u.
hat, ähnelt am meisten der, die w^ir in den Codd. Telleriano -Remensis
und Vaticanus A (Abb. 15) und im Codex Borbonicus (Abi). 17) sehen.
Und das ist für die Frage der Herkunft der vorliegenden Bilderschrift
nicht ganz ohne Belang.
Das zweite Zeichen der Kolumne A, das ich ß nannte (Abb. 25).
stellt den Kopf des Windgottes dar, Efcatl oder Qtietzalcouatl genannt. Er
hat einen trom])etenartig vorgezogenen Mund. Denn der Windgott bläst.
Im üebrigen dachte man bei dieser Figur an Kreise und Wirbel. Seine
.Tempel wurden daher kreisrund gebaut. Rund kegelförmig ist die Mütze,
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
171
die er träi;t. Rund abgeschnitten die Enden der Kopfschleif o und die seiner
Schambinde. Und sein Hauptschnmck ist das spiralj^edrehte Schnecken-
gehäuse. Schneckengehäuse trägt er als Jialsschnur, und aus einem grossen
Meer- Schneckengehäuse ist auch sein Brustschinuck, das eca-ilucatzcozcatl,'^}
sowie sein Ohrschniuck geschliffen. Der Kopf des Windgottes steht hier
Abb. 20. Hieroglyphe oUn.
Biblioiheque nationale.
.\bb. 21. Ms. Mexicain Nr. 3.
Abb. 22. Abb. 23. Abb. 24.
Abb. 22 — 24. Thönerne Spinnwirtel.
Cerro 'mont ose und Otates (Vera Cruz). Sammlung Strebe!.
Abb. 2."). — Bild ß.
eeeatl „Wind". — Zweites
Tageszeichen
der Mexikaner.
Abb. 26. — Bild y.
maratl „Hirsch".
Siebentes Tageszeichen
der Mexikaner.
Abb. 27. — Bild 8.
malhioUi „Gedrehtes".
Zwölftes Tageszeichen
der Mexikaner.
für das zweite der zwanzig Tageszeichen der Mexikaner, das ePcatl „Wind"-
genannt wurde. Die Form, die das Zeichen in unserer Figur liat, ähnelt
wiederum am meisten der Form, welche in den Codd. Telleriano-Remensis
und Vaticanus A «rezeichnet ist.
1) Veröffentlichungen aus dem König). Museum für V^ölkerkunde zu Berlin l.
S. 128, 129.
172 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Das drirte Zeichen (;'i der Kolumne A (Al»l». 2t>. S. 171) zeiut den
Kopf eines Hirsches, der allerdings unzooloirisch mit obern Schneidezähnen
irezeichnet ist. al>er durch das verästelte Geweih deutlich als solcher ge-
kenuzeichnet wird. Mir dem Bilde des Hirsches {macatl) wurde das siebente
der zwanzig: Tageszeichen der Mexikaner bezeichnet.
Das vierte Zeichen <^ (Abb. 27. S. 17J) zeigt einen Totenschädel mit
fleischloser Kinnlade, grossem, rundem, mit Braue versehenem Auge und vor-
gestreckter Zun ire, wie es bei den Mexikanern üblich war. den Tod oder den
Todesgott darzustellen. Der Schädel ist aber hier bedeckt mit einem grünen
Busch, dessen einzelne Halme in gelbe Knöpfchen enden. Dieser grüne
Busch stellt (irras dar und veranschaulicht den aus Gras gedrehten Strick.
inalinalli. der seit uralter Zeit bis heute bei der Verschnürung grober
Lasten (Holzkohlen u. s. w. i gebraucht wird. Das ganze bezeichnet das
zwölfte der zwanziir Tageszeichen der Mexikaner, malirtalli _das Gedrehte"
genannt. Der grüne Busch erscheint in demselben mit dem Totenschädel
verbunden, weil man bei dem aus Gras gedrehten Strick au den. gleich
einer Last, mit Stricken umschnürten Mimiienballen dachte, in welche
Porm die Leichname der Gestorbenen gebracht wurden. Tielleicdit er-
weckte auch das Gras selbst, das mit den ersten Regengüssen aiifschiesseden
und schnell dahin welkende, den Gedanken an die Vergänglichkeit <les
Irdischen. Thatsache jedenfalls ist. dass malinalli als Lnglfickszeichen
galt, dass es schnelles Dahinwelken, Vergänglichkeit. Unbeständigkeit im
(lefolge haben sollte. — In Bezug auf «lie Form des Zeichens ist auch
hier wieder zu bemerken, dass unser Bild d am nächsten sich den Formen
anschliesst. in welchen im Codex Telleriano-Remeusis und Vaticanus A
das ünglückszeichen ma/ifiaUi dargestellt zu sehen ist.
Das Zahlensystem der Mexikaner war ein rigesimales. Xaturgemäss
bildete die Zahl 20 in Folge dessen auch die Grundlage ihrer Zeitrechnung.
Sie bezeichneten die zwanzig aufeinanderfolgenden Tage jeden mit einem
besonderen Zeichen. Mit diesen zwanzig Zeichen aber kombinirten sie
die Ziffern 1 — IH in der Weise, dass jeder der aufeinanderfolgenden Tage
mit einem Zeichen und einer Ziffer bezeichnet wurde. AVenu also, zur
Bezeichnung des ersten Tages, die Ziffer 1. kombinirt mit dem ersten
Zeichen, diente, so erhielt der vierzehnte Tag zwar das vierzehnte Zeichen,
aber wieder die Ziffer eins. So gewann man als höhere chronologische
Einheit einen Zeitraum von 13 X 20 oder 260 Tagen. Denn erst nach
Ablauf dieses Zeitraumes traf es wieder ein. dass ein Tag dieselbe Ziffer
und dasselbe Zeichen erhielt. Der Zeitraum von 13x20 oder 260 Tagen
wurde tonalamatl _das Buch der Tageszeichen" genannt.
Das Jahr rechneten die Mexikaner zu 365 Tagen. Und ich habe
schon erwähnt, dass sie dasselbe in 18 Zeiträumen zu 20 Tagen und fünf
überschüssige Tage, iieniontemi genannt, zerlegten. Diese fünf über-
schüssigen Tage wurden als Unülückstage, als unbrauchbare, zu keinem
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt'?. 17o
ernstlichen (leschäft taugliche Tage betrachtet. Die alten Mexikaner
sagten daher von ihnen acüm pouhqui. Das soll ohne Zweifel bedeuten
„sie standen in keiner Werthschätzung", kann aber dem ursprünglichen
Wortsiinie nach auch bedeuten, „sie wurden nicht gezählt". Man hat
deshalb gesclilossen, dass diese fünf Tage weiss gelassen worden seieu,
dass die fortlaufende Reihe der Zeichen und Ziffern auf sie nicht an-
gewendet worden sei. In einer Abhandhing, die ich im Jahre 1891 der
anthropologischen (lesell schaff zu Berlin vorlegte^), wies ich darauf hin,
dass das ganze System der Jahresbezeichnung der Mexikaner, -^ das.s
nämlich die nacheinand erfolgen den Tage durch vier und zwar um je vier Tage
von einander abstehende Zeichen bezeichnet wurden — und die .')2jährigen
Perioden der Mexikaner nur verständlich seien, wenn man annimmt, dass
die fünf netnontemi, die überschüssigen Tage, in derselben Weise wie die
anderen Tage weiter benannt und beziffert worden seien. Für diese An-
nahme liefert gerade unsere Handschrift, Nr. 1 der vorliegenden Sammlung
den besten Beweis.
In der Kolumne B folgen in regelmässigem Wechsel Bilder, die
gewissermassen Yierteljahrsanfänge einer fortlaufenden Reihe von Jahren
angeben. Neben dem ersten derselben, neben dem Symbol des Festes
EtzalqualiztU, stehen in der Kolumne A ZifiPern und Zeichen, die zusammen
je ein bestimmtes Tagesdatum angeben. In dem untersten derselben, in
dem Felde 1, sind die kleinen Kreise, welche die Ziff'ern angeben, nicht
vollständig erJialten. Aus den Resten aber, und aus dem Zusammenhang
der ganzen Reihe ist zu entnehmen, dass liier die Ziffer 12 stehen sollte.
Setzen wir diese Ziffer ein, so sehen wir, dass in der Kolumne A (neben
dem EtzcdqualiztU der Kolumne B) die folgenden Tagesdaten angegeben
sind:
12 olin
18 erca
itl
14
map
atl
2 malinalli
3 .,
4 „
5
„
ö
7 „
8 „
9
„
10
11 „
12 „
13
.j^
14
Hier ist die Ziffer 14, die eigentlich nicht in die Tagesbezeichnung
gehört, überall als eins zu lesen. Denn nur die Ziffern 1 — 13 werden,
wie ich erwähnte, neben den 20 Zeichen zur Benennung der nacheinander
folgenden Tage verwendet.
Ziehen wir nun, nach Vornahme dieser Korrektur, ein Schema des
mexikanischen Kalenders zu Rathe, so sieht man, das unter der Voraus-
setzung, dass die 5 nemontemi in derselben Weise wie die anderen Tage
weiter benannt und beziffert wurden, die in der Kohunne A angegebenen
1) Zeitschrift für Ethnologie XXIII. S. 89—133.
174
Zweiter Abschnitt: Bildeischrifteu.
Tagesdaten immer yeuau um 365 Tage von einander abstehen. Vyl. die
folgende Tabelle:
^ --S
N I ^
CS,^
't
oll II . . . .
tecpatl . . . .
qutauiti . . .
aochitl . . .
^ipactli . . .
eecati . . .
caUi
cuetzpalin . .
coatl . . . .
jttiquiztli. . .
jua^atl . . .
tochtli . . . .
atl
itzcuintU . .
ocomatli . . .
malin alli .
acatl . . . .
orelotl . . . .
^uauhtli . . .
■cozcaquauhtli
12| G13
131 7 1
l| 8| 2
2 91 3
310 4
4 llj 5
5'l2| 6
g|i3| 7
7I1I8
8i 2j 9
9] 310
411
5jl2
613
13 7| 1
1 8
9
10' 4
11 5
3
4
5ir2| 6113
1 8
2| 9
3!l0
411
? :S
e~( :S .0»
2
9
3!l0
4
11
3
10
411
5
12
4
11
5'l2
6
13
5
12
613
7
1
6
13
7
1
8
2
7
1
8
2
9
3
8
2
9
3
10
4
9
3
10
4
11
■'^\
10
4
11
5
12
6
11
5
12
6
13
7
12
6
13
7
1
8
13
7
1
8
2
9
1
8
2
9
3
10
2
9
3
10
4
11
310
4
11
5
12
411
5
12
6
13
512
6
13
7
1
6'l3
7
1
8
2
"<
1
8
2
9
3
*
2
9
3
10
4
^ ^ ^
a ;'^
0
.5,
^'^
JS
h
5i?i
1
?.
^'5
•^
Ä
■w» -^
^
^
S,;S
~ ^
1^
12
13
1
2
3
4
5
6113
6,13
8| 2
9i3
10 4
11
12
I
2 9
3,10
4' 11
512
310
I
4|11
12
13
1
2
9
10
11
12
13
1
2
3
411
512
613
7J 1
8: 2
9j 3
3|l0 4
411 5
li 8
2! 9
3! 10
4111
512'
6|13|
512
613
Hierdui'ch wird, meine ich, zm" Evidenz bewiesen, — 1. dass die in der
Kolumne B gezeichneten Bilder in der That Yierteljahrsaufänge sind, und
die verschiedenen Bilder a) die jährliche Wiederkehr des Festes Etzal-
quaUztli anzeigen sollen; — "2. dass die Angabe, die fünf nemontemi seien
nicht gezählt worden, nur auf Missverständnis beruhen kann.
Unsere Handschrift ist aber noch in anderer Beziehung für die Chrono-
logie von Bedeutung. Es ist bekannt, dass die "Mexikaner ihre Jahre mit
4en vier Tageszeichen acatl „Rohr", tecpatl „Feuerstein '% calli „Haus''
und tochtli „Kaninchen"' bezeichneten, die sie in ähnlicher Weise, wie bei
der Benennung der Tage, mit den Ziffern 1 — 13 kombinirten. A^gl. die
Tabelle auf Seite 175.
In meiner oben schon genannten Abhandlung in der „Zeitschrift für
Ethnologie'' Yol. XXHI (1891) hob ich hervor, dass der Ursprung dieser
Bezeichnung in der Annahme eines Jahres von 365 Tagen lie";t. dass ein-
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Huraboldt's.
175
fach die Jahre nach einem bestimmten leitenden Tage benannt worden
seien. In der That, nimmt man an z. B.. dass in dem einen Jahre <ler
leitende Tag der gewesen sei, der auf der Tabelle Seite 174 an zweiter
Stelle verzeichnet steht, der das Zeichen tecpatl und die Ziffer 13 führt,
so würde im nächsten Jahre, d. h. nach Ablauf von 365 Tagen, derselbe
Tag das Zeichen calli und die Ziffer 1. erhalten, u. s, f. Es ist nun von
vornherein das Natürlichste, sich vorzustellen, dass dieser leitende Tag-,
uach dem die Jahre benannt wurden, der Anfangstag der .Fahre gewesen
sei, dass die Anfangstage der aufeinander folgenden Jahre die Zeichen
acatl, tecpatL calli. tochtli getragen liaben. Man kann es nicht gut ab-
lehnen. — fülirte ich an der genannten Stelle aus^) — anzunehmen, dass
zu der Zeit als, und an dem Orte wo, es den Gelehrten zum ersten Mal
aufgieng, dass auf die Anfangs tage der Jahre nur 4 von den 20 Tages-
zeichen fallen, es gerade die Tage acail. tecpatl, colli, tochtli waren, mit
denen die Jahre damals und an dem Orte begannen, oder wenigstens, dass
diese Tage damals und an dem Orte aus irgend welchen Gründen zu
Anfangstagen der Jahre gewählt wurden. Diese Annahme widerspricht
nun allerdings den Angaben Dur ans und des von Leon y Gama zitirten
und benutzten Ohristöbal del Castillo. da diese das mexikanische Jahr mit
cipactli, bezugsweise mit cipactli, miquiztli. OQomatli, cozcaquauhtli beginnen
hissen. Ich sah aber einen indirekten Beweis für meine Annahme in dem
Umstände, dass alte Berichte aus zwei abgelegenen und weit von ein-
ander entfernten Orten, aus Meztitlan an den Grenzen der Huaxteca, tmd
aus Nicaragua, die Reihe der 20 Tageszeichen mit acatl beginnen lassen.
Und einen direkten Beweis gab icli durch den Nachweis, dass in der
1 . acatl
1.
tecpatl
1.
calli
1.
tochtli
1. acatl
2. tecpatl
2.
calli
2.
tochtli
•)
acatl
u. s. f.
3. calli
3.
tochtli
3.
acatl
3.
tecpatl
wie vorher.
4. tochtli
4.
acatl
4.
tecpatl
4.
calli
5. acatl
5.
tecpatl
5.
calli
5.
tochtli
6. tecpatl
6.
calli
6.
tochtli
(i.
acatl
7. calli
7.
tochtli
7.
acatl
7.
tecpatl
M. tochtli
8.
acatl
8.
tecpatl
8.
calli
!•. acatl
9.
tecpatl
9.
calli
9.
tochtli
10. tecpatl
10.
calli
10.
tochtli
10.
acatl
11. calli
11.
tochtli
11.
acatl
11.
tecpatl
12. tochtli
12.
acatl
12.
tecpatl
12.
calli
13. acatl
13.
tecpatl
13.
calli
13.
tochtli
1) Zeitschrift für Ethnologie XXIII, S. 102.
17(5 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Dresdener Maya-Handsclirift in der Tliat die Jalire nicht mit kan^ muluc.
ii\ cauac beginnen — mit denen, naoli Landa und den Biiehern des^
Cliilam Balam zu urtheih'u, die Maya in späterer Zeit ihre .lahre beginnen
Hessen — . sondern mit heen, eonab^ akbal, lamat, den Zeichen, die den
mexikanischen acatl., tecpatl, calli, tochtli entsprechen.
Unsere Handschrift F, nennt allerdings die Aufangstage der Jahre
auch nicht. Aber sie führt in der Kolumne A die Tage an, auf welche
^ias sechste Jahresfest, <las Fest Etzalqualiztli, fiel.
Nun wissen wir, dass in den sogenannten Monaten oder Zeiträumen
von "20 Tagen, die nach den verschiedenen Jahresfesten benannt wurden,
das eigentliche Fest dieses Namens immer auf den letzten Tag dieser
Zeiträume fiel. Wenn also, wie unsere Kolumne A ergibt, in den hier
aufgeführten 1!) Jahren das Fest Etzalqualiztli, das sechste Jahresfest, auf
die Tage
1'2 olin
13
eecatl
1
maratl
2 malinalli
3 „
4
11
ö
„
6
7 „
8
11
9
1?
10
11 ,.
12
n
13
11
1
2 „
3
51
4
fiel, so folgt unmittelbar, dass der Anfangstag des siebenten (nach dem
Fest Tecnilhuitontli benannten) Zeitraums auf die Tage
13 tecpo
itl
1
eulli
2 tochtli
3
acatl
-t «
5
11
6 „
7
r>
s
9
„
10 „
11
V)
12 ..
13
T)
1 „
2
»
3 „
4
11
5 „
fallen nmss. Und setzt man den Anfang des Jahres, mit Sahagnu, auf
den ersten. Tag des nach dem Feste Atlcaualco benannten Zeitraums, so
würde sich für die Anfangstage dieser 19 Jahre die folgende Reihe er-
geben:
10 tecpatl 11 calli 12 tochtli 13 acatl
1 » 2 „ 3 „ 4 ,,
5 .. t> » 7 ^ 8 „
9 „ 10 „ 11 „ 12 „
13 „ 1 „ 2 „
Aus unserer Handschrift, — die, meines Wissens, die einzige mexi-
kanische Handschrift ist, in der eine längere Reihe von Jahren oder,
genauer, über eine längere Reihe von Jahren sich erstreckende Tages-
daten angegeben sind, — ergibt sich also mit Bestimmtheit, dass auch
4. Dil' luexikuni^clieu IJilderschritten Alexander von Huinbolflt's. ]77
<lie .VI ex i kau er, i^Ieicli «Ich Mayii-PriestL'i-ii. die die Dresdc-iicr Haiitlsdirift
sc'liriüben, ihre .lalirc mit ileii Zeichen (tr((fL tevjxitl, c(tlh\ tochtli begannen.
Dies Resultat. (h>s sicli mir niis (Iründen alliiemeinerer Natur ergab,
und (bis, wie wii" scdien, aus unserer I l;iiids(dirif't direkt /u erschliessen ist.
bat dundi ein in neuster Zeit Ijekannt gewoi'denes Zeuiiiiiss nocli eine an«b'r-
weitige Bestäti^iinu,' erfahren. Auf «b'r b'tzten l'ai;un«;' (b's .Vmerikanisteii-
koiigresses, <lie in llu(dva stattfand, sridlre Frau Zelia Xut;ill ;uif einer
grossen Tafel eine von ihr erscmnene lu'konstruktion «b's mexikanischen
Kab^nders ans, übei' die sie si(di n(K-li nähei'e Ansfiihrungen vui-bebäit.
Auf dieser Tafel war aus einer wichriiicn nu'xikaiiisclien l)i]derschrift, die
sich in dei' iiiblioteca luizimiide /.u l'^lorenz befindet, und die nou l-'ran
Nutüll niicdistens in Faesimile herausi''e"'eben werden wird, folucnde Stelle
angeführt: — Es de notar (|ue sieinpre comienrn el iiue eii im diu de
(juntro, el uno (jue llaman acatl. y de alli toniaii iiuiilnc. u eii nrre (|Ue
llainan adi \ de alli roman nonbre. o en otro que Ibnnan iccixifl. y de
alli tonian nonbi'e. y de otio (jue llaman fochtl/. y de alli tonian nonl)re. —
J)as ist klar und deutlich. Lud Frau Xutall hat mit Recht diese Stelle
zum Ausgaiigs])unkt ihrer Untersuchungen gemac lit.
Eine andere Frage frinlich ist, das muss ich hiei- juudi gleicli nech
berühren, ob der von Sahagun und andern als Anfangsnionat des .lahres
angegebene .Monnt Atlcuuulco derjenige ist, der zur Zeit, als sich die Jalires-
be/eichnung lundi den vier Tngen aaifU loqxiiL calll, tochtli einbürgerte,
dei' ieiteiub^ odei' der Anfangsmonat \\;\v. Diese l-^'rage scheint verneint
w»M"den zu müssen.
J)ie wichtigste Notiz in den alten Schriftstellern, die eine Konkordanz
der mexikanischen Zeitrechnung mit unserer Zeitrechnung und eine Yer-
gleichung der mexikanischen Jahresbezeiclmung mit bestimmten Tagen des
betreffenden Jahres ermöglicht, ist die in Sagahun Buch l'J. Cap. 40
gegebene, wo es heisst, dass die (u^fangennahme Quauhteviocizm's, die
der verzweifelten Vertheidigung der Stailt Mexico ein Ende machte, am
Tage ce coiiafl (eins Schlange) des .lahres yci calli (drei Haus) erfolgt sei. —
Auh in onioviun cimnulli inic tiritinque in jiuJitnnuUi ei cal/i^ au/t in cemil-
huitlapoalli ce coatl „als der Schild niedergelegt wurde (dei' Krieg aufhörte).
indem wir zu Boden fielen, das war das Jahr „drei Haus" und der Tag
„eins Schlange"' (Ms. Biblioteca Eaurenziana). Dieser Tag war. wie wir
aus den Briefen des Cortes und aus Gomara wissen. Dienstag S. Hip-
polyt, der IH. August 1521^). Dasselbe berichtet auch <ler azt(d<ische
Schriftsteller Ohimal[)ahin in seiner \ II. Relacion: — i//icu<ic canque yn
tlatohuuni Cuauhtemoctzin ypan cemilhuitoiiaUice cohuatl . . . ic mutlactloviey
rmini nietztii (Kfostn. ///.'«?/ ylhuitzin S. Tipolito. nuirt',/' „sie nahmen den
1; Cartas y Relaciones de Hernan Cortc'S ed. Gayangos Paris l-sHti) S. "257. —
Gomara. Cronica cap. 14.'J.
Seier, Gi-sammelte Aldianilliin'^uii I. |2
17s Zweiter Abschnitt: Bilderschrift« ii.
Könii>- Quauhtenioctzin gefälligen am Tai^e ..eins Sclilange". am lo. August,
dem Feste des heiligen 3Iäityrers HipjMtlyt" ^\ Auf (tiuik] dieser
Notiz hat Orozco y Berra iiu zweiten Bandt' seiner ^^Historia Antigua y
de la Oouquista de Mexico" eine Konkordanz der mexikanischen und euro-
päischen Zeitrechnung versucht, die aber in den wesentlichsten Punkten
fehl geht, da Orozco der irrigen Ansicht huldigte, dass die Mexikaner
die Jahre, und also auch ihre sogenannten Monate, mit den Tagen dpactli,
miquiztli, o^omatli, cozcaquauhtli begonnen hätten.
Ich will, um die Sache klar zu stellen, noch eine zweite Konkordanz
heranziehen. In der oben erwähnten VII. Relacion des Chimalpahin
(JS. 88 der Eeini Simeoirschen Ausgal)e) heisst es. dass der Einzug
He man Cortess in 31exico und sein Empfang durch die Könige der
drei verbündeten Reiche Mexico. Tetzcoco und Tlacupan im Jahre ce acafl
..eins Rohr" = A. D. 1519 - yp<^^i <<^n iJhuitlapohuulli chicitey ehcatl, auh
yn ipan metztiapohual catca huehuetque chiucnahuilhmtia quecholli ..am Tage
^acht Wind" und nach der Monatszählung der Alten, nachdem nenn Tage
von dem Feste Quecholli vergangen waren" — stattgefunden habe. Uebev
denselben Tag haben wir auch in dem aztekischeu Bericht über clie
Eroberung Mexico's, der in dem Sahagim-Manuskript der Biblioteca Lauren-
ziana uns erhalten ist. eine Angabe. Diese stimmt mit der vorigen darin
überein. dass auch sie die Aukunft der Spanier im Jahre ce acatl „eins
Rohr" und innerhalb des durch das Fest Quecholli bezeichneten Zeitraums
erfolgen lässt. weicht aber von dem Berichte Chimalpahins darin ab,
dass als der Tag der Ankunft nicht ein Tag „acht Wind", sondern ein
Tag _eins Wind", d.h. ein um 20 Tage früherer Tag. bezeichnet wird: —
auh in izqwlhwtico in Mexico in i<: calaquJco in Espaholes: ipan ce hecatl in
cemilhuttlapoalli: auh in .viuhtonalli ce acatl oc muztla tlamatlactiz quecholli:
auh in cemdhuitique vme calli: vel iquac in tlamatlacti quecholli: „und was
die Zeit betrifft, wie lange die Spanier (in Mexico verweilten}, so kamen
sie nach Mexico am Tage „eins Wind" und im Jahre ..eins Rohr" einen
Tag, ehe es zehn Tage vor dem Feste Quecholli war. Und als sie einen
Tag (in der Stadt) geweilt hatten, war es (der Tag) „zwei Haus", gerade
zehn Tage vor dem Feste Quecholli"^. — Hier muss man nun zunächst
festhalten, dass bei den alten Mexikanern die durch ein bestimmtes Fest
bezeichneten Zeiträume immer vor dem Fest gerechnet wurden, dass das
Fest immer auf den Schluss dieser Zeiträume fiel und die Tage innerhalb
dieser Zeiträume immer im Hinblick auf das den Schluss bildende Fest
gezählt wur<len. So heisst Sahagun '1. 30: — yquac yn tlaca.ctolti och-
paniztli niclit etwa am fünfzehnten des Monats Ochpanizäi"^ . sondern
„quince dias antes de la fiesta". und Sahagun '2. 31: — yye yuh tlama-
1) Annales de Domingo Francisco de San Anton Munon Chimalpahin
Quauhtiehuanitzin. TU. Relacion. edid. Remi Simeon. p. 194.
A. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Hunil)oldt's. 179
<^mltia [teoti eco] — uiclit chva „iiin fünften Tage den Monats Teotl eco'^,
sondern „ii los qiiince dias andados del mismo nies." Immerhin würden
wir. auch unter Berüeksicditigung dieser Besonderheit der mexikanischen
Ausdrucksweise auch nach der Angabe des Gewährsmannes des V. öahagun
auf den neunten 'l'ag <les Festes QnechoUi konnnen. als den 'Pag, an
welchem die Spanier in der Hauptstadt Mexico eintrafen. — Ziehen wir
nun die sj)anischen Historiker zu Käthe, so finden wir in der Ilistoria
verdadera des Bernal Diaz del C'astillo als den Tag des l^inzugs der
Spanier den 8. November des Jahres 1519 angegeben.
Der Schreiber des Berichts in dem Sahagun-iManuskript rechnet von
dem oben angegebenen Datum weiter, und zwar zählt er. w(»rauf ich hier
gleich aufmerksam machen möchte, Monat für Monat auf. Das war in der
That wohl die übliche historische Chronologie. Denn in ähnlicher Weise
sehen wir auch auf Blatt 87 (= Kingsborough 13G) des Codex Yaticauus A
die Monate, die während des Aufenthalts der Spanier in der Stadt verflossen,
hingemalt. Der Schreiber des Sahagun- Berichts zählt so weiter, bis zu dem
Fest Toj;catl, an welchem Alvarado die zum Feste geschmückten wehrlosen
Mexikaner überfiel und die Blütlie des mexikanischen Adels lunmordete.
Und weiter bis zum Fest TecuilhuitontlL d. h. bis zum Vollwerden des
-Monats Tecuühuitontli. An dem, sagt er. flohen die Spanier nächtlicher
Weile aus der Stadt: — niiiian quivaitoquilia teeuilhuitonüi, ie oncan in
quizque^ vel ipan in Uhuiil in quizque in Espafioles in moioalpoloque. —
Das sind zusammen, sagt er, 23ä Tage, nämlich 195 Tage, während deren
die Spanier und die Mexikaner Freund waren, und 40 Tage, während
deren sie sich bekämpften. — (lenau gerechnet, kann nicht das Fest
Tecuilhuitoutli selbst, sondern der Vorabend desselben gemeint sein. Denn
vom neunten Tage des Monats Quecholli um "235 Tage weiter gezählt,
kommt man zum 1!). und nicht zum 20.. dem Schlusstagc» des Monats
TecuiUiuitontli . Die Spanier verliessen wohl in der Nacht vor dem Fest
die feindlich gesinnte Stadt. Und der Berichterstatter zählt die vollen
Tage, die zwischen dem neunten Tag Quecholli und dem Fest TecuiUiuitontli
lagen. — Derselbe Tag, die „noche triste", unheilvollen Angedenkens
für die Spanier, war, wie sich ziemlich sicher herausreclmen lässt, der
30. Juni 1520'). Vom 8. November 1519 aber bis zum 30. Juni 1520
sind in der That, da das Jahr 1520 ein Schaltjahr ist, 235 Tage. Die be-
glaubigte europäisciie Chronologie und die unseres indianischen Bericht-
erstatters stimuien also auf (bis Beste zusannnen.
Bringen wir nun diese neugewonnenen Daten mit dem erst ange-
führten, dem Tage der (Tefangennehmnng Quauhteinoc >> zusammen, so
1) The letter of Cort(''s stutes that ilie army reached Tlascala on the s"' of
July: and from the general's accurate account of their proiiress each day, it appears
that they left the capital on the last night of June, or naher the morning oC
July b'- (Prescott. hist. Oonquest Mexico.)
1-2*
IgO Zweiter Abschuitt: Bilderschriften.
eririhr sich Folg-emles: — Vom 8. November l.")l!> bis zum 18. .\ngiisr 1. '»•_'!
verHossen 644 Tage. Zählen wir rom V>. Tage Quec/ioUi in dem indianischen
Festkalender um (544 Tau:e weiter, wobei zu berücksiclitigen ist. dass die-
Mexikaner keine SchaltjaluT kannten, so kommen wii- auf dm 3. Tag-
des Monats Xocoio'tzK Wir miissen seldiessen. dass nach dem indianischen
Festkalender dii's der Tag der (ietangennehmnng (Juau/ifemor s war.
Ehe ich nun aber an dies Eesultat weitere Folgerungen knüpfe, mtiss
ich erwähnen, dass dasselbe gewissen anderen Angaben w'iderspricht. Nach
einem von Leon y (lama zitirten l^ericht (Dos Piedras 11. Ausg. S. 7!),
Sil Nota) soll die Gefangennahme (^uauhtemoc^ nicht im Monat Xocouetzi.
sondern im ye.rochimuco oder Tla-rochiTnaco, <lem vorhergehenden Monat,
erfolgt sein. Aehnliches scheint Chimalpahin anzugeben, der an der-
selben schon vorhin angezogeueii Stelle sagt: cmh yye oJiuacic nanhpohualhn-
inatUtqu-ilhiiifl ifn otech icalque Üaa'ochimai n j/ye . . . yc tiritinque „nachdem
sie 90 Tage wider uns gestritten hatten, unterlagen wir endlich im (?)
Tlajochimaco" . — Das ist nun. wie ersichtlich ist. mit den anderen vorhin
erwähnten Angaben nicht zu vereinen. Da indes die anderen Angaben
durch die europäische Rechnung in gewisser Weise kontrollirt sind, so
liegt es w(dil nahe, hier einen Irrthum anzunehmen. — [um so mehr als
der Tag der Gefangennahme ( iuauhtemoi's nach unserer Rechnung dem
Fest TUui'ocInniaco verhältuissmässig nahe lag. der dritte auf dasselbe
folgende Tag war. Den Beginn des Kampfes, das Eintreffen der spanischen
Karavelen in Nonoualco. das nach Chi ma I paliins wiederiiolter Angabe
90 Tage vorlier stattfand, setzt Chimalpahin in den Monat To.rcatl. Das
stimmt mit unserer Rechnung überein. Wenn aber an der betretfeuden
Stelle (S. IMo der Ausgabe Remi Simeon's) gesagt ist. dass das der Tag
ce cozcaquauhtli ..eins Königsgeier" gewesen sei. so ist das unrieJitig. ]]s
ist ein Schreibfehler, oder vielleicht ein Lesefehler anzunehmen. Es
muss vielmehr ei cozcaquaulitli „drei Königsgeier'"' heissen. Der letztere
Tag liegt ilO Tage vor dem Tag ce amatL dem Tag; der Gefangennahme
i^uauhtemoc s.
Ist nun der Tag der Gefangennahme (Juan/ifemocs der J3. August
des Jahres l.j'Jl. der o. Tag des Monats Xoccmefzi gewesen, so folgt, da
dies zugleich tdn Tag ce couati ..eins Schlange" gewesen sein soll, dass
der 1. Tag des Monats der Tag l'J. cu/li. und der Anfangstag des Jalires
der Tag 1. cal/i gewesen sein muss. Es ergibt sich demnach: 1. dass die
Jahre der Mexikaner in der That. wie ich oben annahm, und wie auch
aus «len Daten unserer Handschrift mit Sicherheit zu si-hiiessen ist. mit
den Zeichen acatL tecpatl^ callL tochtU — und nicht, wie bisher allgemein
angenommen wurde, mit den Zeichen cijuicfli, »liqin'ztlf, ocnmaflü cozca-
quauhtli — begannen, lud 2. folgt, da das Jahr l.VJl ein Jahr o. calli
gewesen sein sull, dass die Jahre der ^lexikaner nicht nacli dem Anfangs-
tage des nach iler üblichen ZähluuLi' ersten Monats Atlcanulco, sondern, wie
4. Die mexikanischen IMIdersclirifton Alexander von Huniboldt's. 1^1
<lie Kec^liiiuiii;' zcii^t. nach dein A ii f'aiigst.au«' des fünften Monats
benannt wurden, an dessen Hclihisstage das Fest To.rcaÜ gefeiert ward ').
J^]ndlicli o. folyt. dass dei- Anfani;' des Monats Af/nmalco in den Jahren der
Conqnista niclit auf den "J. F<d)iMiar fiel, wie anf dei' zu Sa ha gMin"s Zeiten
in Thvteloh'o altnehaltenen Indianerkouferenz nacdi vicdcn Diskussionen
festgesttdit wurck»'^}. sondern (hiss er auf den \'2. Februar LfefaUen sein
muss. - Das letztere Kesultat ist von i;an/. besonderer Wichtiii^keit. Ks
beweist nämlieh, (biss in den un<iefähr 40 Jahren, die von dem .lahr der
Erobei'nnii' bis /n (b'r Zeit, wo (his Saha<^un-Manuskri])t entstand ''j, ver-
flossen, sich der Anfani;- des mexikanischen .lahres um zehn Tage
verschob. Das ist genau die Summe der Schalttage, die auf diesen
Zeitraum fallen, und beweist, dass die Mexikaner eine Kegulirung der
Zeitrechnung durch in kurzen ZwiscluMiräumen vorgenoinmcme Ein-
schaltungen nicht kannten.
Stidit das aber fest, so ist weiter zu s<diliessen. dass der Tag der
Ankunft (h'i' Si>ani<T, (h'i' der !•. I'ag des Mona,ts QnechoUi gew(!seii sein
soll, weder 8 cecail (wie C'himalpahin angibt), noch 1 eecatl (wie der
Schreiber des Berichts im Sahaguu-Manuskript angibt), sondern nur 1 cipactli
oder IH cipactli, der Tag vorher, gewesen sein kann. Denn sonst mnsste
der Monat mit einem Tag occ/ofl, angefangen haben, was. wie wir gesehen
haben. um"ichtig ist. Zählen wir aber von 1. couatL dem Tage der Ge-
fangennahme (^uau/itcmocfi. um ()44 Tage in dem indianischen Kalender
zurück, so kommen wir nicht auf 1. cipactli, sondern anf 7. cipactli. Die
Angalje (' h i mal |»ahi US war also relativ (bis auf den eimai Tag) j'i(ditig,
und {\^'V Schreiber des Berichts im Sahagun-Manuskript hat sich um
■_'0 Tage verrechnet. — Dass die beiden Quellen aber übereinstimmend,
nicht einen Tag cipactli, sondei'ii einen '^Fag efcail mutnten, dafür weiss
ich keine andere b^rkhirung, als dass in der Tradition eine Konfusion
zwischen dem Tag uml seinem Vorabend stattgefunden hat, o<ler dass der
Xame des Tages nicht dnrcdi Tradition festgehalten, sondern nur durch
Kechiiung wiedergefunden ward, und dass dabei vielleicht niclit um (544,
>ondern um <)4.'5 Tage zurückgerechnet wai'd. weil vielleicht das Schaltjahr
nicht mit in Ivecdnmug gezogen ward.
A\ ill man das ni(dit annehmen, und will man die Angaheii im Chimal-
])ahin- und im Bericht des Sahagun-Manuskripts, dass der 9. Tag des
1; Diese s()nderl)are Thatsache erklärt sich, wie ich das in einer .\rl)eit üi)er
..die Dchtzehn Jahresfeste der Mexikaner" nucli^ewiesen habe [Veröfi'enilichuiigen
lus (lein Kijiiigl. Museum für Völkerkunde Hd. Vi (1^!»9), S. lö-'i, l<J7]. dadurch^
dass das Fest 7o./xv/// das eigentliche Neujahrsfest dei- Mexikaner war.
•2) Vgl. Sahagun 7, cap. 1"_'.
•'■>) In dem Sahagun-Ms. der .-Vcadeinia de hi Historia wird das Jahr miu- dci// =
A. D. 16.')!:) als das Jahr der Niederschrift wenigstens bestimmter Theile der Haiid-
>chi'ift, der historischen, angegeben.
lg 2 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Monats QuechoUi ein Tag eccatl gewesen sei — die einzigen Angaben-
meines Wissens, wo eine liestinimte Konkordanz zwischen ^ronatsdatinn
und Tagesnaiuen vorliegt als richtig betrachten, so würden wir auf die
Tage ocelotl, quiauitl, cnetzjmlin, atl als Anfangstage der mit den Zeichen
acatL tecpath colli, tochtli benannten Jahre kommen. Ein solches Resultat
hat auf den ersten Anblick etwas verführerisches. Wir würden nämlich
damit auf genau die Zeichen kommen, die den Maya-Zeichen ix, cauac.
f,-(ni. muluc entsprechen, mit denen die Maya der späteren Zeit ihre Jahre
begannen. Es würde also folgen, dass die Korrektur, die von den Maya
Torgeiionnnen ward, auch bei den Mexikanern Eingang gefunden hat. —
Icli meine indes, da dafür sonst keine Belege vorliegen, da unsere Be-
rechnung durcli die Angaben der Historiker gestützt wird - wäre nämlich
der !>. Tag QuechoUi ein Tag ePcatl gewesen, so würden bis zur (iefangen-
nahme Quaiihtevioc % nur (543 Tage verlaufen sein, und dann müsste
eines der beiden obigen Daten, (bis des Bemal Diaz, oder dasjenige des
Cortes. eine Korrektur erfahren - und da (Iründe allgemeinerer Xatur.
wie ich oben anführte, für die in dem vorigen vertretene Ansicht sprechen.,
so werden wir dieser einen Angabe nicht zu viel txewicht beimessen
dürfen, um so mehr als ein Irrthum hier sehr nahe lao-. Und »erade
unsere Handschrift mit ihren über nahezu lU Jahre verlaufenden Fest-
daten fällt, wie ich oben schon ausführte, entscheidend ins Gewicht.
Chimalpahin schrieb im Anfang des 17. Jahrhunderts. Und das Sahagun-
Manuskript entstand um das Jahr 1559. Das waren Zeiten, wo die alte
Festzeitrechnung schon längst aussei- Dienst gestellt war. Die Handschrift
der Humboldt "sehen Sammlung ist alten Datums, wie aus Stil und
Zeichnung und der Kleidung der Figuren hervorgeht. Ihr Zeugniss ist
von ausschlaggebendem Werth.
Nach diesen Feststelluno-en. die im Allgemeinen nothvvendig waren,
und auch zum Verständniss unserer Handschrift nützlich sind, kehre ich
imn noch einmal zu den in den Kolumnen A und B unserer Handschrift 1
aufgeführten Daten zurück. \Im Eingang dieses Kapitels habe ich erwähnt,
dass das untere Ende der Handschrift unvollständig ist, dass aber das
obere Ende, wie es scheint, das eigentliche Ende des Streifens war, dass
der Streifen nicht weiter beschrieben worden ist, weil man aus dem einen
oder amleren Grunde mit den Eintragungen aufhörte. Es wäre interessant,,
wenn sich feststellen Hesse, welchem unserer Jahre das Jahr entspricht,
in welchem die letzten Eintragungen stattfanden. Die sachlichen Ein-
tragungen, über deren Xatur ich gleich sprechen Averde. füUen die Kolumnen
C — E. Die leizten EiuTragungen fanden, wie ein Blick auf die Hand-
schrift lehrt, im Zinnat Ochpaniztli desjenigen -lahres statt, in welchem
das Fest Etzalijualiztli am Tage -^ ercatt gefeiert wurde. In diesem Jahre
fiel, wie ich oben schon angegeben Jiabe. der Anfangstag tles nach der
üblichen Zählung- ersten Monats auf den Tag 1. calli. Und das ist genau
4. Die mexikanisclieu Bildeirschriften Alexander von Hiimboklt's. 1S3
d«s mit der Ziffer o iiixl ilem Zeiclieii calli beiiaiiiiti^ .lalir — in xiuktonaili
ei cuüi , (las dem Jahre l')-l unserer Zeitrechnung entspricht, in welchem
Quauhtenioc sich und die Triimiuer der Stadt Mexico dem sieg-reicheii
Oortes übergab. Am Fest Ochpaniztli dieses .lahres, d. h. etwa M Tage
nach dem Fall von Mexico, fanden auf unserer Handschrift die
letzten sachlichen Fintragungen statt.
Ich komme nun zur Besprechung der Xatur dieser sachlichen Ein-
tragungen. Dieselben l)eginnen unten in der Kolumne (J und sind in den
ersten 28 Querfeldern auf diese Kolumne allein beschränkt. Vom 29. Quer-
felde ab treten andere Eintragungen liinzu, die die Kolumne D füllen.
un<l vom 4."). Querfelde ab ist auch die hetzte Kolumne F mit Eintragungen
erfüllt.
Diese Eintragungen bezcichniMi ohne Zweifel Eingänge oder (Jefälle.
die alle Yierteljahre in gleichem Betrag zu leisten waren. Sie umfassen
fünf Klassen von Gegen Ständern: — 1. viereckig-quadratische Plättchen.
die immer in der Zahl von zehn aufgeführt siiid: — 2. länglich viereckige
Streifen, die einzeln oder zu zweien vorkommen; — 'A. schmale dreieckige
Abb. 30.
,,>*>' ,
,»>*>' ., ,vV'*""",, V.'".""'',
Abb. 28. Abb. 29. Abb. 31.
(joldijarren, Goldbleche und Schalen mit Goldstaub. Libro de Tributes und Codex Mendnza.
Streifen, <lie einzeln, zu zweien und zu vieren vorkommen; — 4. Schalen
mit einer staubförmigen Substanz gefüllt, die einzeln oder zu zweien an-
geführt sind; - endlich 5. Bündel von Geweben oder Kleidungsstücken,
die ebenfalls einzeln oder zu zweien angeführt sind. — (remalt ist alles
mit derselben liräunlich gelben Farbe. Nur in Klasse 4 sind die Schalen
häufig tlurch dunklere, grünliche Färbinig von dem gelben Inhalt unter-
schieden.
Schon die geringe Zahl der Gegenstände jeder Klasse, die in dem
Vierteljahr zu liefern war, lässt vermuthen, dass es Gegenstände von Werth
waren. Ich l)in in der That der Ansicht, dass die Klasse 1 (Toldbarren.
Klasse 2 — '6 Goldbleche bestimmter Form. Klasse 4 Schalen mit Gold-
staub, Klasse 5 endlich gewebte Decken und Kleidungsstücke bezeichnen,
di«' ebenfalls als Tauschmittel, als (Jeld, im Gebrauch waren. Goldbarren
(Abi). 28, 29), Goldbleche (Abb. 30) und Schalen mit Goldstaub (Abb. ;51)
werden in der Tributliste und im Codex Mendoza unter den Tributen der
Städte der Mixteca alta und liaja aufgeführt. Abli. 2S wird beschrieben als
1S4
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
..Zieovln aus tViiU'Ui (Jolde. Vdii der Grösse eines Tellers und daiimeii-
stiirk". Al)b. 29 als „^cddeiu' Zieüeln. von der (Trosse einer Hostie und
der Stärke eines Fin<>-ers"'. Abb. -50 als „4 Finger breite und 7* '^'Hen
lanye ( ioldplättchen von der Dicke eines Perg-amentblattes". Abl>. .'U
endlich als „Schalen (jicaras) mit (iroldstaub".
Was nun die Suinnu' der in jedem Viert(djahr gelieferten (iegenstände
betrifft, so wurden in den ersten "28 Vierteljahren — wo Eintiagungen
nnr in der Kolume C vttrgenommeii sind — . in jedem Vierteljahr 10 (jrold-
Itarren. /.wei viereckige und zwei dreieckige (roldbleche und zwei S(;halen
mit Goldstaub geliefert. Vom 'JH. Vierteljahr ab. d. i. — wenn unsere
olien ausgeführte Kechnung richtig ist. — vom .lahre 1.'>11 al», tritt, wie
es sclieint. ein neuer Beitragleistender hinzu, der Häuptling einer Stadt, der
in der Kolumne E daneben in ganzer Figur, mit seiner ^iamenshiero-
glyplie und der Hieroglyphe der Stadt selbst, dargestellt ist (vgl. Abb. 56
unten Ö. r.*'i). In der Hauptkolumne C selbst erscheint die Summe der
in jedem Vierteljahr gelieferten Beträge um eines der länglich dreieckigen
Bleche vermindevt. Aber dafür finden wir in iler Kolumne D von diesem
Abb. 32. Kleiderbündel.
Abb. 33. Kleiderbüudel.
Felde ab auch Eintragungen, und zwar sind dort in jedem Vierteljalir ein
Bündel Stoffe (Abb. 3j). ein viereckiges und ein länglich dreieckiges Gold-
blech w\*\ eine Schale mit Goldstanb aufgeführt.
Vom S-'i. i'elde. dem Jahre löTJ an. tritt, wie es scheint, mich ein
zweiter neuer Beitragleistender dazu, der Häuptling der Stadt Zacatlan. der
elHHifalls daneben in der Kolumne E in ganzer Figur mit seiner Xauiens-
hieroglyphe und der Hieroglyphe seiner Stadt abgebildet ist (vgl. Abb. (iO
unten S. 19.')). • Von diesem F'elde 33 an sind in der Kolumne D die in
jedem A'ierteljahr eingelieferten Beträge auf das Doppelte erhöht. Es sind
zwei Bündel Stoffe (Abb. 33). zwei länglich viereckige und zwei länglich
dreieckige Goldbleche un<l zwei Schalen Goldstaub.
Vom 4.). Felde an. drei .Jahre später (l.')15). tritt ein dritter neuer
Beitraiileistender dazu, der Häuptling von Tenanco, der in dem betreffenden
(^uertelde in der Kolumm' E in ganzer Figur mit seiner Namenshieroglyphe
ui:d der Hieroglyphe dej- Stallt Tenauco abgebildet ist (vgl. Abi». (»7 unten
S. 15).')). Von diesem Felde an sind die Beiträge jedes Vierteljahrs um
einen Ballen Kleidungsstücke, zwei länglich dreieckige (Joldbleche und
eine Sclialv (ioldstaub erhöht, die in der fünften Kolumne E regelmässig
eingetragen sind.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 185
Vom HO. Felde eii<llicli, dem Moiuit Tlacoui-ipeualiztli des Jahres 1;")19,
i\\\ erscheinen auch di(? letzteren Beträfe, die in der Kolumne 1^] auf-
getnhrten, verdoppelt. Das ist dasjenige Feld, in welchem in der Kolumne I)
zum ersten 3lal eine Fiuiir gezeichnet ist. Und so gehen die l^intragungen
aleichmässig weiter, his zum 70. Felde, dem letzten, in ih-m P^intragungeu
stattgefunden hahen.
Es erhebt sich nun die Frage, an wen sind diese regelmässigen viertel-
jährlichen Finzahlungen gemacht wui'den. die in den Kolumnen (' — Y.
eingetragen sind. Ton vornherein ist nicht recht anzunehmen, (hiss der
Name des Tributemjifangers. sei das eine Stadt, eiu König, ein 'Pempel o. a.
gewesen, auf (hn- Triltutliste angegeben ist. Denn die Eintragungen sind
doch olinc Zweifel auf einer Liste gemacht worden, die <ler Tributempfäuger
in der Hand hatte. So sin<l ancli in der bekannten Liste der Tribute,
welche die mexikanischen Könige erholien. weder die Ivönige noch die
Stadt Mexico genannt. Xur beiläufig, auf dem (U'sten Blatt der Tributliste
(Codex .Meiidoza 19) sind den letzten tlatehdkanischen Könisen gegenüber
'lie gleichzeitigen mexikanischen erwähnt. Indes unsere Handschrift ist
ja keine Tribntliste nach der Art dei- eben erwähnten.' welche die von
den versciiiedenen Städten zu licfiTUiicii Tribute aufzählton. Unsere Hand-
schrift ist ein Cassabnch. das Rechnung gibt über das im «Laufe der Jahre
l-iingegangene. Es ist eine Art finanzieller Annalen. und diese boten
natürlich (Jelegenheit auch zu anderen historischen Eintragungen. Diese
bestehen, ausser den schon erwähnten des Xeuiiiuzukommens von Beitrag-
leistenden, in der Anmerkung von Todesfällen, uml wer an Stelle des
Verstorbenen getreten ist. Die Todesfälle sind in der in den mexikanischen
Bilderannalen ül)liclu'n Weise durch ein mit der Namenshieroglypiie ver-
sehenes Mnmienbüudel ausgedrückt, das gewöhnlich nach Art eines
Leitenden auf einen Stuhl gesetzt ist. Die Uebernahme des Amts wird
<Uirch die Figur des Lebenden mit seiner Namenshieroglyphe ausgedrückt,
der je nach seinem Rang, entweder auf einem einfachen Strohs<'Ssel, oder
auf dem mit Rückenlehne versehenen Köuigsstuhl sitzt. Denn amoflali
„er hat sich gesetzt'' oder motlatocatlali „er hat sich als Herrscher nieder-
gesetzt", sind die Ausdrücke, mit welchen die Mexikaner den Antritt der
Herrschaft bezeichneten. Wo es sich um wirkliche Herrscher handelt,
ist ausserdem nn,Mstentheils die Herrschaft durch das Züngelchen vor ilem
Munde zum Ausdruck gebracht, das in den mexikanischen Malereien als
Zeichen der Rede fungirt. Denn tlahtOuani „der iler spricht" wurde von
'len Mexikanern der Herrscher oder König genannt.
Die wichtigsten dieser F^iguren sind ohiu' Zwi'ifel die. welclu* in der
Kolumne A, der ersten von der rechten Seite aus gereciniet. stehen. ])enn
hier, an hervorragender Stelle, werden wir die Namen und dii' Zeit des
Regierungsantrittes derjenigen Männer zu fimlen erwarten dürfen, die an
'lern Orte selbst, wo diese Liste gefülnr war(|. lebten, die also die eigent-
l^{\ Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
liehen TribiitjMiiptanuer waren. Hier ist nun in erster Linie zn bemerken,
ilass von den vier Figuren Lebender, die in dieser Kolumne gezeichnet
sind, nur einer, der im Feld 53 gezeichnete (vgl. unten Abb. 40), da»
.ciuhuitzolli ^ die aus Türkisniosaik gefertigte Stiriibinde der weltlichen
Herrscher oder Adligen trägt, und durch den Strohsesscl mit Lehne als
höheren Ranges, als König, gekennzeichnet ist. Die (h'ci anderen (vgl.
unten Abb. 35, 42, 54) haben das Haar nur einfach mit einem Riemen
umwickelt, sie sitzen auf einem Sessel olme Lehne und tragen auf dem
Rücken, an einer um den Hals geschlungenen und vorn verknoteten
Schnur einen kleinen gelben Gegenstand, der von zwei grossen bunten
Troddeln eingefasst ist. Dieser Gegenstand ist das sogenannte «V-
quachtli, das „Tabakstuch", ein Täschchen (taleguilla). in welchem die
Priester die ^A"eihrauchkügelchen bei sicli trugen. Und die Schnur mit
den Troddeln, an denen das Täschchen hängt, wird mecacozqaitl (Hals-
band aus Agavefaserstrick) genannt. ie-quachtli „Tabakstuch-' heisst da^
Täschchen, weil die Weihrauchkügelchen. die /jctqualli genannt und iih
Pillen oder wie Mäusedreck geformte Kügelchen (harina hecha ;i manera
de estiercol de ratones) beschrieben werden, aus „tinta'' (d. h. wolil au> ■
i/o.uktli oder iauhtli dem Weihrauchkraut') gefertigt waren, vermischt mit
geriebenen Tabaksblättern (con polvos de ujia yerba que ellos llamau nietl.
(|ue es como belenos de Castilla — d.h. „wie Bilsenkraut" '). Der Tabak
spielte eben bei den Priestern und Medizinmännern des alten Mexico
genau dieselbe Rolle, wie seit alter Zeit bis heute bei den verschiedenen
Avilden Stämmen des nördlichen und südlichen Amerikas. Das Tabaks-
täschchen (ie-quachtli) oder die Tabakskalebasse {ie-tecomaü) waren daher
das besondere Abzeichen der Priester. Ich habe in Abb. 34 aus der
noch unpublizirten aztekischen Sahagun - Handschrift der Biblioteca del
Palacio in Madrid eine Anzahl Priesterfiguren zusammengestellt — mit
Räucherbecken und Kopalbeutel, mit Opfermesser und Kopalbeutel, und
mit dem grossen Rasselstab chicauaztU in der Hand. — bei denen überall
auf dem Rücken das zwischen zwei grossen Troddeln hängende Tabaks-
täschchen oder Tabaksbüchschen (im Original gelb oder braun gemalt^
deutlich zu sehen ist. Nur die — quacuiUi genannten — Gehilfen de»
Priesters, die rechts unten das Opfer an Armen und Beinen festlialten. mni
der Priester links daneben, der vom Tem])el herunter «lie brennenden Holz-
scheite l)ringt, sind anders, sind einfacli als 'l'odesboten gekleidet. Das»
die in der Kolumne A unserer Handschrift in den Feldern Ki. <)"J und Vi
gezeichneten Fis-uren und das Mnmienbündel in dem Felde (>(> Priester-
1) Die Silbe iauh bedeutet einerseits „Weihrauchkraut". Vgl. Sahagun '2, 26-
2. 3.0 und die Hieroglyphe von Yauhtepec in Codex Mendoza 26, 14. Ausserdem
aber auch _,sih\varz'". Vgl. ijanh-tlauHi ..mayz inoreno ö negro" (Mobno).
2) Sahagun 2. 25.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt' -
1K7
Abb. :)4. — Priester (t/(iiii(i<-((Z(jHej mit Upfermesser, Käucherpfanne, Kopiilboutel und
Rasselbrett, das Tabakstäschchen (>/i'-</iiarlif/h auf dem Rücken tragend. — Saliaguu-
^lanuskript Biblioteca del Palacio.
18s
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
iiguren bozeicluieu sollen, \s\rd darnach wolil niemand bezwoifcdn. Nur
ist 7,n bemerken, dass die Priester nnserer Handschrift nicht ein ie-
tpiachtli sondern ein ie-tecomatl anf dem Rücken trascii. nnd zwar eines
l»e.-;onderer Form, mit seitliclien AnsJadungen. das vielleicht ans (iold iie-
ft'rtigt war.
Während nnn aber der in Kcdnmne A {Feld . ').-)) gezeichnete Frinz kein
Züngelchen — das Zeiclien der Kede nnd des Herrschers (tlahtöuani) — vor
dem -Mnnile hat. ist bei den Friesterfignren in Fehl 1»! nnd 2'2 ganz dentlich
das Ziingcdchen vor dem Munde zu sehen. Nur bei der Figur im Feld fi2
(Abb. 4"J) fehlt dasselbe. Es ist indes dort vielleicht nur verwischt oder aus
Nachlässigkeit vergessen worden. Denn das Mumienbündel Feld ßO hat den-
selben Namen angeschrieben, wie der Lebende in Fehl Id. Der Priester in
Feld <)"J ist tlaher der unmittelbare Amtsnachfolger des (hirch (his Züngelcheu
als tlahtniiani bezeichneten Priesters in Fehl li). Daraus, und dass eben
hauptsächlich Priester in der Kolumne A verzeichnet stehen, glaube ich,
ist mit Sicherheit zu schliesseu. dass es ein Temjtel war. der die in den
Kolumnen C D F verzeichneten werthvollen Tribute emplieng. Dieser
Umsrand erklärt es ja auch. dass. wie ich oben anführte, die Bilder von
Fürsten und Städten da angegeben sind, wo die Liste eine Steigerung in
der Höhe der vierttdjährlich einlaufenden Beträge verzeichnet, ^^'enn es
eroberten Städten von einem Könige aufgezwungene Tribute wären, die
hier verzeichnet sin(L so würde zweifellos die iM'obernng der Sta«lt oder
der Tod des Königs derselben an der Stelle berichtet worden sein. Dass
ein Götzentempel der Tributem])fänger war. erklärt endlieh auch ohne
AA eiteres, dass Itald nach dem Fall von Mexico, wie ich oben ausführte,
die Eintragungen aufgehört haben müssen.
Wo hig nun aber der Tempel, dessen Cassabuch unsere Handschrift I
darstellt? die Antwort darauf müsste sich aus den Hieroglyphen ergeben,
die die verschiedenen in der Handschrift
dargestellten Figuren begleiten. Leider sind
dieselben nicht zahlreich, und zum Theil
nicht deutlich genug. Ich will in dem Fol-
genden Kolumne für Kolumne die Hiero-
glyphen liesprecheu; und bemerke gleich
vorweg, dass gerade in iXew Hieroglyphen
der Zeichner Kingsboroughs, sowohl was
Zeichnung, wie \v;is Farbengebung betrifft,
viel versehen hat.
In Kolumne A Feld 1«'. (Abb. 8'») zeigt
die hinter dem Ko])f der Figur angebrachte
Namenshierogiyphe ein Tuch, das wie es scheint, von zwei Händen hoch-
gehalten wird. Das Tuch ist weiss, die Hände gelbbraun gemalt. Die
Hieroglyphe scheint sich auf eine IfaiKlhing zu beziehen, die wir mehr-
Abb. oo.
4, Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
l,s'.>
fach in d^r Wiener Haiulsclirift, sowie tlem dieser verwandten Codex
Nnttall, und auch in dem Maya Codex Tro dar^■estellt sehen (vi>l. Abi). 36, 37).
und die das Umbinden der Schnlterdecke. vielh'icht aber auch das Zeigi-n.
I)arbrini>-en oder Feilhalten einer solchen zur .Vnschauun^- briui^'en soll.
Abb. :iG. Darbringung einer in
bunten Farben gewebten, mit
Federbehang versehenen Decke.
Codex Nuttall 1.
Abb. 37. Darbringung einer Decke?
Codex Tro 20 \
Abb. :-^S. — Hieroglyphe
Tilniatlaiieuh.
Ms. mexicain Nr. 3.
Bibliotht'que Nationale.
Pnris.
In dem Mauuscrit mexicain Xr. 3 der BihliothiMjue Nationale in T^iris linder
sicli eine Hieroglyphe (Abb. ;>8), die eine Schulterdecke und eine Hand
zeigt. Sie gibt daselbst den Namen eines Bürgers von Uexotzinco, der unter
denjenigen aufgeführt ist, die entlaufen sind, der
Kontrolle der Encomenderos und der Curas sich
entzogen haben, und trägt die Beischrift Andres
Tümatlaneu/t, das heisst „Andreas Decken-
verleiher''.
In Kolumne A Feld :y> (Abb. 39) sieht nnm
hinttM- dem Mumienbündel eine Hieroglyphe, be-
stehend aus einem blaugrün gemalten Stiel, iler
ninen rotheu Körper umfasst, an dem nach links
ein gelb gemalter Gegenstand überhängt. Das soll
augenscheinlich einen Maiskolben mit überhängen-
dem Narbenbüschel bedeuten. Der Name der
Person, deren Tod hier gemeldet wird, müs.ste
darnach Xilofl oder Cacdmatl ..junger Maiskolben"
gelesen wei-den.
Sein mit der fürstlichen Stirnbinde geschmück-
ter Nachfolger in Feld 53 (Abb. 40, S. 190) ist durch
eine gelb gemalte Hieroglyphe bezeichnet, die ich
nicht mit Sicherheit deuten kann. '^•'"- •'''•
Das Mumienbündel in Feld 60 der Kolunnic A (Abb. 41. S. nt<r> hat
dieselbe Namenshieroglyphe wie die Figur in Feld 16 (Abb. o.')). Augen-
190
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
scheinlicb wird liier der Toil desjenigen gemeldet, dessen Amtsantritt in
Feld 1() knndgegeben wurde.
Sein Nachfolger in Feld 6'2 (Abb. 42) zeigt als Namensliieroglypbe eine
einzelne anf einen Riemen gezogene Perle. Das ist vermnthlicb Chalchiuh zu
lesen. Die Hauptschmucksteine der Mexikaner waren der chalchiuitl, worunter
man Jadeit nnd andere ähnliche grüngefärbte Steine verstand, imd xiuitl^
.-Vbb. 40.
Abb. 42.
Abb. 43. Abb. 44. Abb. 45. Abb. 4fj.
Abb. 43 — 46. Hieroglyphe chfilchiititl .grüner Edelstein".
^3^<^2
Abb. 47. Hieroglyphe
Ch alch iiih tppptl
der rEdelsteinberg",
^d. h. der Opferberg.
Abb. 48.
Abb. 49.
Abb. 50.
Abb. 48 — 50. Der chalchniiü als Hieroglyphe
für Chalco.
der Türkis. Beide wurden, als leuchtende Körper, gleich dem glänzend
geschliffenen Spiegel tezcatl (Markassit oder Obsidian), hieroglyphisch mit
Augen an den vier Ecken, d. h. nach allen vier Richtungen Strahlen
werfend, gezeichnet. Vgl. Abb. 43 — 46 = chalchiuitlx Abb. 51 = .nuith
Abb. 53 = tezcatl. Zu Perlen für Halsbänder {cozcatV) und Armbänder
(macueutli) wurde indes mit Vorliebe »ler chalchiuitl genommen. Denn
4. Die mexikanischen Bilderschnften Alexander von Humboldt's.
191
iler Türkis {.muitl) war zu kostbar, und wurde auch nicht in so grossen
Stücken uefunden. Der Türkis wurde insbesondere zu Inkrustationen, zu
.Mosaiken verwandt. Die kostbaren Ohrpfiöcke {xiuh-nacocIitU). die Diademe
der mexikanischen Könige {ßiukuitzolli) wurden in dieser AVeise aus Türkis-
niosaik gefertigt. Wenn also für chalchiuifl und adtiitl. statt der eigent-
lichen H.ier(»glyphe. der (legenstand, den man bezeichnen wollte, gezeichnet
wurde, so wurde das Wort j;iuitl durch eine inkrustirte Scheibe (vgl.
Abb. ö"^;, das Wort chalchiuiü dagegen durch ein oder zwei aufgereihte
Perlen bezeichnet. So sehen wir es in den Abb, 48, 40, die einer Historia
Mexicana der Aubin-Goupil' sehen Sammlung entnommen sind (Atlas
Goupil-Boban, PI. 60, 59). Abb. 48 bezeichnet daselbst den Stamm der
Chalca, <ler in einer entsprechenden Darstellung des in der Kings-
Abb. 51. Abb. 52. Abb. 53.
Abb. öl, 52. Hieroglyphe xiuitl „Türkis". — Abb. 53. Hieroglyphe tfccatf „Spiegel"
Abb. 54.
borougirschen Sammlung veröffentlichten Codex P)Oturini durch die
Hieroglyj)he c/ia/chniül angezeigt wird (vgl. oben Abb. 43). Abb. 49 gibt
den Namen eines der vier Barrios von Aztlan, der ebenfalls Chalca zu
lesen ist. Auch auf dem Lienzo de Tlascala ist die Stadt Chalco durch
eine grosse Perle (Abb. 50) gekennzeichnet. Der Vergleich mit diesen
Figuren macht es, glaube ich, zweifellos, dass die Hieroglyphe in Feld (i2
der Kolumne A (Abb. 42) ebenfalls Chalchiuh zu lesen ist.
Von Personen bleibt in der Kolumne A noch die in Feld 72 übrig
(Abb. 54). Die Namenshieroglyphe zeigt deutlich einen Schild, darüber aber
befand sich noch etwas anderes, was nicht mehr zu enträthseln ist. von dem
nur noch ein Paar blaue Farbenreste übrig sind. Vielleicht befand sich
darüber eine blaue königliche Stirnbinde. Dann würde (Jmnaltecuhtli s:e-
im
Zweiter Abschnitt: Hildorschrilteu
lesen wenleii lunssoii. F.iii Mann tlieses Namens. Hänptlinu von ( ali.vilulmd-
can wird in den Anales de l' hi nialpahi n unter dem .lalire \4>>4 erwähnt.
Kndlioh ist in der Kolumne A im Feld <>?< noch die Hieroy:lyphe eines;.
Ortes angegeben (Alib. .').'>. S. li»l). Pfeile sind gegen dieselbe herauHiegend
oder in derselben steckend gezeichnet. Das bedeutet wohl, dass die Er-
o l)er u ng dieses C)rtes gemeldet wercU'U soll. Die Hieroglyphe besteht aus der
bekannten Zeichnung eines Berges (tepetl), aus einer um den Gipfel desselben
gelegten Perlenschnur (= cozcatl Halsband) und einigen (Tegenstäiiden
auf der Spitze des Berges, die ich nicht mit Sicherheit deuten kann Der
(legenstand. der die eigentliche Kuppe des Berges bildet, ist braun gemalt.
und schräge Streifen sind deutlich erkennbar, zwischen deneu die Farbe,
wie es scheint, eine dunklere ist. Es könnte also vielleicht die Hierogly}>he
des Steins {tetPj hier dargestellt werden sollen. Der viereckige Körj>er
darüber ist schwarz gemalt. Und der könnte vielleicht ein Stück Obsidian
{itzli) bedeuten sollen. Wir hätten demnach itz — te — cozca — tepe —
Abb. 56.
Abb. 57. Hieroglyphe At( pn-.
(?odex Mendoza IG.
J^^
Abb. öS. Hieri :;lyphe
Tznwprnirii. Codex Osana.
oder vielleicht auch (Jialduuh-itz-tc-teije- als Elemente dieser Hieroglyphe.
Aus diesen Elementen kann ich aber keinen mir bekannten Ortsnamen
konstruiren.
Ich gehe nun über zu den lv<dumuen D imd E. —
In der Kolumne E sind, wie schon oben erwähnt, in den Feldern 2*,i.
8.-J. 44 drei Häuptlinge gezeichnet, mit ihren Namenshieroglyphen und den
Hieroglyphen der von ihnen regierten Städte.
In Feld 29 (Abb. ö<>j zeigt die Hieroglyphe der Stadt einen Berg {tepetl^.
der von. wie es scheint, im Kreise gehenden Wasserströmen gebildet w-ird.
Ein Berg aus Wasser würde ^fe^^t- gelesen werden können. Unter diesem
Namen ist in Codex Mendoza IG unter den Eroberungen des jüngeren
Motecuhcoma eine Stadt verzeichnet, die daselbst durch die Zeichnung
eines Berges mit einem Wasserstrom darauf zum Ausdruck gebracht ist
(vgl. Abb. 57), die der Zapoteca alta. dem Distrikt Villa .luarez des Staates
Oaxaca angehört. Der Berg dient aliei in den mexikanischen Stadthiero-
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
193
glypheri oft oiufacli dazu, kundzugeben, dass es sich um eine Lokalität
oder einen Ortsnamen handelt, also zum Ausdruck der Silbe co oder can.
Vgl. z. B. im Codex Mendoza die Hieroglyphen der Stadt Aztaquemecan,
Quauacan, Quauhijocan^ Chiconquiauhco und Nepopaalco und aus dem
Oodex Osuna die von Tzompayico (Abb. 58), Tlacopan^ Toltitlan u. a. Er-
wägen wir dies, so wird, da das Wasser in unserer Hieroglyphe im Feld 29,
wie es scheint, im Kreise gehend gezeichnet ist, vielleicht Almoyauacan
„wo das Wasser im Kreise geht" gelesen werden müssen. Und das ist
der Name einer alten Ortschaft, die in dem Ms. Mexicain Nr. vi der
liibliotheqne Nationale zu Paris hinter Uexotzinco und Xaltepetlapan mit
ihren Barrios (calpullz) und den zu denselben gehörigen Personen
genannt wird. Dort (vgl. Abb. 'yd) ist das im Kreise fliessende Wasser
zwar deutlicher gezeichnet als in unserer Hieroglyphe. Da aber, wie wir
Abb. 59. Hieroglyphe Al»io//(iiiacrni.
Ms. Mexicain Nr. o. Bibliotheque Nationale.
Abb. (iO.
sehen werden, die beiden folgenden Hieroglyphen ebenfalls auf Uexotzinco
benachbarte oder befreundete Gebiete hinweisen, so glaube ich, dass
eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden ist, dass die Orts-
liieroglyphe in Feld 29 Kolumne E (Abb. 56) Almoyauacan gelesen werden
muss.
Der Häuptling des Orts ist hieroglyphisch durch den Kopf eines
Jaguars bezeichnet. Er wird also Ocelotl (Jaguar) oder Tequan (Raubthier)
geheissen haben.
Im Feld 33 (Abb. 60) ist der Ort, der hier angegeben werden soll, durch
einen blaugTün gemalten Busch bezeichnet. Auch diese Hieroglyphe lässt
leider verschiedene Deutungen zu. Einen solchen Busch malten die Mexi-
kaner, um das Wort gacatl „Gras" zum Ausdruck zu bringen. Vgl. im Codex
Mendoza die Ortsnamen (Mcatlan, {'acatepec, CacatoUan (Abb. 61—63, S. 194).
Sie malten ihn aber auch, wenn sie popotl „Besen" sagen wollten. Denn
Seier, Gesammelte Abhandlangen I. Ig
194
Zweiter Alischiiitt: Bilderschriften.
der Besen wurde aus einer starren Grasart gemacht. Vgl. die Hieroglyphe
Popotlan (Abb. G4— (55). Sie malten ihn endlicli auch, um die grünen
Büsche zum Ausdruck zu bringen, die nuiu aaoyatl nannte, auf denen sie
das Blut darbrachten, das bei den zu Ehren der Götter angestellten Selbst-
peinigungen floss. Vgl. die Abb. 66, womit in dem Sahagun-Manuskript
der Bibliotheca del Palacio die Kultushandlung acjcoyd-temaliztli „das
Niederlegen der grünen Büsche (vor den Idolen)" zum Ausdruck gebracht
ist. Wir hätten also, um unsere Hieroglyphe in Feld 33 zu deuten, die
Abb. Gl. Hieroglyphe
Vacatlaii.
Codex Mendoza.
Abb. 62. Hieroglyphe
Vacatepfv.
Codex Meudoza.
Abb. 63. Hieroglyphe
Cai-afolhoi.
Codex Mendoza,
Abb. €4. Hieroglyphe
Popotlan.
Codex Mendoza.
Abb. 65. Hieroglyphe
Popotlan.
Codex Boturini.
Al^b. 66. acTOj/atemaliztli.
Sahagim - Ms. Bibl. del
Palacio.
AVahl zwischen Cacatlan, Popotlan. Acuotlan — sämmtlich bekannte Orts-
namen, die in Frage kommen könnten. Hier ist nun, glaube ich, Popotlan
ausgeschlossen. Denn bei dieser Hieroglyphe ist in der Regel das Band^
das die Büschel zum Besen zusammenbindet, ano-eo-eben. Aber zwischen
( acatlan und Acxotlan könnten wir schwanken. Ein Ort (Jacatlan wird
in der Chronik des Tepopomoc ziemlich regelmässig zusammen mit
Uexotzinco, Tla.ccallan, Tliliuhquitejjec und Cholollan genannt. Und auch
die Anales de Chimalpahin erwähnen neben einander Chichimeca, Tenmica.,
Luivcoca, Temimilolca., Yhuipaneca, ( acanca. Acxotlan war eins der vor-
4. Die moxikanischon Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
195
-^^1%,
Abb. 67.
nehinsteii Barrios von Chalco. Für die letztere Deutung würde — viel-
leicht — sprechen, dass das Gras (^acatl) in den Ortsnamen in der Regel
mit iJ^elber Farbe angegeben ist, während dem Busch (acroyatf) wohl von
Natur grüne Farbe zukommt.
Die Hieroglyphe des Fürsten dieser Stadt (Abb. 60) ist in der Zeichnung
im Kingsborough wieder ganz unverständlich. Das Original lässt, mit einiger
Mühe zwar, aber doch deutlich, den Kopf eines Hirsches (macatl) erkennen,
mit gelb gemaltem Augenlid und blauem, einer gelben
Basis aufsitzendem Geweih — ganz ähnlich der Art,
wie in der Kolumne A das Tageszeichen macatl gezeichnet
und oefärbt ist. Darüber sind zwölf kleine verschieden
gefärbte und in Abtheilungen von 5, 5 und 2 geordnete
Kreise zu sehen. Das ist zweifellos die Bezeichnung der
Ziffer 12 (matlactlt oniome). Die hier gezeichnete Person
ist also mit dem Namen eines Tages — matlactli omome
macatl „zwölf Hirsch" — der vielleicht der Tag seiner
(Joburt war, oder sonst eine Beziehung zu ihm hatte,
genannt.
Im Feld 44/45 endlich (Abb. 67) soll die mit Zinnen gekrönte Mauer unter
der Figur des Häuptlings zweifellos den Ortsnamen Tenanco „am Ort der
Kinzäunungen" wiedergeben. Die Namenshieroglyphe des Häuptlings ist
im Kingsborough wiederum ganz unverständlich, ausserdem
fälschlich mit grüner Farbe gemalt. Im Original ist keine
Spur von Farbe zu sehen. Mit einiger Mühe erkennt mau
den behaarten Kopf eines Thiers. Yermuthlich ist ein
Kaninchen (tochtli) gemeint. So muss also wahrscheinlich der
Name gelesen werden.
Vom Felde 4B an ist auch die Kolumne K mit sachlichen
Eintragungen ausgefüllt. Die sich auf Personen, Regierende
und dergleichen beziehenden Nebenbemerkungen konnten nur
mühsam dazwischen eingeschoben werden, und der Schreiber
hat sie sämmtlich in der Kolumne D untergebracht. — Man
sieht hier zunächst im Felde HO ein Mumienbündel und
daneben (Abb. ()8) eine Hieroglyphe, die in der Zeichnung in
Kingsborough absolut unverständlich ist, die aber im Original
und auch in unserer Reproduktion, mit einiger Mühe zwar, aber doch
deutlich als der Kopf eines Raubthiers zu erkennen ist, mit vorgestreckter
Zunge. Wir werden sie Oceloil „Jaguar^' lesen und annehmen müssen, dass
hier der Tod des Königs gemeldet wird, den wir in der Kolumne E im
Felde 29 (vgl. Abb. 56 S. 192) verzeichnet fanden.
Es folgt dann in Feld 61 eine sitzende Figur (Abb. 69), deren
llau})t nicht mit der fürstlichen Binde, dem ociuhuitzolli geschmückt ist,
und die das Haar hinten lang herabfallend und mit einem Riemen um-
Abb. 68.
Abb. 6i).
196
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
wunden trägt, nach Art der Priester. Als Xamenshieroglyphe steht da-
hinter ein Kaktuszweig. Kaktuszweige, allerdings mit der Blüthe darauf,
sieht man in dem Personalregister von Uexotzinco und Xaltepetlapan
(Ms. Mexicain Kr. 3 Bibl. Nat. Paris) nicht selten (vgl. Abb. 70). Sie
bezeichnen dort den Namen Nochuetl^ der auch in den Anales de Chimal-
pahin mehrfach erwähnt wird. Ein Kaktuszweig, in Verbindung mit
einem Pfeil, ist ebendort gebraucht, den Namen Tziuac mitl wiederzugeben
(Abb. 71). Es scheint also, dass mit Tziuactli eine Kaktusart bezeichnet
Abb. 70. Xochiietl. Ms. Mexicain Nr. 3. Bibliotheque Nationale.
ward. Auch dieser Name, der übrigens gleichfalls in den Anales de
Chimalpahin vorkommt, könnte hier durch die Hieroglyphe in Feld 61
Kolumne D ausgedrückt sein.
In der Hieroglyphe, die das Mumienbündel in Feld 64 Kolumne D
(Abb. 72) begleitet, glaubte ich seiner Zeit den Kopf eines Hirsches und
ein aufgerichtetes Federbüschel zu erkennen. Der Hirsch heisst ma^atl
und das aufgerichtete Federbüschel müsste quetzalli gelesen werden. Ich
glaubte deshalb hier den Namen ma^aquetzal, einen aus den Anales de
Chimalpahin, d. h. dem Gebiet von Chalco, Tlalmanalco, Amaquemecan,
Abb. 71. Tziuac mitl. Ms. Mexicain Nr. 3.
Bibliotheque Nationale.
Abb.
wohl bekannten Fürstennamen annehmen zu müssen. Man erkennt indes
unschwer, dass hier in unserer Handschrift bei dem Hirsch allgemein das
Geweih in einer Art gezeichnet ist, dass man es für ein aufgerichtetes
Federbüschel nehmen könnte. So bin ich nachträglich zu der Erkenntniss
gekommen, dass die Hieroglyphe der Figur Abb. 72 einfach einen Hirscli-
kopf bezeichnet, also ma<;atl zu lesen ist. Und ich meine, dass dieses
ma^atl für matlactli omome magaü steht, d. h. dass hier der Tod des
Fürsten gemeldet ist, den wir in der Kolumne E in Feld 33 (Abb 60
oben S. 193) verzeichnet fanden.
Die in Feld 65 der Kolumne D folgeude Figur endlich (Abb. 73)
ist mit einer Hieroglyphe bezeichnet, die sich deutlich als das Bild einer
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt'«. 197
Schlange kundgibt. Der Kopf liegt links oben. Er ist weiss gelassen.
Die an der Spitze gespaltene Zunge ist deutlich aus dem Munde hervor-
kommend zu erkennen. Der Leib ist gelb gemalt. Am Ende scheint eine
Schwanzklapper gezeichnet worden zu sein, die wie der Kopf weiss ge-
lassen ist. Der Name dürfte also Couatl „Schlange" gelesen werden müssen.
Kommen wir imn zum Schluss noch einmal auf die Frage des Ursprungs
der Handschrift zurück, so sehen wir, die Analyse der Hieroglyphen führt
nicht zu einem zweifellosen Ergebniss. Die wichtigste Hieroglyphe, der
Ortsnamen im Feld 68 Kolumne A (Abb. 55 oben S. 191) ist nicht mit
Sicherheit zu deuten. Die anderen Ortsnamen sind zwar einigermassen
«icher zu bestimmen. Sie lassen aber Zweifel insofern zu, als Orte Namens
Tenanco, Cacatlan in verschiedenen Gegenden vorkommen. Immerhin glaube
ich, dass die Vereinigung der drei Namen Tenanco, Cacatlan (oder Acxotlan)
und — vielleicht, wenn meine Deutung richtig ist, — Almoyauacan^ auf
eine bestimmte Gegend hindeuten, das Land der Uexoizinca und der Chalca^
die Thäler und die Bergabhänge am östlichen und am westlichen Fuss
der Vulkane, des FopocatepetVs und der Iztacciuatl. In dieser Gegend
führten ja auch, wie wir aus Chimalpahin wissen, verschiedene Ge-
schlechtsliäupter den Titel teohua teuhctli „Priesterfürst". Und Negaual-
<;oyotl und der grosse Motecuh^oma^ der Aeltere, kamen dorthin, um den
siegverbürgenden Fetisch, das oüanamitl teueuelU^ die vier Bambus-
pfeile und den Schild des Kriegsgottes, von den Geschlechtsfürsten zu er-
langen. Nun glaube ich allerdings nicht, dass der „Monte Sacro", das
berühmte. Heiligthum von Amaquemecan selber, dasjenige war, auf das
-sich unsere Handschrift bezieht, denn dann müssten wir die Personen-
namen aus Chimalpahin verifiziren können. Aber ausser dem grossen
Heiligthum wird es noch genug andere dort und in der näheren und
ferneren Nachbarschaft gegeben haben. Hoffen wir, dass aus den zahl-
reichen Aufzeichnungen, die in dem ersten Jahrhundert nach der Con-
quista gemacht worden sind, einmal etwas an den Tag kommt, das die
Personen und die Orte unserer Handschrift mit grösserer und jeglichen
Zweifel ausschliessenden Sicherheit feststellen lässt.
II.
Ein 68 cm langer, 40 cm breiter, auf der einen Seite mit Zeichnungen
und Schrift versehener Streifen Agave-Papier. Es ist das Blatt, welches
Alexander von Humboldt in den „Vues des Cordilleres et Monuments
des Peuples indigenes de l'Amerique" unter dem Titel „Genealogie des
Princes d'Azcapotzalco"" beschrieben hat.
198 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Die Zeichnungen dieses Blattes füllen einen geradlinig begrenzten
Raum, auf dessen rechter Seite ein Weg mit Fussspuren, auf dessen linker
Seite ein ^A'asse^ (Strom oder Seerand), durch Wellen- uml Wirbelzeichnung
und hellblaue Farbe bezeichnet, in der ganzen Länge des Blattes ver-
laufen. Nahe dem unteren Rande führt ein zweiter Weg rechtwinklig an-
setzend, quer über das Blatt von dem ersten Weg zum Wasser. Und in
der Mitte des Blattes ungefähr zieht ebenfalls rechtwinklig einsetzend ein
schmales Wasser in ähnlicher Weise quer über das Blatt. Der ganze
Raum oberhalb des unteren Wegs ist durch wagerechte Striche in '27
Felder getheilt. die aber vom 17. ab, in Folge eines links ansetzenden
und schräg nach rechts und oben verlaufenden Grenzstriches an Länge ab-
nehmen. In einem dieser Felder, dem 4. vom unteren Weg aus gerechnet,
verläuft quer über das Blatt eine Reihe dunkler mit Punkten und wink-
ligen Linien erfüllter Figuren. In dieser Weise wird in der Bilderschrift
der Mexikaner der Begriff tlalli oder r/ulli ,.Erde'' oder ^Feld" zur An-
schauung gebracht. Die übrigen Felder sind. — bis auf zwei, die leer
sind, und ein drittes, in das eine Art Randbemerkung geschrieben ist —
jedes mit dem Kopf und der Namenshieroglyphe einer bestimmten Person
versehen.
Schon diese allgemeine Anordnung des Blattes lässt erkennen, dass
wir es hier schwerlich mit einer Genealogie, wie Humboldt annahm, zu
thun haben. Die ganze Anordnung erweckt vielmehr die Vorstellung eines
Katasters, einer Flurkarte oder eines Grundbuches. Lnd das wird in der
That durch die Schrift, die in dem untersten Abschnitt unterhalb des
unteren Weges sich findet, erwiesen.
In dieser Abtheilung sehen wir nämlich rechts das Bild des Königs
MotecuhQoma (vgl. unten Abb. 74), des neunten Königs der Mexikaner.
Xocoyotzin „der junge" genannt, im Gegensatz zu Leue-Motecuhcoma. dem
alten Motecuhroma, dem fünften König der Mexikaner, der mit anderem
Namen Ilhuicaviina -der nach dem Himmel schiessende^ heisst. Links
findet sich das Bild einer aus Stroh oder Rohr erbauten (gelb geraalten)
Hütte über einem weissen Kreise (Abb. 84 unten S. ^O^). Und zwischen dem
Bild des Königs und der Figur der Hütte sieht man die Worte: — y xacallo
ramaca y tlatovani motecuhcomatzin mochi ytonal catca. — In diesem Satze habe
ich früher das Wort camaca als einen Eigennamen, als Name einer Lokalität,
angesehen. Das scheint jedoch nicht richtig zu sein. In der That ist
eine Lokalität dieses Namens mir weder in der Nähe der HauptstaiJt
Mexico, noch anderwärts bekannt geworden. Es scheint vielmehr. da>s
man c-a-mat-a zu trennen hat und darnach zu übersetzen: — ..seine Land-
häuser (Meiereien), die dem König Motecuhcoma das Wasser liefern (ihn
mit Getränk versorgen), die ihm alle gehörten " — Für das Wort a-maca
in dieser Bedeutung vergleiche man das von Molina angegebene teamaca.
teamacac oder teamacani ,.paje de copa." Es kann sich einerseits um
4. Die niexikanischeii Bilderschriften Alexander von HnmboMfs.
1!)9
Meiereien handeln, die in Wirklichkeit das Getränk für den königliehen
Hof zu liefern, oder die Kosten für dasselbe aufzubringen hatten. Es
können aber auch Güter gemeint sein, deren Inhaber am Hofe das Amt
eines Mundschenk hatten. Denn wir wissen ja ans Torquemada^), dass
Motecuh^ovia für seinen persönlichen Dienst nur Leute vornehmer, fürst-
licher Abkunft zuliess, die jedenfalls für ihren Dienst mit bestimmten
Ländereien ausgestattet waren. — Das AVort tonalli, das hier vorkommt,
heisst eigentlich „Gluth, Sonnenwärme, Sommer'''. S Dann aber weiter „der
Charakter eines Tages oder eines .lahres, oder deren Zeichen", d. h. eines
der 20, bezw. 4, Bilder, mit denen die Mexikaner ihre Tage und ihre Jahre
bezeichneten. Daraus folgt als abgeleitete Bedeutung „(has durch den Tag
der Geburt bestimmte Geschick" und endlich allgemein „das Jemandem
Bestimmte, Zugewiesene, sein Antheil, sein Loos". So gibt Molina in
seinem Wörterbuche an: te-tonal „racion de alguno, ö cosa dipntada para
otro"; und tlalli te-tonal „snerte de tierra agena".
Abb. 74. Motecuhgoiiia Xocof/otziu.
Humboldt- Handschriften II.
Abb. 7.5. König von Mexico.
Sahagun-Ms. Academia de la Historia.
Ich gehe nun zur Beschreibung der einzelnen Bilder und Hieroglyphen
über. — Der König Motecuhcoma in der untersten Abtheilung des Blattes,
unterhalb des unteren Querwegs (Al)b. 74), ist in ganzer Figur auf dem mit
Rückenlehne versehenen, übrigens gleich den anderen, aus Rohr geflochtenen
Stuhle (tepotzoicpalli) sitzend dargestellt. Er ist in das blaue königliche
Gewand (,^^W^i^Y»^a^Z^) gekleidet, das durchbrochen gewebt und mit einer rothen
Aügenborte {tenchünauayo), die wohl aus Federarbeit hergestellt zu denken
ist, versehen ist. Auf dem Haupte trägt er die Binde aus Türkismosaik
{xiuhtzontli oder ,duliuitzolli genannt). Vor dem Munde ist ein blaues
Züngelchen angegeben, das Zeichen der Rede und der Herrschaft (tlahtouani
„der Redende" und „der König"). Fast genau ebenso sind in dem Sahagun-
Manuskript der Academia de la Historia die mexikanischen Könige ge-
zeichnet (vgl. Abb. 75). Xur dass hier noch der Stab aus Türkis {.duh-
1) Monarquia Indiana II. cap. 6!i.
200
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
yacaviitl) angegeben ist, den die mexikanischen Könige, wenn sie Festtracht
anlegten, als auszeichnenden Schmuck in der durchbohrten Nasenscheide-
wand trugen. Dem Sahagun-Manuskript habe ich auch die Ausdrücke
entnommen, die ich eben für die verschiedenen Bestandtheile der mexi-
kanischen Königstracht angegeben habe.
Motecuhvovia heisst „der erzürnte Herr'^. Den Begriff „erzürnt"
konnten die Mexikaner hieroglyphisch nicht gut wiedergeben; wohl aber
den Begriff tecuhtU „Herr, Fürst". Um diesen Begriff auszudrücken,
zeichneten und malten sie einfach die Türkisstirnbinde {diuhtzontli. xiuh-
uitzolli), das Abzeichen der Könige. So finden wir denn in der That so-
wohl den älteren als den jüngeren Motecuhcoma hieroglyphisch einfach
Abb. 76. Hieroglyphe
Upue-MofeiiüicO)H(/.
Cod. Tell.-Rem. f. ;)4
verso (= Kings-
borongh IV, 12).
Abb. TT, Hieroglyphe
Moffcuhcoina
Xoro'/of:in. Cod. Tell.-
Rem. f. 41 (= Kings-
borough IT, 1^>).
Abb. 78. Hieroglyphe
Moteciihconia Ilhiiicawina.
Codex Mendoza 7.
Abb. 79. Hieroglyphe
Motecuhcoina Xoroi/oizin .
Codex Mendoza l-l.
Abb. SO. Hieroglyphe
Moteciihconia Xocoi/ofzhi .
Sahagun-Ms.
Academia
de la Historia.
Abb. 81. Hieroplyphe
Tiror/r.
Sahagun-Ms.
Academia
de la Historia.
durch das aduhtzontli hezeichnet Ygl. die Abb. 76, 77 aus Codex Telleriano-
Remensis f. 34 verso (= Kingsborough IT. 12) und f. 41 (= Kings-
bor ough 1\. 16). An ersterer Stelle ist der alte, an letzterer der junge
Motecuhroma gemeint. In der Regel indes wird, um Verwechselungen
vorzubeugen, der ältere Motecuhroma hieroglyphisch durch einen im Bild
des Himmels steckenden Pfeil (Abb. 78) bezeichnet, eine Hieroglyphe,
die seinen anderen Namen llhuicamina „der nach dem Himmel schiessf
wiedergibt. Der jüngere Motecuh{;oma dagegen wird genauer durch das
besondere Element neben der königlichen Stirnbinde bezeichnet, das
in der Hieroglyphe unserer Figur sowohl, wie in den Abbildungen 79
(Codex Mendoza) und 80 (Sahagun-Manuskript Academia de la Historia) zu
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
201
^ehen ist. Wie dies Element dazu kommt, ein Ausdruck für den
Begriff .vocoyotl „der jüngere"' zu sein, kann icli nicht mit Bestimmtheit
angeben, und erwähne nur, (hiss ein ähnliches Element in dem Sahagun-
Manuskript der Academia de la Historia an dem mit weisser Farbe ge-
malten und schwarz punktirten Bein zu sehen ist, das den Namen des
siebenten mexikanischen Königs, Tigoc oder Ti^ocic (Ticocicatzin) wieder-
gibt (vgl. Abb. 81). Dass die Abb. 82, die auf dem grossen sogenannten
Kalenderstein in dem Zwickel oben links sich findet, eine Hieroglyphe
Motecuh('omas sein soll — wie oft angenommen wird — ist mir noch
sehr zweifelhaft. Das a;iuhtzontli ist hier mit der Brustplatte des Peuer-
gottes kombinirt. An entsprechender Stelle in den drei anderen Zwickeln
sind die Daten 1 tecpatl, 1 quiauitl, 7 ogomatli angegeben, die wie es
scheint, ebenfalls bestimmte (lottheiten bezeichnen. Ich meine umgekehrt,
dass der König Motecuhf;(y>na seinen Namen von einem der Beinamen
des Feuergottes erhalten hat. Denn ,,el Senor enojado'', „der zornige
Herr" — das ist die Bedeutung des Namens Motecuhgoma — ist ein
Abb. S2.
Abb. ,S3.
passendes Beiwort des Gottes des verzehrenden Feuers. Dagegen glaube
ich die Hieroglyphe des jüngeren Motecuh^oma bestimmt zu erkennen
in der Abb. 83, die sich auf der Innenseite des Deckels einer Aschenkiste
findet, der auf der Aussenseite (Oberseite) das Datum 11. tecpatl trägt^
Penafiel hat in seinen „Monumentos del arte mexicano" diese Kiste ver-
öffentlicht, und er erklärt die Hieroglyphe als die des Königs Ne^aualpiUi
von Tetzcoco, der im Jahre 11. tecpatl = A. D. 151G gestorben sei. Allein
erstens ist das Todesjahr Necaualpüli's gar nicht einmal sicher fest-
gestellt. Nach Chimalpahin wäre er ein Jahr zuvor, im Jahre 10 acatl =
1515 gestorben. Und dann hat die Hieroglyphe in der That mit den
Elementen des Namens Ne^aualpüli absolut nichts zu thun. Dagegen
scheinen alle Elemente, die in dem Namen Motecuh^oma enthalten sind,
in dieser Figur zum Ausdruck zu gelangen: — Die königliche ötirnbinde
gibt das Element tecuh „Fürst". Das Züngelchen (Symbol der Rede) mit
davon aufsteigenden Rauchwolken scheint das Element mo-i^oma „erzürnt"
zum Ausdruck zu bringen, gewissermassen flammende Rede. Das Element
endlich, das wir in den Hieroglyphen Abb. 71), 80 kennen lernten und
•_>02 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
auch in der Hieroijh']iho unserer Handschrift sehen, ist auch liier deutlich
enthalten und gibt den Beirriif .vocoyotl wieder.
Gegenüber der Figur Motecuhroma's ist in uiisfrer Handschrift das
Bild eines Strohhauses, einer aus Rohr erbauten Hütte, zu sehen (Abb. 84).
iiacalli auf mexikanisch <,^enanut — oder jacaL wie man noch heute in
Mexico sagt. Der Kreis darunter hat wohl eine Beziehung zu den Orten.
die hier geraeint sind, die ich aber nicht näher erklären kann.
Was die Gegend betrifft, wo wir die hier verzeichneten Fluren zu
suchen haben, so bin ich geneigt, an eine nordwärts von Azcapotzalco
nach Guadalupe zu gelegene Feldmark zu denken. Azcapotzalco war ja
die erste der von Mexico niedergetretenen Städte, und es wird aus-
drücklich berichtet, dass die Läudereieu von Azcapotzalco unter die
Grossen von Mexico, den König voran, aufgetheilt wurden. In der That
ist auch dort am Fuss der Berge fruchtbares Ackerland vorhanden, und
Wasseradern durchziehen es, die von Tliliuhiacan, Tlalnepantla und
Atizapam herunterkommen. Das links auf unserem Blatte gezeichnete
Abb. S4. Abb. 85. Abb. ^6. -inauhicniotzhi.
Wasser könnte der Seerand, und die an der rechten Seite des Blattes ver-
laufende Strasse die sein, die au dem Südfuss der Berge von Tenayocan
und Guadalupe sich hinzog.
Auf der rechten Seite unseres Blattes ist endlich noch ausserhalb des
Weges eine Figur gezeichnet (Abb. 85), die wie es scheint, eine Art Kasten
darstellt, mit einem mecapalli versehen, dem breiten strohgeflochtenen Band,
das über die Stirn gelegt wnrde. und mittels dessen die auf dem Eücken
ruhende Last getragen wurde. Vielleicht soll hiermit ländliches Arbeits-
geräth zur Anschauung gebracht werden.
Oberhalb der Figur Motecuhroma's geht, wie ich angab, die
Zeichnung eines Weges. Die Figuren, die auf ihm und auf dem Wege an
der rechten Seite des Blattes zu sehen sind, sind die in der That recht
naturalistische Wiedergabe des Abdrucks eines nackten Fusses, der Sohle
und der fünf Zehen, im Sande oder in anderem lockeren Material. Diese
Fussspuren werden allgemein in der mexikanischen Hieroglyphenschrift
zur Bezeichnung eines Weges oder des Zurücklegeus eines Weges, der
Wanderung, der Bewegung in einer bestimmten Richtung, gebraucht.
Die einzelnen Abtheilungen oder Felder oberhalb dieses Querweges
will ich von unten nach oben fortlaufend mit den Ziffern 1 — 27 bezeichnen.
i. Dio mexikanischen Bildorschviften Alexander von Humholdt's. ^OH
Yon Wichtigkeit sind zunäclisit die Abschnitte 7 und 8. In Feld 7 sehen
wir oben eine Hieroglyphe, die ich nachher, in der Keihe der übrigen, be-
sprechen will. Daneben (Abb. 86) den mit der königlichen Stirnbinde ge-
schmückten Kopf und die Hieroglyphe des tapferen Quauhtemoc, dem nach
dem Tode Cuitlauac ^ die Mexikaner das Amt des Königs, d. li. des obersten
Kriegshäuptlings, übertrugen. Motecul^'oma und Cuitlauuc waren Söhne
Au-ai/acatra gewesen, des sechsten Königs der Mexikaner. Quauhtemnc
war ein Sohn Auitzotrs, des achten Königs der Mexikaner. Und ihm
wurde die Herrschaft übertragen, obwohl nähere Agnaten vorhanden waren.
In Mexico war eben für die Nachfolge in der Herrschaft, wie in (\en
anderen hohen Staatsämtern, die Geburt nur zum Theil von Einfluss.
Es ist bekannt, wie Quauhtemoc '.»0 Tage lang heldenmüthig die Stadt
Mexico gegen C ort es und die europäische Kriegskunst vertheidigte. Seine
(Tefangennahme, die an dem im vorigen Kapitel erörterten Datum ce couafl
i/ei calli = 13. August 1.V2I erfolgte, machte dem Kriege ein Ende. Cortes
behandelte ihn Anfangs freundlich, liess ihn aber später — nach einer
Randbemerkung im Chi mal pah in wäre das am Tage l. ocelotl, d. h. wie
die Rechnung ergibt, 169 Tage später, gegen Ende des Jahres 1521, ge-
schehen — mit vier anderen einflussreichen Mexikanern gefangen nach
Coyouacan führen und versuchte durch die Folter von ihnen herauszu-
bringen, wo die Schätze geblieben waren, die die Spanier bei ihrer Fluclit
im Jahre zuvor in Mexico hatten zurücklassen müssen. Quauhtemoc
wurde nachher getauft und nach seinem Pathen D. Hernando de Alva-
rado Quauhtemoctzm genannt. Cortes beliess ihn als Governador von
Mexico, liess ihn aber nachher, nebst den Königen von Tlacopan und
Tetzcoco, Tetlepanquetzatzin und ('ouanacochtzin., wegen Verdachts der
Konspiration liängen. Das geschah im dahre 1524, in Ueimollun, auf
dem Zuge nach Honduras. „Er starb in gewisser Weise als Christ" (ije
ifuhqui ije christumoyotica iiiomiquüli) sagt Chimalpahin. „Man hatte ihm
ein Kreuz in die Hand gegeben, seine Füsse mit eisernen Ketten zu-
sammengebunden, damit hieng man ihn an einem Ceiba-Baume auf." Die
Exekution ist auf Blatt 138 des Codex Yaticanus A dargestellt. Hier ist
er aber in regulärer Weise am Halsj aufgehängt abgebildet. Aus den
Worten Chimalpahin "s scheint indes hervorzugehen, dass man ihn in
grausamer Weise an den Füssen aufhängte.
Die Hieroglyphe Quauhtemoc „herabfliegender Adler" ist in dem
Feld 7 unserer Handschrift durcli den Kopf eines Adlers und eine nach
abwärts gerichtete Fussspur dargestellt (Abb. 86). In dem Sahagun-
Manuskript der Academia de la Historia ist dafür ein ganzer nach unten
fliegender Adler gezeichnet. (Abb. 87, S. 204). In Codex Yaticanus A
fol. 88 verso, fol. 89 (= Kingsborough 137, 138) ein herabfliegender
Adler und nach unten gerichtete Fussspuren. (Abb. 88a, 88b, S. 204).
204
Zweiter Abschuitt: Bilderschriften.
Auf den Tod Quauhtentoc'^ nun bezieht sich aueli die Bemerkuutr,
die in dem folgenden achten Felde unserer Handschrift, anscheinend von
derselben Hand, welche die anderen Xamen und Bemerkungen eingetrai^-en
hat. hinzugefügt ist. Um die ^yorte zu lesen, muss das Blatt verkehrt
gehalten werden.
^^ ir sehen in «lern Felde zwei grosse und einen kleinen Kreis, die
mit einem unregelmässigen Netzwerk von Linien erfüllt und mit blauer
Farbe gemalt sind (Abb. 89). Das sind Hieroglyphen von xiuitl „Türkis",
ein Wort, das wie ich oben ausführte, häufig durch ein Plättchen Türkis-
uiosaik zum Ausdruck gebracht wird (vgl. Abb. 52, oben 8. 101). Das
Abb. 87. Hieroglyphe
Quauhtemoc.
Sahagun-Ms. Academia
de la Historia.
V.
Abb. S8a.
Abb. 8Sb.
Büerogljphen Quauhttmor.
Codex Vaticanus A, f. 89, 8n verso.
Wort .nuitl bedeutet aber nicht bloss -Türkis", sondern auch „Gras".
„Komet" und -Jahr". Und in letzterem Sinne ist es hier gebraucht. Denn
«las Fähnchen über den zwei grossen Kreisen bedeutet 20. Die zwei
grossen und der kleine Kreis geben also zusammen 41 Jahre. Und so
steht auch darunter geschrieben hon poval Mvitl oce axca „41 Jahre (sind
es) jetzt.- Links neben der Zahl steht 7. calli „7. Haus~, das ist das
Jahr 1524. das Todesjahr Quauhtemoc?,. Rechts neben der Zahl steht
8, calli „8 Haus", das ist das Jahr 1565. Und das
wird noch genauer erläutert durch die daneben
stehenden Worte KJ (? — die Zahl ist nicht deutlich
zu lesen) del mes de abril 1565 anos „am 16. (?j April
des Jahres 1565". Tom Jahr 1524 bis zum Jahr
1565 sind aber in der That 41 Jahre.
Das Jahr 1565, in welchem diese Notiz zugefügt wurde, hatte eine
gewisse Bedeutung für die Nachkommen der alten königlichen Familie
von Mexico. Im Jahr 1565 starb Don Luis de Santa Maria Nanacaci-
pactzin^ der Sohn AcamapichtW ^ und Jilnkel Aiiitzotl's, des achten
Königs der Mexikaner. Er war der letzte der Nachkommen der alten
Königsfamilie, der unter der Herrschaft <ler Spanier noch nominell als
Kegent (governador) von Mexico anerkannt war. Yehuatl oxjtech tlamico
Abb 89.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Huniboldt's. 20ö
ijnic Me.vica Tenuchcu tla^opipütin, sagt Chinialpali in. Das Jahr be-
zeichnet also (las wirkliche Ende der alten Herrschaft. Und Chimalpahin
schliesst deshalb auch hier einen Abriss der ganzen alten Geschichte der
Stadt und des Stammes der Mexikaner an.
Als nach der Gefangennahme Quauhtemocs die Stadt Mexico sich
dem siegenden C ort es übergab, da, heisst es^), wurden in Acachinanco
die Führer der 3Iexikaner versammelt, und zwar die folgenden:
1. ()uauhtemoctzin, der König von Mexico {tlahtohuani Tenuch-
tiflan).
'2. Tlacotzin, cihuacohuatl — d. h. der Stellvertreter des Königs.
3. Oquiztzin, der Fürst von Azcapotzalco {tlahtohuani Azcapotzalco-
Mexicapan).
4. Panitzin (oder Uanitzin)^ der Fürst von Ecatepec (tlahtohuani
Ehcatepec).
5. Motelch'iuhtzin, der Magazinverwalter (calpid-qui) , kein Mann von
fürstlichem Geblüt, aber ein grosser Kriegshäuptling (a7no pilll,
ijn yece huey yaotiacauh catca)
Cortes Hess sie fesseln und gefangen nach Coyouacan führen.
Dieselben vier Männer, die hier neben Quauhtemoc aufgeführt
werdeu. werden in ähnlicher Reihenfolge, bei der Erzählung von der
Hinrichtung Quauhtemoc s und der beiden anderen in Üeymollan wieder
genannt: cenca yc tlaocoxque, motequipachoque, quichoquülique, yn quinhuicac
Me.iica tlahtoque „Tief betrübt waren und beweinten ihn die Fürsten der
Mexikaner, die man hierher geführt hatte" — Don Juan Yelazquez
Tlacotzin, cihuacohuatl, Don Carlos Oquiztzin, Don Andres Motelchiuhtzin,
Don Diego de Alvarado Huanitzin.
Es gibt noch einen anderen einheimischen Bericht über die Vorgänge
während der Belagerung und nach der Einnahme der Stadt Mexico. Das ist
der in dem Sahagun-Manuskript der Biblioteca Laurenziaua erhaltene Bericht,
der daselbst das zwölfte Buch des Gesammtwerkes bildet. Es heisst dort,
dass am Tage nach der Gefangennahme Quauhtemoc s dieser und die
gesammten Würdenträger zu Cortes nach Atactzinco, dem Hause des
tlacochcalcatl Coyoueuetzin gebracht wurden. Dabei werden neben Quauh-
temoc zunächst die Könige von Tetzcoco und Tlacopan, Coanacochtli und
Tetlepanquetatzin und darnach folgende Grosse genannt:
1. cioacoatl Tlacutzin,
'1. tlillancalqui Petlauhtzin,
3. vitznavatl motelchiuhtzin, meiicatl achcauhtli,
4. tecutlamacazqui (Oberpriester) Coatzin,
5. tlatlati (Beschliesser) Tla^olyaictl.
1) Chimalpahin VII. Relat. 1. c, p. 1!»4, 195.
'2Q^jt Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Und als die Fürsten zu Cortes komiiK'ii. setzen sich neben C'ortes
zunächst tlie drei Könige der verbündeten Städte Me-rico. Tetzcoco und
Tlacopan. Dnrnacli folgen:
viLrcoatlailotlac A u elitoctzin,
tlatzacutica yopicatl Pupucatzin, pilli.
die. wie der Vergleich mit vorhergehenden Stellen ergibt, als Führer d^r
Tlatelolca anzusehen sind.
Und dann heisst es: „auf der anderen Seite sassen die Tenochca" :
— Tlacutzin, Petlauhtzin, Motelchiuhtzin mexicatl achcauhtli, tecutla-
macazqui Co atzin, tlatlati Tlacoh/autl — Dieselben Xanien werden
auch auf den vorhergehenden Blättern des Berichts mehrfach erwähnt.
Vergleichen wir die beiden Berichte des Chimalpahin und des
Sahagun-Manuskripts. so haben wir zunächst wohl die beiden letzten Per-
sonen des Sahagun-Berichts auszuscheiden. Denn das sind Priester. Von
den drei übrigen sind zwei ident mit zweien der von Chimalpahin er-
wähnten. Der Unterschied zwischen den beiden Berichten beruht augen-
scheinlich darauf, dass in den Anales de Chimalpahin zwar im Anfang
von der Unterredung mit den mexikanischen Fürsten unmittelbar nach
der Uebergabe der Stadt berichtet wird, die Aufzähluug aber, die dann
folgt, nicht die bei der genannten Unterredung anwesenden Fürsten nennt,
sondern die. welche Cortes nachher (vgl. die vorige Seite) gefangeu nach
Coyouacan führen und foltern Hess, um von ihnen Geständnisse über die
von den Spaniern bei der Flucht aus der Stadt zurückgelassenen Schätze
zu erpressen.
Kehren wir nun zu unserer Handschrift zurück, so sehen wir, dass
hier in den Feldern 5. 3. 2. l unter Quauhtemoc dieselben vier Männer
aufgeführt sind, die uns Chimalpahin als die Genossen ( Quauhtemoc' &
nennt. Nur ist die Reihenfolge etwas verändert, denn da wir Tlacotzin
überall an erster Stelle stehend zu denken haben, so würde Oquiztzin
hier an vierter — anstatt, wie bei Chimalpahin — an zweiter Stelle
stehen
Die vier Personen sind in unserer Handschrift, gleich den in den
anderen Feldern aufgeführten, durch einen Kopf und durch die Xamens-
hierogljphe dahinter zur Anschauung gebracht. Ausserdem hat ein Schreiber,
der, wie wir sahen, seine Eintragungen im Jahre 1565 gemacht hat, die
Namen der. Personen daneben geschrieben.
Die Köpfe dienen hier, wie anderwärts dazu.' den Rang der be-
zeichneten Personen anzugeben. In unserer Handschrift haben Uanitzm
(Abb. 91) und Oquiztzin (Abb 90). die oben als Könige von Ecatepec,
bezw. Azcapotzalco genannt sind, die königliche Stirnbinde aus Türkis-
mosaik. gleich Motecuhcoma und (Quauhtemoc. Sie beide allein, von
den vieren, haben auch das Züngelchen vor dem 3Iunde. das Zeichen
der Rede und o-leichzeitis das Zeichen der Herrschaft. A. von Humboldt
4. Die mcxikanisclieii Bilderschriften Alexander von Humboldts.
207
hatte seiner Zeit die Ansicht ausgesprochen, dass die Mexikaner durch das
beigesetzte Züngelchen die Personen hätten als Lebende kennzeichnen wollen.
Dass das hier thatsächlich nicht der Fall ist, liegt klar zu Tage. Denn
Oquiztzin starb früher als die drei anderen, und Motecuh{-oma^ der eben-
falls das Züngelchen hat. früher als die vier anderen zusammen und
als (Juauhtemoc. der ohne Züngelchen gezeichnet ist. Augenscheinlich
ist hier das Züngelchen tlirekt Hieroglyphe für tlahtouani „der Redende"'
= der Herr, der König", also gewissermassen ein Seitenstück zu der künig-
lichen Stirnbinde.
Der dritte von den vieren AJotelc/duh (Abb. 92), der oben nur als Kriogs-
häuptling bezeichnet ward, ist mit der sonderbaren Frisur dargestellt, die
Abb. !*0. o(jii/:tz//! in
a:c(ij)ot.z(ilc().
Abb. Dl. doli dicijo
rfnijfziii .
Abb. 92. tliapia
motelchhth.
"ycicci+eci-vflf"
Abb. 'Jo. Mexikanischer Krieger auf
dem Marsche. Codex Mendoza 16.
Abb. 94. Ydcatpciif/;. Gott der Kauf-
leute. Ms. Bibl. del Palacio.
die Krieger auszeichnete. Wenn die Krieger sich zum Tanze schmückten,
erzählt Sahagun (HI. App. cap. 5), so badeten sie. schmierten den ganzen
Körper, mit Ausnahme des Gesichts, mit schwarzer Farbe ein, und be-
malten das Gesicht mit schwarzen Streifen. Das Haar aber, anstatt es zu
kämmen, „zausten sie in die Höhe, um sich einen furchtbareren Anblick zu
geben." Dabei waren, wie die Abbildungen zeigen, zwei verschiedene
Haartrachten üblich. Bei der einen wurde das Scheitelhaar auf dem
Wirbel zusammengenommen und dort mit einem Lederriemen umwickelt,
an dem bei festlichen Gelegenheiten mächtige Troddeln aus Schmuck-
•J(»^
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
federn befestigt wurden, während das andere Haar, wie es scheint, im
ganzen Umkreis des Gesiclits kurz und starr in die Höhe stand. So zeigen
es die Kriegerfiguren des Codex Mendoza (vgl. Abb. 93, S. 207) und der Kopf
Yacafecuhtb'ii. des Gottes der reisenden Kaufleute und Karawanenführcr. im
Sahagun-Ms. der Biblioteca del Palacio (Abb. 94. 8. 207). Diese Frisur wurde
temillotl ^Steiupfeilerfrisur'" , die grossen Troddeln
(juetzallalpiloni „Schmuckfederband" genannt^). Der
Xame temillo „Steinpfeilerfrisur (Kriegerfrisur) tragend"
kommt in dem oben schon des öfteren erwähnten
Personalverzeichuiss von Uexotzinco (Ms. Mexicain
Xr. 3 Bibl. Nat.) mehrfach vor, und wird daselbst
bald durch die Figur eines Pfeilers, bald durch
einen Stein, oder einen Stein in einer Einfassung,
oder endlich dnrch einen Stein in Verbindung mit
einer Haarfrisur dargestellt. Tgl. Abb. 'db. — Bei
der anderen Frisur wurde das Haar über der Stirn
hoch in die Höhe gezaust und vom Scheitel ab lang herabfallen gelassen
und dort am Nacken mit einem Eiemen umwickelt, in den bei festlichen
Gelegenheiten ein Federschmuck eingesteckt wurde. Diese Tracht sehen
wir an dem zum Tanze geschmückten Häuptling, der im Codex Telleriano-
Remensis und Taticanus A zur Bezeichnung des Festes Tecuilhuitl ab-
.\bb. 9?,
temillo.
Nr. 3.
Hieroglyphe
Ms. Mexicain
Bibliotheque
Nationale
Abb. 96. i'ei tci-uilhaitl. Das grosse
Herrenfest. Codex Telleriano-Remensis
f. 1, verso (= Kingsborough I, 2).
Abb. 97. Tlacochcah-o i/aofl. Der Krieger
im Speerhause.
Ms. Bibl. del Palacio,
gebildet ist (Abb. 96) und an dem Kopf Tlacochcalco yaotl's im Sahaguu-Ms.
der Biblioteca del Palacio (Abb 97). Mit ihr ferner sind auf dem Lienzo
de Tlaxcala die Häuptlinge der Tlaxkalteken gezeichnet, bei dem |fest-
lichen Empfang, den die Republik Tlaxcallan dem als Bundesgenossen be-
grüssten Eroberer Cortes bereitete. Diese Frisur wurde tzotzocoUi, und
1) Veröffentlichungen aus dem König]. Museum f. A'ölkerkunde I, S. 140.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
209
der eingesteckte Federscliinuck, der aus gabelförmig aiigeordiieteu Reiher-
federu bestand, aztaxelli genannt^). Man findet diese b(;iden Haartrachten
aucli an in Thon gearbeiteten Kriegerfiguren dargestellt (vgl. Abb. 98, 99)
und sieht hier besser, als in den Zeichnungen der Bilderschriften, dass
Abb. 98.
Abb. 99.
Köpfe von Thonfiguren mexikanischer Krieger. Sammlung Uhde.
Königl. Museum f, Völkerkunde, Berlin,
bei der zweiten dieser beiden Frisuren (Abb. 99) das Haar an der
einen Seite aufgebürstet ist. Ich liabe in Abb. 100 aus dem Sahagun-
Manuskript der Biblioteca del Palacio ein Bild wiedergegeben, wo Krieger
(beim Fest Ochjyamztli) einen Tanz aufführend dargestellt sind, und wo
diese beiden Haartrachten neben ein-
ander und deutlich gezeichnet zu sehen
sind. Die erstere, das temülotL ist das
auszeichnende 31erkmal der eigentlichen
Häuptlinge, der tequiua. Mit ihr ist
daher in Feld 3 unserer Handschrift
auch Motelchiuh^ „der grosse Kriegs-
häuptling" dargestellt.
Tlacotzin endlich in Feld 5, (vom
unteren Weg an gerechnet,. Abb. 101,
S. 210), hat weder die königliche Stirn-
binde, noch die Häuptlingsfrisur, sondern
ist mit einfach herabfallendem Haar, ohne jegliches Abzeichen dargestellt.
Ohne die königliche Stirnbinde hat man ihn gezeichnet, weil er damals
wohl noch nicht das Herrscheramt, das ihm nachmalen übertragen wurde,
inne hatte. Und die Krieuerfrisur kam ihm nicht zu. weil allem Anschein
Abb. 100. Tanz der Krieger am
Orhpaniztli.
Sahagun-Ms. Bibl. del Palacio.
1) Veröffentlichungen aus dem Königl. Museum f. Völkerkunde I, S. 166.
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. W
210
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
nach tler Titel ciumouatL den er führte, kein militärischer war. Ich
erwähne indes, dass über Tlacotzin im Felde <i ein Kopf mit der könig-
lichen Stirnbinde, gleich i^uauhiemoc^ gemalt war, dass dieser al)er über-
klebt, d. h. gelöscht worden ist.
Was nun die Hieroglyphen betrifft, so stehen bei Tlacotzin im
Felde 5 deren zwei, die allerdings nicht beide auf den Namen sich be-
ziehen. Die vordere bringt vielmehr den Titel, die hintere den Namen
des Mannes zum Ausdruck. Die letztere stellt ein Arbeitsgeräth. eine
Art Schippe aus Holz dar. die zum Bearbeiten des Bodens diente, aber
auch zum Einfüllen von Erde, Kalk u. s. w. gebraucht wurde. Vgl.
Abb. lOJ. lOo. Erstere ist dem Codex Mendoza entnommen. Oben
ist das Geräth zu sehen, darunter der Korb chiquiuitL mit dem breiten
über die Stirn zu legenden Tragband (mecapalli) versehen, in welchem
die Erde, der Kalk u. s. w. transportirt wurde. Abb. 103 gehört dem
Codex Osuna an. Hier sieht man den mexikanischen Arbeiter dies
Abb. 101. Jita Velazqiii
tJacotzi)!.
Abb. 102. Hölzerne Schaufel
{couiiacatJ) und Korb {cliiquiiiitT)
zum Fortschaffen der Erde usw.
Codex Mendoza 71, 11.
Abb. 103. Bearbeiten
des Ackers.
Codex Osuna f. 38,
verso.
Werkzeug handhaben. Dieses Arbeitsgeräth heisst eigentlich uictU oder
coauacatL Es dient in unserer Handschrift zum Ausdruck des Namens
Tlacotzin. weil dies Geräth das Symbol der Dienstpflicht, der Knecht-
schaft, der Sklavenarbeit war. Der Knecht, der Sklave aber hiess tläcohtli.
Ein etwas anderes, mit kurzem Vokal der ersten Silbe ausgesprochenes
tläcotl bedeutete den blühenden Zweig, der z. B. in der Hieroglyphe
Tlacopan (= Tacuba) abgebildet wird. Weil in unserem Falle der Name
Tlacotzin durch das Arbeitsgeräth zur Anschauung gebracht wird, werden
wir schliessen können, dass ihm die erstere Aussprache (mit dem so-
genannten Saltillo) und auch die erstere Bedeutung zukam.
Die vordere Hieroglyphe zeigt das Bild einer Schlange, aus deren
geöffnetem Rachen ein Menschengesicht hervorsieht. Die Schlange ist
gelb gemalt (bis auf die Schwanzklappern und den Bauch), das Menschen-
gesicht braun, und auf der Wange scheint es, dass die zwei Striche hatten
angegeben werden sollen, die in den Hieroglyphen des Codex Mendoza
ziemlich regelmässig gezeichnet sind, wenn das Gesicht einer Frau zur
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt"s.
211
Abb. 104. Hierogl.
Ciucdlati.
Codex Mendoza40,l.
Anschauung gebucht werden soll. Vgl. Abb. 104 die Hieroglyphe Ciuaüan
iius Codex 3Iendoza 40, 1. Die vordere Hieroglyphe in Feld 1 — 5 ist
jilso die üenaue ^Viederij-abe des Wortes ciua-couatl „weibliche Schlange''
«les Titels, den, wie in Chinialpahin und im Sahagun- Manuskript an-
gegeben ist. der hier genannte Tlacotzin führte. Der Titel ciuacouatl
kam dem höchsten AYürdenträger des Reichs zu, der gewissermasseii
Kollege oder Stellvertreter des Königs (flahtouani) w-ar. Das wird namentlich
in der Crönica mexicanii dos Teroromoc oft und ein<lringlich betont —
so oft und eindringlich, dass man Absicht vermuthen und schliessen
möchte, dass die prätendirte Macht des ciuacouatl vom König nicht immer
anerkannt wurde. Im Uebrigen ist die Kollegialität
deutlich und klai- genug ausgesi)rochen. Wenn bei
■der Erzählung der 'l'haten des alten Motecuh<;:oma der
••lerzeitige ciuacouatl Tlacae/cl einen Vorschlag macht,
so antwortet ihm Motecukcoma, dass er mit Allem ein-
verstanden sei, — „denn freilich Itin ich der Herr, aber
ich kann nicht alles anordnen, und du ciuacouatl bist
so gut Herr wie ich, wir beide haben den mexikanischen
Staat zu regieren." Der Name ciua-couatl ist mehrdeutig. Er bedeutet
„weibliche Schlange" kann aber auch „weiblicher Zwilling" oder „weib-
licher Genosse" bedeuten. Der Name hat vermuthlich Bezug auf die
alte Erdgöttin, die an verschiedenen Orten verschieden — Ciuacouatl „<las
Schlangenweib'' oder Tonantzin „unsere liebe
Mutter" oder Teteo innan „Mutter der dötter" —
genannt wurde, und die <lem Vater, dem alten
Himmelsgott, genau so gegenüberstand, wie in
•dem irdischen Reich, in der mexikanischen Re-
publik, der ciuacouatl dem König. Ciuacouatl ist
insbesondere der Name, den die alte Erdgöttin,
4ie in Colhuacan verehrt wurde, führt.
Ein Abbild dieser Göttin, ganz genau dem
entsprechend, das wir in unserer Hieroglyphe
Abb. 101 sehen, habe ich in Abb. 105 wieder-
gegeben. Es kommt Tafel 63 des Goupil-
Boban'schen Atlas vor. und bezeichnet dort Ciua-
couatl, die Göttin von Colhuacan. der die gefangenen
Mexikaner geo})fert werden.
Motelchiuh bedeutet der „Verachtete". Die Hieroglyphe (vgl. Abb. !)2
oben S. 207), die hier diesen Namen zur Anschauung bringen soll, ist die
bekannte Hieroglyphe te-tl „Stein", die in brauner und schwarzer Farbe
gemalt wird, zum Ausdruck der Yerschiedenfarbigkeit oder der Aderung
des Gesteins. Diese Hieroglyphe gibt natürlich nur einen Anklang an
den Laut desjenigen, was eigentlich dargestellt werden sollte, — obwohl
14*
Abb. 105. ('inacoiiail.
Göttin von Colhuacan.
Historia Mexicana. Ms.
Coli. Anbin-Goupil
Atlas Goupil- Bob an,
PI. G3).
212 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
es nicht ausgeschlossen erscheint, dass. weini aucli nur auf Umwegen, ein
etyniokigischer Zusammenhang- zNvischen «lern Worte te-tl „Stein" und
tel-chiua „verachten" besteht. — Genau ebenso, d. li. durch die Hiero-
glyphe teil „Stein" ist übrigens Motelchiuh auch im Saliagun-Manuskript
der Academia de hi Historia bezeiclmet (Abb. lOG).
Uanitzm im Felde 2 (vgl. Abb. l'l oben S. 207) ist hicroglyphisch durch
die Fahne {patnitl) bezeichnet, p (b) uml iv sind verwandte Laute, und
unser w, oder, richtiger vielleicht, englisch w ist der Laut, den die alten
CJrammatiker durch u oder ü, die .lesuiten durch hu zum Ausdruck l)ringeu
wollten. In einer ganzen Reihe von Fällen ist es deutlich, dass dieses
ic erst durch Erweichung aus p entstanden ist. So liegt in tlapcopa „Richtung-
des Hellwerdens" „Osten" und in tlaui „hell werden" ohne Zweifel die-
selbe Wurzel tlap vor. In ersterem Falle, wo der Endkonsonant durch
das folgende c geschützt war, hat sich die Tennis erhalten.
Im zweiten ist vor dem i des Präsens und als Auslaut im
Präteritum die Tenuis zum Frikativ geworden. Und vielfach.
Abb. 10(i. insbesondere im Anlaut, ist der Labial ganz geschwunden.
Hieroglyphe go steht eua neben peua^ beide mit derselben Bedeutung
„\ ' ' ,, „sich erheben" „sich auf den Weg machen*'. In ähnlicher
Sahagiin-Ms " _ " '^
Academia de Weise findet man nebeneinander (^opil und Couü^),
la Historia. Centzonnapa und Centzoniiana'). So darf es denn auch
nicht Wunder nehmen, dass Chimalpahin für den hier
in hieroglyphisch durch das Fähnchen (pamitl) bezeichneten
j J Mann bald Panitzin, bald Huanitzin schreibt. Durch ein
■'^^^"^^^^'^ ^^^ Vanitzin auch in dem Sahagun- Manuskript
Abb. 10 ( .
Hieroo-lype ^®^' Academia de la Historia (Abb. 107) und in der Historia
ccmitzin. mexicana vom Jahre 1576 der Au bin' sehen Sammlung be-
Sahagun-Ms. zeichnet.
la Historia Oquiztli endlich, in dem ersten Feld oberhalb des unteren
AVeges (vgl. Abb. 90 oben S. 207) ist einfach durch die
Hieroglyphe der Stadt Azcapotzalco , deren Herr er war, bezeichnet.
Azcapotzalco bedeutet „am Ort des Ameisenhaufens." Hieroglyphisch wird
die Stadt daher durch das Bild eines Ameisenhaufens zur Anschauung-
gebracht. Vgl. die Abb. 108, 109, erstere dem Codex Mendoza, letztere
dem in der Bibliothek des Herzogs von Osuna erhaltenen Aktenstücke
entnommen. Man sieht hier inmitten von kleinen Steinchen und Sand-
körnern ein etwas ungeheuerlich gezeichnetes und in der Regel roth ge-
maltes Thier, das die Ameise (azcatV) vorstellen soll.
1) Die erstere Form ist die gewöhnliche; die zweite in Tezozomoc, Crönica
mexicana, cap. 2.
2) Hier ist die zweite Form die gewöhnliche; die erste in Tezozomoc,
cap. -J.
4. Dio mexikanischen Bilderschriften Alexander von Huniholdt's. 213
Ich ^Yill nun noch kurz berichten, was über die späteren Schicksale
«ler vier Personen, die Chimalpahin als Genossen Quauhtemocs, des
letzten freien Königs der Mexikaner, uns nennt, und dio in unserer Hand-
schrift unter (^uauhtemoc der lleihe nach aufgeführt sind, bekannt ist.
Tlacotzin scheint ein Enkel AuitzotVs, des achten Königs der Mexi-
kaner, gewesen zu sein^). Er war also ein naher Verwandter QwawÄ^ewoc's,
tler ein Öohn Auitzotfa war. Dies erklärt 'wohl auch die hohe Stellung
cils ciuacouaü, die er neben und unter Quauhtemoc inne hatte. An der
Vertheidigung der Stadt Mexico nahm er sehr energischen Antheil, wie
aus dem aztekischen Bericht hervorgeht, der in dem Sahagun-Manuskript
4er Biblioteca Laurenziana erhalten ist, und der augenscheinlicli von
einem Augenzeugen, der mit in der belagerten Stadt eingeschlossen
w'ar, geschrieben ist. Tlacotzin wird dort neben dem tlillancalqui Pet-
lauhtzin und dem tiitznauatl Motelchiuhtzin genannt, und diese drei stehen
als Führer der Tenoclica dem tlacateccatl Temilotzin und dem tlacochcalcatl
Coiioueuetzin^ den Führern der Tlatelolca^ der Bewohner der Scliwester-
stadt von TenochtiÜan, gegenüber. Nach der Eroberung nahm auch er
Abb. 108. Hieroglyphe Abb. 109. Hieroglyplie
Azrapoizalco. Codex Mendoza .">, 1. Azcapofzdiro. Codex Osunii.
die Taufe an und hiess nun Don Juan Yelasquez Tlacotzin. Nach
der Hinrichtung Quauhtemoc^ und seiner Genossen in Ueymollan machte
ihn Gort es zum König von Mexico (tlahtohuani viochiuh yn Tenoclititlan)
und equipirte ihn als Spanier, schenkte ihm ein Schwert, einen Dolch
und ein weisses Pferd"). Es war indes Tlacotzin nicht vergönnt, als
König den Boden seiner Vaterstadt zu betreten. Nachdem er fast drei
dalire mit Gortes auf der mühe- und entbehrungsvollen Ex])edition in
Honduras abwesend gewesen war, starb er auf der Heimkehr 1526 in
<lem Orte Nochiztlan.
Von Motelchiuh ist oben schon angegeben, dass er kein Prinz von
Geblüt war, sondern seinen Rang durch Auszeichnung im Kriege erworben
hatte. In der oben angefüln^ten Stelle des (Uli mal pah in wird er mit dem
Titel calpii-qui „Magazinverwalter" genannt So hiessen die Gouverneure
1) Vgl. Annales de Chimalpahin VII. Relation s. a. 15G5, ed Remi
Simeon p. 266, wo das yxhu'uihtzia inyn „der Enkel des vorhergehenden" wohl
kaum anders als auf den vorhergenannten Airi/:<itl zu beziehen ist.
'2) Vgl. Annales de Chimalpahin VII. Relation s. a. 156ä ed Remi p. "207.
214 Zweiter Abscluiitt: Bilderschriften.
der unterworfenen Provinzen, zu deren Hauptaufgabe es gehörte, die Tribute
einzusanimelu und nach den königlichen Magazinen abzuführen. In dem
aztekischen Bericht des Sahagnn-Maniiskripts wird er uitznauatl und me.vi-
catl ac/icauhtli genannt. Letzteres bedeutet einfach .jnexikaiiiseher Kriegs-
häuptling'". Das erstere ist einer der vielen militärischen Titel, die bei
den Mexikanern im Gebrauch waren, und deren eigentliche Bedeutung
noch nicht feststeht. Yermuthlich hatten sie eine Beziehung zu einer be-
stimmten Gens (calpulli) und zu dem Tempel derselben. Nach der Er-
oberung der Stadt nahm auch MotelchiuJt. gleich den anderen vornehmen
Mexikanern die Taufe au. Nach seinem Pathen ward er Don Andres
de Tapia Mofelchiuh genannt. Thapia Motelchiuh sehen wir auch in
unserer Handschrift geschrieben. Nach dem Tode Tlacotzinn in
Nochiztlan wurde Motelchiuh zu dessen Nachfolger ernannt. Da er aber
kein Prinz von Geblüt war. so konnte ihm die eigentliche Königswürde,
der Titel tlahtouani, nicht übertragen werden. Ich glaube auch, das Corte>
die Gelegenheit benutzte, die Würde etwas zu degradiren. Er wird daher
nur als Kriegshäuptling von Mexico {gan quauhtlahtohnani omochiuh Tenuch-
titlaii) aufgeführt. Ueber sein AYalten als solcher erfahren wir nichts. Ei
regierte ebenfalls nur wenige Jahre. Er starb im Jahre 1530 smf einem
Zuge nach den Provinzen des Nordwestens {Teo-culhuacan. der Provinz
Xalisco). wo er den Spaniern unter Nuiio de Guzman Kriegsptlicht
leistete. Als er in der Nähe des Ortes Aztatlan im Flusse badete, wurde
er von dem Pfeil eines Chichimeken (eines feindlichen Indianers) getrofPen
und starb an der Wunde. ^)
Uanitzin war ein Neffe des Königs Motecuhroma. Sein Yater liiess
Teroroinoctli Acolnanacatl und war ein älterer Bruder Motecu]i^oina\.
Mofecuhnmiawurde später durch AVahl <ler entscheidenden Personen zum
Nachfolger seines Vaters Axayacatl auf den Thron berufen. Aber Teroro-
moctli erbte, wie eine ethnologisch ungemein interessante Stelle der
Annalen Cliimalpahin"s berichtet, von A.vaijacatl den Tanz yaociua-
cuicatl, den dieser von den Tlailotlaque, einem Stamm der (Jlialca. deren
Eigenthum er gewesen war. wie es scheint, erkauft hatte. Die Mutter
Üanifzin's stammte aus dem fürstlichen Hause von Ecaiepec, eines Ortes,
der im Norden von Mexico, am nördlichen Fusse der Berge von
Guadalupe gegen die Lagune von Xaltocan (jetzt Laguna de S. Cristö-
bal) zu gelegen ist. Im Jahre 1511'. kurz vor dem Eintreffen der
Spanier, als sich Motecuhroma, der durch die ersten Nachrichten von
dem Erscheinen der Spanier in äusserste Bestürzung gerathen war.
wieder etwas beruhigt hatte, wurde Uanitzin von seinem Onkel in die
Herrschaft über Ecatepec, die ihm als Erbe seiner Mutter zukam, ein-
gesetzt. Uanitzin war dauuils, wie ('himalpahin berichtet. 20 Jahre
1) Chiraalpahin p. i'U9. -222. 26(3.
H
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 215
alt. All den Kämpfen während der Belagerung scheint er keinen sonder-
lichen Antheil genommen zu haben. Der aztekische Bericht im Sahagnn-
lAIanuskript der Biblioteca Laurenziana erwähnt ihn nicht. Aber Chimal-
pahin berichtet, wie ich oben anführte, dass er zu den vornehmen
Mexikanern gehörte, die zusammen mit (^uauhtemoc gefangen nach Coyouacan
geführt wurden. C ort es aber nahm, auf seine Abstammung — oder auf
seine Jugend? — so viel Rücksicht, dass er ihn nicht gleich den anderen
fesseln Hess. Nachdem die Fürsten aus der Haft entlassen waren, nahm
ihn seine Mutter gleich mit sich nach Ecatepec — oder, wie Chimalpahin
sag-t, sie verbarg ihn daselbst (ca ompa quitlatito yn inantzin Ehcatepec).
Und die Leute von Ecatepec erkannten ihn als ihren König an Qjnic ompa
quintlahtocatlallique no yehuantin Ehcatepeca^. Als C-hrist führte er den
Namen Don Diego de Alvarado Uanitzin.
Nach dem Tode MoteLchiuK^ im .lahre löSO war der Thron von
Mexico zunächst unbesetzt geblieben. Erst nach der Rückkehr aus
Teocolhuacan im .lahre l.")32 übertrug man das Häuptlingsamt einem
gewissen Xochiquentzin (vgl. Abi). 110), der ebenfalls kein Prinz von
Geblüt (ijnin Qa no Mexica amo pilli), sondern nur ein grosser
(irundeigenthümer (yece kuel chune catca Mexico) gewesen war
und unter den alten Königen das Amt eines calpixqui, eines
-Magazinverwalters", inne gehabt hatte. Sein Haus stand .,, __
im Calpul Teopan, dem südöstlichen Quartier der Stadt Mexico, Hieroglyphe
damals schon Barrio de San Pablo genannt. Xochiquentzin Xodiiquctziu.
starb aber schon im Jahre 1.j3G. Der Yizekönig Don An- Sahagun-Ms.
. " . Academia de
tonio de Mendoza, der das Jahr zuvor in Jiexico au- jg, Historia.
gekommen war, zögerte zunächst, den Posten wieder zu be-
setzen. Aber im Verfolg seiner auf die Regelung des Verhältnisses zwischen
den Eingel)orenen und den Spaniern gerichteten Bemühungen sah er sich
doch veranlasst, der indianischen Bevölkerung der Hauptstadt wieder ein
Haupt zu geben. Und er berief im Jahre 1538 dazu Uanitzin^ der aber
nun nicht mehr als König (tlahtohuani) proklamirt wurde — quauhtlahtouani
„Kriegshäuptling" konnte er ja seinem Range nach nicht sein — , sondern
mit dem spanischen Titel „Governador" in sein Amt eingesetzt ward. Kr
starb al)er schon im Jahre 1541. Ein Sohn von ihm. Don Christoval
de (Juzniau Cecetzin oder Cecepatictzin, ward nachher 155!> der dritte
Governador von Mexico.
Von Oquizt/i endlich, der vierten der Personen, die in unserer Hand-
schrift unter ( )uauhtemoc folgend angeführt sind, wessen wir aus der
Crönica des l"'e(.o<;omoc, dass er zu derselben Zeit, wie Uanitzin in
Ecatepec, in Azcapotzalco als König eingesetzt ward. Te«.0(.omoc be-
zeichnet ihn ebenfalls als Neffen Motecuhcoina's. Wer aber seine Eltern
waren, darüber habe ich keine bestimmte Notiz. Azcapotzalco war schon
seit dem Jahre 1429 den 3[exikanern unterthänio; oeworden, die alten
216
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Abb. 111. don (Jo.
teuetzquiti.
Fürsteil vertrielioii. ihr Land aufgethoilt wordon ^). An den Kämpfen
während der Belageruni? scheint Oquiztli ebenfalls keinen hervorragenden
Antlieil üenoinnien zu haben. Mit anderen vornehmen ^Fexikanern musste
er Cortes auf seiner Expedition in die Waldregionen von Chiapas und
Honduras begleiten, und starb dort, bald nach der Hiniichtung ()iiavhte-
moc's, im Jahre 154"2-*).
So viel über diese vier. Von den übrigen Personen, die in unserer
Handschrift vom 9. Feld aufwärts verzeichnet sind, ist nur die in Feld 16
(vom unteren Wege an gerechnet) verzeichnete eine
bekanntere Persönlichkeit. Es ist, wie die Beischrift be-
sagt. Don Diego de S. Francisco Tenetzquüitzin,
der Sohn Tezcai/popocatzin's, der seinerseits ein
Sohn Ticocicatzin i. des siebenten Königs der Mexi-
kaner, war und, den Spaniern unterthänig. im Calpul
Teopan. dem Barrio de San Pablo von Tenochtitlaii
wohnte. Er wurde nach dem Tode Uanitzini^ im Jahre 1541 zum
Governador von Mexico ernannr und starb daselbst im Jahre 1554^). Der
Name Teuetzquiti bedeutet „der Spassmacher". „der andere lachen
macht''. Die Hieroglyphe (Abb. 111) scheint in unserer Handschrift eine
Art komischer Maske darstellen zu sollen. Anderwärts im
Sahagun-Manuskript der Academia de la Historia ist er durch
einen offenen Mund (Abb. 112), und ein Xamensvetter
von ihm. Tetlaueuetzqiiititzin, der der Königsfamilie von
Tetzcoco augehörte und ungefähr zu gleicher Zeit Gover-
nador von Tetzcoco war. durch einen offenen Mund und das
Züngelchen der Eede davor (Abb. 113) bezeichnet. Der
Kopf, hinter dem in unserer Handschrift die Hieroglyphe
verzeichnet steht, ist mit der königlichen Stirnbinde aus
Türkismosaik gezeichnet, gleich Motecuhrotna. Quaiihtemoc,
Uanitzin und Oquizfzin. Denn gleich diesen gehörte Teiietz-
qiiitizin der Köuigsfamilie von Mexico an.
Von den anderen Personen erwähne ich zunächst die im
Feld 7 (vom unteren Wege an gerechnet) neben Quauhtemoc
angegebene (Abb. 114), die in der Beischrift als Don Martin
Cortes Nermialtecolotzin angegeben wird. Der Xame ist
mir aus anderen (Quollen nicht bekannt. Der Kopf ist mit
einfach herabfallenden Haaren, ohne Häuptlingsfrisur und ohne königliche
Stirnl)inde gezeichnet. Aber oberhalb des Kopfes ist die königliche
Stirnbinde aus Türkismosaik angegeben. Das ist die aus Codex Mendoza
Abb. 112.
lion diego
tefpfz-
qttititzi)!.
Sahagun-Ms.
Academia de
la Historia.
6^
Abb. 113.
tftlarevetz-
qia'fifzöi.
Sahagun-Ms.
Academia de
la Historia.
1) Chiinalpahin p. 99.
2) Chimalpahin p. 2(,>7.
3j Chimali)ahin p. 241, 250; Sahagun-Ms. Acad. Historia.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Hmnboldt's.
217
bekannte liieroglyphischo Bezeichnung für das Amt dos tlacateccatl. Vgl.
Abb. 115, die Blatt 17 des Codex Mendoza entnommen ist. Die Hieroglyphe,
die hinter dem Kopfe angegel)en ist, entspricht genau dem Namen Ne^aual-
tecolotl, der „fastende Eule" bedeutet. Denn der hintere Theil der Hiero-
glyphe zeigt das deutlich gezeichnete (Jesicht einer Eule. Und der vordere
Theil ein aus verschiedenfarbigen Streifen geflochtenes Band, mit ab-
stehenden Enden, das ein bekanntes und allgemein verstandenes Symbol
für necaualli „Fasten" ist. Vgl. die Hieroglyphen von Negaualcoyotl „der
fastende Coyote" (Abb. 116a, b) und Necaunlpilli „der fastende Prinz" oder
„das fastende Kind" (Abb. 117a, b). Die Abbiklungen 116a, 117a sind dem
Codex 'relleriano-Homensis, die Abliil<hin"('n IKib. 1171» dem Sahao;un-
^sm
Abb. 114. tloii inj II fiorfi's
ii(r(ir<(lfocoUotziii.
Abb. 116.
Hieroglyphe
flacatfi-rnfl.
Codex
Mendoza 17.
Abb. ilGa. Hieroglyphe
Np^aKulcoijotl. Codex
Telleriano-Remensis f. 36.
(= Kings-
borough IV, 13).
Abb. 116b. Hieroglypbt
Ne^aii((lr<)i/()tl.
Sahagun-Ms.
Academia de la
Historia.
Abb. 117 a. Hieroglyphe
Ne<:ai(((lj)llli. Codex
Telleriano - Remensis
f. 36 (- Kings-
borougb IV, l3).
Abb. 117 b. Hieroglyphe
Sahagun - Ms.
Academia de la
Historia.
^fMiiuskript dei" Academia de la Historia entnonunen. Das Symbol entstammt
dem Gebrauch, zum Zwecke des Fastens sich einzuschliessen. Und wo die
l^inscliliessung nicht wirklich ausgeführt ward, wurde sie, wie es scheint,
markirt durch einen King, der aus den unten weisslich, oben grün ge-
färbten Stengeln der aztapüin oder oztopüin genannten Binsenart geflochten
wurde. Vgl. die Abb. 118, S. 218, dem Codex Borgia entnommen, die den
das Muschelliorn blasenden und den Wasserkrug auf der Schulter tragenden
Fastenden innerhalb einer aus grün und weissen Streifen geflochtenen Ein-
zäunung zeigt. in parallelen Stellen des Codex Borgia und des Codex
Yaticanus B ist ein im Kasten eingeschlossener Mensch gezeichnet, den
Dorn der Kasteiung in der einen niul den grünen acioyatl Busch in der
anderen Hand schwingend. Und an entsprechender Stelle des Codex
218
Zweiter Abschnitt: Bilderschrifteu.
Telleriano-Remeiisis und Vaticaiius A ist l^etzalcouatL dor Gott, der al>
Erfinder der Kasteiung galt, in ähnlicher Weise liewaffnet, innerhalb einer
schachtelartigeu, aus zwei Tlieilen bestehenden Einzäunung zu sehen.
Es folgt (Abi). HD) in F(dd \y
ein Kopf, der, gleich dem Motel-
chinlt des Feldes o, die lläupt-
lingsfrisur temillotl trägt. Die Bei-
sohrift nennt ihn Ananacatzin
il. h. „aus tlem Lande am Wasser,
aus dem Küstenlande" ^). Dieser
Name ist hier hieroglypliisch durch
einen von Wasser umflossenen
Kreis dargestellr. denn anauati
heisst „der King". In dem oben
mehrfach zitirten Personalregister
(Ms. Mexicain Nr. 3 Bibl. Xat.)
kommt Anauacatl als Name eines Bürgers von Almot/auacan vor und
wird daselbst durch die Abb. 120 zum Ausdruck gebracht, d. h. durch
einen Wassertrom, der vor dem Munde einer Person und nach Art de^
<t^
Abb. 118. iiiocaitaii/, der Fastende.
Codex Borgia 9. (= Kingsborough 30.)
Abb. IUI.
auacacatzin.
Abb. 120. Aiifdiacatl.
Ms. Mexicain Nr. 3. Bibliotheque
nationale.
Abb. 121.
xaxaqKdlfziii.
Abb. 122. ri(itIacJürifziit.
Abb. 123. rlfziuiratl.
Abb. 124. ra.rf<j)i,-(itl
potlaralcdtl.
Züngelchens, das die Rede bedeutet, angebracht ist. Denn ntl heisst das
Wasser und nauatl die deutliche, verständliche Rede. Wohin iiev Anauacatl
unserer Handschrift gehört, vermag ich nicht anzugeben.
1) Dass mit dem Worte Anauac das Küstenland bezeichnet wurde, und dass
es ein Unding ist, von dem „Plateau" von Anahuac zu reden, habe ich in Comptes
rendus >>. session Congres Internat. Americanistes Paris 18!>0, p. öbG, f^>^l und
10. Session. Stockholm 1894, p. 211— -244 nachgewiesen.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 21*.>
Es folgt (Abb. 121) in Feld 10 ein Kopf mit einfach Iierabfallendeni
Maar, den die Beischrift als Xaxaqualtzin bezeichnet. Xaqunloua bedeutet
„Reiben". Und diese Handlung ist in der Hieroglyphe durch zwei Hände,
die eine Art Scheuerwisch in Bewegung setzen, dargestellt.
In dem folgenden Feld 11 (Abb. \'2'1) ist wieder ein Kopf mit der
Häuptlingsfrisur temillotl gezeichnet^). Die Beischrift nennt ihn Ctiet-
lachicitzin „Wickelbärfeder'', und das ist in der Hieroglyplie durch den
Kopf eines Wickelbärs, der mit Federbällen besetzt ist, zum Ausdruck ge-
Ijracht. In den Annalen Chimalpahin's wird ein Cuetlachiuitzin ge-
nannt, der im .lahre l.')61 als Herr von Tequanipan eingesetzt ward und
im .lahre l')72 starb. Ich vermag indes nicht anzugeben, ob dieser in
unserer Handschrift gemeint ist. Ich halte es im Gegentheil für nicht
wahrscheinlich, (hi im Uebrigen keine Beziehungen unserer Handschrift
zur (legend der Chalca vorliegen.
In Feld VI folgt (Abb. 128) wieder ein Kopf mit einfach heral)fallendem
Haar. Die Beischrift nennt ihn UitznauaU und das ist in der Hieroglyphe
«lurch die abgeschnittene dornige Spitze eines Agave- Blattes (= uitztli
..Dorn") und das Züngelclien der Rede davor (= nauati „deutliche Rede")
zum Ausdruck gebracht. Der Dorn, die Spitze des Agave-Blattes, ist unter
schräger Theilung zur Hälfte roth gemacht, um ihn als mit Blut bedeckt
zu bezeichnen. Diese dornigen Spitzen des Agave-Blattes dienten bei den
religiösen Kasteiungen und, wie auf den hinteren Blättern des Codex
Mendoza reichlich zu sehen ist, auch zu Straf- und Erziehungszwecken.
Das Woi't uitztmuatl war ein Titel, der in Mexico und anderwärts mit
einer bestimmten militärischen oder staatlichen Würde
verbunden war. Wir sahen ol>en. dass Mote/chiuh diesen
Titel führte. Der Plural uitzjiaua bezeichnete eine
Klasse von Dämonen, die von Uitzilopochtli besiegt und
vernichtet wurden. Und uitznauac oder uitznauatlavipa
ist die Region des Südens.
In Feld 13 folgt (Abb. 124) gleichfalls ein Kopf mit
einfach herabfallendem Haar. Die Beischrift besagt
ua.itepecatl ■petlacdlcatl. Der erste !Name bedeutet „der
aus Ua.vtepec (aus dem Ort des uaxin^ der Acacia Abb. 12.:). Uieru-
esculenta L.)-. Uaxtepec war ein Ort im Distrikt von »^^»'^^ der Stadt
' , ! K.rtPixr. Codex
Cuernavaca. also schon in ziemlich warmem l^ande (tierra Mendoza.
templada) gelegen. Die Könige von Mexico hatten hier
iliren jardin d'acclimatation, d. h. sie Hessen hierher Bäume und Pflanzen
aus der Tierra Caliente, die ihnen interessant erschienen, verpflanzen, und
giengen hierher zur Erholung und Erlustigung. Hieroglyphisch wird der
Ort durch die Abb. 125 dargestellt, d. li. durch einen Berg und einen Baum.
J) Ein Sohn König- Tirocic's, vgl. Crönica Mexicana 82, p. ö72.
■2-20
Zweiter Abschuitt: Bilderschriften.
aus dosiseii Wii^feln die langen, knotig gegliederten (i. d. Iv. lotli gemalten)
Akazienhülsen lieriinterliängeü. Petlacalcatl lieisst „der A'er^Yalter des Matten-
liauses". Das letztere war eine Art öffentlichen Magazins, wo Matten und
andere iMnrichtungsgegenstände (die gebraucht wurden, wenn fremde fürst-
liche (»äste kamen) aufbewalirt wurden. Der petlacalcatl leitete die öffent-
lichen Arbeiten, wie uns die dem Codex Mendoza 71 entnommene Abb. 126
zeigt. Hier ist links der petlacalcatl dargestellt, mit vielen Züngelchen
vor dem !A[unde, zum Ausdrucke der Ermahnungen, die er den zur Arbeit
Kommandirten zu Theil werden lässt. In der Mitte steht der Korb und
das Arbeitsgeräth {uictli oder coauacatl). das wir oben schon kennen lernten,
und rechts kauert der weinende, zur Arbeit kommandirte Jüngling. Auf diese
Funktion des petlacalcatl bezieht sich die Hieroglyphe, die in unserer Hand-
ischrift Feld 13 (Abb. 124, S. 218) hinter dem Kopf des Mannes zu sehen ist, und
die das Bild des eben erwähnten Arbeitsgeräthes, das wir oben schon als
hieroglvphisclien Ausdruck für tläcolitli angetroffen haben, uns vor Augen
i^v^^MWa
Abb. 126. potUicdlruil mayordomo: coaiKiratl j mancebo. — Codex Mendoza 71, 11.
führt. Das erste Wort der Beischrift, uaxtepecatl^ ist in der Hieroglyphe
nicht ausgedrückt. Personen dieses Namens sind mir nicht bekannt. Es
ist auch wahrscheinlich, dass Ua.ctepecatl hier nicht als Eigenname steht,
.sondern zur Bezeichnung des Bezirks, dem der Beamte angehörte. Man
findet nämlich häufig die Gouverneure der ProA'^inzen statt mit ihren Eigen-
namen mit der Adjektivform des betreffenden Bezirks angeführt: Cuetlaw-
tecatl „der Gouverneur von Cuetlaxtlan" u. s. w. So kann auch hier uax-
tepecatl petlacalcatl einfach „der Magazinverwalter, der Verwalter des Bezirks
llaxtepec'' l)edeuten.
Zwischen Feld 13 und Feld 14 ist in unserer Handschrift der kleinere"-
Wasserstrom angegeben, der, wie ich sagte, quer über das Blatt, vom
Weg zur Rechten nach dem Wasser zur Linken führte. Dann folgt nach oben
in Feld 14 (Abb. 127) ein Kopf mit einfach herabfallendem Haar, bei dem
die Buchstaben der Beischrift zum Theil zerstört und durch einen dunklen
Fleck undeutlich gemaclit sind. Die Hieroglyphe hinter dem Kopf lehrt
aber, dass die Beischrift Itzpotoncatzin gelesen werdeu muss, d. h. „der
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexandfr von Humholdt's.
221
mit Obsidianmessern statt mit Federn beklebt ist." Denn die Hieroglyphe
zeigt ein Steinmesser (= itztli ^iesser, Obsidian) und daran geklebte Feder-
bälle (= potonqui „mit Federn beklebt"). Das Ankleben von Dannenfedern
auf das Haar und die nackte Haut gehörte zur Festtracht. So beklebten
sich die jungen Mädchen zum Fest die Arme und die Beine mit rothen
Federn. Und weil das Bekleben mit Federn Festtracht
War, so wurde auch das Opfer so geschmückt, dieses
aber, um anzudeuten, dass es zum Tode bestimmt sei,
mit weissen Federn. Insbesondere wurden die zum
Sacrificio gladiatorio bestimmten mit weisser Infusorien-
erde (ti^atl) angestrichen und mit weissen Daunenfedern
(iuitl) l)eklebt. (Vgl. Abb. 128.) Das Uebersenden von f.icati und iuitl
war deshalb Kriegserklärung. Man bestimmte den Gegner damit syml)olisch
zum Opfertod. Daher ist im Codex Telleriano-Remensis regelmässig die
Eroberung einer Stadt durch das Bild eines weiss und punktirt an-
gestrichenen und mit Federbällen beklebten Mannes dargestellt (vgl, Ab-
bildmig 121>). und im Codex 3Iendoza -i? sehen wir die Kriegserklärung
an einen uubotmässigen Kaziken in dieser Form bildlich dargestellt (Ab-
bildung 130, S. 222). Der Gesandte des Königs beklebt dem in reichen
Abb. 127.
.\bb. 128. Sacrificio gladiatorio.
Bezeichnung für tlacaxipeualizili,
Jas zweite Jahresfest der Mexi-
kaner. Codex Anbin.
Abb. 129. KUHaiitli, zum Sacrificio
gladiatorio bestimmter Gefangener.
Bezeichnet Eroberung einer Stadt.
Cod. Tell.-Rem.
Mantel auf seinem Stuhle sitzenden Kaziken das Haupt mit Federbällen
und richtet ihm die Botschaft aus. Ein anderer bringt ihm den Schild,
der ebenfalls zur Ausstaffirung des zum Sacrificio gladiatorio Bestimmten
gehörte.
Im nächsten Feld 15 (Abb. 131, S. 222) ist ein Ko])f mit einfach herab-
fallenden Haaren gezeichnet, der in der Beischrift Lceuatzin genannt
wird, ijc-tli heisst „Gesicht, Vorderseite, Gegenwart, Auge'', euatl heisst
..die Haut" und diente insbesondere auch zur Bezeichnung der aus Feder-
.)•).)
^.
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
jirbeit liergestellreii Praclitwämniser. die von den vornehmen mexikanischen
Kriesrorn üLer den Wattenpanzern ichca-uipilli. die den eigentlichen Kör])er-
.schutz darstellten. getraj;-eu wurden. In Abi». 132 habe ich ein solches
Kriegswanims aus Federarbeit wiedergegeben, das im Codex Mendoza 40. i>
als Hi(^roglyphe für die Stadt Cocouipiiecan ..wo die Leute Kriegswämmser
aus gelben Federn tragen" gebraucht ist. Ein wirkliches euaü d. h. eine ab-
gezogene Menschenhant (tlaca-euail)
trägt der Gott Xipe „der Geschun-
dene", der rotlie Gott der Yopi und
Tlapaneca. Die Hieroglyphe in
Feld 15 unserer Handschrift zeigt,
der hier angegebeneu Bedeutung
des Namens entsprechend, oben ein
Auge (= ictli) und ilarunter ein Hemd
von der Form der Abb. 132. aber
mit daranhängenden Händen, mit
einem Schnitt quer über die Brust
und ein Paar Flecken darunter.
Es ist ersichtlich, da^s diese Zeich-
nung nicht ein Federhemd, sondern
eine wirklich abgezogene Haut, wie
sie Xipe trug, darstellen soll. Die
Oeffuung quer über die Brust be-
zeichnet den Schnitt, der gemacht
wurde, um dem Opfer das Herz herauszureissen; und die Flecke sollen
Blutflecke bedeuten. Das ist noch deutlicher in der verwandten Hieroglyphe
in Feld 24 (Abb. 145 unten S. 227. wo die rotheu Flecke — Blutflecke auf
dem gelben Grunde, der die Toteufarbe der abgezogeneu Haut bezeichnet
— klar erkennbar sind.
Abb. 130, Kriegsankündigung. Codex Men-
doza 47. »lofroiitlaii, iHoqiiathin nlepachoa
ifK ticatl, i/tt ifuitl, »imitzpaiitia, iiimitz-
tfteiihf/'a. Olmos. Arte para aprender la
lengua Mexicaiia, cap. iS.
Abb. 181.
iprevatziii.
Abb. 132. Hieroglyphe
der Stadt Coeouipilecan.
Codex Mendoza 40, 9.
Abb. 133.
rorayvitzin.
Abb. 134.
i/niexayacatzi.
Auf dieses Feld folgt in Feld 16 die Abb. 111. der Kopf und die
Hierogl}-phe Don Diego de S. Francisco Teuetzquifitzi/i's. ül>er die ich oben
(Seite 216) schon gesprochen habe.
In Feld 17 ist wieder ein Kopf mit der Häui)tliugsfrisin- temillotl ge-
zeichnet (Abb. 138). Die Beischrift besagt cmia-yvitzin „Schlaugenfeder'-,
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboklt's. 223
und (las ist in der Hieroglyphe durch eine mit Federbällen besteckte Schlange
dargestellt. Der Name Coua-iuitl wird in den Annalen Chimali)iihin"s
erwähnt. C'himalpahin erzählt dort, wie nach der Uebergabe der Stadt
die oben genannten fünf Fürsten der Mexikaner gefangen nach Coipuacan
uetiihrt wurden, und fährt (hmn fort: yhuan teohua Cuauhcohuatl yhuan
('ohuayhuitl. Tecohuatzin Tetlanmecatl quintemolli „und nach dem
Priester (^uaulicouatl und nach CouaiuitL Tecouatzin, Tetlanmecatl suchte man'-.
— Es ist nicht unmöglicli, (hvss der hier genannte CouaiuitI, über den ich
indes niciits Näheres angeben kann, auch in unserer Handschrift gemeint ist.
Es folgt in Feld IS ein Kopf mit einfach herabfallendem Haar (Abb. 134),
der tler Beisc hrift nach den Namen huexayacatzin führt. Die Hieroglyphe
zeigt ein menschliches Bein, auf dessen oberen Schenkel ein Gesicht ge-
malt ist. Das ist die genaue Wiedergabe dessen, was der Name besagt.
Xayacatl heisst das (iesicht. Und ime.cayacatl ist eigentlich imea'-.vayacatl,
Aas ist durch Assimilation des Endkonsonanten des ersten Worts aus
imetz-d-ayacatl entstanden, d. h. „(Uis aus seinem (oder ihrem) Schenkel
(metz-tli) gefertigte Gesicht." Der Name bezieht sich auf eine Zärimonie,
die bei dem Besenfeste Ochpaniztli, dem Feste der Göttin Teteo innan
oder Tod, vorgenommen wurde. Bei diesem Feste war das Opfer eine
Frau, die — wie allgemein bei den Festen der Mexikaner üblich, — als
Abbihl der an dem Fest gefeierten Gottheit galt und diese in Tracht und
im Thun repräsentirte. Diese Frau wurde nachher (— (hirch Köpfen,
widirend ein Priester sie auf den Kücken nahm -) geopfert und un-
niittelliar darauf geschunden. In die abgezogene Haut kleidete sich ein
Priester, der dann weiterhin an dem Fest die Göttin repräsentirte. Aus
der Haut des Schenkels aber wurde eine Maske gefertigt, die me.rayacatl,
oder richtiger i-mea;-a;ayacatl„da,a aus ihrem Schenkel
verfertigte Gesicht'' genannt wurde. Sie wurde
zusammen mit einem sonderbaren Kopfputz ge-
tragen, dei' itztidcoliahqin „der scharfe Gekrümmte"
genannt wui-de und in dem betreffenden Sahagun-
Kapitel (Buch "J, cap. 30) genau Ijeschrieben ist.
Er galt als das Symbol der Kälte und der Ver-
härtung. Verblendung, des L'nheils und der Sünde.
Ich habe in der Abb. 135 diese Maske und diesen
Kopfaufsatz nach dem Sahagmi-Manuskrii^t der ^hh. Vdb nnranarutl.-
. ... . Sahagun-Ms. Academia
Academia de la Historia wiedergegeben, wo beide jg la Historia.
vereint als ein Kriegerabzeichen unter dem Namen
laexayacatl abgebildet sind. Die Maske vie.rayacatl und den Kopfaufsatz
itztlacoliuhqui legte der Cmteotl, der (Jott der Maispflanze — oder eigentlich
der reifen trocknen harten Maiskolben, die cintli genannt wurden — .
der Sohn <ler alten Erdnmtter Teteo innan an. und es entspann sich dann
zwischen ihm und seinem (Jefoly:e einerseits un<l dem in die Haut des
224
Zweiter Absclmitt: Bilderschriften.
Opfers gekleiileten, die Göttin repriiseiitireiideii Priester andererseits ein
Kampf, der vielleiclit die Verjaguni;- der Fröste, die der Maispflaiize
drohen, und anderer Schädlichkeiten symbolisiren sollte. Diese Schädlich-
keiten dachte man in ilen me.vayacatl gebannt. Darum wurde derselbe
nachher am Schluss des Festes von erlesenen Kriegern im Laufschritt
irgendwohin über die Grenze in feindliches Gebiet gebracht^).
In dem folgenden Feld 19 (Abb. 136) nennt die Beischrift den Namen
.npanoctzin. Das muss eigentlich xip-panoc-tzin gelesen werden, durch Assi-
milation aus xiuh-pa7ioc-izin entstanden, ähnlich wie xip-palU „color turque-
saiki" aus .viuh-palli entstanden ist. Der Name enthält demnach die Elemente
d'iuh (oder mit Artikel, xiuitl) „Türkis" und p«7io „über einen Fluss setzen"
panoc „der über einen Fluss setzt''. Beide Elemente sind in der Hiero-
Abb. 13(;.
.ripaiiortzi)!.
Abb. 1P.7.
Abb. 138.
Abb. 139.
acaqayoUzin .
Abb. 140.
fiinaqiipmptzin.
Abb. 141. Hieroglyphe
Tequemecan. Cod. Mendoza.
Abb. 142. Hieroglyphe
Azfaqiieniecan . Cod. Mendoza.
glyphe klar zum Ausdruck gelangt. XiuJi durch die Hieroglyphe des
Türkises (vgl. Abb. 51, oben S. 191). Und das über den Fluss setzen
durch den Nachen, der darunter gezeichnet zu sehen ist.
Im Feld 20 darüber (Abb. 137") ist die Beischrift durch Bruch des
Blattes wieder undeutlich geworden. Ich glaube aber deutlich Tepotzitotzin
zu lesen. Der Name enthält die Elemente tepotz-tli „Buckel" und itoa
„reden". Die Hieroglyphe zeigt daher einen menschlichen Rumpf mit
gekrümmtem Rücken und längs desselben die Züngelchen, das Zeichen
der Rede.
Im folgenden 21. Felde (Abb. 138) ist die Beischrift durch eine vor-
genommene Korrektur ebenfalls undeutlich geworden. Ich glaube yaote-
quacuiltzin zu lesen, was mit Priester Yaotl\ übersetzt werden könnte.
Denn tequacuüli war eine Bezeichnung einer bestimmten Klasse von
1) Sahagun 2, cap. 30.
4. Die inexikauischen ßilderschiifteu Alexander von Humboldt's.
225
Priestern, und Yaotl „der Krieger", war einer der Namen des Gottes
Tezeatlipoca. Eine Hieroglyphe fehlt.
Im Feld 22 darüber (Abb. 139) besagt die Beischrift aca-^ayol-tzin
«I. h. „Rohrniücke". Die Hieroglyphe zeigt das Bild des Rohrs (acatl) und
darüber eine Mücke (^.ai/olin), braun gemalt.
Im Feld 23 (Abb. 140) lesen wir Amaquemetzin^), „der ein Gewand aus
Rindenpaj)ier trägt.'' Mit quemitl „Gewand" bezeichneten die Mexikaner
eine Art Decken, in der Regel aus mehr oder minder kostbaren Federn
gefertigt, die den Idolen von vorn um den Hals gebunden wurden, daher
c d
Abb. 143 a — e. Tcpidotou. Berggöttcr.
— Sahagun-Ms. Bibl. Palacio.
von den Spaniern gewöhnlich „delantal" genannt. Und amaü ist der
Bast einer Feigenart, der im alten Mexico namentlich zum billigen Aus-
putz von Idolen viel verwendet wurde. Amaqueme „mit Gewand aus
Rindenpapier bekleidet" hiess das Idol auf dem Berge bei Amaquemecan,
im Gebiet der Chalca, der, allerdings christianisirt und Monte Sacro ge-
tauft, noch heute bei den Bewohnern aller Thäler in der Ruude in hohem
Ansehen steht, und zu dem von weither gewallfahrtet wird. Die Hiero-
glyphe in Feld 23 zeigt die in den Handschriften übliche Form des quemitl
(vgl. Abb. 141, 142 die Hieroglyphen von Tequemecan und Aztaquemecan),
1) Amaquemetzin ist Chimalpahin 1Ö6 als Sohn König 'J'i<,-oc's genannt.
Seier, Gesammelte Abbandlungen 1. X5
226
Zweiter Abschnitt: Bildorsclirifton.
aber weiss, unbemalt. nur mit ein Paar schwarzen Zeichiiimgen versehen,
die wohl als mit heissgemaohtem flüssigem Kautschuk aufgetropft zu denken
sind. Aehnliche, mit Kautschuk betropfte papierne quemitl. die auch tefeuitl
genannt wurden, spielten wenigstens beim Kultus namentlich der Berggotter
eine grosse Rolle. Mit ihnen wurden auch die kleinen Idole der Berg-
götter, die Eeatotontin, behangen, die man am TepeilhuifL dem Feste der
Berggötter anfertigte. Vgl. in Abb. 143. S. "225 die Figuren der Berge
Popoca tepetL Iztac tepetl, Matlalcuei/e u, a. aus dem Sahagun-Manuskript der
Biblioteca del Palacio und Abb. 144. eine Reihe von tefeuitl, die ein Opfer
Abb. 144. Opfer au die Berggötter.
Bilderhandschrift der Florentiner Biblioteca Nazionale. Blatt tili.
an die Berggötter darstellen. Beiläufig erwähne ich. dass der Zeichner
Kingsl)orough"s die Hieroglyphe Abb. 140. die farblos ist und farblos
sein muss. irriger "Weise gelb und rotli kolorirt hat.
In Feld 24 (Abb. 145) gibt die Beischrift den Namen eua-tlatitzin d. h.
-der die Haut verbirgt."* Als Hierogly]ihe ist ein euati, ein aus einer ab-
gezogenen Menschenhaut gefertigtes "SVams gezeichnet, ähnlich dem in der
Hieroglyphe des Feldes 15 (Abb. 131. oben S. 222). Der Xame eua-tlati-tzin
bezieht sich auf die Zärimonie, die am Schluss des TIaca.ripeuah'ztli, des
Fe.stes des Gottes Xipe. vorgenommen wurde, dass nämlich diejenigen, die
aus besonderer Devotion gegen Xipe 20 Tage lang die abgezogenen Häute
der Geopferten getragen hatten, diese in feierlicher Prozession nach einem
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 227
bestimmten Ort im Tempel Xipe's brachten. Das nannte man eua-tlati-lo
„»Ins Verbergen, Abtragen der Hänte."
Das 2.'). Feld ist leer. Im 2(). Feld endlich (Abb. 146) ist ein Kopf
gezeichnet, den die Schrift darüber Teilpitzin nennt, d. h. „der die Leute
bindet.'' Die Hieroglyphe zeigt einen in eine Schlinge zusammengebundenen
Strick, ein oline Weiteres verständliches Symbol.
Damit endet die Liste. Von bekannten Namen sind, wie wir gesehen
haben, nur wenige eingetragen. Diese aber gehören ungefähr in eine
Zeit. Es sind die sämmtlichen wirklichen Nachfolger Motecuhcomah, mit
Ausnahme des ersten, Cuitlauatzin, der aber bekanntlich nach wenigen
Wochen durch die Pocken dahingerafft wurde, und mit Ausnahme der
beiden letzten Governadore, Cecepatitzin^^, der auf Teuetzquititzin folgte,
und seines Nachfolgers Nanacacipactzin^ des letzten von
der alten königlichen Familie, der eine Art Herrscher-
amt ausgeül>t hatte. Es scheint demnach, dass bei
■ unserem Blatt es sich um Ländereieii handelte, die könig-
liches Allod waren, die aber nach Motecuh^omas Tode Abb. 145.
wohl nicht als Ganzes auf seinen Nachfolger übergiengen. hcratlatitzin.
sondern zum Theil unter andere Besitzer vertheilt
wurden.
Ich o-laube, dass diese Handschrift einen Bestandtheil
der von Boturini zusammengebrachten Sammlung bil-
dete, und in dessen Museo Indiano unter § VIII Nr. 8
beschrieben ist. Boturini gibt dort folgende Be-
schreibung: — Otro mapa en papel Indiano, donde se i)intan, al parecer
y por lo que se puede decir ahora, unas tierras solariegas de diferentes
\Senores, empezando de dicho Emperador Moteuchziima, y siguiendo ä
otros hasta los tiempos de la christiandad.
Abb. 146.
teijlpitzi)i .
III. IV.
Das sind zwei Bruchstücke einer grösseren Handschrift, die der
Sammlung des Cavaliere Boturini angehört hatte. In dem Inventar, das
nach der Verhaftung Boturin i's von der Sammlung aufgenommen wurde,
ist dieselbe in dem IV. Inventar unter der Nr. 'IQ mit folgenden Worten
beschrieben: — „Un mapa grande, papel de maguey gordo con pinturas
roscas, muy maltratado; trata de las cosas de la conquista de Cuanmanä
y otros lugares, de los espanoles, con unos rios de sangre, que indican las
batallas crueles que hubo de los indios" ^). — Boturini selbst beschreibt
1) Peüafiel. Monumentos de! arte niexicano. Texto. p. •>!.
15*
•J-J.s Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
sie in dem Catalogo ilel Museo Indiauo del Cavallero Boturini^, etwas
austuhrliclier. Er sagt daselbst >j XX, 2: — ,.Otro Mapa muy grande de
uua pieza. y maltratado a los dos lados, de papel gruesso Indiaiio. Tieiie
de largo algo mas de ocho varas, y de ancho dos varas y quarta, y trata
cou toscas Pinturas de las crueles guerras de la geutilidad entre diferentes
Piieblos, cuyos nombres son Hecatipec, Buf/atepec, Amolttpec. Nientla/i,
TzatzaquidaJi, Hueymetlan^ Coltcpec, AnÜacaltipec , Tepechälla, Xiquip)lciK
Achalalan, Zayutepec, Teconhuac, Totolhuitzöcan , Yahueyöcan. Zacatzötlah.
AJazapda. y despues de haver deraostrado con unos rios de sangre, assi
lo cruento de la guerra, como de los prisioneros sacrificados. apunta la
llegada del gran Cortes, y de los Padres de San Francisco en Quau/i-
manco". u. s. w.
Dass diese Beschreibungen auf die Handschrift gehen, von der die
NXo ni u. IV der vorliegenden Sammlung ein Paar Bruchstücke sind, geht
schon aus der allgemeinen Keiinzeichnung der Handschrift hervor und
aus dem Hinweis auf die Blutströme (rios de sangre). die in der That in
unserem Blatte sehr in die Augen fallen (was leider bei der unkolorirteu
photographischen Wiedergabe nicht so recht hervortritt). Es wird aber
klar bewiesen dadurch, dass drei von den Xameu der Ortschaften, die
Boturini nennt, in der That in den Beischriften auf unserem Blatte HI
zu lesen sind, und zwar finden sich auf unserem Blatte HI die letzten drei
der von Boturini genannten Orte, Yahuayöhca, Zacateotlah und Mazu-
pil/ah (so lese ich die Xameu). Unser Bruchstück muss also von einem
der ursprünglichen Seitenränder der Handschrift stammen. Die fehlenden
Stücke, die noch recht beträchtlich sein müssen, da zu Boturini's Zeit
das Ganze 8 Ellen in der Länge und 2^/^ Ellen in der Breite mass,
existiren anderwärts; ob vollständig, vermag ich nicht anzugeben. Das
Museo Nacional de Mexico besitzt grosse Theile derselben. Ich habe
Kopien davon im vergangenen Jahre in der mexikanischen Abtheiluug der
amerikanisch-historischen Ausstellung in Madrid gesehen. Und andere
Theile. — wie es scheint, sehr wesentliche, aus der ursprünglichen Mitte
herrührende Theile. — habe ich vor Jahren in der Biblioteca nacional in
Mexico gesehen.
Wie Boturini angibt, hatte sich in seinem Besitz noch eine zweite
verwandte Handschrift befunden, auf der u. A. die Ortsnamen Tonalxocht-
tlan, Quauhtepan, Ynenechcöyan^ Tepeyahuälco, Ohocötlan, Tlilälpan, Ameyalätx)
einerseits, und Euüvocotepec, . . . Huecoyötzi, . . . t'oyöcan^ Quetzulcohuäpan.
Tlacötlan . . . Atlan, Quimichöcan Chipetzinco, Quanüpa
Tepeyahuälco, Y.vtlakuäca, Ocotzoquahhtla andererseits vorkommen. Und
diese und die erste Handschrift waren zusammen gefunden worden, —
1) Idea de una Xueva Historia General de la America Septentrional. App.
p. 3«, 39.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Huraboldt's.
229
„enterrados en una caxa baxo las ruinas de laantigua ermita de la jurisdiccion
de Huamäntla, Provincia de .Tla^vcällan, j de alli los hice sacar", — und
er fügt hinzu: — „y solo se pueden interpretar en un todo, en ocasion que
se consulten los Manuscritos de la Historia geueral".
Diese Nachricht ist sehr wichtig, weil dadurch die Gegend, aus der
die Bruchstücke III und IV unserer Sammlung stammen, auf das Genaueste
festgestellt ist. Der in dem Inventar Cuanmana^ von Boturin i in der
Beschreibung des Blattes Quauhmmico genannte Ort ist ohne Zweifel das
Huamäntla in der Provinz Tlaxcallan am Nordostfuss des Cerro de la
Maliuche (dem in alter Zeit nach
der Göttin Matlalcuei/e genann-
ten Berge) gelegen, in dessen
Nähe Boturini die beiden
merkwürdigen Handschriften
fand. Huamäntla steht jeden-
falls für Quamantla, und das
ist durch Assimilation aus Quauh-
man-tlan entstanden. In der
That existiren noch heute in
dem Gebiet eine ganze Anzahl
der Namen, die von Boturini
als auf diesen beiden Karten
vorkommend angegeben wer-
den. Im Einzelnen kann ich
allerdings gerade die Lage der
drei Orte, deren Namen auf
unserem Bruchstück Nr. III zu
lesen sind, nicht genauer fest-
stellen. Es ist aber wohl an-
zunehmen, dass sie in derselben
Gegend sich befanden.
Was nun die Darstellungen ^^^- ^^'
auf diesen Blättern betrifft, so
sind die der ursprünglichen Mitte angehörenden Theile von den randlichen
zu unterscheiden. Den mehr nach der ursprünglichen Mitte zu gelegenen
Theilen gehört der an der linken Seite befindliche Haupttheil des Bruchstücks
Nr. III an. — "SVir sehen hier zunächst (Abb. 147), von fliegenden Speeren und
kämpfenden Kriegern eiugefasst, eine merkwürdige Figur, in der sich ein
blau gemalter, mit Strom- und Wirbelzeichnung versehener und an den
Ausläufern, wie üblich, mit Schneckengehäusen besetzter Wasserstrom und
ein in gleicher Weise gekrümmtes und am Ende ausfaserndes, aber ab-
wechselnd aus grauen, mit dunklen Häkchen und Punkten, und aus gelben,
mit rothen Häkchen und Punkten gefüllten Abschnitten zusammengesetztes
tPoatl-tlachinoUi. ,.Wasser (Speerwerfen)
und Brand". Symbol des Krieges.
230 Zweiter Absclmitt: Bilderschriften.
Band mit einander verstricken. Die abwechselnd duukelgrauen und hell-
gelben, mit schwarzen, bezw. rothen Häkchen und Punkten erfüllten
Felder bedeuten Feuer. Das ausfasernde Ende desselben Streifens, das
man in ähnlicher Weise auch an dem in den Abbildungen 148 und 150
wiedergegebenen verwandten Symbolen des Codex Telleriano-Remensis
und des Tonalamatrs, der Aubin'schen Sammlung erkennt, ist nur eine
Verkümmerung oder Degeneration einer
Schmetterlingsfigur, die, in den Farben des
Feuers (.gelb, mit blauen Spitzen) gemalt,
den tlepapalotl, den ..Feuerschmetterling",
oder tkxochtli die „Feuerblume"', d. h. die
..lodernde Flamme"" zum Ausdruck bringen
soll, und die deutlich und schön in den ent-
sprechenden Bildern des Codex Borbonicus^)
(Abb. 149, 152) zu sehen ist. Das ganze
Abb. ^48. atZ-tiachinoUi. Sym- Symbol ist nichts weiter als der bildliche
bol des Krieges. Aus dem Kopf- hieroglyphische Ausdruck für eine wohl-
schmuck der Göttin Cha„tico. bekannte Phrase, die Phrase atl tlachijwlli
Cod. Teil. -Rem. f. 21, verso , 7 7 7 • 77- i- .. i- 1 1
r= Kinesborouo-h II 28' °^^ teoatl tlachinolh, die wörtlich verstanden
werden kann als „Wasser und Brand"
( — obwohl ihre wirkliche ursprüngliche Bedeutung vermuthlich eine andere
war — ), und die allgemein im Sinne von „Krieg" gebraucht wird"). —
Dasselbe Symbol, ein wenig anders gezeichnet, sehen wir im Kopfputz
der Chantico, der Feuergöttin von Xochimilco (vgl. Abb. 148, 149). Und
wir sehen es (Abb. 150) im Kopfputz Tlauizcalpan tecutlfs, der Gottheit
des Morgensterns, der der Repräsentant der im Kriege gebliebenen
Krieger ist, und der deshalb auf Blatt 9 des TonalamaÜ der Au bin -
1) Diese Bilder, sowie die obige Bemerkung über dieselben, sind hier neu
hinzugefügt.
2) In neuerer Zeit hat Dr. Preuss aus der Thatsache, dass der tlachinolU-
Streifen, der Feuerstreifen, in eine Schmetterlingsügur endet, und dass gleichzeitig in
manchen Bildern auf diesem Sü'eifen Häkchen angegeben sind, die den Häkchen in
der Hieroglyphe der Ackererde gleichen, schliessen zu müssen geglaubt, dass der
Schmetterling ein Symbol der Erde und gleichzeitig den Mexikanern eine Hiero-
glyphe des Krieges gewesen sei. Ich glaube nicht, dass dieser Schluss richtig ist.
Nicht der Schmetterling, auch nicht der einfache tlac/iitwIli-Streifen, sondern die Ver-
bindung des Wassers und des Feuer- oder ?/üc///7io//(-Streifens war den Mexikanern
eine Hieroglyphe für Krieg. Der Schmetterhng selbst, in den Farben des Feuers
gemalt, als tlejyapalotl, ist, wie oben im Text schon gesagt, nichts anderes als eine
Parallele zu dem tlexochtU. der „Feuerblume", die ein bekannter Ausdruck für die
lodernde Flamme ist, wie auch der einfache Schmetterling überall in den
Bilderschriften als Parallele, oder als Zubehör, zu der Blume erscheint. Die Häkchen
und Punkte aber sind durchaus nichts Wesentliches in dem ^/acA/no///-Bilde und
lassen sich in anderer "Weise ebenso befriedigend erklären.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
231
Krie<»er ist, und der deshalb auf Blatt 9 des Tonaiamatl der Aubin-
( Joupirscheu Sammlung dem Fouernotte, dem Regenten der neunten,
mit ce couatl beginnenden Woche, der zugleich der (xott des Krieges ist,
gegenübergestellt ist. Ich habe seiner Zeit nachgewiesen, dass das
Tonaiamatl mit denselben Regenten und im Wesentlichen denselben oder
gleicher Vorstellung entsprungenen Symljolen in den verschiedensten
mexikanischen Bilderschriften vorhanden ist^).
So sehen wir in dem Tonaiamatl des Codex
Borbonicus als l^egenten der neunten Woche
ce couatl dieselben zwei Figuren Xiuhtecutli,
den Feuergott, und Tlauizcalpan tecutli die
(lottheit des Morgensterns. Das Symbol aber,
(bis in dem Tonaiamatl der Anbin* sehen
Sammlung der letztere im Kopfputz trägt, ist
hier in seine zwei Elemente teoatl und tla-
chinolli „Wasser" und „Brand" aufgelöst, die
(vgl. Abb. 151 und 152, S. 232) gesondert und
nebeneinander, aber in ihren Formen noch den
zuvor wiedergegebenen Symbolen ähnlich ge-
zeichnet sind. In der verwandten Stelle des
Codex Borgia dagegen haben wir wieder
dieselben zwei göttlichen Gestalten, aber das
Symbol teoatl- tlachinoUi hat die Gestalt, die
in Abb. 153, S. 233 wiedergegeben ist — ein
Wasserstrom, in dem man einen Skori)ion und fliegende Pfeile sieht,
während daneben in schräger Richtung eine Säule von Rauch und Feuer
aufsteigt. In einer anderen Parallelstelle derselben Handschrift ist nur der
Abb. 149. atJ-tlachiuoUi. Sym-
bol des Krieges. Aus dem Kopf-
schmuck der Göttin Chaiitico.
Codex Borbonicus 18.
Abb. 150. tfoatl-tlarhiiiolll. „Wasser (Speenverfen) und Brand",
d.h. „Krieg". ToucdamaU der Au bin'schen Sammlung 9.
Feuergott allein dargestellt, und das teoatl -tlachinoUi Symbol hat die in
Abb. 154, W^33 wiedergegebeue Gestalt.
Die Ki'iegei-figuren, die auf unserem Blatt rechts von dem teoatl
tlachinoUi^ dem Symbol des Krieges, gezeichnet sind, haben, gleich den
anderen Figuren des Blattes, den Körper braun, das Gesicht gelb gemalt.
1) „Ueber den Codex Borgia und die verwandten aztekischen Bilderschriften".
Zeitschrift für Ethnologie. XXI (1887) S. (17.0.) ff.; „das Tonaiamatl der Au bin'schen
Sammlung". Compte rendu VII. Session. Congres international des Americanistes.
Berlin 1888. S. 521-523.
232
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Ausserdem haben die Krieger sämmtlich eine mit rotlier Farbe gemaclite
charakteristische Gesichtsbemaliuig-, die ans einem über das Auge gehenden
Längsstreifen und zwei Qnerstreifeu besteht. Dieser Bemalung kommt
Abb. löl. tcoatl. Codex Borbonicus i).
Abb. 152. tlachinoUi. Codex Borbonicus 9.
ohne Zweifel eine bestimmte ethnische Bedeutung zu. Sie weicht wenigstens
bestimmt von der bei den mexikanischen Kriegern üblichen Bemalung ab,
die — wie wir aus Sahagun 3 App. cap. .') erfahren und im Codex
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Huniboldt's.
233
Mendoza durchgängig dargestellt sehen, — den Leib bis auf das Gesicht
schwarz färbten, und im CJesicht einzelne schwarz«^ Striche anbrachten, die
sie mit Schwefelkiespulver bestreuten — nimun m'ichio^ mitocnja niotliltzotia^
Jiapetztli ic conpotonia ininechival „y en hi cara se ponian ciertas rayas con
tinta y margagita"' ^). Dagegen finde ich die gleiche (Jesichtsbenialung
wie 1)ei den Kriegern unseres Blattes III in dem Kopf, der, einem Berge
Abb. 153. icoafl-tlachhiolU. Codex Borjiia CD (= Kingsborough 46).
aufgesetzt, im Codex Mendoza als Hieroglyphe für die Stadt Ot/mipun
..im Bezirk der Otomi"" angegeben ist (Abb. 15.3, S. 234), sowie in der
Abb. 15H (S. 234), die in dem Personalregister von üexotzinco (Ms. Mexic.
No. 3 Bibl. Nat.) einen Mann ISTamens Chicldmeca bezeichnet. Wir wissen,
dass den Namen Cldchimeca als Ehrentitid sowolil die Herrscher von
Tetzcoco^ wie namentlich ancli
die Tlaxcalteru führten. Eine /■cQfjv CZI3^^-^
gelbe und rothe Bemalung wird
zwar auch bei den Mexikanern
erwähnt, aber das ist nicht eine
mit obrigkeitlicher Bewilligung
regelmässig angelegte auszeich-
nende Benuilung — wie ich
neueren Auseinandersetzungen
gegenül)er hervorheben will, — sondern eine einmal vorgtsnomniene sym-
bolische Zärimonie. durch welche öffentlich anerkannt wurde, dass ein
Krieger allein und ohne Mithilfe anderer einen Gefangenen gemacht habe.
Diese Bemalung, die darin bestand, das.s man den Körper und die Schläfen-
gegend gelb und das ganze übrige Gesicht roth anmalte, wurde in Gegen-
Abb. 154. tcoatl-tlacliinolli. Codex Horgia lo
(= Kingsborough "iG).
1) Vgl. auch die Abbildungen von mexikanischem Kriegerputz Abb. 94 und 97
oben Seite 207 und 208.
■2U
Zweiter Abschuitt: Bilderschriften.
Abb. 155. Hiero-
glyphe der Stadt
ÖtODipati.
Codex Mendoza.
wart des Königs von den calpLcque, den Proviuziionvernenren. den Kom-
mandanten der auswärts stehenden Truppentheile dem glücklichen Krieger
angelegt, der darnach von dem König beschenkt wurde. Es ist das genau
die Bemalung, die diejenigen anlegten, die am Feste Xocotl uetzi dem
Feuergotte einen Gefangenen ins Feuer opferten, lieber die Bedeutung
dieser Bemalung, die eigentlich die der Uöttin Ciuacouatl oder Quilaztli
ist, habe ich an anderer Stelle gesprochen. („Ausland" 1891, S. 865),
worauf ich hier verweise.
Neben atl tlachinolli, den Symbolen des Krieges, sind auf unserem
Bruchstück III sechs Kriegerfiguren und die untere Hälfte eines siebeuten
zu sehen. Davon haben fünf die Kriegerhaartracht temillotl (vgl. Abb. 93,
94, 98 oben S. 207 und 209) und auf dem Blatte II dieser
Sammlung die Köpfe in dem 3. 9. 11. 17. Felde, vom
unteren Weg an gerechnet (Abb. 92, 121, 123, 133).
All diese sind mit Schild (chimalli) und dem Hand-
knittel (maquauitl) bewaffnet, der beiderseits eine Schneide
von Obsidiansplittern hat. Desgleichen haben die drei
Krieger, die auf der rechten Seite unseres Blattes ge-
zeichnet sind, die Frisur temillotl und sind mit Schild
und maquauitl bewaffnet. Nur der eine Krieger in der
linken Reihe, * und zwar der fünfte von unten, hat die
andere Haartracht, die ich oben als tzotzocolli bezeichnete,
und die die Abb. 96, 97, 99 (siehe oben S. 20S und 209) vor
Augen führen. Dieser Krieger ist nicht mit Schild und
Handknittel, sondern mit Pfeil {mitl). Bogen (tlauitolli)
und Pfeilköcher (_mi-comitl) bewaffnet. Die Verschieden-
heit der Haartracht könnte einfach auf Rangverschieden-
lieit Iteruhen. Denn die Haartracht temillotl war das
auszeichnende Abzeichen der tequiua. der grossen Kriegs-
häuptliuge. Es wäre indes nicht unmöglich, dass auch
hier eine ethnische Verschiedenheit zu Tage tritt. Das maquauitl war die
nationale Waffe der mexikanischen Stämme, d. h. der Bewohner des
Thals von Mexico, und derer, die dieselbe Sprache, w^ie jene, redeten.
Daneben wurde noch als wirksame AA^affe der mit dem Wurfbrett (atlafl)
geschleuderte Speer (tlacocktli, tlatzontectli) gebraucht. Bogen. Pfeil und
Pfeilköcher dagegen waren die Waffen der Bergstämme, der Chichivieca.
Der Name chichimecatl wird im Codex Boturini und anderwärts geradezu
durch das Bild von Pfeil und Bogen wiedergegeben (Abb. 157, 158).
Nun umfasst ja das Wort chichimecatl eine ganze Menge sehr verschiedener
und verschiedensprachiger Stämme. In der Umgebung des Hochthals von
Mexico und auch in dem Bezirk unseres Blattes, den östlich und nördlich
von Tlaxcala gelegenen (febieten, kommen von Urstämmen nur die
Otomi in Betracht. Und es scheint, dass diese eine Haartracht hatten, die
Abb. 1.56. Hiero-
glyphe chich/inecfi.
Ms. Mexicain Nr. 3.
Bibliotheque Na-
tionale.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 235
der, die ich oben als tzotzocolli bezeichnete, und die auf unserem Blatt an
der fünften Figur von unten in der linken Reihe (der zweiten Figur in unserer
Abbildung 147) zu sehen ist, etwas ähnlich ist. Die Oiomi, sagt Sahagun
(Buch 10 Cap. 29) rasirten das Haar an der Stirn und Hessen es am Hinter-
kopf sehr lang wachsen. Dieses hinten lang herabfallende Haar nennt
man piochtli. Vor den Thoren Tlaxcallan^s wurde in der That, wie wir
aus Gomara wissen, Otomi gesprochen. Der Gott der Tlaxcalteca war
nicht der das Wurf brett führende Tezcatlipoca, sondern der pfeilschiessende
Camaxtli^ der nie ohne die Tasche zu sehen ist, in der er die Feuerstein-
Pfeilspitzen mit sich führt. Und die rohere, bäurischere, aber auch
kriegerische Art, die den Tlaxkalteken nachgesagt wurde, beruht ohne
Zweifel auf stärkerer Beimischung des autochthonen chichimekischen d. h.
Otomi Element.
Die Schilde, die die auf unserem Blatt HI dargestellten Häuptlinge
in der Hand halten, sind dreierlei Art: —
Die vierte Figur von unten in der linken Reihe (die dritte Figur in
unserer Abbildung 147) hält einen Schild, dessen Fläche mit fünf im
Abb. 157. Hieroglyphe Abb. 158. Hieroglyphe chichimecatl.
chichimecatl. Codex Boturini 2.
Quincunx gestellten Federbällen geschmückt ist. Solche Schilde werden
im Sahagun -Manuskript unter dem Namen iui-teteyo ^mit einzelnen
Bällen aus Federn besetzt" aufgeführt. Ein anderer Schild, auf dessen
Fläche, im Quincunx gestellt, fünf Goldplättchen angebracht sind, wird
in entsprechender Weise unter dem Namen teocuitlateteyo aufgeführt.
Den Schild mit den im Quincunx gestellten Federbällen führt das Idol
Uitzilopochtl'i's. Vgl. das Bild desselben, das Mn Codex Telleriano-
Remensis I, 9 und Vaticanus A 71 das fünfzehnte Jahresfest, Pan-
quetzaliztli, das Fest Uitzilopochtli s bezeichnet. Der Schild Uitzilo-
pochtlzs heisst teueuelli. Er wird im Sahagun-Manuskript der Biblioteca
Laurenziana folgendermassen beschrieben: otlatl in tlachivalli, otlachimall%
nauhcan Üapotonilli quauhtlachcayotica , iuichachapanqui, moteneua teueiielli,
d. h. „aus Rohr gefertigt, an vier Stellen mit Adlerdaunen besteckt, in
zusammengeballten Massen. Er wird teueuelli genannt." Mit dem Schilde
zusammen führt üitzilopochtli vier Speere, die mit Federbällen statt mit
Steinspitzen bewehrt sind, und die tlaua^omalli^) genannt wurden. Der
Schild mit den Federbällen ist auch im Codex Mendoza regelmässig ge-
1) Veröffentlichungen Kgl. Mus. f. Völkerkunde I, S. 122.
•23(; Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
zeichnet, wo vor dem Bilde des Königs das Symbol des Krieges — Schild,
Wurfbrett und Speerbündel — dargestellt ist. Aus dem letzteren Vor-
kommen hat man geschlossen, dass dieser Schild von den mexikanischen
Königen gebraucht worden sei. Ich zweifle indes, ob dies der Fall war.
Uitzilopochtli führt diesen Schild, wie er die tlaua^ovialli (die vier mit
Federbällen statt mit Steinspitzen besetzten Speere) führt, d. h. er hat
die Waffen, die den zum Opfertod, zum Sacrificio gladiatorio. Bestimmten
in die Hand gegeben wurden (vgl. Abb. 129, oben S. 221). weil er
den Kriegertod, den Opfertod auf dem runden Stein (temalacatl) ge-
wissermassen begrifflich darstellt. Eine interessante Nachricht über diese
Waffen Uitzilopochtli' s findet sich in den Annalen des Chimalpahin. Es
heisst daselbst, dass im Jahre 1440, noch vor seiner Einsetzung in das
Herrscheramt, der alte Motecuh^oma zu den Chalca gekommen sei, um
die Fürsten von Ämaquemecan zu bitten, das otlanamitl und das teueuelli
in Bewegung zu setzen {ynic conolinique in otlanamitl in teueuelli'), damit
die Tepaneca niedergeworfen würden {inic opopoliuh in Tepanecatl^). Hier
ist teueuelli der Name des Schildes Uitzilopochtli:?,, und otlanamitl ist
eigentlich otlanammitl zu lesen. Letzteres Wort ist durch Assimilation
aus otlanauh-mitl entstanden und bedeutet „die vier Bambuspfeile". Das
Ganze ist ohne Zweifel nur eine bildliche Redensart^). Motecuhgoma
bittet einfach die Chalca um Unterstützung im Krieg gegen die Tepaneca.
Aber dass ein solcher bildlicher Ausdruck gebraucht werden konnte,
beweist, dass teueuelli allgemein den Schild des Kriegsgottes bezeichnete.
Denn der Gott der Chalca war nicht Uitzilopochtli, sondern Tezcatlipoca.
Die Schilde der anderen Krieger unseres Blattes HI zeigen zwei
Typen und zwar die beiden Schildtypen, die auch unter den in der Tribut-
liste und im Codex Mendoza abgebildeten Rüstungen entschieden über-
wiegen. Der erste, dritte und sechste (von unten) in der linken Reihe
(der erste in unserer Abbildung 147) der untere der beiden Krieger
auf der rechten Seite haben Schilde, deren Feld einen Stufenmäander
zeigt, der ohne Zweifel in Federarbeit ausgeführt zu denken ist, wie
auf den altmexikanischen Schilden des Museums vaterländischer Alter-
thünier in Stuttgart. Ein solcher Schild hiess d-icalcoliuhqui chimalli^).
Bei dem Stuttgarter Schild ist das Muster in gelb und grün ausgeführt.
Und dieselben Farben zeigen ausnahmslos auch die Schilde dieser Art in
der Tributliste. Auf unserem Blatte sind die o-ewählten Farben blau und
1) Chimalpahin VII. Relat. p. 105, 106.
2) Remi Simeon übersetzt: — „qu'ils transportassent les engins de guerre
poui- renverser les Tepaneques." Es handelt sich weder um Kriegsmaschinen,
noch würden die Chalca, wenn sie einen solchen Fetisch besessen hätten, ihn
wirklich aus den Händen gegeben haben; noch endlich heisst on-olini nach einem
anderen Orte überführen.
'6) Veröffentlichungen aus dem König!. Museum f. Völkerkunde I. S. 140, 141.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 237
roth. Der zweite Krieger von unten in der linken Reihe und der rechte
obere Krieger daneben haben einen Schild, der concav nach oben ge-
krümmte l,iuerbänder und darüber einen, darunter drei goldene Halb-
monde zeigt. Solche Schilde wurden cue.ryo chimalli genannt'). Die
(Tfundfarbe ist bei diesen Schilden in der Regel rotli. Und so auch auf
unserem Blatte. Der Krieger, der in der linken Reihe oben folgt, von
dem aber nur die untere Hälfte zu sehen ist, hat einen Schild mit ein-
farbigem rothem Feld. Von den anderen Waffen und Kleidungsstücken ist
nicht viel zu sagen.
Das maquauiü ist bei allen merkwürdiger Weise blau gemalt. Mit
blau wird in den Malereien der Mexikaner liäufig Metall (Sill)er) und in
der Regel Türkismosaik bezeichnet. Metall kann hier nicht in Frage
kommen, da man eine metallene Keule nicht mit Obsidiansplittern be-
wehren wird. Und Türkismosaik ist wohl auch nur bei besonders kost-
baren Prunkwaffen, wenn überhaupt, zur Anwendung gekommen. AVohl
aber könnten die Knittel, in Nachahmung von Türkismosaik, blau bemalt
gewesen sein. Aehnlich wie die Krieger blau bemalte hölzerne Ohrpflöcke
trugen, statt der mit Türkis inkrustirten, die der König trug").
Die Pfeile und Speere sind, wie überall in den mexikanischen Malereien,
mit Steinspitzen bewehrt gezeichnet. Die Federn am hinteren Ende sind
etwas unterhalb des Schaftendes angebracht, damit das Ende des Pfeils
der Bogensehne oder dem Pflock des Wurfbrettes aufgesetzt werden kann.
Die Federn sind en face, d. h. mit der Breitseite dem Schaft aufliegend
gezeiclmet. Das ist wohl aber nur eine Unbehilflichkeit der Zeichnung.
In Wirklichkeit müssen sie senkrecht zum Schaft gestanden haben. So
werden ja auch die Augen nie im Profil, wie sie in dem im Profil ge-
zeichneten Gesichte zu sehen sein müssten, sondern stets en face gezeichnet.
An der Basis der Feder ist regelmässig noch ein Ballen Daunenfedern
angebracht. Der Pfeilköcher, den der eine Krieger unseres Blattes trägt,
ist gelb mit schwarzen Flecken gemalt, also wohl aas Jaguarfell hergestellt
gedacht.
Sämmtliche Figuren sind nackt, bis auf das ma.rtlatl, die Schambinde,
die hier bei allen Figuren mit rother Farbe gemalt ist.
Die Krieger der linken Reihe sind im Kampfe stehend gezeichnet.
Die drei auf der rechten Seite bringen je einen Gefangenen angeschleppt,
und ein breiter Blutstrom bezeichnet die Bahn, die sie mit ihm zurück-
gelegt haben. Dem mittleren der drei gegenüber ist ein .Mensch zu
sehen, der in lebhafter Bewegung das Opfer in Empfang zu nehmen
1) Zeitschrift für Ethnologie XXIII (ls91) S. (137).
2) yuau conaquia xiuhnacochtli, uel xiuiü, auh yn cequintin (,-an quanitl yii
tiaehiualli tlaxiuhycuiloUi „und sie legen die Türkispflöcke an, die aus Türkis be-
stehen, und bei anderen nur aus Holz, das nach Art von Türkis bemalt ist."*
.Sahii^un 2, cap. 37. Ms. Bibliotheca del Palacio.
:>38
Zweiter Abschnitt: Bildorschrifton
scheint. Er trägt nur eine rothe Kappe auf dem Haupt und soll vielleicht
einen Priester bezeichnen.
Diese Darstellungen von Krieg und Gefangennahme sind auf der
rechten Seite des Blattes von einer anderen Reihe von Darstellungen
begrenzt, die zu den vorigen im rechten AYinkel stehen. Hier ist immer
— in ziemlich roher und unbehilflicher Zeichnung — die Hieroglyphe
eines Orts, und davor, auf einem Stuhle sitzend, eine Person gezeichnet,
die den Ahnherrn des an dem Orte ansässigen Geschlechts bezeichnen
muss. Die meisten dieser Personen
scheinen eine Blume in der Hand zu
halten. Wohl zum Ausdruck friedlichen
Genusses, also sicherer Herrschaft. Aehn-
lich ist der König in Codex Yati-
canus A i^G gezeichnet, in reicher Tracht,
mit dem Tabakrohr in der einen und
einem Blumenstrauss in der anderen
Hand.
Am Anfang der Reihe ist links unten
noch der Kopf einer dieser Figuren
und der Blumenstrauss, den der Be-
treffende in der Hand hält, zu sehen.
Alles übrige fehlt.
Dann folgt ein Berg mit einem stroh-
gedeckten Hause darauf, und davor sitzt
ein Mann, dessen Namen der Adlerkopf darüber (Abb. 159) angeben soll.
Die Beischrift lautet: — ni'ca yahuayohca yn toca cuitli yn toconcoL d. h.
-.hier liegt der Ort yauayohcan genannt. Cuitli (Habicht) ist der Ahnherr."
— yauayocan könnte „wo man im Kreise geht'' bedeuten. Cuitli steht
Abb. 160.
Hieroglyphen Cuixtll. Ms. Mexicain Nr. 3.
Bibliotheque nationale.
Abb. 1G2.
ohne Zweifel dialektisch für cuittli {cuii-in, cuiztlt), den Xamen eines
kleineren Raubvogels {cuixin „milano"'). Cuixtli finde ich als Personen-
namen z. B. im Personalverzeichuiss von Almoyauacan (Ms. Mexicain
No. 3 Bild, nationale) angegeben. Vgl. Abb. 160, 161.
Dann folgt ein Haus mit Steindach, und eine Person davor, über der als
Namenshieroglyphe der Kopf des Windgottes (Abb. 162) zu sehen ist. Die
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
239
Ortshieroglyplie, die über dem Hause, wie vermuthet werden muss, ur-
sprünglich vorhanden war. fehlt. Eine Beischrift ist nicht vorhanden. Ueber
den Ort können wir deshalb natürlich nichts aussagen. Die Person muss,
der Hieroglyphe nach, Efcatl geheissen haben, ein Wort, das in der That
vielfach als Personenname vorkommt. Der merkwürdigen Form halber
gebe ich in den Abb. 103, 164, Ißo drei Figuren wieder, durch welche in
dem Personalregister von Ahnoyauaran (Ms. Mexicain JS^o. 3) Personen
Namens Ecatl bezeichnet sind.
/
Abb. 1G3. Abb. 1G4. Abb. 16.j.
Hieroglyphen Eratl. Ms. Mexicain Nr. '.">. Bibliotheque Nationale.
Ks folgt nun ein Berg, mit einem in Hosafarbe geraalten Busch auf
der Spitze (Abb. 16G), davor ein Haus mit Steindach, und davor, auf dem
tepotzoicpaUi, dem strohgeflochtenen Lehnstuhl, sitzend, eine Person, deren
Namen durch einen Jaguarkopf darüber angegeben wird (Abb. 167;. Die
Beischrift besagt: — Auh nicah zacateotlah yn toconcol yn tocah ocenllotli.
„Und hier folgt Zacateotlan. Sein Ahnherr heisst OcelotU^ Boturini las
Zacatzotlah. So wie ich den Namen lese, würden darin die Worte caca-tl
Abb !(;(;.
Abb. 167.
Abb. 168.
„Gras'' teo-tl ..(Jotf und die Endsilbe thi oder tlan, die die Bedeutung
eines Lokativs hat, enthalten sein. Ocelotl ,Jaguar' ist ein häufig vor-
kommender Personenname.
Das letzte Bild in der Reihe ist wieder ein Haus mit Steindach. Aber
die Ortshieroglyphe, die darüber ursprünglich wohl vorhanden war. fehlt
Vor dem Hause ist eine Person gezeichnet, deren Name über ihr durch
das Bild eines Steinmessers (tecpatl) angegeben ist (Abb. 168). Auch hier
ist eine Beischrift vorhanden, die aber ziemlich verwischt ist. Insbesondere
ist der Ortsname nicht mehr zu entziffern. Ich lese: nica mazwp . . Ic . . yn
•)4(( Zweiter Abschnitt: Bilderschrifteu.
toca Es hat wohl hier von Botuiini angegebene Ortsname Maza-
pülah gestanden.
Die Beischriften, so wenig ^Vorte sie enthalten, sind ihrer dialektischen
Form halber bemerkenswerth. Im klassischen Aztekisch heisst nican „hier'*.
tocöcol .,unser Ahnherr" ocilötl ^der Jaguar". Der Schreiber, der in unserem
Blatte III die Bemerkungen hinzufügte, hat hinter dem kurzen a von
nican den Endnasal ausfallen lassen, er schreibt nica und JiicaJi. Und
ähnlich steht wohl auch jahuayohca und zacateotlah für yauayocon und
zacateotlan. Hinter den langen Vokalen ö und G dagegen schiebt er einen
Nasal ein. Er schreibt beide Male deutlich toconcol „unser Ahnherr" und
ocenllotl ..der Jaguar". Ich erwähne, dass auch in der Crünica mexicana
des Teco^omoc compilli für c'ipiUi und gelegentlicli auch ocenhtl ge-
schrieben ist. Ebenso finden wir im Sahagun gelegentlich Tontec für
Tötec (einen der Xamen Xipe'&j, geschrieben.
Blatt lY ist. wie ich sagte, und wie der Augenscheiu lehrt, ein Stück
derselbeu Handschrift, der auch Blatt IH augehörte. Es ist aber schwer
festzustellen, ob es irgendwo an Blatt III anzusetzen ist.
Auf Blatt IV haben wir rechts eine Kriegerfigur und Schild und
maquauitl einer zweiten. Bemaluug und Ausputz sind ähnlich, wie bei
den Kriegerfiguren des vorhergehenden Blattes. Aber der Schild hat ein
einfarbiges, rothes Feld. Xeben dem vorderen Krieger steht ein Wort,
das ich als Ehcaquiyauh lese Das quiyauh scheint ganz deutlich, aber
der andere Theil ist yielleicht zweifelhaft, ehcaquiyauh würde „Wind-
regen" bedeuten. Unter den Kriegerfigureu ist, gross gezeichnet, ein
Wasserstrom mit Wirbelzeichnuugen auf der Fläche und Schneckengehäusen
an den Auszweigungen zu sehen. Am oberen Eand zieht sich von link>
her eine Eeihe Darstellungen, die denen der rechten Seite des Blattes III
entsprechen. Doch sind keine Beischriften vorhanden. Die Häuser sind
strohgedeckt. Die Bänkchen. auf denen die Personen sitzen, alle, gleich
dem Holz der maquauitl. blau gemalt. Die erste Person von der linken
Seite scheint als Xamenshieroglyphe über dem Kopf das Bild eines sech.>-
strahligen Sterns zu tragen, gelb gemalt. Der Mann wird demnach vielleicht
Citlal geheissen haben. Ueber dem Kopf des zweiten glaube ich die
Zeichnung eines Knochens, über dem dritten die eines Dorns zu sehen.
Die Leute werden daher vielleicht Omitl und Uitz geheissen haben. Die
spitzwinklige Figur über dem Kopf der vierten Person, die ebenfalls
Xamenshieroglyphe zu sein scheint, vermag ich nicht zu deuten.
Zwischen den verschiedenen Darstellungen hindurchgehend sind auf
beiden Blättern Fussspuren gezeichnet, die einen Weg oder eine AYande-
ruug nach verschiedenen Richtungen hin angeben. Auf Blatt III geht die
untere Reihe der Spuren vou links oben nach rechts unten. Die obere
Reihe von rechts unten nach links oben. Auf Blatt lY sind in derselben
Weise zwei Wegerichtungen angegeben. Wenn wir «las Blatt so halten.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
241
wie die Figuren stehen, so gehen die Fussspuren auf der linken Seite
von oben nach unten — von dieser Reihe ist aber nur ein Fussabdruck
zu sehen — , auf der rechten Seite dagegen von unten nach oben. Die
Spuren selbst in ihrer groben Zeichnung weichen sehr von der üblichen
feinen Zeichnung ab. die wir z. B. auf den Wegen des Blattes II sahen.
Eben diese aber haben mich auf den ersten Blick erkennen lassen, dass
eine kleine Zeichnung, die ich mir vor Jaliren von einem Bruchstücke
machte, das damals in der Biblioteca Xacional in Mexico aufbewahrt
wurde, derselben grossen Handschrift angehören muss. Innerhalb einer
bogenförmigen grünen Umzäunung sind hier die vier Personen zu sehen,
die ich in Abb. 169 nach meiner damaligen Zeichnung Aviedergebe.
Abb. 1G9.
Eechts oben ein Mann mit den Würdeabzeichen der Priester, meca-cozcatl
und ie-tecomatl (vgl. oben Seite 186) bekleidet, die Gesichtsbemalung des
Feuergottes tragend, — des Gottes, der als der alte und ursprüngliche
Gott galt — und in der Hand einen Strauss und einen Speer haltend.
Ihm gegenüber eine Göttin, mit hornartig aufragendem Federbusch auf
dem Haupt, also wohl Xochiquetzal. Rechts unten ein dienender Gott
oder Priester mit einem Banner in der Hand. Und links unten ein
anderer, der Feuer erbohrt. Neben dem letzteren steht das Datum chicuey
ißzcuintli geschrieben, das den Namen dieser Person angeben muss. Neben
dem Bannerträger steht Xochitonal (?}. Neben der Hauptfigur rechts oben
steht eine andere Beischrift, die ich wohl nicht ganz richtig als nicah
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. j(j
.■)49 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
toquizyak nozche kopirt habe, die vielleicht nicah toquizfa] ijah n oztoc
^hier ist die Höhle, aus der wir stammeu'' zu lesen ist. Wie man sieht,
beo-innt diese Beischrift mit dem Worte nicah^ demselben Wort in der-
selben dialektischen Form, mit denen auf Blatt UI unserer Sammlung
die Beischriften beginnen.
Möchte der gegen w artige hochverdiente und energische Leiter des
Museo Nacional de Mexico auch den Bruchstücken dieser grossen und,
trotz ihrer ungeschickten und groben Zeichnung, interessanten Handschrift,
die im Besitz des dortigen Museums sich befinden, eine baldige Ver-
öffentlichung: zu Theil werden lassen.
V.
Ein 42 cm langes. 1572 '^'"'^ breites Stück Agave -Papier, durch Quer-
striche in zehn Abtheilungen getheilt. Der Schreiber scheint in alter
Weise (vgl. Xr. I dieser Sammlung) unten angefangen zu haben und nach
oben weiter gegargen zu sein. Denn oberhalb des obersten Strichs scheint
nichts mehr gestanden zu haben. Es ist zu bemerken, dass die Zeichnungen
mit anderer schwärzerer, beständigerer Tinte gemacht sind als die ein-
geschriebenen Namen.
Ungefähr in der Mitte des Blattes, in der sechsten Abtheilung von
unten, ist die Hieroglyphe eines Ortes angegeben. Die Beischrift glaube
ich tezontepec lesen zu müssen. Die Hieroglyphe zeigt die bekannte Form
eines Berges (tepe-tl) mit einem Baum darauf. Der Berg ist aber hier
gewissermassen in eine Reihe Vorsprünge und Klippen zerfällt, die in der
Mitte hellblaugrüu. am Rande röthlich gemalt sind, und ein von der
übrigen Kolorirung scharf sich abhebendes Band geht schräg über seine
Fläche. Das schräg verlaufende helle Band soll augen-
scheinlich an die bekannte Hieroglyphe des Steins (teil)
erinnern. Vgl. z. B. Abb. 170. die Hieroglyphe von Te-
poxauac „wo die Steine lose sind." Die abwechselnd
Abb. 170. helleren und dunkleren Partien geben in diesen Hiero-
^ Tepoxaiiac. glypheu die verschiedene Aderung des Gesteins wieder.
In unserer Hieroglyphe sind auf dem schrägen Band
sowohl, wie auf den verschiedenen Klippen und Vorsprängen des Berges,
unregelmässig verlaufende schwarze Striche angebracht. Dadurch soll, wie
ich meine, eine poröse Beschaffenheit des Gesteins angedeutet werden.
Denn te^ontli heisst „Steinschaum'\ Die Mexikaner bezeichneten (hiinit
einen porösen Stein, der im Thal von .Mexico vorkommt, und der, ähnlich dem
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. ' 243
röQiischen Travertin, seit alter Zeit als Baustein vielfache Verwendung findet.
Ein Dorf Namens Te^ontepec wird in der Pintura del Gobernador, Alcaldes
y Eegidores de Mexico, die in dem Archiv des Duque de Osuua erhalte«
ist, in der Reihe Hueypochtlan, Tequisquiac, Nestlalpan, Tecontepec, Tle-
maco u. a. als einem „comandero" unterthan aufgeführt, (Abb. 171.) Ohne
Zweifel ist das der Ort im Distrikt Tula des
Staates Hidalgo, der noch heute unter diesem
Namen bekannt ist. Der von Dr. Penafiel heraus-
gegebene Bericht über die Division Municipal de
la Repüblica Mexicana, wie sie im Jahre 1884
bestand, nennt noch ein anderes Tecontepec im -^-Ti T^nn4'Q^']::> o o
Distrikt Pachuca. Es ist natürlich nicht ohne C- /
Weiteres auszumachen, welches Tecontepec etwa Abb. 171.
hier gemeint ist. ^'^'^«'^ Osuna. fol. 36 (498).
In den anderen Abtheilungen ist links ein Mann, rechts eine Frau
gemalt. Nur in den beiden obersten Abtheilungen ist blos eine Frau an-
gegeben. Die Frau ist immer erkennbar durch die Haartracht, die aus
einem Bund im Nacken und zwei über der Stirn hornartig aufragenden
Flechten besteht. Die Namen der Personen sind darüber geschrieben,
und hinter einzelnen der Köpfe ist eine Namenshieroglyphe angegeben.
Zwischen dem Mann und der Frau sind in jeder Abtheilmig eine Anzahl
rother Punkte gemalt, die von 4 bis 8 wechseln. Sie sind in der Regel
in zwei Reihen zusammengestellt, und bei ungeraden Zahlen nimmt die
eine kleinere Zahl von Punkten enthaltende Reihe die obere Stelle ein.
Es scheint also auch hierbei der Schreiber von unten nach oben fort-
geschritten zu sein. Das Ganze ist wohl eine Art Kirchenbuch für das
Dorf Tecontepec gewesen, in dem in jeder Haushaltung Mann und Frau
mit ihren Namen und die Zahl der Kinder angegeben wurde. Das wird
bestätigt durch den Umstand, dass in den beiden obersten Abtheilungen,
wo nur eine Frau und eine Anzahl rother Punkte eingetragen sind, hinter
dem Namen der Frau der Vermerk yc. steht, das ist wohl Abkürzung von
xfcnociuatl „Wittwe''.
In der untersten Abtheilung steht über dem Kopf des Mannes lolenzo
te s. fij^ d. h. Lorenzo de San Francisco. Denn die mexikanische
Sprache kennt weder ein r, noch ein d. und dahinter steht eine Hiero-
glyphe, die zum Theil zerstört und durcli Falten des Papiers etwas ver-
deckt ist, aber doch deutlich die Zeichnung eines Rostes erkennen lässt
(vgl. Abb. 172, S. 244), also Hieroglyphe für den Namen Laurentius. Die
Frau ihm gegenüber heisst Ana. Und die Zahl der rothen Punkte ist acht.
In der zweiten Abtheilung von unten ist über dem Kopfe des Mannes
der Name antonio angegeben. Dahinter befand sich ebenfalls eine Hiero-
glyphe, die leider ganz zerstört ist. Die Frau ihm gegenüber lieisst
catharina. Die Zahl der Punkte ist acht.
16*
244
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
In der dritten Abtheilung von unten ist der Kopf, der Name und die
Hieroglyphe des Mannes durch Zerfaserung und Auseinanderzerrung des
Papiers gänzlich zerstört. Die Frau heisst Ana. Die Zahl der rothen
Punkte ist acht.
In der folgenden vierten Abtheilung ist der Name über dem Kopf
des Mannes wiederum vollkommen zerstört. Die Hieroglyphe ist durch
Faltung des Papiers verdeckt. Was ich davon erkennen konnte, habe
ich in Abb. 178 wiedergegeben. Ueber der Frau scheint wieder der Name
ana angegeben zu sein. Die Zahl der rothen Punkte ist acht.
In der fünften Abtheilung von unten glaube ich über dem Kopfe des
Mannes matheo te s. sepastian zu lesen. Die Hieroglyphe zeigt einen gelb-
braun gemalten Arm. mit einem hellblaugrün gemalten rundlichen Gegen-
stand in der Hand. Ich glaube, dass dies als Hieroglyphe für matheo
gemeint ist. Denn ma-iü heisst auf mexikanisch der Arm, die Hand.
Der Name der Frau ihm gegenüber ist mir unklar. Die Zahl der röth-
lichen Punkte ist sechs.
Abb. 172.
"V
^
Abb. 173. Abb. 174. Icnotlacafl. Abb. 175. Ioioit.
Ms. Mexicain Nr. 3. Bibliothequc Nationale.
In der sechsten Abtlieilung steht, wie ich angab, der Name und die
Hieroglyphe des Dorfes tepotitepec.
In der siebenten Abtheilung ist über dem Kopfe des Mannes nur noch
demente zu lesen. Die Hieroglyphe vermag ich nicht zu deuten. Der
Name der Frau fehlt. Rothe Punkte sind sechs angegeben.
In der achten Abtheilung von unten kann ich in der Beischrift über
dem Kopf des Mannes nur das zweite Wort deutlich erkennen. Es lautet
osolu. Die Hieroglyphe dahinter scheint einen Vogelkopf mit hoher Feder-
haube darstellen zu sollen. Das könnte sich auf diesen Namen beziehen.
Denn col-in heisst die Wachtel. Ueber dem Kopfe der Frau steht eine
ganz verblasste Beischrift, in der ich nur noch — Ana d
Key .... tz
zu entziffern vermag. Die Zahl der rothen Punkte ist vier.
Vor den Wittwen in den beiden obersten Abtheilungen sind je fünf
rothe Punkte angegeben. Die untere heisst Juana, die obere Maria.
Hinter der oberen steht eine Zeichnung, die wie ein in Holz geschnittenes
verschlungenes M. A. aussieht, und wohl den Namen Maria bezeichnen
soll. Anderwärts, z. B. in der Pintura des Herzogs von Osuna, wird der
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 245
Name Maria durch eine Krone bezeichnet. Denn Maria ist die Himmels-
königin. Hinter dem Kopf der Juana ist eine Hieroglyphe angegeben,
die in einem nach oben geschlossenen Winkel ein Auge erkennen lässt,
und darunter drei Wassertropfen. Das ist vielleicht Hieroglyphe für icno
„verwaist", „verwittwet". In den Personalregistern des Ms. Mexicain,
No. 3 der Bibliotheque nationale, wird dieser Begriff immer durch Thränen
angegeben. (Vgl. Abb. 174 Icno-tläcatl; Abb. 175 = icno-ix).
Auch dies Stück hat, meiner Ansicht nach, der Boturini'schen
Sammlung angehört. In dem Katalog von Boturini's Museo Indiano sind
in § XXI unter Nr. 10 — Siete pedazos de Mapas en papel Indiano, de
los pueblos Tezärco, Tlacoäpan, Coyofepec, y Tezonti'pec — erwähnt. Eines
dieser sieben Bruchstücke war also mit dem Namen eines Dorfes be-
zeichnet, dessen Namen und dessen Hieroglyphe wir auf unserem Blatte V
angetroffen haben. Da, wie wir sehen werden, die grosse Mehrzahl der
Bruchstücke unserer Sammlung der Boturini'schen Sammlung angehört
haben, so spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass hier keine zufällige
Uebereinstimmung obwaltet.
Ein Stück Agave-Papier, von der Grösse eines Quartblattes (20x21 cm
Seitenlänge), auf der einen Seite mit Figuren und Zeichnungen bedeckt.
Dies ist das Stück, das A. von Humboldt in den Vues des Cordilleres et
Monuments des Peuples indigenes de l'Amerique unter dem Titel „Piece
de proces en ecriture hieroglyphique" abgebildet und beschrieben
hat. Ich gebe hier in Abb. 176, S. 246 eine verkleinerte Kopie dieses
Blattes wieder.
In der Mitte des Blattes sieht man einen Grundriss von Baulichkeiten.
An der linken Seite desselben sind die Worte ciudad de Tetzcuco ein-
geschrieben. Es ist also klar, dass der Grundriss die Königsstadt dieses
Namens gegenüber Mexico am anderen Ufer des Sees darstellen soll. In
der Mitte der rechten Seite führt ein Weg hinein, oder vielmehr aus der
Mitte der Stadt heraus, wie die Stellung der Fussspuren angibt. Und
parallel der rechten Seite, nahe am Rand, ist ein dazu senkrechter Weg
angegeben, der, wie es scheint, zwei kleinere Quartiere von dem Haupt-
körper der Stadt absondert. In der Mitte des Hauptkörpers ist eine
grössere Anlage gezeichnet, die ohne Zweifel wohl den Palast darstellen
soll. Am meisten fällt ein viereckiger Raum in die Augen, in den von
rechts eine Thür hineinführt. Thürpfosten und Balken, die dem Brauch
•246
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
nach von Holz waren, sind als hölzerne durch rothe Farbe gekennzeichnet.
Ebenso gemalte, also wohl aus gleichem Material bestehende Pfeilerreihen
durchsetzen den Raum. Das entspricht genau dem. was Juan ßautista
de Pomar von dem Palast Necaualcoi/otl^s in Tetzcoco uns berichtet.
Er sagt, die Baulichkeiten hätten auf erhöhten Terrassen gestanden. Die
Haupträumlichkeiten wären ein Saal gewesen von über 20 Ellen in der
Länge und Breite. Im Innern hätten in Abständen auf steinernen Unter-
sätzen viele hölzerne Pfeiler gestanden, die ihrerseits wieder das Gebälk
getragen hätten. (Son sobre terraplenos de un estado lo (jue menos, de
Abb. 176.
cinco, ü seis el que mas. Los principales aposentos que tenian eran unas
salas de veinte brazas y raas de largo, y otras tantas en ancho. porque
eran cuadrados. v en medio dellos muchos pilares de madera de trecho ä
trecho, sobre grandes brazas de piedra, sobre las quales ponian las madres
en que cargaba la demas madera.) Auch das andere, was Pomar über
den Palast berichtet, scheint dem zu entsprechen, was wir auf unserem
Blatte gezeichnet sehen. Er sagt, der Zugang zu diesen Sälen wäre von
einem Hofe aus gewesen, dessen Boden mit einer glatten Mörtelschicht
überzogen gewesen sei, zu dem Stufen emporgeführt hätten. Und ausser
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Huniboldt's. 247
den Haupträumlichkeiten hätte es noch eine grosse Zahl von besonderen
(lebäuden gegeben, für die vornehmen Gäste, für die Weiber und das
andere zahh'eiche und verschiedenartige Hofgesinde, Küchen, abgeschlossene
Höfe u. s. w. (Abia en estas casas aposentos dedicados para los reyes de
Tacuba^ donde eran aposentados, quando ä esta ciudad venian. Tenian
aposentos para los demäs senores inferiores del rey, sin otras muchas salas
en que hacian sus audiencias y juzgados, y otras de consejos de guerra,
y otras de la rausiea y cantos ordinarios, y otras en que vivian las
nmgeres, con otros niuchos palacios y grandes cocinas y corrales.) In der
That sehen wir auch auf unserem Blatt eine Trep])e, die zu den Baulich-
keiten emporführt. Wir sehen ausser dem Hauptraum fünf kleinere stroh-
gedeckte Häuser und einen kleinen viereckigen Raum, in dem auch Pfosten,
aber kein Thürgebälk markirt ist, der also einen abgeschlossenen Hof
(corral) bezeichnen könnte. Ein paar ähnliche, aber aneinanderstossende
Höfe sind auf unserem Blatte noch ausserhalb der Hauptanlage, des
eigentlichen Palastes, in der oberen linken Ecke des Grundrisses an-
gegeben.
Kings um die Seiten des Hauptkörpers der Stadt sowohl, wie der
beiden abgesonderten Quartiere, sind eine Anzahl Ziffern eingeschrieben:
— einzelne Striche, die Einer bedeuten müssen, zu fünfen zusammen-
genommene Striche, von denen aber nie mehr als drei Bündel vorkommen,
unfl schwarze Kreise, die demnach notwendig Zwanziger bedeuten müssen,
also hier an Stelle des Fähnchens, des sonst für die Zahl 20 gebrauchten
Zeichens, stehen. Wo mehr als fünf schwarze Kreise vorhanden sind,
sind fünf durch einen Strich zusammengenommen, also die Zahl Hundert
besonders hervorgehoben. Neben den Ziffern steht, wo der Raum es zu-
lässt, die aus den mexikanischen Malereien wohlbekannte Zeichnung des
Herzens — yoUotl, d. h. eigentlich ijol-yo-tl „das Leben habende" — . Es
ist also klar, dass hier die Lebenden, die vorhandenen Seelen gezählt
werden. Zählen wir zusammen, so erhalten wir für den Hauptkörper der
Stadt, auf der rechten Seite von unten beginnend, folgende Zahlen: ^^^^t ^
5)6, 86, 148, 79, 158, 155; zusammen 7IB-^elen. ^-^ t
In dem oberen der beiden abgesonderten Quartiere ist die Zahl an der \
rechten Seite unvollständig, die Zwanziger sind zerstört. Auf den beiden
anderen Seiten haben wir, von links unten beginnend, die Zahlen:
86, 48; zusammen 134 Seelen.
Und für das untere der beiden abgesonderten Quartiere, von rechts über
links nach unten fortschreitend, die Zahlen:
84, 95, 50; zusammen 229 Seelen.
Erhöhen wir, die zerstörte Zahl ergänzend, die zweite Summe etwa auf
die Höhe der dritten, so würde die Gesammtzahl nicht ganz 1200 betragen.
Muss man annehmen, dass das die Gesammtseelenzahl von Tetzcoco war?
Ich glaube nicht. Die Bevölkerung war zwar nach der Eroberung furchtbar
lA
248 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
zurückgegangen. Wähi*end in früheren Zeiten, erzählt Lttlilxocldtl ^ das
kleinste Dorf in dem Bezirke von Tetzvoco 1100 Ilausiialtungsvorstände
und mehr gehabt hätte, wie sich aus den alten Katastern und Einwohner-
verzeichnissen ergäbe, zählten jetzt dieselben kaum 200, und einige wären
ganz und gar ausgestorben. Ich glaube indes nicht, dass in der Zeit, die
wir für das Blatt ansetzen müssen, die Einwohnerzahl der Hauptstadt bis
auf 1200 heruntergegangen war. Es wurden sicher, und gerade die an-
gezogene Stelle aus Lttlilxochitl beweist das, auf unserem Blatte nicht
die Seelen, sondern die Haushaltungsvorstände (vecinos) gezählt. Wir
würden demnach für die Zeit, wo unser Blatt geschrieben ward, auf eine
Einwohnerzahl von etwa 7000 kommen. Und das wird dem wirklichen
Zustand entsprochen haben.
Ich bemerke noch, dass die besondere Anordimng der Zahlen in diesem
Stadtplan vermuthlich der Gliederung der Einwohnerschaft in Quartiere
oder Gentes (barrio, calpulli) ihren Ursprung verdankt. Jede besondere
Zahl wird einem besonderen calpulli entsprechen, von denen wir demnach
in dem Hauptkörper der Stadt sechs, in jedem der beiden abgesonderten
Quartiere drei anzunehmen hätten.
Um den Grundriss der Stadt herum sitzen sieben Figuren, sechs
Spanier und ein Mexikaner. Die allgemeine Bedeutung des Vorganges,
der hier zur Anschauung gebracht ist, hat A. von Humboldt schon ganz
richtig erkannt und trefflich gekennzeichnet. Nur irrt er darin, dass er
den Stadtplan in der Mitte, der. wie wir gesehen haben, der der Stadt
Tetzcoco ist, als den Grundriss eines einfachen Gutshofes und als das
streitige Objekt ansieht. Er sagt (Yues des Cordilleres et Monuments des
Peuples indigenes de l'Amerique p. 56): - „Le tableau que presente la
douzieme Planche parait indiquer un proces entre des naturels et des
Espagnols. L'objet en litige est une metairie, dont on voit le dessin en
projection orthographique. On y recounoit le grand chemiu marque par
les traces des pieds; des maisons dessinees en profil; un Indien dont le
nom indique un arc; et des juges espagnols assis sur des chaises, et ayant
les lois devant leurs yeux. LEspagnol place immediatement au-dessus de
rindien, s'appelle probablemeut Aquaverde, car l'hieroglyphe de l'eau,
peint en vert, se trouve figure derriere sa tete. Les langues sont tres
iuegalement reparties dans ce tableau. Tont y annonce l'etat d'un pays
conquis: Tindigene ose ä peine defendre sa cause, tandisque les etrangers
a longues barbes y parlent beaucoup et a haute voix, comme descendans
d"un peuple conqueraut.''
Die drei Figuren auf der linken Seite des Blattes stellen in der That
zweifellos drei Richter, und zwar den Präsidenten der Audiencia und die
beiden Oydores dar. So ist das Yerhältniss dieser drei aufzufassen. Denn
der Richter in der Mitte ist durch ein reicheres Barrett vor den beiden
anderen ausgezeichnet. Die Darstellung; ist im Uebrigen ganz überein-
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt'>. 249
stimmend mit der Art, wie iu der Piiitara del Gobernador, Alcaldes y
Re.^idores de Mexico (Codex Osuna) die Oydores dargestellt sind. Der
Stuhl und der Stab ist ihr Würdezeichen. Vgl. die Abb. 177, das Bild
des doctar horozco, oydor aus Blatt 3 (465) der genannten Handschrift.
Die Papiere, die vor ihnen liegen, werden aber wohl nicht die Ge-
setze, sondern die geschriebeneu Prozessakten bedeuten sollen. Be-
nierkenswerth ist, dass absolut unverständliche Zeichen darauf angebracht,
sind. Sie geben den wirren Eindruck wieder, den die Schrift auf einen
des Lesens Unkundigen machte. Die beiden Männer, die zu Seiten
des Mexikaners sitzen, stellen seine Eideshelfer, die von ihm gestellten
Zeugen, dar. Der Spanier auf der anderen (oberen) Seite des Blattes,
der sich abwendet und viel zu erwidern hat, ist augenscheinlich der
Angeklagte, der das wider ihn Vorgebrachte in Abrede stellt. Hinter
allen Personen, mit Ausnahme des zweiten cv Ar\/«-x< /
Zeugen, standen Hieroglyphen. Leider \\ ^ nOrc/2C0
sind hinter zweien der Richter diese
/erstört.
Nach diesen Hieroglyphen ist die
eine der Personen sicher zu erkennen.
Es ist der Mexikaner. Hinter ihm ist
als Namenshieroglyphe das Bild eines
Bogens (tlauitolli) zu sehen. Ausserdem
ist ersichtlich, dass er einen hohen Rang
unter den Eingeborenen eingenommen,
dass er fürstliche Würde besessen haben
T-. • . /> j ^ j • /;• Abb.' 177. Codex Osuna. fol. :i (465).
muss. Denn er ist aui dem tepotzo-icpaln.
dem mit hoher Lehne versehenen Strohstuhl sitzend dargestellt. Nun wissen
wir in der That, dass in der Mitte des 16. Jahrhunderts Männer Namens
Tlauitol, Abkömmlinge der alten tetzkokanischeu Königsfamilie, in Tetzcoco
das Regiment ausgeübt haben. Chimalpahiu erwähnt einen, S. Antonio
Pimentel Tlauüoltzin, den er Sohn des im Jahre )5L5 verstorbenen
Königs NecaualpüU nennt — Torquemada bezeichnet ihn als Enkel
Aecaualpillts — , und der im Jahre 1540 von den Spaniern als König
[tlahtouani) von Tetzcoco- Aculhuacan eingesetzt worden und im Jahre 1564,
nach 25 jähriger Herrschaft, gestorben sei. Diese Angabe beruht aber ent-
schieden auf einem Irrthum. In einem Bericht des Sahagun-Manuskripts,
der im Jahre 2. acatl^ d. i. 1559, geschrieben ist, wird Don Antonio
Tlauitoltzin als der zwölfte König von Tetzcoco (der siebente nach Ne-
^aualpilli) genannt, und berichtet, dass er sechs Jahre regiert habe.
Und darnach wird als dreizehnter König von Tetzcoco Don hernando
pimentel genannt, mit mexikanischem Namen luian^ d. h. ^der Sanft-
müthige, Bescheidene", ein Wort, das in der Namenshieroglyphe, die das
Bild dieses Königs begleitet, durch zwei nackte Füsse wiedergegeben ist
250 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
— vielleicht ein Ausdruck des „chi va piano, va saiio". Dieser soll zur
Zeit der Niederschrift (im Jahr TI acatl = A. D. 1559) schon im fünf-
zehnten Jahre regiert haben, müsste also schon 1545 zur Regierung ge-
kommen sein. Und die sechs Jahre, während deren D. Antonio Pimentel
Tlauitoltzin regiert hätte, müssten die Jahre 1540—1545 gewesen sein.
Chimalpahin hat augenscheinlich die Regierungszeiten dieser beiden
Männer in eine zusammengezogen.
Von D. Antonio Pimentel Tlauitoltzin wissen wir aus Torque-
mada, der ihn an verschiedenen Stellen nennt, dass es ein ruhiger, ver-
ständiger Mann war, der mit besonderem Interesse sich der Sammlung
und Aufzeichnung der alten Traditionen seines Hauses und seines Volkes
widmete. Torquemada besass ein von ihm geschriebenes „Memorial",
in welchem über die alten Dinge — en estilo de Historia, al modo quo
usamos nosotros — berichtet wurde ^). Juan Bautista de Pomar be-
richtet von ihm, dass er Maulbeerbäume kultivirt und Seidenraupenzucht
betrieben habe. Noch in seiner (Po mar 's) Zeit, d. h. im Jahre 1582,
hätte es Maulbeerbäume in der Nähe von Tetzcoco gegeben, y en tiempo
antiguo la cogia (la seda) D. Antonio Tlahuitoltzin, cacique y gober-
nador que fue de esta ciudad, hijo de Nezahualpiltzintli.
Schwerer ist es, die anderen Personen unseres Blattes festzustellen.
Da Tlauitoltzin nur bis zum Jahre 1545 regierte, müsste der Vorgang,
auf den sich unser Blatt bezieht, vor diese Zeit zu setzen sein. Damals
regierte noch (vom Jahre 1534 an) der Vizekönig D. Antonio de Mendoza.
Präsident der Audiencia war bis zum Jahre 1535 der Bischof von Santo
Domingo, D. Sebastian Ramirez de Fuenleal. Und als Oydores
standen ihm zur Seite die Licenciados Juan de Salmeron, Alonso
Maldonado, Zeyuos (oder Zaynos, wie er auch geschrieben wird, nach-
malen Präsident der Audiencia) und Quiroga^). Auch die Namen der
Spanier wurden von den Mexikanern in Hieroglyphen wiedergegeben, die
oft ohne weiteres klar, oft aber auch schwer verständlich sind und gewiss
oft nicht den Namen selbst, sondern einen Spitznamen, unter dem die be-
treffende Person bei den Indianern bekannt war, wiedergeben. Bekannt
ist, dass Pedro de Alvarado bei den Indianern unter dem Namen
Tonatiuh „Sonne" gieng. Er wird daher hieroglyphisch dnrch das Bild
einer Sonne bezeichnet. Der Vizekönig Antonio de Mendoza ist im
Codex Telleriano-Remensis durch einen Speer (Abb. 178), der dritte Vize-
könig Luis de Ve las CO in der Pintura del Gobernador, Alcaldes y Regi-
dores de Mexico (Codex Osuna) durch die Abb. 179 wiedergegeben, die
aus dem Züngelchen der Rede, einem Auge und einem anderen schwer
zu deutenden Gegenstande darüber zusammengesetzt ist. Der Name
1) Moxiarquia Indiana 16, cap. 19.
2) Motolinia III, cap. ;5.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
251
Gallego wird in derselben Handschrift durch die Abb. 180, der Doctor
Vasco de Poga durch die Abb. 181 wiedergegeben. Beide sind leicht
verständlich. In Abb. 180 liaben wir die Figur einer Hauses {cal-li) und
Bohnen {e-tl) = Cal-e. Und Abb. 181 erklärt sich daraus, dass poc-tli im
Mexikanischen „der Rauch" heisst. Leicht verständlich ist auch die Hiero-
glyphe für Doctor Zorita, Abb. 182, der Kopf einer Wachtel, denn ^ol-in
heisst auf mexikanisch die Wachtel. Aber Abb. 183 = Doctor Yillanueva
Abb. 178. Vize-
könig Antonio de
Mendoza.
Cod. Tell.-Rem.
fol. 44, verso (= Kings-
boroughIV,30).
Abb. 179. Vize-
könig Luis
Velasco.
Codex Osuna.
fol. 21 (483).
de
Abb. 182. Doctor
Zonta.
Codex Osuna.
fol. 22 (484), verso.
Abb. 183. Doctor
ViUanueva.
Codex Osuna.
fol. 24 (486), verso.
Abb. 180.
Gallego. Codex
Osuna.
fol. 27 (489), veiso.
Abb. 184. Doctor
ViUalolios.
Codex Osuna.
fol. 24 (486).
Abb. 181.
Dr. ^'usco de Poga.
Codex Osuna.
fol. 23 (485). verso.
Abb
185. Doctor
Braco.
Codex Osuna.
fol. 22 (484).
Abb. 1P6. Doctor
Zei/nos.
Codex Osuna.
fol. 26 (488), verso.
Abb. 187. Fiscal
Maldonado.
Codex Osuna.
fol. 25 (487).
Abb. 188. Doctor
Horozco.
(/odex Osuna.
fol. 23 (485).
Abb. 189.
S((n Francisco.
Codex Osuna.
fol. 37 (499), verso.
und Abb. 184 = Doctor Yillalobos sind mir vorläufig Räthsel. Ebenso
Abb. 185 = Doctor Bravo. Abb. 186, die Hieroglyphe des Doctor Zeynos,
scheint eine stachliche Blattspitze darzustellen. Abb. 187, die Hieroglyphe
des Fiscal Maldonado, gibt das Bild einer hölzernen Zange und eines
rothen (glühenden?) Gegenstandes, der von ihr gefasst wird. Die Hiero-
glyphe für Doctor Horozco endlich, Abb. 188, zeigt die auffallendste
Aehnlichkeit mit der von San Francisco, Abb. 189.
252 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Die meisten der Hieroglyphen, die ich liier anführte, gehören Personen
einer späteren Zeit au, als die, in welche wir unser Blatt VI zu setzen
haben. Aus dieser früheren Zeit sind bisher leider wenig sichere Hiero-
glyphen spanischer Namen bekannt geworden. Und aus freier Hand sind
solche nicht zu deuten, wie aus den eben angeführten Beispielen ohne
Weiteres ersichtlich sein wird.
Es bleiben nun auf unserem Blatte noch die Bilder zu besprechen,
die au der linken Seite des Stadtplanes, unmittelbar vor dem Grerichts-
präsidenten zu sehen sind. Zwei davon, die lieiden mit winklig anein-
anderstossenden Strichen erfüllten, im Original bläulichgrün gezeichneten
Kreise sind klar. Sie geben das Bild von Türkisniosaik und haben daher
den Lautwerth Xtuitl, das ist Jahr (vgl. oben S. 204). Wir müssen wohl
schliessen, dass zwei Jahre zuvor dasjenige stattfand, wegen dessen hier
verhandelt wird, oder dass der Prozess zwei Jahre lang sich hinzog. Nicht
so leicht ist der andere Gegenstand zu deuten. Er sieht aus wie ein Sack
oder ein flaschenförmiges Gefäss. Oben schliesst sich, wie es scheint, ein
Stab oder eine Röhre an, und ein feiner Faden scheint daran befestigt.
Das ganze Innere ist mit rothen Wellenlinien erfüllt. Obwohl mir diese
und jene Gedanken kommen, wage ich doch nicht einer bestimmten Yer-
muthung über die Bedeutung dieses Gegenstandes Ausdruck zu geben.
Das Blatt YI scheint schon der Boturinischen Sammlung angehört
zu haben und von ihm in seinem Museo Indiano § III Nr. 7 beschrieben
zu sein. Es heisst daselbst^): — „Otro Mapa en una quartilla de papel
Indiano, donde se "ve pintada la ciudad de Tetzcoco, cou uuas cifras, que
especifican su extension en lo antiguo." Auch unser Blatt ist ja eine
Karte in Quartformat (uu mapa en una quartilla de papel Indiano), und
zeigt das Bild der Stadt Tetzcoco. Ziffern sind auch eingeschrieben, wie
wir sahen. Nur geben dieselben nicht die Ausdehnung der Stadt, wie
Boturin i hier annimmt, sondern deren Einwohnerzahl wieder.
VII.
Ein 25 cm langer und nahezu 18 cvi breiter Streifen Agave-Papier,
von unten und rechts anfangend in vier Reihen beschrieben; eine fünfte
ist nur angedeutet.
Auf der rechten Seite der Felder stehen Kreise. Einer derselben,
der in der vierten Reihe von unten (vgl. Abb. 191), ist roth gemalt und
1) I. c. p. 5.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
253
mit einer Wirbelzeichnung', einer Art Svastika, aber eines zweiarmigen,
versehen. Das soll ohne Zweifel einen Sonntag bedeuten (vgl. darüber
das unten S. 277, 278 bei Blatt XIII Gesagte). Demnach dürften auch die
Kreise am rechten Ende der unteren Felder Tage bedeuten. Und da der
Fortgang von unten nach oben ist, so müsste in dem untersten Felde
(Abb. 190) Donnerstag, in dem zweiten von unten Freitag, in dem
dritten von unten Sonnabend angegeben sein. In dem zweiten Felde,
das dem Freitag entspricht, ist die obere Hälfte des Kreises schwarz
gemalt. Das scheint verständlich. Der Freitag war der Tag der Kreuzigung-
Christi und von der Kirche gebotener Fasttag. Donnerstag und Sonnabend
sind gleich, und zwar durch einen Kreis mit einer Art Pfeil darauf, be-
zeichnet worden. Ich glaube, dass das nur eine Art Hieroglyphe für
Werktag- oder Arbeitsta«- war.
Abb. 190 und 191. Erste (unterste) und vierte Reihe des Bruchstücks VJI.
Innerhalb der untersten Reihen stehen zuerst Fische. Dann Körbe,.
aus Strohgeflecht (gelb gemalt), die augenscheinlich weicher Beschaffenheit
sind und in der ersten Reihe (Abb. 190) jeder auf einer dreifüssigen
flachen Schale stehen. Das sind vermuthlich die Körbchen, in denen die
frischgebackenen Tortillas hereingebracht wurden. Endlich folgen links
Bündel, die augenscheiidich c^catl darstellen sollen, d. h. die grünen Mais-
stengel, die seit den Zeiten der Eroberung bis auf den heutigen Tag mit
Vorliebe als Pferdefutter verwendet werden. Vgl. die Abb. 192, 193, S. 254.
Die erstere ist dem Atlas Goupil-Boban PL 27, die andere der Pintura
del Gobernador, Alcaldes y Regidores de Mexico entnommen, und
beide sind im Text als Zacati bezeichnet. In der obersten Reihe (Abb. 191),
d. h. am Sonntag-, ist statt der Fische ein Truthahn gezeichnet, der Sonutags-
braten. Zum besseren Verstäudniss der etwas flüchtigen Zeichnung habe
ich in Abb. 194, S. 254 den etwas sorgfältiger gezeichneten Kopf aus dem
Atlas Goupil-Boban PI. 27 wiedergegeben, der dort im Text ausdrücklich
als ,,g-allina de la tierra" erwähnt wird.
'254
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
üeber diesen Gegenständen nun, welche Nahrung für Mensch und
Pferd darstellen, sind verschiedene Ziffern zu sehen, — Fähnchen, die die
Zahl '20 anzeigen, und Gruppen kleiner Kreise, deren jeder einen Einer
bedeutet — und ausserdem grössere Kreise, die entweder leer sind, oder
ein oder zwei kleinere Kreise in sich schliessen.
Solche grösseren Kreise, die in den sorgfältiger gezeichneten Hand-
schriften regelmässig mit blauer Farbe gemalt sind, bedeuten Geld, Silber-
geld. Und zwar ist hier eine ganz feststehende Art der Bezeichnung zu
bemerken. Die altspanische Münze war der Peso, dieser zerfiel in 8 Reales,
Abb. 192 und 193. Zaeatl. Atlas Goupil-Boban PI. 27 und Codex Osuna f. 17.
Abb. 194. „gallina de la tierra".
Atlas Goupil-Boban PL 27.
.Abb. 195. I peso i/pan TT. tomiues.
1 Peso, 6 Eeales. — Codex Osuna 13.
/oOooi/oooLj;^^
Abb. 196. ompoliuatli jJ'-^on i/pun Vll to>iiine>> ijpuH niediu. 4U Pesos, 772 Reales.
Codex Osuna fol. 37.
auf mexikanisch tomin genannt. Die Hälfte des Real war ein Medio, und
die Hälfte dessen ein Quartillo. Den letzteren theilten die Indianer noch
einmal. Für diese kleinste Scheidemünze gibt es aber keinen spanischen
Namen, sondern nur den mexikanischen tlaco „halb". Der Peso wird in
den mexikanischen Malereien mitunter seinem Namen „Gewicht" ent-
sprechend dui'ch eine Wage dargestellt (Abb. 195), gewöhnlich dagegen
durch einen blauen Kreis mit einem Kreuz darauf, augenscheinlich nach
dem Gepräge, das in damaliger Zeit dem Silbergeld gegeben wurde
^Abb. 196). In seltenen Fällen erscheint ein anderes Gepräge. Vgl. z. B.
Die mexikanischen Rilderschrifton Alexander von Huraboldt's.
255
Abb. 197 aus Codex Osuna f. 31 (493). Die Reales oder Tomines wurden
durch einen blauen Kreis mit soviel kleinen darin eingeschriebenen Kreisen
bezeichnet, als Reales angegeben werden sollten. Und zwar wurden in
einen Kreis in der Regel nicht mehr als vier kleine Kreise eingeschrieben,
also vier Reales, gleich einem halben Peso. Nur wenn die Pesos gar
nicht besonders genannt, sondern, wie das oft geschah und, trotz der neuen
Dollar- und Centavorechnung noch heute oft geschieht, nur nach Reales
gerechnet wurde, dann finden wir
in die blauen Kreise bis acht
kleine Kreise eingeschrieben (vgl.
Abb. 198). Der Medio dagegen
wurde durch einen halbirten Real
bezeichnet (vgl. Abb. 196, 197).
So ist Abb. 195 (Codex Osuna)
im Text als 1 peso tjpan Yl tomines,
ein Peso und sechs Reales er-
läutert, und Abb. 196, derselben
Handschrift entnommen, als ompohualli pesos ypan VIT iomines ypan medio
d. h. 2 X 20 Pesos, 7 Reales und 1 Medio.
In unserem Blatt YII nun hat den höchstbezifferten Preis der Trut-
hahn (quad-olotl, guajolote) in der obersten Reihe, der mit 2 Realen an-
gesetzt ist. Alles übrige ist nur mit einem Real angesetzt. Und zwar
scheinen deshalb hier mehrfach nur die grossen Kreise gezeichnet, ohne
Abb. 197, 27 Pesos, -2'/^ Reales.
Codex Osuna fol. 31.
Abb. 198. 31 Reales oder 3 Pesos 7 Reales. — Bilderschriften der Poinsett'schen
Sammlung. (Transactions American Philosophical Society, New Series Vol. XVII. Part II).
den eingeschriebenen kleinen Kreis. Nach den hier verzeichneten Preisen
stellten sich zwei Bündel oder Lasten Zacate. 20 Tortillas und 8 Fische
auf je einen Real. Die Fische dürften daher nicht von bedeutender Grösse
gewesen sein.
Da wir also auf unserem Blatt YII Tage und innerhalb der Tage
Nahrungsmittel und Futter mit ihren Preisen angesetzt finden, so ist klar,
dass dieses Blatt eine Rechnung darstellen muss. Und das wird bewiesen
durch die Schrift, die ich, nach Ablösen des Blattes von seiner Unterlage,
auf der Kehrseite anzutreffen die Freude hatte. Es stehen nämlich daselbst
die folgenden ^Yorte:
Resebi yö niicuel mayordomo de la co-
munidad deste pueblo de misquiaguala
del senor manuel de olvera dos pesos
256
Zweiter Abschnitt: Büdcrschriften.
{|. moiito en comida desta pintura en
qiiatio de fevrero de mill y q!
y setenta y nn anos
aute mi
niigiiel de .luau de p . . .
saiic Ju9
„Ich. Miguel, Gemeindeverwalter diesenD ories Mizquiyauallan empfieng
von dem Herrn ^lanuel de Olvera zwei Pesos, den Preis für die Lebens-
mittel, die hier aufgemalt sind. Am 4. Februar des Jahres 1571.
Vor mir
Miguel de S. Juan Juan de p . . /'
(Die Unterschrift vermag icli nicht
genau zu entziffern.)
Das Dorf Müquiyauallan liegt im Distrikt
Actopan des Staates Hidalgo. Der Name
bedeutet „wo die 31ezquitebäume (die Doru-
akazien = Prosopis duleis H. B.) im Kreise
stehen". Es wird daher hieroglyphisch
durch einen bogenförmig gekrümmten
Mezquitebaum zur Anschauung gebracht.
Vgl. Abb. 199. Gelegentlich aber auch
einfach durch einen Mezquitebaum. oder
einen Berg mit einem Mezquitebaum darauf
(Abb. 200). Der Ort lag im Otomi-Gehiet
und war wohl schon zeitig den mexikanischen
Königen unterthan. In der Tributliste steht
er in der Gruppe A.iocopan zwischen den
Orten Tezcatepec und Itzmiquilpan. In der
Pintura del Gobernador, Alcaldes y Regi-
dores de Mexico (Cod. Osuna) wird er
neben diesen und anderen Orten der
gleichen Gegend aufgeführt, und zwar
stand Mizquiyauallan unter doppeltem Pa-
tronat, es war einerseits königliches Kron-
gut und hatte daneben noch einen En-
comendero. Vgl. Abb. 200 der genannten
Handschrift entnommen, wo dieses doppelte
A'erhältniss durch die Krone über der
Hieroglyphe und den Spanierkopf neben
ihr zum Ausdruck gebracht ist Der Mayor-
domo, der die oben wiedergegebene Quittung unterzeichnete, war ohne
Zweifel der der Krone verantwortliche.
.\bb. li)9 Mi:qi(ii/ai(allau.
Codex Mendoza "29. 7.
ee.
TT^T? CA lyo) y^liu- a
Abb. 200. Mizquiyauallan.
Codex Osuna f. 30.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 257
Was die Personen betrifft, so kann ich den Namen des Beamten, in
dessen Gegenwart der Akt vollzogen ward, nicht entziffern. Ich habe
unten Seite 281 in den Abb. 247 und 248 die Unterschriften des Beamten
und des quittirenden Mayordomo nach von mir gemachten Durchpausuno-en
wiedergegeben. Dem in dem Text genannten Manuel de Olvera werden
wir weiter unten noch einmal begegnen. Der Mayordomo war ohne Zweifel
ein Indianer. Familiennamen gleich diesem, von einem Heiligen (oder
einem Kirchsprengel?) entnommen, begegnen wir öfter in den Personal-
listen.
Ich mache noch darauf aufmerksam, dass die Summe zwei Pesos, die
in der Quittung angegeben ist, in der That zusammenkommt, wenn wir
die auf Blatt VII gezeichneten Kealen zusammenrechnen. Wir haben in
der untersten Reihe 5, in der zweiten 3, in der dritten 5 und in der vierten
wieder 3, zusammen 16 Reales = 2 Pesos.
Ich werde unten zu zeigen haben, dass ein zweites Blatt unserer
Sammlung, Blatt XIII, nachweislich aus demselben Dorfe stammt. Dies
letztere Blatt ist, wie wir sehen werden, aufs engste verwandt einer
der Handschriften, die aus der Sammlung des Hon. Joel R. Poinsett,
früheren Gesandten der Vereinigten Staaten in Mexico, in den Besitz
der American Philosophical Society in Philadelphia übergegangen und
in den Transactions dieser Gesellschaft (New Series, Vol. XVII, Part II
(18'J2) Article 4) veröffentlicht worden ist. Es ist nun interessant, dass
auch unser Blatt VII in einem Stück dieser Sammlung seine genaue
Parallele hat. Es ist das letzte Blatt, das von den Herausgebern als
Tribute Roll (Calendar 2) bezeichnet ist. Auch hier ist das Blatt durch
Querstriche in eine Reihe einanderfolgender Abschnitte getheilt. Rechts
ist immer ein Tag durch eine Scheibe bezeichnet, der Sonntag durch eine
rothe Scheibe mit dreiarmiger Wirbelzeichnung (Abb. 201, S. 258). Daneben
sind verschiedene Lebensmittel mit ihren Preisen aufgeführt. Nur ist die
Speisekarte etwas erweitert. Neben Truthahn (roth gemalt Abb. 202, S. 258),
Fisch (Abb. 203, S. 258), Körbchen mit Tortillas (Abb. 205, S. 258)
und Bündeln Zacate (Abb. 210, S. 258), haben wir in Abb. 206, S. 258
Körbchen, wie es scheint mit Tamales (einer Art Krapfen, mit Füllung,
die in einer Umhüllung von Maisscheidenblätter gedämpft wurden), wovon
8 zu 3 Reales angesetzt werden; in Abb. 204, S. 258 eine roth gemalte Speise,
vielleicht „enchiladas", in Fett und rother Pfeffertunke gedämpfte Tortillas,
wovon 24 zu einem Real angesetzt werden, in Abb. 209, S. 258 eine
Fanega Mais zu 3 Realen (vgl. unten Seite 280 Abb. 246); in Abb. 207,
S. 258 ein anderes billiges Nahrungsmittel, wovon 80 zu einem Real an-
gesetzt werden, das ich aber nicht näher bestimmen kann; und in Abb. 208,
S. 258 eine Art Kuchen, der eine S-förmige Zeichnung aufweist und mit
zwei Realen bewerthet ist. In S-förmiger Gestalt — xonecuüli „ge-
krümmtes Bein" genannt — backten die Alten süsse Kuchen, die an
Seier, Gesammelte Abhandlungen 1. 17
258
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
bestimmten Festen (<ler Beri^götter. der Ciuapipiltin u. a.) eine Rolle
spielten, und die als Abbilder des Blitzes betrachtet wurden. In zwei
Feldern dieser Bilderschrift der P o in sett' sehen Sammlung endlich sind
Abb. 201. ffiero-
glyphe Sonntag,
Abb. 202. Ein Abb. 203.
Truthahn. Nenn kleine Fische.
Zwei Real. Ein Real.
©
0
Abb. 204.
24 Enchüadaa (?)
Ein Real. •
Abb. 20.5.
40 Tortillas
Ein Real.
00
<:^ <P ^ r^
Abb. 2()6. Acht Körbchen voll Tamales.
Drei Real.
>
©
I
CjI)
m
Abb. 207. 80?
Ein Real.
^m
Abb. 208.
Abb. 209. EineFaneea
Abb. 210. Zwei;
Abb. 211. Spanier.
Zwei Real.
Mais. Drei Real.
Bündel Zacate,
fRichter
Ein Real.
oder Encomendero.)
Abb. 201 — 211. Bilderschriften der Poinsett'schen Sammlnng.
(Transactions American Philosophical Society. New Series. Vol. XVII. Part. II.)
noch Figuren von Spaniern geraalt (Abb. 211). Es muss als durchaus
wahrscheinlich bezeichnet werden, dass dies Blatt aus derselben Gegend
und aus der gleichen Zeit stammt, wie unser Blatt YII.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's,
259
Auch unser Blatt YII hat übrigens verniuthlich einst zur Boturini'scheu
Sammlung gehört. Der Katalog von lioturini's Museo ludiano erwähnt
im § XXI unter Nr. 1. Tros ma])as on papcl Indiano como faxas.
Tratan de los Tributes, que pagaba el puoblo de MizquiahuaUan, y en el
se ven las cifras numericas de cada cosa, que entregaban los vecinos.
VIII.
Ein 22 cm langer, 33 cm breiter Streifen Agave-Pa]>ior, am Rande und
in der Mitte durch Faltung stark mitgenommen und in der linken oberen
Ecke unvollständig. Auf der Oberseite des Blattes sind mit feiner Feder
Zeichnungen gemacht, die zum Theil farbig ausgemalt sind. Den Zeich-
i
■jffj fg ftp |^i_) I !-J_J!ÜJ___
r-^
V
.-.vTjUDUI 1 ( —
4
SD
h
jTBJTIiBTinr
1'
a
l — ^U HÜJU!"
f
9blO\l^\*^
m niTi m o
Abb. 212. Die linke Hälfte des Bruchstücks VIII, auf '/a verkleinert.
nungen nach zerfällt das Blatt in zwei Hälfton, von denen aber nur die
linke von dem Schreiber vollständig ausgeführt ist. Von der rechten
Hälfte ist nur eine Reihe oben gezeichnet, die anderen Reihen sind nur
angelegt. Die linke Hälfte des Blattes gibt die Abb. 212 wieder. An
17*
260 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
der linken Seite jeder Hälfte stehen Köpfe von Männern. Hinter ihnen
ist eine Hieroglyphe angebracht, die den Namen des betreffenden Mannes
angibt, und vor ihnen das hölzerne Werkzeug, das zur Bearbeitung der
Erde diente, uictli oder coua-uacatl genannt (vgl. oben S. '210 Abb. 102, 103).
Die Personen sind dadurch als Ackerbauer gekennzeichnet. Yor einer
jeden Person sind eine Reihe viereckig umgrenzter Felder gezeichnet, auf
deren Seiten Zahlen eingetragen sind, ähnlich denjenigen, die wir auf
Blatt YI kennen lernten. Auf den gegenüberliegenden Seiten dieser Felder
sind, soweit das erkennbar ist, und bis auf verschwindende Differenzen,
die Zahlen dieselben. Aus all diesem geht hervor, dass hier viereckig
umgrenzte Ackerstücke angegeben werden sollten. Hieroglyphen sind auf
der oberen Begrenzung und auf der Fläche derselben gezeichnet, die in
den verschiedenen Reihen sich wiederholen. In einer Anzahl Felder ist
in der rechten unteren Ecke noch, gelb gemalt, das Bild des Grases ^acatl
zu sehen (vgl. oben Abb. 61, S. 194). Und auf dem letzten Felde der
ersten Reihe in der rechten oberen Ecke das Bild eines Hauses (calli).
Desgleichen in dem ersten und zweiten Felde der dritten Reihe. Mit
dicker Feder ist endlich neben jeden Kopf der Name des betreffenden
Mannes hingeschrieben.
Dem Charakter der Zeichnung und der Bildung der Hieroglyphen nach
ähnelt das Blatt am meisten dem sogenannten Codex Vergara. Das ist
eine von Boturini in seinem Museo Indiano genannte, jetzt der Aubin-
Goupil'schen Sammlung angehörige Handschrift von (ursprünglich) 56
Blättern, die über die Yerhältnisse der Ortschaften Calcantlaxiuhcan, Topo-
titlan, Fatlachiuhcan, TeocaltiÜan und Texcalticpac Rechenschaft gibt. Es
werden erst die Familienhäupter mit ihren Nachkommen aufgeführt, und
dann von jedem Dorfe das Personalverzeichniss (tlacatlacuilolli), die von.
den einzelnen Personen beanspruchten Ländereien (milcocolli) und das,^
was bei der Regulirung den einzelnen Personen zugesprochen wurde (tlau-
elmantli), angeführt. Auf dem (ursprünglich zweiten, • jetzt) ersten Blatte
ist augenscheinlich von späterer Hand die Bemerkung „1539 marques del
valle virey" hinzugefügt. Diese Bemerkung hat aber schwerlich grössere
Bedeutung, als die auf Blatt 21 und 22 hinzugefügten, wo ein Don agustin
de Rosas sein Recht auf die Ländereien Tzilaquauhtepoztlanalla geltend
macht. Am Schluss steht der Name Pedro Yazquez de Yergara, viel-
leicht der Name eines, der die Handschrift in seinem Besitz gehabt hat.
Nach ihm wird, seit Aubiu, die Handschrift gewöhnlich zitirt.
Auf denjenigen Seiten nun dieser Handschrift, die von der A'ertheilung
der Ländereien handeln, sind genau in der gleichen Weise, wie auf
unserem Blatte YHI, die Köpfe von Personen mit ihren Hieroglyphen und
Namen aufgeführt, und daneben in Reihe die Felder, (die von ihnen be-
ansprucht, bezw. die ihnen zugesprochen wurden). Ygl. Atlas Goupil-
Boban. PI. 39, und die Abb. 213 — 215, die diesem Blatt entnommen sind.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
261
Nur stehen in dem Codex Yergara die Zahlen, die das Maass angehen,
nur an der einen Lang- und an der einen Querseite. Und Hieroglyhen
sind nur auf der Mitte der Fehler und nicht, wie auf unserem Blatt YIII,
auch an der oheren Begrenzung derselben angegeben.
ji^cx. f^x^i ^-fP.
0
• ••Qiiii
Abb. 213. Zwei Ackerstücke, von steiniger, sandiger Be-
schaffenheit, und ihr Besitzer Juan tlatohnitl. Codex Vergara.
(Atlas G 0 u p ii - B 0 b an. PI. 39.)
Abb. 215. Zwei Ackerstücke von san-
diger Beschaffenheit. Codex Vergara.
(AtlasGoupil-Boban. PI. 39.)
Abb. 214. Ackerstück von
steiniger Beschafi^enheit.
Codex Vergara. (Atlas
Goupil-Boban.Pl.39.)
^-hticoT) Wtfan.
?5
Abb. 216. Ackerstück von 20x400 Ellen
in der Flur Tetzoutitlan.
Atlas Goupil-Boban. PL 34.)
f
Abb. 217. Ackerstück von
30x1200 Ellen in der Flur
Tecontlii/acac.
(Atlas Goupil-Boban.
PI. 34.)
hji L'^yio CjiUlppOTl
ff
B=.
^
tss
Abb. 218. Ackerstück
von20xl00Elleuinder
Flui' Hucroquappan.
(AtlasGoupil-Boban.
PI. 34.)
Abb. 219, Ackerstück
von 100x140 Ellen in
der Flur Tzonipaiititlan.
(AtlasGoupil-Boban.
PI. 34.)
Es gibt nun aber noch ein anderes Blatt, auf welchem in ähnlicher
Weise, wie auf unserem Blatte YIII, zur Linken Personen und gegenüber
in Reihen die ihnen zugehörigen Felder aufgeführt sind. Das ist das
Blatt 34 des Goupil-Boban'schen Atlas. Auch hier stehen, wie im
262
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Codex Yergara, <lie Masszahleu nur an einer Lang- uml einer Querseite.
Aber, wie auf unserem Blatte VIII. sind liier auf der oberen Begrenzung-
der Felder oder neben ihnen Hieroglyphen angezeichnet. Und Bezeich-
nungen stehen daneben, aus denen ersichtlich ist. dass diese Hierogh-phen
den Namen des Feldes oder Ackers angeben. Zum Ueberfluss ist noch
häufig das Wort chinamitl ..eingehegtes Feld" oder milli „Acker** aus-
drücklich daneben geschrieben. Vgl. Abb. 216 — 219, S. 261.
Der Vergleich mit diesen Handschriften lässt, meine ich, über die
allgemeine Bedeutung unseres Blattes VHI keinen Zweifel übrig. Ich
kehre nun zur Besprechung der Einzelheiten des Blattes zurück.
Die Masszahlen, die an vier Seiten der Felder eingeschrieben sind^
sind, wie ich schon sagte, auf den beiden Gegenseiten dieselben. Ihre
Bildung und Bezeichnung ist genau die gleiche, wie die. welche wir auf
dem Plane der Stadt Tetzcoco auf Blatt VI unserer Sammlung kennen
tfa pt£.fjccrfii
Abb. 220. solarpan i/huau flajjcchca/li.
Grundstück mit Fruchtbäumen und
Haus mit flachem Dach. (Atlas G o u p i 1-
Boban. PI. 34.)
Abb. 221. xalpcnuitUli. Acker in san-
digem Erdreich, solarpan .racalli.
Grundstück und Haus mit Strohdach.
(Atlas Goupil-Boban. PI. 34.)
lernten. Wie dort sind auch hier die Zwanziger durch schwarze Punkte,
die Einer durch Striche angegeben. Immer je fünf Einer sind durch einen
Bindestrich verbunden. Und wo über fünf Zwanziger vorkommen, sind
die fünf ersten ebenfalls durch einen Strich zur Zahl Hundert vereinigt.
Die gleiche Zahlbezeichnung haben wir im Codex Yergara (Abb. 213 bis
215) und auf Blatt 34 des Goupil-Boban"schen Atlas (Abb. 216—218).
Nur sind hier in der Regel die Zwanziger durch einen schwarzen Punkt
und ein Fähnchen, die Vierhunderter durch einen schwarzen Punkt und
das wie ein Fiederblatt aussehende Zeichen, welches Symbol für tzontli
-Vierhundert" (eig. „Haar'') ist. Doch kommt auch auf diesem Blatte Be-
zeichnung der Zwanziger einfach durch schwarze Punkte vor (Abb. 219 bis
221). Auf Blatt VI unserer Sammlung wurden die Seelen gezählt. Daher
fanden wir hinter den Zahlen das Bild eines Herzens (yollotli), das den
Begriff ..Leben" (yil) oder .Seele" zum Ausdruck bringt. Auf unserem
Blatt VIII müssten wir erwarten, hinter den Zahlen das Bild irgend einer
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 263
Masseinlieit anzutreffen. Und das ist in der That der Fall. Wir finden (vgl.
Abb. 212) einmal hinter den Zahlen das Bild einer Hand. So im ersten,
zweiten und fünften Felde der dritten Reihe. In anderen Feldern aber
finden wir hinter den Zahlen ein Bild, das wie eine Pfeilspitze aussieht. So
in dem vierten Felde der obersten (vorn unvollständigen) Reihe, in dem
letzten Felde der zweiten Reihe, im fünften Felde der dritten Reihe, im
ersten und zweiten Felde der vierten Reihe. Ich habe dies Bild dem
Ansehen nach als Pfeilspitze gedeutet. Dass eine solche in der That hier
daro-estellt werden sollte, ergibt sich meiner Ansicht nach zur Evidenz
aus dem Umstände, dass in dem ersten Felde der vierten Reihe die Pfeil-
spitze, die auf der oberen Seite zu sehen ist, auf der unteren durch die
Hieroglyphe tecpatl „Feuerstein" ersetzt ist, d. h. durch das Material, aus
welchem man Pfeilspitzen fertigte.
Die Hand als Längeneinheit finden wir auch auf dem Blatt 34 des
Goupil- Bob an scheu Atlas, bei der Angabe der Ausdehnung des Ge-
höftes oder Dorfes Tzompantitlan. Vgl. Abb. 219^). Die Hand als Mass-
einheit ist verständlich. Denn ma-itl heisst nicht nur die Hand, sondern
auch der Arm, der Unterarm einschliesslich der Hand. Die Verwendung
der Hand würde daher eine Armlänge bezeichnen können, oder eine Elle.
In der That gibt das Vocabulario Molina's: cem-matl (eig. „ein Arm")
= „una braca para medir" d. h. eine Elle. Den Pfeil als Längeneinheit
habe ich sonst noch nicht gefunden. Dass er aber als solcher thatsächlich
in (rebrauch war, das beweist wieder das Vocabulario Molina's, wo wir
cem-mitl („ein Pfeil'') mit „medida desde el un codo hasta la otra mano",
(1. h. „das Mass vom Ellbogen bis zur Spitze der anderen Hand", über-
setzt finden. Das wäre also ein etwas grösseres Mass, als das vorige,
ungefähr gleich zwei Ellen. Ich halte es indes nicht für ausgeschlossen,
dass die beiden Symbole, die Hand und der Pfeil, sich auf ein und
dieselbe Masseinheit bekannter herkömmlicher Grösse beziehen.
Was nun die Hieroglyphen betrifft, so geben die, welche auf der
oberen Seite der Felder stehen, unzweifelhaft den Namen der Feldmark
an. Sie wiederholen sich in den einzelnen Reihen der einem Besitzer
angehörigen Felder, weil sie eben nicht das einzelne Feld benennen,
sondern die Gemarkung, in der es gelegen ist. Genau ebenso kehren auf
Blatt 34r des Goupil-Boban'schen Atlas über und neben den Feldern,
die in Reihe neben den verschiedenen Besitzern angegeben sind, dieselben
Feldflurnamen wieder. Auf unserem Blatte scheinen acht verschiedene
Fluren anojey-eben zu sein.
1) Beiläufig mache ich auf die interessante Form aufmerksam, die hier diese
Hieroglj'phe hat. Das Element izumpan wird hieroglyphisch in der Regel durch
das hölzerne Gerüst tzompavtli ausgedrückt, auf dem die Schädel der Geopferten
aufgereiht wurden. Hier aber durch den Baum izompnn-quaidtl = Erythrina
corallioides.
264 Zweiter Abschuitt: Bilderschriften.
1. Die erste ist in sänimtliclieii Reihen dieselbe und wird durch das
Bild eines Hauses oberhalb des Feldes bezeichnet. Das Haus ist in der
vierten Reihe mit hohem spitzen (gelb gemalten) Strohdach gezeichnet,
also nach der Art des Xacalh, das wir auf dem Bruchstücke H der
Humboldt'schen Sammlung kennen lernten, und das wir ähnlich, aber
deutlicher, und mit der Beischrift .vacalli in einer Figur des Blattes o4
des Goupil-Boban'schen Atlas abgebildet sehen (vgl. Abb. 221). Die
anderen scheinen die mit flachem Balkendach versehenen, tlapechcalli ge-
nannten Adobehäuser wiedergeben zu sollen. Tgl. Abb. 2"J0 dem Blatt 34
des Croupil-Bo bau 'scheu Atlas entnommen. Die deckende Balkenlage
ist hier durch rothe Farbe markirt, ähulich den Thürpfosten und den
Thürbalkeu, die überall aus Holz gefertigt wurden ^), also stets mit rother
(oder brauner) Farbe gemalt wurden.
2. Das zweite Feld in der dritten Reihe (die die vollständigste ist)
hat oben eine Hieroglyphe, die den Kopf eines Koyote zwischen zwei
Wasserströmen zeigt. Die Flur mag also vielleicht Coyoapan geheissen
haben. Derselbe Flurname ist ül)er dem letzten Felde der ersten Reihe an-
gegeben.
3. Das dritte Feld der dritten Reihe hat oben keine Hieroglyphe.
Hier soll vielleicht diejenige stehen, die über dem vierten Felde der
zweiten Reihe und über dem zweiten Felde der vierten Reihe und ebenso
über dem dritten Felde der Reihe auf der rechten Seite des Blattes zu
sehen ist. Diese besteht aus einer Fahne und zwei Zahnreihen. Der
Name der Flur hat also vielleicht Fantlan, Pantitlan oder Pancamac ge-
heissen. Ueber dem zweiten Felde der vierten Reihe ist neben der Fahne
noch ein Wasserstrom angegeben.
4. Die Hieroglyphe über dem vierten Felde der dritten Reihe ist
etwas verwischt. Ich glaube aber, dass diejenige Hieroglyphe augegeben
sein soll, die auch über dem vierteu Felde der ersten und dem dritten
Felde der zweiten Reihe steht und aus dem Bilde einer Hand und
einem Wasserstrora zusammengesetzt ist. Dieselbe Hieroglyphe hat wahr-
scheinlich auch über dem dritten Felde der vierten Reihe gestanden. An
der Stelle ist ein Loch und der Rand des Papiers ein wenig eingeschlagen.
Unter der Einrollung kaun man aber deutlich den Wasserstrom dieser
vierteu Hieroglyphe erkennen.
5. Das fünfte Feld der dritten Reihe hat oben eine Hieroglyphe,
die in dem, was von den anderen Reihen erhalten ist, sonst nicht vor-
kommt. Sie besteht aus einem Fruchtbaura, einem Fähnchen und einem
Wasserstroni.
6. Die Hieroglyphe über dem sechsten Feld der dritten Reihe besteht
aus dem (gelb gemalten) Symbol raca-tl „Gras" und aus einem Wasser-
1) A^gl. J. Bautista Pomar. Relacion de Tetzcoco. Ms.
4. Die mexikanischen BilSerschriften Alexander von Humboldt's. 265
ström. Es ist augenscheinlich dieselbe Hieroglyphe, wie die über dem
vierten Felde der vierten Reihe, in der aber, ausser Gras und Wasser,
noch ein Gebiss (= tlan-tli „Zahn") und ein Fähnchen Q= pan-tli) zu
sehen ist. A^ielleicht steht das Gras und der Zahn für malinalli, und es
hat die Flur Malinalapan geheissen.
7. Die siebente Hieroglyplie ist in allen vier Reihen vorhanden. Sie
steht über dem 6. Felde der ersten, dem 5. Felde der zweiten, dem 7. Felde
der dritten und dem ß. Felde der vierten Reihe. Sie zeigt einen grünen
Busch und einen Wasserstrom.
8. Auch die achte Hieroglyphe ist in allen vier Reihen vorhanden,
im 7. Felde der ersten, dem 6. Felde der zweiten, dem 8. Felde der
dritten und dem b. Felde der vierten Reihe. Sie zeigt das Bild eines Vogels.
Eine besondere Feldflur könnte auch noch über dem zweiten Felde
der Reihe auf der rechten (unvollständig ausgeführten) Seite bezeichnet
sein. Ein Fähnchen ist zu erkennen. AYas sonst etwa noch da gestanden
hat, ist verwischt.
Die Hieroglyphen über den Feldern, die, wie ziemlich sicher an-
zunehmen ist, den Namen der Feldflur geben, zeigen also eine grössere
Mannigfaltigkeit. AVir konnten acht bis neun derselben zählen. Die
Hieroglyphen auf der Fläche der Felder lassen nur drei Formen unter-
scheiden, die. wie sich gleich zeigen wird, verschiedene Qualitäten des
Erdreichs zum Ausdruck bringen müssen.
Die erste nämlich (a) zeigt die Hieroglyphe te-tl „Stein" und davon
ausgehende feine Punktirungen, die ohne Zweifel Sand (jxalli) andeuten
sollen. Tgl. Abb. "221 = xalpaji müli, d. h die Ackerflur .ralpan „im Sand"
(Atlas Goupil-Bobau. Fl. 34). Diese Hieroglyphe würde also steiniges,
sandiges Erdreich bezeichnen, was die Mexikaner mit tetlalli a-allalli be-
zeichneten.
Die zweite Hieroglyphe (b), die z. B. in dem zweiten Felde der
dritten Reihe zu sehen ist. zeigt das Bild einer 3Iaisstaude (toc-tli) mit
der (gelb gemalten) männlichen Blüthenrispe an der Spitze der Staude
und dem (roth gemalten) Fruchtkolben mit lang herabhängendem Narben-
büschel links weiter unten am Stengel. Daneben (rechts) ist ein Wasser-
strom (a-tl) und darunter eine Zahnreihe (tlan-tli). Diese drei Elemente
geben zusammen das Wort atoc-tlan d. h. „reich an a-toctli^'-, an frucht-
barer Humuserde. Vgl. Sahagun 11, cap. 12 § 3: — ä la tierra fertil
para sembrar, y donde se hace mucho lo que se siembra en ella, llaman
a-toctli, que quiere decir, tierra que el agua ha traido: — es blauca,
suelta, hueca y suave; es tierra donde se hace mucho maiz 6 trigo. — Es
wäre indes möglich, dass die Zahnreihe hier nicht die volle Silbe tlan,
sondern nur tla zum Ausdruck bringen soll, und dann könnte letzteres für
tlalli Erde stehen, so dass .wir atoc-tlalli zu lesen haben würden. Letzteres
ist mir wegen des Folgenden wahrscheinlich.
2t)6 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Die dritte Hieroglyphe (c), die z. B. im fünften Felde der dritten
Reihe zu sehen ist, zeigt oben einen Baum (quau-itl), darunter einen Topf
(com-itl) und darunter die Zahnreihe (tlan-tli); diese Elemente geben das
Wort quauh-con-tlan oder qumih-con-tlalli, und letzteres ist vielleicht in
quauhtlallL contlalli aufzulösen, quauhtlalli ist Waldboden. Sahagun sagt
(11, cap. 12 § 3): — hay otra manera de tierra fertil, donde se hace muy
bien el maiz y trigo, llamanla quauhtlalli, que quiere decir, tierra que esta
estercolada con maderos podridos, es suelta, amarilla, y hueca." — Und
contlalli ist Lehm. Sahagun sagt (11, cap. 12 § ö): — hay barro en esta
tierra para hacer loza y basijas, es muy bueno y muy pegajoso; amäsanla
con aquellos pelos de los tallos de las espadanas, y llamase tezoquitl y
contlalli: de este barro se haceu comales, escudillas, piatos, y toda manera
de loza. — Dasselbe Erdreich ist in dem vorhergehenden § 3 folgender-
massen beschrieben: — hay otra (tierra) pegajosa buena para hacer barro
de paredes, y suelos para los tlapaucos, es fertil, pues se hace bien el
maiz y trigo."
Die drei Hieroglyphen a, b, c, die in der 3Iitte der Felder gezeichnet
sind, würden demnach saudiges, steiniges Erdreich, Humusboden und
Lehmboden bezeichnen. Es ist zu bemerken, dass die Hieroglyphen auf
der oberen Seite der Felder und die in der Mitte der Felder in gewissem
gesetzmässigen Verhältniss stehen. Das heisst, die verschiedenen Feld-
fluren weisen eine bestimmte Qualität des Erdreichs auf. So hat die Feld-
flur 1. Sandboden; 2. hat Humusboden; 3. hat Sandboden; bei 4 ist in
drei Fällen Humusboden angegeben, nur in dem dritten Felde der vierten
Reihe, wenn dieses zu dieser Flur gehört, Lehmboden: die Flur 5 hat
Lehmboden; die Flur 6 wieder theils Humusboden, theils Lehmboden;
die Flur 7 hat überall Humusboden; die Flur 8 überall Lehmboden.
Auf dem letzten Blatt des Codex Vergara, dem dritten der Blätter
dieser Handschrift, die in dem Atlas Goupil-Boban wiedergegeben sind
(PI. 39), ist auf den Feldern ebenfalls die Qualität des Erdreichs an-
gegeben. Und zwar scheint es überall theils steiniges, theils sandiges
Erdreich zu sein. Ygl. Abb. 213 — 215.
Yor jeder Reihe von Feldern ist auf unserem Blatt, und ebenso auf
dem Blatt 34 des Atlas Goupil-Boban und im Codex Yergara die Person
gezeichnet, die als Eigenthümer der betreffenden Felder kundgegeben
werden soll. Diese Personen sind, wie ich sagte, nicht nur durch eine
Hieroglyphe, sondern auch durch den dazu geschriebenen Namen genau
bezeichnet. Hier ist also die Auflösung der Hieroglyphen eine verhältniss-
mässig leichte Sache. Es ist dabei zu bemerken, dass der spanische
ifame selbstverständlich ausser Betracht bleibt. Aber ausserdem sind
noch auszuscheiden ein Paar Buchstaben, die hinter dem Namen stehen,
und die augenscheinlich Abkürzung eines Nauatl -Vfoite^. sind. Hinter
dem Xamen der Personen in der zweiten und dritten Reihe lesen wir die
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
267
Silben omö\ hinter denen der Person in der vierten Reihe und der auf
der rechten Seite des Blattes die Silben aya"". Das letztere bin ich geneigt
als Abkürzung von ayamo „noch nicht" anzusehen. Und demnach müsste
das erstere wohl eine Abkürzung von omotlali „er wurde eingesetzt, be-
stätigt", oder etwas Aehnlichem sein.
Die Hieroglyphen sind von komplizirter Bildung, und die benutzten ,
Bilder kommen, ähnlich wie im Codex Yergara, nicht ihrem vollen Silben-
werth nach zur Geltung, so dass also ein gewisser Uebergang von der
alten Sinnbild- und Silbenschrift zu einer Lautschrift hervortritt.
Die erste Person, die in der zweiten Reihe, führt nach der Beischrift
den Namen Damian xotlanj. Die Hieroglyphe zeigt ein Paar Blumen,
ein Paar Zahnreihen und einen sitzenden Menschen. Die Blumen {xoch-
itl) geben die Silbe xo-, die Zahnreihen (tlan-tli) «lie Silbe tlan. Den
y^^.-
Abb. 222. Hieroglyphe iUmitl „Tag, Fest".
sitzenden Menschen halte ich für Ausdruck des omotlali „er wurde ein-
gesetzt", zu welchem, wie ich sagte, das hinter dem J^amen xotlani stehende
omö ergänzt werden muss.
Die zweite Person, die in der dritten Reihe, führt den Xamen luys
netlacahujl. Die Hieroglyphe zeigt eine Puppe, eine Zahnreihe, einen
Korb mit Tamales (gefüllten Krapfen, aus Maismasse gefertigt) und ein
tigelartiges^Gefäss. Daneben endlich noch den sitzenden Menschen wie
vorhin. Die Puppe (nenetl) liefert die Silbe ne-^ die Zahnreihe {tlcm-tli)
die Silbe tln-. Die Tamales und der Tigel, der unzweifelhaft mit Chile-
oder rother Pfeffersauce gefüllt zu denken ist, gibt die Silben cauil. Denn
nino-Üacauilia (abgeleitet von caua ,,zurückbleiben") heisst „ich behalte
etwas für mich" oder „ich halte eine Mahlzeit", netlacauüiztli „die Mahl-
zeit" (merienda). Der sitzende Mensch ist wieder als Ausdruck für das
omö- d. h. omotlali „er wurde eingesetzt" zu denken.
Die Person in der vierten Reihe heisst pedro ylhuj. Die Hieroglyphe
zeigt eine merkwürdig stylisirte, bunt (d. h. roth, bezw. gelb, mit blauem
268
Zweiter Abschnitt: Bilderschrifteu.
Diagonaltheil) gemalte Wirbelfigur, zweimal ■sviederliolt, uud eine gelbe
Feder. Hier bezeichnet die gelbe Feder wohl ein Element, das in dem
Namen, wie er dort hingeschrieben ist, nicht zum Ausdruck gelangt ist.
Yielleicht hat der Mann eigentlich iJlniitoz geheissen, denn toztli ist die
gelbe (oder künstlich gelbgefärbte) Papageienfeder. Der vordere Tlieil
besteht aus zwei Feldern, deren jedes zwei nach Art eines Svastika oder
Abb. 223. Hieroglyphe cJudchiuitl „Jadeitscheibe'"'.
eines Hakenkreuzes aneinandergelegte Züngelchen aufweist, die ohne Zweifel
ähnlich der unten S. 278 wiedergegebenen Wirbelzeichnung (Abb. 239,
240) das Wort ühui-tl d. h. „Sonnenball, Tag, Fest" zum Ausdruck bringt.
Ich habe auf diese Figur schon vor Jahren aufmerksam gemacht^), dieselbe
aber damals nicht richtig gedeutet. Sie kommt auf mexikanischen Skulp-
turen des königlichen Museums für Völkerkunde vor (Abb. 222) und zwar
Abb. 224. Hieroglj'phe von Himmels-
schildem der Maya-Handschriften.
= o -
J «.
0
-1 r
0' -o
p..o...
Abb. 225. Hieroglyphe /.•//( „Sonne", von
Himmelsschildern der Maya-Handschrifteu.
gegenüber dem Bilde des chalchiuitl, der leuchtenden glänzenden Jadeit-
perle (Abb. 223). Und auf den Himmelsschildern der Maya-Handschriften
ist neben allerhand Variationen der Sonnenhieroglyphe (Abb. 225) auch
dieses einfache Wirbelsymbol (Abb. 224) zu sehen.
Die letzte Person auf der unvollständigen rechten Seite des Blattes
wird in der Beischrift antonio totoHpilhuehue genannt, totol i-pil heisst
„das Junge des Truthahns", und das ist in der Hieroglyphe durch das
1) Zeitschrift für Ethnologie XX (1888) S. 53 und 55.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 269
Bild eines Vogels mit kurzen Flügeln zum Ausdruck gebracht. Was aber
das andere Element darunter sein soll, und welche Silbe es zum Ausdruck
bringt, ist mir nicht klar.
Aus allem, was wir auf dem Blatte YIII erkennen und festzustellen
vermochten, geht auf das klarste hervor, dass es einerseits unserem
Blatt VI und andererseits dem Blatt 34 des Atlas Goupil-Boban und
dem sogenannten Codex Vergara auf das engste verwandt ist. Für all
diese Handschriften ist in erster Linie das eigenthümliche System des
Zahlenschreibens bezeichnend, — indem die Einer durch Striche statt
durch Punkte bezeichnet und immer zu fünf und fünf zusammen genommen
sind — und ferner die komplizirte, sich einer Silben- und Lautschrift an-
nähernde Zusammensetzung der Hieroglyphen. Die gesammten Hand-
schriften dieser Art scheinen aus dem Gebiet der alten Herrschaft von
Tetzcoco zu stammen. V Und dieses landschaftliche Element, nicht die Zeit,
in der sie entstanden, scheint zur Erklärung dieser Besonderheiten heran-
gezogen werden zu müssen. Denn die Pintura del Gobernador, Alcaldes
y Regidores de Mexico (Codex Osuna), die später ist als unser Blatt ^l,
zählt mit Punkten statt mit Strichen. Wir wissen, dass Tetzcoco in alter
Zeit als die Stätte feinerer Bildung und gewisser Gelehrsamkeit galt. In
Tetzcoco fand aber auch am frühesten eine gewisse Anpassung der ein-
geborenen Elemente an Sitte und Kultur der fremden Eroberer statt. So
lange daher nicht aus unzweifelhaft alten vorspanischen Dokumenten die
gleichen Besonderheiten nachgewiesen werden, wie sie die Pteihe der
zitirten Handschriften (der Codex Vergara und die anderen) aufweisen, so
lange bin ich immer noch geneigt, diese Entwickelung in die spanische
Zeit zu verlegen. Die hervorragende Wichtigkeit, die Aubin und andere
gerade diesen Dokumenten beilegten, kann ich deshalb denselben nicht
zuerkennen.
IX. -XII.
Diese vier Blätter sind gleichen Charakters. IX und X (vgl. Abb. -226
und 227, S. 270) haben offenbar vormals einen Streifen gebildet, und ebenso
XI und XII (vgl. Abb. 233 und 234, S. 274). X und XII haben oben scharfe
Schnittlinien und bei XII geht der Schnitt gerade längs eines Querstriches,
von welchem Theile an Blatt XI unten zu sehen sind. Die Streifen haben alle
die gleiche Breite von etwa 1 7 cm. IX und X zusammen geben eine Länge
von 98 <;»?, das wäre also die des ersten Streifens. XI und XII zusammen
14672 <^^^ füi' ^len zweiten Streifen. Der erste Streifen ist oben länger
gewesen, dort sind noch Spuren von Zeichnungen bemerkbar. Der zweite
270
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
ooooc .
oooooo
DGGDDD
UUUUU
^^^^
oooc
oooc
oooooo
GDDGDQ
II
II
ooo
oooo
Abb. 226. Bruchstück IXder Alexander
von Humboldt' sehen Sammlung, auf
ein Drittel verkleinert.
Al)b. 227. Bruchstück X der Alexander
von Humbold tischen Sammlung, auf
ein Drittel verkleinert.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 271
Streifen erscheint unten scharf abgeschnitten, ausserdem ist dort mit der
Scheere eine Ecke herausoeschnitteu. Auch dieser Streifen ist also ver-
muthlich länger gewesen. Die Zeichnungen sind mit Tinte und dicker
Feder gemacht und ähneln entschieden den Darstellungen auf Blatt XV
und etwas auch den Darstellungen kirchliclien Inhalts auf Blatt XYI. Als
Farben sind karminroth und gelb, und bei der Steinmauer auf Blatt XII
(Abb. 284) auch eine schwärzliche Tintenfarbe verwandt. Karminroth sind
die Kreise und die Vierecke in der obersten Abtheilung von Blatt IX
(Abb. 22G) gemalt. Ferner die Bündel, die die drei Reihen Indianer in
der oberen Abtheilung von Blatt XI (Abb. 233) auf dem Rücken tragen;
die Querreihen darüber, die Querreihe darunter und Hut, Rock und Fuss-
bekleidung des Spaniers; endlich die Axt des Zimmermannes auf Blatt X
(Abb. 227). Alles Uebrige, was farbig ist, ist gelb gemalt.
Was nun den allgemeinen Charakter dieser Handschrift^) angeht, so
handelt es sich augenscheinlich auch um Rechnungen, oder vielleicht
auch — worauf die Figur des Spaniers auf dem Bruchstücke XI (Abb. 233)
hinzudeuten scheint, der ein Paar Indianer an Stricken nach sich zieht —
um eine Klageschrift nach Art der „Pintura del Gobernador, Alcaldes
y Regidores de Mexico", die in dem Archiv des Duque de Osuna auf-
gefunden worden ist.
Die Blätter IX und X (Abb. 226 und 227) sind vermuthlich eine
Spezialrechnung über Lieferung von Holz und Steinen. Steine sind in
der untersten Abtheilung von Blatt IX (Abb. 226) gezeichnet. Mit der
Zahl sieben, die daneben zu sehen ist, sind vielleicht sieben Lasten Steine
gemeint. Alles übrige scheint sich auf Holzlieferung und Zimmermanns-
arbeit zu beziehen. Und den Zimmermann (tlaxinqui) sehen wir ja auch
au der rechten Seite von Blatt X (Abb. 227) mit seiner Axt (Jlad-imal-
tepoztli) dargestellt, und vor ihm eine grosse Zahl: — 5x400 = 2000 — ,
offenbar die Gesammtsumme der Lieferungen, die er einklagt. Auch in
der „Pintura del Gobernador, Alcaldes y Regidores
de Mexico" werden die Zimmerleute („carpinteros")
durch das Bild einer Axt (Abb. 228) bezeichnet. Die
mit karminrother Farbe gemalten Kreise und Recht-
ecke in der obersten Abtheiluno' von Blatt IX (Abb. 226) ,,, ^^o
^ ^ Abb. 228. „carpinteros".
und die ähnlichen, aber mit gelber Farbe gemalten Codex Osuna f. 28, verso.
Figuren in der mittleren Abtheilung von Blatt X
(Abb. 227) könnten Tischplatten, vielleicht auch Holzblöcke, darstellen
sollen. Die langen, ebenfalls mit gelber Farbe gemalten Stücke in
der oberen Abtheilung von Blatt X (Abb. 227), denen ähnliche, aber
an einem Ende mit einem Loch versehene Stücke in der oberen Ab-
1) Das hier Folgende ist neu geschrieben. In meiner ersten Arbeit habe ich
wesenthche Punkte bei diesen vier (bezw. zwei) Bruchstücken nicht richtig erkannt.
272
Zweiter Abschnitt: Bilderschrifteu.
theiluiig von Blatt XII (Abb. 234) entsprechen, sollen ohne Zweifel Balken
sein. Vgl. die Abb. 231. die in der Tributliste Codex Mendoza 34 als
„vigas grandes" erklärt wird. Die kleineren und schmäleren gelben Stücke
bedeuten wohl Bretter. Vgl. die Abb. 229 und 230, die in der Tributliste
Codex Mendoza 25 und 28 als
„tablones de madera grandes"
und „morillos de madera" er-
klärt sind.
Die zehn, mit gelber Farbe
gemalten, in der Mitte mit einem
Strick umschnürten Bündel, die
die oberste Reihe von Blatt X
(Abb. 227) bilden, sind ver-
muthlich als Bündel dünner
Stäbe oder Latten, oder wahr-
scheinlicher vielleicht, als Brenn-
holzbüudel zu erklären. Ihnen
gleichzustellen sind ohne allen
Zweifel die nicht in der Mitte,
sondern oben und unten um-
schnürten Bündel, die man in
der unteren Abtheilung von
Abb. 231. „Yipas Blatt X (Abb. 227) sieht, ob-
grandes". Codex -^qI^i ]^[qy (\[q Zusammensetzung
der Bündel aus dünnen Stäben
von dem Zeichner nicht an-
An beiden Stellen sehen wir die Reihen der Bündel
gekrönt von einer besonderen Figur, die augenscheinlich das Fähnchen
(pamitl), die Hieroglyphe der Zahl 20 darstellen soll. Das wird klar be-
wiesen durch die beiden Reihen in der unteren
Abtheilung von Blatt X (Abb. 227). Denn
die zwanzig dort dargestellten Bündel, von
denen jedes von der deutlichen Figur des
Fähnchens gekrönt ist, also in der Zahl von
20 gerechnet werden soll, ergeben zusammen
die Zahl 400, und die Ziffer 400 (ceri tzontli)
ist in der That über dem ersten Bündel der
Doppelreihe noch besonders angegeben.
"Was die Reihen von Winkelstücken bedeuten sollen, die in der Mitte
von Blatt IX (Abb. 226) und unter der obersten Reihe von Blatt X
(Abb. 227) gezeichnet sind, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen. —
Die auf Blatt IX (Abb. 226) unten, unmittelbar über den Lasten von
Steinen gezeichneten Geg-enstände möchte ich als Lattenffestelle oder Schlaf-
Abb. 229, 230. „tablones
de madera grandes'',
„morillos de madera",
Codex Mendoza 25, 28.
gegeben worden ist
-i/xp^dif?-
Abb. 232. tlapechüi. „tablado,
cama de tablas". Atlas Goupil-
Boban. PI. 34.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humholdt's. 273
bänke deuten. Denn ganz ähnliche Figuren (vgl. Abb. 232) finden wir
auf Blatt 34 des Goupil-Boban'schen Atlas mit dem Namen tlapechtli
erklärt, und das wird in dem Vokabular Molina's mit „tablado, andamio,
cama de tablas" übersetzt. Im zweiten Drittel von Blatt X (Abb. 227)
sieht man zwei Eeihen Stühle (vgl. den Stuhl, auf dem der Doctor Horozco
sitzt: Abb. 177, S. 249). Die beiden Figuren am Anfange der darüber
stehenden Reihe sind offenbar als Endstücke von Bettgestellen europäischer
Konstruktion, mit hoch aufragenden Seitenpfosten zu deuten, und die da-
neben gezeichneten vier, an den Enden etwas abgeschrägten Stücke stellen
vermuthlich die Seitenbretter solcher Bettgestelle dar. Die unterste Reihe
endlich von Blatt X (Abb. 227) scheint zu zeigen, dass der Zimmermann
auch die Lieferung von Holz für verschiedene Galgen, bezw. den Arbeits-
lohn für die Aufstellung solcher, einklagen will. Merkwürdig ist hier nur,
dass der Zeichner die Delinquenten nicht am Halse, sondern au den auf
den Rücken gebundenen Händen aufgehängt gezeichnet hat.
Ausser dem Zimmermann sind endlich auf diesen beiden Blättern noch
zwei andere Indianer gezeichnet. Der eine, in der unteren Abtheilung
von Blatt IX (Abb. 226) trägt im Haar das aztaxelli, den gabelförmigen,
aus Reiherfedern gefertigten Schmuck, den die Krieger der alten Zeit
beim Tanz in den Riemen steckten, mit dem das nach hinten fallende
Haar zusammengenommen war. Der andere Indianer, in der oberen Ab-
theiluug von Blatt X (Abb. 227) hat am unteren Ende des Haares, wie es
scheint, eine grosse Ringscheibe hängen, eine Art Schmuck, die ich nicht
zu deuten weiss.
Auf Blatt XI und XH (Abb. 233 und 234, S. 274) ist zum Theil die
Lieferung der gleichen Gegenstände, wie auf den oben besprochenen beiden
Blättern, zur Anschauung gebracht. Die Reihe von Steinen in der unteren
Hälfte von Blatt XII (Abb. 234) bezeichnete eine Lieferung von Steinen
oder die Aufführung einer Mauer aus Steinen,
In der obersten und in der sechsten Reihe von Blatt XI (Abb. 233)
sehen wir dieselben Bündel von Stäben oder Brennholz, wie in der unteren
Hälfte von Blatt X (Abb. 227). Sie sind auch hier von dem Fähnchen
(pamitl), dem Zeichen für zwanzig gekrönt, nur ist dies Fähnchen
fast in einer Linie mit dem Bündel gezeichnet, dass man es — und ich
habe es in der That in meiner ersten Arbeit so aufgefasst — als einen
Theil des Bündels anzusehen versucht wird. Aber es sind auch hier von
diesen Zwanzigern von Bündeln zwanzig, also in Summa 400, durch
die Zeichnung zur Anschauung gebracht, und so sehen wir denn auch die
Ziffer vierhundert {ceti tzontU), die bekannte fiedrige Figur, in dem
letzten der Bündel, am Ende der sechsten Reihe, noch besonders an-
gegeben. Es ist aber hier ausserdem, in der zweiten bis fünften Reihe,
noch von dem Zeicliner in Bildern hingeschrieben, dass der Spanier, —
gegen den augenscheinlich in diesen Blättern Klage erhoben wird, — zwei
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 18
2U
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
H
X)OC
OOOC-_.
MWOnnQDDL
L-
„=^^
•üp^
^erz
w
^
cn
^
€
ÜDDDG
:]DDDDD
r^>^
^^^:^
Abb. 233. Bruchstück XI und die
drei obersten Reihen des Bruchstücks XII.
Auf ein Drittel verkleinert.
Abb. 234.
Rest des Bruchstücks XII.
Auf ein Drittel verkleinert.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
275
Abb, 235. „papel de
la tierra". Codex
Mcndoza 27.
Indianer mit Gewalt herbeiholte und sie zum Transport der Bündel zwang.
Die Schlange, die man ü))er der obersten Reihe auf Blatt XI (Abb. 233)
sieht, und die gerade über dem Kopf dos Spaniers zu stehen kommt, soll
— vielleicht — den Namen dieses Spaniers augeben, während der ludianer-
kopf daneben und die Hieroglyphe, die, wie es scheint, Amatl „Papier" zu
lesen ist — vgl. Abb. 235, die Codex Mendoza 27 als „papel de la tierra"
erklärt wird — den Eigenthümer des Holzes, das der
.Spanier wegschleppen lässt, bezeichnen werden.
Schwer ist es indes zu sagen, was die Figuren
■dahinter, die oben rechts auf Blatt XI (Abb. 233) an-
gegeben sind, bedeuten sollen. Man sieht ein Haus,
dessen Wände augenscheinlich aus Rohr erbaut gedacht
sind, ähnlich dem xacalli in der unteren Abtheilung
>des Bruchstückes 11 der Humboldt'scheu Sammlung
(vgl. Abb. 84 oben S, 202). Xur ist die Bedachung eine
andere. Es hat fast den Anschein, als ob man hier auf
dem Hause die stachlige Spitze eines Agaveblattes (uitztli) hätte zeichnen
wollen. Hinter dieser Hütte sieht man drei mit Stroh oder Palmblatt-
streifen umflochtene und mit einem geflochtenen oder Schnurhenkel ver-
sehene Krüge, deren jeder von dem Fähnchen (pamitl), dem Zeichen für
zwanzig, gekrönt ist. Diese Gefässe könnten Krüge eingedickten süssen
Magueysaftes bedeuten. Vgl. Abb. 23G, die in der Tributliste Codex
Mendoza 29, 77 abgebildet und im Text als „miel
de maguey espesa" erklärt wird. Vielleicht könnte
auch wirklicher Honig gemeint sein. Vgl. die der
Abb. 23() älmliche, aber kleinere Figur, die in
der Tributliste Codex Mendoza 38 als „cantarillo
de miel de abeja" erklärt wird. — Wie nun aber
diese 60 Krüge Honig mit den anderen Dar-
stellungen in Verbindung zu bringen sind, ist mir
nicht ganz klar. Vielleicht sollte gesagt werden,
dass dem Indianer Amatl, ausser den 400 Bündeln
Brennholz auch 60 Krüge Honig aus seiner Hütte
geholt worden seien.
Neben den Bündeln von Stäben oder Brennholz, sind auch verschiedene
der anderen auf Blatt IX und X genannten Klassen von Holzlieferungen,
hier auf den Blättern XI und XH ebenfalls , nur in geringerer Zahl, an-
gegeben: — Die kreisrunden und rechteckigen Gegenstände, die Holzblöcke
oder Tischplatten darstellen, die grossen und die kleineren Balken und
Bretter und auch, in der unteren Abtheilung von Blatt XI (Abb. 233) zwei End-
stücke europäischer Bettgestelle, wie wir sie auf Blatt X angetroffen hatten.
Ausser dem Transport von Holzbündeln, über den in der oberen
Hälfte von Blatt XI (Abb. 233) geklagt wird, sehen wir in der unteren
18*"
Abb. 23(). „miel de maguey
espesa".
Codex Mendoza 29, 77.
276 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Abtheilung desselben Blattes auch Jen Transport von Krügen dargestellt^
aus deren Mündung man Saugrohre {piaztli) herausragen sieht, die also
vernmthlich Pulquekrüge [piaz-tecomatl] bezeichnen sollen. Und in der
Mitte von Blatt XTT (Abb. 234:) werden Krüge anderer Form von Indianern
geschleppt, und anscheinend eine weite Wegstrecke, denn das Bild des
Weges ist, an der rechten Seite der Querabtheilung, vor den beiden last-
tragenden Indianern, noch besonders angegeben. Der vorderste der beiden
Lastträger hält einen Stab in der Hand, wie um den Weg, der zurück-
s:ele2:t werden musste, abzumessen, oder das Mass dieser We2:strecke an-
zugeben.
Endlich sind auf unserem Blatt, und zwar an dem untersten ßande
des Blattes XII (Abb. 234), noch geschlachtete Schweine eingeklagt. Dass
mit diesen etwas merkwürdig gezeichneten Thieren Schweine gemeint sind,
ist aus der Form der Hufe zu ersehen. Und dass sie geschlachtet sein
sollen, ist durch die rothe Farbe unter dem Maule des ersten deutlich
kundgegeben. Es handelt sich aber nicht nur um diese zu unterst
auf Blatt XU abgebildete Reihe, auch die 10 — 11 Reihen von Körben,
die auf ein Traggestell (cacaxtU) geschnürt, auf den Blättern XI und XII
abgebildet zu sehen sind, sollen alle Schweinefleisch enthalten. Denn-
mau sieht überall den Thierkopf und daneben, in der mittleren Ab-
theiluug von Blatt XII (Abb. 234), aucli den Schweinefuss mit seinen
zwei Hufen herausragen.
Wenn wir demnach die Einzelheiten dieser Handschrift richtig ver-
stehen, so stellen diese Bruchstücke Blatt IX — XH ein Aktenstück dar, in
welchem über unrechtmässig verlangte oder unbezahlte Lieferungen von
Holz und allerlei Holzarbeit, von Steinen, Schweinefleisch und Honig und
über zwangsweise Heranziehung zu Dienstleistungen geklagt wird.
Wenn an dem Bruchstück XII unten mit der Scheere ein Stück heraus-
geschnitten worden ist, so bedeutet das, — wie wir das ähnlich bei dem
gleich darauf zu besprechenden Bruchstück XHI anzunehmen haben
werden — vielleicht, dass bei der Regulirung der hier eingeklagten
Rechnung ein Theil der Rechnung in Abzug gebracht worden ist.
XIII.
Ein 49 X 31 cw grosser Streifen ziemlich dünnen feinen Agave-Papiers..
Xur die untere Hälfte ist beschrieben und in dieser nur die unteren Theile
kolorirt, während die Figuren der obersten Reihe nur umrissen und un-
kolorirt, d. h. nicht fertig gemacht sind — ein Beweis, dass der Schreiber
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
277
auch hier in alter Weise am unteren Ende des Streifens angefangen und
nach oben fortschreitend seine Eintragungen vorgenommen hat. Das untere
Ende ist unvollständig. Es kann aber — aus dem Raum zu ersehen, den
das spanisch geschriebene Dokument auf der Kehrseite einnimmt — nicht
viel gefehlt haben. Jedenfalls ist unter der untersten Reihe keine andere
Reihe mehr vorhanden gewesen. Die Abb. 237 und 238 geben die drei
obersten Reihen des Bruchstückes und das linke Ende der beiden untersten,
auf die Hälfte verkleinert, wieder.
oonrtOQ
Abb. 237. Die drei obersten Reihen des Bruchstüchs XIII, auf die Hälfte verkleinert.
Das Dokument ist ganz genau des gleichen Charakters, wie eine der
Handschriften, die aus der Sammlung des Hon. JoelR. Poinsett, früheren
Gesandten der A^ereinigten Staaten in Mexico, in den Besitz der American
Philosophical Society in Philadelphia übergegangen und in den Transactions
of the American Philosophical Society New Series, Vol. YH, Part. H,
Article 4 (Philadelphia 1892) unter dem
Titel Tribute Roll 4 (Calendar 1) ver-
öffentlicht worden ist. — Wie dort sehen
wir auch hier gelb gemalte Kreise mit
rothen und durch eine Wirbelzeichnung
(eine Art Svastika) ausgezeichneten
Kreisen wechseln. Und zwar liegen
zwischen den rothen Kreisen immer
sechs gelbe. Ein klarer Beweis, dass
die gelben Kreise immer die W'ochen-
tage, die rothen Kreise die Sonntage bedeuten sollen. In der That ist
auch die Wirbelzeichnung des Svastika nur eine etwas veränderte Form
des Zeichens (Abb. 239, 240, S. 278), das bei den Mexikanern das
Wort ilfmitl wiedergab, welches „Tag", in besonderem Sinne aber
„Festtag", „Fest" bedeutete. lu der Handschrift der American Philo-
sophical Society hat man dabei in der untersten Reihe rechts anzufangen,
diese nach links zu verfoken und in der nächsten von links nach rechts
Abb. 2;58. Das linke Ende der beiden
untersten Reihen des Bruchstücks XIII,
auf die Hälfte verkleinert.
■278
Zweiter Abschnitt; Bilderschriften.
zu gehen und so weiter hin und her. Wo ein neuer Monat beginnt, ist
die Reihe der Wochentage unterbrochen durch das Bild des Mondes, das
abwechselnd bald nach rechts, bald nacli links gekehrt oezeichnet ist Tvo-L
Abb. 24:1, 242), und in der Reihe der Tage nicht mitzuzählen ist. Es
folgen so aufeinander von unten nach oben erst ein Monat von 31 Tagen,
dann einer von 30 Tagen, weiter 31 Tage, 30 Tage, 31 Tage und zuletzt
wieder 31 Tage. Dieser letzte Monat muss demnach August oder Januar,
der erste März oder August gewesen sein. In unserem Blatte XIII fehlt
die Bezeichnung des Monatsanfanges, die Reihen sind wahrscheinlich in
ähnlicher Weise hin und her zu Terfolgen, wie aus einem bestimmten,
unten zu erwähnenden Verhalten zu schliessen ist. Der wirkliche Sach-
verhalt ist aber nicht mehr festzustellen, weil an der rechten Seite des
Blattes mit der Scheere eine bestimmte Anzahl Tage weggeschnitten sind.
Ueber jedem einzelnen Tage ist auf unserem Blatt ein Frauenkopf
gezeichnet, erkennbar durch die beiden über der Stirn aufragenden horn-
artigen Flechten, die mexikanische Weiberhaartracht (vgl. Abb. 104 oben
Abb. 239. Hiero-
glyphe ilhuitl
„Tag", „Fest".
Codex Mendoza 19.
A\nQSi
Abb. 240. Hiero-
glyphe ■ilhuitl
„Tag". Codex
Osuna f. IG (478).
Abb. 241, 242. Hieroplyphe mdztli
„Monat". Bilderschriften der Poin-
sett' sehen Sammlung. Transactions
American Philosophical Society New
Series. Vol. XVII. Part. II.
S. 211, die Hieroglyphe Ciuatlmi). Das kann wohl kaum einen anderen Sinn
haben, als dass an den betreffenden Tagen Frauen zur Dienstleistung kom-
mandirt gewesen sind. Die Köpfe über den Tagen sind in Paare geordnet, so
dass immer zwei und zwei mit den Gesichtern einander zugekehrt sind, und
zwischen beiden ist jedesmal das Fähnchen, der hieroglyphische Ausdruck
für die Zahl 20, angegeben (Abb. 243). In den beiden obersten Reihen
hat mau sich die Sache vereinfacht. Man hat nur einen Kopf gezeichnet
und diesen durch Linien mit zwei aufeinander folgenden Tagen ver-
bunden. Und die Zahl 20 steht dann neben dem einzelnen Kopf (vgl.
oben Abb. 237). An dem linken Ende der untersten Reihe endlich war
ein unpaarer Tag übrig geblieben. Ueber diesen hat man den Frauen-
kopf, daneben aber, mit Recht, nicht die volle Zahl 20, sondern die
Hälfte, die Zahl 10 gesetzt.' Dann aber hat man nachträglich diesen
unpaaren Tag mit einem unpaaren Tag des linken Endes der zweiten
Reihe von unten verbunden und dann docli, gewissermassen pleonastisch,
die Zahl 20 dazwischen gesetzt (vgl. oben Abb. 238). All das ist kaum
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
279
anders zu erklären, als dass die Schichten alle zwei Tage wechselten, dass
immer nach zwei Tagen andere Frauen kamen. Der Umstand aber, dass
man vom linken Ende der untersten Reihe zum linken Ende der nächst
hölieren überging, beweist, dass der Schreiber, gleich dem des Dokuments
der American Philosophical Society, rechts unten begann und die Reihen
hin und her, immer an dem betreifenden Ende anschliessend, verfolgte.
Nur am Ende (links) der dritten Reihe scheint eine Lücke zu sein. Der
Schreiber muss hier wieder von vorn, d. h. die vierte Reihe am rechten
Ende, begonnen haben. Auch in der Handschrift der American Philo-
Abb. 240. Zwanzig- Frauen zur Dienst-
leistung am Sonnabend und Sonntag.
Humboldt- Handschriften, Bruch-
stück XIII. Linkes Ende der dritten
Reihe vou unten.
Abb. 244. Mahlstein (niotlaU) und Hand-
walze (meÜapUli)^ nebst dem Gefäss,
das zur Aufnahme der geriebenen Masse
bestimmt ist. Bilderschriften der
P 0 in sett' sehen Sammlung. Trans-
actions American Philosophical Society.
New Series. Vol. XVII. Part. II.
sophical Society ist immer ein Frauenkopf mit zwei Tagen verbunden.
Es müssen also auch dort die Schichten alle zwei Tage gewechselt haben.
Zahlen sind neben den Köpfen nicht angegeben.
Die Hauptdieustleistuug, wozu Frauen gebraucht werden, ist bei allen
Stämmen in erster Linie die Küche gewesen. Und das war bei den Mexi-
kanern noch ein besonders wichtiger Dienst, da das Hauptnahrungsmittel,
die Tortilla (tlaxcalli) nicht im Grossen und auf Vorrath, gleich unserem
Brote, hergestellt werden konnte, sondern mittels
eines ziemlich umständlichen Verfahrens zu jeder
Mahlzeit frisch bereitet und friscli und warm verzehrt
wurde. Dass dieser Frauendienst auch in unseren
Handschriften gemeint ist, das zeigt die Handschrift
der American Philosophical Society kljy.' und deutlich.
Denn hier sehen wir neben dem Kopf der Frau oin-
nuil einen Mahlstein (?neflatl) abgebildet, mit der
Handwalze (metlapilli) darauf, und unter seinem vor-
deren Ende ein Gefäss, das zur Aufnahme der zer-
riebenen Masse bestimmt ist (Abb. 244). Das andere Mal ein Hohlmass
(Abb. 245), das in der Malerei der Mexikaner eine „Fanega" Mais bedeutete.
Vgl. die Abb. 246, S. 280, die einem Blatte der Aubin-Goiipirschen Samm-
lung, Atlas Goupil-Boban PI. 27, entnommen ist. Auf dem betreffenden
XI3>
Abb. 245. Eine fanega
(Mais). Bilderschriften
der Poinsett'schen
Sammlung. Trans-
actions American Philo-
sophical Society.
New Series. Vol. XVII.
Part. II.
280 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Blatte sind fünf solcher Masse mit dem Fähnchen darauf (= 20) abgebildet,
und in dem spanischen Text darunter wird erklärt, dass das 100 Fanega Mais
bedeute (que se entiende cien hanegas de mahiz). Dass aber neben den
Frauenköpfen nicht nur der Mahlstein, sondern auch das Maismass ab-
gebildet wurde, daraus, glaube ich, muss man entnehmen, dass die Auf-
rechnung, die die Handschrift der American Philosophical Society dar-
stellt, nicht nur geleisteten Dienst, sondern auch
geliefertes Material vermerkte.
In unserem Blatte XIII sind neben den Frauen-
köpfen keine solchen Gegenstände gezeichnet.
Dass es sich aber hier um den gleichen Dienst
Ä
handelt, das geht aus der Schrift hervor, die auf
der Kehrseite unseres Blattes sich findet. Die
Handschriften der A. von Humboldt'schen Samm-
Abb.246. 20fanegasMais. 1""- ^'^^'^^ ^^«^ '""^ ^^^^ ^^^^^n bemerkte, mit Aus-
Atlas Goupil-Boban. nähme der ersten, auf grosse Bogen in Folio-
Pl- 27. format aufgeklebt. An dem Blatt XIII, das
ziemlich dünnes Papier ist, fiel es mir nun zum ersten Mal auf, dass auf
der Kehrseite Schrift vorhanden sein müsse. Ich fieng vorsichtig an ab-
zulösen, und unter Zuhilfenahme sachverständiger Kräfte gelang es, das
Blatt unbeschädigt von der Unterlage abzuheben. Auf der Rückseite fand
ich folgendes Dokument:
digo yo diego hermano del mayordomo desto
pueblo de misquiaguala q. resebi del senor
manuel de olvera coregidor deste dicho pue
blo 101 peso y medio de las yndias quelles q.
an hecho tortillas en su casa y me a pagado
todas las demas q. hau servido hasta oy.
fecho ä veynte y nueve de mayo de mill ,
y quiniento y seseuta y nueve aüos
tg mechior de contreras y galp
q. firmo per el otrgante
ante mi
s melchior de p. de palen ....
contreras
d. h. ,Jch, Diego, Bruder des Verwalters dieses Dorfes Mizquiyauallan,
bekenne, dass ich von dem Herrn Manuel de Olvera. Richter dieses
genannten Dorfes 101 72 peso bekommen habe, für die Frauen, die in
seinem Hause Tortillas gemacht haben, und (dass) er mir alle übrigen
(Frauen) bezahlt hat, die bis zum heutigen Tage Dienst gethan haben.
Geschehen am "JO. Mai 1.jG9. Zeuge Melchior de Contreras y Galp-. . . ,
der ich für den die Urkunde vollziehenden unterschreibe.
Melchior de Contreras. Vor mir P. de Palen.... '•
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
281
Es ist also klar, dass dieses Blatt XIII ebenfalls eine Rechnung ist,
und zwar über Dienstleistungen von Frauen, die zum Tortillabacken und
anderen Verrichtungen kommandirt gewesen sind. Die Rechnung stammt
aus demselben Dorfe Mizquiyauallan^ dem die Rechnung Blatt YII unserer
Sammlung angehört. Die Kehrseite enthält die Quittung über den für
diese Dienstleistungen gezahlten Lohn. Die Tage, die au der rechten
Seite des Blattes mit der Scheere herausgeschnitten sind, scheinen einen
Abzug darzustellen, eine Re-
duktion der Rechnung oder eine
Korrektur, die sich der Präsen-
tirende gefallen lassen musste.
Das Dokument ist zwei Jahre
älter als das auf Blatt VII.
Was die Personen betrifft,
so ist der Empfänger des Geldes
der Bruder des Mayordomo von
Mizquiyauallan und wird hier, wie
bei Indianern häufig, nur mit
seinem Vornamen Diego ge-
nannt. Der Name des Mayor-
domo wird nicht erwähnt. Aber es ist wahrscheinlich, dass es der-
selbe war, wie der, der auf Blatt VII quittirte. Dort unterschrieb der
Mayordomo selbst Miguel de Sanc Juan (Abb. 247). Sein Bruder hier ist
des Schreibens unkundig. Für ihn unterzeichnet ein Spanier Melchior
de Contreras y Galp (Abb. 249). Die Rechnung bezahlt derselbe
Abb. 247, 248. Unterschriften auf der Kehr-
seite des Bruchstücks VII der A. von Hum-
boldt'sehen Sammlung. (Erstes Dokument von
Mizquiif((i((tUan.)
Manuel de Olvera, der auf
Blatt VII genannt ist. Hier,
zwei Jahre früher, war er
Corregidor, d. h. Dorfrichter.
Die Unterschrift des Be-
amten, vor dem das Geschäft
abgewickelt wurde, vermag
ich weder auf dem ersten
<*f^^7>^
-UJ pv,Y^ W^e^'^rf
Abb. 249, 250. Uutcrscliriften auf der Rück-
seite des Bruchstücks XIII der A. von Hum-
boldt'sehen Sammlung. (Zweites Dokument
von Mi.:qi(ii/a}((iUaii.)
Dokumente (Abb. 248), noch auf dem zweiten (Abb. 250) sicher zu entziffern.
Endlich ist noch zu erwähnen, dass auf unserem Blatte noch drei
Männerköpfe sich finden, jeder mit einer Hieroglyphe hinter bezw. über
ihm, die ohne Zweifel den Namen des Mannes angibt. Diese Kö])fe mit
Hieroglyphen stehen in der obersten Reihe, beide am Anfang einer durch
einen Trennungsstrich markirten Abtheilung. Dasselbe scheint in der
zweiten Reihe von oben der Fall zu sein. Denn der Fortgang ist hier,
wie auch die Stellung der Frauenköpfe anzeigt, von links nach rechts.
Nur dass der Anfang der Abtheilung hier (am linken Ende) nicht durch
einen besonderen Strich bezeichnet ist. • In ganz gleicher Weise finden
•282
Zweiter Abschnitt; Bilderschriften.
Abb. 251.
Uitznauatl (?)
Abb. 252.
Quiyauh (?)
wir auch in dem Dokument der American Philosophical Society am Anfang
einer durch einen Strich bezeichneten Abtheihmg- einen Männerkopf mit
einer Hieroglyphe angegeben. Diese 3Iännerköpfe stellen aller Wahr-
scheinlichkeit nach die Gobernadores de Indios oder die Dorfschulzen dar,
die die Frauen zum Tortillabacken gestellt haben. Der Mann am linken
Ende der zweitobersten Reihe (siehe oben Abb. 237) hat als Hieroglyphe hinter
sich einen Raubvogelkopf. Er dürfte quauhti „Adler" oder cuivtli „Habicht"
oder dergleichen geheissen haben. Einen ähnlichen Xamen muss der Mann
am rechten Ende der obersten Reihe getragen haben. Der nahe dem
linken Ende der obersten Reihe gezeichnete Mann hat eine Hieroglyphe,
die, wie es scheint, aus zwei spitz zu-
laufenden und Stacheln auf der Oberfläche
tragenden Blattenden besteht. Vielleicht ist
das die Hieroglyphe für Uitznauatl^ denn
in dem Personalregister von TJexotzinco, wo
Uitznauatl ein ziemlich häufiger Name ist,
ist derselbe regelmässig durch zwei neben-
einander gezeichnete Agave - Blattspitzen
zum Ausdruck gebracht. Es ist sehr be-
merkenswerth, dass in dem Dokument der
American Philosophical Society der eine
der beiden dort dargestellten Männerköpfe,
und zwar der am linken Ende der dritten Reihe von oben, durch dieselbe
Hieroglyphe gekennzeichnet ist (vgl. Abb. 251). Der am rechten Ende der
fünften Reihe des Dokuments der American Philosophical Society hat ver-
muthlich quijjauh geheissen, denn seine Hieroglyphe besteht aus drei herab-
hängenden (oder herabfallenden) Regentropfen. (Vgl. Abb. 252.)
Das Blatt XHI unserer Sammlung und die „Tribute Roll" 4 („Ca-
lendar" 1) der American Philosophical Society sind jedenfalls von ein-
ander unabhängige in sich abgeschlossene Stücke. Aber in der Idee, in
der Zeichnung und in verschiedenen Einzelheiten so nahe verwandt mit
einander, dass wir sie wohl in dieselbe Gegend und dieselbe Zeit zu
setzen haben. Unser Blatt XIII, das auf der Kehrseite seine Erklärung
hat, ist demnach auch ein werthvolles Dokument für die Beurtheilung der
in amerikanischem Besitz befindlichen Handschrift.
Ich habe oben schon erwähnt, dass das Blatt YII unserer Sammlung,
das wie das vorliegende Blatt XHI aus dem Dorfe Mizquiyauallan stammt,
der Boturini'schen Sammlung angehört zu haben scheint. Ich habe dort
die Stelle aus Boturini's Museo Indiano (Catälogo § XXI Xo. 1) an-
geführt, die diese Handschriften aus Mizquiyauallan beschreibt — „Tres
mapas en papel Indiano como faxas. Tratan de los tributos, que pagaba
el pueblo de Mizquiahuällan j en el se ven las cifras numericas de cada
cosa, que entregaban los vecinos".
Gobernadores de Indios des Dorfes
IMizqHii/auaUaii. Bilderschriften der
Poinsett' sehen Sammlung. Trans-
actions American Philosophical
Society. Vol. XYII. Part. II.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Huraboldt's. 283
Ist nun in der That das eine Blatt der Joel R. Poinsett'schen,
jetzt der American Philosophical Society gehörigen Sammlung dem
Blatte YII unserer Sammlung, das andere dem Blatte XIII unserer
Sammlung so verwandt, dass wir sie in dieselbe Gegend und dieselbe
Zeit zu setzen uns versucht fühlen, so liegt die Frage nahe, ob nicht
auch die beiden amerikanischen Handschriften im Boturini erwähnt sind.
Und das scheint in der That der Fall zu sein. Denn unmittelbar nach
der oben angeführten Stelle werden in § XXI des Museo Indiano unter
NNo. 2 und 4 zwei andere längere Handschriften aus demselben Dorfe
erwähnt :
2. Otro (mapa) de la misma materia, y nias largo de dicho Pueblo
{Mizquiahuallan).
3. Otro del mismo papel y nuis largo del misnio Pneblo.
XIV.
Ein 34 X 15 cm grosses Stück ziemlich dicken und festen Agave-
Papiers. Nahe dem oberen Ende sind zwei Streifen übereinander geklebt
worden. Das ausfasernde Ende des aufgelegten unteren Stücks ist deutlich
zu erkennen. Unter der obersten Reihe steht estan^ia de tlatonpan.
Das Blatt (Abb. 253, S. 284) zerfällt in zwei wesentlich verschiedene Theile,
einen oberen und einen unteren. In dem oberen Theil ist alles karmin-
roth gemalt, in dem unteren alles der Hauptsache nach gelb. Die Basis der
oberen Abtheilung bildet ein von zwei Querstrichen eingefasster Streifen,
in welchem drei Männerköpfe zu sehen sind, jeder mit einem merkwürdigen
Zeichen hinter dem Kopf, das wie ein Schlüssel aussieht. Ausserdem sind
noch zwei mit besonderen Hieroglyphen versehen. Das Zeichen, das wie
ein Schlüssel aussieht, halte ich in der That für einen solchen und halte ihn
als Ausdruck für das Wort tlatkdi, das die Bedeutung hat „der etwas ver-
birgt oder verschliesst, oder etwas behütet" („el que guarda alguna cosa,
ö el que esconde algo" Molina) denn ich finde in dem Personalregister
von Xaltepetlapan (Ms. mexicain No. 3 Bibliotheque nationale) einen Manu
Namens Juan tlatlatin angegeben, der durch die Hieroglyphe Abb. 254
bezeichnet ist, d. h. durch eine Hand, die einen Schlüssel emporhält.
Hieroglyphisch scheint die erste Person rechts durch zwei Hörner auf dem
Kopf bezeichnet. Dieselbe wird also vielleicht Quaquauh geheissen haben.
(Ygl, die Abb. 255, 256, S. 285, die in den Personalregistern Ms. Mexicain Xo. 3
Bibl. Nat. Personen solchen Xamehs bezeichnen.) Die zweite Person
scheint hieroglyphisch durch einen Stein (te-tl) und AVasser {a-tl) be-
284
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
ÄA
M
J Mi,.
/lf-«.i t«o ^'i-f^ -A-np«jl
i(-J
te^ /^ ^Sk ^^
Abb. 253.
Bruchstück XIV der Alexander von Humboldt" sehen Sammlung.
Auf "-/a verkleinert.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
285-
zeichnet. Die dritte Person hat keine Hieroglyphe. Die kreisförmige
Zeichnung vor der dritten Person vermag ich nicht zu deuten.
In beiden Abtheilungen des Blattes handelt es sich übrigens um die
gleichen Dinge, um Lieferung von Gegenständen, deren Zahlung verlangt,
oder über deren Nichtbezahlung Klage geführt wird, d. h. es ist eine
Rechnung oder eine Klageschrift.
Wenn wir, wie bei den anderen Blättern, einen Fortgang von unten
nach oben annehmen, so würden unten zunächst 10 Truthähne angeführt
sein, und dann weiter fünf Hähne. Neben dem Hahn am linken Ende
der Reihe ist aber ein Fähnchen, das Zeichen für 20, angegeben. Es
müssen also '24: Hähne gemeint sein. In der Reihe darüber ist rechts zu-
nächst ein Gefäss gezeichnet und eine Figur darüber, von federartigeu
Ausstrahlungen umgeben, ganz ähnlich denjenigen, die gezeichnet werden,
um die Zahl 400 {tzontli) auszudrücken. Dann aber folgen kleine längliche
Körper, jeder mit einem Fähnchen (= 20) versehen und in der Reihe
darüber zehn Gefässe, deren jedes wohl eine Fanega Mais bedeutet. (Vgl.
Abb. 245, 246, oben S. 279, 280.)
Abb. 254. Juan ilailaiin.
Me. Mexicain Nr. 3.
Bibliotheque nationale.
Abb. 255, 256. Personen Namens Qtiuquuuh.
Ms. Mexicain Nr. 3. Bibliotheque nationale.
In der oberen roth o-emalten Abtbeilung unseres Blattes haben wir
unten rechts (unmittelbar über den Köpfen der Männer), zunächst Trut-
hahnköpfe, wie in der unteren Abtheilung, aber nur zwei. Dann folgen
zwei Figuren, die wohl chill% rothe Pfefferschoten, darstellen sollen, jeder
mit dem Busch versehen, der die Zahl centzontli = 400 bezeichnet. Trut-
hahn und rothe Pfeffersauce gehören zusammen. „Mole con guajolote" ist
nocli heute im ganzen Lande das Festgericht. Dann folgen drei quer durch-
kreuzte runde Gegenstände, jeder mit der Zahl 400 versehen. Dann zwei
besondere Figuren, die uns bisher noch nicht begegnet sind und über die
ich gleich sprechen werde. Darüber sind fünf kleine Kreise zu sehen,
jeder mit der Zahl 400 versehen, und iu der Reihe darüber 8 Gefässe
(= Fanega Mais) und runde Gegenstände ähnlich denen in der unteren
Reihe, jeder mit einem Fähnchen = 20 versehen.
Hier ist nun zunächst die Frage, was haben die länglich runden
kleinen Gegenstände, von denen in der unteren Abtlieilung 15 mit einem
Fähnchen versehene, also 3000, in der oberen Abtheilung 5 mit einem
Fähnchen versehene, also 1000, angegeben sind. Da es gezählte Gegen-
'2S6
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
stände sind, und die Zahlen so hohe Werthe erreichen, meine ich, können
nur Kakaobohnen gemeint sein. (Vgl. die Abb. 257 — 260.) Es ist bekannt.
dass die Kakaobohnen im alten Mexico als Scheidemünze gebraucht, daher
gezählt wurden. Die Zählweise, die hier befolgt ist, kommt in der
gleichen Weise auch in anderen Handschriften vor. Vgl. Abb. 258, der
Tributliste Codex Mendoza 19 entnommen, im Text als „1600 almen-
dras de cacBo** erklärt, und Abb. 257. der Pintura del Gobernador,
Alcaldes y Kegidores de Mexico entnommen, wo aber bei den einzelnen
Bohnen rechts das Fähnchen (= 20) ausgelassen ist. Im Text heisst es:
chiquacen tzontli ypaii chicompohualli = 6 X -400 -j- 7 X 20 (Kakaobohnen).
Gerade das Auslassen der Fähnchen in diesem Bilde beweist aber, dass
Abb. "257. Aldi i/n racahnatl ch<qi(accn tzotitU i/paii cliicompohuaUt.
^Und Kakaobohnen ... 6 x 400 x 7 x 20" Codex Osuna, fol. 37 (499).
Abb. 258. „1600 almendras
de cacao**.
Codex Mendoza 19.
Abb. 259. -carga de cacao"
Codex Mendoza 48, 5.5.
Al.b. 260. Eine Traglast
(tIamatuaUi). Kakao-
bohnen (cacaiiati). Codex
Osuna. fol. 37 499 .
die Einheit für die Kakaobohnenzählung die Zahl 2U war. die auf unserem
Blatt überall auf den fraglichen Gegenständen angebracht ist.
Tielleicht sind die in der unteren Eeihe der oberen Abtheilung ge-
zeichneten, von einem Busch (=400) gekrönten, durchkreuzten Bohnen,
in ähnlicher Weise wie die au der rechten Seite von Abb. 258 abgebildeten,
jede einzelne für 20 Bohnen zu rechnen, so dass hier 1200 X 20= 24000
Bohnen angegeben wären. Die darüber gezeichneten, mit einem Busch
(= 400) verseheneu einfachen, undurchkreuzten Kreise könnte man indes
als einfache Zahlzeichen ansehen.
Was nun die beiden besonderen Figuren am linken Ende der unteren
Reihe der oberen Abtheilung betrifft, so ist das ein Ausdruck für Last,
entnommen von der AYagschale. Das ist klar aus einer Handschrift der
Aubin-Goupil'schen Sammluno-. die vormals im Besitz Dou Antonio
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
287
Leon y Gama's war, und die interessant ist wegen der Besonderheiten
der Zahlbezeichnung, die hier zu bemerken sind, und schon von Gama
in seinem Appendix über die Arithmetik der Mexikaner angemerkt worden
sind^). Yon dieser Handschrift ist ein Blatt auf Tafel 30 des Goupil-
Bob an 'sehen Atlas reproduzirt. Hier sehen wir z. B. 43, 53 und 58 Lasten
Maisstengel {zacate) durch die Abb. 261 — 263 ausgedrückt. Ich habe diese
Beispiele ausgewählt, weil sie gleichzeitig die Besonderheiten der Zahl-
bezeichnung, die in dieser Handschrift vorkommen, zur Anschauung bringen.
Es wird nämlich auf diesem Blatt die Zahl 10 durch Halbirung des
Fähnchens, welches 20 bezeichnet, und Kolorirung bloss der einen Hälfte,
zum Ausdruck gebracht; die Zahl 15 durch Ausschnitt eines Viertels aus
dem Fähnchen und Kolorirung der übrig-eu drei Viertel. Für unser Blatt
Abb. 261— 2f)3: — 43, 53 und 58 Lasten Zacate. Atlas Goupil-Bol.an. PI. 80.
Abb. 264: — S Pesos,
2V2 Reales. Atlas
Goapil-Boban. PI. 30.
Abb. 265: — 5 Pesos,
6V2 Reales. Atlas
Goupil-Boban. PI. 30.
Abb. 266: — 5 Pesos,
3 Reales. Atlas Goupil-
Boban. PI. 30.
ist von Bedeutung, dass wir in allen drei Figuren 261 — 263 nicht nur, wie
sonst, bloss das Bündel Zacate gezeichnet sehen, sondern von ihm auch
eine Wagschale herabhängen sehen, die das Symbol der Last ist. Und
dass auf diesem Blatt die Wagschale in der That das Gewicht, die Last
bedeuten soll, das geht ferner klar daraus hervor, dass auf demselben Blatt
dasselbe Symbol der Wagschale, ähnlich wie wir das in Abb. 195 (oben
S. 254) sahen, zur Bezeichnung des Geldstückes 1 Peso verwendet wird.
Vgl. die Abb. 264 — '1Q(S^ wo den Pesos die Reales und Medios in der-
selben Weise angehängt sind, wie wir das oben in den Abb. 195 — 197
sahen und ich auf S. 255 näher besprochen habe. Die beiden Figuren am
linken Ende der unteren Reihe der oberen (roth geraalten) Abtheilung
müssen also Lasten bedeuten. Und es kann sich das wiederum auf das
1) Gama. Dos Piedras, edid. Bustamente. Mexico 1832. p. 137.
J" 288 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Yorhergelieude. die rothen Pfefferschoten . oder das Folgende die Kakao-
bohneu beziehen. Denn diese wurden auch nach Lasten gerechnet. (Vg\.
Abb. "209, "260, erstere dem Codex Mendoza. letztere der Pintura del
Gobernador, Alcaldes y Regidores de Mexico entnommen.)
Xaehdem dies festgestellt ist. sind auch die obersten Reihen der
beiden Abtheilungen verständlich. In der obersten Reihe der unteren
Abtheilung haben wir rechts erst drei Lasten Zacate. Hier ist nicht, wie
in den Abb. 2G1 — 263, die Wagschale an dem Bündel hängend gezeichnet,
sondern das ganze Bündel, statt an der AVagschale. an den drei Schnüren
hängend. Dann folgt eine Matte, und endlich zwei viereckige Gegenstände,
die vermuthlich Gewebe darstellen sollen.
In der obersten Reihe der oberen Abtheilung haben wir rechts erst
ein Paar Bündel Zacate. Dann zwei Lasten Holz. Die Last hier wieder
in derselben Weise wie in der unteren Abtheilung bezeichnet, d. h. das
Bündel Holz hängt, statt an der TTagschale. au den drei Schnüren.
Das Blatt 30 des Goupil-Boban'schen Atlas, das uns den Aufschluss
über die Bedeutung der Figuren gab, die auf Blatt XIY unserer Sammlung
gewählt sind, um Lasten zu bezeichnen, gehört einer Handschrift an. die
mit Text versehen ist. und eine Klageschrift bildete, die gegen den Kapitän
Jorge Ceron y Carabajal Alcalde mayor der Stadt Ca a/co. erhoben und
im Jahre 1564 der Real Audiencia von Mexico vorgelegt wurde. Es ist
nicht ganz unwahrscheinlich, dass unser Blatt aus derselben Gegend stammt
und vielleicht auch in dieselbe Zeit o-ehört.
XT.
Ein 34 on hoher, 52 cm breiter Streifen Agave-Papier, das im An-
sehen am meisten dem der Blätter X — XII ähnelt. Und mit diesen
Blättern zeigt auch die Zeichnimg der Figuren die unverkennbarste
Aehnlichkeit.
Das Blatt gehört zu denjenigen unserer Sammlung, die mit einem der
von Boturin i beschriebenen ziemlich sicher zu identifiziren sind. Es ist
in dem Catalogo del Museo Indiauo in § XXI unter Xo. 10 aufgeführt: —
Otro (niapa) del mismo papel (papel Indiauo), y pinta gran Xumero de
pavos. C|Ue se pagavan de Tributo. Xo se sabe de que pueblo.
In der That sehen wir in den sechs Abtheilungen, die durch Quer-
striche auf dem Blatte hergestellt sind, ausser den Personen an der rechten
Seite, nur Truthähne (durch den Kopf bezeichnet) dargestellt. Und zwar
<ind die ersten 15 Vertikalreihen mit rother Farbe eemalt. die beiden
Das Glaubensbekenntniss und die zehn Gebote.
liruilislmk XVI .I.t BililcTliiiii.lschrift..n .Icr Alexander von HiimbolJfachen Siimiiilu
(li(i Original sind tiit' AlitLoilungen durch pinfaihe SLritlie getrennt.)
a
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Hmnboldt's. :>39
letzten mit blauer Farbe. Auf jede Querabtheiluug komnieu in der ersten
Vertikalreihe (rechts) fünf Trurhahnköpfe zu stehen, in sämratlichen
folgenden Vertikalreihen nur vier. Die Gesammtzahl der auf eine Ab-
theilung fallenden rothen Truthähne ist demnach 61. Die Reihen der
blaulen Truthähne sind wahrscheinlich unvollständig.
^: Von den Personen, die auf der rechten Seite des Blattes angegeben
sind, hat die unterste keine Hieroglyphe. Die folgende ist durch einen
Vogelkopf mit langem gekrümmtem Schnabel bezeichnet. Die beiden
iiächstea'sind zerstört. Die vorletzte hat als Hieroglyphe dicht am Kopfe
das Bild eines Fisches, der Mann wird also Michin geheissen haben. Die
oberste und letzte Figur hat unter dem Kopfe einen Kreis, der vielleicht
ihren Namen angibt.
XVI.
Ein 35 cm langer, 45 cvi breiter Streifen von einem dichten festen
Papier, das das Ansehen europäischen Lumpenpapiers hat. Die mikro-
skopische Untersuchung zeigte aber eine Faser, in Ansehen, Wandstärke,
( rrösse des Lumens u. s. w. anscheinend völlig gleich derjenigen Faser,
aus der das grobe Agave-Papier der Blätter HI und IV zusammengesetzt'
ist. Nur kommen daneben einzelne sehr dünne und spiral eingerollte
Fasern vor, die im Wasser des Objektträgers sich ein wenig zu strecken
und aufzurollen schienen.
Das Blatt war, wie die Brüche beweisen, in vier Theile zusammen-
gelegt, und ist namentlich an der rechten Seite stark beschädigt. Die
Zeichnungen sind mit schwarzer Tinte gemacht, ohne andere Farben-
gebung. Die Darstellungen beginnen links oben, setzen sich in dieser
Reihe von links nach rechts, in der zweiten Reihe aber von rechts
nach links fort, und so abwechselnd immer in verschiedenem Bewegungs-
sinne.
Der Inhalt der Darstellungen ist kirchlicher Natur. Um sie zu ver-
stehen, nmss man den Catechismus Romanus zu Rathe ziehen, und zwar
die Redaktionen desselben, die in früherer Zeit, und bis heute von den
(ieistlichen gebraucht wurden, die in die Indianerdörfer zur Unterweisung
der Bewohner und zur Wahrnehmung der Seelsorge geschickt wurden. Ich
fand eine genaue Uebereinstimmung zwischen den Darstellungen unseres
Blattes und dem Text eines Catecismo en Idioma Mixteco, der im Jahre
1839 in Puebla gedruckt ist. Und zwar Hessen mich die auf dem Blatt
angegebenen Zahlen ohne Weiteres erkennen, dass auf demselben die
14 Glaubensartikel des römischen Katechismus und, weiter unten, die
Seier, Gesammelte Abhandlungen 1. 19
>90
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
zehn Gebote dargestellt sind. Ich lege den im Jahre 1839 gedruckten
Katechismus zu Grunde, und werde der Reihe nach in jedem Felde erst
die Katechismusabschnitte anführen und dann das Bild, das ihn erläutert,
beschreiben.
Die erste Reihe beginnt auf der linken Seite.
Abschnitt 1. — Los Articulos de la Fe sou catorce. Das Bild
(Abb. 267) zeigt zunächst ein mit Zeichen versehenes Blatt und eine Hand^
Abb. -2(37.
die darauf hinweist. Das heisst Artikel. Dann folgt ein auf einem Stufen-
untersatz errichtetes Kreuz, das heisst Glauben. Dann folgt die Zahl 14.
in üblicher Weise in Gruppen zu fünf geordnet.
Abschnitt '2. — Los siete perteuecen ä la divinidad. Das Bild
(Abb. 268) zeigt zunächst die Zahl sieben, und darnach ein bärtiges
(spanisches) Gesicht und darüber eine Zeichnung,
die augenscheinlich einen Heiligenschein dar-
stellen soll, und zwar einen aus einer Metall-
scheibe bestehenden, in dem in der Mitte und
in regelmässigen Abständen der Peripherie
Lumina ausgespart bezw. ausgebrochen sind.
Das ist die auch weiterhin regelmässig zur Ver-
wendung kommende Hieroglyjihe für Gott.
Abschnitts. — y los otros siete (perteuecen) ä la santa humani-
dad de nuestro Seüor Jesucristo. — Das Bild (Abb. 269) zeigt erst
die Zahl sieben. Dann auf einem Untersatze Kreuz. Lanze und den an
einem Rohr befestigten essiggeti'änkten Schwamm. Das heisst der Ge-
kreuzio-te. der Gottmensch.
Abb. 268.
Abb. 269.
Abb. 270.
Abschnitt 4. — Los (siete articulos) que perteuecen ä la divini-
dad son estos. Das Bild (Abb. 270) zeigt erst die Zahl sieben, dann die
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
291
Abb. 271.
Hieroglyphe für Artikel (vgl. Abschnitt 1), dann das Bild Gott (vgl. Ab-
schnitt 2), nur ist hier unter dem Kopf noch ein faltiges Gewand markirt.
Abschnitt 5. — El priinero (articulo) creer en
un solo Dios Todopoderoso. Das Bild (Abb. 271)
zeigt die Ziffer eins, die Hieroglyphe Artikel und
das Bild Gott. Mit der Hieroglyphe „Artikel" ist
eine Figur verbunden, die schwer zu deuten ist,
vielleicht den über aller Vielheit Stehenden, den
alles Vermögenden (Todopoderoso), darstellen soll.
Abschnitt (5. — El segundo (articulo) creer
que es Dios Padre. Das Bild (Abb. 272) ist zum
Theil zerstört. Oben muss die Ziffer zwei gestanden
haben. Dann folgt die Hieroglyphe Artikel und
daneben das Bild Gott, ähnlich wie er in Abschnitt 4
dargestellt war, aber hier mit zwei* Armen. Die
linke Hand hält den Reichsapfel. In der Rechten hat
er vermuthlich ein Scepter gehalten.
Abschnitt 7. — El tercero (articulo) creer que
es Dios Hijo. Das Bild (Abb. 273) lässt noch einen
Theil der Zahl drei erkennen, darunter die Hiero-
glyphe Artikel, und daneben eine Figur mit ähn-
lichem Gewand und ausgebreitetem Arm. Kopf und wesentliche Theile
sind aber zerstört.
Die zweite Reihe beginnt rechts.
Abschnitt 1. — El cuarto (articulo) creer que es Dios Espiritu
Santo. Das Bild (Abb. 274) lässt rechts noch einen Theil der Zahl vier
erkennen. Dann folgt die Hieroglyphe Artikel. Und dann die vom
Himmel herabkommende Taube, das ist der heilige Geist.
Abb.
In II
Ml I '
liMl
Abb. 273.
Abb. 274.
Abb. 275.
Abschnitt 2. — El quinto (articulo) creer que es Criador. Auf
der rechten Seite der Abtheilung (Abb. 275) die Zahl fünf und davor
die Hieroglyphe Artikel. Auf der linken Seite d«r Abtheilung Gott mit
dem Reichsapfel in der Hand. Oben der Sternenhimmel, unten ein aus
Knochen erbautes Haus, die Unterwelt.
■29-2
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Abb. 27b.
Abb. 277.
Abschnitt 3. — El sesto creer que es Salvador. Zur rechten
(Abb. 276) die Zahl sechs. Daneben Gott mit dem Kreuz in der einen^
die Lanze (die die Wunde in der Seite bei-
brachte) in der anderen Hand.
Abschnitt 4. — El septimo (articulo) creer
que es Grlorificador. Auf der rechten Seit«
(Abb. 277) zunächst die Hieroglyphe „Artikel''.
Darnach die Zahl „sieben''. Auf der linken Seite
der Kopf eines Priesters, — nicht Gottes, denn
das bärtige Gesicht ist mit einfachem Haar,
nicht mit dem massiven Heiligenschein dargestellt.
Und in der Mitte der Abtheilung zwei dicke
schwarze Figuren, die wie Eisenriegel aussehen
und unten verwandt werden, um den Begriif
..Gebot" zum Ausdruck zu bringen. Offenbar
sollte der mit dem heiligen Geist erfüllte Priester,
der das Leben der Gemeinde regelt, angedeutet
werden.
Abschnitt 5. — Los (articulos) que pertenecen a la Santa Humani-
dad de nuestro Senor Jesucristo son los (siete) siguientes. Das
Bild (Abb. 278) zeigt rechts zunächst eine
Figur, die an die Bälle aus Adlerdaunen
der alten Handschriften erinnert. Ich kann
sie nicht näher erklären, sie dient augen-
scheinlich hier als Trennungszeichen. Dann
folgt die Zahl sieben. Dann Kreuz und
Leidenswerkzeuge, ähnlich wie in Ab-
schnitt 3 der ersten Reihe (oben Abb. 269).
Abschnitt 6. ~ El primero (articulo)
creer que nuestro Senor Jesucristo.
en cuanto hombre fue concebido por
obra del Espiritu Santo. Das Bild
(Abb. 279, rechte Hälfte) zeigt rechts eine
Eins (einen Kreis). Darunter die Hiero-
glyphe „Artikel". Dann den heiligen Geist
als Taube und gewissermassen von ihm
ausgehend das Gesicht Gottes, wie vorher.
Von diesem Abschnitt an ist eine Konfusion in der Bezifferung zu
bemerken. Es müsste nämlich jetzt ein neuer Abschnitt mit der Ziffer 2
kommen und darin das stehen, was hier noch in demselben Abschnitt
Abb. 279 bildlich dargestellt ist. Es folgt nämlich jetzt in dem Katechismus
El segundo (articulo) creer que naciö de Santa Maria Virgen,
siendo ella Virgen antes del parto, y despues del parto. Das Bild
Abb. 278.
Abb. 279.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
293
Abb. 280.
(Abb. 279, linke Hälfte) zeigt die Jungfrau Maria, mit Heiligenschein, und
aus ihrem Leibe hervorgehend, Gott — wie vorher gezeichnet, aber mit
der Lanze, dem Leidenswerkzeug, in der Hand. Die Ziffer zwei aber,
die hier daneben stehen müsste, folgt erst im folgenden ersten Abschnitt
der dritten Reilie.
Die dritte Reihe beginnt an der linken Seite.
Abschnitt 1. — El tercero (articulo) creer
que recebiö muerte y pasion por salvar ä
nosotros pecadores. Das Bild (Abb. 280) zeigt
links zunächst die Zahl zwei, die eigentlich in
die zweite Hälfte des vorigen Abschnittes gehört.
Dann den gekreuzigten Gott. Und daneben in
dem oben mit einem Kreuz versehenen Grab den
Todten, der durch das geschlossene Auge kenntlich
gemacht ist.
Abschnitt 2. — El cuarto (articulo) creer que descendiö ä los
infiernos y sacö las Animas de los santos Padres, que estaban
esperando su santo adveni-
miento. Zunächst steht (Ab-
bildung 281) links die Ziffer
drei, die eigentlich in den
vorigen Abschnitt gehört, dar-
unter die Hieroglyphe Artikel.
Dann folgt Gott mit dem Kreuz
in der Rechten und vor ihm
ein kurzes Stückchen Weg, dessen zwei Fussspuren in den aufgesperrten
feurigen Ungeheuerrachen führen, der — ganz nach Art der altmexi-
kanischen Symbolik — das Innere der Erde oder die Hölle darstellt. In'
ihm sieht man die Seelen, die durch ein Herz veranschaulicht werden
(vgl. oben bei Blatt VI, S. 247), bezw. die Todten, die durch Köpfe mit
geschlossenen Augen dargestellt sind.
Abschnitt 3. — El quinto (articulo) creer que resucitö al tercero
dia de entre los muertos. Auf der linken Seite (Abb. 282) steht
zunächst die Zahl vier, die
eigentlich in den vorigen Ab-
schnitt gehört. Dann folgt die
Hieroglyphe Artikel. Auf der
rechten Seite sind die Todten
mit freiliegenden Rippen und
geschlossenen Augen darge-
stellt, und vor ihnen Gott mit der Lanze, dem Leidenswerkzeug, in der
Hand. In der Mitte eine zweimal winklig gebogene Figur, die wohl das
Aufstehen, Sicherheben zum Ausdruck bringen soll.
Abb. 2S1.
•J94
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Abb. 283.
Abschnitt 4. — El sesto (articulo) ereer que subio ä los cielos,
y estä seutado ii la diestra de Dios Padre Todopoderoso. Das
Bild (Abb. 283) zeigt zimächst links die Zahl fünf, die eigentlich in den
vorigen Abschnitt gehört. Dann folgt
das Gesicht Gottes und an dies sich
sehliessend eine Leiter, die zum Sternen-
himmel emporführt. Aus dem Himmel
heraus zeigt eine Hand auf einen von
eiu-em Netzwerk erfüllten Kreis, der
augenscheinlich, wie die ähnliche Figur
in dem fünften Abschnitt (von links) der ersten Reihe den Allmächtigen
Gott (Dios Padre Todopoderoso) zmn Ausdruck bringen soll.
Abschnitts. — El septimo (articulo), creer que
vendrä a juzgar ä los vivos y ä los muertos etc.
Links (Abb. '2S4l) steht zunächst die Zahl sechs, die
eigentlich in den vorigen Abschnitt gehört. Dann
folgt Gott mit dem Schwert, dem Zeichen des Richter-
amtes, in der Hand. Darnach folgten augenscheinlich
in dem einen Viereck die Todten, in dem anderen
die Lebenden. Der Rand ist aber zerstört, und von
den Bildern nicht mehr viel zu sehen.
Die erläuternden Schlussworte folgen in der nächsten Reihe.
Die vierte Reihe beginnt am rechten Ende.
Abschnitt 1. — conviene a saber, ä los buenos, para darles
gloria, porque guardaron sus santos Mandamientos. (Abb, 285.)
Zunächst rechts steht die Zahl sieben und die Hieroglyphe Artikel, die
eigentlich in den vorigen Abschnitt gehören. Dann folgt ein Haus, darin
ein Mensch und dahinter ein Zeichen wie ein Maiskolben, welches wie
Abb, 284.
Abb. 285.
unten beim dritten Gebot (Reihe 5, Abschnitt 6) als Ausdruck für „Ehren
erhalten- gebraucht wird. Das Ganze soll wohl den guten Menschen
bedeuten. Dann folgt ein Bild, das ich nicht sicher deuten kann, und
dann folgt das bärtige Gesicht des Priesters, der dasselbe Zeichen des
„Ehrens" darzubieten scheint.
Abschnitt 2 — 4. — y ä los malos, peua eterna porque no los
guardaron. Amen. .Hier bin icli nicht ganz sicher, ob nicht der erste
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Huniboldt's.
■J95
«lieser Abschnitte (Abb. 286) noch zu dem vorigen gehört. Wir sehen rechts
zunächst eine Hand mit einem Kreise, der im fünften Abschnitt das neue
Kapitel anzuzeigen scheint. Mit einer Hand beginnt ja oben auch das ganze
et
Abb. 286.
Abb. 287.
Abb. 288.
Blatt. Dann folgt die Hieroglyphe Artikel. "Weiterhin ein Kreis mit
einem Kreuz und eine halbkreisförmige Figur darüber, die ich nicht sicher
zu deuten weiss. Im nächsten Abschnitt (Abb. 287) scheinen Flammen
angedeutet zu sein und weiterhin die Köpfe
der Verdammten. Im letzten Abschnitt
(Abb. 288) ist ein am Boden liegender
Mensch, wohl auch ein Verdammter — oder
der Teufel, der zuschaut? — Weiterhin
der schwarze Eisenriegel, der den Begriff
„Gebot" veranschaulichen zu sollen scheint,
und das umgekehrte Herz, das die Seelen
in der Hölle bedeutet, das wir im zweiten Abschnitt der dritten Reilie
(oben Abb. 281) im Rachen der Erde ebenfalls schon sahen.
Mit ilem Abschnitt .5 fängt das neue Kapitel an,
die Zehn Gebote. — Der Katechismus beginnt
mit den Worten: Los mandamientos de ]a ley
de Di OS son diez. Das Bild Abb. 289 zeigt rechts
zunächst eine Hand und einen Kreis, die wohl einen
Kapitelanfang bezeichnen sollen. Dann folgt der
Eisenriegel, der vielleicht den Begritf „Gebot" zum
Ausdruck bringt. Dann die Ziffer zehn.
Die fünfte Reihe beginnt am linken
Ende.
Abschnitt 1. — Los tres primeros
pertenecen al honor de Dios. Das
Bild (Abb. 290, linke Hälfte) zeigt die
Ziffer drei und den Kopf Gottes (mit
dem massiven durchbrochenen Heiligen-
schein).
Abschnitt 2 (von dem vorigen nicht durcli einen Strich getrennt). — y los
otros siete al provecho del progimo. Das Bild (Abb. 290, rechte Hälfte)
zeigt die Ziffer sieben und einen Menschenkopf, der mit drei schwarzen
Abb. 289.
Abb. -iHO.
296
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Kugeln oder Kreisen verbunden ist. Letztere vermag ich nicht sicher zu
deuten. Sollten Geldstücke gemeint sein zum Ausdruck des provecho? —
Abschnitt 3. — El primero, amards ä Dies sobre todas las
cosas. Das Bild (Abb. 291) zeigt die Ziffer eins, dann Gott, der in
der Hand ein Herz hoch hält.
Abb. 291.
Abb. 29:;
Abb. 293.
Abschnitt 4. — El segundo, no juraras el nombre de Dios en
vano. Das Bild (Abb. 292) zeigt die Ziffer zwei, dann das Bild Gottes,
und an der rechten Seite des Halses (an der linken Seite des Bildes, unter
der Ziffer zwei) eine Hand, die auf zwei schwarze Striche zeigt, die Sym-
bolik ist mir nicht ganz klar.
Abschnitt 5. — El tercero, santificaräs
las fiestas. Das Bild (Abb. 293) zeigt die
Ziffer drei, dann wie es scheint einen ein-
gewickelten Pfeil, der wohl das „Halten, Heiligen"
ausdrücken soll, dann ein Haus mit dem Priester
darin, die Kirche.
Abschnitt 6 (von dem vorigen nicht durch
einen Strich getrennt). — El cuarto, honrar äs
ä tu padre y madre. Das Bild (Ab-
bildung 294) zeigt die Ziffer vier, dann
folgt ein Manu, der Vater, in der Hand
das einem Maiskolben ähnliche Zeichen
haltend, das wir oben schon als Symbol
für „erwiesene Ehre" kennen lernten.
In der Mitte steht das Kind, und rechts
die Mutter, kenntlich durch die Haartracht mit
dem Nackenknoten und den beiden kornartig über
der Stirn aufragenden Flechten und durch das hemd-
artige Weibergewand (uipilli). mit dem eingesetzten,
mit Quasten verzierten Fleck an der Basis des
Halsausschnitts. ^^ --^ —
Abschnitt 7. — El quinto, no mataräs.
Das Bild (Abb. 295) zeigt links die Ziffer fünf. Dann einen Mann mit
dem Schwert in der Hand, und gegenüber einen bärtigen ^lann, der ab-
wehrend die Hand vorstreckt.
Abb. 295.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's.
297
Die sechste Reihe beginnt am rechten Ende.
Abschnitt 1. — El sesto, no fornicaräs. (Abb. 296.) Rechts stand
die Ziffer sechs, von der aber nur noch ein paar Spuren vorhanden sind.
Dann folgt das Bild einer Frau, in derselben Weise wie die Mutter des
vierten Gebots (Abb. 294) gezeichnet.
Abb. 2\)G.
Abb. 29^
Abschnitt 2. — El septinio, no hurtaräs. Das Bild (Abb. 297) zeigt
die Ziffer sieben, und dann einen Mann, der sich an einem Thnrschloss
(oder einer Truhe) zu schaffen macht.
Abschnitt 3. — El octavo, no levantaras falso testimonio, ni
mentiras. Das Bild (Abb. 298) zeigt die Ziffer acht. Dann einen Mann,
■der einen schwarzen Brief überbringt.
Abb. 298.
Abb. 299.
Abschnitt 4. — El noveno, no desearäs la muger de tu progimo.
— Das Bild (Abb. 299) zeigt die Ziffer neun, dann einen Mann, der die
Hand emporhebt nach einem Weibe, das ihm gegenübersteht.
Abschnitt 5. — El decimo, no codiciaräs bienes agenos. Das
Bild (Abb. 300) zeigt die Ziffer zehn, und dann einen Mann, der die Hand
emporhebt nach den ihm gegenüber gezeichneten Dingen, nämlich einem
Thürschloss (oder einer Truhe) und einem Weibe.
Abb. 30).
Abb. 301.
Abschnitt 6. — Estos diez mandamientos se encierran en
dos. Das Bild (Abb. 301) zeigt die Ziffer zehn, und diese durch
?98
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
einen Sti'ich verbunden mit <ler Zitfer zwei. Dann folirt «lie Hieroglyphe
Artikel.
Die siebente und letzte Reihe beginnt am linken Ende.
Abschnitt 1. — En servir y amar a Dios sobre tödas las cosas.
Am linken Ende stand vielleiclit das Bild Gottes. Zu sehen ist noch
(Abb. 302) das Bild des Herzens, das hier, wie beim ersten Gebot (Ab-
bildung 291) den Begriff Lieben zum Ausdruck bringt.
^Sf-
Abb. ;3(»2.
Abb. ;>0o.
Abschnitt 2. — Y a tu progimo como a ti niismo. Das Bild
(Abb. 303) zeigt die Ziffer zwei und dann zwei Menschen, zum Ausdruck
der Xächstenliebe.
Bei der Mehrzahl der Handschriften unserer Sammlung haben wir es
nachweisen, oder glaublich machen können, dass sie scliou der grossen
Sammlung des Cavaliere Boturini angehört haben, die er, als er endlich
aus der Haft entlassen wurde, in Mexico zurücklassen musste. Ist nun
ein Gleiches auch für diese Handschrift kirchlichen Inhalts, die letzte
unserer Sammlung, anzunehmen? Boturini zählt in dem § XXY des
Katalogs seines Museo Indiano folgende Handscln-ifteu kirchlichen In-
halts auf.
1. Eine Handschrift in eilf Blättern, auf europäischem Papier, deren
Urheberschaft er dem P. Sahagun zuschreibt. Diese gehört jetzt der
Aubin-Goupilschen Sammlung an. Zwei Blätter davon sind Bl. 78 des
Goupil-Bobanschen Atlas veröffentlicht.
2. Eine Handschrift auf Agave-Papier, die er folgeudermasseu be-
schreibt: — .,Otro pedazo de Mapa con Figuras. y Cifras en papel Indiano.
Demuestra parte de dichos Misterios" (e. e. de nuestra Santa Fe).
3. Eine Handschrift in vier Blättern auf europäischem Papier und
mit Zwischenlinien mit Erklärungen in Otomi (ademäs de las figuras y
cifras, unos pocos renglones en lengua Otomi). Diese Handschrift existirt
jetzt in der Aubin-Goupil'schen Sammlung. Zwei Blätter davon sind
PI. 76 des Goupil-Boban'schen Atlas wiedergegeben.
■i. Un librito en papel Europeo de 48 fojas chiquitas. Explica con
toscas Figuras. y Cifras la dicha Doctriua. Auch diese Handschrift existirt
in der Aubin-GoupiTschen Sammlung. Zwei Blätter davon sind Blatt 77
des Goupil-Boban'schen Atlas wiedergegeben. Die Figuren sind dort
mit Erkiärungeu in Saitatl versehen.
4. Die mexikanischen Bilderschriften Alexander von Humboldt's. 299
Von den vier Bilderschriften kirchlichen Inhalts, die Boturin i besass,
sind also drei in der Aubin-Goupil'schen Sammlung enthalten, die vierte,
die bei Boturini unter Nr. 2 aufgeführte, ist bisher nicht aufgefunden
worden. Und gerade die Beschreibung dieser Bilderschrift passt genau
auf unsere Handschrift Blatt XYI. Denn auch unsere Handschrift ist auf
Agave-Papier geschrieben, und in den Darstellungen springen neben den
Figuren die Zahlen sehr ins Auge. Ich halte es daher nicht bloss für
möglich, sondern für im liohen Grade wahrscheinlich, dass unser Blatt XVI
die bei Boturini in § XXV, Nr. '1 beschriebene Bilderschrift ist.
Unsere Handschrift, so sehr sie auch den Malereien aus alter heid-
nischer Zeit nachsteht, zeichnet sich doch vor den in der Aubin-
Goupil'schen Sammlung aufbewahrten Bilderschriften religiösen Inhalts
sehr vortheilhaft durch einen gewissen energischen Zug aus. Ich habe
den Eindruck, dass die Aubin-Goupil'schen Bilder-Katechismen von
europäischen Geistlichen gezeichnet wurden, dass aber in der Zeichnung
unseres Blattes XVI die alte einheimische indianische Schulung zu
Taue tritt.
Schlusswort.
Die sechzehn (eigentlich vierzehn) Bilderschriften der Alexander
von Humboldt' sehen Sammlung, so wenig umfangreich (abgesehen von
dem ersten) die einzelnen Bruchstücke sind, geben doch eine gute Ueber-
sicht der verschiedenen Stilarten und der verschiedenen Zwecke, zu welcher
in alter heidnischer und in früher christlicher Zeit die Verwendung von
Hieroglyphen nothwendig wurde. Sie sind nicht nur von archäologischem
und kulturgeschichtlichem Interesse, sondern haben, wie wir gesehen
haben, zum Theil auch positiven historischen Werth. Scheint doch, wie
ich gezeigt habe, eine Festlegung der Chronologie nur durch die Finger-
zeige möglich, die die Handschrift I unserer Sammlung uns bietet. Einzelne
Stücke gehören der alten heidnischen Zeit an (l, III, IV). Andere sind
sicher in früher christlicher Zeit entstanden: — VI ist vor A. D. 1545,
II vor A. D. 1565 anzusetzen, XHI trägt das Datum 1569, VH das Datum
1571. Und auch die anderen Bruchstücke können nicht viel später ent-
standen sein. Was den Ursprungsort betrifft, so konnte ich I leider nicht
ganz sicher bestimmen. III und IV stammen aus Huamantla im Staat
Tlaxcallan. II aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Hauptstadt Mexico,
VI und VIII aus dem Gebiet von Tezcoco, VII und XIll aus Mizquiijau-
ailan im Lande der Otomi^ XIV vielleicht aus dem Gebiet der Chalca.
Von den Unterschieden, die bei aller sonstigen Gleichheit in Kultur, An-
300 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
schauung und Lebensweise zwischen den mexikanisch sprechenden Stämmen
bestanden, scheinen verschiedene der Handschriften ziemlich deutlich zu
reden. Und auch sonst sind sie. wie wir gesehen haben, lehrreich genug.
Aus einer Zahl von Dokumenten, die damals in Mexico dem Zufall
preisgegeben waren, hat unser grosser Landsmann, dessen Arbeitsfeld
eigentlich auf ganz anderem Gebiete lag, diese Bruchstücke gerettet.
AVenig beachtet oder, richtiger, wenig benutzt, haben sie seitdem neben
anderen handschriftlichen Schätzen in der Königlichen Bibliothek geruht.
Haben doch zum Theil erst in neuerer Zeit bekannt gewordene Sachen es
mir ermöglicht, diese Blätter einigermassen sprechen zu machen.
Im vergangenen Jahre feierte man die vierliundertj ährige Wiederkehr
des Tages, an welchem der Entdecker Amerika's, Columbus. den Boden
der neuen Welt betrat. Binnen wenigen Jahren wird man die hundert-
jährige Wiederkehr des Tages feiern können, an welchem der wissen-
schaftliche Entdecker der neuen Welt. Alexander von Humboldt, seine
Wanderungen auf jenem Kontinente begann. Möge dieses Buch, das die
Bearbeitung der einzigen seiner Sammlungen darstellt, die bisher un-
bearbeitet blieb, des grossen Xamens, den es an der Spitze trägt, nicht
ganz unwürdig; sein.
5. Der Codex Borgia. 301
5.
Der Codex Borgia.
Globus. Bd. LXXIV. S. 297-302: 315—319. (19. und 26. NoTember 1898.)
VorbemerkuDg.
Der hier folgende Aufsatz und die darnach als Nr. 6 abgedruckte kurze Notiz über
die Bilderhaudschrift der Universitätsbibliothek von Bologna behandeln Handschriften
kalendarisch-augurisch-astronomischen Inhalts. Ueber dieselbe Klasse von Bilderschriften
habe ich seitdem auf Anregung und im Auftrag S. Exzellenz des Herzogs von Loubat
mehrere besondere Schriften verfasst, die auf Kosten S. Exzellenz des Herzogs von
Loubat gedruckt wurden, und die in eingehender und ausführlicher Weise den Inhalt
dieser Bilderschriften behandeln und einen vollständig erläuternden Kommentar zu ihnen
geben. Es sind die folgenden:
1. Das TonalamaÜ der Aubin' sehen Sammlung. Berlin 1900.
(English Edition by A. H. Keane. Berlin and London 1900—1901).
2. Codex Fejerväry-Mayer. Berlin 1901.
(English Edition by A. H. Keane. Berlin and London 1901—1902).
3. Codex Vaticanus Nr. 3773. Berlin 1902.
In Folge der eingehenden Untersuchungen, die ich hierbei anzustellen veranlasst
war, bin ich über verschiedene Punkte zu anderen Anschauungen gelangt, als ich sie in
meiner ursprünglichen Arbeit über den Codex Borgia vortragen zu müssen glaubte. Ich
habe daher, in dem hier vorliegenden Abdruck, an verschiedenen Stellen Aenderungen
vorgenommen. Auch die Zahl der Abbildungen ist gegenüber der der Originalarbeit
beträchtlich vermehrt worden.
Vor wenigen Jahren ist der vierhundertjährige Gedenktag- der Ent-
deckung Amerikas mit mehr oder minder Pomp überall auf dieser und
jener Seite des Ozeans gefeiert worden. Es hat indessen nicht an Stimmen
gefehlt, die es eigentlich bedauerten, dass Amerika so zeitig entdeckt
worden ist, dass seine Entdeckung in eine Zeit fiel, wo mau für die be-
rechtigten Eigenthümlichkeiten fremder Völker noch weniger Verständniss
hatte als heute, und dass die amerikanische Menschheit nicht noch ein
paar Jahrhunderte länger Zeit gehabt hat, die ihr eigene Kultur selb-
ständig weiter zu entwickeln. Ganz besonders mag man es bedauern, dass
die Ansätze zu einer Gedankenmittheilimg durch die Schrift, die wir bei
den mittelamerikanischen Völkern finden, nicht zur weiteren Ausgestaltung
gelangt sind. Dem Umstände, dass zur Zeit, als Amerika entdeckt wurde,
doch nur erst Ansätze zu einer solchen Mittheilung vorhanden waren, ist
:^0"2 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
es jedenfalls zuzuschreiben, dass so wenig von der alten Litteratur, der
alten Geschichte und der alten Wissenschaft dieser Stämme aufgezeichnet
■worden ist. und dass wir auch das Wenige von dem Wenigen, was auf uns
gekommen ist, noch lange nicht vollständig und mit Sicherheit zu deuten
verstehen. Immerhin gehören die spärlichen Proben der einheimischen
Litteratur. die ein gütiges Geschick uns erhalten hat. zu den interessantesten
schriftlichen Denkmälern der alten Kultur jeuer Stämme.
Merkwürdiger Weise ist es nicht die Heimath der Entdecker und Er-
oberer Amerikas, wo die interessantesten Reste der altamerikanischen
Zivilisation sich erhalten haben. Die wenigen Erzeugnisse der kunstvollen
altmexikanischen Federarbeit, die bis in unsere Zeiten sich gerettet haben,
befinden sich in Wien und Stuttgart. Was von den farbenprächtigen Mosaik-
inkrustationen übrig geblieben ist. muss man in Italien, in Deutschland und
in England suchen. Die schönste, umfangreichste und ihrem Inhalte nach
bedeutendste jukatekische Handschrift liegt in der Bibliothek in Dresden.
Und die schönsten und interessantesten der eigentlich mexikanischen Hauda—
Schriften sind in den Büchereien Italiens zu finden. \ Eine nicht minder
interessante scheint allerdings erst in neuerer Zeit auf nicht ganz rein-
lichen Wegen von Spanien nach Frankreich verschleppt worden zu sein.
Unser grosser Landsmann Alexander von Humboldt war es. der
zuerst die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf die drei in italiänischen
Bibliotheken aufbewahrten Bilderschriften lenkte und in dem Atlas zu seinen
„Yues des Cordilleres et Monuments des peuples indigeues de rAmerique"
Proben von ihnen gab. Xachmals sind, mit den anderen damals bekannten .
mexikanischen Bilderschriften, auch diese drei Handschriften in die grosse
Sammlung aufgenommen worden, die Lord Kingsbor ough unter dem
Titel „Mexican Autiquities" herausgab. Es war das ein hochbedeutsames
Unternehmen, und der Herausgeber, sowie die Künstler, die die Kopieen her-
stellten, haben sich den bleibenden Anspruch auf die Dankbarkeit aller für
diese Wissenschaft Interessirten erworben. Immerhin begreift man, dass auch
der beste Wille und das bedeutendste Können nicht ausreichten, um diese
Fülle fremdartiger Formen und krauser Symbole unter allen L'mständen
richtig wiederzugeben. Es ist deshalb mit ausserordentlicher Freude zu
begrüsseu, dass ein hochherziger Förderer amerikanischer wissenschaft-
licher Bestrebungen, Seine Excellenz der Herzog von Loubat, es unter-
nahm, von den drei berühmten, in den italienischen Bibliotheken auf-
bewahrten mexikanischen Bilderschriften eine Faksimile-Ausgabe, wie sie
die Mittel unserer heutigen photograjiliischen Technik ermöglichen, auf
seine Kosten herstellen zu lassen. Nachdem schon im vergangenen Jahre* 1
der Codex Yaticanus Xr. 3773 — die in der Regel als Codex Yaticauus B
angeführte Handschrift — in dieser Weise veröifentlicht und mit grosser
Liberalität an öffentliche Institute und au Fachgelehrte vertheilt worden
ist. ist jetzt in ähnlicher Yollendung eine Faksimile-Ausgabe des Codex
5. Der Codex Borgia. 303
Borgia erschienen und zur Austheilung gelangt. Und der Codex Bologna
wird binnen knrzem folgen.
Auf welchem Wege diese drei Bilderschriften nach Italien gelangt
sind, darüber ist nichts bekannt. Von dem Codex Vaticanus hat der Prä-
fekt der vatikanischen Bibliothek, P. F. Ehrle, nachgewiesen, dass seiner
schon in einem Inventar Erwähnung geschieht, das in den Jahren 1596
bis 1600 geschrieben worden ist. Von dem Codex Bologna gibt Hum-
boldt an, dass auf seinem ersten Blatte sich der Vermerk befindet, dass
er am 26. Dezember 1665 von dem Grafen Valeriano Zani an den
Marchese Cospi verkauft worden ist. Und von dem Codex Borgia be-
richtet ebenfalls Humboldt, dass er der Familie Giustiniani gehört
zu haben scheint, dass er durch irgend einen unglücklichen Zufall der
Dienerschaft dieses Hauses in die Hände gekommen ist, die ihn den
Kindern zum Spielen gaben.^ Den Händen der Kinder, die schon versucht
hatten, ein paar Blätter anzubrennen, entriss der Kardinal Borgia das
kostbare Manuskript, das seitdem einen Hauptschatz erst des Privatmuseums
des Kardinals und dann der Bibliothek der Congregatio de propaganda
fide bildete. Der P. Ehrle hält diese Geschichte für durchaus zuver-
lässig, da einerseits erwiesenermassen die Familie Giustiniani eine
Galerie besass, deren hauptsächlichste Stücke in einem in Rom im Jahre
1651 gedruckten zweibändigen Foliowerke abgebildet sind, andererseits
Humboldt dem Xeft'en des Kardinals Borgia, dem Cavaliere Camillo
Borgia, eng befreundet war, also wohl in der Lage war, authentische
Information darüber, wie dies Stück in den Besitz der Familie Borgia
gelangt ist, zu erhalten.
Diese altmexikanischen Bücher sind lange Streifen aus Hirschleder,
beim Vaticanus von 1272 <^^* Höhe und 7,35 7n Länge, beim Codex Borgia
von 27 cvi Höhe und nahezu 11 m Länge, die aus kürzeren Streifen zu-
sammengeklebt, mit einem weisseu, stuckartigen Ueberzuge versehen und
auf beiden Seiten bemalt sind. Die Malereien sind in Feldern gleicher
Grösse angebracht, und nach der Grösse dieser Felder ist der ganze
Streifen zusammengefaltet und in die Form eines Buches gebracht, das
aussen mit Holzdeckeln versehen wurde.
Was den Inhalt dieser drei Bilderschriften betrifft, so habe ich schon
in einer im .lahre 1887 veröffentlichten Allhandlung ^) den Nachweis er-
bracht, dass derselbe ausschliesslich kalendarisch und astrologisch ist, und
dass die einzelnen Stücke in gleicher Art, nur in anderer Reihenfolge, in
allen drei Bilderschriften und noch ein paar anderen sich wiederholen.
, Das TonalamatL der (hirch die Kombination von 13 Zahlen und 20 Zeichen
sich ergebende Zeitraum von 260 Tagen, ist es, dessen Darstellung, in
1) „Der Codex Borgia und die verwandten aztekischen Bilderschriften." Zeit-
schrift für Ethnologie XIX, S. 105 ff. [oben S. 130—144].
304
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
verschiedenen Anordnungen und mit den für die einzelnen Abschnitte
massgebenden göttlichen Potenzen, der grösste Theil der Blätter dieser
Handschriften gewidmet ist. Was mir damals aber noch nicht ganz klar
war, ist, dass daneben, ausser der Periode von 52 Jahren, die sich un-
mittelbar aus der TowaZama^Z-Rechnung und der Annahme einer Jahreslänge
von 365 Tagen ergibt, auch die Yenusperiode, d. h. der 584 Tage um-
fassende scheinbare Umlauf der Yenus, auf verschiedenen Blättern zur
Anschauung gebracht ist. Ich habe darüber erst vor Kurzem, in der
Julisitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft, Näheres berichtet.
Alle drei Bilderschriften beginnen mit der vollständigen Darstellung
des TonalamatV?, in Kolumnen von je fünf Tagen geordnet^). Schon diese
Anordnung ist, wie es scheint, durch die Yenusperiode veranlasst. Denn
die Beobachtung ergab, dass auf die Anfangstage der Yenusperiode nur fünf
von den 20 Tageszeichen fallen. Jede Kolumne ist am Kopfe und am
Fusse von der Figur eines Gottes oder einem Symbol begleitet, die wohl
für die der Kolumne angehörigen fünf Tage als massgebend gelten sollten.
Yon Bedeutung sind die in den Yiertelanfängen stehenden Figuren, da man
jedes der vier Yiertel des in dieser Weise angeordneten TonalamatV ^ einer
der vier Himmelsrichtungen unterstehend und durch sie bestimmt dachte.
Am Anfang des ersten Yiertels steht Quetzalcouatl auf dem Wasser
(Abb. 1), der Windgott, der Priestergott, der Herr von Tula, der nach
den Ländern am Ostmeer zog und dort verschwand, und dessen Herz nach
1) Die Reproduktion Kingsborough's beginnt mit dem falschen Ende und
ist im Allgemeinen von hinten nach vorn zu lesen. Um Solchen, die den Codex
in Naturwiedergabe nicht einsehen können, das Aufsuchen der Blätter in dem
"Werke Kingsborough's zu ermöglichen, stelle ich hier die entsprechenden Blätter
der beiden Ausgaben zusammen.
Codex Borgia-
Faksimüe, heraus-
gegeben vom
Herzog
von Loubat
Reproduktion in
Kingsborough's
Mexican
Antiquities,
Vol. III
Codex Borgia-
Faksimile, heraus-
gegeben vom
Herzog
von Loubat
Reproduktion in
Kingsborough's
Mexican
Antiquities,
Vol. III
Blatt 1— <S
-
Blatt 38—31
Blatt
47, 48 =
Blatt 68, 67
9—13
—
„ 30-26
■)■>
49—53 =
., 66—62
14
=
„ 25
>;
53, 54 =
., 62, 61
., 15—17
=
„ 24-22
■)■>
55
60
,, IS -21
=
:, 21 — 18
55
56
59
., 22—24
=
„ 17—15
55
57
„ 58
25
=;
14
55
58—60 =
.. 57—55
26
=
13
55
61-70 =
.. 54—45
27
=
12
1?
71
44
2«
=
11
55
72
43
„ 29-35
=
., 10- 4
55
73
,5 42
„ 36—38
=
„ 3- 1
55
74
41
.. 39—42
=
„ 76—73
55
75, 76 -
„ 40, 39
., 43 46
=
„ 72-69
5. Der Codex Borgia.
305
seinem Tode in den Morgenstern sich verwandelte. Ueber ihm, in der-
selben Kolumne, der Priester im Tempel, Knochenpfriem und Agavespitze,
die Sym1)ole der priesterlichen Kasteiung, in der Hand haltend.
Am Anfang des zweiten Viertels sehen wir Tezcatlipocu, den nächt-
lichen, den allgegenwärtigen, alles schauenden, der von einigen mit dem
Abb. 1. Qiidzah'ouuil als Priester.
Eegent des ersten Tonalumail-
Viertels cp dpactU „eins Krokodil"*.
Abb. 2, Tezcatlipocu. Regent des
zweiten ro««/«wafZ- Viertels t-e
ocelotl „eins .Jaguar".
^
Abb. 3. Die Erd- und Maisgöttin,
mit dem Kopfe des Regengottes
Tlaloc. Regentin des dritten Tonal-
ff«/rt/Z- Viertels ce magatl „eins
Hirsch«.
Abb. 4. Der herabkommende
Sonnengott.
Regent des vierten Toiialamatl-
Viertels ce xochitl „eins Blume".
Gestirn des Nordhimmels, dem grossen Bären identifizirt wird (Abb. 2).
Vor seinem Munde sieht man im Codex Borgia eine Kette von fünf Perlen,
die in einer Blume endet, und über ihm, in derselben Kolumne, eine
weibliche Gottheit, im Tempel sitzend, mit derselben in eine Blume
endenden Perlenkette vor dem Munde, während im Codex Vaticanus am
Kopf der Kolumne ein weiss- und rothgestreifter feuerbohrender Gott dar-
gestellt ist.
Seier, Gesammelte Abhandlungen I.
20
30t> Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Am Anfang des dritten Viertels stellt, neben blühenden Maispflanzeii
eine weibliche Gottheit, die im Codex Borgia (Abb. 3, Ö. 305) als Kopf
den des Regeugottes Tlaloc, im Yaticanus aber einen Schädel trägt.
Offenbar ist die Erdgöttin, die im Westen hausende, gemeint.
Der Anfang des vierten Viertels endlich wird durch den herabfallenden
Sonnengott, mit dem Steinbeil in der Hand, bezeichnet (Abb. 4, S. 305),
der aber im Codex Yaticanus um eine Kolumne verrückt erscheint.
Die am Fuss und Kopf der übrigen Kolumnen stehenden Figuren und
Symbole entspreciien einander ebenfalls in den drei Handschriften, doch
erscheinen sie vielfach in der einen Handschrift gegen die andere verrückt,
und es sind Auslassungen einiger Figuren und Einschaltungen anderer zu
konstatiren. Man gewinnt den Eindruck, dass sie nicht so sehr für die
eine bestimmte Kolumne als für das ganze Viertel Bedeutung haben, also
einer der vier oben genannten, die vier Himmelsrichtungen repräsentirenden
Hauptfiguren untergeordnet sind.
Die unmittelbare Uebereinstimmung der drei Handschriften beschränkt
sich auf dieses erste Stück. AVeiterhin weichen sie. sowohl in der Zahl,
wie in der Anordnung der Stücke, die sie enthalten, sehr von einander ab.
Die Stücke selbst aber sind in der Mehrzahl in den drei Handschriften
die gleichen, obwohl jede ein oder mehrere Stücke zählt, die ihr eigen-
timmlich sind, die den anderen Handschriften fehlen.
Im Codex Borgia folgt auf das Tonalamatl zunächst eine Reihe von
'20 Gottheiten, die den "20 Tageszeichen zugeschrieben sind. Der Codex
Borgia zeichnet sich durch künstlerische Ausführung der Figuren und
Symbole und durch Farbenpracht aus. Es ist eine kalligraphische Hand-
schrift. In diesem Stücke z. B., und noch mehr in einem der späteren,
kann man die in vollendeter Art und zum grössten Theil in ganzer Figur
~ OD
ausgeführten Formen der Tageszeicheu bewundern. "SVas die Reihe der
Gottheiten betrifft, so habe ich seiner Zeit den ausführlichen Nachweis \
erbracht^), dass sie im Wesentlichen die gleiche ist wie die mit Tonacate-
cutli „dem Herrn unseres Fleisches*\ dem Herrn der Lebensmittel, dem
Herrn der Zeugung beginnende Reihe, welche an einer anderen Stelle
der Handschrift den Aufangstagen der 20 Abschnitte des Tonalamatl zu-
geschrieben wird. Nur eine merkwürdige Ausnahme findet statt. An
elfter Stelle, auf die in der Reihe der Anfaugstage der Tonalamatl-
Abschnitte dasselbe Zeichen, ofomatli, „Affe"", fällt, das auch in der Reihe
der Tageszeichen das elfte ist, ist in der Reihe der Gottheiten der Tages-
1) Das Tonalamatl der Au bin' sehen Sammlung. Comptes rendus, VHP'"«
Session du Congres international des Araericanistes. Berlin 1888. — [Diese Ab-
handlung ist in die gegenwärtige Sammlung nicht aufgenommen worden, weil sie
durch die Erläuterungen, die ich neuerdings im Auftrage des Herzogs von Loubat
als Text zu der von ihm veranstalteten Faksimile-Ausgabe des TonalamaWs der
Au bin 'sehen Sammlung geschrieben habe, überholt ist.]
5. Der Codex Borgia. 307
zeichen ein besonderer Gott eingeschoben, dem, wie ich glaube, der Name
Xochipilli zukommt, der das Ansehen und die Bemalung des Sonnengottes
zeigt, aber verbunden mit einer weissen Zeichnung um den Mund, die die
Gestalt eines Schmetterlings erkennen lässt, und der in verwandtschaftlicher
Beziehung zu Macuilxochitl, dem Gott der Spiele, zu stehen scheint. Es fällt
in Folge dessen die letzte Figur der anderen parallelen Reihe fort. Man
ist versucht, als Grund für diese Abweicliung anzunehmen, dass die Kalender-
gelehrten, welche diese Reihen entwarfen, die Zweideutigkeit vermeiden
wollten, die dann entstehen würde, wenn sowohl in der Reihe der Tages-
zeichen wie in der der Tonalamatl- Ahschmtte an der einen Stelle dasselbe
Zeichen und dieselbe Gottheit zusammenkämen. Es mag aber auch sein,
dass das letzte Tageszeichen, xochül, „Blume", die vorletzte Gottheit, Xochi-
quetzat^ die Göttin der Blumen, an sich zog und dadurch eine Verschiebung
bewirkte, die in der Mitte. <1. h. an der elften Stelle, durch die genannte
Einschaltung ihre Ausgleichung erhielt^).
Auf diese Tageszeichenreihe folgt im Codex Borgia ein Blatt, auf
dem die sogenannten ^.neun Herren der Nacht" dargestellt sind. Es sind
das neun Gottheiten, die in den vollständiger ausgeführten Tonalamatl in
einander folgenden Reihen die einzelnen Tage des Tonalamatt s, begleiten.
Die Veranlassung zur Aufstellung dieser Reihe mag man in einer Zahlen-
mystik suclien. denn die Zahl 9 hatte ohne Zweifel, gleich der Zahl 7
und der Zahl 13, bei den Mexikanern eine geheimnissvolle Bedeutung.
Das Tonalamatl z. B., das auf den ersten Blättern des Codex Borgia dar-
gestellt ist, ist dort durch diakritische Zeichen in 9x9—7x7 — 9x9
— 7 X 7 Tage getheilt. Es kann aber auch sein, dass die Zahl 9 aus den
vier um die Mitte geordneten Kardinalpunkten und den intermediären
Richtungen kombinirt wurde. Im Codex Vaticanus sind in der That diese
neun Herren auf denselben Blättern unter neun Göttergestalten zu sehen,
von denen vier, den Himmel tragend, die Hauptrichtungen, vier andere,
dazwischen gestellte, die intermediären Richtungen darzustellen scheinen,
während der neunte, eine in den Erdrachen stürzende Gestalt, die Mitte
oder die Richtung von oben nach unten zum Ausdruck bringt. Der in
der Reihe der neun Herren an fünfter Stelle stehende Todesi^ott w^ürde
1) Entgegen dem, was ich hier noch angenommen habe, bin ich jetzt zu der
Anschauung gelangt, dass die 7'o7?a/ümö//- Gottheiten ursprünglich als Ver-
anschaulichungen oder Verkörperungen der Natur der Tageszeichen gedacht sind,
und diese Reihe erst nachtriiglich 'als Regenten auch für die zwanzig Dreizehn-
heiten des TonalamaiV^ verwendet worden sind. Es hat also, wie ich jetzt meine,
nicht eine Einschaltung an eilfter Stelle stattgefunden, sondern umgekehrt, der
das eilfte Tageszeichen nvoniotH repräsentirende Gott Xochipilli ist hei der üeber-
tragung der Reihe der Tageszeichen-Regenten auf die zwanzig Dreizehnheiten des
Tonalaniatrs ausgefallen, und man hat denn, zum Ausgleich, am Schluss der
Reihe der Regenten des TonalamatVs eine andere Gottheit, den Feuergott, hin-
zugefügt.
20*
308
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
dann wohl als die Mitte, oder die Richtung nach unten bezeichnend an-
zunehmen sein, und um diesen herum würden die anderen entsprechend
zu vertheilen sein*).
Die folo-enden Blätter. 15 bis 17. des Codex Borijia enthalten dann
eine merkwürdige Darstellung, die — gleich der vorigen — nicht nur im
Codex Vaticanus. sondern auch in einer anderen in diese Gruppe gehören-
den Handschrift, dem Codex Fejerväry, sich wiederholt. Es sind vier
einander folgende Reihen von je fünf Gottheiten. Alle, unzweifelhaft
wenigstens die Glieder der ersten Reihen, sind in priesterlicher Handlung
dargestellt. Die der ersten Reihe bohren einer vor ihr stehenden nackten
menschlichen Figur mit einem spitzen Knochen das Auge aus (vgl.
Abb. 5). Das ist ein bekanntes Symbol priesterlicher Kasteiung. der
Blutentziehung zu Ehren der Gottheit. Die Glieder der zweiten Gruppe
Abb. ."). Der Gott des Ostens.
Abb. 6. Xochtpilli, der Gott der Lebens-
mittel und der Blumen.
bringen mit einer Handbewegung, die ein Geben ausdrückt, ein ver-
kleinertes Abbild von sich dar (vgl, Abb. 9, 10, unten S. 310). Das ist
ein unzweifelhaftes Symbol des Menschenopfers. Wir wissen aus Sahagun.
dass man an den verschiedenen Jahresfesten jedesmal das Abbild der Gott-
heit des Festes opferte. Schwieriger ist die Handlung zu deuten, in der
die Figuren der dritten Reihe dargestellt sind. Man sieht sie einer
menschlichen Figur, die auf dem einen Blatte des Vaticanus auf dem Opfer-
steine liegend dargestellt ist, einen gelben, wellig begrenzten Streifen vom
Leibe ziehen, der in Blumen oder Schellen endet (vgl. Abb. 6). Man
könnte an ein Herausziehen der Seele denken. So habe ich es selbst früher
1) Auch hier bin ich jetzt zu anderen Anschauungen gelangt. \Vie ich in
meinem y^Tonalamatl der Au bin "sehen Sammlung", Berlin 1900, S. 18—21 und
25 — 26 näher begründet habe, sind diese neun Gottheiten als die Hüter der
neun Stunden der Nacht aufzufassen, denen dreizehn andere Gottheiten als
die Hüter der dreizehn Stunden des Tages gegenüberstehen.
5. Der Codex Borsria.
30i)
tn-klärt. Aber, da die eine Gottheit dieser Reihe Xipe Totec ist (Abb. 7),
da der Streifen durch seine Farbe, die im Codex Yaticanus nicht nur
gelb, sondern gelb und roth punktirt gemalt ist, und durcli die wellige
Begrenzung ganz an die Art erinnert, wie in den Bilderschriften die ab-
gezogene Menschenhaut, in der Xipe einhergeht, wiedergegeben wird, so
könnte es auch sein, dass die Gottheiten dieser Reihe die priesterliche
Handlung des Menschenschindens, das tlaca,vipeualiztli, zum Ausdruck
bringen sollen. Die vierte Reihe bilden weibliche Gottheiten, an deren
^^Y>^■>:>^^l^^u\'
Abb. 7. Xipe Totec „Unser Herr, der Geschundene".
Abb. 8. Chalchiuhtlicue, die Göttin des Wassers.
Brüsten nackte menschliche Figuren saugen (vgl. Abb. 8). Das scheint mir
zweifellos die priesterliche Handlung des tlatlatlaquaUliztli , des Nährens
der Götter mit dem Blute der Opfer, zum Ausdruck bringen zu sollen.
Sämmtliche Figuren dieser vier Reihen sind von je vier Tageszeichen
begleitet, die in der Ordnung, wie sie in der Reihe der 20 Tageszeichen
stehen, einander folgen. Das gibt zusammefi 4 X 20 oder 80 Tage.
Diese 80 Tage haben weder mit dem Tonalamatl, noch mit dem Jahre,
noch mit einer anderen Periode unmittelbar etwas zu thun. Auch aus
310
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
mystischen oder zahlentheoretischen Erwäüungen ist die Heraiishebung der
Zahl 80 schwer zu verstehen. Die mittleren, die dritten Glieder sämmt-
licher Reihen, werden von dem Todesgott gebildet. So kann man, wie
Itei der Reihe der neun Herren, an eine Beziehung zu den Himmels-
richtungen denken. Eine solche liegt zweifellos in gewisser AVeise vor.
Doch erklärt sie nicht das Ganze. Dagegen sind die ersten der vier
Tageszeichen, die bei den Figuren stehen, genau die Zeichen, die auf die
Anfangstage der Yenusperioden fallen, wenn man die erste A'enusperiode
mit dem ersten der 20 Tageszeichen beginnen lässt. Es sind die fünf
Zeichen:
cipactli, Krokodil,
couatl, Schlange,
atl^ Wasser,
acatl, Rohr,
olin, Bewegung.
Abb. 9. MixeoiiatI, der Gott der Jagd,
der mit dem Morgenstern identifizirt
•wird und dessen Gesichtsbemalung trägt.
Abb. 10. TlanizcalpantecKtli, als Gott
des Abeudsterns.
Und zwar stehen sie bei den Figuren dieser Blätter genau in der Folge
wie sie auf die Aufangstage der einander folgenden Venusperioden folgen
würden. Erwägt man, dass die Beobachtung des 3Iorgensterns mit dem
Kultus QitetzaIcouatl'& in Zusanmieuhang gebracht wird, der bei seinem
Tode in den Morgenstern sich verwandelt haben soll, und dass dieser Gott
als der Erfinder der priesterlichen Uebungeu und der priesterlichen
Wissenschaft genannt w4rd, und zieht man in Betracht, dass wir auf diesen
Blättern die vier priesterlichen Handlungen symbolisch zum Ausdruck
gebracht finden, und dass wir unter den Figuren nicht nur das Bild Quetzal-
couatrs, sondern auch die Gottheit des Planeten Yenus, und zwar in
ihren zwei Formen, als Abend- und als (der mit dem Gotte der Jagd
identifizirte) Morgenstern, antreffen (Abb. i» und 10), so wird man sich der
Folgerung nicht entziehen können, dass in der That hier auf diesen
Blättern die Anfangstage der Yenusperioden haben dargestellt werden sollen,
5. Der Codex Borgia. 311
und es gewinnen diese seltsamen und wunderlichen Darstellungen, denen
nuui rathlos gegenüberstand, damit Sinn und Bedeutung.
Sind nun die Anfangszeiciien in den einzelnen Abschnitten dieser
Blätter in der That als Anfangstage der Yenusperioden gedacht, so können
die anderen Zeichen nur die Bedeutung haben, von dem einen der Anfangs-
tage zu dem anderen überzuleiten. Es sind demnach nicht 80 Tage hier
dargestellt, sondern 20 Venus})erioden, und das ist ein Zeitraum, der nicht
nur vermöge der Zahl 20 eine zusfimmenfassende Bedeutung hat, sondern
in den 4x5 Venusperioden genau 4x8 Sonnenjahren, das Sonnenjahr zu
StJf) Tagen genommen, gleich ist.
Das Tonalamatl, die 20 Tageszeichen, die neun Herren und die Venus-
periode, die sind also zunächst nach einander auf diesen ersten Blättern
des Codex Borgia zum Ausdruck gebracht. Auf Blatt 17 blieb noch ein
Kaum, der ist mit einer grossen Figur des Gottes Tezcaüipoca ausgefüllt,
dessen verschiedenen Körpertlieilen und Trachtbestandtheilen — eine
häufige Zusammenstellung — die 20 Tageszeichen eingeschrieben sind.
Im Uebrigen konnte nunmehr zu einer näheren Ausführung des auf den
Anfangsblättern Vorgeführten oder zu anderen Darstellungen geschritten
werden.
Es folgen zunächst vier grosse, prächtig gezeichnete Blätter, die sich
in je zwei, augenscheinlich zusammengehörige Darstellungen, eine untere
and eine obere, gliedern, die aber durch die beigeschriebenen Tageszeichen
in der Weise mit einander verbunden sind, dass der Fortgang in der unteren
Reihe der Folge der Codex-Blätter entsprechend, in der oberen rückläufig
ist, und dass die Gesammtheit der Tageszeichen und der durch Kreise an-
gegebenen Differenzzahlen genau ein in fünfgliedrige Kolumnen geordnetes
Tonalamatl ergeben. Wir haben also anscheinend weiter nichts als ein
viergetheiltes Tonalamatl. Auf dem ersten Blatte sieht man unten den
Sonnengott, mit Räucherlöffel und Räucherwerk; oben in vom Mond er-
hellter Nacht den Todesgott und die Todesgöttin. Auf dem zweiten Blatte
ist oben die Gottheit des Abendsterns, unten Quetzalcouatl und der Abend-
stern einander gegenüberstehend dargestellt (Abb. 11, S. 312). Das dritte
Blatt zeigt uns unten die Wassergöttin, oben den Regengott. Das vierte
Blatt, unten und oben, den schwarzen und den rothen Tezcatlipoca. Die
untere Hälfte dieses Blattes habe ich hier in der Abb. 12, S. 313 wieder-
gegeben. In den anderen Handschriften ist für diese vier Blätter keine
Parallele vorhanden.
Auf Blatt 22 ist ein todter weisser Hirsch und ein lebender, aber
vom Speer durchbohrter brauner Hirsch dargestellt. Bei dem ersteren ist
durch Tageszeichen und Differenzzahlen das erste Tonalamatlviertel, bei
dem letzteren das zweite Viertel des aus fünfgliederigen Säulen aufgebauten
Tonalamatl's zum Ausdruck sebracht. Im Codex Vaticanus stehen diese
beiden Hirsche vor den Reihen der fünf Ciuateteö und der fünf Macuil-
31-J
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
jcochitl, die, wie ich unten noch zu erwähnen haben werde, das dritte und
das vierte Viertel des in derselben Weise angeordneten TonalanmtV^
repräsentiren.
Auf diese Reihe folgt im Codex Borgia eine zweite Keihe von zwanzig,
den zwanzig Tageszeichen zugeschriebenen Gottheiten, die au< anderen
Elementen zusammengesetzt ist wie die vorhin besprochene Tageszeichen-
5. Der Codex Borgia.
313
reihe. Diese Reihe fängt nicht mit Tonacatecutli, dem Herrn der Lebens-
mittel, sondern mit einer Gottlieit an, die mit dem Schmuck und den
priesterlichen Attributen QuetzalcouaÜ\ ausgerüstet ist und auf einem cipactli-
Rachen stehend, dem Wasser entströmt, dargestellt ist (Abb. 13, S. 314).
Ich habe diese Gottheit früher für ident mit Quetzalcouatl gehalten, sie
unterscheidet sich aber von diesem CJotte durch die blaue Körperfarbe
314
Zweiter Abschnitt: Bildei-scliriltcn.
iintl die halli blaue, halb rothe (Tesichtsbemalung-. In meiner Erläuterung-
des Codex Fejerviiry-Mayer habe ich es näher begründet^), dass diese
(rottheit mit Xolotl, dem Gotte des Ballspiels und der Zwillinge zu identi-
tiziren ist. Tritt also schon in diesem Anfangsgliede der Reihe eine starke
Differenz zu Tage, so sind auch bei den übrigen Zeichen beträchliche
Abweichungen zu konstatiren. Nur an einigen Stellen berühren sich die
beiden Reihen. So an der elften, bei dem Zeichen ocomatli^ „Affe", bei
dem in dieser Reihe der Gott der Musik dargestellt ist. In den anderen
Handschriften hat diese Reihe keine Parallele.
Auf den folgenden beiden Blättern haben wir wieder Darstellungen,
bei denen der Zusammenhang mit der Yenusperiode klar vorliegt. Auf
Blatt 2') sind, an die vier Ecken vertheilt, vier grosse Götterfiguren zu
.\bb. 13. Xolotl, Regent des ersten Tageszeichens cipadli.
sehen. Die 20 Tageszeichen sind ihnen beigeschrieben, aber so, dass
dadurch ein bestimmter Drehungssinn (entgegengesetzt ••der Bewegung des
Uhrzeigers) vorgeschrieben ist. Das Tageszeichen olin, „Bewegung", aber
ist gross und mit der Ziffer „zehn" versehen in die Mitte des Blattes ge-
stellt. Dass es sich auf diesem Blatte um die Venusperiode handelt, er-
gibt sich aus der Natur des Datums, das die Mitte des Blattes einnimmt.
Auf dieses Datum matlactli olin, „zehn Bewegung", fällt nämlich der An-
fangstag der fünften Yenusperiode, wenn man die erste mit 1. cipactU be-
ginnen lässt. Es machön diese fünf Yenusperioden gerade einen Zeit-
raum von acht Jahren aus, und es würde danach die neue, sechste
Venusperiode wieder mit einem Tage cipactli beginnen. Die Götter-
figuren, die in den vier Ecken abgebildet sind, sind somit entweder al»
1) Berlin 1901. S. 51, 154, 155.
5. Der Codex Borgia.
315
die nach den vier Himmelsrichtungen vertheilten Regenten dieses Zeit-
raumes von fünf Venusperioden oder acht Jahren anzusehen, oder, was
vielleicht wahrscheinlicher ist, als die Repräsentanten der vier ersten
Venusperiodeu, die sich, nach den vier Himmelsrichtungen vertheilt, um
das Zentrum, die fünfte Periode, ordnen, die, in der Mitte des Blattes, nur
durch das Anfangsdatum „zehn Bewegung" gekennzeichnet ist. Das
Anfangstageszeichen cipactli steht bei der Gottheit, die in der rechten
oberen Ecke des Blattes dargestellt ist. Diese würden wir demnach als
Repräsentanten der ersten, mit 1 cipactli beginnenden Venusperiode und
zugleich der Region des Ostens anzusehen haben. Es ist ein, nach Art
Abb. 14. Gott des Ostens, Repräsentant der ersten Venusperiode.
der Pulquegötter, durch halb schwarze, halb rothe Gesichtsbemalung aus-
gezeichneter Gott, von wildem, thierischem Ansehen, der ein Bündel Steiu-
messer und eine Schlange im Munde führt (Abb. 14). Ich habe diesen
Gott früher mit TepeyolloÜ identifizirt. Das ist mir neuerdings zweifelhaft
geworden. Dagegen ist er sicher mit dem chicome couatl der Wiener Bilder-
handschrift^) in Verbindung zu bringen. Als Repräsentant der zweiten, mit
l;-} couatl (Schlange) beginnenden Periode, und gleichzeitig des Nordens,
würde dann der in der linken oberen Ecke dargestellte Gott Abb. 15, S. 316
anzusehen sein. Das ist ein Gott, der in wesentlichen Merkmalen, — in der
1) Bilderhandschrift der K. K. Hofbibliothek in Wien (Kingsborough Vol. II},
Tafel 2, 5, 33.
316
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
weisseil, rothgestreifteu Körperbemaluug. der schwarzeu halbmaskeuartigeu
Bemalung um das Auge und den zwei über der Stirn aufzüngeluden
Locken — mit Tlauizcalpan teciitli, der Gottheit des Morgensterns über-
einstimmt, aber durch die Perrücke von Dauiienfedern und das azta.velli,
AevL gabelförmigen Federschmuck, den er auf dem Scheitel trägt, und der
<las Abzeichen der Krieger und kriegerischen Götter ist, von ihm sich
unterscheidet. Es ist Alivcouatl, der Jagdgott, der überall als eine Form
der Gottheit des Morgensterns aufgefasst worden zu sein scheint, für den
aber der Norden, die von Jägerstämnieu durchstreiften Steppen, das ihm
von Xatur zukommende Gebiet ist. Als Repräsentant der dritten, mit
12 atl (AVasser) beginnenden Yenusperiode und des Westens würde dar-
nach der in der linken unteren Ecke des Blattes dargestellte Xi'pe Tofec
Abb. 1.1. Mijcoiattl, dt^r Gott der Jagd und des Nordens.
Repräsentant der zweiten Venusperiode.
^imser Herr der Geschundene'', erklärt werden müssen. Das ist ein Gott der
Erde. Der Westen, wo die Sonne in die Erde hineingeht, wurde immer als
die Heimath der Erdgottheiten angesehen, die allerdings sonst in der Regel
weiblich gedacht sind. Es bleibt endlich, als Repräsentant der vierten, mit
LI acad (Rohr) beginnenden Periode und des Südens in der rechten unteren
Ecke, der Regengott Tlaloc. Dass dieser hier mit der Himmelsrichtung des
Südens in Zusammenhang gebracht wird, hat seinen Grund verniuthlich
darin, dass der Regengott in den Bilderschriften vielfach nicht den eigent-
lichen Regen-. Gewitter- und Berggott, den die Erde befruchtenden Regen,
sondern den flequiauitl, den Feuerregen, veranschaulicht. Das Sinnbild
einer der vier prähistorischen Weltperioden, die in der That von der
Tradition einfach als Quiauhtonatiuh „Regeiisonne" bezeichnet wird. (Vgl.
hierüber ..Tonalamatl der Aubin"schen Sammlung". Berlin 1900, S. 114).
5. Der Codex Borgia. 317
Der Repräsentant der fünften Himmelsrichtung und der fünften Venus-
periode ist, wie ich oben schon angegeben, einfach durch das Anfangs-
datum, matlactli olin, bezeichnet. Dass für die Region der Mitte, die
Richtung nach unten und die fünfte Periode gerade ein Tag, oli7i,
„Bewegung", als Anfangstag zu verzeichnen ist, hatte für jene alten
Spekulanten jedenfalls tiefe Bedeutung, denn olin war auch Name, Symbol
und Hieroglyphe für die Erdbeben.
Das Blatt 25 erklärt auch das folgende Blatt "26, deim letzteres ist
gewissermassen eine Kopie des ersteren, aber ins Todte übersetzt.
Wiederum haben wir, nicht an die vier Ecken, aber an die vier Seiten
vertheilt, vier Götterfiguren, wir haben die Tageszeichen ebenfalls in der
Weise diesen Figuren beigeschrieben, dass dadurch ein bestimmter Drehungs-
sinn (entgegengesetzt der Bewegung des Uhrzeigers) vorgeschrieben wird,
und wir haben in der Mitte des Blattes ein grosses Zeichen, das dem
matlactli olin des Blattes 25 entsprechen würde. Aber die Götterfiguren
sind nicht lebend und in Aktion, sondern als in Decken gehüllte, um-
schnürte Leichen, als Mumienbündel dargestellt, der Turnus der Tages-
zeichen weist auf kein bestimmtes Datum hin, und das Zeichen in der
Mitte ist ein Todtenschädel mit vier nach den vier Ecken des Blattes
strahlenden Todtengebeinen.
Das Anfangstageszeichen, cipactli, steht hier bei der an der rechten
Seite des Blattes dargestellten Gestalt, dem Mumienbündel, das mit der
Gesichtsbemalung und dem Schmuck und den Abzeichen der Wasser-
göttin Chalchiuhticue abgebildet ist, das also liier den Osten bezeichnen
würde. Darauf folgt, als den Norden bezeichnend, ein Mumienbündel.
das die Bemalung und die Maske des Jagdgottes Mixcouatl trägt. Im
Westen sehen wir ein Mumienbündel, das mit der Maske und den Ab-
zeichen des Gottes mit der Schmetterlingszeichnung um den Mund ver-
sehen ist, — des oben von mir bei der Tageszeichenreihe erwähnten
Gottes, der zu Macuil xochitl in verwandtschaftliche Beziehung zu setzen
ist, der ein Gott der Lebensmittel ist, und bald als Xochipilli „Blumen-
prinz", bald auch als Cinteotl „Maisgott" bezeichnet wird. In der vierten
Himmelsrichtung endlich, dem Süden, trägt das Mumienbündel die Maske
eines Gottes, der ganz schwarz im Gesicht gemalt ist, aber mit dieser
schwarzen Gesichtsbemalung eine feuerfarbene Perrücke verbindet. Das
soll wohl den zu den Todten hinabgegangenen Sonnengott be-
zeichnen. So haben wir hier, zum Tlieil durch gleiche (im Norden), zum
Theil durch andere Göttergestalten die vier Haupthinimelsrichtungen und
durch den Schädel in der Mitte mit den vier ausstrahlenden Todtenbeinen
die fünfte Himmelsrichtung zur Anschauung gebracht.
Man kann sich vorstellen, dass dies Blatt die in ihrer Dauer schwerer
genau zu bestimmenden Zeiten angeben soll, wo während der unteren un<l
oberen Konjunktion der Planet Venus unsichtbar wird.
318
Zweitor Abschnitt: Bilderschriften.
Aehnlicli wie das 2'). und '26. Blatt, sind auch die folgenden beiden
Blätter 27 und 28 Paralleldarstellungen. Für das Blatt 27 habe ich schon
in früheren Aufsätzen (vgl. oben 8. 143, 144) Erklärungen gegeben.* Es
sind die vier Viertel des To7ialcnnati\ und die vier Viertel der .32jährigen
Periode den vier Himmelsrichtungen entsprechend angeordnet und in ihrer
fiugurischen Bedeutung zur Anschauung gebracht. Die vier Viertel der
52jährigen Periode sind dabei durch ihre Anfangsjahre (bezw. Anfangs-
tage ihrer Anfangsjahre), die vier Viertel des Tonalamatl durch ihre An-
fangstage bezeichnet, und zwar durch die Anfangstage der wirklichen
Tbna/awa^/- Viertel, nicht der vier Abschnitte, die sich bei der Anordnung
des Tonalamatl in Säuleu von je fünf Zeichen ergeben. Die augurisclie
Bedeutung ist durch je eine TZa/of-Figur veranschaulicht, die Schlange und
Beil (Blitz und Donner) in der einen, einen Wasserkrug in der anderen
Hand hält und je nach der Himmelsrichtung verschieden — schwarz, gelb,
blau und rotli — gefärbt ist. Die Jahre und Tage, die dem ersten Viertel
und dem Osten angehören, werden als fruchtbare angeführt. Für die dem
Norden angehörigen Jahre und Tage des zweiten Viertels wird Dürre und
Misswachs, für die des dritten Viertels und den Westen Ueberfülle von
AVasser und Ueberschwemmungen, für das vierte Viertel, den Süden,
wiederum Dürre und Absterben der Maiskolben verkündet. Eine fünfte
r/aZoc-Figur, die weiss- und rothgestreift ist, ist in der Mitte unter einem
von einer hellen Sonne erleuchteten Nachthimmel gezeichnet. Die fünfte
Kegion, die Mitte oder die Richtung nach unten und oben, ist durch
diesen fünften Tlaloc veranschaulicht; ihr gehören aber natürlich keine
Jahre und auch keine TowaZaw?«^/- Abschnitte au.
Das Blatt 28 entspricht in seiner Anordnung ganz dem eben be-
sprochenen, und fünf T/a/oc- Figuren sind auch auf ihm dargestellt, die
nur etwas anders gefärbt sind, — mit dem Osten beginnend: schwarz,
weiss und roth gestreift, gelb, wieder schwarz und endlich roth. Aber es
sind nicht die Tonalamatl- und die Jahresabsclinitte, die daneben durch
die Hieroglyphen angezeigt sind, sondern fünf auf einander folgende Jahre.
Und neben den Hieroglyphen der Jahre sind je zwei Tagesdaten an-
gegeben, die leider an dem unteren Rande des Blattes schon ziemlich ver-
wischt und abgerieben sind. Man kann mehr oder minder sicher folgende
erkennen:
Tag 4. olin (Bewegung)
„ 5. cipactli (Kroko-
dil)
„ 9. atl (Wasser)
„ [5.] atl (Wasser)
Jahr 1. acatl (Rohr)
„ 2. tecpatl (Feuer-
stein)
„ 3. calli (Haus)
„ 4. tochtli (Kanin-
chen)
.„ 5. acatl (Rohr)
? ?
10. quiauitl (Regen)
7. couatl (Schlange)
[13.] couatl (Schlange)
1. atl (Wasser) 13. ma^atl (Hirsch).
ö. Der Codex Borg'ia.
311)
Ich habe die Abstände dieser Daten ansznrechnen versucht. Eine
solche Rechnung ist mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, nicht nur
wegen der verwischten Zeichen, sondern auch, weil eine grosse Zahl dieser
Daten in demselben Jahre zweimal vorkonmit. Ich habe denn auch für
die sänimtlichen Daten bisher kein Gesetz ausfindig machen können.
Aber zwischen dem Anfang und dem Ende, d. h. von dem Tage 4 olin im
ersten Jahre bis zum Tage 1 atl im fünften Jahre ist ein Abstand von
175"J oder genau 3 X 584 Tagen vorhanden. Das heisst, es «sind auf diesem
Blatte drei Venusperioden angegeben, die sich in der That nahezu, d. h.
mit einer Differenz von 73 Tagen, in den Zeitraum von fünf Jahren fügen.
Die augurische Bedeutung dei- fünf .lalire oder der drei Venusperioden
scheint auf dem Blatte zunäclist durch die Figur einer Erdgöttin veran-
schaulicht, die in jeder Abtheilung unter dem Bilde des Regengottes
knieeud dargestellt ist. Nächstdem durch das Wasser, das dem Kruue
Abb. IG. Tezcatllpocu (in der Maske des Windgotts) uud (^ncfzalcoKatl
auf dem Wege zur Unterwelt.
des Regengottes und seiner Blitzschlange entströmt, und das bald mit
Steinmessern, bald mit punktirten Augenfleckeu, mit Feuerzungen, Wind-
figuren und Blumen besetzt ist.
An diese beiden Blätter schliessen sich dann eine Reihe komplizirter
Darstellungen, die das Ende der einen Seite des Handschriftstreifens und
den Anfang der Kehrseite, die Blätter 29 bis 46, füllen, auf deren Einzel-
deutung ich aber verzichten muss. Quetzalcouatl-Fi^uren spielen auf ihnen
eine grosse Rolle, daneben Tezcatlipoca-MacuiLvocInfl-Xolotl, Tla^olteotl und
ein Gott mit eingesetztem Thierrachen, der in dem ersten Theile der
Wiener Handschrift als Chicome olin^ „sieben Bewegung", bezeichnet ist.
Eine markante^Ötelle in den Darstellungen scheint mir Blatt 35 zu sein,
wo Quetzalcouatl von einem Adler getragen und begleitet von Tezcatlipoca,
der aber die Vogelschnabelmaske QuetzalcouatVs trägt, vor einer in nächt-
lichem Hause thronenden Gottheit erscheint und dann, wiederum begleitet
3-20
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
oder geführt von Tezcatlipoca^ auf einem blauen Pfade abwärts steigt
(Abb. 16, S. 319), in einer nächtlichen Einfassung, dort andere Häuser und
grause Gestalten passirend. Und weiter Blatt 4i\ wo Quetzalcouatl als
Priester vor Tezcatlipoca sein Abbild opfert (Abb. 17)^ worauf es über einen
Kreuzweg wieder zu lichten, von Sonnenstrahlen und Maiskolben gebildeten
Einfassungen geht. Und endlich Blatt 45, wo auf einer von sechs Schädeln
gebildeten Unterlage, vor einem mit Fahnen besteckten Baume die Gottheit
des Morgensterns kniet. Ich glaube in der That, dass Sagen über die
"Wanderung der Gottheit durch das unterweltliche Reich der Nacht und
Einsterniss, etwa ähnlich denen, die in breiter Ausführung in der Qu'iche-
Tradition des Popol Fuk's erhalten sind, auf diesen Blättern dargestellt
sind, und dass der Ausgaugspunkt dieser Sagen das Verschwinden oder die
Unsichtbarkeit des leuchtenden Gestirnes der Venus zur Zeit seiner Kon-
junktion mit der Sonne war.
Abb. 17. Quetzalcouatl, auf dem chalch/uhtcpetl, vor Tezcotltpoca
sein Abbild opfernd.
Mit dem Blatte 47 beginnen dann wieder einfachere und leichter ver-
ständliche Darstellungen. Blatt 47 und 48 zeigen uns in der Mitte eine
Reihe von fünf weiblichen Gestalten (Abb. 18) und oben eine Reihe von
fünf männlichen Gestalten (Abb. 19); beide Reihen Wiederholungen der-
selben Figur, aber verschieden — weiss und roth gestreift, blau, gelb,
roth, schwarz — gemalt und mit wechselndem Beiwerk. Neben jeder Figur
sind 13 auf einander folgende Tage durch das erste, fünfte und dreizehnte
Zeichen und Differenzpunkte zur Anschauung gebracht. Und zwar stehen
bei den weiblichen Gestalten die mit 1 macatl (Hirsch), 1 quiauitl (Regen),
1 ogomatli (Affe), 1 calli (Haus), 1 quauhtU (Adler) beginnenden Tage,
die zusammen das dritte Viertel des in fünfgliedrige Säulen angeordneten
TonalamatVs, darstellen. Bei den männlichen Gestalten, die mit 1 xochitl
(Blume), 1 malinalli (Grasstrick), 1 cuetzpalin (Eidechse), 1 cozcaquauhtli
(Geier), 1 tochtli (Kaninchen) beginnenden Tage, die zusammen das vierte
'). Der Codex Borgia.
321
Viertel des in der genaiiuteii Weise aDgeordueteu TonalamatVs ausmachen.
Dieselben zwei Figurenreihen, begleitet von denselben Zeichen, sind auch
im Codex Yatieanus dargestellt. Aber hier im Codex Borgia ist vor der
Keihe der weiblichen Gestalten noch eine aus einem chalchiutl heraus-
tretende, von Schlangen umgebene weibliche Gestalt in blauem Felde ge-
zeichnet, und um sie herum die mit der Ziffer 13 versehenen Tage, die vor den
genannten Anfangstagen ] ma^atl u. s. w. stehen. Yor der Reihe der
männlichen Gestalten ist eine gleiche männliche Gestalt, aus einem Stein-
messer heraustretend, in schwarzem Felde gezeichnet. Um sie herum aber die
mit der Ziffer 4 versehenen Tage, die vor den fünften Tagen der mit
1 xochiü u. s. w. beginnenden Reihen stehen, zum Zeichen, dass für diese
fünf männlichen Gestalten nicht die Anfangstage 1 xochitl u. s. w., sondern
Abb. 18. CiKuteotl, Regentin des
(dem Westen angehörenden)
Zeichens ce viacatl -eins Hirsch".
Abb. 19. Macu/'l ruftzpalhi, Regent
des (dem Süden angehörenden) Zeichens
ce xochitl „eins Blume".
die fünften Tage, .3 cuetzpahn (Eidechse), 5 cozcaquauhtli (Geier), 5 tochtli
(Kaninchen), 5 xochitl (Blume), 5 malinalli (Grasstrick) bezeichnend sein
sollen. Was die weiblichen Gestalten betrifft, so habe ich schon in meiner
ersten Mittheiluug über die Bilderschriften der Codex Borgia-Gruppe (oben
S. 141) darauf hingewiesen, dass die Zeichen, die hier neben ihnen abgebildet
sind, genau die Tage darstellen, an denen nach dem vierten Buche Sahagun s
die Ciuateteo oder Ciuapipiltin, die gespenstischen Weiber, die im Westen
hausen, die Seeleu der im Kindbett gestorbenen Frauen, zur Erde herab-
kommen, die wir also wohl in diesen weiblichen Gestalten der Hand-
schrift zu erkennen haben. Eine weitere Bestätigung für diese Annahme
ergibt sich daraus, dass von diesen Ciuateteo in der That gesagt wird, dass
es fünf von ihnen gegeben habe. Für die Reihe der männlichen Gestalten
werden auf dem vorliegenden Blatte des Codex Borgia die fünften Zeichen
der Tagereihen als massgebend bezeichnet, d. h. wir haben Macuil cuetz-
palin („fünf Eidechse"), Macuil cozcaquauhtli (fünf Geier), Macuil tochtli
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 21
3-22 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
(fünf Kaniucheu). Macuil u-ochitl (fünf Blume). Macuil malinalli (fünf Gras-
strick) als ihre Namen anzusehen. In der That sind das vielgenannte
Namen von Gottheiten. Der bekannteste ist Macuil .wchitl, der Gott des
Spieles, der auch AuiateotU Gott der Lustbarkeit, heisst. ' Macuil tochtU
wird in der Sahagun-Handschrift als ein Pulquegott abgebildet. Und alle
diese, mit einem Datum „fünf^ bezeichneten Götter haben in der
Sahagun-Handschrift die Zeichnung einer weissen Hand um den Mund,
die ja auch in den Figuren dieses Codex Borgia -Blattes klar und
deutlich angegeben ist. Zu bemerken ist nur noch, dass die Figur, die
am Anfange dieser Reihe aus dem Steinmesser hervortretend zu sehen
ist, zwar im Uebrigen die gleiche Bemalung und das gleiche Ansehen wie
<lie anderen hat. aber mit herausquellenden Augen und verkrümmten Glied-
niassen dargestellt ist. Genau gleich dem XoIotL dem Gotte der Miss-
geburten, der Tageszeichenreihe.
Wenn demnach die Bedeutung der auf diesen Blättern dargestellten
Figm'eureihen durchaus sicher ist. so muss mau sich doch fragen, was
haben sie hier für eine Stelle, warum sind gerade die hier verzeichneten
Tage die Zeichen, au denen die Ciuateteo vom Himmel herabkommen,
und warum werden diese überhaupt in der Zahl von fünf gedacht. Ich
glaube, dass man den Ausgangspunkt für diese Darstellungen und die an
sie sich knüpfende augurische Bedeutung der dargestellten Tage in den
Beziehungen suchen muss, die die Abschnitte des Tonalamatl mit den
Himmelsrichtungen verknüpfen. Die Ciuateteo^ die Seelen der im Kindbett
gestorbenen Frauen, waren das Gegenstück zu den tonatiuh iixco yaque^
den todten Ivi'iegern, die in der Schlacht oder auf dem Opfersteine ihr
Leben gelassen hatten. Die letzteren hatten in dem Osthimmel ihren
^Yolmsitz. Die Ciuateteo wohnten im Westen, der nach ihnen geradezu
als ciuatlampa. „Region der Weiber'", bezeichnet wird. Weil nun der
dritte Abschnitt des in fünfgliederige Säulen geordneten TonalamatVs dem
Westen zugeschrieben wurde, so mussteu in ihm die Ciuateteu mächtig
sein, und da dieser Abschnitt fünf verschiedene Reihen von je 13 Tagen
umschliesst, so mussten auch die Ciuatete > in der Zahl von fünf vorhanden
sein. Yon dem Gotte Macuil xochitl und seinen Genossen werden wir in
gleicher Weise anzunehmen haben, dass ihr Wohnsitz im Süden gedacht
\vurde. In der That ist Macuil xochitl der Gott des .rochilhuith des Blumen-
festes. Es wurde an den Tagen chicome j-ochitl, „sieben Blume" imd Ce
xockitl, .,eins Blume", gefeiert. Und ainilpampa .vochitlampa, „Region der
bewässerten Aecker. Region der Blumen", ist einer der Namen, mit denen
die Mexikaner den Süden bezeichneten. Ich habe oben schon erwähnt,
dass im Codex Vaticanus die Reihen der Ciuatete'' und Macuil .i-ochitVi>
und seiner Genossen nach den Figuren des todten weissen und des vom
Speer getroffenen braunen Hirsches abgebildet sind, die durch die bei-
geschriebenen Zeichen als Abbilder des ersten und des zweiten Tonalamatl-
5. Der Codex Borgia. 323
Abschnittes, bezw. der Himmelsrichtungen Osten und Norden bezeichnet
werden.
Ist nun dies die richtige Erklärung für die Darstellungen der Blätter
47 und 48, so schliessen sich jetzt ganz natürlich die folgenden vier bis
fünf Blätter ihnen an. Denn auf ihnen haben wir Darstellunoon <ler
Abb. 20. Baum des Ostens. Codex Borgia 49 (= Kingsborough 6G^.
Abb. 21. Baum des Nordens. Codex Borgia 50 (= Kingsborough G5),
sänimtlichen Himmelsriclituiigen oder Regionen. In der oberen Hälfte von
Blatt 49 bis 52 sehen wir vier den Himmel tragende Gottheiten, die
natürlich die vier Hauptrichtungen bezeichnen. Die erste, den Osten be-
zeichnend, ist Tlauizcalpan tecutli, die Crottheit des Morgensterns. Vier
weitere Gottheiten schliessen sich diesen vieren an, die vielleicht die inter-
mediären Richtungen bezeichnen sollen, und in der rechten Hälfte von
21*
324
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Blatt ö3 foli^t eine in einen Erdraehen stürzende Gestalt, die zweifellos;
die fünfte Region, die Mitte oder die Richtung nacli unten, ausdrückt.
lu der unteren Hälfte von Blatt -49 bis 52 sind je zehn verschiedene
korrespondirende Darstellungen zu Gruppenbildern vereinigt, die je einem
der vier Abschnitte des in fünfgliedrige Säulen geordneten TonalamatV s^
also je einer der vier Himmelsrichtungen, zugeschrieben werden. Und
Abb. 22. Baum des Westens. Codex Borgia 51 (= Kings borou|gh (U),
Abb. 23. Baum des Südens. Codex Borgia 52 ;= Kingsborough 63).
zwar haben wir, in diesen unteren Hälften der Blätter 49 — 52 zunächst in
der Mitte unten die vier Himmelsrichtungen durch Bäume veranschaulicht,
die aus dem Leibe einer Erdgöttin emporwachsen, und auf denen je ein
Vogel (Quetzalvogel, Adler, Kolibri, Guacamaya) sitzt (Abb. 20—23). Ihnen
schliesst sich in der unteren rechten Hälfte von Blatt 53 ein Bild an, das
die fünfte Region, die Mitte, durch einen Erdraehen. eine Erdgöttin und
einen aus ilirem Leibe aufspriessenden Baum zur Anschauung bringt, dessen
5. Dor Codex Borgria.
325
Wurzeln von dem Blute, das die daneben abgebildeten Götter Quetzal-
couatl und Macuilvochitl sich entziehen, befruchtet werden (Abb. 24).
Ueber den vier Bäumen sieht man, in der Mitte der unteren Hälften der
Blätter 49 — .52, die vier Götter — Tonatiuh, den Sonnengott, Tezcatlipoca-
itztlacoliuhqu% den Gott des Steins, Cinteotl, den Maisgott, und Mictlan-
tecutli, den Todesgott, — vor einem Tempel stehend, Blut und ein Herz
darbringend (Abb. 25—28, S. 326, 327). Diese vier die Mitte ein-
nehmenden Hauptdarstellungen, sind noch jederseits von drei anderen
Gruppen begleitet. Auf der rechten Seite oben, sieht man auf dem
•ersten Blatte, Tzinacan^ den Fledermausgott, auf dem zweiten Mircouatl,
Abb. 24. Baum der Mitte. Codex Borgia 53 (= Kingsborougli 62).
<len Jagdgott, auf dem dritten Tlauizcalpantecutli, die Gottheit des Abend-
sterns, und auf dem vierten einen Adler (quauhtli) und eine Federschlange
iquetzalcouatl). Unter diesen vier Gestalten kommen auf der rechten Seite
eine Macuü xochitl- und eine CiuateoÜ-F'igwY von oben herunter, auf dem
ersten Blatte Schild und Speerbündel und das Opferseil (aztamecatl). das
beim Sacrificio gladiatorio dient, auf dem zweiten Beil, Stachelkeule, Stachel-
kiigt'l und atl-tlachmoUi, das Symbol des Krieges, auf dem dritten einen
Viibiuckrug und eine Agave-Pflanze, auf dem vierten wieder Beil, Stachel-
kugt'l und ein mit Stacheln versehenes, schneidendes Webemesser (?)
liorabbringend. Ganz unten rechts endlich ist ein Gott der Feuer erbohrt,
3-26
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
dargestellt. Auf der linken Seite sielit man oben wieder vier Bäume-
und daneben Ballspieler, — auf dem ersten Blatte einen Affen, auf dem
zweiten einen Truthahn, auf dem dritten ein cipactli, auf dem vierten ein
Skelett. Und darunter sind jedesmal ein männlicher und ein weiblicher
Gott in Kopulation dargestellt, während ganz unten die Götter Macuil olin
„fünf Bewegung" (Abb. 29, S. 328), Macuil eecatl „fünf Wind". Macuil
ma^atl „fünf Hirsch'* und Macuil malinalli „fünf Gedrehtes'' durch Bild
und Namenshieroglyphe angegeben sind. Verschiedene der einzelnen Theile
Abb. 25. To»atii<h. der Sonnengott, vor dem Tempel des Ostens.
Abb. 2(i. TozcatUpoca-itztlacoliuhqui, vor dem Tempel des Nordens.
dieser Gruppenbilder finden sich in anderen Handschriften wiederholt. Die
vollständigen Gruppenbilder sind nur hier im Codex Borgia vorhanden.
Einzig dem Codex Borgia eigen sind auch die vier Jahresdaten (Abb. 30
bis 33, S. 328), die ausserdem noch auf diesen vier Blättern angegeben
sind, und die diese ganze Darstellung, zu der Parallelen sowohl im Codex
Bologna, wie im Fejerv.iry-Mayer vorliegen, erst verständlich machen.
Die hier abgebildeten Jahre naui calli „vier Haus", naui tochtli „\ier
Kaninchen", naui acatl „vier Rohr" und naui tecpatl „vier Feuersteinmesser"
stehen nämlich von den Jahren ce acatl, ce tecpatl, ce calli, ce tochtli, die
5. Der Codex Borgia.
327
die den vier Himmelsrichtungen entsprechenden Anfänge der vier Viertel
der ö'Jjährigen Periode bilden, genau um 42 Jahre ab. Und 42 Jahre
sind, wie ich das zuerst in meiner Erläuterung des Codex Fejerväry-Mayer*)
nachgewiesen habe, gerade die Periode, nach deren Ablauf man 10 Tage
einschalten muss, um das um ^/^ Tag zu kleine Jahr der Mexikaner mit der
wirklichen Länge des Jahres in Uebereinstimmung zu bringen. Und schaltet
man diese zehn Tage ein, so kommt man von den Tagen naui calli, naui
tochtli, naui acatl, naui tecpatl auf die Tage ce acatl, ce tecpatl, ce calli.
Abb. 27. Ciuieotl, der Maisgott, vor dem Tempel des Westens.
Abb. 28. Midlantcciitli, der Todesgott, vor dem Tempel des Südens.
ce tochtli, d. h. genau auf die Tage, die, als Aufangstage eines Jahres
gedacht, den Himmelsrichtungen des Ostens, Nordens, Westens, Südens
entsprechen würden.
Von der linken Hälfte von Blatt 53 gehört der untere Abschnitt zu
dem folgenden Blatte. Es bleibt demnach oben noch ein Zwickel übrig,
und der ist, ähnlich wie der freie Raum auf Blatt 17, mit einer Figur
ausgefüllt, bei der man die 20 Tageszeichen den verschiedenen Körper-
theilen ein- oder zugeschrieben hat. Aber es ist diesmal nicht die Fiour
1) Berlin I9(tl, S. l-IO und ITü.
328
Zweiter Abschnitt: Kilderschriften.
Tezcatb'pocas, sondern ein Hirsch, aus dessen geöffnetem Rachen das Gesicht
des Gottes mit der Schmetterlingszeichnun«; um den Mund hervorsielit,
<len ich oben an der elfton Stelle der Tatreszeichenreihe erwähnt habe.
Auf dem unteren Abschnitte der linken Hälfte von Blatt 58 und auf
Blatt 54 haben wir dann wieder eine Darstellung, die streng kalendarisch,
der einfache Ausdruck durch astronomische Beobachtung erkannter That-
sachon ist. Es sind auf diesen Blättern und in ganz analoger AVeise auf
bestimmten Blättern des Codex Yaticanus und des Codex Bologna die Gott-
Abb. *29. ])er Gott Macnil olin
_füni Bewesrungr".
Abb. 30. Das Jahr »ani calli
,vier Haus".
Abb. 31. Das Jahr
iiain' focfitli
-vier Kaninchen".
X ■ '' li/
l„ O ~"«ri^;\
A»,.:'! '^
Abb. 3-3. Das Jahr
twui acati
.vier Robr".
Abb. 33. Das Jahr
iiaiii tecpati
.vier Feuersteinniesser-
heiten des Planeten Venus abgebildet, und zwar in der Gestalt, wie es scheint,
die man ihm als Gottheit des Abendsterns zu geben beliebte (Abb. 34).
Die Figur ist fünfmal dargestellt. Denn wir wissen ja, dass der Planet
Venus in fünf Zeichen erscheint, dass die Anfangstage seiner Perioden
nur auf fünf von den 'JO Tageszeichen fallen. Und zwar ist es im Codex
Yaticanus immer genau dieselbe Gestalt, die in den fünf Bildern wieder-
kehrt. Im Codex Bologna haben die Figuren verschiedene Farbe. Im
Codex Borgia wechselt ebenfalls die Farbe und der Gott ist nur in der
ersten Abtheilung mit dem ihm eigenen Kopfe abgebildet. In den anderen
5. Der Codex Boiffia.
329
Abtheilungen trägt der Gott einen Thierkopf (Raubvogel, Hund, Kaninchen)
oder einen Schädel als Kopf. Aber über den Thierköpfen ist es
immer der charakteristische Kopfschmuck des Gottes, der neben der
Abb. 34, Gottheit des Abendsterns.
Das Gesicht ist en face gezeichnet, um den Quincunx weisser Flecke, die Hieroglyphe
des Planeten Venus, die die Gesichtsbemalung dieser Gottheit bildet, zu zeigen.
Abb. 35. Der Abendsteru (Tlauizculpun lecidUj, in der ersten Periode,
den Speer gegen ChalchiuhtUcue, die Wassergöttin, schleudernd.
anderen Ausstattung die Identität wahrt. Der (iott ist mit Wurfbrett
luid Speer bewaffnet und schleudert den Speer einmal gegen die Wasser-
göttin (Abb. 35), sodann gegen Tezcatlipoca, gegen die Maisgöttin und die
330 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Symbole der Krieger un«l der Könige. Um diese fünf Figuren !>ind je
13 Tage mit ihren Ziffern und Zeichen dargestellt. Sie bezeichnen die
Anfangstage ebensovieler Yenusperioden und ergeben zusammen einen
Zeitraum von 65 X 5<S4 Tagen, die grosse Periode, die 13x8 oder 2 X
,")•_' Jahren und 140 Tonalamatl äquivalent ist. nach deren Ablauf wieder
dieselbe Ziffer und dasselbe Zeicheu auf den Anfangstag der Venusperiodfr
fallen. Allerdings sind — das darf einen nicht irre führen — die Anfangs-
tage der Yenusperioden auf diesen Blättern nicht so. wie sie in Wirk-
lichkeit einander folgen, verzeichnet, sondern in mehr schematischer Weise,
wie diese Daten in dem Tonalamatl hinter einander zu stehen kommen.
Diese Darstellung der grossen ATenusperiode auf diesen Blättern der
Bilderschriften der Codex Borgia-Gruppe ist nicht nur an sich von grossem
Interesse. Sie ist auch deshalb wichtig, weil sie die erste sichere Parallele
zwischen Handschriften mexikanisch -toltekischeii^ Ursprungs und Maya-
Handschrifteu zu ziehen erlaubt. Die merkwürdigen Blätter 4(5 bis 50
der Dresdener Handschrift, deren Enträthselung wir, wie so vieles Andere,
Förstemann's Scharfsinn und rechnerischem Genie verdanken, sind es,
auf denen wir nicht nur dieselbe grosse Periode verzeichnet sehen, sondern
auch Figm"eu2Tuppen, die denen unserer Codex Borgia-Blätter analog sind.
Im Codex Borgia wirft die Gottheit des Planeten Yenus einen Speer und
verwundet damit bestimmte Figuren oder Symbole, «lie ihr gegenüber ab-
gebildet sind. Im Codex Bologna und Yaticanus hält die Gottheit nur
Speer und AYurfbrett, aber «lie Figuren und Symbole ihr gegenüber sind
vom Speer getroffen. Auf den Blättern 46 bis 50 der Dresdener Hand-
schrift sind fünf verschiedene Gottheiten dargestellt, aber neben der
Hieroglyphe jeder steht die Hieroglyphe des Planeten Yenus. und alle
halten Speer und Wurfbrett, gleich den Figuren der Codex Borgia-Gruppe^
Und unter diesen fünf Gottheiten sieht man fünf andere vom Speere ge-
troffen am Boden liegen. In den fünf vom Speere getroffenen Gestalten
stimmen die Handschriften der Codex Borgia-Gruppe durchaus überein.
nur ist die Reihenfolge des Codex Borgia in den anderen beiden Hand-
schriften etwas verändert. Die Dresdener Han<lschrift hat in den drei
ersten Bildern genau entsprechende Gestalten. In den Iteiden letzten
Bildern bringt die Dresdener Handschrift Figuren, wo die Handschriften
der Codex Borgia-Gruppe nur Symbole haben. Die Bedeutung der Figuren
dort und der Symbole hier scheint aber ebenfalls eine analoge zu sein.
Eine Schilderung dieser Uebereiustimmungen im Einzelnen muss ich mir
versagen. Auch was dem Speerwerfen für eine Bedeutung zukommt,
kann ich hier nicht auseinandersetzen. Näheres darüber habe ich in meinem
Aufsatz „über die Yeuusperiode in den Handschriften der Codex Borgia-
Gruppe"' in der Zeitschrift für Ethnologie gegeben.
In dem Codex Borgia folgen zunächst, auf Blatt 55, sechs schreirende
Götter, neben denen die "JO Tageszeichen verzeichnet sind. In dem Yati-
i
5. Der Codex Borgia.
331
canus und Bologna sind keine Parallelen dafür vorhanden. Wohl aber,
und zwar an drei verschiedenen Stellen, im Codex Fejerviiry. Die erste
dieser sechs Gestalten ist die Sonne (Abb. 36), die zweite die alte Erd-
göttin und der Mond (Abb. 37), die vier folgenden sind deutlich als
wandernde durch den Stab und den Fächer, den sie in der Hand halten,
gekennzeichnet, und ich habe in meiner Erläuterung des Codex Fejervary-
Mayer die Yerniuthung ausgesprochen, dass sie das Heer der Sterne
r\\\\\\s\\\\\\\\\\\\\v\\\\\\'
(\\\\l\\\\v\\\\\\\\U\\\\\\\\\\\>\\'
|iimiHi\iiihi\i\\w\\'v\v\\\\\\\\^\s^^^^
Abb. 3G. Tonatialt, der Sounengott.
Abb. 37. metzill, der Mond, und T/aroIfcotl, die Erdgöttin.
zu veranschaulichen bestimmt ist. Den ersten, der die keimzeichnenden
Merkmale Xolotl's, des Gottes der Zwillinge trägt (Abb. 38, S. 332), bin
ich geneigt, als Versinnbildlichung des Planeten Venus, der ja auch ein
Zwilling, nämlich Morgen- und Abendstern ist, zu betrachten. Den dritten
und vierten (Abb. 39, 40, S. 332, 333) möchte ich als den Wanderer am
Xordhinimel und den Wanderer am Südhimmel auffassen. Der letzte,
ein weisshaariger und weissbärtiger Gott, der eine Hirschmaske trägt
(Abb. 41, S. 333), ist als der alte Iztac Mivcouatl, die weisse Wolken-
■;332 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
-schlänge, und als Bezeichnung der ^lilchstrasse, des Zeniths. zu be-
stimmen.
Dann folgt Blatt 5G, eine prächtig gezeichnete Gruppe, der Windgott
Quetzalcouatl und der Todesgott, Rücken an Rücken gelehnt. Rechts und
links die Anfangstage der 20 Dreizehnheiten, die zusammen das Tonal-
■amatl ausmachen, die demnach zur Hälfte als Quetzalcouatl unterstehend.
Abb. 38. XoIofJ, Gott der Zwillinge.
Abb. 39. Der Wanderer am Nordhimmel.
<ilso wohl als gut, zur Hälfte dem Todesgott unterstehend, also wohl als
böse, bezeichnet werden.
Blatt .57 enthält wieder sechs Darstellungen, aber nicht Einzelfiguren,
sondern sechs Paare von Gottheiten. Daneben Tageszeichen und Ditt'erenz-
zahlen, die zusammen das in fünfgliederige Säulen geordnete Tonalamatl
ergeben. Die erste Gruppe stellt Tonacatecutli, Tonacaciuatl, die Herren
des Lebens, die Herren der Zeugung dar (Abb. 42, S. 334). Der erstere
5. Der Codex Borgia.
33^
trägt einen Affen, die letztere eine kleine Figur des Windgottes Quetzal-
couatl auf de^n Kücken, dessen Gesiclit in den Farben des Sternhimmels
(mit weissen Scheiben auf schwarzem Grunde) gemalt ist. Die zweite Gruppe
zeig-t den Pulquegott und die Erdgöttin, die dritte die beiden Maisgötter
{Cinteteo), die vierte den Regengott {Tlaloc) und die Wassergöttin {Chal-
chiuhtlicue). Die fünfte Gruppe wird von dem Gotte der Blumen {Xochi-
Abb. 40. Der Wanderer am Südliimmel.
Abb. 41. htac Mi.rcoiiatl.
pilli) und der Göttin der Blumen (Xocldquetzal) gebildet, die aber ein-
ander abgekehrt sitzen (Abb. 43, S. 334). Die letzte Gruppe endlich ist
der Todesgott {Mictlantecutli) und die Todesgöttin {MictecaciuaÜ). Auch
diese Darstellungen haben weder im Yaticanus, noch im Bologna, wolil
aber im Codex Fejerväry eine Entsprechung.
Paare von Gottheiten sind auch auf den folgenden Blättern ,38 bis 6(»
des Codex Borgia verzeichnet, und zwar sind es 20 Paare, und neben
53-4
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
ilmen sind die Ziffern 2 bis "JÖ angegeben. Hierfür gibt es in dem Codex
Vaticanns eine Parallele und ausserdem in dem Codex Laud.
Blatt 61 bis 70 sind der Darstellung des in 20 Abschnitte von je
13 Tagen geordneten Tonalamatl's und seinen Titulargottheiten gewidmet.
Es ist das die Reihe von "20 dottlieiten. die niclit uur hier und im Yati-
Abb. 42. TonaceUecutli. Tonacdcinatl, die Herren der Lebensmittel.
Abb. 43. Xochijjilli und Xochiqixtza/.
cauus B, sondern auch im Telleriauo-Remensis. Taticanus A. in dem Tonal-
amatl der Aub in -Goupir sehen Sammlung und in dem Codex Bor-
bonicus. der Handschrift des Corps legislatif. neben den Tojialamatl-
Abschuitten verzeichnet steht, und die ich in meiner Arbeit über das
Tonalamatl der Aub in sehen Sammlung (Berlin 1900, S. 36 — 126) ein-
gehend behandelt habe. Als Probe für den Stil dieser Handschrift habe
5. Der Codex Borgia.
335
ich hier in Aljb. 44 und 45, die Gottheiten des neunten nnd des siebenten
dieser Absclinitte, Xiuhtecutli, den Feuergott, und Tlaloc, den Regengott,
wietlergegeben.
Blatt 71 ist wieder astronomisch. Die drei Himmelskörper, die die Mexi-
kaner zu beobachten gewohnt waren, Sonne, ^lond und Morgenstern, sind auf
•diesem Blatte vereinigt (Abb. 46, S. 337). Die Sonne ist durch den Sonnen-
gott im Sonnenbilde und durch sein Symbol, das Datmn naui olin. w"^ifi' Be-
wegung", zur Anschauung gebracht. Der Gott hält Speerbündel und Wurf-
88(1
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
brett in »lor Ilaiul, und AVasser uml yolbe Federn*) fliesson an dem
Sonnenbilde lierunter. Die letzteren sind als Feuer gedacht. Wasser
und Feuer zusammen. atl-tlachinoUi auf mexikanisch, war den Mexikanern
symbolischer Ausdruck für Krieg. Der Mond ist durch ein Kaninchen
repräsentirt, das im wässerigen, von einem Knochenring umschlossenen
Felde auf einem dunklen Xachthinterorrunde erscheint. Die Mexikaner
1) Der Zeichner Kingsborough's hielt diese Federn für Quetzalfedern und
gab sie grün an. Dadurch ist die Beziehung auf den Krieg, die doch hier klar
vorliegt, vollkommen verdeckt.
5. Der Codex Bnr<ria.
887
erblickten, gleich den Indern, in der Scheibe des Mondes ein Kaninchen.
Üer Morgenstern endlich ist durch das Datum Ce acatU „eins Rohr", be-
zeichnet, das ist der Tag. an dem Quetzalcouatl geboren wurde, und an
dem er starb, sicli in den Morgenstern verwandelnd. Neben diesen drei
Himmelskörpern ist aber noch die Zahl 18 durch die entsprechenden Ziiforn.
Itegleitet von 13 Yogelfiguren. zum Ausdruck gebracht.
Die 18 Vogelfiguren sind ohne Zweifel nur als Repräsentanten, als
Abbilder oder Verkleidungen, ebensovieler Gottheiten zu betrachten. In
dem Tonalamatl der Aubin'schen Sammlung, wo diese 18 Vogelfiguren
Abb. 4(). Sonne, Mond und Morgenstern.
auf sämmtlichen "20 Blättern neben den Zeichen der Tage zu sehen sind,
kommt in der That aus dem geöffneten Rachen des Vogels das Gesicht
einer Gottheit hervor. Ich habe in meiner Erläuterung des Tonalamatl'^
der Aubin'schen Sammlung (Berlin 1900, S. 81 — 85) den Nachweis zu
bringen versucht, dass diesen «Ireizehu Vögcdn die gleiche Bedeutung zu-
kommt, wie den dreizehn Göttern, die im Tojialamatl der Aubin'schen
Sammlung und im Codex Borbonicus neben ihnen bei den 13 Tagen jeder
der zwanzig Wochen des Tonalamatl'^ abgebildet sind, und dass sie, gegen-
über den neun Herren, welche die neun Stunden der Nacht veranschau-
Seler, Gesammelte Abhandlungen I. 22
IVSS
Zweiter Abschuitt: Bilderschriften.
liehen, die Hüter der dreizehn Stunden des Tages dem Beschauer vorzu-
führen bestimmt sind.
Auf Blatt 1'2 sind die vier Himmelsrichtungen durch vier Schlangen,
dif vier Gottheiten uraschliessen. zur Anschauung gebracht. Um die vier
Gottheiten sind die "20 Tageszeichen, je fünf bei jeder Gottheit, vertheilt.
I^ie Schlangen sollen vermuthlich wieder die vier Jahro zur Anschauung
bringen, die den vier Himmelsrichtungen entsprechen und durch die Natur
dieser Himmelsrichtungen bestimmt sind, und die Götter die Kegenten
dieser Jahre. Die letzteren sind wahrscheinlich auch wieder gleichzeitig
Abb. 47. Qiietzalconatl, der Wiiidgott, Regent der Jahre des Westens.
als die Regenten der vier Tonalamatl -A}ischmtte gedacht, daher mit je
einem Viertel der zwanzig Tageszeichen verbunden. Der erste dieser
vier Götter ist der Regengott Tlalac. Bei diesem steht das Anfangszeichen
cipactU, er ist wohl als Regent des Ostens und seiner Jahre, der acatl-
Jahre gedacht. Die zweite Gottheit ist die Erdgöttiu Tlacolteotl, nackt,
auf dem Kreuzweg sitzend, die also hier den Norden bezeichnen muss.
Der dritte ist Quetzalcouatl, der Windgott (Abb. 47), der hier den Westen
bezeichnet. Der vierte endlich der Gott mit der Zeichnung der weissen
Hand um den Mund. MacuilxochitL den wir ja auf den Blättern 47. 48
5. Der Codex Borgia. 339
(vgl. oben S. 821, 322) auch schon als Kegenten des Südens angetroffen
haben, in der Mitte sieht man einen phantastisehen Ungeheuerkopf, der
-wohl die Tzitzimim<\ die vom Himniel iierabkommendeu Dämonen der
Finsterniss, also die fünfte Himmelsrichtung, die Richtung oben-unten, ver-
anschaulichen soll.
Blatt 73 und 74 enthalten wieder Figuren, bei denen die 20 Tages-
zeicheu den verschiedenen Körpertheilen ein- oder zugeschrieben und im
Umkreise vertheilt zu sehen sind. Auf Blatt 73 ist es dieselbe Doppel-
figur, Quetzalcouatl und der Todesgott, Rücken an Rücken gelehnt, die
■wir schon auf Blatt ,")() gefunden hatten. Auf Blatt 74 ist in der oberen
Hälfte die Erdgöttin, Tlacolteotl, in der unteren Macuil .lochitl, dargestellt.
Den Schluss der Handschrift bilden auf den Blättern 70 und 7() acht
'(lottheiten, denen Räucherwerk und Kasteiungsblut dargebracht wird.
Daneben ist durch Tageszeichen und Differenzpunkte das in fünfgliederige
Säulen geordnete Tonalamatl zum Ausdruck gebracht, und zwar in der
Weise, dass immer zwei auf einander folgende Götter einem Tonalamatl-
Tiertel, also wohl auch einer der vier Himmelsrichtungen entsprechen.
Hier sind durch das Ansengen, dass die unnützen Hände der Kinder ver-
suchten, zwei Figuren zerstört worden. Die übrigen sind aber noch wohl
erkennbar.
Das ist in Kurzem der Inhalt dieser merkwürdigen und schönen Bilder-
schrift. Wie man sieht, ist derselbe durchaus nicht bloss astrologisch-
augurischer Natur, sondern es ist auch ein gut Theil astronomischer
Beobachtung, insbesondere was die Bewegungen des Planeten Yenus be-
trifft, darin enthalten. Es fehlt dagegen die Ausrechnung der langen Zeit-
perioden, die für die Maya-Handschriften, wenigstens die der Dresdener
Bibliothek, so kennzeichnend sind. Allerdings darf man nicht vergessen,
dass diese Bücher der alten Mexikaner nicht Bücher in unserem Sinne
-waren, die eine Kenntniss direkt übermitteln. Man lernte durch münd-
iliche Unterweisung, und die Bücher waren nur das Memoriale, der Anhalt
für das Gedächtniss. Es wäre gar nicht undenkbar, dass Manches, was
in der Dresdener Maya-Handschrift in langen Zahlenreihen ausgerechnet
vorliegt, im Codex Borgia nur durch ein Paar Bilder und ein Paar hinzu-
gesetzte Zeichen markirt wäre, wie ja thatsächlich die genaue Ausrechnung,
die in den Blättern 46 bis 51 der Dresdener Handschrift vorgenommen
wird, im Codex Borgia, für die Wissenden ohne Zweifel ebenso verständlich,
durch die fünf Bilder der Gottheit des Planeten Venus und die je 13 um-
gebenden Daten zur Anschauung gebracht ist. Um nur ein Beispiel heraus-
zugreifen: es wäre gar nicht unmöglich, wie mir scheint, dass die vier je
■ eine Gottheit einschliessenden Schlangen auf Blatt 72 des Codex Borgia
ihre Parallele in den Bildern (51 und (52 der Dresdener Handschrift haben,
"WO in den Windungen der Schlangen Zahlen verzeichnet sind, deren jede
340 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
einzelne einen Zeitranm von etwa 34 000 Jahren umfasst. Für nns. die
wir niclit wissend sind, ist das ein grosser Mangel dieser mexikanischen:
gegenüber den Mava-Handsehriften. Dafür entschädigt der Codex Borgia
&'"r
und entschädigen die anderen Bilderschriften dieser Klasse, durch die liebe-
vollere und sorgfältigere Ausführung der Figuren, durch die Fülle des-
Details und die Pracht der Farben, und dadurch, dass sie eine An-
knüpfung an Bekanntes, durch üeberlieferung Festgestelltes, gestatten.
Hoffen wir, dass ein eingehendes Studium beider Klassen von Hand-
schriften mit der Zeit die Räthsel lösen wird, die heute noch der Deutung-
sich entziehen.
6. Codex Cospi. Die mexikanische Hilderhandschrift von Bologna. 341
6.
Codex Cospi. Die mexikanische Bilderliandschrift
von Bologna.
Vgl. Globus. Bd. LXXVII S. 3-23—32.'). 2. .Tuni 1900.
Libro
della China
donato dal Sig""- Co: Yalerio
Zani al Sig. Maicli: Cospi
il di XXYI Die'«:
M.DC.LXV.
— so stand ursprünglicli auf dem goldbedrucktoii Scliwelnsloderdeckel, in den
«in sorgsamer Aorbesitzer die bunten Malereien der mexikanischen Bilderhand-
schrift hat fassen lassen, die ehemals dem Museo Cospiano angehörte und jetzt
in der Universitätsbibliothek in Bologna auf bewahrt wird. Das „della China"
ist nachträglich ausgelöscht und „del Messico" darüber geschrieben worden.
Die ursprüngliche Aufschrift aber beweist, wie wenig man in der Mitte des
17. Jahrhunderts — das ist etwa 100 oder 130 Jahre nach der Zeit, wo
diese Schriften nach Europa kamen — noch von ihrer Herkunft wusste.
Ein genaues Studium der Handschrift ist jetzt durch die Faksimileausgabe,
die der hochverdiente Förderer der amerikanischen Studien, Se. Excellenz
der Herzog von Loubat, hat anfertigen lassen, weiteren Kreisen möglich
g;eniacht worden. Man erkennt unschwer, dass sie von ganz derselben Art
ist, wie die beiden anderen mexikanischen Bilderhandschriften, von denen
<ler Herzog von Loubat vor einigen .lahren Faksimilereproduktionen aus-
gegeben hat, der Codex Vaticanus Xr. 3773 und der Codex Borgia. Es
unterliegt auch keinem Zweifel, dass diese drei Handschriften derselben
Gegend entstammen, und dass diese (Jegend nicht in der Xähe des Herrschafts-
sitzes Mofecuhzotna's zu suchen ist, sondern irgendwo in der Nachbarschaft
der alten Zapotekenkultur, etw.i in Teotitlan^ Tochtepec oder Coatzacua/co.
Während aber der Codex Vaticanus Nr. 3773 bis auf den aus Holz ge-
fertigten und mit Türkiseinlagen verzierten Deckel ein vollständiges und
fertiges altmexikanisches Buch darstellt, der Codex Borgia in einer Fülle
grossartig ausgeführter Malereien den ganzen Keichthum der alten augu-
rischen, kalendarischen und astronomischen Wissenschaft uns vor Augen
führt, ist die Bologneser Handschrift augenscheinlich ein nicht fertig
34-2
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
gewordenes Buch. Es beginnt, wie die beiden anderen Handschriften,
mit dem in t'ünfgliederige Säulen geordneten Tonalamaf/, dem augurischen
Kalender von 13 X-0 Tagen, liat aber dann nur noch eine Darstellimg der
13X0 Veuusperioden und ein Bild der vier, den vier Himmelsrichtungen
vorstehenden Uötter. Die übrigen Blätter der Handschrift sind leer. Und
einen Theil der leeren Hinterseite hat vielleicht ein anderer Autor /u
anderen, im Stil abweichenden und auch lange nicht so sorgfältig aus-
geführten Malereien benutzt, die 11 Götter-Figuren, augenscheinlich eine
um zwei vermehrte Wiedergabe der neun Herren der Nacht, und ganz,
merkwürdige Tageszeichen und Zahlenreihen zeigen.
Die Zeichining des ersten, ursprünglichen Theiles der Handschrift.
auf der Vorderseite der Blätter, hat manches Eigenthümliche. Unter den
Tageszeichen ist das der Eidechse, cuetzpalin (Abb. 1).
sehr merkwürdig. Das eilfte Tageszeicheu, OQomätliy
der Affe, ist stets mit einem Haarscliopf aus malinalli-
Gras dargestellt. Bei dem Zeichen maiinaUi selbst, tritt
der grüne Busch neben dem Todteukiefer, der augen-
scheinlich hier das Wesen des Zeichens ausmacht, zurück,
und das tnaUnalli, das „Gedrehte, Ausgebohrte" ist daneben
nicht selten durch ein ausgebohrtes Auge veranschaulicht.
Von den Thieren — Jaguar, Huud, Hirsch, Kaninchen —
werden nicht nur der Kopf, sondern auch ein, zwei oder
mehr Füsse abgebildet. Das Steinmesser (tecpatl) ist in der Regel als Kopf
einem schwarzen Männchen aufgesetzt. Vergleiche die lustige Reihe (Abb. '2),
die das Tageszeichen tecpatl^ „Feuerstein'', und den Steinmessergott, Itztli,
den zweiten der neun Herren der Nacht, in verschiedeuen Formen zur An-
schauung bringt. Die neun Herreu der Nacht sind bald durch die Köpfe
Abb. 1.
Das vierte Tages-
zeichen ciicizpalin
..Eidechse".
Abb. 2. Formen des Tageszeichens f(cp(ttt ..Feuerstein-' und des Steinmessergottes Itztli,^
des zweiten der neun Herren.
der betreffenden Gottheiten (Abb. 3), bald nur durch Symbole dargestellt
(Abb. 4). Unter den Köpfen fällt der Feuergott (der erste in der obersten
Reihe von Abb. 3) durch die eigenartige Gesichtsbemalung und dadurch
auf, dass er augenscheinlich als alter Gott, mit zahnlosem Munde dar-
gestellt ist. Von den Symbolen ist das des Regengottes (das letzte Bild
der untersten Reihe in Abb. 4) ohne Weiteres verständlich. Es stellt den
Blitz dar. Die Erdgöttin (die erste der untersten Reihe, Abb. 4) ist durch
G. Codex Cüspi. Die mexikanische Bilderhandschrift von Bologna.
343
Abb. 3. Die neun Herren der Stunden der Nacht.
I. Xhilltrriff//,
der Feueryott.
IV. Cintcofl,
die Maisgöttin.
VIT. TIaroltcotl,
die Erdsföttin.
IL Itztli,
der Steinmessergott.
V. MidhodiraÜi,
der Todesgott.
VIII. TepeijoIloÜ,
das Herz der Berge, die Stimme
des Jaguars in den Bergen.
III. Toiiatliih-l'iltzliitcciitJi,
der Sonnengott.
VI. Chalchliihtlirne,
die "Wassorgöttin.
IX. Tlaloc,
der Reirenyott.
m
Abb. 4. Die neun Herren der Stunden der Nacht
844
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
eine Stein ku,i;el nnd die Nasenplatte der Pulquegötter. die Maisgöttiu (die
erste in der zweiten Keihe, Abb. 4) tlurcli einen Adlerfuss nnd 3Iaiskolben,
der Todesgott (der zweite in der zweiten Reihe Al)b. 4) durch einen
Todtenknochen (Köhrknochen). der Feuergott (der ersten in der obersten
Keihe) durch das Bild der Flamme, die Wassergöttin (die letzte in der
zweiten Reihe) durch schreitende Beine — denn tias Wasser ist das
huifende — veranschaulicht. Als Symbol des Sonnengottes (des letzten in
der ersten Reihe. Abb. 4) scheint Edelstein- und Federschmuck zu dienen.
]^er achte der neun (lötter, Tepe(/oUotl (der zweite in der untersten Reihe)
ist nienuils durch einen Kopf, sondern immei- durch seine Hieroglyphe,
einen Ber^,' und ein Herz, veranscliaulicht.
Abb. 5. ll(niizc(dpa)ii{'ciitJi, die Gottheit des Planeten Venus, in der ersten der fünf
Perioden, den Speer auf die Wassergöttiu schleudernd.
Dem Tofialamatl, das den Anfang der Handschrift bildet, folgen auf
Blatt 9 — 12 die 13X5 Yenusperioden (Abb. j), die im Wesentlichen
ähnlich, wie im Codex Borgia (vgl. oben S. 3"29. 330) dargestellt sind.
Auf den letzten beiden Blättern, die auf der Vorderseite der Hand-
schrift noch beschrieben sind, sind die (rottheiten der vier Himmels-
riclitungen dargestellt: — Blatt 12 oben im Osten der Sonnengott (Abb. 6\
Blatt 12 unten im Norden Tezcatlipoca (Abb. 7), Blatt 13 unten im Westen
der „Maisgott" (Abb. 8), Blatt 13 oben im Süden der Todesgott (Abb. 9).
Alle vier bringen vor dem Hause, das ihre Himmelsrichtung Itezeichnet,
Weihrauch dar. Bemerkenswerth ist, wie in dem Räncherlöffel des Todes-
gottes (Abb. 9) das Räucherharz in Gestalt eines gebundenen (Jefangenen
gezeichnet ist. In den Häusern des Ostens und Westens (Abb. (i und 8)
steht ein mit Scheitelfederkamm versehener Tagvogel, im Norden und
Süden (Abb. 7 und 9). den Kardinalpunkten, zu denen die Sonne nicht
6. Codex Cospi. Die mexikanische Bilderhanclschrift von Bologna. Mb
;i>elaiigt, ein Nachtvogel, die Eiilo. Das Haus des Südens, das dos Tod.'.—
gottes (Abb. 9), ist ganz und gar aus KmocIicii. Scliädfdn. Blut und llorzfii
gel)ildet.
Die Hininielsi-iciitiingt'ii und ihre VersciruMlcidieir Ix'licrrsclitc das ganze
Leiten der alten mexikanisch - niittelamerikanisclien Stämme. Jegliche
(iesüinnitheit wurde unter sie vertheilt. Ich habe aber olien, in (b'ni
Abb. 6. 'J'oiKfthi/i, der Sonnengott. Herr des Ostens. Codex Boloi^na 12.
UllllliniiiiiiiiiiililllltiMIIIII
Abb. 7. y'(:r{it/ip(ir(i-/tzfl(icoI/if/i</ii/, (lott des Nordens. Codex Bologna 12.
Aufsatz über den Codex Borgia (vgl. S. 326, '{27), schon angedeutet, dass
<liese Bilder der vier Himmelsrichtungen noch ihre besondere Bedeutung
hatten: - Im Codex Borgia sind auf den Blättern, die die <len Abb. 6— i>
entsprechenden Darstellungen enthalten, noch die .lahre naui cnlli, naui
^ochtli, naui acatl, naui tecpatl angegeben. Das sind die Jahr«', die von
den Jahren ce acatl. ce tecpatl^ ce calli, ce tochtli, den ilen vier Himmels-
;UH
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
richruni;eu entsprechenden Aufangsjahren «ler vier Viertel der 52-jährigeii
Periode, um genau 42 Jahre abstehen, nach deren Ablauf man zehn Tage
einschalten muss um das ^!^ Tag zu kleine Jahr der Mexikaner mit der
wirklichen Jahreslänge in Uebereinstimmung zu bringen. Eine Krinnerung
an diese nothwcndige Korrektnr. deren Art und Weise der Ausführung
W(»hl durch mündlichen Unterricht übermittelt wurde, ist es. <lie in den vier
Al»b. 8. Ciiiftotl, der Maisgott, Herr des Westens. Codex Bologna 13.
Abb. !t. Mirflanffriif/;. der Todesffott. Herr des Südens. Codex Bologna 13.
Bildern Abb. C — 9 und in den Parallelstellen des Codex Borgia und des
Codex Land vorliegt. Man begreift, dass unsere Handschrift der Darstellung
des Tonala7/(atrs (Blatt 1 — 8) und der der 13x5 Veuusperioden (Blatt 9 - 11)
als einziges und wesentliches Stück diese Bilder der Götter der vier Himmels-
richtungen (Blatt 12—13) angefügt hat. Diese bezeichneten dem in den-
Priesterwissenschaften Unterrichteten das dritte Hauptstück der Chronologie,
6. Codex Cospi. Die mexikanische Bilderhandschrift von Bologna.
347
<lie Korrektur der Jahresläiii^e. Dass dem so ist, würde uns vollständig
entgangen sein, hätte nicht der etwas gründlichere Gelehrte der Codex-
Borgia-Handschrift sich veranlasst gesehen, neben diesen vier Bildern die
oben genannten vier Jahre hinzuzusclireiben. Erst dieser glückliche Umstand
hat auch uns nunmehr in den Stand gesetzt, in den Bildern Abb. (i— !•
das zu erkennen, was den durch iuündli(;hen Unterricht unterwiesenen alten
Priesterschreibern ohne Weiteres klar sein niusste.
Einen ganz anderen Charakter hat die Hinterseite der Handschrift.
Diese gehört zu den merkwürdigen Abschnitten, in tlenen wir auf den
verschiedenen Blättern ganze Säulen von Zahlen, und zwar nicht, nach
mexikanischer Art, durch Kombination von Punkton, bezw. durch die die
höheren Zahlen 20, 400, 8000 bezeichnenden Bilder, ausgedrückt sehen,
sondern nach Maya-Art, durch (Jruppen von Punkten, die die Einheit, und
von Strichen, die tlie Fünf repräsentiren, geschrieben finden. Ich habe über
diese Abschnitte in meiner Erläuterung des Codex Fejerväry- Mayer aus-
führlich gesprochen. Es ergab sicli mir, dass diesen Zahlen eine tiefere
Bedeutung nicht innewohnt, dass sie anscheinend, — entweder nur in
Imitation unverstandener, aber für zauberkräftig gehaltener astronomischer
Codices, oder, auf Grund einer Zahlenmystik und dir(>kt zu Zauber-
zwecken zusammengestellt worden sind. Die Gottheiten sah ich mich ver-
anlasst, als eine um zwei Figuren vermehrte, aber in umgekehrter Richtung
aufgeführte Liste der Herren der neun Stunden der Nacht aufzufassen,
wie das die folgende vorgleichende Uebersicht zeigt, bei der durch den
I. Die Neun Herren der Nacht.
(Gewöhnliche Liste.)
Mitte T. A7/^A^'(v<///,derFeiiergott.
II. Codex Bologna 21—31.
Osten
Norden,
Westen
II. liztli, Steinmessergütt.
III. Toiiatiiih, Sonnengott.
IV. Cinteotl, Maisgott.
V. MidlaitticutU, Todesgott.
VI. CluilrhUihtU iciic,
Wassergöttin.
I VII. TluroUrotl, Erdgöttin.
IVIII. Tcp<!/oUoUI, Stimme des
Jaguars in den Bergen.
IX. TUdor, Regengott.
Mitte {
(unten, i
oben)
^ ('hlcthiixuKiiii Tczcatlipocü .
der zweifarbige T.
V/(i/(niii(jiii TezcatUpoca . .
der schwarze T.
Tlatlatiliqid Tfzcaf/ipora , .
der rothe T.
Jztac Tpzcatlipoca .....
der weisse T.
Mictccacinatl
die Herrin desTodtenreichs
Tlu<;oltPoil
die Erdgöttiu
(mit d. folgenden zu vertauschen)
3/('^cr//
Mondgöttin
Xolotl .
Gott der Zwillinge.
TUilor
Regengott.
( 'hicH<ip<(uqui Tezcatlipoca .
der zweifarbige T.
Xiuhticufli
Feuergott.
rli/fODii' acdff
Sieben Rohr.
oiiic arafi
Zwei Rohr.
«V ocelotl
Eins Jaguar.
cf eecatl
Eins Wind.
cliicitnaui ripactli
Neun Krokodil.
rfu'vini<nii acut!
Neun Rohr.
rhiciiei acatl
Acht Rohr.
rc oliii
Eins Bewegung.
rh/riinaiii ocfJotl
Neun Jaguar.
(•<- acatl
Eins Rohr.
(V tovhtli
Eins Kaninchen. ^
34S
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
beigesetzten Pfeil d'w Orchiuui;. in der die Figuren ;infi;el"ülirt .sind, iiu-
gezeigt ist. Die letzte Kolumne gibt die Daten an, mit denen, entgegen
dem, was in diesen Handschriften sonst üblich ist, aber übereinstimmend
mit dem Branch der mixtekisehen Codices, diese (iottlieiten hier be-
Z(Mclinet sind.
Aljb. 10. Ce toflitli „eins KaniucLen" = Xinhtccnfli, der Feuergott.
Abb. 11. f't' acatl ,,eins Rohr" = Tltdtizcalpan tcviifli, Gottheit des Morgensterns.
Die Mehrzahl dieser CJottheiten sind dabei als Formen TezcatUpoca <&,
des Zaubergottes, aufgefasst. Vgl. die Abb. 10 — 12 die den Feuergott
{Xiuhtecutli), die Gottheit des Morgensterns {Tlauizcaljyan teciitli) und wie
es scheint eine andere Form derselben Gottheit des Morgensterns dar-
stellen, und denen sich noch der rothe und schwarze und ein weisser
6. Codex Cospi. Die mexikanische Bilderliandschrift von Bologna.
.'^41>
Tezcatlipoca anschliessen, von denen tlic beiden ersten für den Sonnen-
gott und den Steinmesser-Gott stehen, während der letztere, der für dei»
Maisi>ott eintritt, wohl mit dem altem htac Mivcouatl zu identitiziren ist.
Auf Zauberei deuten endlich khir und deutlich auch die Zeichen, die man
neben diesen (Jöttern und ausser dtn\ Zahlen auf diesen Blättern noch an-
gegeben findet. Wie nämlich anderwärts die in diesen Büchern dar-
gestellten Götterfiguren von Reihen von Tageszeichen, meist Gliedern des
in fünfgliedrige Säulen geordneten TonalamatVa begleitet sind, wodurch
sie, in bestimmter Weise geordnet, für gewisse Abschnitte des Tonalamatf»
oder andere grössere Zeitperioden als bestimmend hingestellt werden, sa
sehen wir auch hier die Götterfiguren von Säulen von 4, 5 oder 6 Bildern
begleitet, die aber eine ganz andere abstruse oder esoterische Bedeutung
haben. Auf dem ersten Blatte "il nämlich, sehen wir neben dem Feueraott
Abb. 12. CJi/roiiir aratl ..sieben Rohr". ('/u'rf/ajxnK/iii Tczratlipara der ..halb weisse,
halb schwarze Tezcatlipoca'^ — TlaitizrdJiuoi fcciitli?
<lie Säule Abb. 13, S. 3r)0, d. h. Spinne, Flügelinsekt, Skorpion, Schlangt^
im Loch, Jaguar in der Berghöhle. Das kann natürlich nur eine gewisse un-
heimliche Bedeutung- haben. Dal)ei erinnere ich aber doch daran, dass
die Spinne in dem Beiwerk verschiedener Blätter des Codex Borbonicus
vorkommt, und zwar bei solchen Gottheiten, wo an der einen oder anderen
Stelle in den Tjisten die TzitzimimJ, die vom Himmel herabkommenden
Dämonen, genaimt sind, und dass wir unter den Tzitzimimö uns eigentlich
Sterngottheiten vorzustellen haben, die nur deshalb in der Vorstellung der
Mexikaner zu Dämonen der Finsterniss wurden, weil die Sterne in der
schreckhaften Zeit der Sonnenfinsterniss an dem sonst zu der Zeit hellen
Tageshimmel sichtbar werden. Spinne, Flügelinsekt und Skorpion sind,
etwas variirt und mit einigen anderen zum Theil unverständlichen Zeichen
kombinirt, auch bei den nächsten drei Figuren wiederholt. Auf dem
;j:>0
Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
D
fünfteu und sechsten Blatte aber. l>ei der Erdgöttiu und der Mondgöttin,
die zusammen den Westen bezeichnen, tritt die ganz andere Keihe Abb. 14
iinf. Xicht mehr Spinne. Flügelinsekt und Skorjnon. sondern Sehnecke
{die im Haus verborgene) und Wurm (der in der Erde lebt). Darunter
vier andere Zeicheu. über deren eigentliche Bedeutung ich nichts anzu-
u^eben weiss. Auf den folgenden beiden Blättern. 27 und 28 treten wirk-
liche Tageszeichen auf. die aber die Sonderbarkeit au sich haben, dass
sie sänimtlich hinter sich die
Figur eines menschlichen Her-
zens haben, der sie gleichsam
aufsitzen. Auf Blatt "28 ist es
die Reihe Abb. 15. Zu oberst
steht ein Zeichen, das vielleicht
malinalli ist. Darauf folgt eine
Schildkröte, danach ein Hund,
zuletzt Hirsch und Kaninchen.
Nehmen wir an. wozu wir un-
zweifelhaft berechtigt sind, dass
die Schildkröte (^ayotl) hier für
das Zeichen atl -Wasser" steht,
so geben 4. 5, 2. 3 die Zeichen
maratl ^Hirsch". tochtJi «Kanin-^-
chen". atl ^Wasser", itzcuintli
-Hund", und das sind die vier
Zeichen, die in der Reihen-
folge der Tageszeicheu dem
Zeichen rniquiztli ^.Tod" folgen.
Also wiederum eine Beziehung
auf das Unheimliche und jedes-
falls auf Zauberei. Denn Ce
rniquiztli „eins Tod" ist ja das
Zeichen Tezcatlipoca s und das
Hauptzeichen der Zauberer. Und
dass an diese Beziehung hier
ijedacht ist. wird durch die drei letzten Blätter 29 — 31 klar bewiesen,
indem wir auf ihnen, und auf allen dreien, dieselben vier Tages-
zeichen, immer in verschiedener Anordnung, daneben aber noch das
Tageszeichen couatl ..Schlange" augegeben finden (Abb. 17). d. h. also die
vier auf rniquiztli „Tod" folgenden, und das dem Zeicheu rniquiztli „Tod"
vorhergehende Zeicheu. Eine Sonderbarkeit, über die ich aber nicht
Rechenschaft geben kann, zeigt noch das Blatt 27, indem auf ihm (vgl.
Abb. 16). statt des Zeichens itzcui?itli „Hund", ein Yogelkopf (Papagei?)
srezeichnet ist.
Abb. 13.
Codex Bolosna 21.
Abb. 14.
Codex Bologna 25.
6. Codex Cospi. Die mexikanische Bilderhatidschrift von Bologna. :\')\
Aus der Gesanimtheit dieser Darstellungen jrelit klar hervor, dass
bliese Rückseite unserer Handschrift ein ZauLerkodex wai-, dazu bestimmt,
zu unheimlichen, verderblichen Zwecken die in den neun Stunden der
Nacht mächtigen Gottheiten in Bewegung- zu setzen. (Ileichzeitig scheint
es aber auch, dass dieser Zauberkodex in Imitation anderer, eine wirkliche
Bedeutung aufweisender, astronomischer Codices entworfen worden ist.
Abb. 15.
Codex Bologna 28,
Abb. 16.
Codex Bologna 27.
Abb. 17.
Codex Bologna 29.
und es erscheint deshalb nicht unwahrscheinlich, dass unsere Handschrift
in dem an die Maya- Länder, an das Tlillan T/apallan^ das Land der
Schrift, angrenzenden Gebiete entstanden ist. Jedenfalls stellt der Codex
Bologna in dieser Verschiedenheit der beiden Seiten, einen Typus dar und
ist trotz der Beschränkung auf das Wesentlichste, die die Vorderseite auf-
weist, in seiner Art vollständiger als die ausgeführten und vollgeschriebenen
Handschriften Codex Boroia und Codex Vaticanus B.
352 Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
i.
Die mexikanischen Gemälde von Cuaulitlantzineo^).
Ginbus. Bd. LXXV S. 96. 97. 4. Februar 1S99.
Cuauhtlantzinco ist eiu kleiues Dorf in der Xähe von Ckolula. Es
ist. wie Bandelier festgestellt hat. erst nach der Couquista vou einigen
Cholulteken gegründet ■worden, die bei der Ankunft des C'ortes. aus welchem
(Irunde ist nicht bekannt, auf eigene Hand mit ihm Verbindungen ange-
knüpft hatten, und die deshalb nachher von den Ihrigen als Yerräther
behandelt wurden und Cholula verlassen mussteu. In diesem Dorfe wurden
seit alter Zeit in Oelfarbe auf europäischem Papier ausgeführte und mit
mexikanischem Text versehene (iemälde aufbewahrt. Der Pfarrer vou
Cholula. Dr. JoseA'ieente Campos. hat im Jahre 1855 diese Bilder auf-
ziehen, in zwei Rahmen spannen und in dem (iemeindehause aufhängen
lassen, nachdem er mit Hülfe der des Idioms am besten Kundigen eine
spanische üebersetzung davon hatte anfertigen und an jedem tler beiden
gerahmten Bilder hatte befestigen lassen. Bandelier war es nicht ge-
lungen, diese Bilder zu Gesicht zu bekommen. Aber Starr hat im
Sommer 1895 ohne grosse Schwierigkeit die Erlaubniss bekommen. Photo-
graphieeu davon aufzunehmen. Leider konnte er nur Aufnahmen in ganz
kleinem Massstabe macheu, und leider hat er es nicht versuchen zu können
geglaubt, die mexikanischen Legenden zu entziffern und abzuschreiben,
und sich mit der Kopie der spanischen Lebersetzuug begnÜH:t. Als er im
Jahre 1896 wieder kam, um Aufnahmen in etwas grösserem Massstabe zu
macheu, fand er die Bilder in dem einen Rahmen zum Theil durch Feuer
zerstört, so dass eine genaue Aufnahme des mexikanischen Textes jetzt
überhaupt nicht mehr möglich scheint.
Die Bilder sind ganz in dem Stil der Malereien des sechzehnten dahr-
huuderts und erzählen, in etwas ruhmrediger AVeise. die Erlebnisse der
(Triinder des Dorfes und ihre dicke Freundschaft mit Fernando C ort es.
Ton den 44 Bildern sind 11 doppelt. Es scheinen demnach ursprünglich
zwei Exemplare des Gemäldes vorhanden gewesen zu sein.
1) Frederick Starr, The Mapa de Cuauhtlantzinco or Codice Campos.
Chicago, The University of Chicago Press, 189S.
7. Die mexikanischen Gemälde von Cuaubtlantzinco. 353
Auf dem ersten Blatte sieht man die vier Indianer dem Corte s, der
in Rüstung mit dem Helm auf dem Haupte, der Fahne in der Hand, dar-
gestellt ist, zur BegTüssung nach Jalapa, wie es im Texte heisst, entgegen-
gehen. Ueber dem Haupte des ersten Indianers ist deutlich Tepozteca ge-
schrieben. Der zweite und dritte sind im Texte Cencoma und Sarmiento
genannt. Der Name des vierten ist hier nicht angegeben.
Das zweite Blatt, dessen eigentliche Bedeutung Starr entgangen ist,
ist interessant, weil es zeigt, wie naiv in dieser Zeit und in diesen Doku-
menten, die sich doch als ganz christlich geben, die alten heidnischen
Anschauungen zum Vorschein kommen. Man sieht einen zackigen Berg
mit Bäumen und Gewächsen und einer Schlange, die an ihm emporkriecht.
Am Fusse sitzt eine Indianerin am Webstuhl. Die spanische Uebersetzung
der Legende lautet folgendermassen: „Ich bin die Fürstin und Herrin
Matlequilletzin'-^ — (in Klammer) „die, die jede Art von Kleidung webt"
— „und obgleich mau mich oft hier sieht, so ist es, weil dies der Ort
ist, wo ich geboren wurde, weil ich hier das Gewand trage, mit dem wir
Fürstinnen alle uns kleiden, und weil hier das Land des Fürsten Caca-
totzin ist, wo er selbst mir ein Bad erbaute, wie in diesem von seiner Hand
gemachten Gemälde angezeigt ist." — Starr bemerkt dazu^ dass die
Indianer von Cuauhtlantzinco den Berg Malintzi, d. h. den Berg von
Tlaxcala^ als den hier dargestellten Berg ansehen, und fügt dann einige
Betrachtungen über die Kleidung der hier dargestellten „Prinzessin" hinzu.
Xun, diese MatlequiUetzin ist in richtiger spanischer Orthographie zunächst
Matleqüiyetzin oder Matlecuiyetzin zu schreiben, und das ist nur eine Ver-
derbung- des Namens Matlalcuei/etzin, der „Herrin im blauen Gewände",
der alten Bezeichnung der Göttin des Wassers und des Berges dieses
Namens, der heute unter dem Namen Malintzin oder Malinche, dem Namen
der Geliebten des Cortes, bekannt ist. Dieses zweite Bild und die
Legende besagen also, dass CacaJotzin der Göttin des Wassers und des
Berges ein Bad baute, d. h. also wohl hier eine Quelle in einem Bassin
fasste.
Das dritte Blatt zeigt, welche Nachstellungen der Sprecher (Cacalotlf)
wegen der auf dem ersten Blatt berichteten Begrüssung des Cortes zu
erdulden hatte, und wie er die Wachsamkeit seiner Feinde zu täuschen
wusste, und schliesst mit der Drohung: — „Glaubt jetzt an Gott, ihr, die
ihr mir den Tod geben wolltet!" — d. h. ihr müsst jetzt auch Christen
werden, die ihr mir wegen der Verbindung mit den Christen feind wäret.
Bemerkenswerth ist, dass nach der Legende der Befehl zu dieser Ver-
folgung von dem zu der Zeit längst- verstorbenen König Ne<^aualcoyotl
ausgegangen sein soll. Ne^aualcoyotl ist offenbar nur Bezeichnung des
Königs von Tetzcoco, wie Moctezuma Bezeichnung für den König von
^lexico schlechtweg. Dass aber Ne^aualcoyotl hier genannt ist, beweist,
dass zum mindesten die Legenden aus späterer Zeit stammen müssen.
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 23
354: Zweiter Abschnitt: Bilderschriften.
Auf den folgenden beiden Bildern werden die „Herren des Berges"
zur Bekehrung aufgefordert, und die Bewohner von Malacatepec bekehrt,
d. h. bekriegt und unterworfen. Und dann meldet Blatt 6, dass sich
der „mächtige Monarch" unterwarf, und ein Tlamacazcapilli wird ange-
redet, „den eine grüne Schlange trägt''. In der That sieht man hier die
beiden Fürsten, die Ahnherren von Cuauhtlantzinco^ vor einem anderen
auf einer Schlange sitzenden. Dies Blatt erklärt sich wohl durch das
Folgende, wo die Unterwerfung und Bekehrung der Bewohner von
Tecuanapan^ — richtiger Teciiampan, ein Dorf bei Ckolula, — „die der
Schlange abergläubischen Kult widmeten", berichtet uud gleichzeitig be-
merkt wird: — „das sind Hügel, die zu meinem Lande gehören". Tecuani
heisst das Raubthier und wird gewöhnlich mit „Jaguar" übersetzt (vgl.
Tecuantepec = Tehuantepec). Man bezeichnete damit aber jedes gefährliche,
beissende Thier und nach Dur ans ausdrücklichem Zeugniss auch die
Schlangen.
Weiterhin macht sich Tepoztecatzin, der erste der vier Fürsten von
Cuauhtlantzinco, nützlich, indem er C ort es verschiedene Götzenanbeter
heranbringt.
Blatt 12 schildert die Taufe Citlalpopocatzin'& (von Tlajccala) und
Blatt 13 die des Ahnherrn von Cuauhtlantzinco^ worauf dann das Fest an
dem Orte „del Dios Capulin" {Capulteopan) folgt (Blatt 14 und 15). C ort es
macht ihnen mit seinem eigenen Degen, der an einem Baume befestigt
abgebildet ist, ein Kreuz (Blatt 16 und 17) und gibt ihnen das Bild der
Kuestra Seüora de los Remedios (Blatt 18 bis 20). Blatt 21 schildert die
Bewirthung der Spanier, Blatt 22 die Trauer der Indianer bei der Xach-
richt, dass Cor t es nach Spanien zurückkehren will. Auf Blatt 23 begleitet
Tepoztecatzin mit reichen Gescheuken den Cortes bis nach Quimiztlan
(oberhalb Jalapa), und auf Blatt 24 sitzt der Indianer trauernd unter einem
Feigenkaktus, der abreisenden Freunde gedenkend.
Blatt 26 zeigt Jacinto Cortez, wie der jetzt getaufte Cacalotzin nach
seinem Pathen heisst, und seinen Geburtsort. Blatt 29 Tepoztecatzin mit
der Landschenkungsurkunde in der Hand, Blatt 30 bis 33 endlich
enthalten die Porträtköpfe der vier Fürsten. Yor dem Munde jedes ist
ein Spruchband, das ein Bekenntniss zum christlichen Glauben enthält.
Das ist in Kurzem der Inhalt dieser Malereien, die für den Stil und
die Gedankenwelt jener Uebergangszeit recht bezeichnend sind. Mit dem
schön gezeichneten Lienzo de Tlaxcala sind diese Bilder freilich nicht
entfernt zu vergleichen. Immerhin hat sich Herr Starr ein grosses Ver-
dienst erworben, dass er, soweit es ihm möglich war, uns ein Abbild von
ihnen erhalten hat.
.^>.<=-.
Dritter Abschnitt.
Kalender und Hieroglyphen-
Entzifferung.
1.
Maya-Handschriften und Maya-Götter.
Verhandlnngeu der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
17. Juli 1886. [Zeitschrift für Ethnologie. XVIII. S. (416)-(420)].
In den beiden ersten Heften des laufenden Jahrganges der Zeitschrift
hat Herr Dr. P. SchelHias eine Abhandlung veröffentlicht, in der er, wie
mir scheint, mit Glück eine Anzahl der in der Dresdener Maya-Hand-
schrift abgebildeten Götterfiguren mit bestimmten Hieroglyphen identifizirt,
fussend auf dem von ihm sogenannten Parallelismus der Schrift, der gleich-
artigen Anordnung der Schriftzeichen, Hieroglyphen und Bilder, die ich
aber weniger mit dem Verfasser einer besonderen mathematischen Veran-
lagung des Volkes zuschreiben, als durch die besondere Natur der Hand-
schriften bedingt ansehen möchte.
In erster Linie beschäftigt sich Schellhas mit dem Todesgott. Die
Hieroglyphen, die er für ihn herausgefunden hat, sind ohne Zweifel die
richtigen. Aber besondere Bedenken macht sich der Verfasser darüber,
dass in dem Namen des Todesgottes, welchen Landa übermittelt, Ilun
hau^ nichts von dem Worte „Tod" vorkommt. Er vermuthet, dass der
Name vielleicht Ilun cimi gelautet haben möge, „Eins Tod", und er er-
innert an den im Popol Vuh vorkommenden gleichbedeutenden Namen
Hun came. Dem gegenüber ist aber doch zu bemerken, dass diese Götter-
namen eigentlich Tage bezeichnen, die Tage, welche diesen bestimmten
Grottheiten angehören, die Zeichen, in denen sie regieren, dass also diese
Götternamen an sich mit der Natur des Gottes gar nichts zu thun haben,
wenn aucli vielfach wohl zwischen der Bedeutung des Zeichens und der
Natur des Gottes eine geheime Beziehung erkannt ward. Das dem Hun
cimi und Hun came äquivalente aztekische Ce miquizili bezeichnet nicht
Mictlantecutli, den Todesgott, sondern Tezcatlipoca.
Besonderes Interesse verdient die zweite der von dem Verfasser be-
handelten Gottheiten, sie hat mir auch vorzugsweise Anlass zu meinen
heutigen Bemerkungen gegeben. Der Verfasser nennt sie den „Gott mit
358 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
der Schlangenzunge-. Aber dasjenige, was das am meisten unterscheidende
und auffälligste Merkmal dieses Gottes ist, hat mit einer Schlangenzunge
nichts zu thun. Weder in aztekischen, noch in yukatekischen Malereien
ist irgendwo eine Schlange mit solcher Zunge abgebildet. Man malt die
Schlange entweder ohne Zunge, mit den beiden weit hervorstehenden
Giftzähnen, oder es streckt sich aus dem Rachen eine breite Zunge hervor,
deren Spitze (oft andersfarbig gemalt) eine gabelförmige Kerbung zeigt.
Die eigenthümlichen Auswüchse, welche der sogenannte Gott mit der
Schlangenzunge im Munde trägt, sind vielmehr äquivalent den Raff- oder
Hauzähneu, die eines der unterscheidenden Merkmale Tlaloc's bilden;
dieser sogenannte Gott mit der Schlangenzunge ist in der That
kein anderer, als Tlaloc. der Regen- und Gewittergott der Mexi-
kaner.
Dies geht zunächst aus den Symbolen und Atti-ibuten hervor, mit
denen dieser sogenannte Gott mit der Schlangeuzunge an den verschiedenen
Stellen der Dresdener Handschrift abgebildet ist. Der Verfasser stellt
(S. 80) folgende Attribute und SjTiibole zusammen, die säramtlich auf Tlaloc
passen:
Wasser. Regen, Kahn und Ruder.
Fisch und Eidechse [eigentlich wohl die in der That in der Xälie des
Wassers, an den Flussuferu lebende Iguana]. Bei den Mexikanern galt die
Eidechse als Symbol des WasseiTeichthums (significa abbondauza dellacqua),
wie der Intei'pret des Codex Taticanus ausdmcklich angibt.
Der Adler, wenn er zoologisch richtig bestimmt ist, ist vielleicht das
Einzige, was nicht in gleicher Art bei dem mexikanischen Tlaloc nachzu-
weisen ist. Im Codex Laud 12 (vgl. unten Abb. 13) sehen wir vor Tlaloc
den tlauhqueckol. den durch sein schönes Gefieder ausgezeichneten rothen
Löffelreiher abgebildet.
Das -vierfüssige Thier. der amerikanische Löwe oder ein Hirsch", ist
der Jaguar, in dessen Verkleidung Tlaloc z. B. Codex Laud 2 erscheint
Die Schlange ist die Wolkenschlange oder die Blitzschlange, beides
bekannte Attribute Tlaloc s, oder der TlaloqiLe^ der Gewittergötter.
Kriegsbeil, Speer. Pfeil und Schild sind ebenfalls bekannte Attribute
der ,.mit dem Blitz, wen sie wollen, treffenden Regengötter" (vgl. Sahagun
7, 5), die vielfach damit in den Codices abgebildet werden.
Die Fackel ist das Blitzfeuer.
Der sogenannte _Opferbaum~ ist der Wolkenbaum, unter dem Tlaloc
u. a. Codex Laud 12 sitzt. Vgl. Abb. 13.
Das Scepter mit Menschenhand ist ein bekanntes Attribut des Todes-
gottes (vgl. Codex Borgia 56 = Kingsborough 59j. das vielleicht dem Tlaloc
zukommt als TlalocantecuÜi, dem Herrscher in dem Todtenreiche, das auch
häufig als irdisches Paradies bezeichnet wird, dem kühlen, schattigen,
auf der Spitze des Berges gelegenen Orte, wohin die Seelen der vom Blitze
1. Maja- Handschriften und Maya- Götter, 359
Erschlagenen, der Ertrunkenen und der dem Tlaloc geopferten Kinder
kommen. Wahrscheinlicher noch ist, dass dieses Scepter mit Menschen-
hand dem mexikanischen chicauaztli entspricht, dem Rasselbrett, das einer-
seits Xipe, andererseits die Götter der Maisfrucht, der Erde und des Wassers
führen, und das auch au dem grossen Feste Tlaloc'^ der Procession der
Priester rorangetragen wird.
Der „eigenthümliche Gegenstand, der mit einem Beutel oder einer
Tasche Aehnlichkeit hat" — ist das ariquipilli, der Beutel oder die Tasche,
in der Kopal und anderes Räucherwerk getragen wird. Man sieht ihn
häufig in der Hand Tlaloc's oder unter seinen Attributen (z. B. Codex
Borgia 67 = Kingsborough 48. Vgl. unten Abb. 12). Ein besonderes und
stehendes Attribut aber ist dieser Beutel bei Quetzalcoatl. Denn dieser,
der Windgott, ist der Priester xax' sioxt]v. Wie der Wind dem Regen die
Wege bahnt, — das wird als besondere Leistung QuetzalcoatVs augegeben —
so zieht der Priester durch seine Räucherungen, seine Kasteiungen, seine
Opfer den Regen herbei.
Die Zusammenstellung, die wir in dem Obigen gegeben, zeigt, dass
dem sogenannten Gott mit der Schlangenzunge nicht nur Attribute bei-
gelegt werden, wie sie allgemein Regen- und Gewittergöttern zukommen,
sondern auch solche, die unmittelbar mit dem Regen und Gewitter nichts
zu thun und nur die eigenthümliche mexikanische- Auffassung des Regen-
und Gewittergottes zur Yoraussetzung haben.
Betrachten wir nun weiter die bildliche Darstellung des Gottes selbst,
so erscheinen als Charakteristika desselben (vgl. Abb. 1 — 12, S. 360—362):
1. die eigenthümlichen gewundenen Auswüchse, die zu beiden Seiten
des Mundes heraushängen, und die ich als Zähne betrachte;
2. eine eigenthümlich verzierte Uraränderung des Auges;
3. ein Streifen über dem Munde, der hinter dem Mundwinkel sich
hakenförmig oder in geschwungener oder eingerollter Linie herabbiegt;
4. ein ähnlicher, nach oben sich einrollender Streifen über der Nase;
5. die lange, nach unten gebogene Nase;
6. ein eigenthümlicher, schleifenartiger Kopfputz.
Mit Ausnahme der Nr, 5 sind das alles Besonderheiten, die mit be-
kannten Eigeuthümlichkeiten der Bilder Tlaloc s übereinstimmen oder sich
aus ihnen entwickeln lassen.
Auf Skulpturen und in Malereien sind die Bilder Tlaloc s jederzeit
leicht kenntlich an drei Besonderheiten (vgl. Abb. 13):
1. einer breiten ringförmigen, blau oder grün gemalten Umränderung
des Auges,
2. einem ebenfalls blau gemalten, oben über den Mund sich biegenden
und nach beiden Seiten über die Mundwinkel herab und sich wieder auf-
wärts biegenden Streifen,
3. den langen, nach unten gehenden Zähnen unter diesem Streifen.
360
Dritter Abschnitt: Kalender and Hieroglyphen-Entzifferung.
Die verzierte Umränderimg des Auges des yukatekischen Regengottes
habe ich früher mit der Uniräuderung des Auges Tlaloc's in Verbindung
o-ebracht. Es ist vielleicht nicht ausgeschlossen, dass diese Umräuderung
Abb. 1. Abb. 2. Abb. 3. Abb. 4.
Abb. 1 — 4. Cluu; der Regengott. Dresdener Handschrift 10b: 11c: 4a: 13a.
1^^
Abb. 5. Abb. 6. Abb. 7.
Abb. 5— 7. Chac, der Regengott. Dresdener Handschrift oOa: 44 a; 67c.
bei beiden den gleichen Ursprung hat. Aber sie kommt in der Weise,
wie siö der yukatekische Regengott zeigt, auch bei anderen Göttern der
Maya-Handschriften vor. Ich kann sie deshalb hier nicht als Argument
1. Maya- Handschriften und iMava- Götter.
361
verwerthen. Auch der Streifen über der Lippe des yukatekiselien Regengottes
ist wohl nicht ohne Weiteros der blauen Lippon.schlan,i;e Tlaloca gleich zu
erachten. Aber, dass die schlangenartig sich krüminciidoii, zu beiden Seiten
des Mundes heraushängenden Auswüchse iiiclits anderes, als <lie nach
Abb. 8. Abb. 9. Abb. 10.
Abb. 8— 10. Chac, der Regengott. Codex Tro 27b; 31 d: 9*a.
dODtX TKO $A V.
Abb. 11. Der Regengott Chacy auf der Schlange Ah-boloii-tz'acab,
der Wassergottheit, reitend. Codex Tro 2()b.
unten sieh streckenden Hauzähne Tlalocs sind, wird man leicht erkennen,
wenn man eine grössere Zahl von T/a/of-Bildern durchmustert. Nicht
immer nämlich hängen die Zähne gloichniässig und gerade unter der
blauen Lippenschlange herunter, wie auf den meisten Skulpturen und wie
z. B. in den Bildern des Codex Yaticanus und des Codex Telleriano-
360 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferunor.
Remeiisis. Häufig krümmeu sie sich (vgl. Codex Land 2). In den Tlaloc-
BilderiJ, die als Zeichen für das Tageszeichen qidauitl (Regen) in einem
zapotekischen Codex figuriren, sind nicht alle Zähne in der Weise lang
herunterhängend, sondern nur die zwei äussersten am Mundwinkel. Und
in dem T/afoc-Bilde Codex Land 12 (Abb. 13) ist unter der blauen Lippen-
schlange eine Reihe kurzer Zähne sichtbar, und nur aus dem Mundwinkel
zieht sich ein gekrümmter Zahn nach nuten und hinten, fast ganz ähnlich den
Bildern des Regengottes in der Dresdener Handschrift und im Codex Cortes.
Endlich erwähne ich noch, dass unter den Bildern des Regengottes der
1. Maya- Handschriften und Maya-Götter.
363
Dresdener Handschrift eines sich findet (Abi). 1, aus der mittleren Abthci-
lung des Blattes 10), wo der Gott mit drei solchen hin und her <;ekrümmten
Zähneu versehen ist, die natürlich niclit die beiden Theile einer ge-
spaltenen Schiagenzunge sein können, aber an die Reihe von Zähnen der
gewöhnlichen 7Ya^c-Bilder erinnern.
Was aber ist der nach oben sich oiurollende Stnüfeii über der Nase?
Ich meine, weiter nichts als das andere, hinter dem Profilbild gelegene
Ende der blauen Lippenschlange. Das wird einem wiederum klar, wenn
man eine grössere Zahl von Tlaloc-BMeni in den Codices sich aufsucht.
Einmal nämlich haben wir Darstellungen, wie Codex Borgia 67 (= Kings-
Abb. IB. Tlaloc, der Regengott der Mexikaner. Codex Land 12.
borough 48) auf denen von der Lippenschlange nur die der gezeichneten
Profilseite des Gesichts entsprechende Hälfte sichtbar ist (vgl. Abb. 12).
Ein anderes Mal ist auch die andere Hälfte der Lippenschlange über
die Nase hinaus in die Höhe gezeichnet. So im Codex Yaticanus A
und im Telleriano-Remensis. Dann kommen Darstellungen, wo diese
hintere Hälfte besondere Verzierungen bekommt (Codex Borgia 25 == Kings-
borough 14), anders gefärbt erscheint (Codex Land 2 und 12: vgl. Abb. 13),
schliesslich erscheint sie ganz losgelöst, als besonders gefärbter und be-
sonders verzierter Ansatz, so ganz deutlich Codex Yaticanus B 89 (= Kings-
borough 8) (Abb. 14, S. 364). Einen Scliritt weiter, und wir haben dasjenige,
was in den yukatekischen Malereien vorliegt. Das hintere Ende der Lippen-
3ü4
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
1
sclilange liegt als besonderer Fortsatz über der Nase. Dass eine solche
Zeichnung nur möglich ist, wo die ursprüngliche Bedeutung des Theiles
dem Gedächtniss gänzlich entschwunden ist, wird ohne "Weiteres klar sein.
"Was daran sich noch für weitere Folgerungen anknüpfen Hessen, soll
später erörtert werden.
Es bleibt schliesslich noch der schleifenartige Kopfputz. Derselbe
scheint mir bei den Bildern des jiikatekischen Regengottes der wenigst
charakteristische zu sein. Immerhin ist zu bemerken, dass die Tlaloc-
Bilder sehr häufig einen bestimmten schleifenartigen Kopfputz tragen (mau
vergleiche Codex Borgia 14 und (JT = Kingsborough 25 und 48), der auch
bei den Abbreviaturen des T/a/oc-Kopfes, wie sie zur Bezeichnung des Tages-
zeichens quiauitl üblich sind, deutlich erkennbar und charakteristisch ist.
Die hieroglyphischeu Bilder, welche
Schellhas als Bezeichnungen des yuka-
tekischen Regengottes ermittelt hat, sind
zweierlei Art. Die einen geben einfach
eine Abbreviatur des Kopfes des Gottes
(Dresdener Handschrift 32 c). In den
anderen glaubt man einen Schädel zu
sehen. Der Verfasser weiss für diese
sonderbare Thatsache keine Erklärung
beizubringen. Man könnte daran denken,
dass der mexikanische Tlaloc, als Herr-
scher in Tlalocan, ein Todesgott ist. In
Wahrheit ist es aber gar kein eigentlicher
Todtenschädel, den man in dieser Hiero-
glyphe sieht. Der fleischlose "Unterkiefer
und die freiliegenden Zähne sind freilich genau so, wie bei dem echten
Schädel gezeichnet, aber statt des runden, von einer Braue überspannten
Auges, das man sowohl in der Zeichnung der mexikanischen Codices, wie
der Maya-Handschriften au dem Schädel angegeben findet, ist es hier ein
auslaufenile^s Auge, oder ein Auge, das durch das einem griechischen Tau
ähnliche hieroglyphische Element, wodurch auf den Monumenten das Tages-
zeichen ik „"Wind" bezeichnet wird, ersetzt ist. Endlich ist es nicht ein-
fach ein solcher, mit Todten-Unterkiefer und auslaufendem Auge versehener
Kopf, der die Hieroglyphe des yukatekischeu Regengottes bildet, sondern
dieser Kopf wird augenscheinlich von einer Hand gehalten, von der aber
nur der aufgerichtete Daumen und der das Armband bezeichnende Edel-
stein gezeichnet ist.
Es fragt sich noch, was für einen Namen wir dieser in der Dresdener
Handschrift so vielfach abgebildeten Gottheit zu geben haben. Schellhas
meint, dass es wohl der Kukulcan sein könne, der dem QuetzalcoaÜ der
Mexikaner entspricht und von dem so viele Sagen erzählt werden. Mir
Abb. 14. Tlaloc, der Regengott der
Mexikaner. Codex A^aticanus B, 89.
(= Kingsborough 8).
1. Maya-Handschriften und Maya- Götter. 365
scheint weder diese Parallele mit Quetzalcoatl, noch die Art des Kultus,
die nach Angaben Landa's dem Kukulcan zu Theil ward, für diesen
yukatekischen Tlaloc zu passen. ^lir unterliegt es keinem Zweifel, dass
es der Chac oder die Chac — „los quatro Chac"; auch die Mexikaner
verehrten nicht den Tlaloc^ sondern die Tlaloque, — sind, welche Landa
als „dieses de los maizales", „dieses de los panes" anführt, die von den
Hausvätern angerufen wurden, um ein regenreiches Jahr zu erhalten, und
denen ein Ilaupttheil des Kultus im alten Yucatau gewidmet war.
Auf die anderen Götter, welche der Verfasser behandelt, einzugehen,
versage ich mir. Doch möchte ich noch auf einen Punkt die Aufmerk-
samkeit lenken:
Schellhas schliesst seine Abhandlung mit den Worten: „Als Regel
muss man hinstellen, die Majaschrift ist im Prinzip ideogi'aphisch und
bedient sich zur Vervollständigung der ideographischen Hieroglyphenbilder
vielleicht einer Anzahl feststehender phonetischer Zeichen.'' — Ich pflichte
ihm darin vollkommen bei und möchte sogar noch weiter gehen. Mir
wird es immer glaublicher, dass die Maya-Handschriften im Grunde voll-
kommen analog sind den mexikanischen Bilderschriften und dass sie die-
selben Gegenstände in derselben AVeise behandeln, dass demnach die
Maya-Hieroglyphen nur kursiv gewordene, aber den vollen bildlichen
Werth behaltende Bilder sind. Die alten Yukateken hatten eben nicht
nur dieselbe komplizirte Zeitrechnung, wie die Mexikaner; sie verehrten,
wie wir gesehen, zum Theil dieselben Götter, und der ganze astrologische
Hokuspokus, mittels dessen bestimmte Tageszeichen zu bestimmten
Göttern in Beziehung gebracht wurden, war offenbar bei beiden Völkern
derselbe.
Die Frage, wer hierbei den Lehrmeister und wer den Schüler gespielt
hat, ist oft ohne Weiteres zu Gunsten der Yukateken entschieden worden,
bezw. zu Gunsten der Tolteken, mit denen man die Yukateken identi-
fizirte. Mir scheint die Sache anders zu liegen. Wenn bei den Azteken,
auch bis in die späteste Zeit, „Bild und Wort nicht verwischt wurden",
so hatte das seinen Grund eben darin, dass Bild und Wort ihre bestimmte
Bedeutung hatten, deren man sich bewusst blieb. Sieht man die Eeihe
der Maya-Hieroglyphen für die Tageszeichen durch, so zeigt sich, dass
einzelne Bilder noch deutlich dasjenige erkennen lassen, was das ent-
sprechende aztekische Tageszeichen bedeutet, aber die Worte haben zum
Theil andere Bedeutung bekommen oder sind unverständlich geworden.
So ist das Zeichen cimi (aztek. miquiztli^ Tod) ohne Weiteres als Todten-
schädel zu erkennen. In dem Zeichen kan (aztek. cuetzpalin, Eidechse)
könnte man sich einbilden, den aufgesperrten Rachen eines Reptils noch
zu sehen, an dem Zeichen etznah (aztek. tecpatJ, Feuerstein) erkennt man
deutlich die Bruchlinien des geschlagenen Steines. Aber von diesen dreien
hat nur das eine, cimi^ im Maya die ihm zukommende Bedeutung; das zweite.
36G Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
kafi, bedeutet gelb; das dritte, e'tznab, ist unverständlicb. Vergleicbt mau
nun die Bezeichnungen, die im Quiche und Cakcbiquel und im Chiapas für
die Tageszeicben angegeben werden, so zeigt sieh, dass die Bezeichnungen
der Quichesprache fast genau dasselbe bedeuten, wie die aztekischeu Wörter.
Die Chiapanekischen Wörter stimmen zum Theil mit den Quicheworten
überein, weichen aber auch theilweise ab. Und die Maya-Bezeichnungen
weisen von beiden Reihen Elemente neben eigenen auf. Stellenweise will
es einen bedünkeu, als ob in der That die Mayawörter nur unverständlich
gewordene Ausdrücke einer anderen älteren Mayasprache seien.
Also, mit einem Wort, als ,,erratische Blöcke in dem Gefüge der
weiter entwickelten Sprache" möchte auch ich die Mayanamen der Tages-
zeichen ansehen, aber in anderem Sinne, als Schell ha s und als die
meisten anderen Forscher, nämlich als wirkliche erratische Blöcke, die
sich aus anderen Gegenden dorthin verirrt, bezw. durch elementare Ge-
walten dorthin geschoben worden sind. —
2. Ueber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Götter. 367
2.
Ueber die Namen der in der Dresdener Handschrift
abgebildeten Maya-Götter.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
19. März 1887 [Zeitschrift für Ethnologie XIX. S. (224)— (231)].
In einem vor der Antliropologischen Gesellschaft am 17. Juli vorigen
Jahres gehaltenen Vortrage^) habe ich nachgewiesen, dass derjenige Gott,
dessen Bild mit am häufigsten auf Seiten der Dresdener Handschrift —
und, ich füge hinzu, auch der anderen Maya-Handschriften — anzutreffen
ist, im Wesen, in seinen Attributen und selbst in der Art, wie er dar-
gestellt und abgebildet wird, dem mexikanischen Tlaloc gleich zu setzen ist.
Die Richtigkeit der Identifikation ist auch von demjenigen Forscher, dessen
Abhandlung mir den Anlass zu meinen damaligen Ausführungen bot,
anerkannt worden; nur gegen die Berechtigung des Namens Chac^ den ich
für diesen Gott gebrauchen zu müssen glaubte, ist Einspruch erhoben
worden. Im Folgenden will ich versuchen, einiges zur Vertheidigung der
von mir gebrauchten Benennung beizubringen. Zuvor aber will ich fest-
zustellen versuchen, ob wir nicht einige der in der Handschrift abgebildeten
Götterfiguren mit bestimmten Namen in Verbindung bringen können.
Die einzigen Blätter einer Maya-Handschrift, auf denen bisher der dar-
gestellte Vorgang mit Sicherheit gedeutet worden ist, sind die Tafeln 41 — 42
des Codex Cortesianus und die Tafeln 25 — 28 der Dresdener Handschrift.
Beide Deutungen verdanken wir Herrn Cyrus Thomas in Washington. —
Die genannten Blätter der Dresdener Handschrift habe ich auf den folgenden
vier Seiten reproduzirt. Sie stellen die Zärimonien dar, die in den über
die volle Zahl von achtzehn Monaten noch überschüssigen letzten fünf
Tagen des Jahres vorgenommen wurden.
Diese, aus der regelmässigen Reihe herausfallenden Tage galten den
Yukateken, wie den Mexikanern, als gefährlich und unglückbringend. Sie
wurden in Yucatan xind kaba kin oder uuayah haab, uuayeh haah genannt.
Der erstere Name bedeutet „Tage ohne Namen"; der zweite wird, nach
1) Jahrgang 1886, S. 416—420. Siehe den Aufsatz 1 dieses Abschnitts.
368
r -fe':?
«4i
• « • »
r
':>lt if^'i.^ ;-
r/T' ^„-^ 1- ^- >i p^ jJ 'l^. /// \<K TT'IT- ,
-Vi- i- . »
^Ä-A||
MTi jy-yiv— ■■"
Dresdener Handschrift. Blatt 25.
« "*
369
Dresdener Handschrift. Blatt. 2G.
Seier, Gesammelte Abhandlungen I.
24
370
Dresdener Handschrift. Blatt 27.
371
,..v
«1' "J»^
^oM^^'
Dresdener Handschrift. Blatt 28.
24^
372 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Brasseur, gewöhnlich als „Bett des Jahres'" oder ^Kammer des Jahres"
erklärt. Richtiger ist wohl die andere Erklärung, die Pio Perez^) an-
deutet: „die das Jahr vergiften oder verwunden," denn -ab -eh ist die re-
guläre Endung, mitttels deren von Yerbis transitivis Nomina abgeleitet
werden, die das Werkzeug bedeuten, mittels dessen die Handlung aus-
geführt wird. Um der gefährlichen Tendenz dieser Tage zu begegnen,
feierte man, wie PioPerez (nach Cogolludo) anführt, an ihnen dem Gotte
Mam^ dem „Grossvater'', ein Fest, indem man am ersten dieser fünf Tage
seine Statue im Ort umherführte, am zweiten Tage die Feierlichkeit mit etwas
verminderter Intensität fortsetzte, am dritten seine Statue vom Altar her-
unternahm und in der Mitte des Tempels aufstellte, am vierten Tage die
Statue von dort weg und an die Schwelle oder die Thür brachte, am
fünften Tage (den Gott au dieser Stelle lassend) von ihm Abschied nahm.
Damit einigerraassen übereinstimmend, — aber jedenfalls genauer —
erzählt uns Landa^), dass die Eingeborenen Yucatans an jedem der Ein-
gänge des Dorfes, deren überall vier, den vier Himmelsrichtungen ent-
sprechend, vorhanden gewesen wären, zwei Haufen von Steinen aufgerichtet
gehabt hätten. In den letzten fünf Tagen des alten Jahres sei auf diesen
Steinhaufen an demjenigen Eingang des Dorfes, der der Richtung des
alten Jahres entsprach, — d. h. also wenn das neue Jahr das Zeichen
kan trug, an der Südseite; wenn es das Zeichen muluc hatte, au der
Ostseite; wenn das Zeichen ic, an der Xordseite, und wenn das neue
Jahr das Zeichen cauac hatte, an der Westseite des Dorfes — die Statue
eines Dämons errichtet worden, der, je nachdem es der Vorfeier eines
kan-, muliic-, ix- oder cawac-Jahres galt, als Kan-u-uayeyab^ Chac-u-uayeyab^
Zac-u-uayeyab oder Ek-ii-uayeyab d. h. „der gelbe, rothe, weisse, schwarze
Unglücksdämon" bezeichnet ward und offenbar die von Cogolludo und
Pio Perez als Gott Mam bezeichnete Tutelargottheit dieser fünf Unglücks-
tage darstellt. Denn in dem u uayeyab haben wir doch wohl ohne Zweifel
die Worte u uayeb haab, „die Yergifter des Jahres", die oben angeführte
Bezeichnung dieser fünf Tage zu erkennen, Gleichzeitig habe man in
dem Hause des Kaziken oder an einem öffentlichen Platze in der Mitte des
Dorfes die Statue eines anderen Gottes errichtet, der offenbar als Tutelar-
gottheit des neuen Jahres fungiren sollte, und zwar wenn es der Yorfeier
eines ^aw-Jahres galt, die Statue Bolon-Zacab's, wenn der eines muluc-
Jahres, die des Gottes Kinch ahau, wenn der eines ir- Jahres, die des
Gottes Izamnd, und wenn der eines cawac-Jahres, die des Gottes Uac-
mitun-ahau. Darauf habe man erst dem an dem Eingang des Dorfes auf-
gestellten uuayeyab-'Dö.raon Opfer gebracht, darauf ihn auf einer Stange
nach der Mitte des Dorfes oretraoren und der dort aufs-erichteten Statue
1) Stephens, Incidents of Travel in Yucatan. Yol. I. Appendix p, 437.
2) Relacion de las cosas de Yucatan. ed. de la Rada y Delgado.
2. Ueber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Götter. 373
gegenüber aufgestellt, und beiden neue Opfer dargebracht, zum Schluss
den uuaye^/ab -Dämon an den dem neuen Jahr entsprechenden Ausgang,
d. h. also bezw. an die Ostseite, Nordseite, Westseite, Südseite des
Dorfes gebracht und daselbst belassen, während die andere Statue (des
Gottes Bolon-Zacab, bezw. des Gottes Kinch-ahau, Izamnd, Uac-mitun-ahau)
im Tempel des Ortes Aufstellung fand.
Auf den genannten Blättern 25 — 28 der Dresdener Handschrift sehen
wir nun an dem linken Rande dreizehnmal wiederholt je zwei Tages-
zeichen. Und zwar auf dem ersten Blatte eh und been; auf dem zweiten
caban und eHznab; auf dem dritten ik und akbal; auf dem vierten manik
und lamat. Diese Zeichen habe ich früher, Cyrus Thomas folgend, als
die Zeichen des vorletzten und letzten Tages der alten Jahre angesehen,
indem ich annahm, dass in der Dresdener Handschrift, wie zur Zeit der
Conquista in Yucatan, die Jahre mit den Tagen kan^ muluc, ia;, cauac
begonnen hätten und nach ihnen benannt worden seien. Ich habe aber
nachträglich erkannt, wie das in einer der unten folgenden Abhandlungen
noch näher nachgewiesen werden wird, dass das nicht der Fall ist, dass
vielmehr die Zeichner der Dresdener Handschrift die Jahre mit den Tagen
been^ e^znab, akbal, lamat begannen und nach ihnen benannten, die den
mexikanischen acatl^ tecpatl, calli, tochtli entsprechen. Wir haben also auf
den Blättern 25 — 28 der Dresdener Handschrift nicht, wie ich meinte, den
vorletzten und letzten Tag des alten Jahres, sondern den letzten Tag des
alten und den ersten Tag des neuen Jahres angegeben, und zwar auf den
Blättern 25 — 28 bezw. den ersten Tag eines been-^ e'tznab-^ akbal-^ lamat-
Jahres, die bekanntlich dreizehnmal im Verlauf eines Zyklus von 52 Jahren
sich wiederholen. Die übrige Fläche der Blätter zeigt übereinanderstehend,
drei parallele bildliche Darstellungen durch je eine Reihe von Schriftzeichen
von einander getrennt, und über dem obersten Bilde noch 4 weitere Reihen
von Schriftzeichen.
In der mittleren Abtheilung haben wir wohl zweifellos die Gottheiten
vor uns, die den vier Jahren und den ihnen entsprechenden Himmels-
richtungen — d. h., wie wir wohl annehmen müssen, auf den vier Blättern
25 — 28 bezw. dem Osten, Norden, Westen, Süden, denn das ist die in
dieser und den anderen Handschriften befolgte Reihenfolge — präsidireu,
deren Statuen nach Landa in der Mitte des Dorfes oder im Hause des
Kaziken errichtet wurden, und die die besondere Schutzgottheit des be-
treffenden Jahres repräsentiren. Wir sehen die Gottheit unter dem Matten-
dach des Sakrariums sitzen, davor den flammenden Altar und verschiedene
Darbringungen.
In der oberen Abtheilung sehen wir auf allen vier Blättern unter den
den Anfang der Blätter bildenden Schriftzeichen eine thierköpfige Gestalt,
die am Gürtel mit einem Behang von rasselnden Schueckengehäusen ver-
sehen ist, in der einen Hand einen in eine Menschenhand endenden Stab,
374 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
der wohl dem chicauaztU genannten Kasselbrett der Mexikaner entspricht,
in der anderen einen Fächer hat und auf einer Art Traggestell auf dem
Rücken eine Figur trägt, die mit der Gottheit des betreffenden Jahres,
wenn nicht geradezu ident, so doch ihr äquivalent ist, das Wesen dieser
Gottheit nur in einer anderen Gestalt zum Ausdruck bringt. Wir haben
in diesen thierköpfigen Priestern also die Bringer des Jahres zu sehen,
die u euch haab, wie wir das ins Maya übersetzen könnten, obwohl dieser
Ausdruck eigentlicli die besondere technische Bezeichnung der vier Tages-
zeichen ist, nach denen die Jahre benannt werden.
In der untersten Abtheilung endlich sieht man links auf einem Zeichen,
das, wie es scheint, tun „Stein ^' gelesen werden muss. einen Baum er-
richtet, der mit Schulterdecke und Schambinde behängen ist und auf dem
ersten Blatt (25) den Kopf eines Gottes trägt, der die kennzeichnenden
Züge des Regengottes Ckac aufzuweisen scheint, während auf den übrigen
Blättern statt dessen um den Wipfel des Baumes sich eine Schlange windet.
Auf der Fläche des Baumes sieht man die Wolkenballen (Abb. 1) und das
Windkreuz (Abb. 2), die zusammen die Merkmale des Tageszeichens cauac
bilden, das dem mexikanischen quiauitl, „Regen", entspricht und, wie es
scheint, auch seinem Wortlaute nach — gleich den entsprechenden Aus-
drücken cahogh, caok der chiapanekischen und der guatemaltekischen
Tageszeichenliste, — „Gewitterregen" bedeutet. Auf den auf der Spitze
dieses Baumes ausgestellten Kleidungsstücken selbst, und zwar bald auf
der Schulterdecke, bald auf der Schambinde, sieht man Fussspuren abge-
bildet, mit denen die Mexikaner den betretenen Pfad zu bezeichnen
gewohnt waren. Ich glaube, es unterliegt keinem Zweifel, dass wir
es hier mit Göttern der vier Windrichtungen oder der vier Himmels-
gegenden zu thun haben, und dass der Dämon dargestellt ist, dessen
Statue das ganze Jahr hindurch an der dem Zeichen des Jahres ent-
sprechenden Eingangspforte des Dorfes auf einem Steinhaufen, zur Seite
des Weges aufgestellt und in den genannten fünf Schlusstagen des
Jahres auf einer Stange (te „Baum") von seiner alten Stelle nach der
Mitte des Dorfes und darnach an seine neue Stelle gebracht ward,
üeber dem Bilde sieht man zwei Schriftzeichen, gleichlautend auf allen
vier Blättern, die ohne Zweifel, nach der in den Handschriften üblichen
Weise noch einmal das Bild dieses Gottes und seinen Charakter in ab-
breviirter Form zur Anschauung bringen. Das eine dieser Schriftzeichen,
das zweite, zeigt einen Kopf (Abb. 3) mit den Zügen eines alten Mannes
und vollkommen ähnlich demjenigen in der Hieroglyphe des Gottes, welcher,
wie ich nachher nachweisen werde, als der Himmelsgott Itzamnä zu be-
zeichnen ist. Aber dieser Kopf ist hier verbunden mit einem Element
(Abb. 4), das in den Monatsnamen yax (grün) und yax kin (grüne Sonne,
junge Sonne, erstes Jahresfest) erscheint. Und als dritter Bestandtheil tritt
ein Zeichen auf (Abb. 5), das wir Codex Tro 17 b in der Hand des Jägers
2. lieber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Götter. 375
sehen, und das vielleicht Hieroglyphe für Wurfbrett ist. Wenigstens sehen
wir an jener Stelle unmittelbar darauf eine ganz ähnliche Figur in derselben
Weise ein deutlich gezeichnetes Wurfbrett halten. Das Element kommt
in der Begleithieroglyphe des Sonnengotts (Abb. 16 a) und in der Haupt-
hieroglyphe des Blitzthieres (Abb. 161)) vor und scheint Codex Tro 17*c
durch das Bild einer schlagenden Hand vertreten zu werden (vgl. Abb. 16 c).
Es mag also „schlagen, treffen" bedeuten und, mit dem Gesichte des alten
Mannes verbunden, den uuayeyab^ den Unheilsdämon, bezeichnen sollen.
In dem andern Schriftzeichen, das an erster Stelle steht, erscheint als
wesentlicher Bestandtheil das Zeichen Abb. 6, welches vielleicht die vier
Himmelsrichtungen oder den nach vier Richtungen ausgedehnten Himmel zur
Anschauung bringt. Neben diesen zwei Schriftzeichen sehen wir als drittes das
der vier Himmelsrichtungen und zwar jedesmal das Zeichen der Himmels-
richtung, die dem auf dem betreffenden Blatte dargestellten Jahre zukommt.
Nur sind, wie ich das in einem der unten folgenden Aufsätze näher be-
gründet habe, die dem zweiten und vierten Blatte eigentlich zukommenden
Zeichen vertauscht worden. Oder vielmehr es sind auf dem zweiten und
vierten Blatte die ganzen unteren Drittel der Blätter vertauscht worden.
Dem auf der Stange aufgepflanzten uuaijeyah-D'ÄxwoTi gegenüber nämlich
ist das folgende Jahr durch eine mit der Mittelfigur des folgenden
Blattes übereinstimmende oder ihr entsprechende Gestalt zum Ausdruck
gebracht. Das trifft in der That für alle vier Blätter zu, wenn man sich,
wie ich das oben angab, auf dem zweiten und vierten Blatte die unteren
Drittel vertauscht denkt. Die Figur bringt dem uuayeyab-Ddiiwow eine
Wachtel dar, — in der üblichen Weise, durch Abreissen des Kopfes.
— „Sahumavan la imagen, degollavan una gallina, y se la presentavan 6
ofrecian"". — So beschreibt Landa die dem uuayeyab-Y)'iin\on veranstaltete
Feier. Da es die Gottheit des folgenden Jahres ist, die in der unteren
Abtheilung der vier Blätter dieses Opfer bringt, so ist klar, dass in diesen
untersten Abtheilungen der letzte Ta^- des betreffenden Jahres zur An-
376 Dritter Abschuitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
schaumig- gebracht ist. Die Hieroglji^he dieser Gottheit des folgenden
Jahres sieht mau in der Schriftreihe darüber auf der rechten Seite.
Die Hauptfrage ist nun: — Können wir die Namen, die Landa an-
gibt, in der Reihenfolge und für die Jahre, für welche er sie angibt, auf
die Figuren der Dresdener Handschrift anwenden? — Die richtige Be-
antwortung dieser Frage war mir, als ich meine erste Mittheilung schrieb.
durch verschiedene Umstände erschwert. Zunächst hatte ich damals noch
keine Kenntniss von der eben erwähnten Yertauschung, die beziehentlich
der untern Abtheilungen der Blätter 26 und 28 anzunehmen ist, und ich
wurde dadurch zu einer irrigen Deutung der Hieroglyphen der Himmels-
richtungen geführt. Sodann musste ich in Betracht ziehen und als einen
meine Deutung zweifelhaft machenden Umstand ansehen, dass von Landa
die Jahre kan^ muluc. ir, cauac in anderer \Yeise auf die Himmelsrichtungen
bezogen werden, als mau es für natürlich halten würde, und als es in der
That in den Büchern des Chilam Balam angegeben wird, indem sie nämlich
von Landa nicht den Himmelsrichtungen Osten, Norden, Westen, Süden,
sondern dem Süden, Osten, Norden, Westen zugerechnet werden. Ich
habe das damals vernachlässigt und in einem späteren Aufsatz erst näher
nachgewiesen, wie Landa zu der, wie mir keinem Zweifel unterliegt,
irrigen Beziehung gekommen ist. Endlich war ich ja, Cyrus Thomas
folgend, noch in dem Glauben befangen, dass die Blätter 25— 28 der
Dresdener Handschrift den nach yukatekischer Art nach den Zeichen iv,
cauac^ kan, muluc benannten Jahren entsprächen. Da ich nun die von
Landa für diese Jahre genannten Gottheiten mit der Natur der auf den
Blättern 25 — 28 dargestellten Gottheiten nicht in Uebereinstimmung zu
bringen wusste, so half ich mir damals, in etwas gewaltsamer Weise, in-
dem ich annahm, dass wir die Namen Bolon Zacah, Kinch ahau, Izamnä
und üac-viitun ahau auf die Figuren der Dresdener Handschrift anwenden
können, aber nicht in der Reihenfolge kan, muluc, iv, cauac, wie Landa
die Jahre zählt, sondern in der Reihenfolge ix, cauac, kan, muluc, wie in der
Dresdener Handschrift die Jahre auf einander folgen. Unter dieser Voraus-
setzung, glaubte ich erweisen zu können, stimme alles vortrefflich zusammen.
Ich hatte mit dieser Hypothese insofern das Richtige getroffen, als in
der That die auf den Blättern 25 — 28 der Dresdener Handschrift ab-
gebildeten Götter, da sie ja, wie wir gesehen haben, den been-, e'tznab-,
akbal-, lamat- (= mexikanisch acatl-, tecpatl-, colli-, tochtli-) Jahren, also
dem Osten, Norden, Westen, Süden, entsprechen, mit den von Landa
für die kan-, muluc-, iv-, cauac-Sahre angegebenen Göttern übereinstimmen.
Denn die kan-, muluc-, ix-, cawac- Jahre der Yukateken sind ja ebenfalls
obwohl Landa das anders angibt, in dieser Reihenfolge mit den Himmels-
richtungen Osten, Norden, Westen, Süden zu verbinden. (Landa hat
einfach die für Schlusstage des vorhergehenden Jahres zutreffende Himmels-
richtung, weil man an ihnen das im neuen Jahre drohende Unheil zu
2. Ueber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Götter. 377
"bannen suchte, auf die neuen Jahre übertragen). Aber irriger Weise
habe ich das, was Landa ausserdem von den kan-, muluc-, ix-, cauac-
Jahreu zu berichten weiss, nunmehr, meiner Hypothese folgend, als für
die auf den Blättern 27, 28, 25, 26 der Dresdener Handschrift abgebildeten
Gottheiten, d. h. für den Westen, Süden, Osten, Norden, geltend, an-
genommen.
Den Nachweis, dass in der That die auf den Blättern 25 — 28 der
Dresdener Handschrift abgebildeten Götter mit den von Landa für die
kan-, 7Jiuluc-, iv-, caMac- Jahre angegebenen übereinstimmen, kann ich in
ähnlicher Weise, wie in meiner Originalmittheilung führen. Nur habe
ich natürlich jetzt keine Veranlassung, mit der dritten dieser Gottheiten
anzufangen, sondern beginne mit der ersten, mit der auf Blatt 25 dar-
gestellten Gottheit, die die der been- Jahre, der Jahre des Ostens ist,
und die der von Landa für die ^an- Jahre angegebenen entsprechen muss.
Als Gottheit dieser Jahre wird von Landa Bolon Zacab genannt.
Diese Bezeichnung Landa's ist nicht ganz korrekt. Wie aus dem Text
der Bücher des Chilam Balam zu ersehen ist, lautet der Name richtig Ah
höhn tz'acab und ist „Herr der neun Generationen" oder vielleicht auch
„Herr der neun Medizinen" zu übersetzen. Näheres über die Gottheit
dieses Namens ist der geschichtlichen L"eb erlief er ung nicht zu entnehmen.
Die auf dem ersten Blatte (25) der Dresdener Handschrift dargestellte
Gottheit (vgl. oben S. 368) zeichnet sich durch eine, in merkwürdige Aus-
läufer sich verzweigende Nase aus. Eine ähnliche Nase sieht man an
dem grün beschuppten Ungeheuer, das auf den Tafeln 4 und 5 der
Dresdener Handschrift abgebildet ist. Und denselben Kopf, mit der-
selben proliferirenden Nase finden wir bei der blauen, schwarz ge-
fleckten Schlange, auf welcher (Codex Tro 26 b) der Chac, der Regengott,
reitet (vgl. die Abb. 11 des vorhergehenden Aufsatzes, oben S. 361). Es
unterliegt gar keinem Zweifel, dass dieser Gott Ah bolon tz'acab in engster
Beziehung zum Resenofotte steht. Wir werden ihn am richtigsten wohl als
Gott des Wassers bezeichnen. In der oberen Abtheilung des Blattes 25
(vgl. oben S. 368), wo der „Bringer des Jahres" dargestellt ist, sieht man
in der That von dem thierköpfigen Priester, statt des Gottes mit der
proliferirenden Nase, einfach den Regengott Chac herangebracht. Die
Hieroglvphe Ah bolon t^acaVs, die in der Schriftreihe über der mittleren Ab-
theilung des Blattes 25 an zweiter Stelle steht, zeigt uns den Kopf eines
krokodilartigen Thiers, aus dessen Augen etwas wie Feuer schiesst. Der-
selbe Kopf erscheint auch unter den Schriftzeichen, wo die Abbildungen
aus dem Himmel stürzende, hundeartige Thiere, mit Fackeln in den
Händen, darstellen. Einmal aber (Dresden 3a) finde ich die Figur dieses
Gottes mit der proliferirenden Nase in den Schriftzeichen durch einen
einfachen C'Äac-Kopf wiedergegeben. Die Wesensgleichheit dieses Gottes
mit dem Resrengrott kann nicht deutlicher zum Ausdruck gebracht werden.
378 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Die Zahl Neun, die in dem Namen dieser Gottheit enthalten ist, be-
zeichnet ohne Zweifel wohl die Gesammtheit der Himmelsrichtungen, —
je zwei für jede der vier Hauptrichtungen und eine für die Mitte oder
die Höhe — , ganz wie bei der Zahl der mexikanischen sogenannten
„Senores de la noche". Auf den 3Ionunienten der grossen Ruinenstädte
Copan und Quiriguä, wo die Gottheit, die ich Ah bolon tzacab nennen zu
müssen glaube, überaus häufig dargestellt ist, pflegt die Zahl Neun auch
in der Hieroglyphe dieser Gottheit angegeben zu werden. Und es ist sehr
bemerkenswerth, dass an einer Stelle wenigstens der Dresdener Hand-
schrift, auf Blatt 4a, als Haupthieroglyphe des Regengottes Chac eine
Hieroglyphe erscheint, die die Zahl Neun mit dem oben in der Ab-
bildung 6 (Seite 375) wiedergegebenen Element verbindet, das seiner
Form nach als „Weltgegenden" oder „Himmelsrichtungen" gedeutet
werden muss. (Vgl. die erste Hieroglyphe in Abb. 3 der vorhergehenden
Abhandlung, oben S. 360).
Die ^aw-Jahre sind nach Landa gedeihliche, wo weniger Schädlich-
keiten als in den anderen Jahren drohen. Auch den Mexikanern galten
die Jahre des Ostens, die acatl-idihre als fruchtbare und gedeihliche.
Ausser der eigentlichen Gottheit des Jahres wurde nach Landa in diesen
Jahren auch dem Gotte Yzamna kauil Verehrung erwiesen.
Als Gottheit der nächsten Jahre, der wmZwc-Jahre, die also dem Norden
entsprechen müssen, wird von Landa der Gott Kinch ahau, d. h. „Herr
Sonnengesicht" angegeben. Kriegertänze, holcan okot, batel okot, wurden
bei seiner Inthronistation getanzt und mit Eigelb, mit Hirschherzen und
rothem Pfeffer wurden die Opfergaben gewürzt, die man ihm brachte.
Das zweite Blatt (26) der Dresdener Handschrift (vgl. oben S. 369) zeigt
uns in der That einen Gott, der an der Stirn und in seiner Hieroglyphe
das Zeichen Abb. 12 (S. 375) trägt, das schon de Rosny als Sonnenzeichen
und Hieroglyphe von kin erkannt hat. Und deshalb hat auch schon Schellhas
in seiner Studie über die hieroglyphischen Zeichen der Gottheiten der
Dresdener Handschrift diesen Gott muthmasslich als den aus den Historikern
bekannten Kinich alxau angesprochen.
Der Sonnengott ist der Kriegsgott. Darum sehen wir in der oberen
Abtheilung des Blattes 26 (vgl. oben S. 369) von dem „Bringer des Jahres",
dem thierköpfigen Priester, statt des Gottes selbst oder als sein Abbild oder
Symbol, einen Jaguar (balarn) herangebracht.
Der Gott der ww^mc- Jahre galt nach Landa als der grösste und vor-
nehmste. Aber man befürchtete in diesen Jahren Dürre und Misswachs
(Disformitäten der Getreidepflanzen). Genau ebenso wie die Mexikaner
in den fecpa^Z-Jahren, den Jahren des Nordens. Ausser der eigentlichen
Gottheit des Jahres wurde in diesen Jahren ein Gott Namens Yax coc ah
mut, d. h. „Waldhuhn, Fasan", verehrt. Man brachte ihm als Opfergaben
Eichhörnchen und ein unverziertes Gewand und tanzte zu seinen Ehren
2. Ucber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Götter. 379
einen Tanz auf Stelzen, — wahrscheinlich eine Imitation der Tänze, die
das Männchen dieser Vogelart ausführt.
Die dritten Jahre sind nach Landa die t>-Jahre und an ihnen wurde
nach ihm ein Gott Namens Yzavina — korrekter Itzamnd — verehrt.
Ueber diesen Gott haben wir eine Reihe bestimmter Nachrichten. Er
wird in der Relacion des Priesters Hernandez^) als „Gott Vater" bezeichnet,
oder als der „grosse Vater", und sein Sohn, bezw. seine Söhne, sind die Bacab,
die Götter der vier Himmelsrichtungen. So kennzeichnet er sich als der im
obersten Himmel residirende Urvater, vergleichbar dem Tonacatecutli der
Mexikaner, dem Herrn der Zeugung, der ja auch im Westen, nämlich in
Tavioanchan^ dem „Haus des Herabsteigens", heimisch gedacht wurde.
Auf den Herrn des Lebens deutet auch sein Name, der als wesentliches
Element das Wort itzavi enthält, d. i. nach den Autoritäten ^das Tropfen,
den Thau, die befruchtende Feuchte". Itzam-nü, „Haus des Tropfens"
oder „Schoss des Tropfens", kann entweder geradezu auf den Himmel,
von dem der Regen herabtropft, bezogen werden, oder was mir wahr-
scheinlicher ist, als „ürsitz des Sprossens", Ursitz des Gedeihens" be-
zeichnet und mit der Erde identifizirt werden. Denn wie der mexikanische
Tonacatecutli^ der Herr der Zeugung, im obersten dreizehnten Himmel ge-
dacht ist, und gleichzeitig auch (oder seine weibliche Genossin) als Herr
der Erde erscheint, so scheinen auch in dieser yukatekischen Figur die
Begriffe Himmel und Erde, die Begriffe unten und oben, zusammenzu-
gehen. Im Kultus tritt dieser Gott mit den Merkmalen eines Feuergotte&
auf, der ja auch bei den Mexikanern der alte Gott ist und mehr oder
minder mit dem Herrn der Zeugung, dem Herrn des Lebens, zusammen-
fällt. Die Itzamnd gewidmeten Zärimonien stimmen zum Theil auf das
Genaueste mit den Opfern überein, die man in Mexiko dem Feuergott
brachte. Er ist der Gott des grossen Feueropfers, das von den Yukatekeu
am Feste Mac, dem dreizehnten Jahresfeste, das in die erste Hälfte
unseres Monats April fiel, vollzogen wurde und das mit dem tup-kak, dem
„Ausgiessen des Feuers" endete. Er ist aber, als der Urvater, auch der
Schöpfer aller Kultur, insbesondere der priesterlichen, der Schrift, der
Bücher und der Wissenschaften, und als solchen feierten ihm die Priester
im 2. Monat Uo das Pocam-Fest.
Das dritte der Blätter der Dresdener Handschrift (27, vgl. oben S. 370)
zeigt uns die bekannte Figur des Gottes mit dem Greisengesicht, der
auf den Seiten dieser und der anderen Maya-Handschriften so häufig
wiederkehrt, und der als der „Herr des Lebens" dadurch deutlich ge-
kennzeichnet ist, dass neben ihm, als sein Widerspiel, in den Hand-
schriften in der Regel der Todesgott gezeichnet wird. Figur und Er-
scheinung des Gottes stimmen ganz zu demjenigen, was man nach
1) Las Casas. Hist. Apologetica. cap. l2o.
380 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
der angeg-ebeueu Beschreibung- bei der Figur Itzamna's erwarten durfte.
Als besonderes Kennzeichen trägt er über der Stirn das Tageszeichen
akbal von Punkten umgeben (Abb. 7, S. 375). Dies Tageszeichen entspricht
dem mexikanischen call% „Haus", und bedeutet „Nacht, Dunkelheit".
Ich glaube dies Ton Punkten umgebene Zeichen akbal, das auch in
der Hieroglyphe des Gottes regelmässig angegeben ist, dem von Augen
umgebenen nächtlichen Dunkel gleichsetzen zu können, womit in mexi-
kanischen Malereien der Sternenhimmel bezeichnet wird. Der Gott
erscheint überall an erster Stelle — auch dies entspricht dem, was
wir von Itzamnä erwarten dürfeu — und er ist, namentlich im Codex
Tro, überaus häufig in priesterlicher Funktion dargestellt, in priester-
licher Tracht und mit den Hieroglyphen des Priesters bezeichnet.
Als Vertreter dieses Gottes mit dem Greisengesichte, des Gottes der
Jahre des Westens, wird in der oberen Abtheilung des Blattes 27 (vgl.
oben S. 370), von dem thierköpfigen Priester eine andere, ebenfalls sehr
bekannte Gottheit der Handschriften gebracht, die wohl geradezu als
^Maisgott" zu bezeichnen ist. Ich pflege ihn den „Gott mit dem kan-
Zeichen" zu nennen, weil er in der Regel das Tageszeichen dieses Namens
im Kopfputz trägt. Indem die Dresdener Handschrift in dieser Weise
den alten Gott, den Regeuten der Jahre des Westens, durch den Maisgott
vertreten sein lässt, wird dieser alte Gott geradezu als Tonacatecutli erklärt.
Denn „Herr unseres Fleisches", „Herr der Lebensmittel", „Herr des Maises"
— das bedeutet dieser mexikanische Name. Als Heimath der Maisfrucht
o'alt ja der Westen auch den Mexikanern.
Sehr im Gegensatze dazu — und sehr im Gegensätze auch zu der
mexikanischen Auffassung, nach der die Jahre des Westens als besonders
regenreiche zu gelten haben — werden die «>- Jahre von Landa als
schlecht für die Saaten, als Dürre und Misswachs, Pestilenz, Hungersnoth,
Krieg und Heuschreckenfrass bedeutend angegeben. Ich erkläre mir das
dadurch, dass nach der veränderten yukatekischen Benennung die Jahre
des Westens nicht mehr nach dem Zeichen akbal „Nacht", das dem
mexikanischen calli „Haus'' entspricht, und das das dunkle Haus der Erde
bedeutet, benannt sind, sondern nach dem Zeichen ix oder h-üx, das den
„Zauberer" bezeichnet und dem mexikanischen ocelotl „Jaguar" gleich zu
setzen ist. Die unheilvolle Bedeutung, die diesem Zeichen innewohnt,
musste sicher, nach der Auffassung jener alten Priesterphilosophen, auch
für die Jahre, die seinen Namen trugen, von Einfluss sein.
Von Interesse scheint mir noch die Angabe Landa's zu sein, dass die
«>-Jahre als schlecht für den Mais, aber als gut für Baumwolle be-
trachtet worden seien. Hier scheint mir die alte mexikanische Auffassung,
die den Westen der Erde und ihren Gottheiten zuschreibt, zum Vorschein
zu kommen. Die Baumwolle zu verarbeiten, sie zu Fäden zu spinnen und
daraus Zeuge zu weben, das war das Geschäft der Frauen, und als Weiber
2. Ueber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Göttcr. 381
sind bei den Mexikanern die Erdgottheiten gedacht, die dementsprechend
auch mit Spinn- und Webegeräthen ausgerüstet werden, und in deren
Ausputz denn auch die Baumwolle einen breiten Raum einnimmt. Die
Erdgöttinnen aber hatten ihren Wohnsitz im Westen, der darnach von
den Mexikanern geradezu ciuatlampa ^Region der Weiber" genaimt wurde.
Neben der Hauptgottheit, Itzamnd, wurde, nach Landa, in den ix-
Jahren auch eine Gottheit Namens Cinch ahau Yzamna — korrekter Kin
ich ahau Itzamnd^ d. h. „der Sonnengott Itzamna — verehrt.
In den nun noch übrigen vierten Jahren, den catmc- Jahren, nennt Landa
als Regenten den Gott Z7ac mitun ahau, d.h. den „Herrn der sechs Höllen" oder
den „grossen Herrn der Unterwelt", denn mitun hängt offenbar mit mitn-al
zusammen, d.i. das Wort, welches Landa als die yukatekische Benennung-
der Unterwelt angibt, und welches ohne Zweifel das mexikanische Mictlan,
„Todtenreich", wiedergibt. Unter den Zärimonien, die vor dieser Gottheit
gefeiert wurden, erwähnt Landa einen Xibalba okot, „Höllentanz", und
dass an die Stange mit dem uuayeyab-D'Amon ein Schädel und ein Leichnam
und ein aschgrau gefiederter Vogel (kuch) angehängt ward, — „en seiial de
mortandad grande, ca por muy mal ano tenian este".
Das vierte Blatt der Dresdener Handschrift (28) (vgl. oben S. 371), welche*
die Zawia^-Jahre, die Jahre des Südens, darstellt, die den wzMZi^c- Jahren L an da's
entsprechen, zeigt nun ebenfalls einen Todesgott, auf einem aus Todteu-
knochen gebildeten Stuhle sitzend. Ueber dem Auge thront das Zeichen akbal
(Abb. 8, S. 375), „Nacht", und auf der Backe trägt er die Variante Abb. 9-
(S. 375) des Zeichens cimi, Tod. Sein Haar bildet nächtliches Dunkel und
Augen darin, — ganz wie es der mexikanische Todesgott in der Regel trägt.
Auf der Schulterdecke sind Augen und gekreuzte Todtengebeine gemalt,
und Asche und gekreuzte Todtengebeine sind das Opfer, das vor dem
Gotte steht. Als sein Vertreter wird in der oberen Abtheilung des Blattes 28
(vgl. oben S. 371) ein Skelett von dem thierköpfigen Priester gebracht.
Die Hieroglyphe des Gottes in der Schriftreihe darüber, zeigt das Zahl-
zeichen vier (das häufig als Variante für sechs auftritt, wo es sich nur
um eine Mehrheit handelt), dann ein Gesicht mit aufgesperrtem Rachen und
dann die Hieroglyphe Abb. 10 (S. 375), die, wie ich nachweisen kann, den
von einem Mattendache beschatteten Thron bezeichnet. Nehmen wir an,
wie wir es ja mit ziemlicher Sicherheit thun können, dass das Gesicht
mit aufgesperrtem Rachen die Unterwelt bezeichnet, so hätten wir hier
eine direkte Uebersetzung des Namens Uac mitun ahau, „Herr der vier (oder
sechs) Unterwelten". Die Zahlen vier oder sechs wechseln, je nachdem man
als die möglichen Richtungen nur die bekannten vier Himmelsrichtungen,,
oder noch unten und oben dazu zählt. Der Gott ist in ziemlich ähnlicher
Ausstaffirung noch einmal, Blatt 6 b der Dresdener Handschrift, abgebildet.
Hier erscheint als seine Hieroglyphe ein Kopf mit demselben Zeichen
cimi auf der Backe; der aufgesperrte Rachen ist en face und nicht im
382
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen- Entzifferung.
Profil gezeichnet, und vor der Stirn steht ein herausgerissenes Auge. Als
zweites Attribut ist hier nicht ein Thron gezeiclinet, sondern die Hiero-
glyphe des Todtenvogels, des Kcäuzchens (Abb. 11, S. 375).
In den cauac- Jahren, den Jahren des Südens, befürchteten die Yukateken.
nachLanda, Dürre und Vernichtung der Saaten durch Insekten (Ameisen)
und Vögel. Das entspricht wieder der mexikanischen Auffassung, wie man
Codex Tro 23.
Codex Tro 22.
das auf dem Blatte 27 (= Kingsborough 12) des Codex Borgia und in der
oberen Abtheilung des Blattes 34 (= Kingsborough 11) des Codex Fejervary-
Mayer dargestellt sehen kann.
Neben der Hauptgottheit wurden, nach Landa, in diesen Jahren noch
vier andere verehrt, deren Namen er — augenscheinlich in etwas ver-
stümmelter Form — als Cichaccoh. Ekbalamchac, Ahcanvolcab, Ahbuluchalam
angibt.
2. Ueber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Götter. 383
Es gibt nun noeli eine zweite Reihe von Blättern, auf denen eben-
falls augenscheinlich die j^^ma kaba kin Zärimonien zur Darstellung gelangt
sind. Das sind die Blätter 23—20 des jüngeren und leider auch viel
schlechter und nachlässiger gezeichneten Codex Tro. Hier sind an dem
linken Rand der Blätter niclit der Endtag und der Anfangstag von been-,
e'tznab-^ akbal-^ ^awa^-Jahren, sondern die Anfangstage von kan-, 7nuluc-, ia:-,
Codex Tro 21.
Codex Tro 20.
cnwac'-Jahren angegeben. Die Zeichen sind dreizehnmal wiederholt, mit den
zugehörigen Ziffern, geben also die Namen der 4x13=52 Jahre, die zu einer
grösseren Periode, dem bekannten Zyklus, dem mexikanisch-mittelamori-
kanischen Jahrhundert, sich zusammenschliessen. Merkwürdigenveise
fangen diese Blätter aber nicht mit ^a7i- Jahren, sondern mit Cöwac-Jahren
an, und demgemäss sieht man auf den ersten dieser Blätter die Hiero-
glyphen für chikin AVesteu gezeichnet, eine Himmelsrichtung, die in der
384 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
That im Lauda für die Feier vor deu eaMac-Jahren angegeben wird.
Die Hieroglyphen der anderen Himmelsrichtungen entsprechend auf den
anderen Blättern. Als erstes Jahr ist auf dem ersten Blatte das Jahr
10 cauac verzeichnet.
Diese Blätter haben nun eine ganz andere Eintheilung und ein ganz
anderes Ansehen als die oben abgebildeten der Dresdener Handschrift.
Sie sind nicht von oben nach unten in drei Abtheilungen gegliedert, wie
dort, sondern in zwei, die an zwei Seiten von zusammenhängenden Reihen
von Schriftzeichen umgeben sind. Und die figürlichen Darstellungen sind
ganz anderer Art, als wir sie oben auf den Blättern der Dresdener Hand-
schrift kennen lernten. Ich habe auf den Seiten 382 und 383 den figür-
lichen Theil dieser vier Blätter auf "/s verkleinert wiedergegeben.
Man sieht, es sind immer zwei Abtheilungen, die durch ein sogenanntes
Himmelsschild, einen mit den Zeichen von Sternbildern (?) bedeckten
Streifen, geschieden sind. Die Figuren heben sich von einer gemeinsamen
Grundfarbe ab, die in den beiden Abtheilungen eines Blattes durchgängig
verschieden ist, in der einen blau, in der anderen roth oder gelb. Und
zwar stimmt immer die Grundfarbe der unteren Abtheilung des einen
Blatts mit der der oberen Abtheilung des nächstfolgenden Blattes überein.
Hierbei nehme ich aber das Eoth (in den unteren Abtheilungen) dem
Gelb (in den oberen) als gleichwertig an und betrachte die blaue Farbe
als Andeutung von Dunkelheit, die rothe und die gelbe als Zeichen von
Helle oder Licht. Diese Vertheilung der Farben lässt vermuthen, dass
ein Zusammenhang zwischen der imteren Abtheilung des einen und der
oberen des nächstfolgenden Blattes besteht. Aber der Zusammenhang ist
hier nicht ein derartiger, wie ich ihn oben für die unteren und die
mittleren Abtheilungen der Dresdener Handschrift annehmen musste.
Wie wir gleich sehen werden, scheint mir umgekehrt in den unteren Ab-
theilungen der Blätter des Codex Tro die Hauptgottheit der betreffenden Jahre
dargestellt zu sein, in den oberen Abtheilungen aber die Zärimonien, die in
den letzten fünf Tagen der vorhergehenden Jahre vorgenommen wurden.
Ein Blick auf diese Blätter lehrt in der That, dass hier in den oberen
Abtheilungen ganz andere Persönlichkeiten dargestellt sind als in den
mittleren Abtheilungen der Blätter 25 — 28 der Dresdener Handschrift.
Wenn wir also die Lau da' sehen Namen richtig auf die in den mittleren
Dritteln der Blätter 25—28 der Dresdener Handschrift abgebildeten Per-
sonen bezogen haben, — und ich glaube. Beweise dafür gebracht zu haben,
dass das in der That der Fall ist — so folgt, dass auf die Gottheiten,
die man in den oberen Abtheilungen dieser vier Blätter des Codex Tro
abgebildet sieht, die Landa'schen Namen nicht anzuwenden sind.
Ich möchte die Yermuthung wagen, dass in den oberen Abtheilungeu
dieser vier Blätter des Codex Tro nicht die eigentlichen Regenten der
vier Jahre, sondern die Bacab der vier Jahre dargestellt worden seien.
2. Ueber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Götter. 385
Fast gedrängt wird man zu dieser Vermuthung durch den Umstand, dass
für die cauac-Jahre und für den Westen im Landa ein schwarzer BacaO,
ein Ekel-Bacab, angegeben wird, und hier auf dem ersten Blatt, dem
Blatt 23, auf dem die caMac-Jahre verzeichnet sind, und auf dem wir auch
in der Schriftreihe unmittelbar über der oberen Abtheilung die Hiero-
glyphe chikin „Westen" sehen, an der rechten Seite der oberen Abtheilung
ein in schwarzer Farbe gemalter Gott steht. Ist also diese meine Ver-
muthung richtig, so würden wir vielleicht auf diese Gottheit der oberen
Abtheilung des Blattes 23 den im Landa angegebenen Namen Hozan ek an-
zuwenden haben. Für die des zweiten Blattes (22) entsprechend den Namen
Hobnil, für den des dritten (21) Canzienal, für den des vierten (20) endlich
den Namen Zac ziui. Wir wissen, abgesehen von dem ersten, zu wenig
über diese Götter, als dass ich eine nähere Begründung dieser Hypothese
versuchen könnte. Hozan ek wird in dem von dem Grafen Charencey
veröffentlichten Vokabular als Name des Abendsterns angegeben.
Umgekehrt glaube ich in den unteren Abtheilungen der Blätter 23
bis 20 des Codex Tro die eigentlichen Regenten der betreffenden Jahre
suchen zu müssen.
In der That sehen wir in der unteren Abtheilung des Blattes 23 auf
der linken Seite den Todesgott sitzen. Das stimmt zu der Angabe
Landa's, der in den «mac-Jahren als Regenten Uac mitun aliau nennt.
In der unteren Abtheilung des Blattes 22, das den ^aw-Jahren ent-
spricht, sehen wir auf der linken Seite auf einem mit Hieroglyphen kan,
d. h. mit Mais, gefüllten Gefässe einen Hund sitzen, der auf einer Rücken-
trage kan und imix, d. h. wohl Mais und Bohnen (?) trägt. Dass dieser
als ein Sinnbild der Fruchtbarkeit bedingenden Wasser- und Regengottheit
Ah bolon tz^acab aufzufassen sei, werden wir um so mehr annehmen können,
als aus der Land ansehen Schilderung der Xma-kaba-kin-Tjöx'iVLioiimn her-
vorzugehen scheint, dass Figuren von Hunden als Träger von Lebens-
mitteln verwendet wurden (perros hechos de barro con pan en las espaldas)
und in dieser Form den Göttern dargebracht wurden. Wenn endlich
diesem Hund gegenüber in derselben Abtheilung der Gott mit dem kan-
Zeichen dargestellt ist, von dem wir auf Blatt 27 der Dresdener Hand-
schrift gesehen haben, dass er als Vertreter Itzamnas auftritt, so werden
wir auch hier eine Uebereinstimmung mit Landa finden, der uns erzählt,
dass in den X:aw-Jahren ausser dem eigentlichen Regenten des Jahres auch
ein Gott Yzamna kauil verehrt worden sei.
In der unteren Abtheilung des Blattes 21, das die ^nw/wc- Jahre ent-
hält, müssten wir meiner Theorie nach den Sonnengott Kinch ahan darge-
stellt finden. Dieser selbst ist nun allerdings nicht da. Aber wir sehen
auf der linken Seite dieser Abtheilung seinen Vertreter: auf einem Stein-
sitz, an dem Flammen emporlodern, ein Thier, das man mit einigem guten
Willen recht gut als einen Jaguar deuten kann. Wenigstens unter-
Seler, Gesammelte Abhandlungen I. 25
386 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
scheidet er sich von dem auf diesen Blättern mehrfach dargestellten Hunde
bestimmt durch die zugespitzten, nicht gestutzten Ohren. Dass wir an
solche Beziehungen für das ganze Blatt denken müssen, das scheint eine
■weitere Bestätigung darin zu finden, dass wir diesem Jaguar gegenüber
einen Gott sehen, der eine Vogel maske trägt. Im Landa lesen wir aber,
dass in den wm^MC-Jahren ausser dem eigentlichen Regenten des Jahres,
auch ein Gott Yax coc ahmut, d. h. „das Waldhuhn, der Fasan", verehrt
worden sei.
Auf dem vierten Blatt 20 endlich, das die ii- Jahre enthält, wo
Itzamnä dargestellt sein müsste, sehen wir auf der linken Seite der
unteren Abtheilung wieder den Gott mit dem l*aw-Zeichen, den Vertreter
Itza7nnas, aber mit geschlossenem (oder auslaufendem?) Auge. Ihm
gegenüber, auf der rechten Seite der unteren Abtheilung den Sonnen-
gott und zwar mit einer Art Vogelmaske, die das Auge des alten Gottes
Itzanmas zeigt. Da ist es wieder eine frappante Uebereinstimmung, dass
Landa uns • erzählt, dass in den ir- Jahren ausser dem eigentlichen Regenten
des Jahres ein Gott Kinchahau Yzamna verehrt worden sei.
So stimmen also diese vier Blätter des Codex Tro in der That zu den
Berichten Landa's und zu der von mir angenommenen Art der Deutung.
Noch auffallender wird, wie auch schon längst von anderer Seite her-
vorgehoben worden ist, die Uebereinstimmung, wenn wir die Einzelheiten
der hier dargestellten Scenen mit den Angaben Landa's vergleichen.
In den fünf Tagen, die den cawac-Jahren vorangiengen, gibt Landa
eine Art Feuerzärimonie an, die darin bestand, dass man aus trockenen
Reisigbündeln ein Haus aufbaute, dieses bei Einbruch der Nacht in Brand
setzte und, nachdem es niedergebrannt, mit blossen Füssen über die Gluth
lief. Entsprechend sehen wir in der That auf dem ersten der Codex-Tro-
Blätter, dem Blatt 23, auf dem die cawac-Jahre verzeichnet sind (vgl. die
erste der beiden Abbildungen oben S. 382), in dem oberen Theil des
Blattes, der die in den letzten Tagen des vorangegangenen Jahres vorge-
nommeneu Zärimonien veranschaulicht, an der linken Seite den mit rother
Gesichtsfarbe gemalten Feuergott, eine Fackel in den Händen haltend.
In den Tagen, die den ^a^i- Jahren vorangiengen, erzählt Landa von
einem Opfer, das darin bestand, dass man einen Hund oder einen Menschen
gebunden von einer Höhe auf einen im Tempelhof aufgeschichteten Stein-
haufen herunterwarf und darnach erst rite schlachtete. Landa erwähnt dann
noch Opfergaben von Speisen und bemerkt zum Schluss — „decian que
descendia un angel, y recebia este sacrificio." — Fast wörtlich, möchte
man sagen, ist das auf dem zweiten der Codex-Tro-Blätter, Blatt 22, in
der oberen Hälfte wiedergegeben. (Siehe die zweite Abbildung oben
S. 382). Denn dort sehen wir auf der linken Seite, dem Bacab gegen-
über, den Steinhaufen, darüber sehen wir einen gebundenen Menschen, der,
von oben heruntergeworfen, den Steinhaufen mit seinem Blut überströmt.
2. Ueber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Götter. 387
Und zu Oberst den „Engel, der zum Opfer herabkommt", eine Gestalt mit
den Gesichtszügen und dem Kopfputz des Gottes mit dem ^aw- Zeichen,
aber mit zu einer Art Flügel ausgebildeten Armen.
In den Tagen, die den muluc- Jahren vorangiengen, musste man, wie
Lauda berichtet, einen Tanz auf Stelzen tanzen, musste Truthühner,
Brot und Maisbier darbringen, sowie einen thönernen Hund mit Brot auf
dem Rücken, endlich ein unverziertes Gewand (un paramento sin labores).
Und in der That, auf dem Blatte 21, dem dritten der Codex Tro-Blätter,
auf dem die muluc-Jaihve verzeichnet sind, (vgl. die erste der beiden Ab-
bildungen, oben Seite 383) sehen wir in der oberen Hälfte an der linken
Seite die Person auf Stelzen. Dahinter oben die Truthenne (kenntlich
durch die Hautwucherungen auf dem Kopf) und unten das weisse unver-
zierte Gewand. Ja, ich glaube, auch den Hund mit dem Brot auf dem
Rücken finden wir vor, aber nicht in der oberen, sondern in der unteren
Abtheilung, wo wir an der rechten Seite in der That einen Hund mit den
Hieroglyphen kan und imia- auf dem Rücken sehen, die vielleicht „Mais
und Bohnen", jedenfalls ^Lebensmittel", bedeuten.
In den den tc^-Jahren vorangehenden Tagen, sagt Landa, hätte man
das Sakrarium des Gottes renovirt und — „una solemna borrachera"", ein
grosses Saufgelage, veranstaltet, denn es wäre ein allgemeines für alle
obligatorisches Fest gewesen. Demgemäss sehen wir in der oberen Hälfte
des letzten der Codex-Tro-Blätter, Blatt 20 (vgl. die zweite Abbildung
oben auf Seite 383) das ganze Orchester in Thätigkeit, zwei Pauken ver-
schiedener Form, die eine dem tlalpan ueuetl der Mexikaner entsprechend,
die andere vielleicht einen mit einem Trommelfell überzogenen Kürbiss
darstellend. In der linken oberen Ecke ist noch eine Person abgebildet.
Was diese aber eigentlich treibt, darüber wage ich allerdings nicht, mit
Bestimmtheit mich auszusprechen.
Stimmen also die dargestellten Szenen überraschend genau mit den
Angaben Landa's überein, so dürfen wir auch vertrauen, dass die oben
versuchte Parallelisirung der von Lauda genannten Götter mit den auf
diesen Blättern erkennbaren Personen das Richtige trifft. Nun sind ja
allerdings, wie es scheint, auf diesen Codex-Tro-Blättern die Hauptgott-
heiten zum Theil nur angedeutet. Hier treten aber dann die schönen
und sorgfältig gezeichneten Blätter der Dresdener Handschrift ergänzend
ein. Die grundsätzliche Uebereinstimmung der in den mittleren Abthei-
lungen dieser Blätter abgebildeten Personen mit den Gestalten, die in den
unteren Abtheilungen der Codex -Tro-Blätter auf der linken Seite zur
Anschauung gebracht sind, glaube ich erwiesen zu haben, und ebenso,
dass die Gestalt und die Attribute der auf den Blättern der Dresdener
Handschrift abgebildeten Götter zu dem Wesen der Gottheiten, die Landa
uns nennt, stimmt. Demgemäss glaube ich berechtigt zu sein, die von
Landa angegebenen Namen für diese ihrem Ansehen und ihren Attributen
25*
388 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
nach wohl charakterisirteii, durch bestimmte Hieroglyphen bezeichneten
Gottheiten zu verwenden. Wenn ein Zweifel bestehen kann, so gilt das
einzig dem Namen Itzamnd, der bald auf den alten Gott des Blattes 27
der Dresdener Handschrift, bald auf den jungen Gott, den Gott mit dem
kan-Zeichen angewendet worden zu sein scheint. In der That haben wir
ja, in der oberen Abtheilung des Blattes 27 der Dresdener Handsclirift,
den Gott mit dem A-a»- Zeichen als den direkten Stellvertreter des alten
Gottes angetroffen. Auf den alten Gott, als Träger des Namens Itzainnä,
weisen, ausser dem genannten Blatte der Dresdener Handschrift, vor allem
die Angaben des Priesters Hernandez und der Umstand, dass Itzamnd
im Kultus als ein Feuergott erscheint. Den jungen Gott, den Gott mit
dem ^'a;i-Zeichen, zeichnet, wie wir gesehen haben, der Codex -Tro als
Itzamnd. Die Bücher des Chilam Balam nennen Itzamnd als Regeuten des
Katun 13. ahau. Als Regenten dieses katun sieht man im Codex Perez
einen alten Gott, der aber auf dem Scheitel die Hieroglyphe kau und den
ganzen Aufputz, wie ihn der Gott mit dem ^aw-Zeichen als Kopf-
schmuck trägt, aufweist. Den alten Gott, Blatt 27 der Dresdener Hand-
schrift, zeigt uns der Codex Perez als Regenten des Katun'ii 10 ahau.
Und in diesem Katuji wird von dem Chilam Balam als Regent ein Gott
Namens Hun chaan genannt. Es ist wahrscheinlich, dass der Name Itzamnd
allgemeinere Bedeutung hatte und, mit einigen unterscheidenden Zusätzen,
für verschiedene Götter verwandt wurde. Lauda selbst nennt uns ausser
dem eigentlichen Itzamnä noch einen Itzamnd kauil und einen Kinch ahau
Itzamnd. Der letztere ist, wie wir gesehen haben, nur eine Form des
Sonnengotts. Der zweite, Itzamnd kauil, scheint, wenn wir der Zeichnung
des Codex Tro trauen dürfen, im Wesen mit dem Gott mit dem kan-
Zeichen ident zu sein.
Ich komme zum Schluss nun noch einmal auf den Regengott zurück.
Den Regengott selbst haben wir unter den vier Göttern nicht getroffen,
wohl aber eine ihm sehr nahe stehende Gestalt, den Gott mit der proli-
ferirenden Nase. Für diesen habe ich es wahrscheinlich gemacht, dass
ihm der Name Ah holon tz'acab zukommt. Für den in der Dresdener Hand-
schrift so viel dargestellten Regengott selbst aber werden wir doch wohl noch
nach einem anderen Namen suchen müssen, da es doch wahrscheinlich ist^
dass seiner besonderen Bildung und der besonderen hieroglyphischen Be-
zeichnung entsprechend ihm auch ein besonderer Name zukam.
Ich will zunächst Einiges anführen, woraus meiner Ansicht nach
hervorgeht, dass der Name Kukulcan auf den Regengott nicht anzuwenden
ist. Mit dem Namen Kukulcan und seiner Identification mit Quetzalcoatl ist
viel Missbrauch getrieben worden. Die Festlichkeit, die nach Lauda ihm
im Monat Xul in der Stadt Mani gefeiert ward, lässt ihn eigentlich
mehr als einen Heroengott, jedenfalls als eine lokale Gottheit erscheinen.
Man verehrte ihn als den Gründer von Mayapan, und es mag ja sein, dass
2. Ueber die Namen der in der Dresdener Handschrift abgebildeten Maya-Götter. 389
bei dieser Gründimg des Bundes von Mayapan mexikanischer Einfluss ins
Spiel kam, und dass vielleicht auch die Sagen von Quetzalcoatl auf die
Gestaltung der Vorstellung Kukulcaii's einwirkten. Darauf weisen wenigstens
die besonderen Bussübungen hin, denen man an seinem Feste sich hingab.
Dass er der in der Dresdener Handschrift und anderwärts so vielfach
abgebildete Regengott nicht war, geht vornehmlich aus zwei Angaben in
der oben schon erwähnten, alten Relation des Priesters Hernandez hervor.
Die eine ist, dass Kukulcan der Anführer der zwanzig Götter gewesen sei, die
nach der Beschreibung offenbar die Gottheiten der zwanzig Tageszeichen be-
deuteten. Ist dem so, so müsste Kukulcan in der Reihe der zwanzig Gott-
heiten, die in der Dresdener Handschrift in der oberen Abtheilung der
Blätter 4 — 10 abgebildet sind, an erster Stelle stehen. Dort steht aber
nicht der Regengott, dessen Namen wir suchen, sondern ein alter Mann
mit einem Diadem über der Stirn und einer Schlange in der Hand, dessen
Schriftzeichen auch mit den Schriftzeichen des Regengottes gar nichts zu
thun haben, sondern, wo sie anderwärts auftreten, einen alten Priester,
nicht selten den Itzamnd selbst, bezeichnen.
Die zweite Angabe, die gegen die Identifizirung des Regengottes mit
dem sogenannten Kukulcan spricht, ist die ausdrückliche Versicherung des
Priesters Hernandez, dass zwar die vornehmen Leute von Kukulcan und
seinen neunzehn Genossen Kenntniss gehabt, dass aber das Volk nur die drei
Personen Itzamnd, den Bacab und Ekchuah, ferner Chibiriac, die Mutter
/der Bacab, und la chel, die Mutter der Chibriac, verehrt hätten. — Nun,
ein so vielfach in den Handschriften abgebildeter Gott kann unmöglich
der nur den Gelehrten und Vornehmen bekannte Kukulcan gewesen sein.
Dass der Regengott als Chac zu bezeichnen ist, geht daraus hervor,
dass 1. unter dem Namen Chac in der That ein Regengott verstanden
ward; — das Wort chaac oder chac wird noch heute im Sinne von „Regen"
gebraucht. 2. in der Dresdener Handschrift der Regengott der einzige ist,
der bei den vier Himmelsrichtungen angeführt wird. Im Landa haben wir
aber die ausdrückliche Angabe, dass die Hausväter und Landleute die vier
Chac, „los quatro Chac"' verehrten.
AVenn irgend ein anderer Name dem Namen Chac Konkurrenz machen
könnte, so wäre es der der Bacab. Denn diese Bacab werden auch in
einer Zahl von vieren genannt. Aber auch diese Bezeichnung kann für
den Regengott nicht in Betracht kommen, da für jeden dieser Bacab ein
besonderer Name angegeben wird. Diese Namen sind auch derart, dass
man schliessen muss, es seien vier besondere, verschiedene Gottheiten ge-
wesen, die nur unter der einheitlichen Benennung Bacab zusammen-
gefasst wurden. Diese Benennung selbst bedeutet aber vermuthlich weiter
nichts als „der in einer Region Mächtige" oder „Schutzgottheit einer
Region'^.
390 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
3.
Entzifferung der Maya-Handschriften.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
19. März 1887 [Zeitschrift für Ethnologie XIX. S. (231) — (237)].
Wer mit Aufmerksamkeit die Schriftzeichen der vier uns erhaltenen
Maya-Handschriften — von den Inschriften der Tempelwände rede ich hier
nicht — durchsieht, dem werden sich ohne Zweifel bald zwei Beobachtungen
aufdrängen. Die eine ist, dass es eine verhältnissmässig geringe Zahl von
Bildern und Grundelementen ist, die in diesen Schriftzeichen wieder-
kehren. Die zweite, dass bei gleichen oder ähnlichen figürlichen Dar-
stellungen auch dieselben Schriftzeichen wiedererscheinen. Es unterliegt
keinem Zweifel, dass zwischen der figürlichen Darstellung und den Schrift-
zeichen ein enger Zusammenhang besteht, wie es ja auch natürlich ist.
Und meine Untersuchungen berechtigen mich dazu, den Satz auszusprechen,
dass die Schriftzeichen im Allgemeinen weiter nichts sind, als eine
Erläuterung der figürlichen Darstellung, eine Wiederholung oder nähere
Ausführung der dargestellten Figuren, Gegenstände und Vorgänge in zu
Lettern abbreviirten Bildern, — eine Wiederholung, die nicht zwecklos
und unnatürlich ist, da sie gestattet, z. B. den an einem Gott ge-
zeichneten Vorgang für eine Reihe anderer niederzuschreiben, oder
eine in voller Figur dargestellte Gottheit mit Attributen und Beziehungen
ausgestattet zu erklären, die zeichnerisch nicht ohne Weiteres anzubringen
waren.
Für eine Anzahl (acht) der am häufigsten in den Handschriften an-
zutreffenden Gottheiten hat Herr Dr. Schellhas in seiner, im vorigen Jahre
(1886) in der Zeitschrift für Ethnologie publizirten Abhandlung die ihnen
entsprechenden Schriftzeichen oder Hieroglyphen nachgewiesen. Dass damit
die Zahl nicht erschöpft ist, begreift sich. In der oberen Reihe der Tafeln
4 — 10 findet sich eine Reihe von 20 Gottheiten und Figuren, deren Hiero-
glyphen in den Schriftzeichen darüber und anderwärts zu erkennen sind.
Eine zweite Reihe von 20 Gottheiten oder mythologischen Figuren, die
nur zum Theil mit der vorigen sich deckt, ist, allerdings nur durch ihre
Hieroglyphen vertreten, auf der linken Hälfte der Blätter 46 — 50 derselben
Handschrift, in der untersten und mittleren Reihe derselben, zu erkennen.
3. Entzifferung der Maya -Handschriften. 391
Andere finden sich an anderen Stellen, und eine genaue Ziffer lässt sich
noch nicht angeben.
Die Hieroglyphe ist in ihrer einfachsten Gestalt weiter nichts, als eine
Wiedergabe des Kopfes der betreffenden Figur. So z. B. die Fledermaus
z(^tz in der Hieroglyphe des Monats gleichen Namens und anderwärts.
Gewöhnlich aber ist schon der einfache Kopf ausgestattet mit gewissen
akzessorischen Bestandtheilen, — ich scheue mich, den Ausdruck „Affixen"
zu gebrauchen, um nicht die Vorstellung von sprachlichen Affixen zu er-
wecken. So ist z, B. der Kopf des Regengottes C'Aac, wo er als Hieroglyphe
unter den Schriftzeichen auftritt, regelmässig begleitet von dem Element
Abb. 13 (oben S. 375). Derjenige des Gottes, welcher in der Dresdener Hand-
schrift ziemlich regelmässig mit dem Tageszeichen kan im Haar abgebildet
ist, und den ich daher als „Gott mit dem A-a^i-Zeichen" bezeichnen will, ist
regelmässig begleitet von dem Zeichen Abb. 14 (oben S. 375). Dabei ist der
Kopf selbst theils eine einfache Wiedergabe des Kopfes, den die volle Figur
trägt, z. B. der Kopf Chac\ auf Tafel 32 c der Dresdener Handschrift, der
Kopf des schwarzen Gottes, Dresdener Handschrift 14c, der des Gottes
Itzamnd, des Gottes mit dem Greisengesicht u. a. m., theils erscheint statt
dessen mit grosser Regelmässigkeit ein anderer Kopf. So ist Chac in weit-
aus den meisten Fällen in der Schrift dargestellt durch den in der Hand
gehaltenen Kopf mit weinenden oder auslaufenden Augen und todtenschädel-
artig freiliegenden Zähnen (Abb. 15 oben S. 375), der in den figürlichen
Darstellungen nirgends zu sehen ist.
Schliesslich tritt schon bei der einfachen Hieroglyphe an Stelle der
Figur oder des Kopfes ein symbolisches Zeichen auf, womit die Natur der
betreffenden Figur gekennzeichnet wird. So sieht man auf Tafel 4b der
Dresdener Handschrift, über dem dort dargestellten grünen Schuppen-
ungeheuer, in einer Reihe von sechs Köpfen, die, wie sich nachweisen
lässt, eben so viel Gottheiten bezeichnen, als siebentes das zusammen-
gesetzte Zeichen Abb. 16 (oben S. 375), mit welchem auf Tafel 12 c und
21c ein alter, kahlköpfiger Gott bezeichnet ist.
In weitaus den meisten Fällen aber — und das ist eine wichtige
Thatsache — ist die dargestellte Figur in der Schriftreihe nicht durch
ein, sondern durch zwei, drei oder gar vier Schriftzeichen bezeichnet,
die unweigerlich die Figur begleiten, in welcher Handlung sie auch
dargestellt sein mag. Die Zahl der Schriftzeichen, ob zwei, drei oder
vier, hängt von der Oekonomie der Schreibung ab. So ist der Todes-
gott, wie auch schon Schellhas sah, fast regelmässig dargestellt durch
die Kombination der beiden Zeichen Abb. 17 und 18 (siehe folgende
Seite), oder aber durch eine Kombination des ersteren Zeichens mit einem
der beiden Abb. 11 (oben S. 375) und 20 (folgende Seite), von denen als
wichtige Varianten, auf die ich später noch zurückkommen werde, die
beiden Abb. 19 und 21 anzuführen sind, oder aber, es sind die beiden
3J>2
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
ersten Zeichen Abb. 17 und 18 mit einem der beiden letzten (Abb. 11 und 20)
oder aber mit allen beiden kombinirt.
In dem vorliei^enden Falle ist die Bedeutung der einzelnen Hieroglyphen
leicht festzustellen. Das erste Zeichen (Abb. 17) zeigt uns den Todten-
ßchädel mit dem Feuersteinmesser auf der Nasenspitze, — die aus aztekischeu
Malereien wohlbekannte Darstellung des Todesgotles. Die Bedeutung des
vordersten Elements (vgl. Abb. 14 oben S. 375) als Feuersteinmesser,
Opfermesser, geht aus Codex Tro 20* b und anderen Stellen deutlich
hervor. Das Bild ist aus der in mexikanischen Handschriften üblichen
Zeichnung entstanden, wo man die Schneide des Obsidians durch eine
Zahnreihe dargestellt sieht (vgl. Abb. 22). Das zweite Zeichen ist der
Leichnam mit herausgerissenem blutenden Auge, — eine auch aus
aztekischen Darstellungen wohlbekannte Symbolik des Opfers. Dass
Abb. 23 das Auge bedeutet, und meine Deutung der in den Handschriften
üblichen Art der Wiedergabe entspricht, wird mau bei einem sorgsamen
Vergleichen der Zeichen unschwer erkennen. Die Schellhas'sche Kon-
jektur, dass Abb. 24 ein Suffix-i7 darstelle, ist demnach zu verwerfen.
Die beiden anderen Zeichen sind beide Bezeichnung des Todten-
vogels, der Eule, oder vielmehr des gespenstischen AYesens, der Meuschen-
eule, mexikanisch tlacatecolotl^ — ein Wort, welches die Autoren mit
„Teufel" übersetzen, das aber nach Sahagun richtiger den Zauberer, den
Unheilbringer bezeichnet. Das ganze W^esen — Skelet mit dem Käuzchen-
kopf — wird Dresden 18 c von der Frau auf der Trage getragen, und die
beiden Hieroglyphen erseheinen in der Schriftreihe darüber.
Die ganzen vier Schriftzeichen sind also rein ideographisch und be-
deuten: „Der Todesgott, der die Menschen tödtet, die gespenstische Eule"
— die letzteren Worte, wenn man will, als Attribute oder Eigenschaften
des ersteren zu fassen, oder aber (und das ist vielleicht richtiger) der
Todesgott ist zur Anschauung gebracht und seine Synonyme. Denn ge-
3. Entzifferung der Maya- Handschriften. 393
legentlich, z. B. Tro 30* c, erscheint auch das blosse Zeichen der Eule als
Hieroglyphe für den in voller Figur dargestellten Todesgott.
Ein fünftes Zeichen (Abb. 25 und 2('>) will ich noch erwähnen, das
bei dem Todesgott selbst seltener, aber desto häufiger bei seinen Assistenten
und Stellvertretern angegeben wird.
Der Todesgott erscheint im Codex Tro als das unvermeidliche Wider-
spiel, der Affe des Hinimelsgottes, des Herrn des Lebens, des priesterlichen
Itzamnd. In was für Handlungen der letztere auch dargestellt ist, der Todes-
gott macht sie nach, nur dass bei ihm Alles zerbrochen, nichtig ist: der Strick,
den Itzamnd hält, ist beim Todesgott zerrissen; wo Itzamnd Kopalrauch
darbringt, hält der Todesgott das Zeichen „Feuer"; wo Itzamnd das
Zeichen kan^ das Symbol des AVassers, hält, steht der Todesgott im
trockenen Wassergefäss mit dem Zeichen des Todes und dem Feuerstein
in der Hand. Der Reihe von Hieroglyphen, mit der der Todesgott be-
zeichnet ist, entspricht daher auch eine Reihe von Zeichen, zwei, drei oder
vier, für Itzamnd (siehe Abb. 85 — 90, unten S. 403). Am häufigsten — ich
zähle im Codex Tro allein an 30 mal — erscheinen die beiden Zeichen
Abb. 27 und 28 (siehe folgende Seite), im Codex Cortes mit Vorliebe statt
des letzteren das Zeichen Abb. 29. Daneben finden sich die Zeichen
Abb. 30, 31, 32, 33, 34. Alle diese Zeichen treten in Verbindung mit dem
ersten oder mit den ersten beiden auf, übrigens nicht einmal oder einige
Male, sondern öfter und offenbar unabhängig von dem dargestellten Vorgang.
Das erste Zeichen (Abb. 27) zeigt in seinem Grundelement den Kopf
des Gottes mit dem eingokniffenen Mundwinkel und den Runzeln auf den
Backen, wie sie dem greisen Gott, dem Vater der Götter und Menschen,
gebühren. Auch der Tonacatecutli, das mexikanische Analogen Itzamnd^s,
wird mit genau diesem eiiigekniffenen Mundwinkel abgebildet, der im
Codex Borgia wunderbar verschoben als Anhang vorn an der Lippe er-
scheint.\ Das von Punkten umgebene Zeichen akbal bedeutet, wie ich
schon oben in den Ausführungen über die Namen der in den Handschriften
abgebildeten Gottheiten auseinandersetzte, wahrscheinlich den Sternen-
himmel. Die beiden anderen Elemente, von denen das eine, das unter
dem Kopf des Gottes befindliche, im Codex Tro gewöhnlich in der Form
der Abb. 35 gezeichnet ist, scheint einen offenen Mund bezeichnen zu
sollen. Man findet es ziemlich regelmässig auf dem Halstheil von Ge-
fässeu, unmittelbar unter dem j\Iüudungsrande angegeben.
Das zweite Zeichen (Abb. 28) enthält das Tageszeichen ahau, dessen
Name „Herr" bedeutet und ausserdem zwei Feuersteinmesser. Das Ganze
findet sich Codex Tro 20 b, als Bezeichnung des das Opfermesser haltenden
Priesters. Ich glaube es einfach ah-tok „Herr des Steinmessers" lesen zu
müssen, mache aber darauf aufmerksam, dass an ah-tok lautlich ah-toc
anklinift. Letzteres aber heisst der „Brenner".
394
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entziffemng.
Das dritte Zeichen (Abb. 29) findet sich ebenfalls Codex Tro •20 b als
Synonym des zweiten.
Das vierte Zeichen (Abb. 30) finden wir Dresden 32 b für das auf
Blatt 33a, 34b dargestellte Zeichen Abb. 36, in welch letzterem das Element
der Flamme miverkennbar ist. Wenigstens sieht man überall, wo eine Flamme
brennt, oder eine Fackel getragen wird, in der Flamme das Zeichen Abb. 37.
L'nd Dresden 5 — 6 c und ebenso 9 c finden wir Abb. 30 als Anfangshiero-
glyphe bei einer Reihe von Göttern, die einen Kopalbeutel in der Hand halten.
Die drei, bezw. vier ersten Zeichen würden daher bedeuten: .,Der
Himmelsgott Itzamnä, der Opferpriester, der Räucherer''.
Das fünfte Zeichen (Abb. 31) ist oxil oc „drei Hund" = mexikanisch
yei itzcuintli zu lesen, und das ist im Codex Telleriano-Remensis ausdrück-
lich als Fest und Xame des Feuergottes angegeben^).
Die Bedeutung der anderen Zeichen zu erörtern, unterlasse ich. um
mich nicht zu weit zu verlieren, doch bemerke ich, dass auch sie rein
ideographisch zu sein scheinen.
Was vom Todesgott und von Itzamnd gilt, gilt auch von den übrigen
Figuren. Wir finden selten die Haupthieroglyphe allein angegeben, in der
Regel ist diese von anderen, den Begrifi" erläuternden oder erweiternden
1) Vgl. Seier, das Tonalamatl der Aubin'sehen Sammlung, Berlin 1900, S. 126.
3. Entzifferung der Maya- Handschriften. 395^
begleitet, mitunter auch treten stellvertretend zwei Haupthieroglyphen für
dieselbe Figur auf.
Der Gott mit dem ^aw- Zeichen, dessen Haupthieroglyphe (Abb. 38)
das jugendliche Gesicht dieses Gottes mit dem eigenthümlichen beutel-
förmigeu Kopfputz zeigt, — der Kopfputz in der Hieroglyphe nach hinten
überhängend und dem Gesicht (der Maske?) eng anliegend, — ist fast
ausnahmslos begleitet von dem vierten Zeichen Itzamnd's (Abb. 30) und
häufig ausserdem noch von einem oder mehreren der zuletzt angeführten
Zeichen Itzamnas (Abb. 31, 32, 33, 34). Der Gott erscheint fast überall
als Assistent Itzamna's in priesterlichen Funktionen. Darum gebühren
ihm auch dieselben Attribute. Aber das Amt des Hauptpriesters ist das
Opfern, das des Nebenpriesters das Räuchern. Darum steht hinter dem
Kopf Itzamnas in der Regel das zweite oder dritte Zeichen (Abb. 28, 2D),
hinter der Hieroglyphe des Gottes mit dem Äaw- Zeichen das vierte Zeichen
Itzamnas (Abb. 30). Das Feuersteinmesser hängt ja ausserdem dem Gotte
mit dem ^«w- Zeichen schon vor dem Gesicht.
Wie Itzamnd sein Widerspiel in dem Todesgott hat, so hat der Gott
mit dem /;aw- Zeichen sein Widerspiel in einem eigenthümlichen Gott,
dessen Gesicht durch einen von Punktreihen eingefassten Streifen gekenn-
zeichnet ist, der von oben nach unten über das Gesicht und zwar gerade
über das Auge läuft, — eine Art der Gesichtszeichnung, die übrigens auf-
fallend an den mexikanischen Xipe erinnert.
Die Hieroglyphe des Gottes (Abb. 39, 40) zeigt denselben Streifen, —
besonders deutlich markirt im Codex Tro (Abb. 40), — und vor demselben
zwei Längsstreifen und einen Punkt darüber. Ist nun der Gott mit dem
Ä:aw- Zeichen der Assistent Itzamnas, so wäre dieser Gott der Assistent des
Todesgottes und daher sehen wir ihn auch unweigerlich begleitet von
denselben Attributen, einem oder mehreren der Zeichen Abb. 18, 11, 19
bis 21, 25 — 26 des Todesgottes. Als Besonderheit finden wir nur bei ihm
das Zeichen Abb. 41, 42, das, wie ich nachweisen zu können meine, ein
Synonym des Adlers ist.
Ich kann hier natürlich nicht die Hieroglyphen aller Figuren nebst
ihren Attributen anführen, noch weniger diskutiren. Das Gesagte wird
genügen, um einen Begriff zu geben, was ich darunter verstehe, wenn
ich oben behauptete, dass jede Figur in der Regel nicht durch ein Schrift-
zeichen, sondern durch mehrere, bis vier, stellenweise vielleicht mehr, be-
zeichnet ist.
In weitaus dem grössten Theil der Handschriften ist die Oekonomie
der Schreibung derart, dass auf jede dargestellte Figur vier oder —
seltener — sechs Schriftzeichen kommen. Stellt man durch aufmerksame
Vergleichung fest, welche Schriftzeichen den dargestellten Figuren und
ihren Attributen entsprechen, so bleibt ein Rest von ein oder höchstens
zwei Schriftzeichen. Dieser muss, ist meine in der Einleitung aus-
396
Üritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
gesprochene Ansicht über den Charakter der Maya-Handschriften richtig,
den dargestellten Vorgang zum Ausdruck oder zur Anschauung bringen.
Dass dem so ist, lässt sich nun in einer ganzen Reihe von Fällen
bestimmt nachweisen.
Im Codex Tro 19 b sehen wir die Figur eines schwarzen Gottes und
Itzamnä dargestellt in der, auch aus mexikanischen Malereien bekannten
Handlung des Bohrens (Feuerbohrons?) oder Hineinstossen eines Stabes
in einen Gegenstand, der am Boden liegt und wie ein offener Ungeheuer-
racheu aussieht. Die Schriftzeichen zeigen die Hieroglyphen Itzaninas,
Kinch ahaus, Itzamnaa und des Geiers, und darüber viermal wiederholt
die Zeichen Abb. 43, 44. In der unteren Abtheilung desselben Blattes
sieht man die Figur desselben schwarzen Gottes imd des Gottes mit dem
A;aw-Zeichen in derselben Handlung des Bohrens dargestellt, aber sie
bohren auf einem die Zickzacklinien der Schlagflächen zeigenden Feuer-
stein, wie er als Speerspitze vielfach in den Handschriften vorkommt,
und bekanntlich auch das Tageszeichen etz7iab darstellt. Die Schrift-
zeichen zeigen die Hieroglyphen ItzamnaB, des Todesgottes, ltzamn(i9 und
3. Entzifferung der Maya- Handschriften. 397
des Gottes mit dem Längsstreifen über dem Gesicht (des Assistenten des
Todesgottes) und darüber viermal wiederholt das erste der beiden vorigen
Zeichen (Abb. 43) und das Zeichen Abb. 45, das, wie man sieht, als
Hauptelement ebenfalls den die Zickzacklinien der Schlagflächen zeigenden
Feuerstein enthält.
Auf Blatt 5 — 6b der Dresdener Handschrift sehen wir vier Götter be-
schäftigt, den Quirlstab zu drehen auf der Figur des Tageszeichens Manik
(Abb. 50). Die Schriftzeichen zeio;en, ausser den Hieroglyphen der vier
Götter, dreimal wiederholt die Zeichen Abb. 46, 47 und als viertes Mal
die Zeichen Abb. 48, 49.
Hier ist das erste Zeichen (Abb. 46, 48) wieder äquivalent dem ersten
Zeichen der Darstellungen des Codex Tro; während das zweite Zeichen
wieder als Hauptelement denjenigen Gegenstand enthält, in welchem
gebohrt wird, nämlich das Tageszeichen manik (Abb. 50).
Dass also in allen diesen drei Darstellungen das erste Zeichen die
Aktion des Bohrens oder Hineinstossens, das zweite das, worin gebohrt wird,
oder in das der Stab hineingesteckt wird, bezeichnet, glaube ich, unterliegt
keinem Zweifel. Das zweite Zeichen von Codex Tro 19 b (Abb. 44) finden
wir in der Dresdener Handschrift mehrfach dargestellt von Flammen oder
Rauchwolken umgeben; es bezeichnet also vielleicht in Brand gesetztes
Holz oder das Feuer selbst. Was das erste, die Aktion des Bohrens aus-
drückende Zeichen betrifft, so scheint es mir eine in Stücken gerissene
Schlange zu bezeichnen, womit vielleicht die Bohrspähne oder die stoss-
weise oder abgerissen sich entwickelnden Rauchwolken gemeint sind. Die
in Stücken gerissene Schlange habe ich, realistisch dargestellt, in aztekischen
Handschriften mehrfach angetroffen und nie recht gewusst, was ich damit
anfangen sollte. Hier scheint sich aus der Maya-Handschrift eine Deutung
auch für das Mexikanische zu ergeben.
Andere Fälle, wo sich bestimmt nachweisen lässt, dass der Rest von
Schriftzeicheu, der nach Abzug der die Figuren wiedergebenden Hiero-
glyphen übrig bleibt, den dargestellten Vorgang zur Anschauung bringt,
sind solche, wo mau mehrere Figuren hinter einander aufgeführt, zu einer
Darstellung vereinigt sieht. Ich erwähne z. B. zwei Reihen von Dar-
stellungen, die gleichmässig sowohl in der Dresdener Handschrift, wie im
Codex Tro auftreten.
Die eine (Dresden 17 — 19c und 19— 200, Tro 19*— 20*c) enthält eine
in ziemlich gleichmässiger Ausstaffirung wiederkehrende Reihe von Frauen-
gestalten, die in einer Trage auf dem Rücken verschiedene Figuren, Götter
und andere Gestalten oder Symbole tragen. Die Schriftzeicheu zeigen in
jeder Abtheilung einen Frauenkopf mit Schleife oder Flechte davor, ent-
schieden ähnlich den Köpfen der Frauenfiguren und offenbar diese be-
zeichnend, ausserdem zwei Schriftzeichen, welche jedesmal die getragene
398 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Figur bezeichnen, und als viertes ein Schriftzeicheu, das in der Dresdener
Handschrift die Form Abb. 51 hat, mit den Varianten Abb. 52 und 53 für
den ersten Theil des Zeichens. — Im Codex Tro hat das Zeichen eine
etwas abweichende Bildung (Abb. 54), au dem aber die Aehnlichkeit des
Grundzuges mit dem vorigen unverkennbar ist. Das Wesentliche des
Zeichens, das Tragen oder Getragenwerden, Sitzen ausdrückend, liegt
offenbai' in dem unteren Theil des Zeichens, während der obere das
Material der Trage bezeichnet. Im Codex Tro besteht diese nämlich aus
einer Matte, während sie in der Dresdener Handschrift offenbar aus
gebogenem Leder besteht (vgl. Abb. 54a, 54b oben S. 394).
Für die Richtigkeit dieser Deutung kann ich zwei Beweisstellen
beibringen. Einerseits nämlich finden wir in der Dresdener Handschrift
und auch im Codex Tro das Sitzen auf der Matte oder unter dem
Mattendach des Throns durch das Zeichen Abb. 10 (oben S. 375)
bezeichnet, — eine Hieroglyphe, die genau die gleichen Bestandtheile wie
die Hieroglyphe Abb. 54 aufweist, und ebenfalls oben eine rohrgeflochtene
Matte und unten das das Tragen ausdrückende Element enthält. Anderer-
seits sehen wir im Codex Tro 17 b den das Wurfbrett in der Hand
haltenden Jäger durch das Zeichen Abb. 55 bezeichnet. Bei den Figuren
ist dabei das Wurfbrett bald realistisch gezeichnet, bald hat es die in
Abb. 56 abgebildete Gestalt, d. h. die Form der Hieroglyghe. Vgl. Abb. B. C.
auf der folgenden Seite. Abb. 55 enthält also auch in der Hauptsache
weiter nichts als ein Bild des getragenen Gegenstandes (des Wurfbrettes)
und das das Tragen ausdrückende Element. Dass der rechte Theil des
Zeichens „Mann" bedeutet, werde ich weiter unten erweisen.
Die zweite Reihe von Doppeldarstellungen (Dresden 16.17c und
17. 18c = Tro 18.19c) zeigt dieselben Frauengestalten und auf ihrer
Nackenflechte hockend einen Vogel oder eine andere Figur. Die Schrift-
zeichen zeigen wiederum zunächst den Frauenkopf, sodann zwei Charaktere,
mit welchen der Vogel oder die betreffende hockende Figur bezeichnet ist,
und als viertes ein Zeichen, das im Codex Tro die Form Abb. 57, 58 hat,
während in der Dresdener Handschrift die Formen Abb. 59—63 vor-
kommen. Durch dieses Zeichen wiirde also das Hocken auf der Haar-
flechte zum Ausdruck gebracht sein. Wir sehen in demselben bei aller
Varietät überall als Grundelement das Aequivalent der Eule oder des
Gespenstervogels und die Haarflechte. Das gespenstische Element ist in
der Dresdener Handschrift noch durch den Fledermauskopf (Abb. 61) oder
das Aequivalent für Mensch (Abb. 59, 60, 62, 63) besonders zum Ausdruck
»ekommen.
Ich kann auch hier weder alles Einschlagende anführen, noch in
eine ausführlichere Erörterung möglicher Deutungen mich einlassen. Das
Gesagte wird genügen, den Beweis zu liefern, dass die Maya-Handschriften
3. Entzifferung der Maya- Handschriften.
399
in der That den oben angegebenen Charakter tragen. Das Landa'sche
Alphabet ist darnach ein für alle Mal in die Rumpelkammer zu ver-
weisen. Es ist weiter nichts als der Versuch von Ladinos, von in die
spanische Wissenschaft eingeweihten Eingebornen, in der Art, wie sie die
Spanier ihre Lettern verwenden sahen, auch mit den den Eingebornen
o-eläufiffen Bildern und Charakteren zu hantiren.
Abb. A.
Abb. ß.
Das Gesagte wird ferner genügen, zu zeigen, dass sich durch eine
sorgfältige Vergleichung und eine bedächtige, aber entschlossene Analyse
Resultate gewinnen lassen, die in nicht zu ferner Zeit es möglich erscheinen
lassen, ein wirkliches Vokabular der alten hieratischen Schrift der Yuka-
teken zusammenzustellen.
400 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
4.
lieber die Bedeutung des Zahlzeichens 20 in der
Mayaschrift.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
19. März 1887. [Zeitschrift für Ethnologie XIX. S. (237) — (241)].
Yorbenierkung.
Die nachfolgende kleine Mittheilung ist in die Sammlung aufgenommen worden,
weil ich darin Verschiedenes gesagt habe, was ich noch heute aufrecht erhalte. Ich be-
merke aber, dass ich beziehentlich des Zeichens, das ich hier als Zeichen füi- „zwanzig"
deute, nachträglich zu einer anderen Auffassung gelangt bin. In der Abhandlung „Die
Cedrela-Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel", die am Schluss dieses Bandes ab-
gedruckt ist, habe ich den Nachweis geführt, dass das von mir hier als Zeichen für
„zwanzig" gedeutete Element vielmehr den Vorabend bezeichnet. Der Irr-
thum, in den ich verfiel, ist dadurch hervorgerufen worden, dass an einer der hierbei in
Betracht kommenden Stellen der Dresdener Handschrift der Schreiber irrthümlich statt
des richtigen Monatsnamens den vorhergehenden hingeschrieben hat, sodass ich natur-
gemäss „der zwanzigste" anstatt „Vorabend" lesen musste.
In seinen werthvollen „Erläuterungen zur Maya-Handschrift der Königl.
öffentlichen Bibliothek zu Dresden" (Dresden 1886) hat Herr Professor
Förstemann nachgewiesen, dass das Zeichen Abb. 64, 65, 66 die Zahl
20 bedeutet. Dieselbe Entdeckung hat, wie es scheint, unabhängig von
Herrn Förstemann, HerrPousse gemacht und in einer in den Comptes
rendus de la Societe americaine abgedruckten Abhandlung vorgetragen.
Ich fand neuerdings, dass es noch ein zweites Zeichen für den
zwanzigsten Monatstag gibt. Es findet sich auf den interessanten Tafeln 46
bis 50 der Dresdener Handschrift, auf denen Herr Professor Förstemann
die die regelmässigen Abstände von 90, 250, 8 und 236 Tagen aufweisenden
Reihen von Monatsdaten entdeckte. Hier ist jedesmal da, wo die Zahl 20
bei dem Monatszeichen durch die regelmässige Aufeinanderfolge der Daten
angezeigt ist, neben dem Monatszeichen ein Zeichen zu sehen, das die in
den Abbildungen 67, 68, 69 wiedergegebene Gestalt hat.
Es entsteht die Frage, was diese beiden Zeichen eigentlich besagen,
und wie es kommt, dass sie in der Bedeutung „20" zusammentreffen.
4. Ueber die Bedeutung des Zahlzeichens 20 in der Mayaschrift.
401
Das erste Zeiclien gibt de Rosiiy in seinem Vocabulairo de TEcriture
Hieratique als Synonym für cimi^ Tod, an.
Schellhas hält es für das Zeichen des Mondes, und auch Förstemann
ist der Ansicht, dass Schellhas in ihm ..mit Sicherheit" den Mond er-
kannt habe.
Dass das Zeichen in der Keihe der Tageszeichen irgendwo als Synonym
für cim% „Tod", vorkäme, ist mir nicht bekannt. Seine Aehnlichkeit mit
dem Zeichen cimi ist aber zweifellos, und ward auch schon von Cyrus
Thomas so erkannt.
75 u
Dass das Zeichen den Mond bedeute, dafür glaubten Schellhas
und auch Förstemann eine besondere Stütze darin zu finden, dass
das Zeichen gleichzeitig auch 20 bedeute, denn der Mayamonat zähle ja
20 Tage. Um dies zunächst aus dem Wege zu räumen, erinnere ich
daran, dass der Zeitraum von zwanzig Tagen mit den Phasen des Mondes
absolut nichts zu thun hat. Wir kennen von der einheimischen Literatur
der Maya zu w^enig. Aber ich bezweifle, dass das Wort m, „Mond", in
alter Zeit oder von kundigen Leuten jemals für den Zeitraum von
20 Tagen angewendet ward, ebenso wie ich bestimmt weiss, dass das mexi-
kanische Wort metztli niemals für diesen Zeitraum verwendet worden ist.
Die Spanier freilich, die den Zeitraum von 20 Tagen den „mexikanischen
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 2G
402 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Monat~ nennen, verwechseln die beiden Begriffe fortwährend. Der Zeit-
raum von „'20 Tagen" dagegen heisst in der Mayasprache uinal. Und
dies Wort geht auf dieselbe Wurzel zurück, wie das gleich zu erwähnende
"SYort für „20^. nämlich auf die "Wurzel ^Mann''. Landa unterscheidet
bestimmt das Wort m, den Monat von 30 Tagen, und uinal, den Zeitraum
von 20 Tagen.
Die Behauptung, dass das Zeichen den ^Mond'^ bedeute, gründet
Schellhas auf die Abb. 70. die in der Dresdener Handschrift und auch
sonst vielfach vorkommt. „Das viereckige Schild", sagt er, ^.stellt den
Himmel dar, die unten daran hängenden schwarzen und weissen Körper
sind Wolken, aus denen der Regen in Form der Zickzacklinien fällt. Das
Zeichen in diesen Wolken links ist die Sonne. Das Zeichen rechts ist
darnach leicht zu deuten: es ist der Mond."
Dass das viereckige Schild den Himmel bedeutet, ist richtig. Die
Figuren darin stellen vielleicht Sternbilder dar. Herr Professor Förste-
mann möchte darin die Zeichen der sieben Planeten sehen. Dem kann ich
freilich vor der Hand nicht ganz beipflichten. Dass aber die unten daran
hängenden schwarzen und weissen Körper die Wolken bedeuten, ist einfach
ein Unding. Nirgends sind in aztekischen oder Maya-Darstellungen Wolken
in dieser Weise abgebildet worden. Wie kämen auch die Wolken dazu,
die eine schwarz, die andere weiss — oder, wie an verschiedenen Stellen
der Handschrift deutlich sichtbar, gelb oder roth — abgebildet zu werden?
Die beiden Felder symbolisiren das Helle und das Dunkle, vielleicht
richtiger Osten und Westen, die Eeo-ion der aufgehenden und die der
untergehenden Sonne. Das Zeichen, das auf der linken Seite in der Mitte
der beiden Felder zu sehen ist. ist allerdings die Sonne oder der Tag, aber
das Zeichen rechts, das so dem Todtenschädel ähnelt, ist einfach die
Nacht. Tag und Xacht, Sonnengott und Todesgott, das sind die beiden
Gegensätze, die die zentralamerikanische Yorstellung sich fortwährend
wiederholt. Wie die Mexikaner den Sonnengott kaum malen, ohne ihm den
Todesgott gegenüberzustellen, wie wir im Codex Tro den Licht- und
Himmelsgott Itzamnd jederzeit neben dem Todesgott sehen, so zeichnet der
Zentralamerikaner auch nicht den Tag. ohne die Nacht daneben zu setzen.
Schellhas hat neuerdings noch einen besonderen Grund für seine
Ansicht darin gefunden, dass. wie er meint, dies Zeichen den Kopf des
Gottes mit dem aÄ-6aZ- Zeichen darstelle, den er deshalb für den Mond-
gott hält. Ich glaube, ich habe oben nachgewiesen, dass dieser Gott der
Herr des Lebens, der Priester, der Itzamnd ist. und was den Kopf dieses
Gottes angeht, so kommt allerdings an mahreren Stellen in der Dresdener
Handschrift eine Hieroglyphe von ihm vor, in welcher das Auge in der
Form Abb. 71 dargestellt ist (siehe Abb. 88 — 90). Aber, wohlverstanden,
von der biossliegenden Zahnreihe darunter, die ein charakteristisches Kenn-
zeichen der Hieroglyphe für 20 ist, zeigt auch diese Hieroglyphe keine Spur.
4. lieber die Bedeutung des Zahlzeichens 20 in der Mayaschrift.
408
In den Mayasprachen — zwar nicht in der Sprache des eigentlichen
Yucatan, aber in den Mayasprachen von Guatemahi — heisst „20" Jmn
uinic, hun vinak, „ein Mann" — von der Thatsache aus, die überhaupt
zum vigesimaien Zahlensystem geführt hat, der Thatsache, dass ein Mann an
Fingern und Zehen zusammen 20 zählt. Und ein Mann, das bedeuten auch
Abb. 85-88. Itzannid. Dresdener Handschrift 9;a, 9b, 5c, 14b.
KlNrH/L
^COßA
Abb. 89, 90. Itzamiiä.
Dresdener Handschrift 14 c, 15 b.
Abb. 91. Ah Kinchil Coba,
Regent des Katun 13 ahau.
[Chilam Balam von Mani (Ms.).
die beiden oben angeführten Zeichen für 20. Der Mann ist freilich nicht in
seiner ganzen Figur gezeichnet. In vereinfachter Weise ist für den ganzen
Menschen nur der Kopf gesetzt. Dieser Kopf hat allerdings hier sehr
merkwürdige Züge. Er zeigt die freiliegenden grinsenden Zähne eines
fleischlosen Schädels, und die Augenhöhle ist leer. Ich liabe deshalb
früher dieses Zeichen als den Kopf des erbeuteten Feindes, als den
26*
404 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Schädel des dem Gotte dargebrachten Opfers betrachtet, indem ich
die leeren Augenhöhlen als blutende ansah, aus denen das Auge heraus-
gebohrt ist. Denn dass das Herausreissen der Augen ein bekanntes Symbol
des Opfers ist, habe ich oben schon Gelegenheit gehabt, anzuführen. Ich
bin noch heute der Meinung, dass eine Augenhöhle, wie wir sie in den
Abbildungen (U— 6(5 sehen, in der That in vielen Fällen als leere blutende,
als eine, aus der das Auge herausgebohrt worden ist, anzusehen ist. Ich
bin z. B. überzeugt, dass das für die oben angeführte Hieroglyphe Itzamna's
auf Blatt 14c der Dresdener Handschrift zutrifft. Denn noch in später
Zeit, in den Büchern des Chilam Balam wird die Periode, in der dem Text
der Bücher nach der Gott Itzamnd Regent ist, der Katun 13 ahau,. durch
das Bild eines Königs — Kin chil Coha d. h. wohl Ah kin chil Coba, ge-
nannt — bezeichnet, dessen Augenhöhlen leer und blutend sind, und in
dessen rechtem Auge ein Pfeil steckt (Abb. 91). Ich gebe aber zu, dass
noch eine andere Deutung für den Kopf mit den Todtenzähnen und der
leereu Augenhöhle möglich ist. Er kann auch eine Figur bedeuten sollen,
die noch nicht Leben bekommen hat, der die Augen noch nicht ein-
gesetzt worden sind.
Auf den Blättern 18* — 11* des Codex Tro findet sich eine grössere
Reihe von Darstellungen, die Cyrus Thomas auf das Anfertigen hölzerner
Götzenbilder bezogen hat. Es wurde das, wie Landa uns erzählt, von
den Yukateken als ein besonders schwieriges und gefährliches Geschäft
augesehen — ohne Zweifel deshalb, weil das Ganze als eine heilige
Handlung betrachtet wurde, und ein Versehen, wie es ja dem Arbeiter
leicht passiren konnte, sich als ein Sakrileg, als eine Beleidigung der
Götter, darstellte und die entsprechenden Strafen nach sich zog. Die
Künstler übernahmen deshallj, wie Landa angibt, nur ungern einen solchen
Auftrag, wurden dafür aber auch, wenn sie sich bereit finden Hessen, sehr
reich bezahlt. Die Bussübungen und Kasteiungen, deren sich der Auftrag-
geber, wie die Künstler zu diesem Zwecke unterziehen mussten, die
sonstigen religiösen Zärimonieu, die hierbei vorgenommen, die Yorsiehts-
massregeln, die ergriffen wurden, sowie die einzelnen Stadien der Aus-
führung der Arbeit, die scheinen auf den Blättern 18* — 11* des Codex
Tro dargestellt worden zu sein. Dabei ist nun, wie es scheint, die Heraus-
arbeitung der Figur in vereinfachter Weise angedeutet. \ Die Reihen der
dort dargestellten Götter — das sind jedenfalls diejenigen, die zuerst
hölzerne Götzenbilder gemacht haben, und die um Hilfe für die richtige
Ausführung der Arbeit angerufen werden, — haben statt einer ganzen
Figur nur eiuen Kopf in der Haud, den sie bald mit der Axt, bald mit
einem spitzen Werkzeug aus Knochen bearbeiten. Weil unter diesen
Bildern auch das Bearbeiten mit einem Knochendolch vorkommt, und die
Spitze dieses Werkzeugs immer gerade in das Auge eingesetzt wird, da
ausserdem in dem darüberstehenden Texte die Hieroglyphe des Bohrens
4. Ueber die Bedeutung des Zahlzeichens 20 in der Mayaschrift. 405
(vgl. Abb. 43, oben S. 396) mehrfacli vorkommt, so habe ich diese Bilder
früher dem Ausbohren des Auges verglichen, das wir in mexikanischen
Bilderschriften dargestellt sehen, und das dort nichts anderes als ein
Sinnbild des Opfers ist. Ich bin aber doch jetzt der Meinung, dass dieser
Vergleich hier nicht zutrifft, dass die von Cyrus Thomas angenommene
Deutung dieser Bilder die richtige ist.
Für den Punkt, der uns hier interessirt, ist es nun von Bedeutung,
dass an diesen Stellen die Bearbeitung des Kopfes mit der Axt in dem
Text darülier bald durch die Hieroglyphe Abb. 73, 74, bald durch die
Hieroglyphe Abb. 77, 78, bald durch beide zusammen ausgedrückt wird.
Die erste Hieroglyphe (Abb. 73, 74) vergleicht sich der Hieroglyphe
Abb. 72, die Codex Tro 24* c gebraucht wird, um das Fällen eines Baumes
zu veranschaulichen. Es ist klar, dass das Element, das in den Ab-
bildungen 73, 74 neben der Axt zu sehen ist, und das nichts anderes als
unser erstes Zeichen für zwanzig ist, der hieroglyphische Ausdruck für
den Kopf ist, den die darunter im Bild dargestellten Gottheiten in der
Hand halten, und der, wie es scheint, bei ihnen die Figur, das Götzenbild,
bezeichnen soll, das diese Gottheiten aus dem Holz anzufertigen im Begriff
stehen. Als Yariante kommt für diese Hieroglyphe die Abb. 75 vor, die
alle wesentlichen Elemente der Abb. 73, 74 — Axt, leere oder blutende
Augenhöhle, Zahnreihe — ebenfalls enthält, nur dass die rechte Hälfte
des Zeichens gleichsam aufgelöst und in die Länge gezogen ist. Ein paar
Uebergangsformen habe ich in den Abbildungen 75a — c zusammengestellt.
Andere sehr eigeuthümliche Varianten sind die Abbildungen 70 und 79,
die, wie es scheint, deutlich einen abgeschnittenen Kopf mit dem zackigen
Fleischrande darstellen.
Was die zweite Hieroglyphe Abb. 77, 78 bedeutet, darüber wage ich
keine bestimmte Muthmassung zu äussern. Das Element, das man in der
unteren Hälfte sieht, haben wir oben als Hieroglyphe des Wurfbretts er-
kannt (siehe S. 398, 399). Wir haben aber früher schon gesehen (vgl.
S. 375), dass es auch den Begriff „schlagen, treffen", -und wahrscheinlich
auch „werfen" zu übermitteln scheint. Als Varianten der Hieroglyphe
Abb. 77, 78 kommen die Formen Abb. 78a— c vor.
Die Hierogh-phe Abb. 73, 74, die, nach der Art ihres Vorkommens,
mit „einen Menschen schnitzen" übersetzt werden kann, beweist,
dass unser erstes Zeichen für zwanzig, das Element, das oben in den Ab-
bildungen 64 — 66 wiedergegeben ist, nichts anderes als „Mensch" be-
deutet, also eine direkte Veranschaulichung des Wortes uinal, bezw. des
Quiche hun vinak „ein Mensch" = 20, ist und mit dem Monde absolut
nichts zu thun hat.
Das zweite Zeichen für zwanzig, das oben in den Abbildungen 67—69
wiedergegeben ist, scheint denselben Begriff, die volle Person, den Menschen,
dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass zwei Augen gezeichnet sind, durch
406 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
eine doppelte Umränderinig oder durch eiue Pimktreihe mit einander ver-
kettet und dadurch als zusammengehörig erklärt.^)
* Beide Zeichen, den Kopf mit den leeren Augenhöhlen und die beiden
Augen, finden wir, und zwar vollkommen synonym, in zusammengesetzten
Hieroglyphen, in die sie also das Element „Mann" oder „Mensch" einführen.
Ich habe darauf oben mehrfach hingewiesen. Man vergleiche die Hiero-
glyphe des Jägers (Abb. 55 oben S. 396), die Hieroglyphen der Menschen-
eule (Abb. 11, S. 375 und 19, 20 und 21, oben S. 392; vgl. ausserdem
Abb. 47 und 49, 51 bis 53). Nur ist begreiflicher Weise aus ökonomischen
Rücksichten der Kopf mit den leeren Augenhöhlen hier jedesmal nicht in
voller Form, sondern in der aufgelösten und in die Länge gezogenen Form
der Abb. 75 dargestellt. Und als Varianten erscheinen Formen, wie
Abb. 52 (oben S. 396) und das Element, das man in dem vorderen Theil
der Hieroglyphen Abb. 11 (S. 375) und 47 (S. 396) sieht, bei denen ich
mir noch nicht klar bin, ob diese Elemente nur kalligraphische Variauten
darstellen, oder ob ihnen eine eigene Bedeutung innewohnt. Zum Schluss
erlaube ich mir noch als weiteren Beweis für das oben Gesagte anzuführen,
dass sich für das Zeichen Abb. 83, das als Zeichen des die Blitzfackel
tragenden Himmelhundes, bezw. des Beils in der Hand Chacs, erscheint,
und das als ein Element die aufgelöste Form des Kopfes mit den leeren
Augenhöhlen, des ersten Zeichens für 20, enthält, auf Blatt 35c der
Dresdener Handschrift die Vai'iante Abb. 84 findet, die statt des Kopfes
mit den leeren Augenhöhlen eine ganze menschliche Figur zeigt, bei der
der Kopf allerdings nur angedeutet ist, ähnlich wie bei dem, wohl mit künst-
lichem Kopfe gedachten Mumienbündel auf Blatt 41 des Codex Cortes.
1) Diese Bemerkung ist als richtig nur für das als einzelner Bestandtheil in
zusammengesetzten Hieroglyphen vorkommende Element Abb. 81, 82 anzusehen,
aber nicht für die von mir fälschlich als Zeichen für „zwanzig" betrachtete, in
"Wahrheit den Vorabend bezeichnende Figur Abb. 67 — 69.
Der Charakter der aztekischen und der Maya-Handschriften. 407
5.
Der Charakter der aztekischen und der Maya-
Handschriften.
Zeitschrift für Ethnologie. XX. (1888.) Seite 1-10.
Die Art und Weise, wie in mexikanischen Handschriften einem Ge-
danken Ausdruck gegeben wird, hat man in neuerer Zeit nicht unpassend
einem Rebus verglichen. In der That, die Bikler, mit welchen im Codex
Mendoza die Namen von Personen und Orten wiedergegeben werden, sind
Kebus im eigentlichen Sinne, Wortrebus oder Silbenrebus. Für die
einzelnen Worte oder Silben, aus denen der Name des Orts oder der
Person besteht, treten die Bilder von Gegenständen gleicher Benennung
oder gleichen Klanges ein, unter Nichtberücksichtigung, bezw. absicht-
licher Hintenansetzung der Vorstellung, welche das betreffende Wort oder
die betreffende Silbe repräsentirt. Ich führe als Beispiele die Ortsnamen
Quauhtitlan, Quauhnauac, ToUantzinco, Xilotepee, Tepeyacac und Tetzcoco
(Abb. 1 — 6) an. Die beiden ersten Namen bedeuten „am Walde" und
sind zusammengesetzt aus den Silben quauh (Wurzel des Wortes quauitl,
„Baum", „Wald") und aus den Postpositionen tlan und nauac, die beide
„in, an, bei" bedeuten. Dem entsprechend zeigen die Bilder (Abb. 1 und 2)
uns auch einen Baum. Aber die Silbe tla7i ist ausgedrückt durch zwei
Zahnreihen, denn tlan-tli heisst der „Zahn". Und die Silbe Tzawac ist ausge-
drückt durch eine Mundöffnung mit dem Züngelchen davor, das allgemein als
Zeichen der Rede fungirt; denn nauatl heisst „die deutliche Rede".
ToUantzinco bedeutet „Klein-Tollan", und Tollan selbst bedeutet „Ort, wo
Binsen wachsen". Demgemäss zeigt uns das Bild (Abb. 3) ein Bündel
Binsen, aber die Endung tzinco, „klein", ist durch den Hintern eines
Menschen ausgedrückt, denn tzintli heisst „der Hintere". Xüotepec heisst
„Ort des jungen Maiskolbens" und wird entsprechend durch eine (mit
grüner Farbe gemalte) Figur, die überall als Zeichen des Berges (tepetl)
fungirt, und durch zwei junge Maiskolben {u-üotl) mit den grossen heraus-
hängenden Narbenbüscheln (Abb. 4) hieroglyphisch dargestellt. Tepeyacac
heisst „an dem Bergvorsprung" oder „an der Bergspitze", zusammengesetzt
aus dem Worte tepeü „Berg" und i/acatli „Nase**, und wird dem ent-
408
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
sprechend durch das Zeichen des Berges (grün gemalt) mit einer (braun
gemalten) Nase daran (Abb. 5) zum Ausdruck gebracht. Tetzcoco wird
von dem Schreiber des Codex Ramirez mit einem Worte tetzcolli, das eine
Ai"t Kraut oder Blume bedeute, in Zusammenhaug gebracht und geht auf
den Verbalstamm tetzicoua zurück, von dem u. A. das Verbahiomen tetzico
„el que detiene ä otro'^ abgeleitet ist. Weil der Name aber auch an das
(vermuthlich aus tetecalli entstandene) Wort tetzcalli „Fels" anklingt, so
wurde er durch einen in drei Spitzen getheilten und mit der doppelten
Farbe des Steins gemalten Berg und zwei Blumen darauf (Abb. 6) zur
Anschauung gebracht. Die Silbe c, co, welche „in, an" bedeutet, ist in
der gauzen Reihe nicht ausgedrückt. Sie versteht sich von selbst, da der
Leser der Handschrift aus dem ganzen Bilde ersieht, dass es sich um
Ortsnamen handelt.
Unter den Begriff des Rebus fällt in gewisser Weise auch die Art,
wie die alten Mexikaner ihre Götter mit Attributen ausstatteten und mit
Symbolen umgaben. Es heisst das religiöse Denken und Fühlen dieser
alten Götzenanbeter doch zu gering anschlagen, wenn die spanischen
Eroberer und die mönchischen Apostel annahmen, dass die göttliche Macht,
die unter diesem oder jenem Namen verehrt wurde, auch in der scheuss-
lichen oder bizarren Form gedacht wurde, in welcher der Gott in Stein
gehauen oder in den Handschriften dargestellt wurde. Im Gegentheil:
Gesichtsbildung, Bemalung, Schmuck, Waffen, Geräthe, die dem Gott ge-
geben oder die neben ihm angebracht wurden, — sind alles nur Mittel,
um den Gott zu charakterisiren, um in der unbehilflichen Weise einer
symbolischen Schrift die Eigenschaften und die besondere Natur des
Gottes zum Ausdruck zu bringen. Es ist das, wie gesagt, in gewisser
Weise auch ein Rebus, aber kein Wortrebus mehr, sondern ein Gedanken-
rebus.
5. Der Charakter der aztekischen und der Maya-Handschriften. 409
AVas nun die «ganzen Ilaudsclu'iften und die Darstellungen der 3Ionu-
niente angeht, so muss ich, im Gegensatz zu einer jüngst ausgesprochenen
Ansicht, entschieden behaupten, dass die Sprache derselben, wenigstens in
ihrer überwiegenden Mehrheit, entschieden unter den letzteren Begriff,
den des Gedankeurebus, fällt. Wenn wir auf den ersten Blättern des
Codex Mendoza eine Anzahl von Jahren mit ihren Zeichen angegeben
finden, daneben das Bild eines Königs mit seiner Namens-Hieroglyphe,
und ihm gegenüber die Hieroglyphen einer Anzahl von Städten und Ort-
schaften, und vor jeder das Bild des brennenden Tempels, das Symbol
der Unterwerfung oder Zerstörung, so lässt sich dies kaum mehr in einen
sprachlichen Satz zusammenbringen. Es ist Sprache in Bildern und Sym-
bolen, ein CJedankenrebus, bedeutend, dass der König dieses Xaniens so
und so lange regierte und die und die Städte unterwarf. Noch deutlicher
tragen den Charakter des Gedankenrebus die hinteren Blätter des Codex
Mendoza, wo wir neben den Hieroglyphen der Städte die Zahl und den
Charakter der von ihnen zu leistenden Tribute in deutlichen Bildern oder
verständlichen Symbolen angegeben finden. Und ebenso die anderen.
Die einzelnen Hieroglyphen (Orts- und Personen-Namen) repräsentiren
eine Art von Silbenschrift in Bildern, — vielleicht, in manchen Hand-
schriften (Codex Yiennensis und den verwandten), auch die einzelnen
Symbole, — aber der Gesammtinhalt erhebt sich nicht über den Charakter
einer bildlichen und symbolischen Darstellung; zusammenhängende Sätze
sind in der oben erläuterten Weise nicht geschrieben worden.
Hinsichtlich der Maya-Handschriften hat Yalentini schon im Jahre 1880
die Ansicht ausgesprochen, dass das hieroglyphische Alphabet, welches in
dem Geschichtswerk des Bischofs Landa überliefert ist, spanisches Mach-
werk sei. Thatsache ist, dass die Versuche, mit Hilfe dieses Alphabets
die Maya-Handschriften zu entziffern, vollständig missglückt sind. Einen
anderen Weg hat Professor Cyrus Thomas und in neuerer Zeit
Dr. Schellhas eingeschlagen, nämlich den des unabhängigen Studiums
der Handschriften selbst, und der Letztere hat als seine Ansicht aus-
gesprochen, dass die Maya-Schrift im Prinzip ideographisch sei und sich
nur zur Vervollständigung der ideographischen Hieroglyphen-Bilder viel-
leicht einer Anzahl feststehender phonetischer Zeichen bediene. Auch ich
habe die Ueberzeugung gewonnen und sie in einem früheren Vortrage
ausgesprochen, dass die Maya- Hieroglyphen wesentlich ideographischer
Natur sind. Wie wir indes eben an den aztekischen Handschriften ge-
sehen haben, verträgt sich eine im Allgemeinen ideographische Schreib-
weise sehr wohl mit phonetischer Konstitution der einzelnen Hieroglyphen,
und es wäre zuvörderst noch erst zu prüfen, was man in dieser Beziehung
von den Maya-Hieroglyphen zu urtheilen hat.
Hier möchte ich nun. ohne im Prinzip zu verneinen, dass phonetisch
koustituirte Hieroglyphen möglich sind und auch vorkommen. — ich würde
410
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
solche zu allererst auf gewissen Stein-Inschriften suchen, wo man wenigstens
vermuthen könnte, dass Namen von Personen und Ortschaften eine ge-
wisse Rolle spielen werden, — doch als meine Ansicht aussprechen, dass
in den üblichen Hieroglyphen der Handschriften plionetische Elemente
fehlen und nur vereinzelt anzutreffen sind.
Es liegt das gewissermassen in der Natur der Sache. Da in der
Maya-Sprache die meisten Dingwörter Monosyllaba sind oder durch eine
beschränkte kleine Zahl von Suffixen von Monosyllabis sich ableiten, so
boten die in einem Worte enthalteneu Yorstellungs-Elemente für die
/^•/77;d /5r^-N ^k
schriftliche Unterscheidung entschieden mehr und leichter zu verwerthende
Mittel dar, als aus dem Klang der Worte gewonnen werden konnten.
Wir kennen eine Anzahl von Hieroglyphen, deren Lautwerth mit
Sicherheit festgestellt gelten darf, und bei denen wir auch über die Be-
deutung der Worte im Allgemeinen nicht im Unklaren sind. Das sind
die von Landa uns überlieferten Hieroglyphen der Monatsnamen. Hier
zeigt sich nun, dass einsilbige Worte durch, aus mehreren Elementen be-
stehende Hieroglyphen, mehrsilbige durch einheitliche Zeichen wieder-
gegeben sind. Die drei Monate i/aa;, zac, ceh werden durch die Hiero-
glyphen Abb. 7, 8, 9 ausgedrückt. Der untere Theil der Hieroglyphe ist
in allen drei derselbe und identisch mit dem Tageszeichen cauac. Der
5. Der Charakter der aztekischen und der Maya-Handschrifteu. 411
obere Theil der ersten Hieroglyplie kommt auch iu der Hieroglyphe des
Monatsnamens ^a./'/?-m (Abb. 10, 11) vor, und da der untere Theil des letzteren
Hieroglyphe, wie es scheint, kin^ „den Tag'' oder „die Sonne", bezeichnet,
so möchte man schliessen, dass das Element Abb. 12 in der That mit yax
übersetzt werden muss, ein Wort, welches „grün" oder „blau", aber auch
„das erste, ursprüngliche" bedeutet. Die oberen Theile der beiden anderen
Hieroglyphen kehren in einer Reihe von vier Elementen (Abb. 13 — 16)
wieder, welche (wie schon Schellhas erkannte) mit den vier Himmels-
richtungen, die durch die Hieroglyphen Abb. 18 — "21 bezeichnet werden,
in der Weise zusammengeordnet sind, dass sie den wechselnden Bestand-
theil sonst gleichartiger Hieroglyphen bilden, die in der Begleitung der
genannten Hieroglyphen der vier Himmelsrichtungen auftreten. Das
Element, von dem ich eben gesagt habe, dass es vermuthlich den Laut-
werth yax hat, entspricht in ganz gleicher Weise einer fünften Himmels-
richtung, die auf den einander ergänzenden Tafeln des Codex Tro 36
und des Codex Cortes 22 in der Reihe der Hieroglyphen der Himmels-
richtungen zu sehen ist und die Gestalt der Abb. 17 hat. Da diejenigen
Gegenstände, welche mit einer der vier Haupt-Himmelsrichtungen in Ver-
bindung gebracht wurden, von den Maya durch eine bestimmte Farbe aus-
gezeichnet wurden, — und zwar dergestalt, dass den, durch die Tages-
zeicheu kun, muluc, ix, cauac bezeichneten Himmelsrichtungen, die all-
gemein mit den Himmelsrichtungen lakin Osten, xaman Norden, chikin
Westen, woÄoZ Süden identifizirt werden, die Farben chac ,,roth", zac „weiss",
ek „schwarz", kan „gelb" entsprechen — , so liegt die Yermuthung nahe,
dass die Elemente Abb. 13 — 16 eben diese vier Farben bezeichnen. Da
weiter von diesen vier Elementen die Abb. 14 in der Hieroglyphe des
Monatsnamens zac „weiss", die Abb. 13 in der des Monatsnamens cek
„Hirsch", d. i. des rothen Thieres, ausserdem Abb. 13 als auszeichnendes
Merkmal in der Hieroglyphe einer Göttin vorkommt (Abb. 28), einer Be-
gleiterin des Chac, die im Codex Dresden 67a und 74 mit rother Farbe
und mit Tigertatzen dargestellt wird, so liegt die weitere Yermuthung nahe,
dass eben das Element Abb. 14 den Lautwerth zac „weiss", das Element
Abb. 13 den Lautwerth chac „roth" und dementsprechend die Abb. 16
und 15 bezw. den Lautwerth kan „gelb" und ek „schwarz" haben. Die
Zeichen der Himmelsrichtungen Abb. 18 — 21 müssen, wie jetzt wohl
als sicher festgestellt angenommen werden kann, lakin „Osten", xaman
„Norden", chikin „Westen", nöhol „Süden" gelesen werden. Wenn nun
in der That den oben in Abb. 13 — 16 wiedergegebenen Elementen die
Bedeut'.ingen roth", „weiss", „schwarz", „gelb" zukommen, so würden da-
mit die Farben auf die Himmelsrichtungen in derselben Weise bezogen
sein, als es Landa in seiner „Relacion de las Cosas de Yucatan" bei der
Beschreibung der Mwa^^^a6-Zärimonien (vgl. oben S. 372) angibt. Die fünfte
Himmelsrichtung Abb. 17, von der im Codex Cortes 22 die Varianten
41-J Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Abb. '22, "23 vorkommen, bozeicliiiet ohne Zweifel die Senkrechte oder die
Mitte, die Bewegung von oben nach unten oder von unten nach oben. Ihr ist,
wie aus Codex Tro 30 — 31 d und 14b c hervorgeht, entsprechend das
Element Abb. 12 koordinirt, welchem wir den Lautwerth yaj.\ d. h. die
Farbe „grün" oder ,,blau" zuschreiben, — die Farbe des Himmels und
des Himmelsbaumes, des yaxche oder der Ceiba (Bombax Ceiba).
In den besprochenen Fällen haben wir also, wie es scheint, hiero-
glyphische Elemente mit bestimmtem Lautwerth, und in der Abb. 10, 11
sogar eine phonetisch konstituirte Hieroglyphe vor uns. Daraus folgt aber
keineswegs, dass die genannten Elemente nur in dieser ])honetischen Be-
deutung gebraucht werden können, noch weniger dürfen wir ohne Weiteres
voraussetzen, dass, wo hiernach durch den Wortlaut eine phonetische Kon-
stitution angezeigt erschiene, eine solche auch nothwendig eintreten muss.
Im Allgemeinen stehen in der Schrift die Vorstellungs-Elemente durchaus
an erster Stelle. Selbst, wo phonetische Konstitution nahe zu liegen
scheint. So folgt in der Reihe der Monatsnamen hinter dem yaxkin
(der grünen oder ersten Sonne) sechs Monate später der kankin (die
gelbe oder reife Sonne). In der Hieroglyphe dieses Namens ist aber
weder das Element kan „gelb", noch das Element kin „Sonne" enthalten,
sondern zwei andere (Abb. 24, 25), von denen das eine, das Hauptelement,
bloss noch in der Hieroglyphe des Hundes (Codex Dresden 7 a, 13 c, 21b)
vorkommt.
Das Gleiche ergibt sich aus der Betrachtung der Hieroglyphen, mit
welchen in den Handschriften die dargestellten göttlichen oder mythischen
Personen bezeichnet sind. In der weitaus überwiegenden Mehrzahl der
Fälle zeigen diese den Kopf der betreffenden Figur, nur in der Regel
versehen mit einem oder dem anderen auszeichnenden Merkmal, das aber
an keiner Stelle eine Beziehung auf eine bestimmte Namensform ver-
muthen lässt. So zeigt die Hieroglyphe des Jaguars (Abb. 26) den Kopf
dieses Thieres und davor das Element chac „roth", — vermuthlich, weil
der Jaguar als der rotlie gedacht ist, als welcher er auch im Codex
Dresden 47 rechts unten abgebildet ist. Die Hieroglyphe des Yogels
im Codex Dresden 8a (3) (Abb. 27) zeigt denselben kahlen Yogelkopf, mit
einer Art Schleife auf dem Schuabelfirst, die auch der Kopf der Figur
zeigt. Die oben erwähnte, in der Gesellschaft des Regengottes erscheinende,
Wasser aus einqm Kruge ausgiessende, rothgemalte und mit Jaguarkrallen
versehene alte Göttin ist liieroglyphisch (vgl. Abb. 28) durch den Kopf
einer alten Frau ausgedrückt, mit dem mehrfach erwähnten auszeichnenden
Merkmal Abb. 13, welchem wir oben den Lautwerth chac „roth" beilegten.
Die Hieroglyphen einer anderen, im Codex Tro ebenfalls als Greisin (Abb. 29),
in der Dresdener Handschrift, wie es scheint, jugendlicher dargestellten
Göttin zeigt einen ähnlichen Frauenkopf und davor als auszeichnendes
Merkmal das Element Abb. 14, dem wir oben den Lautwerth zac „weiss"
5. Der Charakter der aztekischen und der Maya-Handschriften. 413
beilegten. Ein schwarzer Gott, dem meiner Ansieht nach der Name
Ekchuah beizulegen ist, weil er im Codex Tro mit einem Skorpionschwanz
gezeichnet ist und ekchuh im Maya der grosse schwarze Skorpion heisst, —
ist hierogly])hisch durch denselben prägnanten Kopf des Gottes mit dem
Zeichen imiv davor (Abb. 30) bezeichnet. Ekchuah ist der Gott der Kakao-
pflanzer, der Kaufleute und Reisenden und, nach dem Priester Hernandez,
der heilige Geist, der die Erde mit dem anfüllte, was sie nöthig hatte, —
d. h. der Gott des Wachsthums, des Gedeihens, des Reichthums; und imix
ist, wie ich unten erweisen werde, gleich seinem mexikanischen Aequi-
valeute cipactli^ das Symbol der Fruchtbarkeit. Den Gott mit dem kan-
Zeichen, der als Assistent des Licht- und Himmelsgottes Itzamnä erscheint
und dessen Hieroglyphe (Abb. 31) das jugendliche Gesicht dieses Gottes
und davor das Symbol des Messers zeigt, und den Gott mit dem Brand-
streifen über dem Gesicht, dessen Hieroglyphe (Abb. 32) vor dem Kopf
des Gottes anscheinend die Zahl 11 zeigt, habe ich schon in meinem
früheren Aufsatze (vgl. oben S. 39.3) erwähnt. Ich kann diesen auch den
eigenthümlichen Gott anreihen, dessen Gesichtszüge wie von den Windungen
einer Schlange gebildet erscheinen, und der in gewisser "Weise den
Assistenten des Regengottes Chac bildet. Auch die Hieroglyphe dieses
Gottes (Abb. 33) zeigt den Kopf des Gottes und davor als auszeichnendes
Merkmal eine Figur, wie ein ausgerissenes Auge. — Es ist, soweit ich
augenblicklich die Sache zu übersehen im Stande bin, dui'chaus nicht immer
möglich, festzustellen, worin denn die Natur dieses auszeichnenden Merk-
mals besteht, welches in der Hieroglyphe dem Kopf des Gottes beigegeben"
ist. Dass.es aber im Wesentlichen auf Vorstellungs-Elemente, auf Eigen-
schaften und Beziehungen des Gottes zurückgeht, das unterliegt, meine
ich, nach dem Angeführten keinem Zweifel.
Für die wesentlich ideographische Natur der Maya-Hieroglyphen spricht
ferner die Verwendung gewisser gleichartiger Hieroglyphen zum Ausdruck
sehr verschiedener Verhältnisse. So gibt es eine Hieroglyphe, auf die wir
später noch zu sprechen kommen werden (Abb. 34 — 36), deren konstituirende
Elemente von einer 3Iatte und dem, aus der Figur einer stützenden Hand
hervorgegangenen Bilde eines Trägers gebildet werden, die aber einerseits
(Codex Tro 20*, 19 *c) das in einer Rückentrage Tragen, bezw. Getragen-
werden, andererseits (Codex Tro 22% 21*d) das Sitzen auf einer Matte,
endlich noch (Codex Tro 16*a, 5*b) einen Tempel mit seinem, aus einer
Matte oder aus Rohrgeflecht bestehendem Dach zur Anschauung bringt.
Auf den Blättern 65— 69b der Dresdener Handschrift wird eine
Reihe von Hieroglyphen, welche Namen und Attribute des Regengottes
Chac geben, jedesmal eingeleitet durch die Hieroglyphe Abb. 37. Und
ebenso werden auf dem unteren Drittel der Blätter 29 — 41 derselben
Handschrift die verwandten Hieroglyphengruppen, welche dort die Reihe
der C'/iöc-Darstellungen begleiten, jedesmal eingeleitet durch eine Hiero-
■4U
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
glyphe. die, in den seknndäreu Elementen variirend, die Gestalt der
Abb. 38 — 43 zeigt. Endlich wird im Codex Perez 2 — 3 und 6 — 7 eine
der eben erwähnten ähnliche Reihe von Darstellungen, — in welchen nur statt
des Chac der auch sonst als Genosse oder Vertreter des letzteren auftretende
Gott mit dem, aus den Windungen einer Schlange gebildeten Gesicht (vgl.
die Hieroglyphe Abb. 33, oben S.410) eine Rolle spielt, — jedesmal eingeleitet
durch die Hieroglyplie Abb. 44. Das Hauptelenient dieser Hieroglyphen stellt
ohne Zweifel eine geschlossene Faust dar. [ Auf die sekundären Elemente
werde ich gleich noch zu sprechen kommen. Es sind theils Synonyme
des Mannes, theils solche des Vogels. Durch die Faust könnte das Packen,
Greifen zur Anschauung gebracht sein, und die ganze Hieroglyphe dem-
gemäss den Fänger, Krieger, Jäger bedeuten. Das scheint auch aus den An-
fangsdarstellungen des sogenannten Jagdkalenders des Codex Tro (18 — 19a)
hervorzugehen, wo die Darstellungen des Jägers, der mit Spiess und Wurf-
brett zur Jagd auszieht oder das Wild gebunden auf dem Rücken heim-
bringt, von Hieroglyphengruppen begleitet sind, die am Kopf die Hiero-
5. Der Charakter der aztekischen und der Maya-Handschriften. 415
glyphe Abb. 45 zeigen, — eine den vorigen (z. B. der Abb. 39) vollkommen
homolog konstituirte Hieroglyphe. Aber gleiche, homolog konstituirte
Hieroglyphen (Abb. 48 — 50) sehen wir auch im Codex Tro 26 — 25)* c ver-
wendet, wo, wie es scheint, Eroberung und Krieg durch die Figur des
Todesgottes und seines Assistenten, des Gottes mit dc^m Brandstreifen zur
Anschauung gebracht sind, die mit dem Speer und der brennenden Fackel
dem (durch Steinunterlage, Säule oder Wand mit Verbindungsstück und
Mattendach bezeichneten) Tempel nahen. Endlich sehen wir im Codex
Tro 17 c die ganz gleiche Hieroglyphe Abb. 47 verwendet, um die Kasteiung
mittels Durchziehens von Rohr durch die durchlöcherte blutende Zunge
zu bezeichnen, — ein Vorgang, der an einer weit entfernten Stelle, Codex
Tro 17 *b, durch die dasselbe Hauptelement, aber allerdings ein anderes
sekundäres Element enthaltende Hieroglyphe Abb. 46 gekennzeichnet ist.
— Solche Vorkommnisse lassen sich vereinigen, wenn man annimmt, wie
ich es aussprach, dass die Maya-Hieroglyphen zu Lettern abbreviirte Bilder
sind. In einem Bilde haben verschiedene Vorstellungen Raum. Das
Wort, das fertige Wort wenigstens, hat seine eng begrenzte Sphäre.
Noch eindringlicher spricht für das Vorherrschen des ideographischen
Elements die ungemeine Fülle von Varianten. Es kommt direkte Ersetzung
einer Hieroglyphe durch eine andere, ganz anders geartete vor. Ein
schönes Beispiel dafür liefern die Bezeichnungen des Monats Moan auf
den Blättern 46 — 50 der Dresdener Handschrift. Hier finden wir einmal
die Abb. 51, 52, welche den Kopf dieses mythischen Vogels zeigen, so
wie er z. B. an der vollen Figur im Codex Dresden 10a (Abb. 53) zu
sehen ist,- — nur verbunden mit einem Element, welches wir schon in der
Hieroglyphe der Himmelsrichtung von oben nach unten oder von unten
nach oben vorfanden (Abb. 17, 22, 23). Das andere Mal finden wir dafür
die Hieroglyphe Abb. 54, deren Elemente — jedes einzelne, wie es scheint
— nichts anderes bedeuten, als den Vogel oder den sich Bewegenden,
Fließenden. Noch häufiger ist die Variation sekundärer Elemente in homo-
logen Reihen sonst gleichartiger Hieroglyphen. Ich habe schon in meinem
vorigen Aufsatze hervorgehoben, dass ganz allgemein die Elemente Abb. 55,
Abb. 56 und Abb. 57 — 59 synonym auftreten. Es erklärte sich uns das
sehr einfach dadurch, dass Abb. 55 — eine Abbreviatur der Abb. 60 —
und Abb. 56 Symbole des Mannes sind, und dass auch die beiden Augen
(Abb. 57 — 59) als Symbole des Mannes gebraucht werden. Ich wies dort
nach, dass das Element, Abb. 60. eine Hieroglyphe für die Zahl 20
ist, weil 20 die Zahl der Finger und Zeilen des Menschen ist. Ich
machte dort aber schon darauf aufmerksam, dass auch die Abb. 62 — 64
den vorigen (insbesondere der Abb. 55 und 57) synonym gebraucht
werden, und ich kann diesen noch die Elemente Abb. 61, 65 und
65a hinzufügen. Die Zeichnung, wie sie die Elemente Abb. 61, 62,
63, 65a darbieten, erscheint ganz gewöhnlich an dem Halse von Töpfen
416 Dritter Abschnitt: Kalender and Hieroglyphen-Entzifferung.
imd Krügen, die Gegend der ^lüuduDg markirend. Die Abb. 64 scheint
sich naturgemäss als eine Zahnreihe zu geben. Die ganze Reihe dieser
homologen und den Ausdrücken für „Mann, Mensch" synonym gebrauchten
Elemente scheint demnach ursprünglich Mund, Schlund, Rachen zu be-
deuten. Dafür spricht auch, dass die Hieroglyphe einer Gottheit, der,
wie ich meine, der Name Uac mitun ahau zukommt, einmal (Codex
I)resdeii "28) durch einen Kopf mit offenem Rachen dargestellt ist, das
andere Mal (Codex Dresden ob) durch einen Kopf, der statt des Mundes
das Element Abb. 61 enthält. Dafür spricht ferner, dass das Element
Abb. 61 dem Element Abb. 73 synonym auftritt. Vgl. z. B. die in der-
selben Reihe (Codex Dresden 19 — 20b) homolog gebrauchten Hieroglyphen
Abb. 77, 78. Das Element Abb. 73 habe ich schon früher als Symbol des
Messers erkannt, und ich habe damals schon auf die mexikanischen Dar-
stellungen des Messers verwiesen, welche die Schärfe oder Schneide des-
selben durch eine an seiner Kante angebrachte Zahureihe zum Ausdruck
bringen. Den obigen Reihen ist aber nun noch, wie z. B. der Vergleich
der in derselben Reihe homolog gebrauchten Hieroglyphen Abb. 38— -43
zeigt, eine weitere Reihe von Elementen, welche dem Ausdruck für „Mann,
Mensch" gelegentlich synonym gebraucht werden, beizugesellen, nämlich
die Reihe Abb. loQ — 71 und Abb. 74. Hier zeigt die Abb. 66 eine Zeichnung,
die in ganz gleicher Weise auf dem Schnabel eines merkwürdigen, im Codex
Dresden 6 — 7 b und mit menschlichem Leibe im Codex Cortes 20 — 21 d
abgebildeten Vogels wiederkehrt. Abb. 74 bildet den Haupttheil der
Hieroglyphe, durch welche im Codex Dresden 16 — 17c, 17 — 18b und Codex
Tro 19 — 20c die auf den Frauengestalten hockenden Vögel bezeichnet
werden. Das Element tritt in den Attributen des Todesgottes und ver-
wandter Gestalten vollständig äquivalent dem Eulenkopf, auf; wir haben
es eben in der Hieroglyphe Abb. 54, einem Synonym des mythischen Vogels
moan, angetrofien. Auch die anderen Figuren der Reihe dürften sich wohl am
richtigsten als Kopf und Flügel oder Flügelpaar eines Vogels deuten lassen.
Wie wäre aber ein solches Vorstellungs-Element in Zusammenhang mit den
Begriffen Maun und Mensch zu bringen? Ich glaube, der Zusammenhang liegt
in der Verbindung der Begriffe Vogel und Gesicht, des Sonnenvogels und
des Sonnengesichts. Man vergleiche die Figur über der Göttergestalt auf der
Cedernholzplatte von Tikal. — Wie dem auch sei, die Synonymität dieser
verschiedenartigen Elemente lässt sich nur durch eine ideographische
Konstitution der Maya-Hieroglyphen begreifen und ist meines Erachtens
der stärkste und ausschlaggebende Beweis für die oben aufgestellte Theorie.
Aehnlich geartete Vorkommnisse lassen sich, bei einem sorgfältigen
Durchmustern der Handschriften, zu Dutzenden ausfindig machen. Sie
zeigen uns den Weg, auf welchem man versuchen muss, zu einem Ver-
ständniss der Maya-Handschriften vorzudringen.
G. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschrifteu und ihre Gottheiten. 41 7
6.
Die Tageszeiclien der aztekischen und der Maya- Hand-
schriften und ilire Gottheiten.
Zeitschrift für Ethnologie XX (1888) Seite 10 — 97.
Vorbemerkung.
Auch in diesem Aufsatze habe ich, entsprechend den veränderten Anschauungen, zu
denen ich bei der genaueren Untersuchung des TonalamatVs, und der bei den Tonal-
«maf/- Abschnitten als Regenten genannten Gottheiten gelangt bin (vgl. „Tonalamatl der
Aubin'schen Sammlung-, Berlin 1900) an verschiedenen Stellen Aenderungen vorgenommen.
„Wie in Europa," sagt P. Sahagun in der Einleitung zu dem vierten
Buch seiner Historia de las cosas de la Nueva Espana, „die Astrologen
dem neugeborenen Kinde das Horoskop stellen, so gab es auch unter
den Eingeborenen Neu-Spaniens Leute, tonalpouhque genannt, welche über
Leben und Tod und die Lebensschicksale der neugeborenen Kinder Auf-
schluss gaben." Dieselben gründeten aber ihre Wissenschaft nicht auf
die Beobachtung der (restirne, sondern sie bedienten sich zu ihren Vorher-
sagungen einer Anzahl von 20 Zeichen, deren Erfindung Quetzalcoatl zu-
geschrieben würde. Ihre Vorhersagungskunst wäre daher keine ernsthafte
Wissenschaft, sondern Lug und Trug und abergläubisches Wesen, gegen
welches die Diener der Kirche die Pflicht hätten, mit allen ihnen zu Ge-
bote stehenden Mitteln zu Felde zu ziehen.
Der Name tonalpouhquo bedeutet „Sonnenzähler", und die 20 Zeichen,
die Sahagun nennt, sind die bekannten 20 Tageszeichen, welche die
Grundlage des aztekischen Kalenders bilden. Der Ursprung dieser Zeichen
ist unbekannt, ihre Erfindung aber jedenfalls uralt, da sich die Namen
derselben genau in der gleichen Weise, nur dialektisch variirt, bei den,
weit entfernt von der Hauptmasse der Nation an dem grossen Süss-
wassersee von Nicaragua wohnenden, aztekisch redenden Nicaragua im
Gebrauch fanden, die ohne Zweifel schon lange Zeit von ihren Brüdern
getrennt lebten. Der Gebrauch dieser Zeichen war aber auch keine Be-
sonderheit der Naua-Stämme, sondern in gleicher Weise auch den Maya-
Seler, Gesammelte Abhandlungen 1. 27
418
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung
Stämmen von Guatemala, Chiapas uud Yucatan, den Mixteca und Zapoteca,
den Tarasca von Michoacan, also den hauptsächlichsten Kultui'nationen
von Mittel-Amerika, bekannt.
Die üblichen mexikanischen Aufzählungen der 20 Zeichen beginnen
mit dem Zeichen cipactli. Dagegen zeigt die Liste der 20 Zeichen,
welche die Bewohner des Dorfes Teoca in Nicaragua dem katechisirenden
Francisco de Bobadilla als die Namen der Gottheiten nannten, die sie
an den Anfangstageu ihrer Wochen verehrten, au erster Stelle das Zeichen
acatL das in der gewöhnlichen Aufzählung den dreizehnten Platz einnimmt.
Ebenso beginnt die Liste der Tageszeichen, welche in der alten Relation
über die Landschaft Meztitlan — das ist ein kleines, von aztekisch redenden
Leuten bewohntes Thal an den Grenzen der Huaxteca — gegeben ist,
mit dem Zeichen acatl. Ich führe in dem Folgenden alle drei Listen in
der üblichen Reihenfolge auf und fügte noch eine vierte hinzu, die der
„Chronica de la S. Provincia del Sautissimo Xombre de Jesus de Guathe-
mala'^, einer Handschrift des ehemaligen Franziskaner Klosters in Guatemala
entnommen ist.
(Mexico) :
Nicaragua:
Meztitlan:
1. cipactli
cipat
tftechi hucauh (ver
bessere: arochi-
quecal)
2. eecatl
acat (lies: ecat)
ecortl
3. calli
call
calli
4. cuetzpaJin
qtiespal (lies:
qüespal)
ailotl (lies: xilotT)
5. coatl
coat
coatl
6. miquiztU
»lisiste
tzontecomcctl
7. in acatl
macat
mazatl
8. tochtli
toste
tochtli
9. atl
at
atl
10. itzcuinUi
isquindi (lies:
izqüindi)
izcitin
11. ogomatU
ocomate (lies:
o^omate)
ogoma
12. malinaUi
malinal
itlan
13. acatl
agat
acatl
11. ocelotl
ogelot
ozelotl
15. quauhtli
oate
cuixtli
16. cozcaquauhtli
coscagoate
teotl i/tonal
17. olin
olin
nahüs olli (ües:
nahui olli)
18. UcpaÜ
tapecat
tecpatl
19. quiauitl
quiaüit
quisahütl (lies:
quigahuitf)
20. xochitl
sochit
ome a-och itonal
Guatemala:
cipactli el espadarte. ö
peje espada.
ehecatl el viento.
calli la casa.
quetzalli (lies: qüetzalli) el
lagarto.
cohuatl la culebra.
niiquiztli la muerte.
niazatl el venado.
toxtli el conejo.
atl ö qniahidtl el aguacero.
l/tzcuintli el perro.
ozumatli la mona.
malinalli la escobilla.
acatl la caiia.
teyollocuani el hechicero.
quauhtli el äguila.
tecolotl el buho.
tecpil anahuatl el temple.
tecpatl el pedemal.
ayutl la tortiiga.
xochitl la flor, 6 rosa.
1. cipactli wird verschieden erklärt, bald als Schwertfisch (Sahagun),
bald als Schlangenkopf (Duran — ^cabeza de sierpe, pues la pintan asi
y la etimologia del vocablo lo declara"). Der Codex Fuenleal, die „Historia
G. Tageszeichen der aztekisclien und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten 419
de los Mexicanos por sus pinturas" nennt ihn „un pexe grande, que es
como Cayman". Die Abbildungen 80 (Codex Land), 81 (Codex Vati-
canus A) und 82 (Codex Borgia 9 = Kingsborough 30) zeigen einige der
hauptsächlichsten Formen. Die Farbe ist grün oder schwarz, zum Theil mit
anders gefärbten kreisrunden Flecken. Auffällig ist das Fehlen des Unter-
kiefers. Mitunter sieht man das Ungeheuer in den Handschriften auch in ganzer
Figur dargestellt. Daim zeigt es einen langgestreckten Reptilkörper, den
Rückenfirst mit Stacheln besetzt, vier Füsse mit Krallen und Eidechsen-
schwanz, dazu mitunter Ohren. Vom Kopf ist auch hier gewöhnlich nur
der Oberkiefer gezeichnet. In anderen Darstellungen sieht man ein Thier
in Fischgestalt, mit haifischartigem heterocerkem Schwanz.
Nach dem Codex Fuenleal wäre aus dem cipactli die Erde erschaffen.
Dem Zeichen präsidirt im Codex Borgia 9 (= Kingsborough 30) ,uud im
Codex Vaticanus B 87 und 28 (= Kingsborough 10 und 76) der Gott
TonacatecutU, „der Herr unsers Fleisches", der mit dem Ometecutli^
„dem Herrn der Zeugung" identisch ist, und dessen Gattin Tonacaciuatl,
„die Herrin unsers Fleisches", in Tracht und Attributen mit der Xochiquetzal,
der Göttin der blumigen Erde, übereinstimmt. Ohne Zweifel ist das Zeichen
Symbol der Erde als des Sitzes der Fruchtbarkeit, Auch den Astrologen
galt das Zeichen als glückverheissendes Symbol der Fruchtbarkeit. Die
nach ihm benannten Tage sind glückliche ersten Ranges, sie bringen
Kindersegen und mehren Reichthum, Glück und Macht.
Der Patron dieses Zeichens, Tonacatecutlt, ist im Codex Vaticanus A
und Telleriano-Remensis in rosiger Farbe (als Himmelsgott), reich ge-
kleidet, auf einem Bett von Maiskolben zu sehen. Und über ihm ist ein
XiuhuitzoUi, eine Königskrone, zu sehen, mit Maiskolben gefüllt. Nach den
Interpreten trugen nur die drei Götter Tonacatecutli, Xiuhtecutli, der Feuer-
gott, und Mictlantecutli, der König der Unterwelt, eine Krone — als Aus-
druck des Wortes tecutli „Herr", oder als die Herrscher in den drei
Reichen Himmel, Erde und Hölle. In den anderen Handschriften ist ein
in lichten (gelben) Farben gemalter Gott zu sehen, zum Theil mit Attri-
buten QuetzalcoatVs versehen, der im Codex Borgia unter der Oberlippe
eine Art von Ring zu hängen hat, der, wie es scheint, eine miss-
verstandene Bildung darstellt, nämlich den eingekniffenen Mundwinkel,
wodurch in anderen Handschriften dieser Gott als der uralte, ursprüngliche,
der Vater von Göttern und Menschen bezeichnet wird. Im Codex Telleriano-
Remensis und Vaticanus A ist ihm gegenüber seine Gemahlin Tonacaciuatl
oder Xochiquetzal gezeichnet, die in den anderen Handschriften fehlt.
In allen Handschriften aber ist über, bezw. neben ihm ein Menschenpaar
zu sehen, unter einer gemeinschaftlichen Decke einander gegenüber sitzend
oder sich verstrickend, oder sich an den Händen haltend und das aus dem
■Munde strömende Leben vereinigend, — ohne Zweifel alles Symbole ge-
schlechtlicher Vereinigung.
4.-20 Dritter Abschjiitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Der Name, der für das Zeichen in der Liste von Meziitlan augegeben
wird, ist offenbar verderbt. Er ist wohl Xochique^al (d. i. Xochiquetzal) zu
lesen. Das heisst, es ist der Name der Regentin des Zeichens für das
Zeichen selbst gesetzt.
2. eecati bedeutet „Wind". Sein Patrou ist der Windgott „Quetzal-
coatl". Dargestellt wird das Zeichen durch den Kopf dieses Gottes, —
verschieden, je nach der verschiedenen Darstelluugsweise des Gottes selbst.
Meist sieht man die rothe Yogelschuabelmaske des Idols von Cholula.
Vgl. Abb. 83.
Den Astrologen galt das Zeichen als Symbol der Unbeständigkeit und
Yeräuderlichkeit. Die unter ihm Geboreneu sind leichtsinnig, unbeständig,
veränderlich, ruhelos (Duran). Nach anderer Auffassung ist eecati das
Zeichen der Umherirrenden, der verschiedene Gestalten Annehmenden,
der Wehrwölfe, der Zauberer (Sahaguu).
Patrou dieses Zeichens ist Quetzalcoatl, der Windgott. Der Xame
wird verschieden erklärt. Quetzalli ist die grüne Schwanzfeder des Vogels
Pharomacrus mocinno, das Wort wird aber auch allgemeiner im Sinne
von ^Schatz, Kostbarkeit" gebraucht, coatl oder couatl ist die ,, Schlange",
bedeutet aber auch „Zwilling". Mendieta (IL 19) sagt: — „en su leugua
llamabau cocua „culebras", porque dicen que la prima mujer que pario
dos. se llamaba coatl^ j de aqui es que nombraban culebras ä los mellizos,
y decian que habran de comer ä su padre y madre, si no matasen al uno de
los dos." — Der Name QuetzalcoaÜ wird demnach theils als ,.grüne Feder-
schlange", theils als „el admirable mellizo". „der wunderbare Zwilling",
erklärt.
QuetzalcoaÜ war der Gott von Cholula, des Hauptsitzes priester-
licher Weisheit und priesterlicher Kultur, darum wird der Gott stets mit
priesterlichen Attributen ausgestattet: dem spitzen Knochen {omitl), der
zu Blntentziehungen diente, den abgeschnittenen Spitzen der stachligen
Agave-Blätter (uitztli)^ auf denen man das herausströmende Blut sammelte,
und dem Kopalbeutel (copaLi-iquipilli). Ihm gegenüber ist im Codex
Telleriano-Remensis und Vaticanus A eiu junger Priester zu sehen, der
Ruthen oder Rohre durch die durchlöcherte blutende Zunge zieht; Codex
Borgia 62 (= Kingsborough 53) und Vaticanus B 50 (= Kingsborough 47)
dagegen ein Tempel und ein betender Mensch. Ln Uebrigen ist der
Gott theils mit der rothen Vogelschnabelmaske des Idols von Cholula
(vgl. Abb. 83), theils mit menschlichen Zügen dargestellt. Besondere
Attribute von ihm sind ein eigenthümlich geformtes Ohrgehänge und
eine als Brustplatte getragene Muschel. Das ist, wie aus der Zeichnung
in dem Sahaguu -Manuskript der Biblioteca Laurentiana zu Florenz
deutlich hervorgeht, das j,yoel del viento'"', das „Geschmeide des W^ind-
gottes", und nicht, wie Brinton (Hero Myths p. 121) annimmt, ein Wind-
rad (yaualli eecati) in Gestalt eines Pentagramms. Im Codex Borgia 9
6, Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 421
(= Kingsborough 30) und an den entsprechenden Stellen des Yaticanus B
ist über dem Gott noch eine, vom Pfeil durchbohrte, Rauch aus den
Nüstern schnaubende Feuerschlange zu sehen.
3. calli „Haus" Abb. 84. Sein Patron ist der Gott Tepeyollotl, das
„Herz der Berge", dargestellt als Jaguar, über einer Berghöhle sitzend. Ihm
gegenüber ist im Codex Telleriano-Remensis und Vaticanus A der Gott
Quetzalcoatl dargestellt, einen Gefangenen am Schopf haltend. Im Codex
Börgia 63 (= Kingsborough 52) und Codex Yaticanus B 51 (= Kings-
borougli 46) dagegen steht ihm die Göttin Tiacolteotl gegenüber, eben-
falls einen Gefangenen am Schopf haltend. Und im Codex Borgia 10
(= Kingsborough 29) und Codex Vaticanus B 87 und 29 (= Kingsborough 10
und 77) ist neben ihm dieselbe Göttin, die bekanntlich auch den Namen
Tlaelquani, die „Kothfresserin", führt, durch einen Exkremente fressenden
Menschen uud die Hieroglyphe des Mondes dargestellt.
Den Astrologen ist das Zeichen ein Symbol der Ruhe. So werden
auch die unter diesem Zeichen Geborenen ruhige, häusliche Leute (Duran).
Kaufleute betrachteten dieses Zeichen als besonders günstig zur Heimkehr.
Nicht mit der Natur des Hauses dagegen hängt es zusammen, wenn dieses
Zeichen auch als eine der Zeiten angegeben wird, an denen die Dämmerungs-
gestalten, die Gespenster, die Ciuateteö zur Erde hinabsteigen, den Kindern
Krankheiten bringend, die Männer zur Sünde und zum Verbrechen reizend.
Das ist vielmelir nur eine Folge des Umstandes, dass der Tag 1. calli in
dem in fünfgliedrige Säulen geordneten Tonalamatl in der Säule seine
Stellung hat, die den Anfang des dritten Towa^ama^/ -Viertels bildet und
deshalb als dem Westen, der Region der Weiber (ciuatlampa]^ angehörig
betrachtet wurde.
4. cueizpalin Abb. 85 (Codex Vaticanus A) und 86 (Codex Borgia,
Codex Land), mit blauer Farbe (Abb. 85) oder die vordere Hälfte blau, die
hintere roth gemalt. Wird allgemein mit „lagartija''^ „Eidechse", übersetzt.
Den Astrologen gilt das Zeichen als Symbol des Ueberflusses und des
sorglosen Genusses. Denn (wie Duran angibt) die Eidechse klebt an der
Wand und es fehlen ihr nie die Fliegen und kleinen Mücken, die ihr
gerade in den Mund fliegen. Der Interpret des Codex Vaticanus A sagt
geradezu, die Eidechse „significa l'abbondanza dell' acqua". Das wird
man verstehen, wenn man sich erinnert, dass dem Mexikaner Ueberfluss
und Gedeihen und reichlich Wasser sich deckende Begriffe sind. Die ge-
nannte symbolische Bedeutung des Thieres spricht sich auch in dem, von
dem Worte cuetzpalin gebildeten Zeitworte cuetzpalti, onicuetzpaltic aus,
für welches in dem Wörterbuche Molina's die Bedeutung „glotonedr" d. i.
„prassen, schlemmen" angegeben ist.
Die Liste von Meztitlan nennt das vierte Zeichen anders, nämlich
ailotl, soll heissen xilotl^ d. i. der junge, noch weiche Maiskolben, — eben-
falls ein bekanntes Symbol des Ueberflusses.
4-22 Dritter Abschnitt: Kalender nnd Hieroglj-phen-Entzifferung,
lu den Bildern, die iu den Haudschrifteu verschiedentlich vorkommen,
wo die verschiedenen Tageszeichen den Körpertheilen eines Menschen,
eines Gottes oder eines Dämons zugeschrieben werden, ist die Eidechse
bald (Codex Borgia) dem Penis, bald (Codex Yaticanus A) der Gebär-
mutter der Frauen („lagartixa nella madrice delle donne'') gleichgesetzt.
Der geschlechtliche Trieb und der geschlechtliche Akt sind also, wie es
scheint, das Ursprüngliche in diesem Zeichen. Das, was ich zuvor er-
wähnte, die überquellende Fruchtbarkeit, ist daraus leicht abzuleiten.
Der Patron dieses Zeichens ist der Gott Ueuecoyotl^ d. h. „der alte
Coyote"^, — im Codex Borgia und Vaticanus B in Gestalt eines Coyote oder
mit Co^o^^-Kopf abgebildet, im Codex Telleriano-Remensis und Vaticanus A
mit rother Farbe gemalt und in weissen t'o^o^^-Pelz gehüllt. Die Inter-
preten ideutifiziren ihn mit Tatacoada, dem Gotte der Otomi. Man ist ver-
sucht, an den Coyotl inaual, den „als Coyote verkleideten Gott'' zu denken,
der nach Sahagun von den Amanteca, den Federarbeitern des Quartiers
Amantlan, verehrt ward. Die Amanteca wollten die ersten chichimekischen
Einwanderer iu Mexico gewesen sein und aus ihrer ursprünglichen Heimath
die Verehrung Coyotl inauaVs mitgebracht haben.
Vor dem Gotte wird ein Mensch in liegender Stellung und ihm gegen-
über eine weinende Frau in knieender, halb zurückoewandter Stelluns:
dargestellt. Die Interpreten uenneu die letztere Ixnextli („Asche in den
Augen'* ?).
5. coail „Schlange'' Abb. 87 (Codex Telleriano-Remensis) und <S8
(Codex Borgia). Die Färbung ist gi'ün oder braun (gelb). Die Schlange
der Tageszeichen-Liste tmterscheidet sich dadurch bestimmt von der in
den Abbildungen vielfach, und auch auf den Monumenten, vorkommenden
Schlange, der gewöhnlich die Färbung der rothen Korallenotter ge-
geben wird.
Die Schlange lebt nackt, ohne eigenes Haus, heute sich hier iu einem
Loche bergend, morgen in einem anderen. Darum hat auch der nach der
Schlange benannte Tag Nacktheit, Armuth, Heimathlosigkeit im Gefolge.
Es ist das Zeichen der Reisenden und der Krieger und ward von den-
jenigen erwählt, die ihr Haus verlassen und zu Handel oder Krieg in die
Ferne ziehen wollten.
Die Patronin dieses Zeichens ist die Göttin ChaleJiiuitlicue, die Göttin
der Quellen und Bäche, des fliessenden, bewegten Wassers, — daher
Symbol der Unruhe und des Wanderns, — die in dem Wasserstrom, welcher
von ihren Schultern fliesst, Männer, Weiber und die mit Reichthümern
gefüllten Kisten fortschwemmt.
6. miquiztli „Tod'*^ oder izontecomati ..Schädel^ Abb. 89 und 90. Die
Farbe des Knochens ist vielfach durch gelbe, roth punktirte Flecke imitirt;
der Unterkiefer mitunter durch besondere Farbe bezeichnet. In herkömm-
licher Weise sind an der Basis der Zähne das Zahnfleisch durch rothe Farbe
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handscbriften und ihre Gottheiten. 423
4.24 Dritter Abschnitt: Kalender und Hicroglj'pheu-Entzifferung.
und über den Angenhöhlen die die Angenbrauen tragenden Wülste mit blauer
Farbe angegeben. \ Ziemlich regelmässig ist auf der AVölbung oder an der
Seite des Schädels ein kreisrundes Loch ausgeschnitten. Der Anblick der
Schädel war den 3Iexikanern vom tzompa?itli, dem Schädelgerüst, her geläufig
wo auf quer durch die Schläfe gestosseuen Stangen die Köpfe der den
Göttern geopferten Sklaven und Kriegsgefangenen aufgereiht waren. Mit-
unter sind, statt des kreisrunden Loches an der Seite, verschieden gefärbte,
konzentrische Ringe auf dem Wirbel des Schädels zu sehen, die vielleicht
auf eine Präparation des Schädels deuten. Statt eines einfachen Schädels
wird auch der Kopf MictlantecutWs, des Todesgottes, gezeichnet, der zu
dem Todtenschädel noch eine schwarze, zerzauste Perrücke, Ohren mit
weissem, bandartigem Pflock und ein Feuersteinmesser vor der Nase trägt
(Abb. 90, S. 423).
Der Tod ist ein Unglück und erweckt traurige Gedanken. So sind
auch die, unter diesem Zeichen Geborenen unglücklich und traurig,
schwächlich, krank und feige.
Als Patron dieses Zeichens ist im Codex Borgia 11 (= Kingsborough "28)
eine Frau gezeichnet mit der Lippenscheibe Tonacatecutlts {Ometecutli''s),
die vorn über der Stirn eine Meerschnecke trägt und deren ganze Gestalt
von nächtlichem Dunkel sich abhebt. In den entsprechenden Stellen des
Codex Vaticanus B Blatt 88 und 30 (= Kingsborough 9 und 78) sieht man
eine männliche Gottheit, ebenfalls mit der Lippenscheibe (dem eingekniffenen
Mundwinkel) Tonacaiecutlt's, aber mit dunklem (blauem) Leibe. Auch im
Codex Borgia 66 (= Kingsborough 49) und im Codex Vaticanus B 54
(= Kingsborough 43) sehen wir einen Gott mit der Lippenscheibe (dem
eingekniffenen Mundwinkel) TonacatecutWs, aber hier als steifrückigen,
alten Mann mit dem Stabe in der Hand. Und ihm gegenüber steht der
Sonnengott. Ebenso haben Codex Telleriano-Remensis und Vaticanus A
zwei Figuren: einen Gott, der als auszeichnendes Merkmal dieselbe Meer-
schnecke trägt, wie die Frau im Codex Borgia 11 (= Kingsborough 28),
und ihm gegenüber wieder den Sonnengott.
Man könnte meinen, dass dem Zeichen, welches „Tod"^ bedeutet, hier,
gleichsam zur Kompensation, die Gottheiten der Geburt als Patrone
gesetzt seien, und die Frau auf Blatt 11 des Codex Borgia als Tonacaciuatl,
eis Göttin der Geburt, betrachten. Denn die Schnecke, die sie am Kopfe
trägt, ist das Symbol des Mutterleibes. Wie die Schnecke aus dem Gehäuse,
so kommt der Mensch aus dem Leibe seiner Mutter hervor. Wahrschein-
licher aber ist, dass auch die Göttin Codex Borgia 11, gleich den männ-
lichen Gottheiten, den Mond (metztlt) bezeichnet. Der Mond hat Be-
ziehung zu den Weibern und verursacht, nach dem Interpreten, die Geburt
der Menschen. Darum ist die Meersclmecke {tecciztli) auch sein Symbol
und Tecdztecatl, „der mit der Meerschnecke", der hauptsächlichste der
Namen, unter denen der Gott bekannt ist. Der Mond steht hier als
(). Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 42.'>
Syml)ol des Zeichens miquiztli, weil miquiztli ^Tod" das Zeichen der
Zauberer ist, und weil die Zauberer in der Nacht ihr Wesen haben.
7. macail „Hirsch"'. Der langgestreckte Kopf dieses Thieres wird ge-
zeichnet, bald ohne Geweih (Abb. !»1, 8. 423), bald mit Geweih (Abb. 92),
das letztere dann blau gemalt, wie andere Hörn- und Hauttheile (Nägel,
Naseuschleimhaut u. a.). Statt des Kopfes finden wir im Codex Fejervary
(Abb. 93) den Fuss des Thieres mit dem gespaltenen Huf.
Der Hirsch ist ein Thier des AYaldes und des Feldes. Für die, an
diesem Tage Geborenen ergibt sich daraus ein Hang, in die Ferne zu
.schweifen und sich dem Waldleben zu ergeben. Insofern trift't das Zeichen
in seiner Bedeutung mit dem Zeichen coatl zusammen und gilt, wie dieses,
auch als Zeichen der Krieger.
Der Patron dieses Zeichens ist Tlaloc, der Gott des Regens, der Ge-
witterschauer, der mit dem Blitze tüdtende Gott. Er steht hier, weil er
ausserdem Regent und Sinnbild der einen der vier prähistorischen Welt-
perioden ist, des Quiauhtonatiuh, der „Regensonne", d. h. aber nicht etwa
der Periode, die sich durch eine Sintfluth auszeichnete, sondern die
durch einen tlequiauitl, einen Feuerregen, zu Grunde gieng. Der Hirsch
aber ist, nach den Interpreten, ein Symbol der Dürre, und mit seinem
Kopf wird in kleinen Bildchen des Codex Bologna (Blatt 1 und Blatt 4,
unterste Reihe) geradezu das aus dem brennenden Tempel schlagende
Feuer veranschaulicht. — Im Codex Telleriano-Remensis und Yaticanus A
ist dem Gotte eine Figur gegenübergestellt, welche Attribute Tlaloc's (des
Regengottes) und Quetzalcoatrs (des Windgottes) vereinigt und die von
den Interpreten als Nauieecati („vier Wind") bezeichnet wird.
Tlaloc ist den Mexikanern insbesondere der mit dem Blitz tödteude.
in der Fluth ertränkende, in T'lalocan über die Seinen herrschende Gott.
Die unter dem Zeichen „Hirsch" Geboreneu und so dem Gotte Tlaloc
Verfallenen fürchteten daher, bei jedem Gewitter vom Blitz erschlagen, bei
jedem Bade ertränkt, von dem Herrscher Tlaloc als sein Eigenthum reklamirt
zu werden.
8. iochili „Kaninchen". Ein Kopf, ähnlich dem des vorigen Zeichen.«,
aber durch das runde Auge, die längeren, mehr hängenden Ohren und die
beiden Schneidezähne unterschieden (Abb 94 und 95, oben S. 423).
Das Zeichen ist ein glückliches. Das Kaninchen, sagt man, nährt
sich ohne Arbeit und Mühe von dem Grase des Feldes. Darum werden
die unter seinem Zeichen Geborenen mühelos reich.
Im Mexikanischen ist tochtli der Ausdruck für „Rausch, Berauscht-
heit". Man bildet das Zeitwort tochtüia, oninotochtili^ für welches Molina
die Bedeutung gibt: „hazerse conejo, o hazerse bestia, o tornarse bruto el
hombre". Nach P. Sahagün wurde der Wein centzontotochtin^ d. h. „400
(= 20 X 20) Kaninchen" genannt, weil er die Ursache unzähliger Arten
von Betrunkenheit wäre. — So sehen wir denn auch als Patronin des
426 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Zeichens tochtli die Personifikation der 3Iagueypflauze, der Agave amerieaua,
aus vfelcher der berauschende Pulque bereitet wird. Als Gottheit führt
sie den Namen Mayauel. Sie ist (als Pflanze) als Göttin gedacht und war
nach Sahagun diejenige, welche zuerst den Saft der Maguevpflanze ge-
brauchen lehrte, — in uralter Zeit, als noch die Olmeca und Uü-totüi im
Lande waren, — und ist nach dem Interpreten des Codex Telleriano-
Remensis die Gemahlin PätecatCs, des Pulque-Gottes, den wir unten noch
zu erwähnen haben werden. — Mayauel wird in allen Quellen, die wir hier
angezogen haben, in ziemlich gleichartiger AVeise dargestellt. Wir sehen die
Göttin Tor den stachligen Blättern der Agave sitzen oder daraus hervor-
wachsen. Daneben der bekränzte und geschmückte Topf, aus welchem
das Getränk herausschäumt. Eine Figur, in vergnügter Haltuiiii' die Fahne
schwingend, mit ernster Miene aus der Pulqueschale trinkend oder mit
der Pulqueschale in der Hand zur trunkenen Rede anhebend, — scheint
den Rausch zur Darstellung bringen zu sollen.
9. ail ^AYasser". Das AYasser erscheint als Tageszeichen selten in
der Weise, wie man es als hieroglyphisches Element im Codex Mendoza
und sonst vielfach verwendet findet, nämlich als blauer, verzweigter Strom,
mit einem \Yelleusaum oder mit weissen, scheibenförmigen oder länglichen
Gebilden (Schueckeugehäusen) am Ende der Yerzweigungen. Immerhin
haben wir eine dem ähnliche Zeichnung in der Abb. 96 (oben S. 423),
die dem Codex Yaticauus B 49, 50 (= Kingsborough 48, 47) entnommen
ist. In der Regel ist, statt des einfachen Wasserstromes, ein Gefäss mit
Wasser gezeichnet, entweder ein einfaches Wassergefäss (Kürbisgefäss),
wie in Abb. 97 des Codex Telleriauo-Remensis, oder aber, und dies ist
der häufigere Fall, das aus dem Gefäss herausfliessende Wasser ist der
wallenden Federhaube eines Yogels verglichen. So wird dem das Wasser
bergenden Gefässe die Gestalt eines Yogelschnabels gegeben, mit Eck- und
Backzähnen an der Aussenseite des Gefässes, und in das Wasser hinein
wird das Auge eines Yogels gezeichnet (Abb. 100, 101). Eine Kombination
beider Darstellungsweisen zeigt die' eigenthümlich ornamentale Abb. 98
(Codex Land).
Das Wasser, oder genauer gesagt, die Zeit, in der das Wasser herrscht,
die Regenzeit, und die Oertlichkeiten, wo Wasser im Ueberfluss vorhanden
ist, verursachen Krankheiten. Rheumatismen, Fieber, Ausschlag. Darum
ist das Zeichen ein unglückliches, hat Krankheit und Tod für die davon
BetrofPenen, bezw. unter ihm Geborenen, im Gefolge.
Als Patron dieses Zeichens ist scheinbar wieder das entgegengesetzte
Prinzip, der Herr des Feuers, angegeben, Lccocauhqui. „der Gelbgesichtige",
auch Xiuhtecufli, „der Herr des Jahres" (oder der Herr des Smaragds),
oder Xiuhatlatl, „das blaue Wurfbrett", genannt, — mit gelber Farbe im
Codex Telleriano-Remensis und Yaticanus A, mit rother im Codex Borgia
und Yaticanus B gemalt, wobei aber immer der untere Theil des Gesichts
G. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 427
und ein quer über das Auge gehender Streifen mit schwarzer Farbe an-
gegeben ist. Das gegensätzliche Element, das Wasser, ist als breiter
Strom in der That hier neben dem Gott zu sehen. Daneben aber eine
in schräger Kichtung aufsteigende Feuersäule, und beide Bilder zusammen
sind nichts anderes als der hieroglyphische Ausdruck der Phrase atl-tlachinoüi
„Wasser und Brand'', die eine, und zwar die gewöhnlichste Bezeichnung
für ijaoifotl „Krieg" war. Als ^avvocato della guerra" wird in der
That der Feuergott von dem Interpreten des Codex Vaticanus A bezeichnet.
Zum Patron des Zeichens aü „Wasser" ist der Feuergott wahrscheinlich
nicht nur deshalb geworden, weil die Mexikaner bei atl „Wasser" an atl-
Üachinolli „Krieg" dachten, sondern weil atl selbst vermuthlich ursprüng-
lich nicht „Wasser" oder nicht bloss „Wasser", sondern „das Schleudern,
das Werfen, das Speerwerfen" bedeutete, daher auch das bekannte In-
strument, das Warfbrett, mit dem der Speer geschleudert wurde, a-tla-tl
„womit man schleudert" genannt wurde.
An den Stellen, wo die Regenten der Tageszeichen als Patrone der
zwanzig Abschnitte der TonalamaWs aufgeführt werden, ist dem Feuergott
gegenüber ein weissgefärbter Gott zu sehen, neben dem im Codex Telle-
riano-Remensis und Vaticanus A das Zeichen ce acatl „eins Rohr" an-
gegeben ist — der Tag des Verschwindens (des Todes) QuetzalcoatV s,^ au
welchem dieser Gott sich in den Morgenstern verwandelt haben soll. Die
Interpreten erklären daher diese Figur als das Bild Tlauizcalpan tecutWs,
des Morgensterns. Der Gott ist hier dem Feuergotte gegenübergestellt,
weil der Osthimmel die Region war, wohin die Seelen der geopferten
Krieger. giengen, und von dort die aufgehende Sonne mit Gesängen und
Tänzen bis zum Zenith geleiteten.
10. iizcuinili „Hund". Der Kopf des Thieres wird gezeichnet, schwarz und
weiss gefleckt, wie er auch im Codex Mendoza, wo das Bild des Hundes als
hieroglyphisches Element viel verwendet wird, regelmässig erscheint. Mit-
unter sieht man aber den Hund auch roth gemalt (Abb. 103, oben
S. 423). Der Hand wurde bei den alten Mexikanern als Schlachtthier
gemästet. Nebenbei aber spielte er eine wichtige Rolle bei den Leichen-
feierlichkeiten. Um nach dem Todtenreiche zu gelangen, musste die Seele
des Abgeschiedenen den Chicunauhapan^ den „neunfachen Strom", über-
schreiten, und dies konnte nur mit Hilfe eines rothen Hundes geschehen.
Darum versäumte man nie, dem Todten einen solchen Hund in das Grab
mitzugeben. Eben deshalb ist aber auch die rothe Farbe auszeichnendes
Merkmal für den Hund geworden. Die Abb. 103 zeigt gleichzeitig den
Hund mit abgeschnittenen Ohrspitzen. Das ist durch den lappigen obern
Rand des Ohres und die gelbe Farbe des Randes — in den Bilderschriften
die gewöhnliche Bezeichnung für todte Körpertheile oder Wundränder —
angedeutet. Es scheint, dass den Hunden, ehe man sie dem Todten ins
Grab nachwarf, die Ohrspitze abgeschnitten ward. Denn dasselbe rothe
428 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Ohr mit der abgeschnittenen Spitze (dem gelben, lappigen, obern Rande)
finden wir für sich allein als Bezeichnung des Tageszeichens itzcuintli ver-
wendet (Abb. 104).
Der Hund wird im Sahagun als „signo del fuego", das Zeichen
des Feuergotts, und deshalb auch als das Zeichen der grossen Herren,
der Herrscher und Richter auf der Erde, bezeichnet. An diesem Tage
wurden die Todesurtheile ausgesprochen und die unschuldig Eingekerkerten
freigelassen. Könige, die an diesem Tage erwählt wurden, hatten be-
sondere Chancen. Und die Menschen, die an diesem Tage geboren wurden,
wurden grosse Herren, reich und mächtig, freigebig, lassen sich gern bitten
und ertheilen gern Gnadengeschenke. All diese Angaben scheinen aber
eigentlich auf ce itzcuijitli „eins Hund'', den Anfangstag des vierzehnten
Tona/awafZ-Abschnitts, oder genauer vielleicht auf den vierten Tag dieses
Abschnitts, den Tag naui acatl „vier Rohr'% sich zu beziehen. Der Tag
naui acatl, dessen augurische Bedeutung vielleicht „nach allen Richtungen
Feuerbohrer" gewesen sein mag, war, wie wir aus Chimalpain wissen,
der Tag des Feuerbohrens. — auh ytlemamamalque yn tlecuahuitl
quitlazque Me,nca yn ypan cemilhuitlapohualli nahui acatl „am Tage vier
Rohr erbohrten Mexikaner Feuer" — wird von diesem Autor bei dem
Jahre 1487, dem ersten Regierungsjahre AuitzotV^, in welchem der Neubau
des grossen Tempels eingeweiht wurde, angegeben.
Der Patron des Zeichens itzcuintli ist, bezeichnend genug, Mictlantecutli.,
der Todesgott, als solcher, theils in männlicher, theils in weiblicher Gestalt,
im Codex Borgia 13 (= Kingsborough 26) und an den entsprechenden
Stellen des Codex Yaticanus B 90 (= Kingsborough 7) und 32 (= Kings-
borough 80) gezeichnet. Neben ihm ist ein aufgesperrter cipactli- (Erd-)
Rachen, eine eingebündelte Leiche und ein kranker, Kräuter (Medizinen)
in der Hand haltender, reichlich Exkremente und Harn lassender Mensch
dargestellt. An den entsprechenden Stellen: Codex Borgia 70 (= Kings-
borough 45), im Vaticanus B 58 (= Kingsborough 39) und im Codex
Telleriano-Remensis und Yaticanus A ist wieder die Gegensätzlichkeit
zum Ausdruck gebracht: dem Todesgotte, dem Herrscher in der Unterwelt,
dem Repräsentanten der Nacht wird der Sonnengott, Tonatiuh, der Herr
des Tages, gegenübergestellt.
11. ocomatli „Affe". Der Affe ist eine mythologische Gestalt. Darum
finden wir ilm fast nie einfach realistisch dargestellt. Zum wenigsten trägt er,
nach Art der Fürsten und Götter, Schmuck in dem Ohr (Abb. 106 unten
S. 431), und zwar in der Regel den, wie es scheint, etwas barbarischen Ohr-
schmuck des Gottes Tepeyollotl und seiner Begleiter. Statt des sich nach vorn
sträubenden Kopfhaares sieht man häufig einen Busch grünen Malinalli-
Grases (vgl. das nächste Zeichen). Gelegentlich auch (Codex Borgia 23
= Kingsborough 16) ist die ganze Figur in MalinalU-Gri'as gekleidet
(Abb. 107). Und im Codex Telleriano-Remensi.s und Yaticanus A trägt
6. Tageszeicheii der aztekischcii und der Maya-Haudschriftcn und ihre Gottheiten. 4-29
der Kopf des Affen regelmässig die Kopfbiiide des Windgottes Quetzalcoatl
(Abb. 105). — Der Affe hat Beziehungen zum Windgott. Er ist eben der
schnelle, der flüchtige. Auch den arischen Indern ist der Affe Hänuman
der vätaja, der „Sohn des Windes". Im Codex Borgia und Vaticanus B
findet sich wiederholt eine merkwürdige Darstellung, wo wir den Todes-
gott und den Windgott Quetzalcoatl Kücken an Rücken gelehnt dasitzen
sehen. Eine ganz gleiche Darstellung sieht man auch im Codex Laud 11.
Aber dort erblicken wir, statt des Windgottes, die unverkennbare Figur
des Affen mit dem Rücken gegen den Todesgott gelehnt; ersterer hält das
Opfermesser, letzterer ein ausgerissenes Herz in der Hand. Dass wir also
den Affen mit den Attributen des Windgottes bekleidet finden, kann nicht
weiter Wunder nehmen. In dem Ausputz mit Malmalli-GraH scheint sich
eine Beziehung zum Tode zu offenbaren. Das Gesicht des Affen imitirt
den Todtenschädel. Und ganz an unsere Abb. 107 erinnernd, sehen wir
im Codex Borgia 71 (= Kingsborough 44) das Skelet, welches dem Sonnen-
gott den abgerissenen Kopf einer Wachtel darbringt, in Malinalli-Gras
gekleidet.
Der Affe ist lustig und spasshaft und weiss seine Gliedmassen geschickt
zu benutzen. Darum werden auch die, unter seinem Zeichen Geborenen
in allerhand — aber, wie es scheint, hauptsächlich brotlosen — Künsten
geschickte und erfahrene Leute, Künstler, Sänger, Tänzer, Clo^ms und
Spassmacher; die Frauen ähnlich, fröhlichen Gemüths, doch nicht sehr ehrbar.
Als Patron dieses Zeichens ist im Codex Borgia 13 (= Kingsborough 26),
und entsprechend im Codex Vaticanus B 32 (= Kingsborough 80) ein Gott
gezeichnet, dessen nähere Beziehung durch einen, neben ihm im Wasser
mit dem Netz fischenden Menschen zum Ausdruck gebracht ist. Da an
dieser Stelle die Reihe der Gottheiten der Tageszeichen mit der im Codex
Telleriano-Remensis und Vaticanus A, und entsprechenden Stellen des
Codex Borgia und Vaticanus B, gegebenen Aufzählung der Regenten der
Tonalamatl- Ahschmtte nicht mehr übereinstimmt, indem der Gott hier
ausgelassen, und dafür am Schlüsse der Reihe der Feuergott hinzugefügt
wird, so lässt uns der Interpret des Codex Telleriano-Remensis, der
uns sonst die Namen für die Götter lieferte, hier im Stiche. Ich
glaube diesen Gott in Codex Borgia 15 (= Kingsborough 24), wo er in
Parallele zu Xochiquetzal stehen würde, und an verschiedenen Stellen des
Codex Viennensis unter dem Namen chicorne xochitl „sieben Blume" wieder-
zuerkennen, und bin deshalb geneigt, in ihm ein männliches Analogon
der Xochiquetzal anzunehmen, was zu der oben gezeigten Bedeutung des
Zeichens vortrefflich passen würde. Ich glaube Beweise dafür beibringen
zu können, dass ihm der Name Xochipüli „Blumenprinz" zukommt, und
dass er als ein Gott des Reichthums und der Feste betrachtet wurde.
12. malinalli wird von den alten Autoren als „cierta yerva", „ein
gewisses Kraut" erklärt. Nach Peiiafiel (Nombres geograficos de
430 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Mexico) ist es: — „uiia planta de los Uramineos, conocida por „zacate del
carbonero", dura, aspera, fibrosa, qua fresca sirve para formar las saeas
del carbon j para sogas que las aseguran", d. li. also ^Strohseil" oder
,,Gras, aus dem mau Stroliseile fertigt*'. Damit scheiut die Etymologie
des Wortes zu stimmen. Wir finden im Mölln a: malma, onülamalin,
^torcer cordel encima del muflo"; malinqui^ malmalli „cosa torcida".
Im Codex Meudoza 13, 14, wird der Ort Malinaltepec durch eiuen Berg
dargestellt, der auf seinem Gipfel eine krautartige Pflanze mit gelben Blütlion-
köpfen (Abb. 108 S. 431) trägt. In demselben Codex 41, 11 dagegen sehen
wir denselben Ort durch einen Berg bezeichnet, der auf seinem Gipfel die
Abb. 109 trägt, d. h. einen Todtenschädel, dessen Wölbung gleichsam er-
setzt ist durch den grünen, mit gelben Blüthenköpfen besetzten Busch
dieses Krauts. Letztere Kombinatiou ist auch die übliche Darstellung des
Tageszeichens malinalli. Ygl. die Abb. 110 (Codex Telleriano-Remensis).
Doch findet sich daneben auch z. B. im Codex Borgia 13 (= Kingsborough
26) die Abb. 111, welche den ganzen Busch der Pflanze mit den gelben
Blüthenähren und zwei aufgesteckten Fähnchen zeigt. — Anderwärts ist
das Tageszeichen durch einen blutigen Kiefer mit einer Zahnreihe be-
zeichnet (Abb. 114 Codex Fejervciry), denen noch bisweilen ein heraus-
gerissenes Auge (Abb. 113 Codex Land) oder ein herausgerissenes Auge
und ein grüner Busch hinzugefügt wird (Abb. 112 Codex Land). Wie
der blutige Kiefer eine Darstellung des Wortes malinalli sein soll, ist
schwer erfindlich. Ich glaube, dass der andere Name itlan, der in der
Liste von Meztitlan für dieses Zeichen gebraucht wird und der mit „sein
Zahn" übersetzt werden kann, hier herangezogen werden muss. Yielleicht
ist malinalli aber auch noch in prägnantem Sinne als das „herausgebohrte"
zu übersetzen. Das würde das neben der Zahnreihe gezeichnete Auge
erklären.
Das Zeichen hat einen bösen Ruf. Die alten Autoritäten Sahagun
und Duran erklären es — ich weiss allerdings nicht, ob vollständig un-
beeinflusst durch biblische Traditionen — als Sinnbild der Vergänglich-
keit, das Gras des Feldes, das schnell dahinwelkt. Duran hebt dabei
die Yergänglichkeit des Uebels hervor. Wie das Gras des Feldes jedes
Jahr welkt und im nächsten wieder frisch ergrünt, so verfielen auch die
unter diesem Zeichen Geborenen jedes Jahr in eine schwere Krankheit,
erholten sich aber wieder von derselben. Sahagun dagegen hebt die
Yergänglichkeit des Glückes für die unter diesem Zeichen Geborenen
hervor. Anfangs vom Glück begünstigt, würden sie plötzlich wieder ins
Elend zurückgeschleudert. Sie würden viele Kinder bekommen, diese
ihnen aber der Reihe nach wegsterben. Darum, gibt er an, vergliche
man dieses Zeichen einem reissenden Thier.
Patron dieses Zeichens ist ein Gott, der von den Interpreten PätecatU
der Gott des Weines, genannt wird. Als Götter des Weines (d. h. des
6. Tageszeichen der aztekischcn und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 431
■i'd'2 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Pulque, des aus der Agave americana bereiteten berauschenden Getränkes)
werden im Sahagun eine ganze Reihe von Göttern angegeben: Tezcatzoncatl,
Yiauhtecatl, Izquitecatl, Acolhua, Tlilhua, PätecaÜ, Toltecatl, Papaztac, Tlal-
tecayohua, Ometochtli, Tepuztecatl, Chimalpanecatl, Colhuatzincatl. Eine noch
grössere Zahl ist in der Bilderschrift der Biblioteca Nazionale in Florenz
genannt. Wie man sieht, haben die meisten dieser Namen patronymische
Form. Man könnte vermuthen, dass durch diese verschiedenen Namen
die besonderen Marken des Getränkes bezeichnet worden seien. In Wahr-
heit bezeichnet aber dieses Patronymikou den Gott als einen an einem
bestimmten Ort oder in einer bestimmten Landschaft verehrten.
Pätecatl wird Gemahl der Mayauel, der Göttin der Agavepflanze, ge-
nannt, und ihm wird das besondere Verdienst zugeschrieben, die narko-
tischen Wurzeln entdeckt zu haben, die man dem Pulque zusetzte, um
dessen berauschende Wirkung zu steigern. Daher auch der Name, der
von pätli „medicina" „Medizinkraut" abgeleitet zu sein scheint.
Der Gott wird in barbarischer Tracht dargestellt (vgl. Abb. 146, unten
S. 439) mit einem Nasenring, wie ihn die Göttin Teteoinnan oder Tla^olteotl
trägt, und auch in der Tracht an die letztere Göttin erinnernd. Das ist
ein bezeichnender Zug. Denn die Pulquegötter, wie die eben genannte
Göttin werden in derselben Landschaft, in Cuextlan, in der Huaxteca
heimisch gedacht. Der Gott ist mit kriegerischen Emblemen ausgestattet;
ihm gegenüber oder vor ihm herschreitend ist ein Jaguar gezeichnet, oder
in Adler- und Jaguartracht gekleidete Krieger. Das sind Sinnbilder der
Tapferkeit; quauhtli ocelotl „Adler- Jaguar" ist Bezeichnung der hervor-
ragendsten und tapfersten Krieger. Der Rausch macht tapfer; auch
durften, wie es scheint, an deu Pulquegelagen nur alte Männer und
Soldaten Theil nehmen.
Im Kultus sind die Pulquegötter im Wesentlichen als Erntegötter
gedacht. Denn wenn die Ernte eingebracht ist, so ist es Zeit, ein Fest
zu feiern und sich zu berauschen. Eine besondere Bedeutung scheint
dieser Gott in der an den Grenzen der Huaxteca gelegenen Landschaft
Meztitlan gehabt zu haben. Es w^erden dort als Hauptgötter genannt:
Ometochtli, Tczcatlipuca, Hueitonantzin, d. h. der Pulquegott, der Gott der
Dürre und des Winters und die Göttin der Erde. Von dem Gott des
Pulque {Ometochtli) wird hier erzählt, dass er von Tezcatlipoca erschlagen
worden sei, dass aber sein Tod nur wie der Schlaf eines Trunkenen ge-
wesen, dass nachher der Gott gesund und frisch wieder auferstanden sei,
— ein durchsichtiger Mythus, der uns den Wechsel von Dürre und Regen,
von Kälte und Wärme, von Winter und Sommer veranschaulicht. Aus
dieser mystischen Bedeutung des Pulque's leiteten sich ohne Zweifel die
strengen Strafen ab, die auf den unberechtigten Genuss desselben gesetzt
waren, und die die Spanier so in Erstaunen setzten und von ihnen als
Gipfel pädagogischer Weisheit gepriesen wurden. Der Genuss des Pulque,
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriftcn und ihre Gottheiten. 433
ausser in den durch den Kultus streng vorgeschriebenen Fällen, war
einfach ein Sakrileg und ward als solches gebührenderweise mit dem Tode
bestraft.
13. acail „Rohr". Als hieroglyphisches Element im Codex Mendoza
häufig durch die, aus den stengelumfassenden breiten Blättern sich auf-
bauende Maisstaude ausgedrückt. Als Tageszeichen durch den Pfeilschaft,
mit (Abb. 118, 115)) oder ohne Feuersteinspitze (Abb. 115—117, oben
S. 431), aber regelmässig mit, unterhalb des Schaftendes angebrachten
Federn bezeichnet.
Wie das Rohr inwendig hohl und marklos ist, so sollten auch die
unter diesem Zeichen Geborenen hohle Köpfe ohne Herz und ohne Ver-
stand sein, Leckermäuler, Müssiggänger.
Als Patron dieses Zeichens ist im Codex Borgia 12 (= Kingsborough 27)
ein Tezcatlipoca mit verbundenen Augen gezeichnet. Dem entspricht
im Codex Borgia 69 (= Kingsborough 46) eine Gruppe, bestehend aus
der Figur Tezcatlipoca'^ (Abb. 148, unten S. 439) und eines Gottes mit
ganz verbundenem Gesicht, dessen Kopf von einer hornartig gekrümmten
Mütze bedeckt ist, von der ein Pfeilschaft ausgeht (Abb. 149, unten
S. 439). Ganz die gleichen charakteristischen Attribute trägt die ent-
sprechende Figur des Codex Vaticanus A und des Codex Telleriano-
Remensis, die von den Interpreten als Itztlacoliuhqui, Gott der Kälte und
weiter der Verhärtung, der Verblendung, der Sünde erklärt wird und dem,
wie sie angeben, auch ein Sternbild am südlichen Himmel entsprechen
soll. Als Nebenfiguren sieht man im Codex Borgia 12 (= Kingsborough 27)
einen seine Exkremente fressenden Menschen, einen tlaelquani, d. h, einen
Sünder, im Codex Borgia 69 (= Kingsborough 46) einen Pulquetopf und
einen am Boden liegenden Menschen, endlich im Codex Vaticanus A und
Telleriano-Remensis das Bildniss der gesteinigten Ehebrecherin.
Der Name Itztlacoliuhqui bedeutet „das Scharfe, Gekrümmte" oder
„das krumme Obsidianmesser". Als Gott der Kälte wird Itztlacoliuhqui
auch von Sahagun bezeichnet. Der Zusammenhang mit Tezcatlipoca,
der in den erwähnten Darstellungen vorliegt, spricht sich überdies im
Namen — Itztli, „der Obsidian", ist einer der Namen Tezcatlipoca' s —
und in der Bedeutung des Gottes aus. Denn Tezcatlipoca, „der rauchende
Spiegel", ist der Gott des Nordens und ist als solcher auch der Gott der
Dürre und der Kälte, des Winters und der Dunkelheit, der Moloch der
mexikanischen Mythologie. Und ebenso ist er der die Sünde strafende Gott.
Zu den Festlichkeiten des Besenfestes (ochpaniztli), die zu Ehren der
Erdgöttin Teteo innan oder Tod gefeiert wurden, gehört das Auftreten
Cinteotl Itztlacoliuhqui' &. Zu dem Zwecke wurde von dem zu Ehren der
Göttin geköpften Opfer ein Stück der Schenkelhaut entnommen und daraus
die Maske Itztlacoliuhqui gearbeitet. Die Maske bestand aus einer Kapuze
aus Federarbeit, welche sich nach hinten verlängerte und mit einer
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 28
434 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
hahnenkammartigen Krone endete, — die Beschreibunsi; entspricht genau
der Art, wie die hornartig gekrümmte ^[ütze Itztlacoliuhqia ^ im Codex
Telleriano-Remensis und Yaticanus A wiedergegeben ist. Mit dieser Masken-
ward dann Cinteotl, der Sohn der Teteoinnan, bekleidet, der in dieser Yer-
kleidune: bei den weiteren Festlichkeiten eine bedeutsame Rolle zu
spielen hatte.
Es hat zunächst etwas Befremdendes, den Namen der Maisgottheit
(Cinteotr) mit dem des Gottes der Kälte {ItztlacoHuhqui) verbunden zu
sehen. Nach der Auifassung der Mexikaner gingen sowohl die günstigen,
wie die schädlichen, in einer Sphäre sich geltend machenden Einflüsse
von derselben, in dieser Sphäre herrschenden Gottheit aus. Nach der
„Historia de los Mexicanos por sus pinturas", dem Codex Fuenleal, sendet
Tlaloc sowohl das gute Wasser, welches die Saaten wachsen lässt, wie das
böse, welches die Saaten ersäuft, das kalte, welches die Felder vereist,
und den Schnee, der die aufkeimenden Saaten unter seiner Decke begräbt.
Der Interpret des Codex Telleriano-Remensis erklärt die Fruchtbarkeit
und Nahrung spendende Erdgöttin Tonacaciuatl als „la qne causava las
hambres", die welche die Hungersnöthe verursacht. Und nach Dur an
erhält die Göttin der Maisfrucht den Namen Chicome coatl „Sieben Schlange"
wegen des Unheils, das sie in den unfruchtbaren Jahren anstiftet, wenn
das Korn erfriert und Hungersnoth eintritt.
14. oceloil „Jaguar (Felis ouQa)". Man sieht das ganze Thier darge-
stellt, das durch das gelbe oder braune, gefleckte Fell und die mit langen, ge-
krümmten Klauen versehenen Pranken leicht kenntlich ist. Seine reissenden
Eigenschaften sind häufig noch durch, in dem Umkreis des Leibes ange-
brachte Feuersteinmesser besonders gekennzeichnet. An anderen Stellen
ist nur der Kopf gezeichnet (Abb. 120, 121, oben S. 431), durch die
Rundung und die Flecken ebenfalls leicht kenntlich. Endlich wird, wie
beim Hunde, nur das Ohr angegeben (Abb. 122, Codex Fejerväry), dessen
Besonderheit in der Breite und Rundung und in der schwarz gefärbten
Spitze liegt.
Die kriegerischen Eigenschaften des Thieres vererben sich auch auf
die unter diesem Zeichen Geborenen. Sie werden tapfer und unerschrocken,
aber auch gewaltthätig und lasterhaft, insbesondere in erotischen Dingen,
und nehmen, wie die Krieger überhaupt, ein unglückliches Ende. Auch
die Frauen, die unter diesem Zeichen geboren sind, werden hochmüthig
und lasterhaft.
Patron dieses Zeichens ist, nach Angabe der Interpreten, Tla^olteotl,
auch Lvcuina und Tlaelquani genannt. Der Name Tla^olteotl heisst „Gott-
heit des Unraths" und Tlaelquani die „Dreckfresserin", die „Sünderin",
die Göttin ist aber keineswegs eine Patronin der Sinnenlust und der
Schamlosigkeit („la Venere impudica e plebea", wie Boturini angibt),
sondern umgekehrt, eine Göttin der sittlichen Gebundenheit, Patronin der
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 435
Ehe. Yor ihrem Bilde steinigte man die Ehebrecherinnen. Und die-
jenigen, welche sich in diesem Punkte vergangen hatten, waren genöthigt,
zu ihren Priestern zu gehen und dort ihre Sünde zu beichten. Aber nach
mexikanischer Auffassung wurden sie durch diese Beichte auch ihrer Sünde
vollständig quitt, straflos auch der weltliclicn fiewalt gegenüber.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Göttin mit der Erdgöttin
Teteoinnan oder Tod identisch ist. Im Codex Telleriano-Remensis und
A''aticanus A ist sie in die abgezogene Haut des Opfers gekleidet darge-
stellt und mit weissen Federn besteckt, ganz wie Torquemada u. A. den
Putz der Erdgöttin beschreiben. In dem Sahagun-Manuskript der Biblio-
teca Lanrentiana zu Florenz ist sie mit dem Besen in der Hand abgebildet,
dem bekannten Attribut der Teteoinnan. Umgekehrt ist das Bild, durch
welches im Codex Telleriano-Remensis und Vaticanus A der achte Monat
ochpaniztli bezeichnet wird und welches unzweifelhaft die Erdgöttin Teteo-
innan darstellt, in Ansehen, Tracht und Ausstattung in jeder Beziehung
gleich der Göttin, welche von den Interpreten als Tlacolteotl bezeichnet
wird. Und wie die Teteoinnan sich als huaxtekische Göttin dadurch
charakterisirt, dass bei ihrem Hauptfeste (ochpaniztli) die ihr Gefolge bil-
denden Leute als Huawteca verkleidet einher 2:ieno:en, wie P. Duran be-
richtet, so erzählt auch von der Tlacolteotl der P. Sahagun, dass sie
hauptsächlich von den Mixteca und Olmeca — d. h. nach seiner Nomen-
clatur, von den Bewohnern der atlantischen Golfküste — und von den
(Juexteca (d. i. Huaxteca) verehrt worden sei, während im Westen, in
Michoacan., ihr Kultus ganz unbekannt geblieben sei.
Die fragliche Göttin Teteoinnan- Tlacolteotl finden wir in unseren
Codices mit den beiden, über der Stirn wie Hörner aufrecht stehenden
Flechten — der bekannten altmexikanischen Weiberfrisur — abgebildet,
das Haar ausserdem durch ein rund um den Kopf laufendes Band aus un-
gesponnener Baumwolle zusammen gehalten, in welchem ein paar Spindeln
stecken. Ein ähnliches Band hängt aus dem durchlöcherten Ohrlappen
heraus. Der untere Theil des Gesichts ist mit einer dicken Lao-e schwarzen
Kautschuks bedeckt und in der Nase trägt sie denselben eigenthümlich
gekrümmten Ring, den wir schon bei Pätecatl gesehen haben. Es scheint
sich hierin die landsmannschaftliche Verwandtschaft der beiden Gottheiten
zu erkennen zu geben. A'gl. Abb. 147, unten S. 439. Das Gewand ist
lebhaft gefärbt, meist in zwei Farben, roth und schwarz, den Farben der
Pulquegötter, und mit grossen, gelben (goldenen), halbmondförmigen Ver-
zierungen versehen. (Die Huaxteca waren berühmt als Verfertiger der
centzontilmatli oder centzon quachtli, der bunten, vielfarbigen Mäntel und
Decken.)
Der Göttin gegenüber sieht man (Codex Borgia Ti = Kingsborough 27
und an den entsprechenden Stellen des Codex Vaticanus B) einen Tempel,
in dessen offener Thür eine Eule steht, — wie es scheint, das dunkle
28*
43t) Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Haus der Erde bezeichnend. Im Codex Borgia 08 (= Kingsborough 47)
und entsprechend im Codex Yaticanus B 61 (= Kingsborough 36) ist ihr
gegenüber die Feuerschlange und ein ähnlicher Tempel, in dessen offener
Thür ein Raubvogel steht, der aber mehr an den cozcaquauhtli der Hand-
schriften erinnert. Im Codex Telleriano-Remensis und Yaticanus A end-
lich steht ihr gegenüber eine, in das dunkle Gefieder eines Nachtvogels
gekleidete menschliche Gestalt, — von den Interpreten als Abbild Tez-
catUpocas, erklärt. Andei'wärts (Codex Borgia 55 = Kingsborough 60) sieht
man neben der Göttin das Bild des Moudes (Abb. 150, unten S. 439),
dargestellt durch das mit Sternenaugen besetzte Dunkel und das Bild des
Kaninchens in wässerig blauem Felde.
15. quauhf/i, der „Adler". Das Thier ist theils in ganzer Figur
(Abb. 125, oben S. 431), theils nur als Kopf gezeichnet (Abb. 1*23, 124),
meist sehr naturgetreu und leicht kenntlich, das Gefieder weiss mit schwarzen
Spitzen oder schwärzlich. Die räuberische Natur, wie bei dem Thier des
vorigen Zeichens, wiederum durch Feuersteinmesser bezeichnet (Abb. 125),
welche an den Enden der Xackenfedern oder in dem Umkreis des Körpers
angebracht sind.
Das Zeichen theilt in jeder Beziehung die kriegerischen Eigenschaften
des vorigen, sowohl in Beziehung der Männer wie der Weiber, nur dass
(nach Dur an) der Adler noch einen besonderen Hang zu Raub und
Diebstahl ertheilt.
Der Patron dieses Zeichens ist der Gott Xipe „der Geschundene ",.
auch Totec, „unser Herr" (seüor terrible y espantoso), und TlaÜaiihquitezcatly
„der rothe Spiegel", genannt, — der Gott, dem im zweiten Monat das
Fest tlacaxipeualiztli, „Menschenschinden", gefeiert ward, bei welchem in
die abgezogene Haut der Opfer gekleidete junge Leute den Gott reprä-
sentirten.
An den hier angezogenen Stelleu der Handschriften ist der Gott nicht
überall in typischer Gestalt zu sehen. Nur im Codex Borgia 67 (= Kings-
borough 48) und entsprechend im Codex Yaticanus B 62 (= Kingsborough 35)
(Abb. 151, unten S. 439) und 34 (= Kingsborough 5) sieht man das mit
der gelben abgeschundenen Menschenhaut überzogene Gesicht, das nur
den Augenschlitz erkennen lasst, den brandrothen Streifen über die ganze
Länge der Backe und den eigenthümlichen Nasenpflock, der die spitze,
mit flatternden Bändern umwickelte zapotekische Mütze des Gottes nach-
ahmt. An denselben Stellen ist vor dem Gott auch sein Stab (Abb. 152,
unten S. 439), der von flatternden weissen, roth gestreiften " oder roth
punktirten Bändern umwickelte Rasselstab chicauaztli, gezeichnet. — Im
Codex Borgia 11 (= Kingsborough 28) dagegen und entsprechend im Codex
Yatikanus B 30 (= Kingsborough 78) sieht man einen, in der "Weise
Tezcatlipoca'' s, nur roth und gelb, also als Tlatlauhqui TezcatUpoca bemalten
Gott, der eine Todtenhand vor der Nase hält. Aber den Kopf bedeckt
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 437
eine rothe, mit weissen Federbällen besteckte Kapuze (Abb. Iö3, unten
S. 439), ganz ähnlich der Schulterdecke, welche der Gott in den vorher
angeführten Stelleu trägt. — Im Codex Telleriano-Remensis und Yati-
cauus A endlich ist ein Gott, in der Haltung des Sonnengottes, gemalt,
Waffen in der einen, eine Wachtel in der anderen Hand haltend. Doch
zeigen auch hier die herabhängenden Hände der abgeschundenen Menschen-
haut und das in dachziegelförraig sich deckende grüne Federn auslaufende,
hemd- oder kittelarlige Gewand den Gott Xipe und den tzapotekischon Gott an.
An allen Stellen aber ist, als Symbol und Characteristicum des Gottes,
ihm gegenüber die culebra Quetzalcoatl gemalt, die grüne Federschlange,
— im Codex Borgia 10 (= Kingsborough '29) und entsprechend im Codex
Yaticauus B 92 und 30 (= Kingsborough 5 und 78),-ein Kaninchen, an den
anderen Stellen einen Menschen verschlingend, r^ dargestellt.
16. cozcaquauhili heisst: „Halsbandadler". "In Molina's Wörterbuch
wird als Bedeutung des Wortes angegeben „aguila de cabeza bermeja'',
„der Adler mit dem rothen Kopf", und gemeint ist der Königsgeier,
Sarcoramphus papa Dum., von den Spaniern „rey de zopilotes" genannt.
— Von dem Thiere ist stets nur der Kopf gezeichnet. Der Schnabel ist
weiss (beim Adler gelb!), und über dem Auge ist die unbefiederte, rothe
Kopfhaut kenntlich. Regelmässig ist ein Ohr mit Ohrgehänge gezeichnet
(Abb. 127 Codex Borgia). Mitunter ist ihm auch eine Art Haarperrücke
(Abb. 128 Codex Laud) oder ein schleifenartiger Kopfputz (Abb. 120
Codex Telleriano-Remensis) gegeben.
Der Geier hat einen kahlen Kopf, daher wird er zum Sinnbild des
Alters, des langen Lebens, der Schwächen und Vorzüge des Alters.
Denen, die unter seinem Zeichen geboren wurden, sagte man nach, dass
sie ein hohes Alter erreichen, und dass sie sich wie alte Leute ge-
bahren, gern Ratli ertheilen, Zuliörer und Schüler um sich versammeln
würden, u. s. w.
Der Patron dieses Zeichens ist ein mit Tigerkrallen- und Schmetter-
lingsflügeln versehener Dämon, den die Interpreten ItzpapalotL ,,Obsidian-
schmetterling", nennen. Die Interpreten, die überall einen Sündenfall
wittern, geben an, dass Xomunco oder Xounco, die erste geschaffene Frau,
nach ihrem Fall in diesen Dämon verwandelt worden sei. In allen
Codices ist diesem Dämon gegenüber ein umgebrochener Baum gezeichnet,
aus dessen offener Wunde Blut fliesst. Die Interpreten sagen, dass dies
der Baum des Paradieses sei, und nennen ihn deshalb Tamoanchan —
„Haus des Herabsteigens", nach Sahagun das irdische Paradies, das
zu suchen die wandernden Stämme sich aufmachten, — oder Xochitlicacan,
„den Ort, wo die Blumen aufrecht stehen." Der ganze Mythus, auf den
die Interpreten anspielen, ist aus anderen Quellen nicht bekannt.
17. o/in erklärt Du ran als ,,cosa que se anda 6 se menea" und sagt,
dass das Zeichen auf die Sonne angewendet würde. Wir haben in der
438
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
That das Zeitwort olini, oolin oder olim'a, oninolini „menearse ö moverse",
das aber das obige AVort als Grundwort voraussetzt. Dagegen finden wir
ollL ulli „Kautschuk" und „der Kautschukball", mit welchem das nationale
Spiel tlachtli gespielt ward. Es ist bekannt, dass der Lauf der Sonne am
Firmament unter dem Bilde des Ballspiels angeschaut wurde. Die beiden
Antagonisten, Quetzalcoatl und Tezcatlipoca, die den Gegensatz von Sommer
und Winter, von Tag und Xacht zu repräsentiren scheinen, spielen (nach
Mendieta II c. 5 p. 82) Ball miteinander. Die beiden Lichtheroen der
Qu'iche, Hunahpuh und Xbalanque, die an einer Stelle des Popol Vuh als
„Sonne" und „Mond" erklärt werden, sind die berühmten Ballspieler, von
/30,
deren Spiel die Erde erdröhnt, die auf die Herausforderung der Fürsten
der Unterwelt in das Reich des Todes, Xibalbo, hinabsteigen und nach
Ueberwindung der unterweltlicheu Mächte siegreich wieder zum Erdboden
emporsteigen. Im Codex Borgia finden wir auf Tafel 35 (= 4 der Kings-
borough'schen Zählung) die bekannte Figur des Ballspielplatzes, tlachco
(Abb. 154, S. 440), von Sterneuaugen umsäumt, darüber liegend ein cipactli,
aus dessen aufgesperrtem Rachen das Gesicht des Himmelsgottes Tonacate-
cutli hervorschaut. Auf dem Platze selbst spielen zwei schwarze Gottheiten
Ball. Der Ball des einen (Abb. 155) ist dunkel (blau) gefärbt und hat
das Ansehen eines Todtenschädels ; der andere (Abb. 156) stellt eine gelbe
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 43»)
Strahleuscheibe mit einem Auge in der Mitte dar. Das diese beiden Bälle
die am Himmel aufziehenden Tages- und Naclitgestirne, Sonne und Mond,
symbolisiren, erscheint mir zweifellos.
Die bildliche Darstellung des Tageszeichens olin zeigt zwei verschieden
gefärbte Felder, das eine in der Regel blau, das andere roth, welche eine
mittlere Rundung und zwei schräg verlaufende Enden haben und entweder
hart aneinander liegen, nur durch eine gelbe Linie getrennt (Abb. 129)
oder an den Enden divergiren (Abb. 130). Dazu kommt in den Dar-
stellungen des Codex Telleriano-Remensis und Yaticanus A, sowie auf
Skulpturen eine Art von Pfeil, der eine Mittellinie zwischen den beiden
divergirenden Feldern herstellt (Abb. 131). Der kleine Kreis, in welchem
die beiden divergirenden Felder sich berühren, erscheint in diesen mehr
ausgeführten Darstellungen als Auge. In den runden Ausbuchtunücn der
Felder sieht man hier und da (z. B. Codex Mendoza 42, 22 s. v. Olinalaii)
einen kleinen Kreis markirt. Das grosse Bild des Zeichens olin endlich,
welches das Zentrum der Oberfläche des sogenannten Kalendersteines, des
grossen, unter König Axaijacatl angefertigten Sonnensteins, einnimmt, zeigt
in der Mitte, statt eines Auges, das Gesicht des Sonnengottes und in den
runden Ausbuchtungen die krallenbewfiffnete Pranke eines Jaguars. Als
besondere Variante erwähne ich noch Abb. 132 (Codex Borgia 10 = Kings-
borough 29), wo, statt der in der Mitte sich berührenden divergirenden
Felder, zwei bogenförmig gekrümmte, übrigens ebenfalls verschieden
(blau und roth) gefärbte Stücke sich verschlingen.
Man hat neuerdings (Anales Mus. Nac. Mexico II) versucht, diesem
Zeichen eine bestimmte astronomische Bedeutung beizulegen, und es als
die graphische Repräsentation des scheinbaren l^aufes der Sonne, wie er
440
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
im Verlaufe eiues Jahres sich darstelle, erklärt. Nach dieser Aufifassung
^v^"l^de der Pfeil, der auf einigen Darstellungen des Zeichens olin zu sehen
ist, die Richtung von Osten nach Westen, und die Linien der auseinander
gehenden Felder die Richtungen bezeichnen, die vom Standpunkte des
Beobachters aus nach dem äussersten nördlichen und äussersten südlichen
Punkt des Sonnenaufgangs, bezw. Sonnenuntergangs, gehen. — Mir scheinen
die beiden verschieden gefärbten Felder nur die helle und die dunkle
Wölbung, den Taghimmel und den Xachthimmel. zu bedeuten, au welchem
das Tages- und das Nachtgestim entlang rollen, wie der Kautschukball
über den Ballplatz fliegt. Ich vergleiche so das Tageszeichen olin dem
Felderpaar, das in den Maya-Haudschrifteu von den viereckigen Himmels-
schildorn herabhängt und auf seiner Fläche das Bild der Sonne oder des
Tages und des Mondes oder der Nacht trägt. Vgl. Abb. löT u. 158.
Das Zeichen ist seiner astrologischen Bedeutung nach zweifelhaft. Die
unter ihm Geborenen werden, nach Sahagun, bei guter Erziehung glück-
lich, bei schlechter unglücklich. Nach Duran verheisst es den Männern
Glück, es werden Sonnenkinder, glänzend wie die Sonne, glücklich und
■ict.
ifS
cJ\\ h ri- 1 ■
mächtig, denn die Sonne ist die Königin unter den Gestirnen, die unter
diesem Zeichen geborenen Weiber dagegen werden zwar reich und mächtig,
bleiben aber dumm.
Als Patron dieses Zeichens ist im Codex Borgia 10 (= Kingsborough ^Oi
ein Gott gezeichnet, mit verkrümmten Händen und Füssen und heraus-
hängendem Auge. Darüber sieden in einem Topfe Kopf und Gliedmassen
eines Menschen. In den entsprechenden Stellen (Blatt 93 und 29 =
Kingsborough 4 und 77) des Yaticanus B ist, statt des obigen Gottes, ein
Thier, wie ein Coyote, gefleckt, mit sich sträubendem Haar und herau.s-
hängender Zunge, gezeichnet. Darüber aber sieht mau denselben Topf,
in welchem menschliche Gliedmassen kochen. Im Codex Borgia 50 ist
ein zähnefletschendes Ungeheuer gezeichnet, mit Jaguarpranken, das mit
Attributen Quetzalcoatl' s ausgestattet ist und einen zerbrochenen Knochen
in der Hand hält. Aehnlich in der entsprechenden Stelle Blatt G4
(= Kingsborough 33) des Codex Yaticanus B und ähnlich auch im Codex
Telleriano-Remensis und Yaticanus A. Aber im Codex Borgia 65 (= Kings-
borough 50) und im Yaticanus B 64 (= Kingsborough 33) sind dem Un-
G. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 44 1
geheuer gegenüber eine in Stücke gerissene Schlange, ein mit Bhitstreifen
versehenes Gefäss, Opfergaben und das Sonnonzeiclien naui olin „vier Be-
wegung" über vierfachen Farbenstreifen (grün, gelb, blau, roth) zu sehen.
Im Codex Telleriano-Remensis und Vaticanus A dagegen ist der Figur
gegenüber ein anderes Ungeheuer gezeichnet, genau entsprechend den
Figuren, die auf der Unterseite der kleinen Steinnäpfe zu sehen sind, von
denen Jesus Sanehez im Hand III der Anales del Museo Nacional de
Mexico mehrere abgebildet liat, — (ein ganz gleiches Gefäss befindet sich
auch im Königl. Museum für Völkerkunde zu Berlin), — und die auf der
Abb. 159. qiiaHhxicuUi. Steinerne Opfer blutschale. Innenseite.
Innenseite das Zeichen der Sonne {naui olin) zeigen (Abl>. 1.')!)). Das
Ungeheuer auf der Unterseite der Steinnäpfe (Abb. KIO) verschluckt
ein Feuersteinmesser oder speit ein Feuersteinmesser aus. Das an den
entsprechenden Stellen des Codex Telleriano-Remensis und Vaticanus A
gezeichnete entlässt dagegen aus seinem Rachen eine Figur, welche die
Attribute Tlalocs und QuetzalcoatVs vereinigt, ähnlich, wie der Nauieecatl
des Codex 'J'elleriano-Remensis f. 13 verso (= Kingsborough II. 12) und
Vaticanus A f. '20 (= Kingsborough 28), — welche aber auf ihrem Rücken
eine helle Sonnenscheibe trägt, von der. wie es scheint, eine Feuerschlange
ausgeht.
442
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
])ie Interpreten nennen die Hauptfigur Xolotl und erklären ihn als
Herrn der Zwillinge. Das dieser Hauptfigur im Codex Telleriano-
Remensis gegenüberstehende, eben beschriebene Ungeheuer mit der seinem
Rachen entsteigenden Figur nennen sie Tlalchitoiiatiuh und erklären es
als die Wärme, die von der Erde der Sonne mitgetheilt wird, oder auch
als die Sonne, die hinabsteigt, um den Todten zu leuchten.
In dieser sehr eigenthümlichen Figur verknüpfen sich verschiedene
Darstellungen. Der Name Xolotl bedeutet „Zwilling"; nach Sahagun im
engeren Sinne: eine Zwillingsbildung der Maispflanze; rnexolotl eine doppelte
Agavepflanze, axolotl, die im Wasser lebende Larve des Amblystoma
mexicanum. Die Azteken betrachteten eine Zwillingsgeburt als ein Por-
Abb. IGO. quaidixiccdli. Steinerne Opferblutschale. Unterseite.
tentum, als etwas Widernatürliches, Unheimliches, Unglückbringendes.
Sie hatten den Glauben, dass, wenn beide Zwillinge am Leben blieben,
der eine davon unfehlbar seine Eltern tödten und verzehren würde. Darum
tödteten die Eltern gleich bei der Geburt den einen von den Zwillingen.
Der Zwilling ist also der, der getödtet werden muss. Und darum
wird Xolotl zum Repräsentanten des Menschenopfers. Als solcher
erscheint er in den Mythen. Als die eben gescliafPenen Lichtgestirne,
Sonne und Mond, am Himmel nicht weiter gehen wollten, beschlossen die
Götter, sich zu opfern, um durch ihren Opfertod den Gestirnen Leben und
Bewegung zu verleihen. Nach Sahagun ist Quetzalcoatl derjenige, der
das Opfer vollzieht, und Xolotl der, welcher sich weigert, sich tödten zu
6. Tageszeichen der aztekischeu und der Maja-Handschriften und ihre Gottheiten. 44.3
lassen, so weint, dass seine Augen aus den Höhlen treten, und flieht,^
schliesslich aber doch erwischt und getüdtet wird. Nach Mendieta ist
Xolotl derjenige, der das Opfer an seinen Brüdern vollzieht und darnach
sich selber opfert. „Y asi aplacado el sol hizo su curso".
Nach einem andern Mythus ist Xolotl derjenige, der zu den Todten
liin ab steigt und von dort den Todtenknochen holt, aus dessen Stücken
die Menschen entstehen.
Die hier vorliegenden, oben beschriebenen Abbildungen zeigen den
Bezug auf das 3Ienschenopfer in klarster Weise: der Topf, in welchem die
3Ienschengebeine sieden, — mit dem Menschenopfer verband sich Menschen-
fresserei, — die aus den Höhlen tretenden Augen, endlich die Beziehung
zur Sonne und zum Zeichen der Sonne, — denn der Sonne wurden die
ausgerissenen Herzen dargebracht. Auch dass der Gott mit Attributen
QuetzalcoatVs. ausgestattet wird, — Quetzalcoatl, der Gott von Cholula, ist
der Gott der Priester, ist der Priester xot e^oyj]v. Endlich der sogenannte
Tlalchitonatiiih, die zu den Todten hinabgehende, von dem Ungeheuer ver-
schluckte Sonne. Auch die oben beschriebenen, übrigens höchst sorgfältig
gearbeiteten Steinnäpfe, die auf der Unterseite dasselbe Ungeheuer zeigen,
sind von jeher als Kultusgegenstände, als Behälter für das Blut der Opfer,
gedeutet worden.
18. iecpail „Feuerstein". Es ist dies der Stein, aus welchem die
Opfermesser gefertigt wurden, wie Motolinia (c. 6 S. 40) ausdrücklich
hervorhebt, — und nicht Obsidiau {itztli), wie man häufig angegeben findet
und wie sogar im Sahagun zu lesen ist. Die Abbildungen zeigen auch
stets einen hellen Stein, in Form einer Lanzenspitze, die eine Hälfte
(Abb. 133, S. 438) oder auch beide Enden blutroth gefärbt. Mitunter ist die
zackige Kante des Steines und der muschelige Bruch der Schlagfläche
deutlich markirt (Abb. 134); die schneidenden Eigenschaften sind durch
eine Zahnreihe am Rande markirt (Abb. 135, Codex Yaticanus A). Oder
es ist das ganze Steinmesser in ein Gesicht mit langen Schneidezähnen
(Abb. 136 Codex Yaticanus B) oder in einen Todtenschädel mit klaffendem
Gebiss (Abb. 137 Codex Borgia) umgewandelt. Im Codex Bologna ist statt
des einfachen Steinmessers häufig eine schwarze menschliche Figur, die
einen tecpatl als Kopf trägt, gezeichnet (vgl. oben S. 342, Abb. 2).
Der Stein ist das Zeichen der Dürre und Unfruchtbarkeit, darum
bleiben, nach Dur an, die unter seinem Zeichen (leborenen, seien es
Männer oder Weiber, unfruchtbar, ohne Nachkommenschaft. Der Stein ist
aber auch der schneidende, er liefert das Material für Waffen jeder Art.
Darum sind, nach Sahagun, die unter seinem Zeichen geborenen Männer
schneidig und tapfer, ansehnlich und reich, die Weiber männlichen
Charakters, klug und reich. Nach dem Interpreten des Codex Yati-
canus A werden die unter diesem Zeichen Geborenen gute Jäger und
Edelleute.
444 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Als Patron dieses Zeichens ist in allen Handschriften die bald mehr,
bald minder deutlich erkennbare, d. h. bald mehr, bald minder realistisch
o-ezeichnete Figur des Truthahns angegeben. Die Interpreten nennen
ihn Chalchnihtotolhi, „das Smaragdhuhn", oder vielleicht einfach das „blaue
Huhn", — die Farben grün und blau werden in mittelamerikanischen
Sprachen vielfach mit einander verwechselt, — und identifiziren ihn mit
Tezcatlipoca. In der That trägt der Vogel im Codex Telleriano-Remensis
und Vaticanus A an der Schläfe den rauchenden Spiegel, das Attribut
Tezcatlipoca^. Dem Vogel gegenüber ist im Codex Telleriano-Remensis
und Vaticanus A ein Jüngling gezeichnet, mit Kopal und Kopalbeutel
{Xiquipilli) in der Hand, der mittels eines si)itzen Vogelschnabels (oder
eines vogelschnabelartigen Instrumentes) sich Blut aus dem Ohre entzieht.
Im Codex Borgia 10 (= Kingsborough 29) und entsprechend im Codex
Vaticanus B 93 (== Kingsborough 4) und 29 (= Kingsborough 77) ist eine
ähnliche Kasteiung, — das Opfer des eigenen Blutes, die Selbstopferuug, —
ausgedrückt durch einen Jüngling, der mit einem spitzen Knochen sich
das Auge ausbohrt (das Auge aus seiner Höhlung treibt, vgl. XolotH).
Ringsum ein Kranz von blutbesprengtem Grase. Das aus der Hierogljjihe
chalchiuiü „grüner Edelstein" und einem Wasserstrom {atl) zusammen-
gesetzte Symbol, das mau daneben angegeben findet, ist chalchiuhatl zu
lesen und als „das kostbare AVasser (der Kasteiung, des Opfers*), d. h.
„das Blut" zu erklären. Endlich im Codex Borgia ß-t (= Kingsborough 51)
und entsprechend im Codex Vaticanus B 65 (= Kingsborough 32) ist dem
Chalchiuhtotolin gegenüber die blutbefleckte, dornige Spitze eines Agave-
Blattes, in einem Büudel blutbefleckten Grases steckend, zu sehen.
Bekanntlich wurde das Blut, das man sich durch Einschnitte in die Zunge,
die Ohren oder andere Körpertheile entzog, auf den Spitzen von Agave-
Blättern (sogenannten Maguey- Dornen) gesammelt, diese dann iu Gras-
ballen gesteckt und diese Ballen, als Beweis der vollzogeneu Kasteiung,
dem Gotte dargebracht, bezw. in Haufen auf den Mauern der Mönchs-
klöster und der Erziehungshäuser aufgestellt.
Tezcatlipoca ist der Patron der telpochcalli, der Junggesellenhäuser,
einer Art von Klubhäusern, in welchen die unverheiratheten jungen Leute
die Xacht zubrachten und die jüngeren Leute von den älteren Kriegern im
Waffenhandwerk unterrichtet wnirden. Diese Häuser hatten den genannten
sozialen Zweck und gleichzeitig eine hervorragende militärische Bedeutung.
Denn bei plötzlichem Allarm war hier gleich eine Schaar waflenfähiger Männer
beisammen. Die jungen Leute wurden hier in strenger Zucht gehalten,
denn es war eine religiöse Einrichtung, und insbesondere waren Kasteiuugen
und Blutentziehungen in der genannten Art, als Stählungen der Mannheit
und Uebungen in der Selbstüberwindung, durchaus im Schwange.
So wird denn auch das Zeichen tecpatl den andern Kriegs- und Jagd-
göttern, Uitzilopochtli, dem aztekischen, und CamaMli, dem tlaxkaltekischen
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 44.'
Kriegsgott, zugeschrieljen, — Und weil man bei dem Zeichen an Kastei-
ungen und Blutentziehungen dachte, darum brachten (nach Sahagun 4, 21)
die Pulquefabrikanten den ersten Pulque J^^^H^m Tage, der uitztli, ^o-v^
„Dorn'', (d. i. der beissende, prickelnde PJ^^^^H wurde, dem Gotte
Uitzüopochtli als Opfer dar. ^ ^^^^^)
19. quiauiti „Regen" wird im Codex Mendoza mehrfach durch fallende
Wassertropfen ausgedrückt. Vgl. Codex Mendoza 42, 21 s. v. Quiyauhteopan.
Als Kalenderzeichen erscheint stets der Kopf Tlaloc^s, des Regengottes,
ausgeführt oder in abbreviirter Form. Vgl. S. 438 die Abb. 138 (Codex
Telleriano-Remensis), 139 (Codex Land) und 140 (Codex Borgia).
Das Zeichen ist, wie das verwandte neunte Zeichen, ein unglückliches.
Blindheit, Lahmheit, Kontraktheit, Aussatz, Krätze, Mondsucht und Narrheit,
— das sind die Gaben, welche (nach P. Duran) dieses Zeichen den unter
ihm Geborenen verheisst. Denn der von den Bergen strömende Regen,
wie das fliessende Wasser, sind nach mexikanischem Glauben die Krank-
heitserzeuger. Nach Sahagun werden die unter diesem Zeichen Geborenen
(ähnlich, wie die unter dem zweiten Zeichen, dem des Windes, Geborenen)
Zauberer, Wehrwölfe, übelwirkende Hexenmeister. Die Kaufleute blieben
an diesem Tage zu Hause, denn Unheil und Krankheit lauert an ihm auf
allen Wegen. Diese letzte besondere Bedeutung kommt indes diesem
Zeichen vielleicht nur deshalb zu, weil ce quiauiti „eins Regen", das An-
fangszeichen des siebenten TbwaZama^/-Al)Schnitts, einer der Tage war,
die in dem in fünfgliedrige Säulen geordneten TonalamaÜ den Anfang
des dritten Viertels, also den Westen, Ijezeichneten, dass also an diesem
Zeichen die im Westen hausenden, die gespenstischen Weiber, die Ciuatete<i,
die Seelen der im Kindbett o-estorbenen Frauen Macht hatten.
Patron des Zeichens quiauiti ist nach den Interpreten Chantico oder
Qtiaxolotl (die „doppelköpfige"), die Gottheit des chilli oder der rothen
Capsicum- Pfefferschote. Der Capsicum- Pfeffer war das beliebteste und
alltäglichste Gewürz in alter Zeit, wie heute noch, in Mexico. Er gehörte
so zur täglichen Nahrung, dass die Enthaltung von ihm denselben Werth
hatte, wie in der christlichen Welt die Enthaltung von Butter- und Fleisch-
speisen. Mit anderen Worten, die ohne Pfefifersauce genossenen Tortillas
sind Fastenspeise. Die Gottheit des Capsicum-Pfeffers ward deshalb zum
Sinnbild des Fastenbruchs. Nach dem Interpreten ist Chantico der
erste Fastenbrecher, der, weil er vor dem Opfer, — in dieser Zeit war
das Fasten allgemeine Vorschrift, — einen gebratenen Fisch ass, von den
Göttern zur Strafe in einen Hund verwandelt ward.
Dass es sich bei der Regentin dieses Zeichens um Fasten handelt,
ist aus den Abbildungen deutlich zu sehen. Niclit überall indes ist der
Fastenbrecher, die Gottheit des Capsicum, dargestellt. Im Codex Borgia 9
(= Kingsborough 30) und entsprechend im Codex Vaticanus B 94 (= Kings-
borough 3) und "JS (= Kingsborough 76) ist ein Gott gemalt, der nicht
446 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzififerung.
anders, als der Soiinengott, Tonatiuh, gedeutet werden kann. Die be-
sonderen Kennzeichen, die anderwärts diesen Gott bezeichnen, sind nicht
zu verkennen. Darüb^||^|^. davor, sitzt im Kranz von blutbesprengtem
Grase ein Jüngling,^^^^BBen Krug auf der Schulter hält und in die
Muscheltrompete bläs^^^iter den Fasten, die allgemein und von allen
zu halten sind, zählt Sahagun in erster Linie das netonatiuhgaualo oder
yietonatiuh^aualiztli, das „Fasten zu Ehren des Sonnengottes", auf. Das-
selbe fand, wie wir aus Sahagun wissen, alle 203 Tage, — d. h. wohl
am '203. Tage des Tonalamatl, d. h. am Tage naui olin, „vier Bewegung'%
dem der Sonne geweihten Tage, — statt. Der König zog sich zu diesem
Zwecke in ein besonderes Gebäude, Quaxicalco genannt, zurück, wo er
sich strengen Bussübungen hingab. Man tödtete an diesem Tage vier
Gefangene, die man chachanme nannte, zwei weitere, die die Sonne und
den Mond repräsentirten, und darnach noch viele andere.
Im Codex Telleriano-Remensis und Vaticanus A ist eine gelb gefärbte
Gottheit gezeichnet, die lange, fletschende Zähne hat und im Ausdrucke
au die Götterfigur erinnert, welche im Codex Yiennensis mit der Bezeichnung
naui olin (dem der Sonne geweihten Tage) angetroffen wird, welche aber,
wie die Interpreten angeben, eben jene Chantico oder Quaxolotl dar-
stellen soll. Und ihr gegenüber ist, als Gegenstück, wie die Interpreten
sagen, mit Kopalbeutel und Zweigbüschel in der Hand, in einer Einfassung,
welche an die des fastenden Jünglings in der eben besprochenen Dar-
stellung erinnert, Quetzalcoatl-Ce acatl gezeichnet, der fromme, die Gebräuche
haltende Priester.
Im Codex Borgia 63 (= Kingsborough 52) endlich und entsprechend im
Codex Yaticanus B 66 (= Kingsborough 31) sehen wir eine Frau, in kost-
barem Gewände, das Haupt mit rother Kapuze bedeckt, und ihr gegen-
über einen Mann, in einer Kiste eingeschlossen, mit Agavedornen und Zweig-
büscheln in der Hand. Chantico war die Göttin der Stadt Xochimilco, und
deshalb auch die Göttin der Zunft der tlatecqur, der Steinschneider, die
aus Xochimilco stammen. Sie wird von Duran mit der Ciuacouatl, der
Göttin von Colhuacan identifizirt, ist aber von ihr zu unterscheiden.
Chantico war, wie schon aus der Art, wie sie im Bilde dargestellt wurde,
zu erschliessen ist, und wie sich deutlicher noch aus dem ihr gewidmeten
Kultus ergibt, eine Göttin des Feuers. Und das ist wohl der Grund,
dass sie weiterhin zur Personifikation des brennenden Gewürzes, des
Capsicum-Pfeffers, und damit, wie wir gesehen haben, zum Sinnbild des
Fastenbruches, wurde.
20. xochiil „Blume", erscheint als Kalenderzeichen stets in ziemlich
stylisirter Form. Ygl. Abb. 141 — 145, oben S. 438. Häufig, wie man sieht,
mit ^A^urzeln am unteren Ende gezeichnet. Mitunter (z. B. im Codex
Borgia 9 (= Kingsborough 30) trifft man auch, statt der einzelnen Blüthe,
einen ganzen, Blüthen tragenden Baum.
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 447
Die Blume ist das Symbol des Kunst- und Geschmackvollen und das
Zeichen der Göttin XochiquetzaU der Patronin weiblicher Hand- und g-e-
werblicher Kunstfertigkeit. Darum werden, wie Duran und Sahagun
übereinstimmend angeben, die unter diesem Zeichen Geborenen geschickte
Handwerker, Maler, Silberschmiede, Stoffweber und Bildschnitzer, die
Weiber geschickte Wäscherinnen, Weberinnen und Stickerinnen.
Die Tutelargottheit dieses Zeichens ist in allen Handschriften ziemlich
übereinstimmend und unverkennbar dargestellt, — im Codex Telleriano-
Remensis und Vaticanus A mit dem tzotzopuztli, dem Holz, das zum Fest-
schlagen der Gewebefäden dient, in der Hand. Im Codex Borgia 9
(= Kingsborough 30) und entsprechend im Vaticanus B 94 (= Kingsborough 3)
und 28 (= Kingsborough 76) ist über der Regentin dieses Zeichens die Göttin
Tonacaciuatl^ — ihre andere Modifikation, — als alte Frau mit einge-
kniffenem Mundwinkel gezeichnet und zwar am Mahlstein beschäftigt, die
Maismasse für die Tortillas mahlend. Im Codex Telleriano-Remensis und
Yaticanus A sieht man der Xochiquetzal gegenüber eine nächtliche Gottheit,
die in die Maske eines fabelhaften, schwarz- und blaugefleckten Thieres
gekleidet ist und den rauchenden Spiegel Tezcatlipoca's an der Schläfe
trägt. Auch im Codex Borgia &2 (= Kingsborough 53) und entsprechend
im Vaticanus B 67 (= Kingsborough 30) ist ihr gegenüber eine gespenstisch
aussehende Gottheit, — schwarz, mit rundem Eulenauge, — gezeichnet.
Beide Figuren bezeichnen, wie es scheint, den Zauberer. Denn zu den
weiblichen Kunstfertigkeiten, die die Göttin repräsentirt, gehört auch die
Zauberei.
Ich gehe nun zu den Namen über, mit denen von den Völkern des
Maya-Sprachstammes die 20 Tage bezeichnet wurden, und zwar führe ich
die Namen an, die (nach Nunez de la Vega) im Gebiet des Bisthunis
Chiapas, d. h. unter den Zo'tzü und Tzental im Gebrauch waren, ferner die,
womit die Qu'iche und die Cakchiquel, und endlich die, mit welchen die Maya
von Yucatan die Tage bezeichneten. Ich hebe gleich hervor, dass einzelne
dieser Namen, ihrer Bedeutung nach, genau mit einzelnen mexikanischen
übereinstimmen, dass diesen Namen auch in der Liste dieselbe Stellung
(dieselbe Nummer), wie den entsprechenden mexikanischen zukommt,
endlich, dass dasjenige Zeichen (wo.c, imox), welches darnach in seiner
Stellung dem Zeichen cipactli, dem Anfangszeichen der mexikanischen
Liste entsprechen würde, auch in der Tzental- und in der Cakchiquel-
Liste das Anfangszeichen bildet. Die Maya-Aufzählungen beginnen freilich
nicht mit diesem, sondern mit dem an vierter Stelle in der Liste folgenden
(kan). So wenigstens die im Landa und in den anderen Autoren gegebenen
Aufzählungen. Ich finde indes im Codex Tro 36 und im Codex Cortes 22
— das letztere Blatt bildet die genaue Fortsetzung und Ergänzung des ersteren
— die Tageszeichen vom ersten, dem Zeichen iviix^ an bis zum dreizehnten
aufgeführt und darunter, zum deutlichen Zeichen, dass die Reihe mit imix
448
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphcn-Entziffenuif
begiuneii soll, die Zahlen von 1 — 13 hingeschrieben. Aehnlich beginnt im
Codex Cortes 13 — 18 die Reihe der 52 nach dem Schema kan-muluc-ix-
cauac zusammengestellten Tetraden von Tageszeichen mit dem Zeichen
hniv, bezw. der Tetrade imix-cliicchan-chuen-cih. Landa selbst sagt an
einer anderen Stelle, dass die Maya ihre Tageszählung oder ihren
Kalender mit dem Zeichen Imn imix (d.h. eins imix) beginnen. Dass
also imix = imox = cipactli auch hier das eigentliche Anfangszeichen der
Reihe ist, unterliegt mir keinem Zweifel.
Ich lasse nun die Namen der Tageszeichen, mit imox-imix-cipactli be-
ginnend, folgen.
(Tzental)
(Cakchiquel)
(Maya)
1.
mox (imox)
imox
imix
2.
igh
i'k
ik
3.
votan
akbal
■ akbal
4.
ghanan
hat
kan
5.
abagh
can
chicchan
6.
tox
camer]
cimi {cimiy)
7.
moxic
quell
manik
8.
lambat
kanel
lamat
9.
molo (mulu)
toh
muluc
10.
elah
tzii
oc
11.
batz
batz
chuen
12.
euob
ee
eb
13.
been
ah
ben
14.
hix
ijiz
ix (hiix)
15.
tziquin
tziquin
men
16.
chabin
ahmac
cib
17.
chic
noh
caban
18.
cliinax
tihax
e'tznab
19.
cahogh
caok
cauac
20.
aghual
hunahpu
ahau
Die Analyse dieser Namen und die Deutung der Zeichen, welche
diese Namen tragen, ist ungleich schwieriger, als die der entsprechenden
mexikanischen. Die Namen sind aus der gegenwärtig gesprochenen oder
uns bekannten Sprache nur zum kleinsten Theil erklärbar. Sie bildeten
ohne Zweifel wohl den Bestandtheil einer priesterlichen Geheimsprache,
welche alte Wortformen, symbolische Ausdrücke oder vielleicht auch die
Formen verwandter Dialekte verwendete. Die Zeichen sind uns leider
nur aus yukatekischen Handschriften und von den Monumenten bekannt.
Bei den anderen Stämmen haben bildliche Darstellungen sicher auch existirt;
es hat sich aber kein Historiker gefunden, der sich die Mühe genommen hätte,
(). Tageszeichen der aztekischen und der Mara-Handschriften und ihre Gottheiten. 449
<lie Art und die Formen dieser Bilderschriftzeichen zu studiren und aufzu-
zeichnen. Die Zeichen in den Maya-Schriften selbst sind, wie die Maya-Hiero-
glyphen überhaupt, abbreviirte, durch den langen Gebrauch und durch die Ge-
wohnheit, auch komplizirt zusammengesetzte Zeichen in Räumen gleicher
Grösse unterzubringen, stark veränderte, kursiv und abgegriffen gewordene
Bilder, deren ursprünglichen Sinn zu enträthseln, vielfach fast unmöglich
scheint. Immerhin geht, wie wir sehen werden, aus einer genaueren
Analyse von AYort und Zeichen doch hervor, dass die Uebereinstimmung
der 3Iaya-Listen mit der mexikanischen, die an einzelnen Stellen hand-
greiflich ist, für sämmtliche Zeichen der Liste giltig anzunehmen ist.
1. mox (imox), imox, imix. Das Cakchiquel-Wort imox übersetzt der
Grammatiker Ximenez mit „Schwertfisch", also entsprechend der üblichen
Erklärimg des mexikanischen cipactli. Ich vermuthe, dass diese Uebersetzung
nur der Ausdruck der Parallelisirung mit dem mexikanischen cipactli
ist.!— Perez ist der Meinung, dass imix durch Umstellung aus iadm
„Mais" entstanden sei. Doch widerspricht dem die Cakchiquel-Form
imox direkt; denn auch im Qu'iche und Cakchiquel heissi ixim der „Mais"".
Vielleicht liegt eine Wurzel im zu Grunde, von der das im Maya, wie im
Quiche und Cakchiquel gebräuchliche Wort im „die weibliche Brust" ab-
geleitet ist.
Xunez de la Yega, der in den Canan-lum, den „Hütern des Dorfs"
und in den „Löwen des Dorfes", die auch Cham genannt würden, die Er-
innerung an Ham, den Vater der Schwarzen sieht, identitizirt imox mit
Ninus, dem Sohne BeFs, dem Enkel Nimrod's, dem Urenkel Chus's, dem
Urureukel Ham's. Im Uebrigen, sagt er, hienge die Verehrung des Lnox zu-
sammen mit der Ceiba (d. i. Bombax Ceiba), „eines Baumes, der auf
dem Hauptplatz ihrer Dörfer gegenüber dem Gemeindehaus anzutreffen ist,
und imter dem sie die Wahl ihrer Gemeindevorsteher vornelmien; und sie
beräuchern ihn mit Eäucherpfannen und halten für gewiss, dass ihre Ahnen
in den AVurzeln jeuer Ceiba ihren Wohnsitz haben.''
Die Ceiba ist der yax-che der Maya, der „grüne Baum" — oder auch
der „erste Baum", der „Baum des Ursprungs", — auch nach yukatekischer
Anschauung der Ort, unter dessen Schatten die Gestorbenen von den
Mühen des irdischen Daseins ausruhen. Er ist insofern eine Parallele
des mexikanischen Tlalocan, der Sitz der Fruchtbarkeit, und ohne Zweifel
ein Symbol der Erde, die aus ihrem Schoosse alles gebiert und alles
Lebendige wieder in ihren Schooss aufnimmt. — Die symbolische Bedeutung
unseres Zeichens scheint demnach in der That dieselbe zu sein, wie die
des mexikanischen cipactli.
Schwieriger ist es, über das Bild ins Reine zu kommen. Das Zeichen
wird in den Handschriften und im Landa in ziemlich gleicher Weise ge-
schrieben (Abb. 161). Aehnlich auch auf der rechten Seite (U, 5) der
Altarplatte d.es ersten Tempels des Kreuzes in Palenque (Abb. 162), auf
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. ^i)
450
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung';
dem von Charnay publizirten Relief (Nr. 25, B, 3) aus Lorillard City
(Abb. 163) und als hieroglyphisches Element in dem ebendaher stammenden
Relief Nr. 23 der Cliarnay' sehen Sammlung. Der dunkle von Punkten
umgebene Fleck erinnert entschieden an die Art, wie in den Handschriften
die Brustwarze gezeichnet ist (Abb. 164; Codex Dresden 18 c). Und man
wird um so eher verleitet, daran zu denken, als, wie oben angeführt, das
Wort im die „weibliclie Brust" bedeutet. Doch kommt, wie es scheint,
in zusammengesetzten Hieroglyphen als Variante des Zeichens imi,v die
Abb. 165 vor, die in der That nicht sehr für die eben gegebene Erklärung
spricht. Es ist aber auch möglich, dass Abb. 165 eine ganz andere Hiero-
glyphe ist und nur fehlerhaft für imia: gesetzt worden ist. Die Formen
der Bücher des CJiilain Balam (Abb. 166 — 169) scheinen sich aus der ge-
wöhnlichen Form der Handschriften entwickelt zu haben.
Das Zeichen iviiv erscheint in der Hieroglyphe Abb. 30 (oben
Seite 410) als auszeichnendes Merkmal vor dem Kopf eines schwarzen
Gottes (Abb. 170, Codex Dresden l4c; Abb. 171, 17l\ Codex Tro 34*a,
33*a), den ich mit dem Ekchuah Landa's identifizire, weil ich ihn im
G. Tageszeichen der aztekisclien und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 451
Codex Tro mit einem Skorpionschwanz versehen finde (ekchuh heisst im
Maya der grosse Skorpion), und der in einer gewissen Beziehung zu einem
zweiten schwarzen (Sötte zu stehen scheint (Abb. 174, Dresden 16b;
Abb. 175, Tro 32 *a). dessen Hieroglyphe aber, statt eines schwarzen Ge-
sichtes, nur das grosse, schwarz umränderte Auge (Abb. 173) zeigt. Ekchuah
ist nach Landa der Oott der Kakaopflanzer, dem, nebst den Göttern Chac
und Hobnü, im Monat Muan von den Kakaopflanzern ein wie eine reife
Kakaoschote gefleckter Hund geopfert wurde. Er ist aber auch der Gott
der Kaufleute — der „Kaufmann" wird er von dem Priester Hernandez
genannt (Las Casas. Hist. apolog. c. 123), der den Namen allerdings Echuac
schreibt, — und auch Landa berichtet, dass der Gott von den Reisenden
angefleht würde, dass er sie mit reichem Gute heimkehren lasse. Es sind
dies keine inkongruenten Züge, denn der Kaufmann ist von Natur
Reisender, und Kakao bildet das Haupthandelsobjekt. Hernandez führt
aber noch einen dritten Zug an. Er vergleicht den Gott Echuac der
<lritten Person der göttlichen Trinität, dem heiligen Geiste — Ticona (d. i.
Itzamna) sei Gott der Yater und Bacab Gott der Sohn — und sagt, dass
Echuac (^Ekchuah) die Erde anfülle mit allem, was sie nöthig hätte. Dem-
nach scheint Ekchuah der befruchtende Gott, der Gott des Reichthums
und des Reichwerdens, und als solcher der Gott der Kaufleute und Kakao-
pflanzer zu sein. Einem solchen Gotte würde das Zeichen imix — das
Zeichen der Fruchtbarkeit und des Gedeihens — wohl anstehen. Und
dieser Umstand bestärkt mich in der Vermuthung, dass die Hieroglyphe
Abb. 30 (oben S. 410) und der durch sie bezeichnete Gott Abb. 170
(S. 450) in der That auf Ekchuah zu beziehen sei. Ob der Gott Abb. 174,
175, der durch die Hieroglyphe Abb. 173 bezeichnet wird, nur als eine
andere Auffassung derselben Grottheit, etwa als Gott der mit der Last auf
dem Rücken Wandernden, zu betrachten sei, lasse ich dahingestellt. Das
Strohseil, das er um den Kopf trägt, könnte das in der Regel aus Stroh-
geflecht hergestellte Band bezeichnen sollen, das die Träger sich über
die Stirn legten, um an ihm die auf dem Rücken ruhende Last zu be-
festigen.
In ganz gleicher Weise, wie bei der Hieroglyphe Abb. 30 (oben
S. 410), finden wir das Zeichen imix auch als auszeichnendes Merkmal
an der Hieroglyphe eines Vogels, der als Vertreter, Genosse oder Symbol
des Regengottes Chac auftritt. Vgl. Abb. 176 (Dresden 35c) und 177 — 178
(Dresden 38b). Auch hier scheint durch das Zeichen imix die Idee der
Fruchtbarkeit, des Gedeihens übermittelt werden zu sollen.
In einer Anzahl Hieroglyphen tritt das Zeichen imix für einen eigen-
thümlichen Thierkopf ein, dessen besonderes Merkmal ist, dass über dem
Auge das Element akbal angegeben ist. So in den Hieroglyphen Abb. 179
bis 182 (Dresden 2!)— 30b), Abb. 183-184 (Tro Uc) und Abb. 185—186
Tro IIa), die, hinter den Hieroglyphen der Himmelsrichtungen stehend, die
29*
452 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphcu-Entzifferung.
iliesou präsidiroudoii Gottheiten ausdrücken zu sollen scheinen; und zwar
finden "vvir hier statt des erwähnten Thierkopfes einerseits das Zeichen imix,
andererseits das Element Abb. 165, endlich auch das Element Abb. 187, dem
wir schon in den Hieroglyphen der vertikalen Richtung (Abb. 17, 22, 23)
begegneten, und das auch in anderen Hieroglyphen als Homologon der
Abb. IGö anzutreffen ist.
Die Thierköpfe, die man in diesen Hieroglyphen sieht, scheinen den
Blitz in den Händen tragende Genossen des Regengottes Chac zu sein.
Wie das Zeichen imia- dazu kommt, diesen gleich gesetzt zu werden,
darüber wage ich keine bestimmte Meinung zu äussern. — Doch erlaube
ich mir noch auf ein Paar andere, ebenfalls das Element imLv enthaltende
und ebenfalls ohne Zweifel zu Attributen des Regengottes Chac in Beziehung
stehende Hieroglyphen aufmerksam zu machen. Das ist zunächst die Abb. 188
(S.450), die im Codex Dresden 44 (l)a dem einen Fisch in der Hand haltenden
Chac als Sitz dient, und die neben dem Element imix das Element Abb. QQ
enthält, das wir oben (S. 414) als Homologon der hieroglyphischen
Elemente, die „Mann", „Mensch'' bedeuten, angetroffen haben. Ferner
die Abb. 189, in der neben den vorigen Elementen noch das Element
der Yereinigung (vgl. die Hieroglyphen Abb. 75 — 79, oben S. 414) enthalten
ist. Sie steht im Codex Dresden 67 b in dem Texte (gleich hinter der
durchgehenden Hieroglyphe Abb. 37, oben S. 414), wo die Darstellung
den mit dem Beile in der Hand im Wasser watenden Chac zeigt. Endlich
die Abb. 190, die wir im Codex Dresden 40c (ebenfalls gleich hinter der
durchgehenden Hieroglyphe Abb. 41, oben S. 414) finden, wo das be-
gleitende Bild uns den im Kahne auf dem Wasser fahrenden Chac zeigt.
Bemerkenswerth ist die Vergesellschaftung des Zeichens imix mit dem
Zeichen kan. Für das letztere werde ich unten wahrscheinlich zu machen
suchen, dass es im engeren Sinne den Maiskolben bedeutet. Es erscheint
daher sehr regelmässig unter den den Göttern dargebrachten Gaben. Hier
ist nun in einer ganzen Anzahl von Stellen theils über, theils neben dem
Zeichen kan das Zeichen imix zu sehen. Vgl. Abb. 191, S. 450 (Codex Tro 6 b).
Dieselbe ^aw-z'mw'- Gruppe finden wir auch in der Hieroglyphe
Abb. 192 — 195 (Dresden 5c 7c, Tro 20* b, Perez 13), von der ich in einer
früheren Abhandlung (vgl. oben S. 394) nachzuweisen gesucht habe, dass
sie den Kopal, bezw. das Darbringen von Räucherwerk, bezeichnet, und
die wir als sehr gewöhnliches Attribut bei einer ganzen Reihe von Göttern
vorfinden, insbesondere aber bei demjenigen, den ich als den Gott mit dem
^aw-Zeichen bezeichnet habe (vgl. Abb. 31, oben S. 410), dem Assistenten
des Licht- und Himmelsgottes Itzamnä. Bei diesem steht die Hieroglyphe
Abb. 192—195 in der Regel unmittelbar hinter der Haupthieroglyphe,
während sie bei den anderen häufig erst an dritter oder vierter Stelle
kommt. Mitunter sehen wir diese Xaw-Mm^-Hieroglyphe geradezu als Be-
zeichnung dieses Gottes verwandt: z. B. im Codex Dresden KJa, wo die
6. Tageszeichen der aztekischeii und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 453
Fraueiig-estalt, die den Gott mit dem /ta/i-Zeicheii auf der Rückentrage
liaben mflsste, an Stelle dessen in einem geschlossenen Sack die kan-imix~
(iruppe führt. Und ähnlich die Abb. li)6 und li)7, die die kan-imir-Gvn^^Q
auf einer Matte oder einem Kissen zeigen, und die im Codex Tro 20*d
und l!»*d im Text, wie es scheint, statt der Hauptliieroglyphe dieses
Gottes vorkommen.
2. igh, i'k, ik. Das Wort, auch in dem Maya-Lexikon von Perez mit
der besonderen Form des k geschrieben, die die den Letras heridas eigene,
besondere Weise der Aussprache anzeigt, bedeutet: „Wind'', „Hauch",
„Athem", „Leben", „Geist". So wenigstens in dem Idiom von Yucatan in
allgemeinem (iebrauch. Desgleichen im Tzental. Weniger häufig scheint
das Wort in den Guatemala-Sprachen verwendet worden zu sein. Es tritt
dafür zum Theil das Synonym teu, teuh = Maya ce-el, das eigentlich
„Kälte" bedeutet, ein. Oder aber es wird das Wort cakt'k, caquik im
Ixil cahik^ gebraucht. Das ist aber weiter nichts, als ein Compo-
sitam, das dem Maya-Wort chac-ik-al^ der „6'Aoc-Wind", „Regenwind",
„Sturmwind", entspricht. Denn Qu'iche-Cakchiquel cak ist gleich Maya
chac. So wenigstens in der Bedeutung „roth", aus der sich vielleicht
auch der bekannte Name des Regen- und Sturmgottes der Maya entwickelt
hat. Wir sehen also, dass auch im Qu'iche-Cakchiquel das Wort i'k
„Wind" bedeutet. In der Benennung entspricht demnach dieses zweite
Zeichen dem zweiten mexikanischen {eecatl) vollkommen.
Abb. 198 (s. folg. Seite) zeigt die Form, welche das Zeichen bei Landa
hat. Abb. 199—206 sind Formen des Codex Tro; Abb. 212—215 Formen
des Codex Perez. In der Dresdener Handschrift finden wir meist Formen in
der Art der Abb. 207 — 209; daneben kommt auch die Form Abb. 210 vor
(Dresden 55a); einige Male, doch selten, die Form Abb. 211 (z.B. Dresden 73
unten). Die Formen des Codex Perez (Abb. 216, 217) ähneln den ge-
wöhnlichen der Dresdener Handschrift. — Der Vergleich der Abb. 210
lässt vermuthen, dass auch die Abb. 218 — 220, die sich auf der linken Seite
(C. 9; E. 9; F. 12) der Altarplatte des ersten Tempels des Kreuzes in Palenque
vorfinden, sowie die grosse Anfangshieroglyphe der Altarplatte des zweiten
Tempels des Kreuzes in Palenque (Abb. 221) unser Zeichen enthalten.
Und ebenso die noch kalligraphischer ausgeführte Hieroglyphe Abb. 222
der Cedernholzplatte von Tikal. — Die Bücher des Chilam Balam haben
die Formen Abb. 223—226.
Was der ursprüngliche Sinn dieses Zeichens ist, ist schwer zu sagen.
Die Abb. 210 und die Formen der Monumente — falls wir dieselben richtig
angezogen haben — würden vermuthen lassen, dass das Windkreuz, bezw.
die aus demselben hervorgegangene Figur des T^u, der Ursprung der
Zeichnung war. Damit lassen sich indes die Formen des Codex Tro nur
sehr schwer zusammenreimen. Die letzteren erwecken mehr die Vor-
stellung des von oben Herunterhängens. Ich denke dabei an die Figuren.
454
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglvphen-Eutzifferung.
die man im Codex Dresden 44 (1), 45 (2) und eutspt-ecliend im Codex
Cortes 2 von den viereckigen Himmelssohildern lierunterliäugen sieht, und
die mir in der That die Götter der vier Himmelsrichtungen, die Sturm-
geuieu und Wiudgötter, zu bezeichnen scheinen. Damit würde denn auch
zusammenstimmen, dass wir in dem Zeichen cauac (das, wie ich nach-
weisen werde, den Gewitterregen bezeichnet,) das gleiche Element, und
zwar neben dem Kreuz, vorfinden. Und unter dieser Anschauung würden
5)fl0
Vi^^^ in. i'i^ — ^. ^/y.
u/1 25*-. (tf
mM? m
wir auch die Formen der Bücher des Chilam Balam verständlicher finden,
die in der That von den Figuren, die das Zeichen cauac in denselben
Büchern aufweist, sich kaum unterscheiden.
Von interessanten A^orkomranissen des Zeichens ik erwähne ich zu-
nächst sein Vorkommen als Emblem auf dem Schilde, den im Codex
Tro 24a der schwarze, die Züge Chacs tragende Gott am Arme führt.
Vgl. Abb. 227. — Als Schildemblem begegnen uns sonst und zwar
ebenfalls bei Chac — einmal das Zeichen ir, das einen Jaguar oder ein
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 455
Jaguarfell bedeutet, ein anderes Mal eine gewundene kreuzförmige Figur
oder auch drei horizontale Striche.
Ein weiteres interessantes Yorkommen ist in den Abb. 228 — 231,
die im Codex Tro 16* — 15*cd in der Hand einer Reihe sitzender Götter-
tiguren zu sehen sind. Die Darstellungen schliessen sich an eine Reihe
anderer an, in denen die Götterfiguren theils Köpfe mit geschlossenen
Augen in der Hand halten, theils einen Kopf, den sie in der Hand halten,
mit dem Beil bearbeiten. Und es folgen ihnen andere Darstellungen, in
denen die (Jötterfiguren mit dem zugespitzten Ende eines Knochens in
■das Auge eines Kopfes, den sie in der Hand halten, bohren. Ich habe
schon in einem der vorhergehenden Aufsätze (vgl. oben S. 404, 405)
«rwähut, dass diese Blätter vermuthlich auf das Schnitzen von Idolen aus
Holz zu beziehen -sind, ein Geschäft, das von den Yukateken für besonders
schwierig und gefährlich gehalten wurde, zu dem man sich in ernst-
haftester Weise vorbereiten musste, und dass nur unter Beobachtung einer
Reihe von Enthaltsamkeitsvorschriften und in Abgeschlossenheit von
profanem Verkehr ausgeführt werden konnte. Die Darstellung beginnt
wahrscheinlich schon auf Blatt 24* c mit dem Fällen der Bäume, welchem
sich die Reihe von Göttern anschliesst, die einen in einen Ring zusammen-
geflochtenen Riemen in der Hand halten und vor den in der Mitte zer-
schnittenen Bäumen dargestellt sind. Das sind diejenigen, die den ge-
fällten Baum aus dem Walde zu holen haben. Darüber scheint in der
Abtheilung b des Blattes 23* die Verehrung des Baumes, bezw. die Ver-
söhnung des Gottes des Waldes, zur Anschauung gebracht zu sein. Die
mittleren Abtheilungen von Blatt 21* möchte ich auf die Konsultation der
Priester beziehen, Blatt 20*c auf die Reinigung der Theilnehmer,
Blatt 20* 19* ab auf das Abschiednehmen von den Weibern und Blatt 20*
19*d auf das Hintragen von Lebensmitteln in die Hütte, in der die Arbeit
ausgeführt wird, und die die Künstler während der ganzen Dauer der
Arbeit nicht verlassen dürfen. Darnach beginnt auf Blatt 18* 17*ab die
eigentliche Arbeit mit der Selbstopferung, der Darbringung von Blut, das
man aus dem durchstochenen Ohr und der durchschnittenen Zunge erhält,
und (Blatt 17*a) mit dem feierlichen Opfer an die Gottheit, deren Abbild
aus Holz geschnitzt werden soll. Und auf denselben Blättern ist dann in
der untersten Abtheilung das Bearbeiten des Kopfes — d. h. wie ich oben
8. 404, 405 schon ausgeführt habe, der Figur — mit der Axt dargestellt.
Weiter sehen wir auf Blatt 17 *c, wie die halbfertigen Figuren in grosse
Thongefässe gelegt und zugedeckt werden. Und dann folgt Blatt 16* 15*b
noch einmal das Bearl)eiten der Köpfe, d. h. der Figuren, mit der Axt,
dem sich auf Blatt 15* 14*c und Blatt 14*d das Ausbohren (der Augen
und anderer Oeffnungen?) mit einem zugespitzten Werkzeuge aus Knochen
anschliesst. Dabei beobachtet man nun, dass die Köpfe, die auf Blatt 18*
45(> Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglypheu-EntziÜening.
17*d mit der Axt bearbeitet werden, geschlossene Augen haben, also
als tot gedacht sind, während die Köpfe, die auf Blatt Ki* 15*b mit der Axt
bearbeitet werden, und weiterhin die, die mit dem Bohrwerkzeug be-
arbeitet werden, offene Augen haben, oder geradezu sclion mit den Zügen
einer Gottheit, des Gottes, dessen Gesicht aus den AVindungen eiuer
Schlange gebildet ist (vgl. Abb. 33, oben S. -tlO), ausgestattet sind. Und
gerade zwischen diesen beiden Darstellungen, der Ausführung der Arbeit
an der toten Figur (dem Kopf mit den geschlossenen Augen) und der
Ausführung der Arbeit an der lebendigen Figur (dem Kopf mit den
offenen Augen und dem mit den Zügen des Gottes) stehen die beiden Reihen
Blatt IG* 15*cd. auf denen wir die Götter mit den in Abb. 228 — 231
wiedergegebenen Gegenständen in der Hand abgebildet sehen, deren
wesentlichstes Element die Hierogly])lie ik „Wind" ist. Da die Reihe
„Wind", „Hauch", „Athem", „Leben" eine natürliche, ich möchte sagen.^
nothwendige Begriff- und Gedankenentwickelung, darstellt, so kann ich
hier dieses Ueberb ringen der Gegenstände mit dem Elemente ik nicht
anders als das Lebendigmachen der Figuren, das Einsetzen des
Herzens in die Figuren deuten. Die Gegenstände selbst, die gebracht
werden (Abb. 228 — 231) möchte ich geradezu als Herzen bezeichnen,
indem ich die gekrümmten Figuren darüber als die abgerissenen Aorten-
enden auffasse (vgl. die Zeichnung des Herzens in mexikanischen Bilder-
schriften Abb. 232 — 234), oder vielleicht auch als Ausdruck des Dämpfens
und Rauchens des frisch herausgerisseneu Herzens, oder des Blutens,
wofür — will man mexikanische Analogien gelten lassen — insbesondere
die Figur Abb. 229 sprechen würde. — In dem, diese Bilder begleitenden
Texte findet der Vorgang in den Hieroglyphen Abb. 235 — 239 und
Abb. 240, 241 seinen Ausdruck. Diese werden wir ungezwungen als das
Ueberbringen des Herzens (Abb. 235, 236), üeberbringen des Verbindenden
(Abb. 237), Ueberbringen des leuchtenden Edelsteins, d. h. natürlich des
Herzens (Abb. 238, 239; 240, 241) deuten können. Begleitet sind diese
Hieroglyphen von der Hieroglyphe Abb. 242, die ich sonst auf das Gefiederte,
den Vogel, bezogen habe.
Aehnliche Gegenstände,, wie die Abb. 228 — 231, die ich für Herzen
halte, und in denen ebenfalls das Zeichen ik zu sehen ist (vgl. Abb. 245
bis 246), werden im Codex Tro 6* und 5*c von Göttern auf hohen
Stangen getragen. Hier kann man an den yoUotopiUi, den Stab mit
dem Herzen, das Abzeichen des mexikanischen Gottes Macuil xochitl
denken. Der Text zeigt ausser den Hieroglyphen der Personen und
einer durchgehenden Hieroglyphe (auf die ich unten noch zu sprechen
kommen werde, und die, meiner Ansicht nach, das Herabkommen zum
Opfer bedeutet), einmal die Hieroglyphe Abb. 247, das andere Mal die
beiden Hieroglyphen Abb. 248—249, wo die letztere eine der Hieroglyphen
der vorher ano-eführten Stellen wiederholt.
6. Tageszeichen der aztekischen nnd der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 457
Hat nun aber das Zeichen ik die in Vorstehendem angenommene Be-
ziehung- zum Herzen, zum Leben, so ist es nicht weiter wunderbar, dass
wir es auch direkt unter den Darbringungen finden, und zwar nicht
etwa bloss in der Hand des Todesgottes, als Verkehrung des wirklichen
Opfers in ein nichtiges, windiges, eitles, sondern wohlgemci-kt unter den
übrigen Darbringuugen, ja, wie ich annehme, als das Kostbarste, als das Herz,
das Leben. Es tritt in der Beziehung das Zeichen ik ganz gleichwerthig
dem Zeichen kan auf. So z. B. im Codex Tro 30c, *29d.
(Jeradezu in der Bedeutung „Herz" scheint das Zeichen ik auf Blatt 25
des Codex Tro verwendet zu werden. Hier ist eine Göttin dargestellt, die
anscheinend die tödtlichen, verderblichen Eigenschaften des Wassers ver-
sinnbildlicht. Sie ist mit der blauen Schlange gegürtet. Unten an ihrer
rechten Seite befindet sich ein Todtenschädel mit dem ausgerissenen Auge,
zu ihrer linken das Zeichen ik (Abb. 250), ganz wie man in mexikanischen
Codices bei Todesgottheiten oder Opferdarstellungen auf der einen Seite
den Todtenschädel, auf der andern das Herz sieht. Kwi der rechten
o
^ IS) [^) [&j
B
oberen Seite der Göttin stürzt vor dem wässerigen Strahl, der ihrem
Munde entspringt, ein todter Mensch herab, und vor ihm hebt die Göttin
wiederum das Zeichen ik in die Hohe, ganz wie mexikanische Todesgötter
das ausgerissene Herz in die Höhe halten.
Auf dem berühmten Blatt 41 — 42 des Codex Cortes, das C}'rus
Thomas in seiner neuesten Publikation eingehend besprochen hat (vgl.
die der folgenden Abhandlung unten S. 524 beigeheftete Tafel), sehen
wir in der Mitte der vier Himmelsrichtungen unter einem nach zwei ent-
gegengesetzten Seiten vorspringenden Dach zwei Gottheiten sitzen, in
denen wir zweifellos den alten Gott — Itzamnd, den „(rott Vater" des
Priesters Hernandez, und seine weibliche Genossin (^Ixchel, die Mutter
«ler Chibiriac, der Mutter der Bacab) zu erkennen haben. Dieselben Gott-
heiten sind auch in dem Bilde darüber, unter dem Himmelszeichen,
das nach der gewöhnlichen Annahme den Westen bezeichnet, zu sehen.
In dem Mittelbilde hält der Gott eine Säule von drei Zeichen ik (Abb. 253);
und vor der weiblichen Gottheit steht eine Säule (Abb. 254), die unten
ein Element zeigt, das in der Hieroglyphe des Regengottes Chac vorkommt,
und das vielleicht eine Decke darstellen soll, oder Papierstreifen der Art,
458 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
die die Mexikaner teteuitl nannten. Darüber sieht man die Hieroglyphe
ik, und endlich eine roh gezeichnete Thierfigur, die an das Zeichen iniLv.
das Symbol der Fruchtbarkeit, gemahnt. In dem oberen Bilde hält der
alte Gott und die Göttin ein Zeichen in der Hand (Abb. 251 und 252),
das an das Zeichen cauac erinnert, — und dieses in der Tliat auch wohl
bezeichnet — ausserdem aber eine Speerspitze trägt. Das Zeichen ik
kann in diesen Darstellungen kaum etwas anderes, als das „Leben" be-
deuten.
3. votan, a'kbal, akbal. Der an erster Stelle stehende Tzental-Xame
ist nicht der eigentliche Name des Zeichens, sondern der des Kulturheros
der Tzental, des berühmten Yotan, dem ohne Zweifel dieses Zeichen ge-
weiht war. Den Namen Votan erklärt Brinton (American Hero Myths
p. 217) aus dem Tzental-Worte uotan, das in einer von ihm angeführten
Stelle eines in der Tzental-Sprache geschriebenen geistlichen Führers mit
„Herz" und „Brusf* übersetzt ist. Diese Erklärung scheint richtig zu
sein. Auch darin gebe ich Brinton Recht, dass ich in dem Worte uotan
die Maya -Wurzel tan erkenne, die ,,iumitten", aber auch „Angesicht,
Oberfläche, Vorderseite, Ausdehnung" bedeutet. Nur kann das uo kein
Possesivpräfix der 3. Person = Maya m sein, wie Brinton annimmt. Das
lautet überhaupt im Tzental anders. Auch könnte dann doch kaum in der
Ton Brinton angeführten Stelle a-uo-tan [„dein sein Inneres"] gesagt
worden sein. Ich meine vielmehr, dass eine alte Wurzel uo vorliegt,
die mit Maya o/, ^tol — („Herz, Gemüth, Wille, Freiheit" und ,,Rundes")
— zusammenhängt, und deren eigentliche Bedeutung „Herz" ist. Ich
glaube, dass diese Wurzel in dem Monatsnamen uo noch enthalten ist.
Denn dessen Hieroglyphe (Abb. 255 — 258) enthält die beiden synonymen
Elemente, die in den oben (S. 454) gezeichneten Hieroglyphen Abb. 236
und 237 vorkommen, und die beide, wie ich oben als Vermuthung aussprach,
das dargebrachte Herz bedeuten. Das zweite dieser Elemente dient
gleichzeitig als Symbol der Vereinigung (vgl. die Abb. 75 — 79, oben
S. 414). Vereinigung heisst aber mol. Und mit dem Worte mol ist
wiederum ein Monat bezeichnet, dessen Hieroglyphe das erste, das in
Abb. 236 enthaltene Symbol des Herzens aufweist. Vgl. die Abb. 259, die
die Zeichnung Landa's und der Dresdener Handschrift wiedergibt, und
die Abb. 260, die der Cedernholzplatte von Tikal entnommen ist. Bedeutet
aber uo „Herz", so könnte uo-tan das „innerste Herz", oder auch das „Herz
der Ausdehnung", das „Herz der Oberfläche" bedeuten, also vielleicht ver-
gleichbar den Qu'iche u c'ux cah, u cu^v uleu „das Herz des Himmels,
das Herz der Erde", die als kosmogonische Gestalten und Menschen-
schöpfer im Popol Vuh eine Rolle spielen.
Das Wort a'kbal bedeutet „Nacht". Wir haben im Maya noch heute
für „Nacht" die Wörter akab, akabil, akbil im Gebrauch ; im Qu'iche-
Cakchiquel a'kab. a'ka. a'kbal, und auch im Ixil a'kbal. — Kann dies Wort
(i. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 459
4<^0 • Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroyrlyphen-fclntzilfennig.
mir der mexikanischen Bezeichnung dieses Tages im Zusammenhang
stehend gedacht werden? Ich ghmbe wohl. Die Xacht ist eben das
dunkle Haus der Erde, das die Todten in seinem Schoosse auf-
nimmt, und in dem auch die Sonne zur Rast geht. Die 31exikaner
verknüpften das Tageszeichen caUi mit der Region des Westens, der
Gegend, wo die Sonne untergeht. Es war ein trauriges Zeichen, die
unter ihm Geborenen waren dumm und stumpf, erdgeborene, die bestimmt
waren, alsbald in den Schooss der Erde zurückzukehren, den Feinden in
die Hände zu fallen und auf dem Opferstein ihr Leben zu enden.
Landa gibt das Zeichen akbal in Gestalt der Abb. "261. Der Codex
Tro hat die Formen Abb. '2Q'2 und 263, der Codex Cortes die ganz gleichen
Abb. 264 und 265. In der Dresdener Handschrift finden sich theils ähn-
liche Formen (Abb. 266 — 268). Daneben aber sieht man Formen, wo
die beiden seitlichen Theile nicht von oben herein, sondern von unten
herauf ragen (Abb. 2(59), oder geradezu als runde Kreise (Augeu?) im
Innern der Seitentheile angegeben sind (Abb. 270). Besondere Formen
sind auch die Abb. 271— 273, die den hinteren Abschnitten der Dresdener
Handschrift entnommen sind, und in denen wir in der unteren Hälfte des
Zeichens noch Punkte, Kreise otler Halbkreise markirt finden. Der Codex
Perez hat nur die flüchtig gezeichnete Form Abb. 274.
Das Zeichen akbal ist auch mit ziemlicher Sicherheit auf den 3Iouumenten
zu erkennen. So in der Anfangshieroglyphe der Gruppe, <lie über der
linken Figur des Mittelfeldes sowohl auf dem Altarblatt des Sonnen-
tempels (Abb. 275), wie auf dem des Tempels des Kreuzes Xr. 1 in Falenque
(Abb. 276) zu sehen ist, und es ist besonders interessant, das wir in der
letzteren Figur dieselbe Besonderheit wiederfinden, die auch die Abb. 271
bis 273 der Dresdener Handschrift zeigen. Desgleichen zeigen die Kreise
oder Punkte in der unteren Hälfte des Zeichens auch die schön ausge-
führten Abb. 277 und 278 der Cedernholzplatte von Tikal.
Die Formen der Bücher des Chilam Balain (Abb. 27!» — 282) weichen
vollkommen ab.
Was zunächst die Formen der Handschriften und der Monumente angeht,
so ist zu bemerken, dass die beiden seitlichen Spitzen, die wie Zähne in
den Innenraum des Zeichens hineinragen, keinesfalls als Zähne gedeutet
werden dürfen. Dagegen spricht ihre gelegentlich vollkommen verschobene
Stellung (Abb. 269), und dass sie bisweilen geradezu als Augen erscheinen
(Abb. 270 und 278). Der wesentliche Theil des Zeichens — wodurch es
sich auch bestimmt von dem ihm sonst ähnlichen Zeichen chuen unter-
scheidet — ist der dreieckige, unten von einer welligen Linie begrenzte
Spalt, der sich noch schärfer an gewissen Formen des Zeichens ausgeprägt
findet, (iie ^uf den gleich zu erwähnenden Himmelsschildern gezeichnet
sind. Vgl. Abb. 283. Ich bin zur Erklärung des Zeichens geneigt, an
die mexikanischen Darstellungen der Höhle zu denken, d. h. an einen Berg
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maja- Handschriften und ihre Gottlieiten. 4<)1
mit aufgesperrtem Rachen. Vgl. Abb. 284 und 285. Die wellige
Linie des Zeichens akhal würde ich als untere Mundbegrenzung, die seit-
lich hineinragenden, sehr häufig abgerundet endigenden oder als runde
Kreise erscheinenden Theile als die Augen des Ungeheuers, den drei-
eckigen Spalt als die Rachenhöhle ansehen. Es ist l)emerkenswerth, dass
auf den Monumenten die Augen in der Hieroglyphe akbal sehr häufig mit
gekreuzter Strichelung erfüllt gemeisselt sind, also als dunkel, schwarz
gelten sollen. Die Höhle ist der Eingang in das Haus der Erde, sie ist
das Innere, das Herz der Berge, sie ist der Sitz der Nacht, der Dunkelheit.
Wie man sieht, würden alle Beziehungen, die sich mit dem Namen des
dritten Tageszeichens verknüpfen, durch die „Höhle" ihre vollkommene
Erklärung finden.
Die von der Form der Handschriften abweichende Form der Bücher
des Chilam Balam erweist sich als nahezu identisch mit den Formen,
die dieselben Bücher für das Tageszeichen ben geben. Ich werde
später zu erweisen haben, dass dieses Zeichen, das dem mexikanischen
acatl „Rohr" entspricht, die rohrgeflochtene Matte bedeutet, und die-
selbe rohrgeflochtene Matte bildet, wie ich oben schon erwähnt habe, einen
wesentlichen Theil der Hieroglyphe, wodurch der Tempel oder das Haus-
dach bezeichnet wird. Ygl. die Abb. 34—36, oben S. 414. Es scheint
also, dass die Form der Bücher des Chilan Balam das Haus wiedergeben
will, entsprechend der Beziehung, die durch den mexikanischen Xamen
des Zeichens vermittelt wird, an die aber sicher auch bei der Maya-
benennung des Zeichens mit gedacht wurde.
Waa nun die anderweitige Verwendung des Zeichens akbal angeht,
so ist zunächst zu erwähnen, dass wir es in der unzweifelhaften Bedeutung
„Nacht" neben dem Zeichen kin „Tag" verwendet finden. So an zahl-
reichen Stellen der Dresdener Handschrift. Vgl. auch oben S. 440 die
Abb. 158 a (Codex Dresden 45 (2) b). Das Zeichen akbal erweist sich
insofern dem Zeichen Abb. 60 (siehe oben S. 414), dem Zahlzeichen 20,
gleichwerthig, über dessen Bedeutung ich in einer der vorhergehenden Ab-
handlungen (vgl. S. 401 — 403) schon eingehend gesprochen habe. Eine
Variante des Zeichens akbal scheint die Abb. 286 zu sein, die im Codex
Dresden 57a auf einem ähnlichen Doppelfelde, wie das in den Abb. 157,
158 und 158 a (oben S. 440) gezeichnete, zu sehen ist.
Hieran anschliessend erwähne ich, dass das Zeichen akbal, zum Theil
in sehr charakteristischen Formen (vgl. die Abb. 283 [Codex Cortes], 287
und 288 [Codex Dresden]), und zwar wiederum neben dem Zeichen kin,
auf den viereckigen Schildern vorkommt (vgl. Abb. 157 und 158, ol>en
S. 440), die, wie schon Förstemann und Schellhas erkannten, zweifellos
den Himmel bezeichnen. Die beiden Zeichen akbal und kirK sind indes
nicht die einzigen Bilder, die auf diesen Schildern zu sehen sind. AYir
finden daneben einerseits das Zahlzeichen 20 (Abb. 288a), das wir aber
4li-J Dritter Abschnitt: Kalender unrl Hieroglyphen-Entzifleruntr.
schon als Variante des Zeichens akbal kenneu gelernt haben: andererseits
eine Reihe Formen (Abb. 200 — 2!>U). die kaum anders wie als Varianten
des Zeichens kin zu deuten sind. Ausserdem aber noch Figuren, die in
ausgeführter Form (Abb. 311: Dresden 52 b) an eiuen aufgesperrten
cipacÜi-'RAQhew erinnern, in der Regel aber, vollständig ornamental
werdend, nichts von einem solchen Urs])rung mehr erkennen lassen (Ab-
bildungen 312 — 317). Hierzu kommen Figuren, die als ausschliesslichen
oder Hauptbestandtheil das schräge Kreuz, das Element der Vereinigung,
erkennen lassen (Abb. 300 — 304 und 30li— 310). Endlich — allerdings
nur auf den Blättern 20, 22, 23 des Codex Tro — das Gesicht des Gottes
mit der Schlange über dem Gesicht, das in der Hieroglyphe desselben
Gottes (Abb. 33 oben S. 410) und in der Hieroglyphe der zweiten Himmels-
richtung (Abb. \S\ oben S. 410) vorkommt.
Herr Geheimrath Förstemann hat in seinen werthvollen Erläute-
rungen zur Dresdener Handschrift, in denen er das Problem der Zahlen-
bilduns: in den Mava-Handschrifteu endsriltio' s-elöst und o-leichzeitic^ das
Vorhandensein der interessanten, leider ihrer Bedeutung nach noch dunklen,,
bis zu hohen Werthen gleichmässig fortschreitenden Zahlenreihen nach-
gewiesen hat, die Vermuthung aufgestellt, dass die auf den Himmels-
schildern abgebildeten Zeichen die Sonne, den Mond, den Planeten Venus
und vielleicht auch andere Wandelsterne darstellten. Ich kann dem nicht
ganz beipflichten. Dass die Abb. 60 und 288 a den Mond nicht bedeuten,
glaube ich in meiner früheren Abhandlung (vgl. oben S. 401 — 405) nach-
gewiesen zu haben, und in diesem Zusammenhange kann ich das Zeichen
nicht anders auffassen, als wir es wirklich haben auftreten sehen, nämlich
als eine Variante des Zeichens akbal.
Die Hieroglyphen Abb. 318, 311» sind in der That. wie Förstemann
angenommen hat, als die des Planeten Venus anzusehen, und so werden
die Abb. 20 4 — 2518, die die gleichen Forraelemente aufweisen, auch das
Gleiche bedeuten. Doch kommen die Abb. 290, 296 in dem allerdings wohl
nicht ganz zuverlässigen Codex Tro als Variauten des Zeichens kin vor.
Ich gehe nun noch zur Betrachtung einiger weiterer Vorkommnisse
des Zeichens akbal über.
Erwähnenswerth ist vor allem das Element Abb. 326, das das
Zeichen akbal von Punkten umgeben zeigt. Wir finden dieses Element
als auszeichnendes Merkmal an dem Stiruschmucke und in der Hiero-
glyphe des alten Gottes, den ich mit dem Himmelsgotte Itzammi iden-
tifizire. Die einen Gegenstand umgebenden Punkte bezeichnen nicht selten
die Flammen, die denselben verzehren, oder das Licht, das von ihm aus-
geht. Vgl. die Abb. 327. die im Codex Tro 10b im Text zu sehen ist^
während die bildliche Darstellung darunter dieselben gekreuzten Todten-
gebeine, von rothen Flammenzungen umlodert, zeigt. Die Abb. 326, als
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 4G5
Symbol des Gottes Itzamnä, scheint mir darnach das vom nächtlichen
Dunkel herabstrahlende Licht, den Sternenhimmel, zu bedeuten.
Ein weiteres auffälliges Vorkommen des Zeichens akbal ist das über
dem Auge von nächtlichen und todtbringenden Wesen. So an der Gestalt
des Todes-Gottes, der in der mittleren Abtheilung des Blattes 28 der
Dresdener Handschrift zu sehen ist und den ich mit Uac mitun ahau
identifizire (Abb. 3i^8), und bei einer anderen Todesgottheit (Abb. 329) im
Codex Cortes 38b. Ferner in der Hieroglyphe der Fledermaus {zo'tz\ die
zur Bezeichnung des Monats gleichen Namens diente. (Vgl. Abb. 330
[Landa], 331 — 333 [Dresden 46c, 47a, b]). Ferner in der Hieroglyphe
eines Vogels von der Gestalt eines Adlers (Abb. 334), der im Codex
Dresden 17 b durch die beiden Hieroglyphen Abb. 335 und 336, im Codex
Tro 18c durch die beiden Hieroglyphen Abb. 337 und 338 bezeichnet ist.
Weiter bei der einen Gattung von Thieren, die, mit der Fackel in den
Händen, Feuer auch an der Quaste des langen Schwanzes führend, vom
Himmel stürzend dargestellt sind, und die wohl das Blitzfeuer bezeichnen,,
die todbringenden Diener des Chac. Vgl. Abb. 331) (Dresden 36 a).
Endlich ist dieselbe Besonderheit auch an dem Kopfe des Monatsnamen*
Xul zu sehen. Vgl. Abb. 340 (Landa) und 341 (Dresden 40b). Xut
heisst das Ende, die Spitze; xiiidul „aufhören", xulah^ xulezah „beendigen",
xuluh „(womit etwas aufhört). Hörner", aber auch „der Hörner hat, der
Teufel"; xulhil „Possen, Streiche, Teufeleien". Man sieht also, dass auch
diesem Worte unzweifelhaft eine Beziehung auf etwas Unheimliches, Ge-
spenstisches, Dämonisches innewohnt. \ Auch die Fledermaus ist den
Mittelamerikanern nicht blos das Nachtthier. Der Po'pol Vvh spricht von
einem Zoizi-ha „Fledermausliaus", einem der fünf Orte der Unterwelt.
Dort haust der c^ama-zo'tz^ die „kopfabreissende Fledermaus", das grosse
Thier, das jedem den Garaus macht, der in seine Nähe kommt, und auch
dem Hunahpu den Kopf abbeisst. Auch den unvollkommenen Bildungen der
ersten Menschenschöpfung macht der cama-zo'tz ein Ende, indem er ihnen
den Kopf abbeisst. Der in der Abb. 334 bezeichnete Vogel ist zoologisch
schwer zu bestimmen. Immerhin scheint mir zweifellos, dfiss ein Raub-
vogel gemeint ist. Seine Hieroglyphe (Abb. 335) ist interessant. Sie
enthält den Fledermauskopf, daneben aber auch das Symbol des Scharfen,
Schneidigen (Abb. 73, oben S. 414) und das Symbol des Vogels (?)
(Abb. 72, oben S. 414). In dem hieroglyphischen Texte finden wir, hinter
den Zeichen der vier (fünf) Himmelsrichtungen, nicht selten Hieroglyphen,
die einen Thierkopf mit dem Zeichen akbal über dem Auge tragen. Vgl.
die Abb. 180, 183, 186 (oben S. 450) und 342— 344 (Codex Dresden 22b).
Ich glaube diese als die Blitzthiere, die Sturmgenien, die Genien der vier
Himmelsrichtungen bezeichnend annehmen zu müssen.
Zum Schluss will ich noch die Hieroglyphe Abb. 345 erwähnen, durch
die auf Blatt 2G*b des Codex Tro das Tabakrauchen, bezsv. da-^
4(i4 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Blasen aus ilein Kohre, bezeichnet wird (vy:l. Abb. 3-16). Derselbe Vor-
gansr ist noch an zwei anderen Stellen des Codex Tro zu sehen, nämlich
auf Blatt 34*1», wo er durch die Hieroglyphen Abb. 347 und 348, und auf
Blatt 25 *b. wo er durch die beiden Hieroglyphen Abb. 340 und 300 zum
Ausdruck gebracht ist.
Das Tabakrauchen hat natürlich eine mythologische Bedeutung. Nach
den werthvollen Mittheilungen des Lic. Zetina von Tihosuco, die uns
Briuton in seiner im Folklore Journal Vol. I veröffentlichten Abhandlung
über Volksglauben in Yucatan zugänglich gemacht hat, sind die Balam
(d. h. die Götter der vier Himmelsrichtungen oder der vier Winde, die
gleichzeitig die Hüter des Dorfes und der Gemarkung sind) grosse Raucher,
und nach allgemeinem Volksglauben sind die Sternschnuppen nicht anderes,
als die brennenden Stummel der Rieseuzigarren. die diese Wesen vom
Himmel her unterwerfen. Ein Indianer sah einen Balam in seinem Korn-
felde. Dieser zog eine riesige Zigarre aus seiner Tasche, und mit Kiesel
und Stahl schlug er Feuer. Aber die Funken, die er schlug, waren Blitz-
strahlen und das Klopfen gegen den Stein ertönte wie schrecklicher, die
Erde erschütternder Donner.
Von den oben angeführten Hieroglyphen enthalten die Abb 348 — 349
Elemente, die den wesentlichen Bestandtheil der Hieroglyphe der Himmels-
richtung „oben" (Abb. 17 — "22, oben S. 410), bezw. des Herabkommens
von oben (vgl. unten Abb. 744 — 746), bilden. Die Hieroglyphe Abb. 345
möchte ich den Hieroglyphen Abb. 342 — 344 parallelisiren. Beide enthalten
als sekundäres Element das Symbol des Menschen, die Abb. 345 aber als
Hauptelement das Zeichen akbaU während die andern, statt dessen, das
Thier mit dem «A'6a/-Zeichen, das Blitzthier, als Hauptelement aufweisen.
4. ghanan, kat (c'ai), kan. Die Bedeutung des Wortes ist zweifelhaft.
Ximeuez gibt kat (cat) „Eidechse'". Doch habe ich den starken Ver-
dacht, dass das mexikanische Aequivalent dieses Zeichens ihm diese Be-
deutung eingegeben hat. Mit den Maya- Wurzeln kan, kaan „Seil'% „Strick",
„Hangmatte", und kan = Qu"iche. Cakchiquel k'a7i „gelb" lässt sich nichts
anfangen. Ich vermuthe. dass die Tzental-Form uns einen Fingerzeig gibt;
sie lehrt uns. dass wir das Wort als Participialform auffassen müssen.
Und da finde ich im Maya-Lexikon von Perez die Worte k'anaan^ k'aanan^
Kanan „abundante, necesario o estimado. cosa importante". k^aananil,
„abundancia", k'aancil „sobrar, sobreabundar, flotar sobre el agua, sobre-
nadar, aboyarse sobre el liquido"; k'ank'ab „mar". Ob der Apostroph,
den ich gesetzt habe, richtig ist, ist bei der unsorgfältigen Form des Wörter-
buches und der ungenügenden Bezeichnung der Maya-Gutturale überhaupt
zweifelhaft. Doch werden diese Worte in dem Lexikon mit demselben
k geschrieben, wie der Xame des Tageszeichens und wie das Wort kan
„gelb'', — dem, wie der Vergleich mit dem Qu'iche zeigt, die Letra
herida k' zukommt. Wir hätten also, scheint es, eine direkte Entsprechung
(6. Tageszeichen der aztekischen und der Maj'a-Handschriften und ihre Gottheiten. 465
<ler oben angeführten Maya-Worte kaanan, kanan, die „im Ueberschuss
vorhanden'' bedeuten, mit der Tzentalbezeichnung ghanaii. Erinnern wir
uns, dass die übliche Bezeichnung des Tages in Mexiko cuetzpalin
„Eidechse", in Meztiüan abweichend mIoÜ „der junge Maiskolben" war,
dass aber beide, die Eidechse sowohl, wie der Maiskolben, bekannte Sym-
bole des Reichthums und des Ueberfiusses sind, — el que «»n este nacia
. . . ternia riquezas y de comer que nunca le faltaria (Duran), — so
scheinen mir die oben gegebene Deutung des Mayawortes und die Identität
mit der mexikanischen Bezeichnung ausser Zweifel zu stehen.
Landa gibt für das Zeichen die Abb. 351. Im Codex Tro treffen
wir die Formen Abb. 352 und ;^53 und unter den Opfergaben häufig die
Form Abb. 354. Im Codex Cortes haben wir dieselben Formen Abb. 352
und 353, daneben aber auch die Form Abb. 355. In der Dresdener
Handschrift begegnen uns die gleichen Formen. Der Codex Perez hat
durchgängig die Form Abb. 356. Auf der rechten Seite der Altarplatte
des Tempels des Kreuzes Xr. 1 in Palenque treffen wir die beiden
'isi. 'ist 35"3
'^Br*\
3j> 3fy_ ^96 3t7.
'iS'i.
Abb. 357 (Q. 8) und 358 (R. 17), die ebenfalls das Zeichen darzustellen
scheinen. Die Bücher des Chilavi Balam geben die Abb. 359—362.
Was nun die Bedeutung dieses Zeichens angeht, so scheint mir, dass
ein Auge und eine Zahnreihe die Elemente desselben bilden. In mexi-
kanischen Darstellungen malt man das Feuersteinmesser mit einer Zahn-
reihe und einem Auge darüber (vgl. die Abb. 136 und 137 oben S. 438)
Und genau ebenso malte man den Maiskolben mit einer Zahnreihe und
einem Auge darüber, aber das Auge ist hier ein lebendiges (vgl. Abb. 363),
während das des Feuersteinmessers ein todtes ist. Offenbar betrachtete
man die beiden Dinge als gegensätzlich, Dürre und Wasserreichthum,
Mangel und Ueberfluss bezeichnend. Ich glaube, dass das Zeichen kan
das oben gezeichnete mexikanische Objekt, den Maiskolben, wiedergibt.
Dadurch erklärt es sich uns, dass das Zeichen kan, wie schon oben ange-
führt, konstant unter den Opfergaben erscheint, und ich glaube, wir haben
hier den Schlüssel für die sonst schwer verständliche Thatsache, dass die
Mexikaner die Jahre, mit denen sie, wie es scheint, ihre Zeitrechnung
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 30
466 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
~begaimen, nämlich die Reiehtlium, Fruchtbarkeit und Glück verheissendei»
Jahre, die der Himmelsrichtung des Ostens zugeschrieben wurden, nach-
dem Zeichen acatl „Rohr'' benannten, während die Maya auf dieselben-
Jahre das Tageszeichen kau anwandten.
Die Bilder, die die Bücher <les ('hilam Balam für das Zeichen kan
geben (Abb. 359 — 362), haben mit der Form der Handschriften nichts^
gemein. Sie erinnern in frappanter Weise an die Formen, die die-
selben Bücher für die Zeichen ik und cauac angeben. — Sollten es nur
Variationen der letzteren sein und ihren Ursprung der unzweifelliaft im
CJemüth des Indianers vorhandenen Gedankenverbindung — „Wolken-
bedeckung, Regen und Wind, Reichthum und Ueberfluss" — verdanken?"
Von den Vorkommnissen des Zeichens kan erwähne ich, dass es als
auszeichnendes Merkmal einerseits bei dem Gotte Abb. 31 (siehe oben
S. 410), andererseits bei dem Gotte Abb. 170 (S. 450; die Hieroglyphe siehe
Abb. 30 oben S. 410) vorkommt. Den ersteren habe ich deshalb oben
den Gott mit dem Ä;aw-Zeichen genannt. Den letzteren (Abb. 170) bin-
ich, wie ich oben S. 451 auch schon gesagt habe, versucht, mit dem Gotte
Ekchuah zu identifiziren.
Von Hieroglyphen, in denen das Zeichen kan vorkommt, erwähne
ich die des Monatsnamens cumku oder humku. Abb. 364 (Lau da),
Abb. 365 und 366 und die Variationen Abb. 367 — 370, die alle der Dres-
dener Handschrift entnommen sind. — cum heisst der „Hohle", der „Topf'%
aber auch der „Klang, den man bei dem Schlagen auf einen hohlen
Gegenstand vernimmt" ; hum ebenfalls „Geräusch, Lärm, Summen"' Der
obere Theil der Hieroglyphe scheint in der That einen Topf darstellen
zu sollen, der, umgestürzt mit der Mündung nach unten, auf dem Zeichen
kan liegt, nach oben theils eine breite Grundfläche (Abb. 365, 366), theils-
drei Füsse zeigt (Abb. 367 — 368) oder mit der Seite auf dem Zeichen
liegt? (Abb. 370).
5. abagh^ can, chicchan. can lieisst im Qu'iche-Cakchiquel, can^ canit
im Maya die „Schlange"; ahau-can die Königsschlange, die Klapper-
schlange. Das stimmt also zum mexikanischen coatl.
Das Wort chicchan^ sagt Perez, liesse sich nur erklären, wenn man
annähme, dass das Wort falsch geschrieben und chichan zu lesen wäre,
c/taw, chanchan und chichan bedeutet „klein". Damit können wir natürlich
nichts anfangen. Soll man eine Nebenform chan für can annehmen? Der
Uebergang wäre nicht ungewöhnlich. Wir haben xacah „fest (auf die vier
Füsse) stellen", xachah „fest (breitbeinig) hinstellen" ; caac-ah und chaach-
ah „zausen, Haar ausreissen, Blätter abreissen" ; co-ah „abschälen, ab-
rinden"; cho-ah „abreiben, abwischen". Der erste Theil des W^ortes
würde dann auf die Wurzel c/w, chii „Mund, beissen" bezogen werden
müssen; chicchan die „beissende Schlange", wie Molin a's Wörterbuch unter
„vibora generalmente" tequani coatl (d. h. „der Fresser die Schlange") angibt.
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 467
Das Tzental-Wort kmin ich nicht erklären. Im Qu'iche haben wir
abah „Stein". In <ler alten Hauptstadt der ('akchiquel war das Haupt-
heiligthum der chay-abah^ der eine halbe Klafter grosse, halbdurchsichtige
Stein, auf dessen Spiegelfläche die Wahrsager die Antworten auf alle Fragen
ablasen, die in wichtigen civilen oder militärischen Sachen den Göttern
vorgelegt wurden.
Landa gibt für das Zeichen die Abb. 371. Im Codex Tro finden sich
als häufigste die Abb. 372 — 374. Daneben auch Formen, die den dunklen
(karrirten) Fleck durch einen hellen oder durch das Zeichen hin ersetzen
(Abb. 375—377). Bemerkenswerth sind die Abb. 378—380 (Codex Tro 12a,
7*b, 3ld), die neben dem Fleck die deutlichen Züge eines Gresichtes
zeigen. Einen ganz anderen Typus stellen die Abb. 390 — 392 (Codex Tro
9*a, 19c, 9*a) dar. Im Codex Cortes finden sich nur Formen, die mit den
gewöhnlichen des Codex Tro (372—374) übereinstimmen. In der Dresdener
Handschrift überwiegen entschieden die Formen, die den Fleck hell
und daneben die Züge eines Gesichtes aufweisen (Abb. 381 — 386). Nur
in den hinteren Abschnitten der Handschrift kommen Formen mit dunkel
(karrirt) ausgefülltem Fleck vor (Abb. 387), ähnlich den gewöhnlichen des
Codex Tro und Cortes. Besondere Formen sind die Abb. 393 (Dresden 39 c),
und 394 und 395 (Dresden 61 und 63). Die Formen des Codex Ferez
(Abb. 388 und 389) ähneln denen der Dresdener Handschrift. Die Bücher
des Chilavi Balam haben die Formen der Abb. 396 — 399.
Was nun den Sinn dieses Zeichens angeht, so zeigt das Stück Schlange,
das in Abb. 400 nach Codex Cortes 12b wiedergegeben worden ist, deutlich
dass der karrirte, von schwarzen Punkten umsäumte Fleck die Flecken
einer Schlangenart bezeichnen soll, die ich natürlich zoologisch nicht be-
stimmen kann, deren besondere Zeichnung aber in den Schlangenbildern
des Codex Cortes ebensowohl, wie auf der doppelköpfigen Schlange der
Cedernholzplatte von Tikal deutlich zu sehen ist. Denselben karrirten
Fleck erkennen wir auch in der Hieroglyphe Abb. 401 (Dresden 70), 402
(Dresden 21c) und 403 (Tro 9*b), wodurch ein Gott bezeichnet ist
(Abb. 404 und 405), dessen besonderes Kennzeichen eine zackige Linie
um den Mund bildet (Abb. 404), und dessen Haupthieroglyphe in der Eegel
von Todessymbolen begleitet ist: der Hieroglyphe der Eule (Abb. 406:
Dresden 7 b), des Thieres mit erhobener Tatze (Abb. 407: Dresden 21c)
und des Leichnams (Abb. 408: Tro 9*c). Es scheint dieser Gott zu den
Schlangen in bestimmter Beziehung zu stehen, und die Formen des Zeichens
chicchan, die neben dem Fleck die Züge eines Gesichtes zeigen, könnten
den Kopf dieses Gottes wiedergeben sollen.
Die Formen der Bücher des Chilavi Balam (Abb. 396 — 399) haben sich
ohne Zweifel aus den Formen der Handschriften entwickelt. Vgl. die
Abb. 380 des Codex Tro 31 d.
30*
468
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferunsr.
6. iox, camey, cimi (cimiy). Im 31aya lieisst dm, im Qu'iche-Cakchiquel
com, „sterben". Und die Wörter cimiy, camey sind Abstrakta oder Infinitive,
mittels eines alten Ableitungssuffixes gebildet, das im Maya unter den ge-
wöhnlichen Bildungen nicht mehr fungirt, aber im Qu'iche noch in voller
Anwendung ist. Die Maya- und die Cakchiquel-Bezeichnung entspricht
also der mexikanischen (miquiztli) vollkommen.
Schwierigkeiten macht die Tzental-Bezeichnung to.v. Ich weiss das
Wort nicht zu erklären. Es wäre nicht unmöglich, dass hier wieder, wie
beim dritten Tageszeichen, der Xame des regierenden Gottes für das
Zeichen steht.
Landa gibt für das Zeichen die Form Abb. 409. Im Codex Tro sind
die häufigsten Formen die Abb. 410—412 (Kopf der Leiche). Daneben
kommen die Abb. 413 — 414 (Schädel), und endlich als dritte Form die
Abb. 415 — 416 vor. Im Codex Cortes herrscht die erstere Form aus-
^ni ^' Vnsv ^'1*SJV ^lit.i , '''Jr^ ^'i-— V ^]Jrrr\ ^'j:,, 37<^. jgr
schliesslich vor (Abb. 418). In der Dresdener Handschrift sieht man alle
drei Formen, nur in besserer Ausführung (Abb. 419—426). Daneben
aber finden sich noch auf Blatt 46 (Abb. 427—428) und auf Blatt 53b
(Abb. 429) einige Formen vor, die einen anderen Typus zu repräsentiren
scheinen. Die Bücher des Chilam Balavi haben die Abb. 430 und 431.
Was den Sinn dieses Zeichens angeht, so treffen wir die erste und
die zweite Form in den beiden Hieroglyphen des Todesgottes, die ich in
einem der vorhergehenden Aufsätze (siehe oben S. 392, 393) näher be-
sprochen habe. Es wäre hier nur noch nachzutragen, dass die eigen-
thümlich gekrümmte Linie, die sowohl an dem Kopfe mit geschlossenen
Augen (erste Form), wie an dem Schädel (zweite Form) sich wie ein
Schwanz an die Reihe der freiliegenden Zähne anschliesst, ohne Zweifel
aus der Linie des aufsteigenden Astes des Unterkiefers entstanden ist.
Das ist deutlich an Figuren wie Abb. 432 und 433 zu sehen, bei denen
G. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 460
der Unterkiefer mit seinem aufsteigenden Aste und der Zahnreihe voll-
ständig gezeichnet ist.
Die sich daran schliessende Linie mit der Zähneluug am äusseren
rechten Rande deutet vielleicht auf die Schleife oder Schlinge, in der
der abgeschnittene Kopf getragen ward. Vgl. die Abb. 422 und 427—429
und die Abb. 439 aus Blatt 60 der Dresdener Handschrift, die, wie es
scheint, einen solchen in der Schlinge getragenen abgeschnittenen Kopf
(Kopf des Opfers) darstellt.
Die dritte Form des Zeichens cimi (Abb. 415—417, 424—426) sehen
wir an Stelle des Auges mit geschlossenen Lidern in der zweiten Hiero-
glyphe des Todesgottes, Abb. 436 auf Blatt 28 der Dresdener Handschrift.
Wir sehen es als Todessymbol auf der Wange des Gottes Uac mitun ahau
(Abb. 328) und auf der Hieroglyphe desselben Gottes auf Blatt 5b der
Dresdener Handschrift (Abb. 437). Ich habe früher die Vermuthung aus-
gesprochen, dass auch die beiden Hieroglyphen Abb. 434 und 435, von
denen die erstere der Altarplatte des Tempels des Kreuzes Nr. 2, die andere
der des Sonnentempels in Palenque entnommen ist, dasselbe Zeichen haben.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass dieses eigenthümliche Element
der Abb. 415 — 417, 424 — 426 aus der auch in mexikanischen und mittel-
amerikauischen Malereien wohlbekannten Figur der gekreuzten Todten-
beine entstanden ist.
Die Formen der Bücher des Chilam Balam (Abb. 430 und 431) vermag
ich nicht zu deuten.
Das Zeichen Abb. 438, das de Rosny in seinem Yocabulaire de
lecriture hieratique als im Codex Tro vorkommend angibt, habe ich bei
genauem Nachsuchen unter den Tageszeichen dort nicht finden können.
Das Element Abb. 60 (oben S. 414), das Brasseur als Variante
von cimi aufführt, ist, wie ich in einer früheren Abhandlmig mich bemüht
habe, nachzuweisen, ein Symbol des Todes, in engerem Sinne des Geopfert-
werdens. Es dient als Ausdruck für den Begriff Mann und für die Zahl 20,
47Ö Dritter Absclinitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
bezw. den Zeitraum von 20 Taigen (umal). Unter den Tageszeichen kommt es
niclit vor. AVo man, wie auf den Blättern 32 und 33 c des Codex Tro,
es in der Reihe der Tageszeichen sieht, da dient es nicht etwa als Tages-
zeicheu, sondern steht nach den Tageszeichen cauac, kan, muluc, i.r im
Sinne von „das zwanzigste darauffolgende Zeichen", das natürlich eben-
falls das Zeichen caiiac, kan, muluc, i.r ist.
7. moxic, queh, manik. Das Zeichen entspricht dem mexikanischen
mai;atl „Hirsch'^ „Reh" (venado), und eben das bedeutet auch die
C'akchiquel-Bezeichnung queh (nach Maya-Orthographie ceh geschrieben).
Dem Worte manik scheint die Wurzel man oder mal zu (Irunde /u
■liegen, die „schnell vorübergehen", „verschwinden", aber auch „sich
wiederholen" bedeutet. Im Maya wird von dieser Wurzel gebildet: manac
to hin „nachdem einige Tage vergangen waren"; manak „leichter Schatten"',
„Spur", „fernes Echo"; manab „Gespenst". — manik könnte demnach der
„Vorüberhuschende", „Flüchtige" heissen.
Der Wurzel man ist, glaube ich, eine parallele Wurzel max mit der-
selben Bedeutung anzusetzen, von der maa.c „AfPe", maxan „schnell" sich
ableitete. Auf diese Wurzel könnte vielleicht die Tzental-Bezeichnung
moxic zurückzuführen sein.
In der Schrift wird das Zeichen, ziemlich übereinstimmend im Landa,
wie in den Handschriften, durch die Abb. 440 gegeben. Die Figur stellt
zweifellos eine Hand dar, deren Daumen den gekrümmten vier anderen
Fingern gegenübergestellt ist. Davon überzeugt man sich leicht, wenn
man das Zeichen mit Hieroglyphen vergleicht, in denen die Hand in
realistischer und unverkennbarer Weise dargestellt ist, wde in den
Abb. 441 — 443. Wie kommt nun aber die Hand dazu, Symbol des Tages
zu werden, der — in einzelnen Dialekten sicher, wie im Mexikanischen —
mit dem Namen des Hirsches bezeichnet wird?
Es scheint, dass das Element manik (Abb. 440) in verwandtschaftlichen
Beziehungen zu vier anderen Elementen steht, \on denen drei (Abb. 444
bis 446) allerdings nur Variationen der Hand oder des Trägers zu sein
scheinen, während das vierte (Abb. 447) einen neuen Begriff hineinbringt.
Auf Seite 10* des Codex Tro beginnt eine Reihe von Darstellungen
— der sogenannte Kalender für Bienenzüchter — , in denen, wie mir
scheint, das Herabkommen der Götter zum Opfer durch ein geflügeltes
Insekt ausgedrückt ist, das vor einem viereckigen, mit den Elementen des
Zeichens caban bedeckten Schilde zu den unten aufgestellten Opfergaben
herabkommt. Der hieroglyphische Text zeigt die Namen und die Attri-
bute der Götter. Davor eine Hierogly])he — die sogenannte Hieroglyphe
der Biene — , die die Elemente des Zeichens der Himmelsrichtung
oben — unten enthält und die ich als Symbol des Herabkommens betrachte.
Und davor beginnt der Text mit einer Hieroglyphe, die in der Anfangs-
gruppe die Form Abb. 452, in den folgenden Gruppen die Form Abb. 453
6. Tageszeichen der aztckisclieii und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 471
hat und mehrfach durch Hieroglyphen, die den Tempel zum Ausdruck
J)rinuen (siehe unten beim Zeichen ben), ersetzt ist und auf Blatt 3*c,
wie es ' scheint, in aufgelöster Form, durch die Abb. 454 und 455 reprä-
«entirt ist.
In der Dresdener Handschrift sind auf den dem Titelblatte folgenden
Blättern 2 (45) und 3 eine Anzahl Bilder zn sehen, die, wie es scheint,
Vorbereitungen zum Opfer und das vollzogene Opfer darstellen: ein des
Kopfes beraubter schreitender Gefangener, Götterfiguren, Netze und Stl'icke
haltend, endlich der geopferte Gefangene, dessen Eingeweide als Baum zum
Himmel emporwachsen, auf dem Baume der Adler, der das Auge aus der
Höhle herauszieht. Der Text zeigt, neben den Hieroglj'phen der Personen,
<ias Zeichen der Verbindung (Al)b. 77, 78, oben 8. 414) und in den auf-
H'iii Hf-C). Hn
'*^^ --. H'ii
u^
mmmm
•einander folgenden Abschnitten die Hieroglyphen Abb. 456 (Dresden ■2(45)a),
457—460 (Dresden 2(45)b c) und 461—462 (Dresden 2(45) d). — Auf den
folgenden Blättern der Handschrift treffen wir das Zeichen manik zunächst
in der Hieroglyphe Abb. 463, die auf den Blättern 4 — 10a am Kopfe der
Textgruppen steht, die dort die Darstellungen der zwanzig Götter be-
gleiten. Weiterhin folgen Götter mit Darbringungen. Hier sehen wir
•einmal (Blatt 10 — 12a) die Hieroglyphe Abb. 464 (wechselnd mit Abb. 465),
das andere Mal (Blatt 12 — 13 a) die Hieroglyphe Abb. 466. Auch in der
mittleren und unteren Reihe der Blätter sehen wir Götter mit Darbringungen.
Hiör stehen einmal (Blatt 10b) die beiden Hieroglyphen Abb. 467 und 468,
sonst (Blatt 10 — 12 b) die Hieroglyphe Abb. 469 und weiterhin, wo die
Oötter das Zeichen kan in der Hand haben, die Abb. 474—476. In der
472 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
unteren Reihe (lerselben Blätter sind die Gegenstände, die die Götter
in der Hand halten, im Text selbst zu sehen. Daneben einmal (Blatt 4
bis 5 c) die Hieroglyphe Abb. 470, die anderen Male (Blatt 12 c, 15 c) die
Abb. 471-473.
Ich glaubte aus den angeführten Vorkommnissen schliessen zu müssen,
dass das Element manik und das Element Abb. 447 einander vertreten.
Zeigt uns nun aber das Element Tuanik bloss die nach o1ien offene Hand.,
so stellt die Abb. 447 ohne Zweifel eine Hand dar, die einen Kopf — und
zwar den Kopf eines Todten, das beweisen die geschlossenen Augen —
darl)ringt. Ich war deshalb geneigt, sowohl diese Figur, wie das ihm
äquivalente Zeichen manik als Symbol der Darbringung, des Opfer»
anzusehen. Nachträglich habe ich indes erkannt, dass es eine noch ein-
fachere und näher liegende Erklärung gibt. In der mexikanischen Provinz
reisend und genöthigt, vielfach die Gastfreundschaft der Landeseingeboreiien
in Anspruch zu nehmen, lernte ich sehr bald, dass die in der Weise der
Hieroglyphe manik eingekrümmten Finger der Hand Zeichensprache
für „Essen"- sind, indem sie die Handhaltuno- wiedero-ebeu, mit der man
einen Bissen zum Munde führt. Ich glaube deshalb, dass der Hirsch mit
diesem Symbol bezeichnet wurde, weil der Hirsch das „Fleisch", die^
„Speise" darstellt. Im Grunde kommt diese Erklärung mit meiner früheren
zusammen, indem die Fleischspeise ja auch die Opfergabe darstellt. Jeden-
falls glaube ich darin auch den Grund dafür zu finden, dass die das
Zeichen manik enthaltenden Hieroglyphen anderen (Abb. 466, 468) synonym
auftreten, die, wie mir scheint, die Elemente des Vogels enthalten, ü luumU
cutz y-etel ceh „das Land des Truthahns und des Hirsches", — so nannten
ja die Maya ihre engere Heimath.
Beiläufig bemerke ich, dass der Hirsch als Thier zweimal in der
Dresdener Handschrift abgebildet ist. Auf Blatt 13 c und auf Blatt 21b.
An der ersten Stelle wird er durch die Hieroglyphe Abb. 477, an der
zweiten durch die Hieroglyphe Abb. 478 bezeichnet. Beide enthalten das
Element manik und daneben ein anderes, das mit dem Tageszeichen chuen
(= mexikanisch ocomätli „Aife") übereinstimmt, und das hier vielleicht
allgemein „Thier" bedeutet. Au der zweiten der angeführten Stellen ist
die Hieroglyphe des Hirsches von dem Symbol des Todes begleitet!
Ferner bemerke ich, dass die bekannte Hieroglyphe des Regengottes
Chac (Abb. 479) das in den obigen Hieroglyphen so vielfach vorkommende
Element Abb. 447 wiedergibt, nur dass statt des Kopfes mit geschlossenen
Augen ein Kopf mit auslaufenden Augen in der Hand gehalten wird. Ich
erinnere an die Idole mit weinenden Augen, welche nach Las Casas an
verschiedenen Stellen von Guatemala verehrt wurden.
Die Formen des Zeichens manik, die die Bücher des Chilam Balam
geben (Abb. 448—451), glaube ich als vollständig unverständlich ge-
wordene Weiterbildungen der Form der Handschriften, die von der letzteren
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 473
nur den durch Daumen und Zeigefinger begrenzten nach unten sich er-
weiternden Raum beibehalten haben, ansehen zu müssen.
8. lambat, kanel, lamat Dem Wort kanel gibt Ximenez — mit
welchem Rechte, weiss ich nicht — die Bedeutung „Kaninchen", also ent-
sprechend der mexikanischen Benennung des Zeichens (tochtli).
Die Wörter lambat und lamat weiss ich nicht zu deuten.
Landa hat für das Zeichen die Form Abb. 480. Im Codex Tro
finden wir theils die ähnlichen Formen Abb. 481 und 482, theils die etwas
abweichenden Abb. 483 — 485. Aehnlich im Codex Cortes. Auch in der
Dresdener Handschrift haben wir theils Formen, die mit der Landa' sehen
übereinstimmen (Abb. 486, 487), theils die etwas abweichenden Abb. 488
bis 490. Im Codex Perez findet sich nur die Abb. 486. Die Bücher des
Chilam Balam geben die Formen Abb. 491 — 494.
Das Kaninchen war den Mexikanern das Zeichen der Erde. Vielleicht soll
die Mayahieroglyphe die nach den vier Richtungen ausgedehnte Erde be-
zeichnen.
9. mo/o (mulu), toh, muluc. Das Wort toh hat im Qu'iche-Cakchiquel
eine bestimmte Bedeutun»:. Brasseur übersetzt es in seinem Vokabular
mit „aguacero" d. i. „Platzregen, Gewitterregen", und tohoh wird überein-
stimmend von Brasseur und von dem Dicc. Cakchiquel Anon. (von
Brinton zitirt) mit ,,sonar el rio y el ayre", „Brausen des Flusses, Donner
^n der Luft" übersetzt. ToM war der Hauptgott der Qu'iche. Xahila's
Cakchiquel Annalen erzählen, dass, als die Nationen sich nach einem Be-
schützer umsahen, die Qu'iche sagten „der Donner (tohoh) ertönt im Himmel,
fürwahr im Himmel muss unser Beschützer sein; so sagten sie, und darum
werden sie Tohohil genannt". Brinton (Names of the gods in the Kiche
myths) hält das für eine spätere, zur Erklärung des Namens erfundene
Legende und möchte dem Namen Tohil vielmehr die Bedeutung „justice,
equity" beilegen. Ich glaube, dass Ximenez und Brasseur die richtigere
Erklärung geben, dass es der reelle Vertreter des yukatekischen Chac, des
mexikanischen Tldloc ist, der von den Qu'iche als ihr Stammgott verehrt wurde.
Wie stimmen nun aber zu dem Cakchiquel- Wort die Tzental- und
Maya-Bezeichnungen des Tages? In diesen ist es nicht gut möglich, etwas
anderes, als die Wurzel mol, mul „sich vereinigen, ansammeln, häufen" zu
erkennen, moloc, muluc „was vereinigt, gesammelt, gehäuft ist". — Dürfen
wir an „Ansammluns: der Gewässer" denken?
474
Dritter Absclinitt: Kalender und Hieroglyphen-Eutziffenino:.
Landa i;;ibt für das Zeichen die Abb. 495. Im Codex Tro finden wir
die Abb. 496—497, ähnliche und die Abb. 498, 499 im Codex Cortes. Die
Abb. öOO mid 501 zeigen die Formen der Dresdener Handschrift. Eine
sonderbare Form ist nur die Abb. 506, die auf Blatt 30b des Codex
Cortes vorkommt.
Sollte das Maya-Zeichen mit dem mexikanischen (äti) übereinstimmen,
so würden wir zunächst an ein Wassergefäss denken müssen. Das
Wassergefäss finden wir in den Maya-Haudschriften einmal (Dresden 34 c)
durch die Abb. 007 und für gewöhnlich durch die Abb. 508 ausgedrückt.
Häufig aber ist das Wasser in einer, von dem Leibe einer Schlange ge-
bildeten Schlinge (oder Sack) geborgen. Die Schlangen, die Wolken-
dämonen, sind eben diejenigen, die das Wasser verschlossen halten, die
veranlasst werden müssen, die Schlinge zu lösen und das Wasser heraus
fliesseu zu lassen. Auf den von dem Leibe der Schlange gebildeten, das
AVasser bergenden Säcken — auf ihnen sitzt gebührendermasseu der Cliac
Hp. H'J6- *^?? fii W yog SOI soi. Sby 5-0 V. y^r
O|f/0ffO||(^
4"/^. S4S-
— sehen wir in Blatt 33 — 35b der Dresdener Handschrift, und ebenso
Codex Cortes 3 — 6 a, bestimmte Zahlzeichen angegeben, die wohl der
Ausdruck des reichen Inhalts der Säcke sind. Aehuliche Zahlzeichen
befinden sich auf dem Gefäss, das Codex Cortes 7 b auf dem Bauche des
Todesgottes ruht (Abb. 509). Zahlen sehen wir aber auch auf dem Bauche
der Gestalten eingeschrieben, die in der Haltung gebärender Weiber auf
Blatt 39— 40a des Codex Cortes und -29— 30a des Codex Tro abgebildet
sind. Auch hier scheint mir der Inhalt des Bauchsackes durch die
eingeschriebenen Zahlen zum Ausdruck gebracht werden zu sollen. Es
gibt ein hieroglyphisches Element, das innerhalb des kalkuliformen
Umrisses ebenfalls eine eingeschriebene bestimmte Zahl aufweist. Nun
dieses Element finden wir in Hieroglyphen, wie es scheint, einerseits
dem AVassergefäss synonym verwendet — vgl. Abb. 514 und 515, die im
Codex Dresden 39 c Attribute des Chac bezeichnen — andererseits (in
anderen Hieroglyphen) dem Elemente muluc. So zeigen uns die Abb. 510
6. Tageszeicheii dor aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre' Gottheiten. 475
l)is 512 und 513 Hieroglyphen, die im Codex Dresden 44 (1) 45 (2)b
mid 40b als Attribute der Blitzthiero, der Sturmffenien aufü-eführt sind.
Dass in diesen das Element muluc enthalten ist, scheint mir zweifellos.
Diese ihrerseits scheinen stellenweise durch andere vertreten zu werden-,
die statt des Elementes muluc das Element mit der eingeschriebenen
Zahl enthalten. Ich glaube, diese Zusammenhänge machen es doch wahr-
scheinlich, dass auch das Maya-Zeichen dieselbe Bedeutung hat, wie das
neunte mexikanische Zeichen, dass es das Wassergefäss, bezw. den Wasser-
sack oder den Bauch der Gewässer, bezeichnet.
Ich behaupte imn allerdings nicht, dass durch die Form des Zeichens
das Gefäss zum Ausdruck gebracht wird. Vielleicht bezeichnet es da^
Wasserauge, den Wasserspiegel. Ich verweise auf die Darstellungen
im Codex Tro 31 — 30d, die mit dem Wasser ausgiessenden Chac beginnen.
Hier treffen wir eine den Abb. 510—513 ganz äquivalente Keihe von
Hieroglyphen (Abb. 516 — 519), die nur mit dem nach den Himmelsrichtungen
wechselnden Element, dem Element der Farbe (vgl. die Abb. 13 — 16,
oben S. 410) versehen sind, und die das Element muluc zu einem voll-
ständigen Gesicht, dem des Gottes mit der Schlange über dem Gesicht
(Abi). 33, oben S. 410), ausbilden.
Die Formen, die die Bücher des Chilam Balam für das Zeichen
muluc geben, ähneln ium Theil sehr dem vorigen Zeichen, und ich halte
es nicht für ausgeschlossen, das hier irgend eine Yerwechselung vorliegt.
10. elab, izii, oc. Das Zeichen entspricht dem mexikanischen ifzcu-
intli „Hund", und eben das bedeutet auch im Qu'iche, Cakchiquel und
Pokomam das Wort tziiy tzi, das wohl auf eine Wurzel [tzi] ^ Qu'iche ü^
Ixil c/w, Maya cA?', ^beissen, Fleisch fressen'' (Ixil tzi^ Qu'iche, Cakchiquel
und Maya chi „der Mund") zurückgeht.
Der Hund heisst im Maya i^ek — <las Wort scheint mit einer Wurzel
„sich faul hinstrecken, am Boden liegen" zusammenzuhängen — ; und der
kleine haarlose einheimische Hund, der xolo-itzcuintli der Mexikaner wird
bil genannt, hil bedeutet auch Kauhigkeit, Saum oder Köper im Gewebe"-,
auch die „kalcinirten Knochen, die zum Raulimachen der Finger beim
Spinnen benutzt werden"; bilim ist „Unebenheit im Wege, Spur, das aus-
gescharrte Lager eines Thieres".
Auf was für eine Wurzel das Wort oc, die Maya -Bezeichnung des
dem mexikanischen itzcuintli „Hund" entsprechenden Tageszeichens, zurück-
zuführen ist, vermag ich mit den mir zu (Jebote stehenden Hilfsmitteln
nicht festzustellen. Ebensowenig weiss ich mit dem Tzental-Wort elab
irgend etwas anzufangen.
Das Zeichen ist im Landa in der Form der Abb. 5"20 gegeben. Im
Codex Tro treffen wir ähnliche Formen (Abb. 521 — 523); einige Male al»er
(Tro 12a 12c) stellt das Zeichen ein ganzes Gesicht dar (Abb. 524), und
hier erkennt man deutlich, dass die Landa'sche Figur und die Abb. 521
476
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
bis 523 nur das Ohr des Thieres mit einem Paar schwarzer Flecken
davor wiedergeben sollen, im Codex Cortes und im Codex Perez finden
sich nur die sewöhnlicheu Formen. Die Dresdener Handschrift zeijrt
neben den gewöhnlichen Formen (Abb. 525) zunächst solche, die ge-
wissermassen nur den ol>eren Lappen der Ohrmuschel darstellen (Abb. 52G),
dann solche, wo der obere Lappen zu einem geschlossenen Kreise ge-
worden ist (Abb. 527), endlich al)er auch solche, die mehr oder minder
deutlich ein Gesicht zeigen: Abb. 528 (Blatt 30b), 529 (Blatt 30c), 530
(Blatt 12 a), 531 und 532 (Blatt 45 (2)a imd 64b). — Die Bücher des
Chilam Bala^n haben die Abb. 533 — 536, die augenscheinlich aus der ge-
wöhnlichen Form der Handschriften entstanden sind.
ns. sib. i^z? 5-<y- yx9- üi« #iii^ rr— I im
Sin
Der kleine einheimische Hund spielte auch in Yucatan eine Rolle.
Er wurde als Hausthier gehalten, kastrirt und gemästet, den Göttern als
Opfer geschlachtet und als Festbraten verzehrt. Ich habe oben erwähnt,
dass der Hund in mexikanischen Abbildungen — falls er nicht roth "euialt
wird, was seinen besonderen mythologischen Grund hat — meist mit
schwarzen Flecken gezeichnet wird, und wenn, wie häufig, statt des
ganzen Thieres das Ohr allein gezeichnet wird, dass dann dem Ohre
regelmässig die Spitze abgerissen ist, so dass dasselbe einen zerfetzten
oberen Saum zeigt. Auch in den Maya-Handschriften treffen wir mehr-
fach ein Thier, das weiss mit schwarzen Flecken gezeichnet ist, einen
Raubthierkopf und zerfetzte Ohrspitzen hat und gewöhnlich auch einen
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 477
schwarzen Fleck um das Auge aufweist. Vgl. die Abb. 537—540, die der
Dresdener Handschrift, und A])b. 541, die dem Codex 'Pro entnommen ist,
Von dem Jaguar, dem das Thier stellenweis ähnlich sieht, unterscheidet es
sich — ausser durch den längeren Kopf und die zerfetzten Ohren —
namentlich durch den buschigen Schwanz — der Tiger hat einen laugen,
glatt behaarten Schwanz — und ich glaube, wir werden in diesem Thiere
den Hund erkennen müssen. Das Thier kommt in der Dresdener Hand-
schrift 7 a in der Reihe der zwanzig Götter vor. Auf Blatt 13a sieht man
das Thier einem Vogel (Geier?), auf Blatt 21 !> der jungen Göttin gegen-
übergestellt. Im Codex Tro 25 *c folgen aufeinander unter den Zeichen
der vier Himmelsrichtungen (Abb. 18 — 21, oben S. 410) die ganzen Ge-
stalten eines Menschen, des Hundes, des Affen und eines Todtenvogels.
Im Codex Tro 27 b sitzen um die Göttin mit der Schlangenkopf binde
herum der Chac, der Hund, das Reh, der Jaguar und das Schwein —
letzteres durch starke Behaarung, Rüssel und Hufe gekennzeichnet. Endlich
im Codex Dresden 40b (Abb. 540) ist das Thier mit dem Kopfschmuck
des Gottes mit dem A'an-Zeichen geschmückt und fungirt als Blitzdämon.
Die Hieroglyphe des Hundes (Aldi. 542) enthält nun allerdings das
Element oc nicht. Sie enthält als Hauptelement ein Element, das auch
in der Hieroglyphe des Monatsnamens Kankin (Monat April) (Abi). 24 und
25, oben S. 410) vorkommt, und das als eine kursive Zeichnung eines
Skeletts zu betrachten ist, des Rippenkorbs und der Wirbelsäule, indem an
dem unteren Ende der letzteren, wie auch regelmässig an den in voller
Zeichnung ausgeführten Skeletten zu sehen ist, eine Analöffnung angegeben
ist. Diese Hieroglyphe ist im Codex Dresden 40b. wo das Thier als
Blitzdämon fungirt, mit dem Element des Himmels (vgl. oben S. 459
Abb. 300 und 301) assoziirt (Abb. 543). Als Attribute finden wir im
Codex Dresden 7a der Haupthieroglyphe die Hieroglyphen Abb. 544 bis
546, d. h. das Symbol des Adlers, der Eule und des Raubthieres (?) hin-
zugefügt.
Enthält nun aber auch die Hieroglyphe dieses Thieres, des Hundes, das
Element oc nicht, so ist doch eine Beziehung zwischen dem Elemente oc und
diesem Thiere dadurch vermittelt, dass wir das Element oc, in der Form, wie
es die Abb. 531 und 532 zeigen, in einer Hieroglyphe wiederfinden (Abb. 547),
die überall in (xesellschaft von Hieroglyphen auftritt (Abb. 548 — 550),
die ohne Zweifel den Blitz oder Attribute der Sturmgenien darstellen,
und ferner, dass wir im Codex Dresden 61 — 63 Formen des Monatsnamens
XmZ finden, die statt der Thiere mit dem akhal über dem Auge, —
die ich oben schon als Blitzthiere angesprochen habe (vgl. Abb. 340 und
341) — unser Zeichen oc enthalten (Abb. 551 und 552).
Die Beziehung des Hundes, bezw. des Zeichens oc, zu den Blitzgenien,
zum Blitzfeuer, ist endlich vielleicht der Grund gewesen, dass als Attribut,
zunächst Itzamnas, dann aber auch des 67m<?, Ah bolon tz'acab'a und
478 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
einer Reihe anderer irötter. eine Hierogh-phe verwendet wird (Abb. 553
und 554 — 555), die mit einem Zahlzeichen (vier im Codex Cortes IIa,
sonst drei), das Element oc und ein anderes (Abb. 70 — 71, oben S. 414) ver-
bindet, das ich oben als Symbol des Vogels angesprochen habe, das aber auch
für die einen Mann bezeichnenden Elemente eintritt. Die im Codex
Cortes IIa in dieser Hieroglyphe angegebene Vier ist wahrscheinlich ein
Irrthum. Ueberall sonst ist in dieser sehr häufig vorkommenden Hiero-
glyphe die Ziffer Drei angegeben, und diese scheint wirklich zu dem
Wesen der Hieroglvphe zu gehören. Die Hieroglyphe würde danach oxil
oc. d. h. mexikanisch yei itzcuintli „di'ei Hund" gelesen werden müssen,
und das ist in der Tliat ein Tag, der in dem mexikanischen Codex Telleriano-
Remensis als Fest und Xame des Peuergotts angegeben wird. Denn er
gehört der Woche ce tochtli an. in der der Feuergott regiert, und er ist
der mit der Zahl „drei'^ verbundene Tag. Die Zahl .,drei~ aber, die die
Anzahl der Herdsteine angibt, scheint als ein besonderer Ausdi'uck der
Wesenheit des Peuergottes betrachtet worden zu sein.
11. baiz, ba'iz, chuen. Das Zeichen entspricht dem mexikanischen
ocojnatli „Affe'', und dieselbe Bedeutung wird auch im Uuiche und Cakchi-
quel für das Wort ba'tz augegeben, obwohl daneben noch und, wie es
scheint, häufiger das Wort co'j/, im Maya tnax., maax verwendet wird.
hatz ist der grosse schwarze Affe, der Brüllaffe (zaraguato, sariguate):
c'oy und maa.v bezeichnen den gewöhnlichen Affen (mono, niico).
Das Wort chuen hat im heutigen Maya keine Bedeutung mehr. Es
gibt ein Wort chuencht. das ..Brett" bedeutet und mit dem man auch
einen bestimmten Baum bezeichnet (tabla, y un ärbol asi llamado). Dass
indes das Wort chuen zu batz, bez. zu dem Affen, in bestimmter Be-
ziehung steht, das scheint mit Sicherheit aus einer Legende des Popol Vuh
hervorzugehen.
Der zweite Theil des Popol ruh beginnt mit der Erzählung des Ur-
sprunges der beiden Heroeugötter Sunahpu und Xbalanque (Sonne und
Mond, wie ich oben schon angeführt habe). Yoii den Urahnen (iyanu
rnamoni) Xpiyacoc und Xmucane werden in der Xacht die beiden Söhue
Hun hunahpu (= mexikanisch ce xochitl „eins Blume") und Vukub hunahpu
(= mexikanisch chicome xochitl „sieben Blume") erzeugt. Der letztere
bleibt ledig. Aber der erstere erzeugt mit der Xbakiyalo die beiden Söhne
Hun batz (= mexikanisch ce ocomätli ..eins Affe'') und Hun chouen. Diese
werden geschickte und in allerhand Künsten erfahrene Leute: Flöten-
spieler, Sänger, Blasrohrschützen, Bilderschriftkundige, Bildhauer, Stein-
schneider, Goldschmiede. Hunhunahpu und Vukubhunahpu, die gewaltigen
Ballspieler, verlassen, einer Herausforderung der unterweltlichen Mächte
folgend, ihre alte Mutter und die beiden Gebrüder Hunbatz und Hunchouen^
die bei der Grossmutter zurückbleiben, und steigen in das Reich Xibalba^
in die Untei-welt, hinab. Dort erliegt Hunhunahpu den Todesmächten.
G. Tageszeichett der aztekischen und der Maya-Handscliriften uud ihre Oöttheiten. 47^)
Aber aus dem Speichel, den sein an dem Kopfbaum (Kalebassenbaum)
au%esteckter Kopf in die geöffnete Hand der Jungfrau Xqmc speit, werden
(unbefleckt) die Gebrüder Hunahpu und Xbalanque empfangen. Diese, im
Walde geboren und erzogen, schiessen mit dem Blasrohr allerhand Vögel
und bringen sie der Grossmutter (Xmucane) und den älteren Brüdern
{Hunbatz und Hun choueri). Aber letztere behandeln die beiden jüngeren
Brüder schlecht. Um sich zu rächen, fordern die beiden Jünolino-e ihre
älteren Brüder auf, ihnen aus den Zweigen des Baumes can-te (Öchlangen-
baum) die Vögel herunterzuholen, die sie geschossen, und die beim Fall
dort hängen geblieben sind. Hunbatz und Runchouen folgen der Auf-
forderung. Aber, als sie oben sind, wächst der Baum in die Höhe, dass
sie nicht mehr hinunter können. Und als sie ihre Schambinden abnehmen,
um sich an diesen herunterzulassen, werden diese zu Schwänzen. Hunbatz
S^H. He y6< ^h Si>ü
5-60 s()t- £61. ^63,
o .'. 0 ^ <x
i^t^^^ iz=it=y
und Hun chouen werden zu Affen. Ihre Grossmutter freilich möchte sie
zurück haben. Und ihr zu Liebe locken Hunahpu und Xbalanque viermal
mit der Flöte und der Melodie hunahpu c'oy die Brüder aus dem Walde
hervor. Aber ihr Tanzen und ilire Geberden sind so komisch, dass die
Alte jedesmal zu lachen anfängt. Dadurch werden sie immer wieder ver-
scheucht, und so bleil)en sie im Walde und bleiben Affen.
Xun, dass hier chouen dasselbe ist wie Maya chuen^ und dass chouen
der Zwillingsbruder von batz^ wie Hunchoue7i der Zwillingsbruder von Hun
batz, des Brüllaffen, ist, dass demnach auch in dem Worte chouen, chuen
der Begriff „Affe" liegt — das scheint nicht bezweifelt werden zu können.
Lau da giebt für das Zeichen die Abb. 556. Im Codex Tro finden
wir die Formen Abb. 557 — 559. Dieselben hat auch der Codex Cortes.
Im ersten Theil der Dresdener Handschrift finden sich ausschliesslich
4^0 Dritter Abschuitt: Kalender und Hieroglyphen-Eutzififerung.
Formen, die der Abb. 559 gleichen, aber zum Theil mit der Variante
Abb. 560. Im zweiten Theil der Dresdener Handschrift begegnen wir
Formen, die den Abb. 557 und 558 gleichen. Eine besondere vereinzelte
Form ist Abb. r)(>l, die sich im Codex Dresden 32b findet. Der Codex
Perez hat die Abb. 562, also eine ähnliche Variante, wie derselbe Codex
für das Zeichen kati aufweist. Auf den Reliefplatten von Palenque findet
man vielfach, und mit verschiedenen Zahlenwerthen verbunden ein Element,
das mit dem Zeiclien chuen die grösste Aehnlichkeit hat (vgl. Abb. 5G3).')
Die Bücher des Chilam Balam geben die Formen Abb. 564 — 567.
Den Affen sehen wir unverkennbar auf dem Blatt 25 'c des Codex Tro
{Abb. 570) dargestellt, und zwar in der merkwürdigen Reihe Mensch,
Hund, Affe. Todtenvogel. Der Mensch ist dabei durch die ruhende
Figur mit Haarschopf oder Andeutung eines Kopfes bezeichnet (Abb. 50,
oben S. 414), die wir auch (vgl. Abb. 84, oben S. 401) als hieroglyphisches
Element verwendet fanden. Ueber ihnen stehen vier Hieroglyphen, die
die betreffenden vier Wesen zu nennen scheinen. Und beide, Gestalt und
Hieroglyphe, stehen in einer Columne mit je einer der Hieroglyphen der
vier Himmelsrichtungen (Abb. 18—21, oben 8. 410). Die Hieroglyphe,
•durch die der Affe bezeichnet wird, ist unverkenübar (Fig. 571). Aber
dieselbe Hieroglyphe scheint auch für den Menschen zu stehen. Und der
Hund ist durch eine besondere Hieroglyphe ausgedrückt (Abb. 555 a, oben
S. 476), die ich anderwärts nicht gefunden habe.
Eine der Abb. 571 ähnliche Hieroglyphe sehen wir nun aber auch
auf Blatt 15a b der Dresdener Handschrift (Abb. 569). Auch hier ist der
Affenkopf unverkennbar, dessen eigenthümlichste Besonderheit gegenüber
dem menschlichen Schädel in der starken Einsattelung zwischen Stirn- und
Nasentheil, bezw. in dem starken Vorspringen des Gesiehtsschädels liegt.
Aber dass der Affe gemeint ist, ist in dieser Hieroglyphe noch besonders
dadurch angedeutet, dass diesem Kopf als Auge das Zeichen chuen^ das
Zeichen des Affen, eingesetzt ist. Die Hieroglyphe steht neben einer
anderen, Abb. 568, die eines der eigenthümlichen Elemente enthält, die ich
oben als Darbringung, als Opfer gedeutet habe. Daneben findet sich in dem
oberen Abschnitt des Blattes eine dritte Hieroglyphe (Abb. 575), die ich vor
der Hand nicht analysiren kann. Alle drei Hieroglyphen begleiten eine
merkwürdige Darstellung: eine Reihe Göttergestalten, die zwischen Blättern
und Gezweig herabstürzen, indem ihre Gliedmassen zum Theil in Blätter
auswachsen.
Dieselben Hieroglyphen (Abb. 572 und 574) finden wir neben einer
anderen (Abb. 573) auf Blatt 17 *b des Codex Tro, wo Götter aus dem
Gezweig eines Baumes heraus sich kundzusebeil scheinen.
1) Es bezeichnet auf den Monumenten die Hieroglyphe ninal, d. h. den Zeit-
raum von zwanzig Tagen oder die Zahl zwanzig, wie in einer der am Schluss
dieses Bandes abgedruckten Abhandlungen näher nachgewiesen ist.
<;. Tageszeichen der aztekisthen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 481
Ist bei diesMi Hieroglyphen und diesen Darstellungen ein direkter
Zusammenhang mit dem Affen noch denkbar, und sogar wahrscheinlich —
der Affe ist das Thier der luftigen Höhe, der im Gezweig sein Wesen
treibt, — so finden wir in den Handschriften auch noch andere Thiere,
die in derselben Weise als Auge das Zeichen chuen haben. Das sind die
vier, Blitzfackeln in den Händen tragenden Thiere Abb. 576 (Codex
Tro 32 — 33c), die also eine dritte, bezw. vierte, Klasse von Sturmgenien
oder Blitzthieren darstellen würden (vgl. Abb. 339, oben S. 459 und Abb. 540,
oben S. 476 und die zugehörigen Bilder auf den Blättern 44(1), 45 (2) b
der Dresdener Handschrift).
An die Abb. 569 und den eben gezeichneten Kopf des Blitzthieres
schliesst sich die Hieroglyphe Abb. 577 an, von der ich oben schon
(Abb. 550, S. 476) eine interessante Variante wiedergegeben habe. Die Hiero-
glyphe steht im Codex Dresden 29 — 301) vor den Zeichen der Himmelsrich-
tungen, an der Spitze der Hieroglyphengruppen, die den begleitenden Text zu
Bildern Chacs bilden, und erinnert insofern an die Hieroglyphe Abb. 37
und 38 — 43, oben S. 414), die, wie ich zeigte, den Fänger, den Jäger, den
Krieger bedeutet. Die Hieroglyphe enthält zwei Merkmale, die an den Kopf
eines Todten erinnern: die freiliegenden Zähne und die sich anschliessende
Linie, das Residuum des aufsteigenden Astes des Unterkiefers, und die
Kugeln oder Tropfen unter der Hieroglyphe. Ein Besonderheit sind die
beiden schnurförmig auseinandergehenden Enden am oberen Theil der
Hieroglyphe. Mir scheint das in Verbindung gebracht werden zu müssen
mit Bildern, die einen Krieger zeigen, der einen abgeschnittenen Kopf
oder eine ganze Figur in der Schlinge trägt. Vgl. Codex Dresden 67 a,
Codex Cortes 27 b. Im Text sehen wir an ersterer Stelle den Vorgang
ausgedrückt durch die Hieroglyphe Abb. 578 (Mann mit abgeschnittenem
Kopf in der Schlinge), eine Hieroglyphe, die in ganz ähnlicher Form
(Fig. 578a) im Codex Tro 20* — 23*a an der Spitze der Hieroglyphen-
gruppen zu sehen ist, die den begleitenden Text zu einer Anzahl Dar-
stellungen von in der Schlinge oder Falle gefangenen Thieren bilden. —
Beiläufig bemerke ich, dass die letzten beiden Hieroglyphen weitere
Beweise für die von mir aufgestellte Behauptung heranbringen, dass die
Abb. 60, oben S. 414 (das Zahlzeichen zwanzig) den abgeschnittenen Kopf
bedeutet.
. Mit der Hieroglyphe Abb. 577 hat eine unbestreitbare Aehnlichkeit
die Hieroglyphe des Monatsnamens tzec, von der ich in der Abb. 579 die
Landa'sche Form, in den Abb. 580 — 582 die Formen der Dresdener
Handschrift gebe, tze, tzee bezeichnet den zermalmten oder grob gemahlenen
Mais, bezw. das Zermalmen, Zerstosseu (im (Gegensatz zu dem fein Zer-
reiben); tzeec die Zermalmung, Züchtigung, Busspredigt, tzec, tz!ec den
Schutt oder die Ruinen alter Gebäude, tzec scheint demnach den ,, Zer-
malmer" zu bedeuten. Der Monat tzec ist der Monat, in dem die
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 31
4S2 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyplien-Entzifferung.
Bieneuzüchter den Bacab und insbesondere dem Hobnil (d. i. dem Kanal
Bakab) Opfer brachten. Der Honig Avar füi- die alten Maya viel weniger
der süsse, die Speisen würzende Stoff, als derjenige, von dem der Honig-
wein (ct), das berauschende Getränk, gemacht wurde. Der Monat izec
war ein grosses Saufgelage, weil in ihm die Bienenzüchter, frommen
Sinnes, den zu dem Getränk nöthigen Honig in Menge spendirten. Darin
scheint mir die Bedeutung des Namens und der Hieroglyphe dieses Monats
zu liegen. Ich «^'innere daran, dass in Mexico der Gott des Weins
tequechmecauiani „der Erwürger", teatlauiani „der Ertränker" genannt wird.
In gleicher verwandtschaftlicher Beziehung zu der Hieroglyphe Abb. 577
scheint die Hieroglyphe Abb. 583 — 585 zu stehen, die in der mittleren
Abtheilung der linken Seite der Blätter 46 — 50 der Dresdener Handschrift,
im Verein mit der Hieroglyphe des Planeten Venus (Abb. 318, 319, oben
S. 459), je einer der vier Himmelsrichtungen und je einer von zwanzig
Gottheiten und einem bestimmten Monatsdatum zugeschrieben ist. In der
oberen Keihe derselben Blätter wiederholen sich (mit anderen, aber analog
geordneten Monatsdaten) dieselben 20 Gottheiten, die Hieroglyphen der
Venus und die Zeichen der Himmelsrichtungen, aber statt der Hieroglyphe
Abb. 583—585 steht hier die Hieroglyphe Abb. 443 (oben S. 471) — der
Mann, der das Messer hält oder darreicht. —
Endlich erscheint das Zeichen chuen, gewöhnlich nicht einzeln, sondern
in Gruppen von zwei oder drei und mit Zahlzeichen versehen (Abb. 586)
uuter den Opfergaben. Allerdings nur an bestimmten Stellen der Hand-
schriften. So auf Blatt 25-28 des Codex Dresden. Ferner auf den zu-
sammengehörigen Blättern im Codex Tro 36 und Cortes 22, wo diese
cÄMßw-Packete besondere Reihen bilden, die mit anderen — die Zeichen
der Himmelsrichtungen, Hieroglyphen der Windgötter oder mannigfaltige
andere Opfergaben enthaltenden Reihen abwechseln. Endlich auf den
Blättern 10* — 7*b des Codex Tro, wo sie im hieroglyphischen Text, hinter
den Symbolen der Götter, anfangs neben Abbreviaturen der unten im
Bild dargestellten Opfergaben, weiterhin allein, wie an Stelle der letzteren,
stehen. In den unmittelbar darauf folgenden Blättern 7*-5*b des Codex
Tro sieht man neben den Zeichen der Opfergaben, wie es scheint, an
Stelle der cAwew-Packete die Hieroglyphe Abb. 587, die auch in der
Dresdener Handschrift (Abb. 588) an mehreren Stellen neben Opfergaben
vorkommt.
12. euob, ee, eb. £", ye heisst „die Schneide", „die Schärfe", „der
Einschnitt"; eb, ebiL ebal, yebal (eine Reihe Einschnitte), Stufenreihe,
Treppe. — Auch im Qu'iche-Cakchiquel heisst e der Zahn, die Schneide;
ee ist die Cakchiquel-Pluralform des Wortes, für eeb des Qu'iche. — Auch
euob des Tzental ist eine Pluralform, wie ich vermuthe, von einem Singular
eu=^ ee. — Der Name dürfte also in allen Sprachen das Gleiche, und
zwar „Zahnreihe", „Spitzenreihe" bezeichnen — eine Bedeutung, die zu
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 483
manchen mexikanischen Formen des Zeichens (Abb. 113. 114. oben S. 431),
sowie zu dem AI eztitlan-}\ amen des Zeichens (itlan „sein Zahn"), vor-
trefflich passen würde.
Das Zeichen ist im Landa durch die Abb. 589 gegeben. Im Codex
Tro finden sich die Abb. 590 und 591. Aehnliche im Codex Cortes. In
der Dresdener Handschrift haben wir die Formen Abb. 592 — 595 und
Abb. 597. Im Codex Perez treffen wir, neben den gewöhnlichen Formen,
die Abb. 596.
Das Zeichen zeigt in der Form der Handschriften eine unverkennbare
Aehnlichkeit mit dem unten zu erwähnenden Zeichen 77ien, das, wie wir
«eben werden, ein Gesicht mit eingekniffenem Mundwinkel, ein Greisen-
gesicht, darstellt. Nur sind bei dem Zeichen men regelmässig noch Wangen-
falten und, wie es scheint, borstige Augenbrauen gezeichnet, und es fehlt
die von Punkten oder Härchen eingefasste Linie an der Seite des Kopfes.
Zieht man indes die allerdings seltenen Fälle zum Vergleich heran, wo
das Zeichen eb auf den Monumenten vorkommt, so erkennt man, dass in
<ler Hieroglyi^he eb nicht ein Greisengesicht, sondern ein Todtenschädel
h^Al, vibtid
dargestellt werden sollte. Besonders gut ist das auf der Stele C von
Quirigua zu sehen. Wir haben also in der Hieroglyphe eb einen Todten-
schädel zu erkennen, an dem gewissermassen als Determinativ ein Gras-
busch oder ein Besen angebracht ist, d. h., wir haben in dieser Hiero-
glyphe eb dieselben konstituirenden Elemente, viie die, die das Wesen
des entsprechenden mexikanischen Zeichens vialinalli ausmachen (vgl. olien
S. 431 Abb. 110). Noch merkwürdiger ist eine Form des Tageszeichens eb,
die auf dem berühmten Jadeitcelt des Leidener Museums vorkommt,
indem dort statt des Todtenschädels nur ein Todtenunterkiefer in
Verbindung mit einem Busch gezeichnet ist, d. h. eine Form, die genau der
Vaticauus B-Form des Zeichens malinalli, Abb. 112, oben S. 431, entspricht.
Die Bücher des Chilam Balam geben für das Zeichen eb die Formen
der Abb. 598 — 600, die mit der Form der Handschriften offenbar nichts
zu thun haben. Ich weiss sie auch nicht zu erklären, es sei denn, dass
man in ihnen ein Geflecht sieht, — und dies könnte an das mexikanische
malinalli-^irohs&i\ erinnern.
Das Zeichen wird in Hieroglyphen kaum verwendet. Als einziges
Vorkommniss kann icli anführen, dass sich das Zeichen eb in dem Wasser
31*
484
Dritter Abschnitt: Kalender uud Hieroglyphen-Eutziflferung,
tiutler, das auf dem letzten Blatte der Dresdener Handschrift die alte_
krallenbewaftnete, rothe Göttin aus dem Kruge giesst.
13. been, ah, ben. Das Quiclie-Cakchiquel-Wort ah soll nacl>
Ximenez und Brasseur ^.Rohr", ^Maisstaude'^ (caüa, mazorca) bedeuten.
Das Wort liäugt vielleicht mit dem Worte ac zusammen, womit man in
Yucatan eine wild wachsende, hohe, breitblätterige (iraminee, die zum
Dachdecken verwendet wird, bezeichnet.
^oS. 6o¥. 60^ 6o6- ^07. 6oH- do^. Qfo. (,U (,\l.
/0\ ^^ rm\ nnfPJP^FQX
^^ ^^ cS) llüJMEoES
\^^f^^^^\ ...c^^ ^^
^ .^
bV- fM Ai'i. A-ä"- ^3^- ^^^ rrV-\ ^^*^'- r-
>;:.. ^V/. /n. * /rv3. ^^v. /-/7V:E5| Ä-^r. ^
Die Wurzel ben, been heisst im Maya „verbraucht". Wir haben ben-
chahal „verbraucht werden", beentah, bentah „allmählich aufzehren", benel,
binel „ausgehen", „mangeln", dann ..weggehen", „gehen'^ überhaupt.
Das Zeichen ist in sehr übereinstimmender Form sowohl im Landa
(Abb. 603), wie in den Handschriften (Abb, 604 und 605) gegeben. Be-
sondere Formen sind nur die umgedrehte Abb. 606 (Codex Tro), die be-
reicherte Abb. 607 (Tro 7*b) und die abweichende Abb. 608 (Dresden 10c).
— Abb. 609— 61 "J sind die Formen, die die Bücher des Chilan Balam
ireben.
(i Tageszeicheu der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 485
Was mm die Bedeutung dieses Zeichens angeht, so unterliegt es
keinem Zweifel, dass die Figur aus der Zeichnung des Rohrgeflechtes,
der Matte, hervorgegangen ist. — Die Matte erscheint in mexikanischen
Malereien in der aus dem Codex Mendoza u. a. genugsam bekannten
Form Abb. 613. Genau ebenso sehen wir sie im Codex Tro abge-
bildet (Abb. 614). Die Dächer der Tempel und Häuser sind in mexika-
nischen Malereien, wo irgend genauere Zeichnung vorliegt, regelmässig
mit gelbor Farbe gegeben, und Strichelungen lassen erkennen, dass
man Lagen von Stroh oder Palmblättern übereinander schichtete, in der-
selben Weise, wie man in unseren (legenden die Strohdächer baut oder
])aute. Ein fester geflochtener First sicherte den Zusammenhang des Ganzen.
Vgl. Abb. 615. In Yucatan scheinen in der Hauptsache Palml)lätter zum
Dachdecken verwandt worden zu sein. Den oberen Schluss bildete aber
immer die rohrgeflochtene Matte, bezw. das festgeflochtene Strohband. Und
wir können die Formen der Matte gerade an diesen Tempeldächern gut
studiren. Vgl. die Abb. 617 — 620. Das weite Ueberhangen der Dächer,
das diese Zeichnungen zeigen, entspricht der Art der yukatekischen
Häuser, so wie sie Landa beschreibt. Eine Wand theilt den ganzen
Raum in zwei Theile. Die vordere Hälfte, an den Seiten vollständig frei,
nur von dem überhangenden Dache l)edeckt, bildet eine Art offener Veranda,
<lie das Empfangszimmer und der gewöhnliche Aufenthalt des Hausherrn
bei Tage ist. Die hintere Hälfte (las espaldas de la casa) ist geschlossen
und enthält die Schlafräume der Familie.
p]s gibt, w^ie ich schon oben S. 413 erwähnte, eine Gruppe Hieroglyphen,
•die verwendet werden, bald das Tragen in einer Matte, (Abb. 616, Codex
Dresden "iOc; Abb. ClU), bald das Sitzen auf einer Matte (Abb. 622), bald
<las Mattendach des Tempels oder den Tempel selbst zu bezeichnen
(Abb. 623 — 630). Diese Hieroglyphe enthält als Hauptelement das Element
der Matte und ein Symbol des Tragens, — die Hand (Abb. 621) oder p]le-
mente, die sich aus der Zeichnung der Hand entwickelt haben (Abb. 444 '
und 445, oben S. 471); und man kann an diesen Hieroglyphen mit voller
Deutlichkeit den Uebergang der realistisch gezeichneten Matte in das
Zeichen ben verfolgen.
Die Formen des Zeichens ben in den Büchern des Chilam Balam
zeigen — wie man in Abb. 619 sieht — ebenfalls das Mattengeflecht, nur
in anderer Zeichnung.
Das Zeichen be?i ist einer ganzen Anzahl wichtiger Hieroglyphen — so-
wohl in den Handschriften, wie auf den Monumenten — dem Element Abb. 631
«esellt. Dieses wird in der Regel als Variante des Zeichens ik gedeutet
worden. Es tritt in einem gewissen Gegensatz zu dem Zeichen ka7i auf.
Wir sehen z. B. im Codex Tro 14* — 13*a eine Reihe Götter auf dem Zeichen
<auac sitzen. Die Götter des Regens, der Fruchtbarkeit, des Lichts halten
<las Zeichen kan in der Hand, die Todesgötter das Zeichen Abb. 632, also
43(1 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
unser Element von einem Puuktkranz um,i;elten. Der Punktkranz verleitet
dazu, an die Flamme zu denken. in der That sehen wir das Element
(vgl. Abb. 633, 636) auf den Blättern 25—28 der Dresdener Handschrift
im Feuer von den Flammenzungen umlodert, ganz ähnlich, wie im Codex
Tro an verschiedenen Stellen die bekannte schraul)enförmige Figur (Abb.63ö)
im Zentrum der Flamme zu sehen ist. Dieser schraubenförmigen Figur
tritt das Element Abb. 631 auch in zusammengesetzten Hieroglyphen homolog
auf, z. B. in den Hieroglyphen Abb. 636 — 639. Diese Hieroglyphe ist. be-
gleitet von der Hieroglyphe Abb. 468, auf Blatt 18*a des Codex Tro zu
sehen, wo Clötterfiguren mit dem Obsidiansplitter sich das Ohrläppchen,
durchbohren und das Blut auf unten am Boden liegende schüsselförmige
Gegenstände fliessen lassen.
Ich möchte das Element als Symbol des Feuers oder des Brennens
auffassen und glaube, dass die beiden Elemente — he7i und das eben be-
sprochene, dem Zeichen ik ähnliche — neben einander dasselbe bedeuten,
wie das, was im Codex Mendoza durch ein stürzendes Tempeldach und
darunter hervorschiessende rauchumhüllte Flammenzungen zum Ausdruck
gebracht wird, d. h. Eroberung, Krieg. Unterwerfung, Zerstörung^
Dazu scheint die Art der Hieroglyphen, in denen diese Gruppe
vorkommt, wohl zu passen. Wir finden sie nämlich zunächst in der
Abb. 640. Das ist die Haupthieroglyphe des Sonnen- und Kriegsgottes
Kinch ahau^ dem nach Landa am Vorneujahrsfest der viuluc-iohre der
holkan okot (Kriegertauz) getanzt wurde.
Eine zweite sehr gewöhnliche Hieroglyphe, in der die Gruppe vor-
kommt, ist die Abb. 641, ein sehr gewöhnliches Attribut verschiedener
Götter. Das Hauptelement dieser Hieroglyphe ist, glaube ich, eine etwas
abgeschliffene Form eines Elementes, das deutlicher in den Abb. 578 und
578a (oben S. 479) vorliegt, d. h. des in der Binde getragenen ab-
geschnittenen Kopfes. Die ganze Hieroglyphe würde demnach mit „der
mit Ki'ieg überzieht und Gefangene heimbringt" übersetzt werden können,
und das wäre der Fürst, der König. Diese letztere Bedeutung ist. meine
ich, auch auf Blatt 25 — 28b der Dresdener Handschrift anzunehmen, wo
die Namen der den einzelnen Jahren präsidirenden Gottheiten durch diese
Hieroglyphe und die ihr homologe Abb. 642 eingeleitet werden.
Eine dritte Hieroglyphe endlich ist die Abb. 643, die neben der ben-
Gruppe eine Variante des Elementes rnen, d. h. den Adler enthält. Dieses
letztere Element, scheint es, sehen w^r deutlicher oder ausgeführter in
einer Hieroglyphe der Altarplatte des Kreuztempels Nr. 1 in Palenque,.
Abb. 644. Und ebendort finden wir auch eine weitere Hieroglyphe,
Abb. 645, die die 6eri-Gruppe über einem deutlichen Vogel- (Adler-) köpf
erkennen lässt.
14. hix, yiz, ix (hiix). Das Zeichen entspricht dem mexikanischen
ocelotl „Jaguar". Die Bedeutung ,. Jaguar*' aber ist in den obigen Worten
6. Tageszeichen der aztekischeu und der Maya-Haudschriften und ihre Gottheiten. 487
nicht wiederzufinden. Nach Ximeuez bezeichnet yiz den „Zauberer".
Diese Bedeutung ist in der That für das vierzehnte Maya-Tageszeichen an-
zunehmen. Finden wir doch sogar in einer der mexikanischen Tages-
zeichenlisten, in der des Franziskanerklosters von («uatemala, für ocelotl
„Jaguar" das Wort teijolloquani „der jemandes Herz frisst", d. h. „Zauberer"
angegeben. Und diese Begriffsumwandlung ist auch sehr wohl verständlich.
J3enn die Zauberer waren die nauaualtin, die „Verkleideten", die naguales,
wie man in dem späteren Jargon sagt, die Wehrwölfe, die die Fähigkeit
besassen, allerhand Thiergestalten anzunelmien, und in dieser verwandelten
Gestalt ihre nächtlichen, unheilvollen W^ege giengen. In erster Linie aber
pflegten, nach dem Glauben der Mexikaner und dem der alten Stämme
Mittelamerikas, die Zauberer die Gestalt von Jaguaren anzunehmen, und
so sind „Jaguar" (d. h. AVehrwolf) und „Zauberer" gleichbedeutende Be-
"•ritt'e geworden.
Das Zeichen ist ziemlich vielgestaltig. Landa gibt die Abb. 646.
Im Codex Tro sind die o-ewöhnlichsten Formen Abb. 647 — 655. Einmal
Sti. 6't7- Sn- b'i'^- 690 6St. 6St 6S2- S5H. k^s-. iTS ^«'^•
in-CL'
6^. (60. 661 Ui 663. 66H- ^ (66. 6i)
^f^'J*
(Blatt 30* c) findet sich die Abb. (;5(i und einmal (Blatt 12 c) der merk-
würdige Kopf Abb. 657. Der Codex Cortes und Codex Perez weisen keine
wesentlich verschiedene Form auf. In der Dresdener Handschrift finden
sich die Abb. 658 — 664. Die Bücher des Chilam Balam haben die Formen
Abb. 665 — 667 (die zweite Figur steht offenbar falsch unter dem vorigen
Zeichen).
Die Form der Handschriften ist, wie man sieht, ziemlich stereotyp.
Die echte Gestalt liegt übrigens nicht in der Figur Landa's, sondern in
denen der Dresdener Handschrift und den besser gezeichneten der ersten
Blätter (33* 32*) des Codex Tro vor. Es ist, das unterliegt keinem
Zweifel, das runde haarige Ohr und das gefleckte Fell des Jaguars, das
durch dieses Zeichen dargestellt wird. Und, wie wir sehen, wird gelegentlich
auch (Abb. 657 Tro 12 c) statt dessen der ganze Kopf des Tigers gezeichnet,
oder man bringt (Abb. 664, Dresden 44(l)b) durch darin angebrachte
Zähne das reissende Thier, dessen Bild das Zeichen wiedergeben soll, in
Erinneruno-.
488 Dritter Abschnitt: Kalender und Hierogkphen-Entzififerung.
Die Formeil der Büclier des ( 7iila)n Balavi sind vielleicht aus Formeit
wie Abb. 661 entstanden.
Der Jaguar tritt im Codex Dresden 8a in der Keihe der 20 Gott^
heiten auf und ist hier in dem Text durch die vier Hieroglyphen
Abb. 668— 671 bezeichnet. Die erste, die Hauptliieroglyphe, zeigt den Kopf
des Jaguars — in ähnlicher Weise, wie in dem oben gezeichneten Bilde
des Tageszeichens Abb. 657 — und als sekundäres Element die Abb. 13,
die wir oben (S. 410) als eines der vier (fünf) nach den Himmels-
richtungen wechselnden hieroglyphischen Elemente erkannt haben, und
dem ich vermuthimgsweise den Lautwerth chac „roth" zuschrieb.
Der Jaguar erscheint ferner in der Reihe der fünf Gottheiten, die
auf den Blättern 46—50 der Dresdener Handschrift, am unteren Ende der
Kolumne rechter Hand, vom Speer getroffen am Boden liegend, gezeichnet
sind. Die Hieroglyphen dieser Gottheiten stehen in dem mittleren Ab-
schnitt der rechten Kolumne und zwar am Beginn der dritten Reihe. Die
ganzen Blätter 46—50 sind in verkürzter Form auf Blatt 24 der Dres-
dener Handschrift wiedergegeben. "Wir sehen von den Hieroglyphen der
20 Gottheiten, die in doppelter Reihe auf der linken Seite der Blätter 46
bis 50 vorkommen, fünf, und zwar das 9., 13., 7.. 1., 5. Zeichen auf diesem
Blatte 24 wiederholt, und zwar in Begleitung derselben eigenthümlichen
Hieroglyphen, die auch auf den Blättern 46 — 50 neben den Hieroglv])hen
der 20 Gottheiten angegeben sind. Desgleichen finden wir die Hiero-
glyphen der eben erwähnten fünf durchschossen am Boden liegenden Gott-
heiten auf Blatt 24 in derselben Reihenfolge unter einander geschrieben.
Der Jaguar ist au beiden Stellen (Dresden 47 rechts b, Dresden 24) durch
dieselbe Hieroglyphe bezeichnet, die im Codex Dresden 8a als Haupt-
hieroglyphe fungirt (Abb. Qi^S). Auch wo wir sonst den Jaguar hiero-
glyphisch bezeichnet finden, ist regelmässig der Kopf des Thieres von dem
Element chac (Abb. 13, oben S. 410) begleitet. Nur im Codex Tro 17c tritt
statt dessen das Zahlzeichen vier auf (xA.bb. 672).
You den Attributen des Jaguars enthält das erste. Abb. 669, vielleicht
das Element ix, wie es z. B. in den Abb. 653 — 654 des Codex Tro ge-
zeichnet ist. Es ist aber hier mit der Schleife (dem Handgriff) und dem
Element der Schärfe, der Schneide, der Hieroglyphe des Steiumessers
(Abb. 73, oben S. 414) verbunden. Die ganze Hierogly])he finden wir. mit
einigen Varianten (vgl. Abb. 546 oben S. 476 und Abb. 673) als Attribute ver-
schiedener Götter verwendet. Sie tritt z. B. im Codex Cortes regelmässig
als Hauptattribut des Gottes Itzamnä statt der sonst üblichen Abb. 553
(oben S. 476) auf. — Das zweite Attribut. Abb. 670, ist das bekannte
Symbol des Gottes der Fruchtbarkeit und des Gedeihens und ist dem Jaguar
vermuthlich zugeschrieben, weil Balam „Jaguar" die übliche Bezeichnung
für die Gottheiten der vier Himmelsrichtungen, der regenbringenden vier
Winde ist.
G. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 489
15. iziquin, tziquin, men. Das Wort tziquin heisst „Vogel". Das
Avürde dem mexikauischeii Namen de.s Zeichens {quauhtli „Adler") ent-
sprechen. — Schwer ist dagegen zu verstehen, woher die yukatekische
Benennung dieses Zeichens genommen ist. men heisst „gemacht werden",
„Arbeit'% „Werk''; men, h-men, ah men der „Verfertiger, Handwerker,
Künstler", aber auch „der Zauberer, der Weise", der in dem durchsichtigen
Stein das Vergangene und Zukünftige sieht. Man ist versucht, an mexi-
kanisch ce quauhtli „eins Adler'' zu denken, unter wek'hem Namen im
Codex Viennensis eine alte, wohl in Beziehung zur Xochiquetzal-Tonacaciuatl
stehende und, wie diese, gelegentlich (z. B. im Codex Viennensis 17) mit
der Helmmaske des Quetzal-\ ogeXs dargestellte Göttin abgebildet wird, als
deren besonderes Attribut im Codex Viennensis '28 künstlicli verzierte
Schulterdecken angegeben werden.
^yv- ^'P- 6n 677 $7i- hif- 6io iv ^»^
6J3.
Das Zeichen ist im Landa sehr undeutlich durch die Abb. 674 ge-
geben. Sehr deutlich und charakteristisch sind die Formen des Codex Tro
(Abb. 675 — 679). Die Codices Cortes und Perez fügen nichts Neues hinzu und
auch die Formen der Dresdener Handschrift (Abb. 680 — 683) bieten kaum
etwas Anderes. Abb. 684 — 686 zeigen dieFormen der Bücher des ChüaiiiBalam.
Die Formen der Handschriften sind, wie mir scheint, ziemlich sicher
als ein Greisengesicht zu deuten. Wir sehen den eingekniffenen Mund-
winkel und die Wangenfalten, wie sie, genau ebenso, in dem Haujit-
elemente der Hieroglyphe des alten Gottes, Itzarnnas, zu sehen sind. Mit
Berücksichtigung dessen, was ich eben bei der Besprechung des Namens
men angeführt, bin ich versucht, hier an eine Göttin zu denken, und zwar
an die Göttin, deren Hieroglyphe als auszeichnendes Element die Abb. 14
(oben S. 410) = zac „weiss" enthält und die ich oben S. 410 in der Abb. "29
wiedergegeben habe, die greise Göttin, die Genossin Itzamnä^s, der. wie
icli meine, der Name I.vchel zukommt, und die im W^esen jedenfalls identisch
ist der Tonacaciuafl-XochiquetzaL der im Wiener Codex das Zeichen ce
490 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
quauhtli als Namenshieroglyphe tragenden, die Künste nnd Gewerbe und
die kunstfertigen Frauen beschirmenden Göttin.
Das Zeichen men ist in einer Anzahl augenscheinlich zusammen-
gehöriger Bilder und Hieroglyphen zu erkennen. Bei den einen (Abb. 687
bis G89) sieht man den Scheitel des Zeichens mit einer Reihe Federbälle
besetzt, und hier ist gelegentlich noch eine Schleife (Abb. 689 — 690) der
Vorderseite der Hieroglyphe angefügt. Bei den anderen (Abb. 691 — ()93)
sieht man auf dem Scheitel des Zeichens den hieroglyphischen Kopf des
Adlers, ein Auge und einen Flügel. Varianten treten auf, die den hiero-
glyphisohen Kopf des Adlers durch ein anderes Element ersetzen (Ab-
bildungen 696, 697). Bei anderen ist das Zeichen men selbst metanior-
phosirt (Abb. 694). Endlich finden sich solche, die das metamorphosirte
Zeichen vien auf dem Scheitel mit Federbällen besetzt zeigen (Abb. 695).
Eine dritte Keihe von Hieroglyphen trägt auf dem Scheitel des Zeichens
men die sogenannte hen-ik-Gva-^^e (Abb. 698). In diesem Zeichen ist
aber gewöhnlich das Element men metamorphosirt (Abb. 699, 700 und oben
S. 484 Abb. 643). Und diesen schliesst sich die oben (S. 484) gezeichnete
Form der Monumente an (Abb. 644), die ein stark metamorphosirtes
Zeichen men^ auf dem Scheitel mit Federbällen besetzt, und darüber die
sogenannte ben - ik - Gruppe aufweist.
Diese Hieroglyphen treten als Attribute verschiedener Götter auf.
Und die erstgenannten (Abb. 687—689) dienen, gleich dem Zeichen
Abb. 188 (oben S. 450) dem Chac und seinem Assistenten, dem Grott mit
der Schlange über dem Gesicht (Abb. 33, oben S. 410) als Sitz.
Die Beziehung zum Adler ist, meine ich, deutlich gegeben: durch
die der Hieroglyphe Abb. 644 parallele Abb. 645 (vgl. oben S. 484), dadurch
dass der hieroglyphische Kopf des Adlers (Abb. 335, oben S. 459) auf dem
Scheitel des Zeichens auftritt, dass die Hieroglyphe Abb. 643 (oben S. 484)
als Attribut des Adlers erscheint, durch die Federbälle und die Flügel
und die kriegerischen Embleme. — Dass diese Hieroglyphen den Göttern
als Attribute beigegeben werden, können wir verstehen. Wie aber kommt
es, dass die Abb. 687 — 689 dem Chac als Sitz dienen? Nun, der Chac ist
kein Gott des Wassers überhaupt, sondern des Regens, die regenschwangere
Gewitterwolke ist sein Vehikel, der Sturmvogel ist das Reitthier, auf dem
er einherfährt. Ich werde auch unten noch zu erwähnen haben, dass diese
Figuren überall unter Symbolen auftreten, die wir als Himmel oder W^olke
zu deuten haben.
16. chabin, ahmak, cib. Das W^ort cib wird im heutigen Maya für
„Kerze", „Wachs", „Kautschuk", „Kopal" gebraucht. Das ist aber erst
eine abgeleitete Bedeutung. Die Wurzel ist c% cii, „gut schmecken",
„gut rieclien". Davon abgeleitet cib, ,, wodurch etwas gut schmeckt", „wo-
durch etwas gut riecht", d. i. „Würze" oder ,, Räucherwerk". — Die
anderen Namen weiss ich nicht zu deuten.
6. Tageszoichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 491
Das Zeichen hat bei Lau da die Form Abb. 704. Im Codex Tro
finden sich die Formen Abb. 705 — 711. Aehnliche im Codex Cortes und
Perez. Die Dresdener Handschrift hat die Formen Abb. 712— 717, wo nur
die letzten beiden (Dresden 46 und 49) abweichen. Die Bücher <les Chilan
Balam geben die Formen Abb. 718 — 721.
Das Zeichen findet sich in den Handschriften mehrfach auf Weinkrügon
abgebildet (Abb. 701 — 703). Da ci im Maya der Honigwein heisst, so
stimmt das zusammen. Ich glaube, dass mit dieser Beziehung auch der
Sinn des Zeichens getroffen wird, und möchte die korkzieherartige Figur
als eine Umwandlung des an den Enden sich einrollenden, halbmond-
förmigen Zeichens ansehen, das in den mexikanischen Handschriften auf
den Bildern des Pulquekrugs angegeben wird, und das nichts anderes als
der yacametztli, die halbmondförmige goldene Nasenplatte der Pulquegötter
ist. Den Pulquekrug sieht man in mexikanischen Abbildungen in der
Kegel von einer Schlange umwunden, — zum Zeichen der feurigen und
70^ ?05-. lOJ. 101 708 709 7/0 7/f.
748- vr 7<°- w.
verderblichen Eigenschaften des Getränkes. Eine Schlange scheint auch
über dem oberen Theil des Zeichens cih zu liegen.
Das Zeichen ist im Mexikanischen nach dem Geier benannt und ist
Symbol des Alters. Es war ein auch in Bildern mehrfach ausgedrücktes
Gesetz, dass der Wein — vermuthlich, wie ich an einer anderen Stelle
auseinandergesetzt, wegen der religiösen Bedeutung, die der Wein hatte, —
nur dem Alter erlaubt war, zu geniessen. In der Liste von Meztitlan
wird das sechszehnte Zeichen teotl itonai ,,das Zeichen des Gottes" genannt.
Das stimmt sehr wohl zu der hier vorgetragenen Ansicht, <la, wie ich
oben S. 432 schon Gelegenheit hatte anzuführen, in der Landschaft Mez-
titlan als erster und Hauptgott Ometochtli, d. h. der Pulquegott, verehrt
wurde.
17. chic, nah, caban. Aus den Worten ist nicht viel herauszulesen.
Cab heisst im Maya „Boden", „Erde", „Welt"; und cab heisst „Honig,
giftige Absonderung eines Insekts, Ausschwitzung einer Pflanze". Die erst-
genannte Wurzel bildet eine Relativform cabal mit der Bedeutung „unten",
„niedrig"; die zweite hat die Relativform cabü derselben Bedeutung, wie die
492 Dritter Abschnitt: Kalender und •Hieroglyphen-Entzifferung,
Wurzel d. h. „Honig", caban hat die Form eines Participiums und würde,
falls es mit den üeiiannten Wurzeln in Verbindung- gebriicht werden darf, etwa
„was an den Boden gebracht" oder „was ausgeschwitzt worden ist" bedeuten.
Allenfalls könnte also das Wort der mexikanischen Bezeichnung {olli
„Kautschukball") sich anpassen, Bes8er stimmt die guatemaltekische Be-
nennung zu dem mexikanischen Namen. Denn noh heisst nicht nur „stark,
gewaltig", sondern auch „Erdbeben". Bei den Mexicanern aber war
olin^ tlalolin das eigentliche Wort für „Krdbelien'*, wie denn auch die
Hieroglyphe olin^ mit der Hieroglyphe „Erde" kombinirt, ganz allgemein
zur hierogl}q)hischen Bezeichnung des Erdbebens verwendet wurde, —
Das chiapanekische Wort chic weiss ich nicht zu deuten,
Landa giebt für das Zeichen die Abb. 722, also eine nach rechts gewen-
dete Form. Der Codex Tro hat theils rechts, theils links gewendete Formen
(Abb. 723 bis 729). Ebenso der Codex Cortes. Der leztere hat daneben noch
einige Doppelformen (Abb. 730, 731). In der Dresdener Handschrift sind die
Figuren, bis auf einzelne Ausnahmen (Abb. 736), nach links gewendet.
Die gewöhnliche Form ist die Abb. 732 und 733. Daneben finden sich
im hinteren Theil der Handschrift noch die ein besonderes weiteres Element
enthaltenden Abb. 734 und 735. — Die Bücher des Chilani Balam geben
die Formen Abb. 737—739.
Das Zeichen caban bildet den wesentlichen Bestandtheil der Hieroglyphe,
durch die eine vertikale Richtung, die Bewegung von oben nach unten oder
von unten nach oben, ausgedrückt wird (Abb, 18, 22, 23, oben S, 410), Von
der Hieroglyphe kommen zwei Varianten vor, und man könnte zunächst die
Frage aufwerfen, ob wir es hier nur mit einer verschieden variirten oder zwei
verschiedenen Hieroglyphen zu thun haben, von denen die eine etwa die
Richtung nach oben, die andere die Richtung nach unten bedeutete. Ich
möchte mich für die erstere Auffassung entscheiden. Denn ich finde die
beiden Hauptvariationen der Hieroglyphe an Stellen verwendet, wo von
einem Richtungsunterschied nicht gut die Rede sein kann. Vgl, die
Abb. 741—743, die auf Blatt 32— 35b der Dresdener Handschrift am
Schluss der Hieroglyphengruppen stehen, die den Text zu den beiden
Figuren Chac'% bilden (des schreitenden, mit der Blitzfackel in der Hand,
und des anderen, der mit dem Kopalbeutel in der Hand auf dem von
der Schlange gebildeten Wassersack sitzt). Die Abb. 22 (oben S, 410), Hiero-
glyphe der vertikalen Richtung, ist vollkommen gleich der Abb. 740, die im
Codex Tro 32*c am Kopf des Testes steht, wo auf dem Bilde darunter ein
schwarzer Gott dargestellt ist, der, auf einer Matte liegend, ein über ihn
gestülptes Geflecht in die Höhe drückt. Einen besonderen Abschnitt des
Codex Tro bilden die Blätter 10* — 1*, die von Cyrus Thomas als Kalender
für Bienenzüchter erklärt worden sind. Man sieht nämlich in den meisten
der Al)schnitte ein geflügeltes Insekt — von der Form einer Biene, ikel-
cab, das „Honiginsekt" im Maya genannt — , das von einer Art frei-
G. Tageszeichen der aztekischcii imd der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 493
schwebenden, mit den Elementen des Zeichens caban beschriebenen Brettes
herabsohwebt und sich auf unten aufgestellte Opfergaben zu stürzen scheint.
h\\ Text stehen als durchgehende Hieroglyphe die Abb. 744 — 746. Davor
gewöhnlich die Hieroglyj)he Abb. 452 — 453 (oben Ö. 471), das Symbol der
Darbringung, oder die Hieroglyphe Abb. 623 — 628 (oben S. 484), das Sym-
bol des Tempels. Und unmittelbar darnach die Namen und Attribute der
liötter. Die Hieroglyphe Abb. 744 bis 746 selbst enthält dieselben Ele-
meute, wie die Hieroglyphe der vertikalen Richtung. Was man auch
tu. 1l± w^- 7ty nu- nxn. 7z% iv- lio -rn
über die Bedeutung des ganzen Abschnitts denken mag, — ich bin durch-
aus geneigt, die Cyrus Thomas'sche Erklärung für richtig zuhalten — ,
den Vorgang selbst und die Hieroglyphe kann ich nur als das Herab-
Ivommen der Uötter zum Opfer deuten. Bekannt ist, was Lizana
von dem Idol Kinich Kakmö „Sol con rostro que sus rayos eran de fuego"
erzählt, dessen Tempel in Itzmal stand, und das jeden Mittag vom
Himmel herunter kam, das Opfer auf dem Altar zu verbrennen, wie der
bunte Arara im Flug herunterkommt (como bajava volando la vacamaya
con sus plumas de varios colores).
494 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferunj;^.
Auf Blatt 38b 39b der Dresdener Handschrift sehen wir den Chac
mit einem eigenthümlichen Cegenstand in der Hand (vgl. Abb. 747 — 748).
gleichsam aus einem Schlauch giessend, und inmitten dieser beiden Dar-
stellungen ist eine andere, die die rothe Göttin mit den Jaguarkrallen
(vgl. die Hieroglyphe Abb. 28 oben S. 410) zeigt, Wasser aus einem Kruge
iiuf die Erde giessend. Im Text steht beide Mal die Hieroglyphe Abb. 751
bezw. 752 — das Symbol der vertikalen Richtung — und ein drittes Mal die-
selbe Hieroglyphe und ausserdem die Hieroglyphe Abb. 755, die das Element
4:aban und. wie es scheint, einen Topf enthält. Im Codex Tro 29 — 30b
sehen wir eine ganz ähnliche Darstellung. Vier sitzende Figuren Chacs
unter den Zeichen der vier Himmelssichtungen. In der Hand derselbe
merkwürdige Gegenstand (Abb. 749), nur. wie es scheint, noch mit fallenden
Tropfen daran. Er hält den Gegenstand über der Abb. 750, d. h. das
Zeichen kan mit dem Kopfputz des Gottes des Gedeihens. Der Text zeigt
eine der Abb. 755 durchaus ähnliche Abb. 75ß. Daneben aber die Hiero-
glyphe Abb. 758. Endlich haben wir im Codex Tro 31 — 30 d eine Reihe
Darstellungen, die mit dem Chac beginnen, der aus einem Krug Wasser
auf einen der Abb. 750 gleichen Aufbau giesst. Im Text haben wir.
neben der Hieroglyphe Abb. 516 — 519, die Hieroglyphe Abb. 753 und 754.
die an die Abb. 744 — 746 erinnert und jedenfalls auch in diesen Zusammen-
hang gehört. Eine den Abb. 755 und 756 ähnliche Hieroglyphe ist auch
noch die Abb. 757, die im Codex Tro 30 — 29 c im Text steht, während
man darunter den Gott des Gedeihens, den Gott mit dem ^-an-Zeichen.
auf dem Elemente cahan sitzen sieht, das erste Mal das Zeichen ik, das
letzte Mal das Zeichen kan in der Hand haltend.
Das Herabkommen zum Opfer, das Herabkommen des Regens — darum
dreht es sich in allen diesen Hieroglyphen. Und aus dem konstanten Vor-
kommen des Elementes cahan in diesen Hieroglyphen schliesse ich. dass
dem letzteren die Bedeutung das „was heruntergebracht wird" oder „was
unten ist'" zukommt. Eben das scheint mir auch aus den sonstigen Vor-
kommnissen dieses Elementes hervorzugehen.
Ueberaus häufig fungirt das Element cahan als Sitz oder Thron oder
Fussgestell der Götter. Im Codex Tro ist dabei meist das einfache
Zeichen cahan verwendet, sitzartig erweitert (Abb. 759) oder mit einer
Rückenlehne aus Mattengeflecht versehen (Abb. 760). In der Dresdener
Handschrift dagegen sehen wir gewöhnlich das Zeichen cahan und muluc
nebeneinander (Abb. 761, 762), — ganz wie diese in der.Hierogly]ihe der
vertikalen Richtung (Abb. 18, oben S. 410 und Abb. 741) neben einander
zu sehen sind, — als Sitz- oder Fussgestell für die Götter dienen. Oder
es ist eine mit den Elementen des Zeichens cahan versehene, oder aus
cahan gebildete Schlange (Abb. 763 — 764), auf der der Chac herunter-
fährt. In dem Text daneben sieht man bald die Hieroglyphe Abb. 741,
bald Abb. 742 oder (in dem letzteren Falle) die Abb. 765.
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 495
Von diesem Gesichtspunkt aus, glaube ich, niuss man auch die vier-
eckigen, theils einfach gelb gemalten, theils mit den Elementen des
Zeichens eaban bedeckten, theils frei schwebenden, theils gleichsam an
Stricken aufgehängten Schilder betrachten, von denen auf den Blättern 10*
bis 1* des Codex Tro die geflügelten Insekten herabschweben.
Unter gleichem Gesichtspunkt aber, glaube ich, ist es auch aufzufassen,
wenn wir im Codex Tro 24*b die Bearbeitung, bezw. das Fällen des
Baumes Abb. 766, durch die Hieroglyphe Abb. 767 ausgedrückt finden,
wo mir das Element caban für „herniedergebracht, gefällt" zu
stehen scheint.
18. cfiinax, iihax, e'tznab (ezanab). Das Zeichen entspricht dem
mexikanischen tecpatl „Feuerstein". Damit stimmt sehr wohl zusammen,
wenn Nunez de la Yega von dem Zeichen cliinaa^ bezw. von seiner
Tutelargottheit, angiebt, dass dieser Gott ein grosser Krieger war, dass er
in den Kalendern immer mit einem Banner in der Hand dargestellt worden
sei, und dass er von dem „Nagual" eines anderen heidnischen Zeichens
erwürgt und verbrannt worden sei.
*]1Z ITb- mi 77^- 77f 777- T7?- 'Jlf 78»*^^^
// 7?v
Für tihax giebt Ximenez die Bedeutung „Obsidian" an. Mit welchem
Recht, weiss ich nicht. Das Wort scheint mit der Wurzel teuh „kalt*',
tih-ih „kalt sein" zusammenzuhängen, mit der auch die Worte tic „ein-
stecken", „einstechen", tiz „nähen", tiztic „spitz" zu vergleichen sind.
Das Wort e'tznab könnte mit der Wurzel e'tz „fest", „starr", „hart"-,
zusammenhängen.
Das Zeichen ist sehr übereinstimmend im Landa (Abb. 772) und in
den Handschriften (Abb. 773 — 777) gegeben. ]S^ur die Formen des Chilam
Balam weichen vollkommen ab (Abb. 778 — 781). Der Sinn des Zeichens
ist vollkommen klar: die Bruchlinien des i>eschlagenen Steins. Und dass
dies die Bedeutung des Zeichens ist, geht klar daraus hervor, dass wir
auch die Feuersteinspitzen der Speere (Abb. 782), des Steinbeils (Abb. 783)
und des Opfermessers (Abb. 784) mit denselben Zickzacklinien gezeichnet
sehen.
19. cahogh, caok, cauac. Für das Cakchiquel-Wort gibt Ximenez
die Bedeutung „Regen", also entsprechend dem mexikanischen quiauitl.
In Bezug auf die Etymologie dieses Worts, die mir früher nicht klar war,
schliesse ich mich jetzt der von Brinton in seinem „Native Calendar"
49(i Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
gegebenen Deutung „Blitz" an, es nur etwas- allgemeiner als „Gewitter'',
„von Blitz und Donner begleiteten Regenguss" fassend. Das
augenscheinlich verwandte Wort cahok nämlich hat Stell bei den Pokonchi
mit der Bedeutung „Blitz" und das fast gleichlautende Wort cohok hat
Sapper bei den Pokomam von Jilotepeque mit derselben Bedeutung
„Blitz" aufgezeichnet. Noch enger schliesst sich lautlich an die oben
gegebenen Bezeichnimgen des neunzehnten Tageszeichens das Tzental-
Wort chauc an, das ebenfalls für „Gewitter, Donner, Blitz" gebraucht wird.
Die oben schon einmal erwähnte mexikanische Liste des Franziskaner-
klosters von Guatemala hat für quiauitl „Regen" das Wort ayotl „Schild-
kröte", das ist eine interessante Variante. Sie erinnert an die Rolle, die
wir die Schildkröte in den Maya-Handschriften spielen sehen, wo z. B. im
Codex Cortes, das Thier neben dem Frosch im Wasserstrahl von oben
lierabkommt. Da aac bei den Maya, coc oder cok bei den Guatemala-
Stämmen die „Schildkröte" heisst, ist man versucht, cah-ok in „Himmels-
schildkröte"" aufzulösen. Die Vermittlung zwischen den Begriffen
„Gewitter'' und „Schildkröte" kann darin gesucht werden, dass der Schild-
krötenpanzer die natürliche Pauke ist. Das Getöse des Gewitters und
der Donner sind eben die himmlische Pauke. In der Dresdener Hand-
schrift kommt, w'ie Schellhas zuerst festgestellt hat, die Schildkröte auch
einmal mit der Fackel in den Händen, also als Blitzthier, vor.
Das Zeichen ist im Landa durch die Abb. 785 gegeben. Der Codex
Tro hat die Formen Abb. 786 — 793 und einmal (Codex Tro 28 *d) die
merkwürdige Form Abb. 794. Die Formen des Codex Cortes stimmen
mit den gewöhnlichen Formen des Codex Tro überein. Nur kommt ge-
legentlich einmal (Codex Cortes 10a, 14b, 17b) eine umgekehrte Form
vor. Die Dresdener Handschrift hat die Formen Abb. 796 — 801. Der
Codex Perez hat die Form Abb. 795. Die Bücher des Chilan Balam ent-
halten die Abb. 802—803.
Ehe ich auf die weitere bildliche und hieroglyphische Verwendung dieses
Zeichens eingehe, erwähne ich, dass es als Attribut eines eigenthümlichen
Wesens erscheint, dessen Kopf in der Hieroglyphe des Monatsnamens Moan
{Muan) vorliegt (vgl. die Abb. 51, 52. oben S. 414 und die eigenthümliche
Variante Abb. 54). Der Kopf dieses Thieres (Abb. 53, oben S. 414 und
Abb. 804) zeigt einen eulenartig gekrümmten, an der Basis mit starken Schnurr-
haaren oder Bartfedern eingefassten Schnabel, gi'osse behaarte (befiederte)
und gefleckte Ohren und ein grosses Auge. Der Leib, der bald Menschen-
gestalt hat (Dresden 10a, 7c), bald vogelartig und mit Flügeln versehen
ist (Dresden 16 c, 18b, Tro 18 *c}, zeigt regelmässig einen mit grossen
schwarzen Flecken besetzten Rückentheil und läuft in einen längeren oder
kürzeren, in der Regel stumpf abgerundet endigenden, gleichfalls gefleckten
Schwanz aus. Hieroglyphisch ist das Wesen im Codex Dresden 10a dnreh
die Abb. 805—808, d. h. dm-ch das Symbol der 13 Himmel, das Zeichen
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 497
cauac, das Zeichen der Eule und den Kopf des Blitzthieres bezeichnet.
Dresden 7 c fehlt die letzte Hieroglyphe, und die beiden ersten sind etwas
variirt (Abb. 810, 811). An anderen Stellen steht als Haupthieroglyphe
die Abb. 809, d. h. die Zahl 13 (an Stelle der 13 Himmel) und der Kopf
des il/oaw-Tbieres selbst. Dahinter folgt gewöhnlich die Hieroglyphe der
Eule (Abb. 807). Dresden 12a scheint an erster Stelle die Abb. 813 zu
stehen, darnach die Abb. 805 und an Stelle der Eule der Kopf des Todten
(Abb. 812).
Muyal heisst im Maya die „Wolke'' und vioankin ein trüber, reg-
nerischer Tag" (dia nublado y lloviznoso). Es scheint also, dass dieses
Wesen die mythische Konzeption der W^olkenbedeckung des Himmels
darstellt. Andererseits scheint es keinem Zweifel zu unterliegen, dass
eines der wesentlichsten Elemente des Zeichens cauac - nänilich das,
was in den sorgfältiger ausgeführten Zeichnungen der Dresdener Hand-
schrift und des Codex Tro in Gestalt der Abb. 8U und 815 sich dar-
stellt — nichts anderes ist, als der am Grunde von Bartfedern eingefasste
Schnabel des i/oar^-Yogels. Als besondere Elemente enthält das Zeichen
Seier, Gesammelte Abliandlungen I. 00
498 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
cauac noch das Kreuz (Windkreuz?) und die traubigen Massen, die am
richtigsten wohl als die scliweren. vom Himmel herunterhängendcMi NYoiken-
balleu gedeutet werden.
Findet aber in der That dieser Zusammenhang zwischen der mythischen
Konzeption der AVolkenbedeckung des Himmels und dem Zeichen cauac
statt, so werden wir uns nicht weiter wundern dürfen, dass wir dieses
Zeichen, ebenso wie andere Symbole des Himmels, gelegentlich (z. B.
im Codex Tro 14*, 13 *a, Codex Cortes 25) den Göttern als Sitz oder
Fussgestell dienen sehen. Wir sehen dabei das Zeichen cauac entweder
einfach sitzartig verbreitert (Abb. ^16), oder es hat die Gestalt eines an
der Aussenseite eigenthümlich ausgebuchteteu Wassergefässes (Abb. 817).
oder es ist ein Kopf, mit den Elementen des Zeichens cauac bedeckt
(Abb. 818 und 819). Die Köpfe sind dieselben, wie sie an dem Wurzel-
ende von Bäumen zu sehen sind (vgl. Codex Dresden 41b, Codex Tro 17 *a
und a. a. O.). Dass diese Köpfe nur als Abbreviaturen von Bäumen anzu-
sehen sind, geht aus der Abb. 8"20 und aus der Thatsache, dass wir auch
die Bäume (z. B. Codex Tro 15*a, Dresden 25 — 28c) n)it den Elementen
des Zeichens cauac bedeckt sehen, hervor. Dass diese Bäume und die
Abbreviaturen derselben, die cawoc-Köpfe, nur den Wolkenbaum, den
Himmel, bedeuten können, erscheint mir klar.
Ein merkwürdiges Yorkommniss ist, dass wir auf den Blättern 10*
bis 1* des Codex Tro die oben erwähnten caban-^veiiev nicht selten mit
ähnlichen cawac-Brettern kombinirt, und zwar als Unterlage für Opfer-
gaben, finden. Und ebenso auffällig ist es, dass wir die Basis von Tempeln
nicht selten mit den Elementen des Zeichens cauac oder mit diesen und
daneben mit einer ca^aw-Hieroglyphe bedeckt sehen.
Merkwürdig sind auch die Bilder im Codex Tro 32 *b. Wir sehen eine
Anzahl Götter, die ein mit den Elementen des Zeichens cauac be-
decktes Brett in der Hand halten. Im Text steht die Hieroglyphe Abb. 822,
begleitet von der Hieroglyphe Abb- 573. Ein ähnliches Brett, nur mit einer
Art von geflochtenem Handgriff versehen (Abb. 821), treffen wir Blatt r2*c
des Codex Tro vor den Götterfiguren an. Im Text steht die ähnliche
Hieroglyphe Abb. 823. — Eine den eben gezeichneten ähnliche Hiero-
glyphe kommt auch auf Blatt 2 (45)bc der Dresdener Handschrift vor
(Abb. 457 bis 460). Hier halten aber die Götter, statt der Bretter, wie es
scheint, Netze und Stricke in der Hand.
Von den hieroglyphischen Vorkommnissen des Zeichens sind die Al)-
bildungen 824 und 825 bemerkenswerth. Die erste sieht man im Codex
Dresden 4b in der Reihe der Hieroglyphen der (6 bezw. 7) Götter, die
— ohne Zweifel wohl die sechs Himmelsrichtungen bezeichnend — dort
das grünbeschuppte, mit den Hieroglyphen des Todesgottes gezeichnete
Ungeheuer umgeben. Und sie erscheint im Codex Dresden 12 c als
Haupthieroglyphe eines alten kahlköpfigen Gottes (Abb. 831), der in
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 499
derselben Reihe etwas später (Dresden 21c) noch einmal, aber durch eine
andere Haupthieroglyphe (Abb. 826) bezeichnet, vorkommt. Die zweite
Hieroglyphe, Abb. 825, tritt im Codex Dresden 4a als zweite, bezw.
dritte Hieroglyphe eines Gottes auf, der wahrscheinlich mit dem vorigen
identisch ist. Wenigstens zeigt er dieselben markanten Züge und, wie es
scheint, auch die Linie um den äusseren Augenwinkel, die in dem Gesicht
(Abb. 831) und der Hieroglyphe (Abb. 826) des eben genannten Gottes
charakteristisch hervortritt. Der Gott selbst ist — mit dem Kopfputz der
Hieroglyphe (Abb. 830) — noch einmal im Codex Dresden 37a in einer
Reihe von 6'Aac-Darstellungen zu sehen. Hier ist er aber hieroglyphisch nicht
durch die Abb. 824, sondern durch die Abb. 828 bezeichnet, die das Element
cauac durch ein anderes Element (Abb. 832), auf das ich unten noch zu
sprechen kommen werde, für das ich den Lautwerth tun „Stein" an-
nehmen zu müssen glaube, ersetzt. Die zweite Hieroglyphe (Abb. 825)
finden wir auch in der Reihe der Hieroglyphen der zwanzig Gottheiten, die
mit einmaliger Wiederholung auf der linken Hälfte der Tafeln 46 — 50 und
im Auszug auf der Tafel 24 der Dresdener Handschrift zu sehen sind. Und
hier tritt neben der ursprünglichen Form (Abb. 827) die Variante Abb. 829
auf, die also ebenfalls das Element cauac durch das Element tu7i „Stein"
ersetzt zeigt.
Was die Natur dieses Gottes anlangt, so hebe ich hervor, dass er im
Codex Dresden 37 a in einer Reihe von Darstellungen Chac\ erscheint
und, wie der 6'Aac, mit dem Beil in der Hand unter dem Wasserströme
herabsendenden Himmelsschild zu sehen ist; dass er auch im Codex
Dresden 4a unmittelbar dem Chac folgt; dass aber im Codex Dresden 21c,
wo der Gott zweimal vorkommt, es sich augenscheinlich um geschlecht-
liche Vereinigung handelt, — wie auch durch das Zeichen der Vereinigung
(Abb. 77 — 79, oben S. 414) angezeigt, — und dass gerade unser Gott hie,-
in sehr eindeutiger Position, mit geradezu geilen Allüren, gezeichnet ist.
Als Attribut ist ihm im Codex Dresden 12 c der Kopf des Gottes des
Gedeihens (des Gottes mit dem /(;aw-Zeichen (Abb. 31) beigegeben.
Ein zweites interessantes Vorkommen ist die Hieroglyphe Abb. 833,
834, die gelegentlich auch (Codex Tro 19 b) in der Variante Abb. 835
auftritt, und die eines der Hauptattribute des Sonnen- und Kriegsgottes
Kinchahau^ aber auch des Chac und seiner Diener, der Blitzthiere, bildet
(vgl. Codex Dresden 37 a, 36 a, 39a, 45b). — Was die Elemente dieser
Hieroglyphe angeht, so haben wir in ihr das Zeichen cauac, das Symbol
des wolkenbedeckten Himmels und des Gewitters, ferner das Element,
das ich oben, S. 398, als die Hieroglyphe des Wurfbretts gedeutet habe,
und das wir vielfach zum Ausdrucke des Werfens, des Schiagens, Treffens
verwendet finden; endlich die herausschiessenden Strahlen, die auch an der
Hieroglyphe des Blitzes (Abb. 548, oben S. 476) zu sehen sind. Dieselbe
Abb. 548 sehen wir übrigens, begleitet von unserer Hieroglyphe Abb. 833,
32*
500 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung,
im Codex Dresden 10 c, wo durch sie ohne Zweifel der Blitz, das Feuer
oder ein den Blitz oder das Feuer führender Gott bezeichnet ist.
Merkwürdig ist, dass gelegentlich das Element cauac dem Elemente kin
homolog auftritt. Das geschieht in der Hieroglyphe Abb. 836, 837, die im
Codex Tro 13*b vorkommt und wohl den Seite 456 beim Zeichen ik er-
wähnten Hieroglyphen, Abb. 235 — 239 (oben S. 454), verwandt ist. — Diese
Beziehung erklärt uns vielleicht auch das Vorkommen des Elements cauac in
den drei Monatsnamen yax^ zac und ceh (Abb. 7 — 9, oben S. 410).
Endlich ist noch das Vorkommen des Elements cauac in der Hiero-
glyphe Abb. 838, 839 zu erwähnen, wodurch im Codex Dresden 16 — 17 a,
16— 17 b, 17 — 20 c, 25— 28 a das Tragen in einer Rückentrage bezeichnet
wird, das wir an den entsprechenden Stellen des Codex Tro (20* — 19*d)
durch die Abb. 621, oben S. 481, ausgedrückt finden. Ich habe schon in
einer früheren Abhandlung hervorgehoben, dass dieser Unterschied augen-
scheinlich darin seinen Grund hat, dass im Codex Tro das Tragen in einer
Matte geschieht, — die Abb. 621 enthält das Element der Matte, —
während in der Dresdener Handschrift eine Rückentrage von der Gestalt
der Abb. 840—842 zu sehen ist, die, wie es scheint, aus gebogenem Leder
oder Holz besteht.
20. aghual, hunahpu, ahau. Das Wort ahau heisst „König", „Herr"
und wird in dieser Bedeutung nicht nur in dem eigentlichen Maya von
Yucatan, sondern auch in den verwandten Sprachen Guatemala's gebraucht.
Das Wort ist in verschiedener Weise interpretirt worden. Dass es mit
dem Masculinpräfix (bezw. dem Präfix des Besitzers) ali zusammenhängt,
unterliegt wohl keinem Zweifel. Brasseur erklärt „Herr des Halsbands"
{au). Stell (Sprache der Ixil-Indianer S. 155) „Herr des kultivirten
Landes" (vgl. Kil avuan, „säen"). Auf richtigerer Fährte scheint mir
der letztere zu sein, wenn er das Ixil-Wort vual = Pokonche haual,
re-haual, „viel", „sehr" heranzieht (ibid. S. 53). Ich glaube, dass man ein
Radikal hau annehmen muss, von dem im Mam die Worte hauem „Höhe",
haui „steigen", hauizam „in die Höhe heben" abgeleitet sind, dass man
also eigentlich ah-hau zu lesen und „Herr der Höhe", „der hohe" zu über-
setzen hat, ein Begriff, aus dem sich ganz natürlich die gewöhnliche Be-
deutung des Wortes, nämlich „Herr" entwickeln musste. In prägnantem
Sinne aber, und als Name dieses zwanzigsten Tageszeichens, bedeutet ahau
(eigentlich ah-hau) die Sonne, wie im Mam ix-hau „die Herrin" oder
ix-hau keya „die alte Herrin" für den Mond gesagt wird.
Hunahpu ist der Name des bekannten Heros der Quiche-Mythen, der
mit seinem Genossen Xbalanque Ball auf der Erde spielt, von dem Fürsten
der Unterwelt zum Wettkampf herausgefordert, in die Unterwelt hinab-
steigt, dort verschiedene Proben siegreich besteht, zum Schluss aber doch
den Mächten der Unterwelt unterliegt, — ■ allein nicht für immer. Die unter-
weltlichen Mächte betrügend, erwacht er zu neuem Leben wieder und
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 501
steigt als Sonne zum Himmel empor. Ein durchsichtiger Mythus, der das
tägliche Verschwinden der Sonne und Wiederaufgehen symbolisirt.
Der Name Hunahpu ist aus dem Zahlwort hun „eins" und dem Worte
ahpu zusammengesetzt, das gewöhnlich als „Herr des Blasrohrs" Qpu) oder
„Blasrohrschiesser" übersetzt wird. Der Name ist genau so gebildet, wie
andere Personennamen der Qu'iche-Cakchiquel, die in der überwiegenden
Mehrheit der Fälle dem Kalender entnommen sind, ohne Zweifel den Tag
bezeichnend, an welchem die Geburt erfolgte. Nun existirt allerdings
ahpu unter den Namen der Tageszeichen nicht. Es ist aber sehr wohl
möglich, dass dieses alipu, als ah-hpu zu lesen, auf eine alte Form ah-hapu
zurückgeht, von dem sowohl dieses ahpu, wne die Tzental-Form ah vu-al,
tfi. »Vf. ns %H Sil ^n $i/-f. sfo ?5-y 35-z
jTi- 94X nr »5^? »5^ ^^C ^U
UnA 870 W
wie das Maya-Wort ali a-u abgeleitet sein könnten, und dass nur die ge-
wöhnliche Verbindung hun-ahpu in dem Namen des bekannten Heros das Wort
hun „eins" als Bestandtheil des Namens des Tageszeichens hat erscheinen
lassen^). — Wie dem auch sei, der That nach entspricht hun-ahpu dem
mexikanischen ce xochitl, das im Wiener Codex 23 unzweifelhaft als Symbol
des Sonnengottes, oder richtiger wohl als Name des Sonnengottes an-
getroffen wird. Die Sonne ist der König unter den Göttern, und so stimmen
ahuu und hunahpu und das mexikanische xochitl vortrefflich zusammen.
Das Zeichen ist im Landa durch die Abb. 843 gegeben. Damit
stimmen die Formen des Codex Tro (Abb. 844) und Cortes nahezu voll-
1) Vgl. in der Liste von Meztitlan, oben S. 418: naui oUn „vier Bewegung",
für olin „Bewegung"; und ome xoch itonal „das Zeichen zwei Blume" für xochitl
-Blume".
502 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
stäiulij; überein. Nur kommt gelegentlich eine umgekehrte Form vor
(Abb. 845). Auch in der Dresdener Handschrift triift man ganz ähnliche
Formen (Abb. 846, 847). Gewöhnlich aber sind in dieser Handschrift die
Formen zeichnerisch etwas variirt (Abb. 848—852), und auf Blatt 24
treffen wir eine ganze Reihe von merkwürdigen veränderten Zeichnungen
(Abb. 854 — 859), welchen sich in gewisser Weise auch die Formen
Abb. 860 (55b) und 861 (Codex Dresden 47, 50) anschliessen. Im Codex
Perez findet sich neben den gewöhnlichen Formen die Abb. 853. Das
Zeichen hat eine weite Verbreitung, da der Xame ahau auch der Anfangs-
tag uud der Xame der grösseren Zeitperioden, der Katun, der Perioden
von 20x360 Tagen ist. Es ist daher nicht wunderbar, dass wir dieses
Zeichen auch auf den Monumenten vielfach vorfinden, und ich bemerke,
dass es besonders häufig als Aufaugshieroglyphe erscheint. Interessant
ist vor Allem die Cedernholzplatte von Tikal (Abb. 866). Bemerkens-
wertli auch wegen der vollständigen üebereinstimniung der Schreibung mit
der gewöhnlichen Form der Dresdener Handschrift, die Anfangshiero-
glyphe der Altarplatte von Lorillard City (Xr. 24 der C h am ay" sehen
Sammlung) (Abb. 867). Auf den Altarplatten von Palenque kommt das
Zeichen ebenfalls vielfach vor, gewöhnlich in ziemlich gleichmässiger
Gestalt. Vgl. die Abb. 868, die der linken Seite der Altarplatte des
Kreuztempels Nr. 1 entnommen ist. — Die Formen der Bücher des
Chilam Balam (Abb. 862 — 865) sind nur Variationen der Form der Hand-
schriften,
Die ganze Reihe der Figuren scheint es ziemlich zweifellos zu machen,
dass ein Gesicht en face dargestellt werden sollte, bezw. dessen promi-
nenteste Theile, Augen, Nase, Mund, — oder auch ein en face gezeichnetes
Vogelgesicht, mit Augen und Schnabel. Und ich glaube, wir werden an
das Sonnengesicht oder den Sounenvogel denken müssen, wie solches
z. B. auf der Cedernholzplatte von Tikal, über der Gottheit schwebend
zu sehen ist. Den mittleren Theil, der das Vogelgesicbt en face und die
Vogelkrallen zeigt, habe ich in der Abb. 870 wiedergegeben.
An die Sonne und den Vogel erinnert auch die merkwürdige Abb. 869,
die in der Dresdener Handschrift 9b an einer Stelle zu sehen ist, wo
eigentlich das Zahlzeichen drei erwartet werden müsste. Wir sehen das
Zeichen ahau von Strahlen oder Tropfen umgeben, ganz an die Art er-
innernd, wie in mexikanischen Handschriften (z. B. im Codex Viennensis)
das Bild der Sonne von bluthrothen Tropfen umgeben ist; und darüber
sehen wir eine Feder.
Von den sonstigen Beziehungen, die das Zeichen ahau erkennen lässt,
erwähne ich, dass es entschieden Aehnlichkeit mit einem Elemente hat,
dessen handschriftliche Formen ich in den Abb. 871, 872 (im Codex Dresden)
und 873 (Codices Perez, Tro) wiedergegeben habe, und das auch unter
den Hieroglyphen der Monumente überaus häufig angetroffen wird. Das
6. Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten. 503
Element weist in den Handschriften zwei benierkenswerthe Vorkommnisse
auf. Einmal nämlich sehen wir es in dem Stirnschmuck des oben er-
wähnten kahlköpfigen Gottes (Abb. 831), und hier ist es in dem einfacher
gezeichneten Kopf, Abb. 830, ferner in den Hieroglyphen Abb. 824 — 829
durch die einfache Figur des Auges vertreten. Und dann sehen wir das
Element vielfach als Sitz oder Fussgestell für Götter fungiren, in der-
selben Weise, wie das Zeichen cahan (im Codex Tro 32 d sogar mit dem
letzteren abwechselnd), wie das Zeichen cauac und andere Symbole des
Himmels. Es wäre nicht unmöglich, dass dem Element als Grundbegriif
die Bedeutung „Edelstein" oder „Smai'agd", also der Lautwerth tun^ zu-
käme. Aus diesem könnte sowohl die Beziehung zum Auge, wie zur
Sonne und zum Himmel sich ableiten. AVir haben oben (Abb. 824 und 828,
827 und 829) gesehen, dass in Hieroglyphen das Element synonym dem
Zeichen cauac auftritt, und da ist jedenfalls zu notiren, dass wir in den
beiden Hieroglyi^hen Abb. 874 (Codex Tro 35 d) auch das Element ahau
dem Element cauac synonym verwendet finden. Ygl. auch oben S. 497
Abb. 836, 837.
Von den Hieroglyphen, in denen das Zeichen ahau vorkommt, ist die
bemerkenswertheste die Abb. 876, wo mit dem Elemente ahau die Elemente
der Schärfe, der Schneide, des Steinmessers, vereinigt sind. Die Hiero-
glyphe ist das gewöhnlichste Attribut des Licht- und Himmelsgottes Itzamnä,
kommt aber auch bei einer ganzen Reihe anderer, doch ausschliesslich
bei Licht, Leben, Gedeihen verbürgenden Gottheiten vor, bei den feind-
lichen Gewalten, den Todesgottheiten, vollkommen fehlend.
Die in dem Vorstehenden vorgenommene Prüfung des Vorkommens
und der Bedeutung der Maya-Tageszeichen und die daran sich schliessen-
den Ausführungen werden — das verhehle ich mir nicht — Irrthümer
genug enthalten. Es war ein erstes Eindringen in einen Urwald, wo
auch der, der das Auge fest auf die Bussole gerichtet hält, schwer-
lich jederzeit die richtige Richtung einzuhalten im Stande sein wird.
Möge ich nachsichtige Leser finden. Ein Hauptresultat wird mir, davon
bin ich überzeugt, nicht streitig gemacht werden können, dass — so ver-
schieden auch die Ausgestaltung im Einzelnen war — es ein Grundzug
war, der die Wissenschaft der Mexikaner und der Maya-Völker be-
herrschte, dass es ein patrimonium commune war, an dem die einen,
wie die anderen zehrten.
504 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
7,
Die Chronologie der Cakchiquel-Annalen.
Verhandlungen der Anthropologischen Gesellschalt. 22. Juni 1889. Zeitschrift
für Ethnologie. XXI. S. (475) — (47(5).
In der Vorrede zu der von ihm veranstalteten Ausgabe von Xahila's
Cakchiquel Annalen — des sogenannten „Memorial de Tecpan Atitlan'^
Brasseur de Bourbourg's — führt Brinton an, dass bei den Cakchiquel
Guatemalas zwei Arten von Zeitrechnung im Gebrauch gewesen seien.
Die eine cKol-k'ih, s. v. a. „the valuer or appraiser of days", genannt, sei
nur für astrologische und augurische Zwecke, zur Bestimmung der glück-
lichen und unglücklichen Tage benutzt worden. Die andere, may-kHh,
s. V. a. „the revolution or recurrence of days", genannt, habe der wirklichen
Chronologie gedient.
Die erste Rechnung ist das eigenthümliche System, das die Zahl "20,
die Grundlage aller zentral-amerikanischen Zählungen, mit der Zahl 13
kombinirt, und so einen Turnus von 260 Tagen schafft, nach dessen Ablauf
dann die Tage wieder die gleiche Benennung erhalten Dieses System ist das
mexikanische ional-amatl, das in vollständig übereinstimmender Weise bei
allen Kulturnationen Mexico's und Mittelamerikas in Gebrauch war.
Die andere Rechnung dagegen ist eine besondere und eigenthümliche,
die bisher nur aus den Cakchiquel-Annalen bekannt geworden ist. Das
Wesen derselben aber ist bis in die neueste Zeit in eigenthümlicher Weise
missverstanden worden. Die Rechnung geht von einem in der Ge-
schichte des Stammes hervorragenden Ereigniss aus, der Vernichtung des
aufrührerischen Stammes der Tukuchee. Dieses Ereigniss fand an einem
Tage statt, der nach dem System des ch'ol-kHk oder tonal-amatl mit der
Ziffer ] I und dem Zeichen ah^ das dem mexikanischen acatl „Rohr"
entspricht, bezeichnet wird. Darnach heisst es dann (S. 160): chi vahxaki
ah xel huna yuhuh „in 8 ah gieng aus das huna des Aufstandes"; chi voo
ah jcel um caba ru banic yuhuh „in 5 ah gieng aus das zweite des Er-
eignisses des Aufstandes"; chi cay ah xel oxi huna ru banic yuhuh „in 2 ah
giengen aus drei huna des Ereignisses des Aufstandes"; cablahuh ah wel
ru cah huna yuhuh „in 12 ah gieng aus das vierte huna des Aufstandes";
7. Die Chronologie der Cakchiquel-Annalen. 505
chi helehe ah a;el voo huna rw banic yuhuh „in 9 ah giengen aus fünf huna
des Ereignisses des Aufstandes" u. s. f., bis es dann auf S. 168 heisst: chi
Od-i ah ca xel hun-may ru camic Tukuchee ru banic yuhuh „in 3 ah da gieng
aus ein may des Todes der Tukuchee des Ereignisses des Aufstaudes" —
und weiter chi vuku ah xel-r-oxa yw ca-may yuhuh „in 7 ah gieng aus das
dritte des zweiten may der Revolte".
Es ergiebt sich so:
1. dass die dieser Zählung zu Grunde liegende chronologische Einheit
den Namen huna führt.
2. 20 huna ergeben eine grössere Periode, die den Namen may führt.
3. Die Endtage der aufeinanderfolgenden huna sind folgende: 11 aÄ,
8 ah, 5 aA, 2 ah, 12 ah, 9 ah, 6 ah, 3 ah, 13 ah, 10 ah, 7 ah, 4 ah,
1 ah, 11 ah, 8 ah, 5 ah, 2 ah, 12 ah, 9 ah, G ah, S ah; — 13 ah, 10 a/<,
7 «Ä u. s. f. D. h. die Endtage der aufeinanderfolgenden huna tragen alle
das Zeichen ah, das dem mexikanischen acatl „Rohr'' entspricht, aber
die Ziffern, die ihnen zukommen, ergeben folgende Periode: 11. 8. 5. 2.
12. 9. fi. 3. 13. 10. 7. 4. 1.
Brinton übersetzt nun das Wort hmia einfach mit „Jahr". Ich weiss
nicht, ob er dabei an das astronomische Jahr oder an das astrologische
von 260 Tagen denkt. Keines von beiden kann aber mit huna gemeint
sein. Denn wäre huna das astrologische Jahr, so müssten die Endtage
dasselbe Zeichen und dieselbe Ziffer haben. Wäre aber huna das astro-
nomische Jahr, so könnten die Endtage, wie ein Blick auf den mexikani-
schen Kalender lehrt, weder dieselbe Ziffer noch dasselbe Zeichen haben.
Endet z. B. ein Jahr mit „eins Schlange", so endet das folgende mit
„zwei Hund". Brinton sieht diese Schwierigkeit, aber schiebt die
Lösung auf. Stell kommt in seiner letzten Arbeit über die Ethnologie
der Indianerstämme von Guatemala ebenfalls auf diese eigenthümliche
Chronologie zu sprechen. Er denkt sich als die chronologische Einheit
das astrologische Jahr. Sein Versuch aber, eine Erklärung für die Ver-
schiebung der Ziffern zu finden, muss als missglückt betrachtet werden.
Und doch liegt die Sache sehr einfach. Die Kombination der Ziffern
mit dem Zeichen ah soll nicht bedeuten, dass die betreffenden Tage, wie
Stell sich denkt, bezw. der eilfte, achte, fünfte u. s. w. der mit dem
Zeichen ah beginnenden Woche sind, sondern die Tage führen als Be-
nennung einerseits das Zeichen ah, und zweitens die Ziffern 11, 8, 5 u. s.w.
Das ist das Wesen des tonal-amatl oder ch'ol-k'ih, der central-amerikanischen
Tageszählung. Nimmt man nun das Schema eines nach mexikanischer
Art benannten Kalenders zur Hand, so sieht man, dass, vom Tage 11 ah
ausgehend, es gerade der 20 X 20. oder 400. Tag ist, dem das Zeichen ah
und die Ziffer 8 zukommt. Ebenso folgt auf den Tag 8 ah genau nach
400 Tagen der Tag 5 ah u. s. f. Und es ist ja klar, da der Zeichen 20
^Qg Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung:.
siud, so muss nach 20 X -0 = 400 Tagen dasselbe Zeichen wiederkehren.
Da aber von den Ziffern nur 1—13 verwendet werden, und 30 X 13 erst
390 gibt, so muss die Ziffer des 400. Tages um die Zalil 3 liinter der des
Anfangstages zurückstehen.
Die in den Cakchiquel-Annalen vorliegende Chronologie ist also ein-
fach eine konsequente Weiterentwickelung des vigesimalen Zahl-
systems. Die erste Einheit sind die 20 Tage, die auch die Basis des
tonal-amatl bilden, und deren jeder mit dem Namen eines besonderen
Zeichens benannt wird. 20 X '20 oder 400 Tage sind ein htma, und
20 X 400 oder 8000 Tage sind ein may.
8. Zur mexikanischen Chronologie. 507
8.
Zur mexikanisclien Chronologie, mit besonderer
Berücksiclitigung des zapotekischen Kalenders.
Zeitschrift für Ethnologie. XXIII. (1891). Seite 89 — 13.'5.
Die Eigenthümlichkeiteu des Zeitrechiiungssystems, das bei den ver-
schiedenen Kulturnationen des alten Mexico und bis herunter nach Nicaragua
im Gebrauch war, sind bekannt. Wir wissen, dass seine Grundlage ein
Zeitraum von 20 Tagen bildete, die mit den Namen verschiedener sinnlich
greifbarer Objekte, zumeist Thiernamen, benannt, und durch die Bilder
dieser Gegenstände hieroglyphisch bezeichnet wurden. Dass 20 Zeichen ge-
nommen wurden, wird durch das vigesimale Zahlsystem bedingt, dessen sich
all diese Völker bedienten. Die Zählung der Tage wurde aber — wenigstens
bei der vorwiegend gangbaren Chronologie — nicht einfach vigesimal
fortgesetzt, sondern mit diesen 20 Zeichen wurden die Ziffern 1 — 13 in
der Weise kombinirt, dass jeder der aufeinanderfolgenden Tage mit einem
Zeichen und einer Ziffer bezeichnet wurde, dergestalt, dass, wenn zur Be-
zeichnung des ersten Tages die Ziffer 1, kombinirt mit dem ersten Zeichen,
diente, der 14. Tag das 14. Zeichen, aber wieder die Ziffer 1 erhielt. So
gewann man als höhere chronologische Einheit einen Zeitraum von 13 X 20
oder 260 Tagen. Denn erst nach Ablauf dieses Zeitraums traf es wieder
ein, dass ein Tag dieselbe Ziffer und dasselbe Zeichen erhielt.
Vergleiche die auf Seite 508 und 509 stehende Tabelle, in der die
20 Zeichen durch die römischen, die 13 Ziffern durch die arabischen Ziffern
bezeichnet sind.
Dieser Zeitraum von 260 Tagen, der von den Mexikanern tonalamatl,
„Buch der (guten und der bösen) Tage", in Guatemala ch!ol k^ih, „Tages-
zählung", oder k'ani uuh, „Buch der Lose", bei den Maya dagegen, wie
es scheint, — die gewöhnlichen Angaben lauten anders, — kin katuti,
„Tagesordnung", genannt ward, wurde nun in verschiedener Weise mit
dem übrigen Zeitrechnungssystem in Zusammenhang gebracht.
Die Nationen des alten Mexico zählten ihr Jahr zu 365 Tagen. Das
ergibt sich aus der Art ihrer Jahrbezeichnunü' und aus der Anzahl
508
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
l
I
8
I i
2
I
9
I
3
I
10
I !
4
I
2
II
9
II
3
II
10
11
4
II
11
11
5
II
III
10
III '
4
III
11
III
5
III
12
III
G
III
4
IV
11
IV
5
IV
12
IV
G
IV
13
IV
7
IV
5
V
12
V 1
6
V
13
V
7
V
1
V
8
V
6
VI
13
VI
7
VI
1
VI
8
VI
2
VI
9
VI
7
VII
1
VII
8
VII
o
VII
9
VII
3
VII
10
VII
8
VIII
2
VIII :
9
VIII
3
VIII
10
VIII
4
VIII
11
VIII
9
IX
3
IX
10
IX
4
IX
11
IX
5
IX
12
IX
10
X
4
X
11
X
5
X
12
X
6
X
13
X
11
XI
5
XI
12
XI
6
XI
13
XI
7
XI
1
XI
1-2
XII
(1
XII
13
XII
(
XII
1
XII
8
XII
2
XII
18
XIII
1
XUI
1
XIII
8
XIII
2
XIII
9
XIII
3
XIII
1
XIV
8
XIV
2
XIV
9
XIV
3
XIV
10
XIV
4
XIV
2
XV
9
XV
3
XV
10
XV
4
XV
11
XV
5
XV
3
XVI
10
XVI
4
XVI
11
XVI
5
XVI
1-2
XVI
6
XVI
4
XVII
11
XVII
5
XVII
1-2
XVII
G
XVII
13
XVII
7
XVII
n
XVIII
1-2
XVIII
G
XVIII
13
XVIII
1
XVIII
1
XVIII
8
XVIII
6
XIX
13
XIX
7
XIX
1
XIX
8
XIX
2
XIX
9
XIX
7
XX
1
XX
S
1
XX
2
XX
9
XX
3
1
XX
10
XX
der Jahre, die sie zu einer grösseren Periode zasammenfassteu. Da
365 = 28 X 13 -}- 1 und =18 < 20 -{- 5 ist so folgt, dass, wenn beispielsweise
ein Jahr mit einem Tage begönne, der die Ziffer 1 und das I. Zeichen
trüge, so müsste der Anfangstag des folgenden Jahres die Ziffer 2 und das
TL Zeichen, der des dritten Jahres die Ziffer 3 und das XL Zeichen, der
des vierten Jahres die Ziffer 4 und das XYI. Zeichen erhalten; der An-
fangstag des fünften Jahres dagegen würde mit der Ziffer 5 und wiederum
mit dem I. Zeichen benannt werden müssen. TTir erhalten also folgende
Reihe der Jahresanfäuo-e:
1
I '
1
VI
1
XI
1
XVI
1 I
2
VI
2
XI
2
XVI
2
I
und so
3
XI
3
XVI
3
I
3
VI
fort, wie
4
XVI
4
I
4
VI
4
XI
am An-
5
I i
5
VI
5
XI
5
XVI
fang.
6
VI
i 6
XI
6
XVI
G
I
7
XI
7
XVI
7
I
1
VI
8
XVI
8
I
8
VI
8
XI
9
I
9
VI
9
XI
9
XVI
10
VI
10
XI
10
XVI
10
I
11
XI
11
XVI
11
I
11
VI
12
XVI
12
I
12
VI
12
XI
13
I
13
VI
13
XI
13
i
XVI
8. Zur mexikanischen Chronologie.
509
11
I
5
I
12
I
ü
I
13
I
7
I
1 I
12
II
6
II
13
II
7
II
1
II
8
II
uud so
13
III
7
III
1
III
8
III
2
III
9
III
fort, wie
1
IV
8
IV
2
IV
9
IV
3
IV
10
IV
vorher.
2
V
9
V
3
V
10
V
4
V
11
V
3
VI
10
VI
4
VI
11
VI
5
VI
12
VI
4
VII
11
VII
5
VII
12
VII
6
VII
13
VII
5
VIII
12
VIII
6
VIII
13
VIII
7
VIII
1
VIII
6
IX
13
IX
7
IX
1
IX
8
IX
2
IX
7
X
1
X
8
X
2
X
9
X
3
X
8
XI
2
XI
9
XI
3
XI
10
XI
4
XI
9
XII
3
XII
10
XII
4
XII
11
XII
5
XII
10
XIII
4
XIII
11
XIII
5
XIII
12
XIII
6
XIII
11
XIV
5
XIV
12
XIV
6
XIV
13
XIV
7
XIV
12
XV
6
XV
13
XV
7
XV
1
XV
8
XV
18
XVI
7
XVI
1
XVI
8
XVI
2
XVI
9
XVI
1
XVII
8
XVII
2
XVII
9
XVII
3
XVII
10
XVII
2
XVIII
9
XVIII
3
XVIII
10
XVIII
4
XVIII
11
XVIII
3
XIX
10
XIX
4
XIX
11
XIX
5
XIX
12
XIX
4
XX
11
XX
5
XX
12
XX
1
6
XX
13
XX
#
Man sielit, dass, unter der Voraussetzung- eines Jahres von 365 Tagen,
auf die Anfaugstage der Jahre nur vier von den 20 Tageszeichen fallen, und
zwar vier Zeichen, die je um fünf Zeichen von einander abstehen. Und
man sieht, dass aus der Annahme eines Jahres von 365 Tagen sich mit
Nothwendigkeit eine Periode von 52 Jahren ergiebt. Denn da 365 = 5 X 73
und 73 eine Primzahl ist, so kann es erst nach 260/5 oder 52 Jahren
eintreffen, dass auf den Anfangstag des Jahres dieselbe Ziffer und dasselbe
Zeichen des Tonalamatl fällt. Nun wissen wir, durch die übereinstimmen-
den Angaben der Chronisten und der Dokumente, dass die mexikanischen
Nationen ihre Jahre in der Weise bezeichneten, wie es die obige Tabelle
der Jahresanfänge darstellt, und es wird bei einigen Stämmen mit Be-
stimmtheit angegeben, dass diese Namen der Jahre von den Namen ihrer
Anfangstage hergenommen worden seien. Andererseits wissen wir, dass
die sämmtlichen alten Nationen Mexicos eine Periode von 52 Jahren kannten
und nach ihr rechneten. Wir müssen daher schliessen, dass in der That,
wie oben angegeben, in Mexico das Jahr zu 365 Tagen angenommen wurde,
die Zeitrechnung also in jedem Jahr um 5 St. 48 Min. 47 Va Sek. hinter
der wirklichen Jahreslänge zurückblieb.
Dieser einfache und klare und — zieht man die Kulturhöhe der alten
Mexikaner in Betracht — gar nicht so wunderbare Thatbestand ist bis in
die jüngste Zeit von den Autoren, die sich mit mexikanischer Chronologie
beschäftigt haben, hartnäckig verkannt worden. Es sind hauptsächlich
510 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
drei Umstände, die eine richtige Auffassung der Sachlage nicht recht
aufkommen Hessen: das sind erstens gewisse Annahmen, die in Bezug auf
die fünf letzten Tage des Jahres gemacht wurden, sodann die Angaben
der Chronisten über Einschaltungen, die in gewissen, regelmässig wieder-
kehrenden Perioden vorgenommen worden seien, endlich die Variabilität
des Jahresanfangs bei den verschiedenen Stämmen — und auch, wie es
scheint, in den verschiedenen Zeiten, — die eine authentische Konkordanz
bestimmter, historisch bezeugter Daten des mexikanischen Kalenders mit
unserer Chronologie bisher unmöglich gemacht haben.
Die chronologische Einheit, die Zahl von '20 Tagen, ist in 365 Tagen
18 Mal enthalten. Jeder dieser 18 Zwanziger — von den Spaniern fälsch-
lich Jtfonate genannt — war bestimmten Gottheiten geweiht und gab Ver-
anlassung zu einem bestimmten Feste, das mit der Jahreszeit, den in der
Jahreszeit vorzunehmenden Arbeiten und dem. was man von der Jahres-
zeit erwartete, in Zusammenhang stand. Fünf Tage blieben übrig, denen
als überschüssigen eine gewisse unheimliche Bedeutung zugeschrieben wurde.
Die Mexikaner nannten sie nemontemi oder nen-ontemi, d. h. „die über-
schüssigen, die Ergänzungstage"", mit der Nebenbedeutung: „die unbrauch-
baren, die keiner Gottheit geweiht, zu keinem bürgerlichen Geschäft
brauchbar waren'', — acain poukgui, „die keinem zugezählt oder zu-
geschrieben wurden'', „die in keiner Werthschätzung standen", — wie es
im aztekischen Text von Buch II. Kap. 37 des Geschichtswerkes des
P. Sahagun heisst, was der Pater mit den Worten erläutert: — „estos cinco
dias ä ningun dios estän dedicados, y por eso les llamavan nemontemi.,
que quiere decir por demäs^. — Sie galten als unheilvolle Tage (baldios y
aciagos). Denn mit dem Worte nen, „das Ueberschiessende", verband
sich auch der Begriff des ^Ueberflüssigen'', Untauglichen", „Unbrauch-
baren". Keine Handlung von irgend welcher Bedeutung, oder die über
den Kreis der alleruothwendigsten Lebeusverrichtungeu liiuausgieuge, ward
vorgenommen. Nicht das Haus ward gefegt, kein Gericht gehalten, und
dem Unglücklichen, der au einem dieser Tage geboren ward, ^dem ist
kein Heil beschieden, elend und kümmerlich und arm wird er leben auf
der Erde* (quihiotinemiz ompa onquiztinemiz yn tlalticpuc). Insbesondere
aber hatten diese Tag^e eine vorbedeutende Kraft für das ganze Jahr:
ayac teauaya, ayac manaya^ auh yn aca oncan teaua.^ quilmach cenquicui,
„Niemand zankte, Niemand Hess sich in einen Streit ein; denn wer an
diesen Tagen zankte, von dem glaubte man, dass er es immer fortsetzen
würde'', — heisst es im aztekischen Text des Sahagun. Und noch aus-
führlicher an einer anderen Stelle, die Sahagun mit folgenden Worten
wiedergibt: — „guardabanse en estos dias fatales, de dormir entre dia, ni de
renir unos con otros, ni de tropezar, ni de caer, porque deciau que si
alguna cosa de estas les acontecia que siempre les habia de acontecer
adelante''.
8. Zur mexikanischen Chronologie. 5 1 1
Derselben Vorstellung begegnen wir in Yucatan. Man gieng an diesen
Tagen so wenig wie möglich aus dem Hause, wusch und kämmte sich
nicht, und nahm sich ganz besonders in Acht, irgend welche niedrige oder
mit Beschwerden verbundene Arbeit vorzunehmen, ohne Zweifel, weil man
der Ueberzeugung lebte, dass das dann das ganze folgende Jahr so fort-
gehen würde. Verhielten sich aber die Mexikaner diesen Tagen gegenüber
mehr passiv, indem sie sich hüteten, Unheil für das folgende Jahr herauf-
zubeschwören, so machten es die Maya gründlicher, sie schafften in diesen
Tagen, vorbedeutend für das ganze Jahr, das Unheil, was etwa drohen
könnte, heraus. Sie fertigten aus Thon ein Bild des Unheildämons an,
uuayayab^ d. i. u-uayab-haab, „durch den das Jahr vergiftet wird", stellten
es der Gottheit gegenüber, die in dem betreffenden Jahre das Regiment
führte, und brachten es dann in der Himmelsrichtung, der das neue
.lahr angehörte, aus dem Dorf heraus.
Von diesen fünf Tagen heisst es nun in den Autoren gewöhnlich, „sie
wurden nicht gezählt". Und man stellt sich dabei vor, dass die übliche
Bezeichnung der Tage mit Ziffern und Zeichen auf diese Tage nicht an-
gewendet worden sei. Richtig ist, dass schon der aztekische Text des
Sahagun zu dieser Auffassung Veranlassung gibt. Denn dort heisst
es von den nemontemi: — yn aoctle yntoca tonalli, yn aocmo ompouih, yn
aocmo ompouhque, „die Tage haben keine Namen mehr, sie werden nicht
mehr gezählt". — Und weiter unten: — ca atle ytonal, ca atle ytoca . . .
cu nel amo ompouhque atle ypouallo, „sie haben kein Zeichen, keinen
Namen . . . denn sie wurden in Wahrheit nicht gezählt". — Noch deut-
licher spricht sich Durän aus: — „los cinco dias que sobraban, tenianlos
esta nacion por dias aciagos, sin cuenta ni provecho; asi los dejaban en
blanco, sin ponerles figura ni cuenta, y asi los llamaban nemontemi, que
quiere decir dias demasiados y sin provecho". — In Yucatan wurden diese
Tage auch direkt als xma kaba kin, „Tage ohne Namen" bezeichnet.
Und was Dur an angibt, sehen wir im Landa dargestellt; in dem von ihm
aufgezeichneten Kalender sind die fünf überschüssigen Tage in blanco
aufgeführt, ohne Ziffer und ohne Zeichen. Soll man daher in der That
meinen, dass diese Tage die fortlaufende Towa/a^wa^Z-Rechnung unter-
brachen? Ich glaube nicht. Das acavi pouhqui und aocmo ompouhque
besagen nicht, dass diese Tage aus der Rechnung herausfielen, sondern,
wie auch Sahagun ganz richtig erläutert, dass keine Feste an ihnen
gefeiert wurden, dass sie als zu bürgerlichen Handlungen unbrauchbar
und werthlos galten. Vgl. acan ompoui: „cosa insufficente y falta, 6 per-
sona de quien no se hace caso" (Molina). Denselben Sinn werden wir
auch der Phrase atle ytoca und der Maya-Bezeichnung a;ma kaba kin unter-
legen müssen. Und wenn nach Durän und Landa diese Tage weiss
gelassen wurden, so bedeutete das wohl nur, dass man sich scheute, diese
Unglückstage irgendwie zu nennen. Stillschweigend wurden sie weiter
512 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
gezählt. Sonst könnte z. B. Landa nicht angeben, dass die auf einander
folo-enden Jahre mit der „letra dominical", kan, muluc^ ii\ cauac, d. h. dem
IV. IX. XIV. XIX. Zeichen, begönnen, sondern man müsste annehmen,
wie es der alte Gama allerdings, aber zweifellos irrthümlich, tlmt, dass
alle Jahre mit derselben Ziffer und demselben Zeichen begannen.
Ebenso unrichtig ist es, was Gama (Dos piedras p. 75) angibt, dass
die fünf Tage nemontemi der „Acompanados'' entbehrten, d. h. dass die
immer wiederholten Reihen der neun sogenannten „Senores de la noche",
die neben den Zeichen der Tage fortlaufend weiter gezählt wurden,
nur bis zu dem 360. Tage des Jahres geführt wurden. Die Hauptquelle
Gama's für seine Angaben bezüglich der alten Chronologie sind die in
mexikanischer Sprache geschriebenen Aufzeichnungen des D. Cr istoval
del Castillo, eines Indianers aus vornehmem tetzkokanischem Geschlecht,
der im Jahre 1606 als alter, SOjähriger Mann das Zeitliche segnete.
Seineu Aufzeichnungen ist ohne Zweifel auch der Kalender entnommen,
den Gama auf S. Q2 — 75 seines Buches abdruckt, der also eigentlich die
Autorität noch ungebrochener Tradition für sich haben sollte. Dieser
Kalender lässt das Jahr mit ce cipactli, d. i. 1 I, beginnen und zählt die
nemontemi mit Ziffer und Zeichen weiter (10 I, 11 II, 12 III, 13 IV, 1 V).
Aber die Reihe der 9 „Senores de la noche" bricht mit dem 360. Tage des
Jahres ab. Orozco y Berra hat die Vermuthung aufgestellt, dass der
Sinn dieser doppelten Zählung der gewesen sei, die Tage des Jahres,
denen nach der Towa/ama^/- Rechnung die gleiche Benennung mit Ziffer
und Zeichen zukommen würde, durch den beigesetzten „Acompanado" zu
unterscheiden. In der That, wenn der erste Tag des Jahres, als den
Gama den 9. Januar nimmt, mit 1 I bezeichnet würde, so würde dem
261. Tage des Jahres, d. h. dem 26. September, dieselbe Benennung zu-
kommen. Von den ,,Acompanados", den neun Herren der Nacht, aber
würde, wenn der erstere Tag (11=9. Januar) den ersten (Xiuhtecutli Tletl)
als Begleiter erhielte, dem letzteren Tage (1 1 = 26. September) als Begleiter
der neunte (jQuiauitl-Tlaloc) zukommen, denn 260 : 9 = 28 -)- 8. Wäre die
Gama'sche Angabe richtig, dass die nemontemi der „Acompanados" ent-
behren, so würden die auf einander folgenden Jahre immer mit demselben
„Acompanado" anfangen. Das ist aber thatsächlich nicht der Fall. Es gibt
in einer der Handschriften, und zwar in dem schönen Codex Borbonicus,
zwei Blätter (21 und 22), auf denen die 52 Jahre des mexikanischen Zyklus
abgebildet sind; und neben jedem sehen wir einen der neun „Senores de la
noche", der also doch wohl derjenige sein muss, der auf den Anfangstag
des betreffenden Jahres fiel. Diese bei den Anfangstagen der Jahre
stehenden neun Herren sind aber in den aufeinander folgenden Jahren
nicht die gleichen. Allerdings sind es merkwürdiger W^eise, wie sowohl
der Herausgeber wie der Kommentator dieser Handschrift schon gesehen
haben, nicht diejenigen, die bei einer fortlaufenden W^eiterzählung der
8. Zur mexikanischen Chronologie. 513
neun Herren auf die Anfangstage der Jahre fallen würden, sondern ein
für alle Mal die, die in dem (mit 1 cipactli beginnenden) Normal-
Tonalamatl mit den Namen der betreffenden Tage verbunden sind.
Diese Bilder der neun Herren standen also zu den Tagen des TonalamatVs
in festem "Verhältniss, wurden aber mit diesem Tage selbst, sowohl in den
360 ersten, wie in den unglücklichen fünf letzten Tagen des Jahres, auf-
geführt.
An die nemontemi knüpfen sich nun auch die ältesten Angaben über
Einschaltungen, die angeblich von den Mexikanern in bestimmten Perioden
vorgenommen worden seien, um ihr Jahr von 365 Tagen mit der wirk-
lichen Länge des Sonnenjahres in Uebereinstimmung zu bringen. In der
Ueberschrift zu dem 19. Kapitel seines zweiten Buches sagt P. Sahagun:
— «Hay conjetura que cuando ahujeraban las orejas a los niiios y ninas,
que era de cuatro en cuatro aiios, echaban seis dias de nemontemi^ y es lo
mismo del bisiesto, que nosotros hacemos de cuatro en cuatro aiios." —
Und ähnlich an einer anderen Stelle: — „Otra fiesta hacian de cuatro en
cuatro anos ä honra del fuego, en la quäl ahujeraban las orejas ä todos
los ninos, y la llamaban piUauanaliztli, y en esta fiesta es verosimil y hay
conjeturas que hacian su bisiesto, contando seis dias de nemontemi.^'' —
Wohl gemerkt, der Pater sagt: — „es verosimil y hay conjeturas".
Er sagt nicht, dass er das gehört hat, und in der That findet sich in dem
aztekischen Text an den betreffenden Stellen auch kein Wort davon. Die
Vermuthung des P. Sahagun wird von späteren Autoren als Gewissheit
ausgesprochen. So gibt es der gelehrte Dominikaner P. Buxgoa für die
Mixteca und die Bewohner von Tehuantepec an (Geografica Descriptio, cit.
bei Orozco y Berra, H. p. 136), ohne indes irgend einen Beleg für
seine Behauptung zu erbringen. Von anderen alten Autoren dagegen wird
dieser Vermuthung geradezu widersprochen. P. Motolinia, der zu den
ersten Missionaren gehörte, die ins Land kamen, sagt: — „Los indios
naturales de esta Nueva Espana, al tiempo que esta tierra se ganö y
entraron en ella los Espanoles, comenzaban su ano en principios de Märzo;
mäs por no alcanzar bisiesto, van variando su afio por todos los
meses." — Derselben Ansicht ist P. Torquemada. Und der Autor der
Chronica de la S. Provincia del Santissimo Nombre de Jesus de Guatemala
vom Jahre 1683 bemerkt: — „porque como ni los Mexicanos ni estos (los
Guatimaltecas) alcanzaron el bisiesto . . . se apartaban y diferenciaban de
nuestro calendario, y asi ni estos ni los Mexicanos comenzaban siempre
SU aüo a primero de nuestro Febrero, sino que cada cuatro aiios se abra-
saban un dia ..." — In der That, wäre thatsächlich eine solche Ein-
schaltung vorgenommen w^orden, so wäre die Periode von 52 Jahren und
die konsequente Weiterbezeiclmung der Tage innerhalb derselben ein Un-
ding. Oder wenigstens diese Einschaltung hätte als wichtiger Faktor in
jeder, über den Zeitraum von vier Jahren hinausgehenden Aufzählung
Seier, Gesammelte AbhaDcilunKen I. 33
514 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
notirt werden müssen. Davon habe ich aber weder in den aztekischen,
noch in den Maya-Handschriften bisher eine Spur entdecken können.
Der Schwierigkeit sich bewusst, in dieser Weise eine Uebereinstim-
mung der alten indianischen Chronologie mit der richtigeren europäischen
Zeitrechnung herzustellen, haben Spätere gemeint, dass am Ende des
aiuhmolpilli, der Periode von 52 Jahren, eine ganze Woche von 13 Tagen
eingeschoben worden sei. Es ist der gelehrte Jesuit D. Carlos Sigüenza
y Göngora, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lebte, auf
den ohne Zweifel diese Theorie zurückzuführen ist. Das Werk dieses
Autors, „Ciclografia Mexicana", ist, wie es scheint, verloren gegangen.
Aber Gemelli Carreri und Clavigero berufen sich auf ihn. Sigüenza
hatte wichtige Dokumente zur Disposition, Papiere und Bilderschriften,
die D. Juan de Alva Ixtlüxochitl^ einem Abkömmling der tetzkokanischen
Königsfamilie, gehört hatten, und er war ein geschulter Astronom. Seine
Vermuthung wäre auch um deshalb annehmbarer, weil sie die Ordnung
der Tage innerhalb der 52 jährigen Periode unangetastet lässt. Trotzdem
meine ich, dass auch seine Angaben auf unbegründeten Yermuthungen
beruhen. An keiner Stelle der alten Autoren ist zu ersehen, dass am
Ende der 52jährigen Periode ein 13 Tage währendes Fest gefeiert worden
sei. Es handelt sich immer nur um die eine Nacht, die Wende des Jahr-
hunderts, in der das Volk unter Zittern und Zagen das Aufflammen des
neuen Feuers auf dem TJixachtepec erwartete. Und in den Bilderschriften
finden wir Zeiträume aufgezeichnet, die über die Periode von 52 Jahren
hinausgeiieiü und wo die Ordnung der Tage ohne Sprung aus der einen
in die andere Periode übergeführt ist. Vgl. z. B. die Blätter 46 — 50 der
Dresdener Handschrift, die bekannten Blätter, auf denen E. Förstemann
die Reihe der um 236, 90, 250 und 8 Tage von einander abstehenden
Daten nachgewiesen hat. Auf ihnen sind, von dem Tage 1 ahau,
dem 13. des Monats Mac^ beginnend, 13x2920 Tage, oder 13x8, d. h.
2 X 52 oder 104 Jahre durch in regelmässigen Distanzen von einander ab-
stehende Daten verzeichnet, ohne Sprung irgend welcher Art zwischen
dem einen und dem anderen der beiden 52jährigen Zyklen. Noch weit
grössere Zeiträume sind auf den hinteren Blättern der Dresdener Hand-
schrift durch ohne Sprung fortlaufende und von Kontrolzahlen begleitete
Daten belegt.
Doch auch die Vertheidiger der Einschaltung berufen sich auf Hand-
schriften. Clavigero (IL Q'l') sagt: „Questi tredici giorni erano gl'inter-
calari, segnati nelle lor dipinture con punti turchini: non gli con-
tavano nel secolo giä compito, neppur nel seguente, ne continuavano in
essi i periodi di giorni, che andavano sempre numerando dal primo siuo
allo ultimo giorno del secolo". — Clavigero selbst hat solche Hand-
schriften nicht gesehen. Er beruft sich auf D. Carlos Sigüenza. Die
Materialien, die Sigüenza besass, sind, wie es scheint, zum grössten Theil
8. Zur mexikanischen Chronologie. 515
in den Besitz Boturin i's übergegangen. In Folge der Beschlagnahme
durch die vizekönigliche Verwaltung verschwanden sie vom Schauplatz.
Ein Theil befindet sich in der Anbin' sehen Sammlung, deren gegen-
wärtiger Besitzer Herr Eugene Goupil in Paris ist. Ich glaube nicht,
dass darunter sich Papiere befinden, die die obigen Angaben Clavi-
gero's rechtfertigen. Doch habe ich in einer Maya-Handschrift blaue
Zahlzeichen gesehen, die im Sinne einer Korrektur, also auch vielleicht
einer Einschaltung, gedeutet werden könnten. Auf den Seiten 23 und 24
des Codex Perez, des Manuskript Mexicain Nr. 2 der Bibliotheque natio-
nale in Paris, finden sich 13 Kolumnen von je fünf Tagesdaten, die von
hinten nach vorn und von oben nach unten gelesen werden müssen, wie
die Rechnung und wie die Stellung der Hieroglyphen ergibt, die hier —
abweichend von der sonst in den Maya-Handschriften befolgten Schreib-
weise, — ihre Stirnseite nach hinten (nach rechts) kehren. Die einzelnen
Daten in der Reihe differireu um je 28 Tage und das letzte Datum der
ersten (obersten) Reihe von dem ersten Datum der zweiten Reihe eben-
falls um 28 Tage. Es sind also im Ganzen 5x13x28 oder 7x260 Tage,
d. h. der Zeitraum von 7 Tonalamatl Die zu den Tagesdaten gehörigen
ZiflPern sind, wie üblich, mit rother Farbe geschrieben, aber über oder
unter jeder Zifferkolumne ist mit blauer Farbe eine andere Ziffer ge-
schrieben, die ein um 20 Tage weiter liegendes Datum bezeichnen
würde. Eine Korrektur liegt augenscheinlich vor, aber es ist zweifelhaft,
ob man das als eine Art Einschaltung aufzufassen hat. Es ist eine Kor-
rektur, die angibt, was für ZiflFern den Daten zukommen, wenn der An-
fang der ganzen Reihe um eine Einheit von 20 Tagen weiter hinaus-
geschoben wird.
Eine Variation hat Leon y Gama in der Sigüenza' sehen Ein-
schaltungstheorie angebracht, indem er angibt (Dos Piedras p. 52, 53),
dass die alten Mexikaner am Schlüsse eines Doppelzyklus von 104 Jahren
25 Tage, oder am Schlüsse des 52jährigen Zyklus 1272 Tage eingeschaltet
und demgemäss die Tage des einen Zyklus am Morgen, die des anderen
am Abend angefangen hätten. Doch das ist eitel Spekulation. Die An-
nahme endlich des Jesuiten Fabrega, der sich auch A. v. Humboldt
(Vue des Cordilleres, IL p. 81) anschliesst, dass die Mexikaner am Schlüsse
einer Grossen Periode von 20 Zyklen oder 1040 Jahren sieben Tage
unterdrückt und dadurch ihr Jahr auf nahezu die genaue Länge des tro-
pischen Jahres gebracht hätten, beruht auf einem thatsächlichen Irrthum.
An der betreffenden Stelle des Codex Borgia 49 — 53 (= Kingsborough 6()
bis Q)'r) handelt es sich keineswegs um einen so langen Zeitraum. Die
einfache Reihe der 20 Tageszeichen ist dargestellt von malinalli = XII
auf Blatt 49 ausgehend und mit o^omatli = XI auf Blatt 53 endend. Die
Zeichen sind ohne Zweifel ursprünglich auf vier Seiten eines Vierecks
vertheilt gedacht, mit dem letzten (opomatlz) in der Mitte.
33*
516 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Ist nun eine Einschaltung in keiner Weise als sicher zu erweisen, so
erhebt sich um so drängender die Frage: wie fanden sich die Mexikaner
mit ihrem Zeitrechuungssystem in der wirklichen Zeit zurecht? Mussteu
sie nicht gar bald merken, dass ihre Jahresfeste, die doch in bestimmte,
durch den Lauf der Sonne, den Wechsel von trockener und nasser Zeit,
von Winterschlaf und Vegetationsfülle bedingte Jahresabschnitte fielen,
sich im Laufe der aufeinander folgenden Jahre gar merklich verschoben?
Ohne Zweifel haben sie es gemerkt, es ist aber sehr fraglich, ob man
überall gewusst hat, wie dem abzuhelfen sei. Und jedenfalls beruhen auf
dieser Unsicherheit, auf dem Fehlen von Einschaltungen, die konfusen
und widersprechenden Angaben, die von den Indianern selbst über die
Zeit ihres Jahresanfanges und die wirkliche Zeit ihrer verschiedenen Feste
zu erlangen waren. „Es de notar", — sagt Sahagun am Schlüsse des
7. Buches, — •»Ci^i© discrepan mucho en diverses lugares del principio del
aiio: en unas partes me dijeron que comenzaba ä tantos de Enero: en
otras que a primero de Febrero: en otras que a principios de Marzo. En
el Tlaltelolco junte muchos viejos, los mas diestros que yo pude aver, y
juntamente con los mäs häbiles de los colegiales se altercö esta materia
por muchos dias, y todos ellos concluyeron, diciendo, que comenzaba el
aüo el segundo dia de Febrero."
Die an den Lauf der Jahreszeiten geknüpften Feste mit ihrem ent-
wickelten Zärimoniell sind ohne Zweifel uralte Uebung und wurden ähn-
lich über weite Theile des Landes gefeiert. Die Fixiruug des Jahres-
anfangs steht mit diesen Festen in enger Verbindung und war ebenfalls,
wie mit Bestimmtheit anzunehmen ist, über weite Theile des Landes ur-
sprünglich dieselbe. Je früher aber ein Stamm die vage Feststellung
derselben nach dem Lauf der Sonne und dem Stand der Feldarbeiten auf-
gab, und die Priester an der Hand der fortlaufenden Tbwa/a7??örZ-Rechnung
über die Feste Buch zu führen begannen, desto mehr mussten sich für
diesen Stamm der Jahresanfang und die Feste oder das Verhältniss der-
selben zum Jahresanfang verschieben.
Es ist Grund vorhanden, anzunehmen, dass dasjenige, was die von
Sahagun in Tlaltelolco zusammenberufene Indianerkonferenz schliesslich
feststellte, nämlich dass das Jahr mit dem Quauitleua, dem Fest der
Regengötter (^Tlaloqw'), und am 2. Februar der christlichen Zeitrechnung-
begonnen habe, dem ursprünglichen Brauch ungefähr entsprochen habe.
Denn in dem weit entfernten und von einer anderen Kulturnation be-
wohnten Yucatan finden wir die Anklänge daran in der Angabe Landa's,
dass die Maya in einem der beiden sogenannten Monate (eigentlich Ein-
heiten von 20 Tagen) CTien und Ycuc, d. h. ungefähr im Monat Januar, an
einem Tage, den die Priester, ohne Zweifel nach der von ihnen geführten
Chronologie, besonders bestimmten, den Regengöttern (Chac) das Fest
Ocnc/j d. h. „Eintritt in das Haus" oder, wie Landa übersetzt, „Er-
8. Zur mexikanischen Chronologie. 517
neuerung des Tempels", gefeiert hätten. — „Miraban los pronosticos
de los Bacabes^'-, — d. h. sie stellten fest, nach der Gottheit, die für das
Jahr entscheidend war, ob das Jahr gut oder böse sein würde, — „y demas
desto renovavan los idolos de barro y sus braseros, y si era menester,
hacian de nuevo la casa 6 renovabanla, y ponian en la pared la memoria
destas cosas con sus caracteres". — Also Feststellung des Charakters, den
das Jahr haben wird, und Erneuerung der Kultusgegenstände und des
Hausgeräthes, — Zärimonien, deren ursprünglicher Sinn nur der sein kann,
dass man in diese Zeit den Anfang des Jahres setzte. In der That
scheinen auch die den Maya nahe verwandten Zötzil von Chiapas das Jahr
mit dem Monat chen^ der bei ihnen tzun^ d. h. „Anfang", lautet, begonnen
zu haben (vgl. Pineda, zitirt bei Orozco y B erra, II. p. 142). Bei-
läufig bemerke ich, dass, wie wir hier das Neujahrsfest der Mexikaner bei
den Maya wiederfinden, so hat auch die Art und Weise, wie ein halbes
Jahr später, im Monat Juli, die Maya ihr eigentliches Neujahr feierten,
indem sie in solenner Weise das Unheil aus dem Dorfe herausbrachten,
ein Analogen bei den Mexikanern in dem im August gefeierten Besenfest
{Ochpaniztli).
Die Feststellung der Indianerkonferenz von Tlaltelolco, dass der erste
Tag Quauitl eua auf Anfang Februar gefallen sei, muss auch deshalb als
dem wirklichen Brauch ungefähr entsprechend angesehen werden, weil bei
dieser Annahme die verschiedenen Feste den Jahreszeiten, in die sie
fallen, angepasst sind: das 6. Fest, Etzalqualitztl% das dem Einsetzen der
Regenzeit gilt, auf den 13. Mai. Der aus tetzkokanischen Quellen
schöpfende D. Cristobal de Castillo, welchem Gama folgt, lässt das
Jahr mit dem um zwei Zwanziger zurückliegenden Feste Tititl beginnen,
setzt aber dafür den Anfang des Jahres um volle 24 Tage früher an, so
dass das dem Einsetzen der Regenzeit geltende Fest Etzalqualiztli bei ihm
auf den 29. Mai fällt. Der Interpret des Codex Yaticanus A nimmt an
einer Stelle den 15., an einer anderen den 24. Februar als Anfang des
Jahres an. Darnach würde Etzalqualiztli auf den 26. Mai, bezw. den
4. Juni fallen. Clavigero mit dem 26. Februar, Duran mit dem I.März
als Jahresanfang würden sich auch noch nicht allzuweit von dem, durch
die Natur der Jahreszeiten Angezeigten entfernen, Etzalqualiztli^ das Ein-
setzen der Regenzeit, würde auf den 6., bezw. 9. Juni fallen. Wir hätten
für das letztere, in dem Leben der Kulturvölker Mexiko's besonders
wichtige Ereigniss einen Spielraum von der ungefähren Dauer eines
unserer Monate, — einen Spielraum, der dem natürlichen Verhalten durch-
aus entspricht. Wenn endlich tlaxkaltekische Quellen das Jahr mit Ate-
moztli, also einem drei Zwanziger vor Quauitl eua fallenden Feste, be-
ginnen lassen, so ergibt das, den spätesten Termin, den wir eben fanden,
für Quauitl eua augesetzt, als Jahresanfang den letzten Dezember, — eine
Angabe, die also den eigentlichen Jahresanfang wieder auf die sowohl
518 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
den Mexikanern, wie den Maya bedeutungsvolle Zeit, die Mitte der
trockenen Jahreszeit, verlegt. Die Thatsache selbst aber, dass die
nemontemi., die Schluss- und Ergänzungstage des Jahres, bald vor Quauitl
eua, bald vor Tititl, bald vor Atemoztli, oder andererseits, wie nach der
guatemaltekischen Cronica Franciscana von 1683 bei den Cakchiquel
üblich war, vor Tlacaxipeualiztli gesetzt wurden, beweist, dass bei den
Mexikauern sich die Feste verschoben, dass ihre Jahre thatsächlich zu
kurz waren und sie in beständiger Unordnung mit ihrem Festkalender
lebten.
Wenn aber die Feste sich bei den Mexikanern, in Folge ihrer Un-
fähigkeit, die wirkliche Länge des Jahres in dem System ihrer Chronologie
zum Ausdruck zu bringen, beständig verschoben, so bot andererseits die
Tonalamatl-^echnung ein festes Gerüst dar, das, von kundiger Priester-
hand weiter geführt, über den Zeitraum, der einen bestimmten Tag von
einem anderen trennte, keinen Augenblick in Zweifel Hess. Nur an einer
Stelle kommt auch hier die Unsicherheit der mexikanischen Chronologie
zum Ausdruck, das ist in dem Anfaugstage ihrer Jahre und in der Be-
nennung, die, diesem Anfangstage entsprechend, den verschiedenen Jahren
zukam.
Wenn, wie ich oben anführte, aus dem System des TonalamaÜ und
der Annahme eines Jahres von 365 Tagen mit Xothwendigkeit folgt, dass
von den 20 Zeichen der Tage auf die Anfangstage der Jahre nur vier,
und zwar vier um je fünf Zeichen von einander abstehende Zeichen fallen,
und wir weiter finden, dass allgemein die Jahre nach vier um je fünf
Zeichen von einander abstehenden Tageszeichen benannt wurden, so ist es
zunächst das Natürlichste, anzunehmen, dass es eben die Anfangstage der
Jahre waren, nach denen diese Jahre selbst benannt worden siud. Das
scheint nun aber nicht, oder wenigstens durchaus nicht durchgängig, der
Fall gewesen zu sein.
Bei den Mexikanern wurden die Jahre mit den Zeichen acatl (Rohr),
teopatl (Feuerstein), calli (Haus), tochtli (Kaninchen), d. h. dem XIII.,
XYni., III. und VIII. der 20 Tageszeichen bezeichnet. Denen entsprechen
genau die chiapanikischen been^ chinax^ votan, latnbat, während in Yucatan
für die aufeinander folgenden Jahre die Zeichen kan, muluc, ix cauac^ d. h.
das IV., IX., XIV. und XIX. Tageszeichen gebraucht wurden. Die vier
Zeichen acatl^ tecpatl, calli^ tochtli wurden auf den vier Armen eines Haken-
kreuzes in der Weise eingetragen, wie es die auf Seite 519 stehende
Figur zeigt. Indem man nun die Spirale im entgegengesetzten Sinne der
Drehung des Uhrzeigers verfolgte, gelangte man von 1. acatl über 2. tecpatl,
3. calli^ 4. tochtli nach 5. acatl u. s. f. bis 13. tochtli. Wie das schon diese
Eintragung an die Hand gab, wurden jedesmal die auf einem Arm des
Hakenkreuzes eingetragenen Jahre einer bestimmten Himmelsrichtung zu-
gewiesen, die acatl-Jahre dem Osten, tecpatl dem Norden, calli dem Westen,
8. Zur mexikanischen Chronologie.
519
tochtli dem Süden. Die Zählung innerhalb des Zyklus begann im Osten
mit den aca^Z- Jahren, aber nicht mit 1. acatl^ sondern merkwürdigerweise
mit 2. acatl, so dass also der Zyklus mit 1. tochtli sehloss. Die gegen-
wärtige Weltperiode begann, so glaubten die Mexikaner, im Jahre 1 tochtli.
In diesem wurde die Erde geschaffen, oder vielmehr der am Schlüsse der
letzten prähistorischen Weltperiode eingestürzte Himmel wieder empor-
gehoben. Aber erst nachdem das vollzogen, konnte das Feuer neu er-
rieben und damit der erste 52jährige Zyklus begonnen werden. So ist es
ausdrücklich in dem Codex Fuenleal, der „Historia de los Mexicanos por
sus pinturas", gesagt. Darum ist 2. acatl das Anfangsjahr des ersten und
aller folgenden Zyklen. Als solches ist es auch in sämmtlichen Bilder-
schriften historischen Inhalts durch den daneben gesetzten Feuerbohrer
bezeichnet. Die Angabe des Interpreten zu Codex Telleriano-Remensis,
lY. 24, auf welche Orozco y Berra so viel Gewicht legt, dass erst im
Jahre 1506 unter Motecuhfoma der Beginn des Zyklus von 1. tochtli auf
2. acatl verlegt worden sei, wegen der Hungersnötlie, die in den ersteren
Jahren regelmässig eingetreten seien, ist nur ein Versuch, den merk-
würdigen Umstand, dass der Zyklus mit der Ziff'er 2 beginnt, in euheme-
520 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
ristischer Weise zu erklären. Die Angabe des Clavigero aber, dass der
Zyklus mit 1. tochtli begonnen habe, ist einfach irrig. Sie widerspricht
den Berichten der alten Autoritäten und dem, was die Dokumente
uns lehren.
Mit welchem Tage begannen nun die Jahre? Durän und Cristöbal
delOastillo lassen das Jahr mit cipactli, dem ersten der "20 Tageszeichen,
beginnen. Und ist dieses als der Anfaugstag der einen Jahre anzusetzen,
so würden die anderen mit miquiztli, ofoinatli, cozcaquauhtli, dem VI., XI.
und XYI. Tageszeichen, beginnen. So nimmt es auch Clavigero an, der
die tochtli-, acatl-^ tecpatl-, colli-Jahre entsprechend mit dpactli, miquiztli,
ocomatli, cozcaquauhtli beginnen lässt. Ich selbst habe früher in gleicher
Weise gemeint, dass die Jahre acatl, tecpatl, calli, tochtli mit den Tagen
dpactli, miquiztli, ofoviatli, cozcaquauhtli als Anfangstagen zu verbinden
seien, auf das Blatt 27 (= Kingsborough 12) des Codex Borgia mich
stützeird, dem Codex Yaticauus B 69 (= Kingsborough 28) entspricht. Hier
sieht man die fünf Himmelsrichtungen durch fünf Figuren Tlaloc's, des
mexikanischen Regengottes, repräsentirt, von denen die eine die Mitte
des Blattes einnimmt, die anderen an die vier Ecken vertheilt sind. Unter
den letzten Figuren sind die Zeichen der vier Jahre augegeben, und zwar
in der That in derselben Weise, wie ich das oben angenommen habe, den
Zeichen der genannten vier Tage koordiuirt. Es ist mir aber neuerdings
doch zweifelhaft geworden, ob das wirklich als Beweis dafür anzusehen
ist. dass die Mexikaner die acatl-, tecpatl-, calli-, tochtli-iahie mit den
Tagen dpactli, miquiztli, ogomatli, cozcaquauhtli begannen. Denn die ge-
nannten Blätter der beiden Handschriften lassen sehr wohl eine andere
Erklärung zu. Xicht nur die Jahre des Zyklus nämlich wurden in die vier
Himmelsrichtungen vertheilt, sondern auch die vier Abschnitte des mit
1. dpactli beginnenden Tonalamatl's. Die Anfangstage dieser vier Viertel
wurden in dem zapotekischen Kalender, — der, wie wir sehen werden,
vielleicht eine der urwüchsigsten Formen dieses chronologischen Systems
darstellt, — geradezu als die codjo oder pitäo, d. h. „die Halter der Zeit",
„die Regengötter" oder ..die Grossen", „die Götter", bezeichnet. In diesem
Namen ist also direkt Bezug genommen auf die r/a/oc-Figureu. die wir in
Codex Borgia 27 (= Kingsborough 12) und Codex Yaticanus B 69 (= Kings-
borough 28) als Repräsentanten der Himmelsrichtungen dargestellt sehen.
Und die unter letztere gesetzten Tageszeichen bedeuten eben die Anfangs-
tage der Towa/awzö^/-Abschnitte und die Anfangsjahre der Zyklenabschnitte,
die den Himmelsrichtungen koordinirt gedacht wurden.
Die Weisheit der mexikanischen Priester-Chronisten erschöpfte sich
in dem Ausbau des Tonalamatl nach seiner zahlentheoretischen und seiner
augurischen Seite. Wir haben, — abgesehen von einer Stelle der Maya-
Handschriften, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde, — in
der ganzen Masse der vorspanischer Zeit angehörenden Bilderschriften
8. Zur mexikanischen Chronolofrie. '521
keine einzige, wo die auf einander folgenden Jahre mit ihren Anfangs-
tagen aufgezählt wären. Dieser Umstand allein muss uns schon miss-
trauisch machen gegenüber den Feststellungen Durän's und Christobals
del Castillo. Denn cipactli, der Anfangstag des TonalamatVs., und die
folgenden Zeichen werden in den Handschriften allgemein etwa wie unsere
Ziffern 1 — 20 verwendet. Für den Maya-Kalender gibt ja Bischof Lan da
auch geradezu an, dass der Anfangstag der Jahre und der Anfangstag des
TonalamatVa absolut nichts mit einander zu tliun gehabt hätten. Zieht
man die Verwirrung in Betracht, die, wie ich oben auseinandersetzte, in
Mexico bezüglich des Jahresanfangs herrschte, so kann man sich der Vor-
stellung nicht erwehren, dass auch die Anfangstage der Jahre im Laufe
der Zeiten sich verschoben, also nicht immer die gleiche Benennung be-
halten haben können. Wird aber dies einmal zugegeben, so gewinnt die
Thatsache, dass man sich bemüssigt gefunden hat, die auf einander
folgenden Jahre gerade mit den Namen der Tage acatl^ tecpatl, calli,
tochtli zu benennen, verstärkte Bedeutung. Man kann es nicht gut ab-
lehnen, anzunehmen, dass zu der Zeit, als — und an dem Orte, wo — es
den Gelehrten zum ersten Mal aufgieng, dass auf die Aufangstage der Jahre
nur vier von den zwanzig Tageszeichen fallen, es gerade die Tage acatl,
tecpatl, calli, tochtli waren, mit denen die Jahre damals und an dem Orte
begannen, oder wenigstens, dass diese Tage, aus irgend welchen Gründen,
damals und an dem Orte zu Anfaugstagen der Jahre gewählt wurden.
Dass das in der That der Fall war, dafür sehe ich einen indirekten Be-
weis in dem Umstände, dass alte Berichte aus zwei abgelegenen und weit
von einander entfernten Ortschaften, aus Meztitlan an den Grenzen der
Huaxteca, und aus Nicaragua, die Reihe der zwanzig Tageszeichen mit
acatl beginnen lassen. Und ein direkter Beweis liegt in den Maya-Hand-
schriften vor. In der Dresdener Handschrift beginnen die Jahre nicht mit
kan, muluc, ü; cauac, dem IV., IX., XIV., XIX. Tageszeichen, mit denen
in späterer Zeit — nach Lan da und den Büchern des Chilam Balam zu
urtheilen, — die Maya ihre Jahre anfangen Hessen, sondern mit been,
etznah, akbal, lamat, d. i. dem XIII., XVIII., III., VIII. Zeichen, die den
mexikanischen acatl, tecpatl, calli, tochtli entsprechen.
In einer dem internationalen Amerikanisten-Kongress zu Berlin vor-
gelegten Abhandlung hat E. Förstemann, dem wir schon so viele schöne
Entdeckungen, insbesondere bezüglich der Mathematik der Dresdener
Handschrift, verdanken, den Nachweis geführt, dass die vielen hohen Zahlen,
die namentlich im zweiten Theile der Dresdener Handschrift nachweisbar
sind, den Tag 4 ahau (= 4 XX), den achten des Monats cumku (des letzten
der achtzehn Jahresfeste), als Nullpunkt voraussetzen, dergestalt dass,
wenn man von diesem Tage um die Anzahl der Tage, die die darüber
stehende ZifPer angibt, weiter zählt, man zu einem anderen Datum gelangt,
das, — wiederum genau durch Ziffer und Zeichen und Angabe des
52-2 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
wievielten welches Monats bezeichnet, — daneben hingeschrieben ist.
Förstemann hat nun sehr wohl gesehen, dass dieser Nullpunkt, 4 ahau,
8. cumku, zu dem übrigens alle übrigen Daten der Handschrift, —
ausser einigen wenigen Fällen, wo offenbare Verderbniss vorliegt, —
stimmen, mit der Landa'schen Angabe des Jahresanfangs nicht in Ueber-
einstimmung zu bringen ist. Er meint daher, dass 8. cumku wie ein
„heiliger Abend*' zu verstehen sei, der Tag, auf den der achte Tag des
Monats cumku folge. Das Künstliche dieser Erklärung hat Förstemann
gewiss am wenigsten befriedigt. Ich meine, 8. cumku kann doch wirklich
nicht gut etwas anderes, als der achte Tag des Monats cumku, sein. Lud
soll nun ein Tag 4 ahau (4 XX) der achte Tag des Monats cumku sein,
so muss der erste Tag dieses Monats ein Tag 10 been (10 XDl) sein, und
dann muss auch das Jahr mit been, dem XIIL Tageszeichen, dem mexika-
nischen Zeichen acatL anfangen. Die Anfangstage der Jahre waren dar-
nach also nicht das IV.. IX.. XIV., XIX. Tageszeichen (/ran, muluc, i.c,
cauac), sondern das XIIL, XVIIL, Ltl , VIII. Tageszeichen, d. i. been,
e'iznab, akbal, lamaf, oder mexikanisch acatl, tecpatl, calli, tochtli. Dass
dieses sich in der Dresdener Handschrift in der That so verhält, bestätigt
sich auch anderweit.
Auch die Maya theilten, ähnlich wie ich es oben von den Mexikanern
angegeben habe, die aufeinander folgenden Jahre des Zyklus den vier
Himmelsrichtungen zu. Die Bücher des Chilam Balam, von denen ich eine
von dem verstorbenen Dr. Bereu dt angefertigte Kopie in der Bibliothek
Prof. Brinton"s einzusehen Gelegenheit hatte, weisen übereinstimmend
die kan-Jahre dem Osten, die muluc-Jalhre dem Xordeu, die ir-Jahi'e dem
"Westen, die cauac-Jahve dem Süden zu. Landa widerspricht dem zwar.
Doch geht aus seinen Angaben die gleiche Beziehung hervor. Denn die
^aw-Jahre, die er dem Süden zuweist, waren die Jahre, wo, nach Landa,
man in den Tagen zuvor den für die kati-Jahre bezeichnenden Unheil-
dämon von der Südseite her in's Dorf holte und ihn dann nach der Ost-
seite, — d. h. doch wohl nach der für das neue Jahr bezeichnenden
Richtung, — zum Dorfe hinausbrachte. Und ähnlich in den übrigen
Jahren: der Chac-uuayayab wird vor Beginn der muluc- Jahre nach Xorden,
der Zac-uuayayab vor Beginn der a^r-Jahre nach Westen, der Ek-uuayayab
vor Beginn der cawac-Jahre nach Süden hinausgebracht. Welche Jahre
und welche Himmelsrichtungen werden nun in den Handschriften zu-
sammengebracht ?
An Hieroglyphen für die vier, bezw. fünf Himmelsrichtungen mangelt
es in den Handschriften nicht. Wir wissen genau, dass mit den Abb. 1
bis 4 die vier Kardinalpunkte und mit den Abb. 5 — 7, die augenscheinlich
A'arianten einer Hieroglyphe sind, die fünfte Himmelsrichtung, die Richtung
von unten nach oben, bezw. von oben nach unten, bezeichnet ward. Es
war aber bisher immer noch streitig, wie die Abb. 1 — 4 auf die vier
8. Zur mexikanischen Chronologie.
523
Himmelsrichtungen zu beziehen sind. Schultz-Sellack (Zeitschrift für
Ethnol., XL [1879J S. 221) und Leon de Rosny waren der Meinung, dass
die Abb. 1—4 bezugsweise den Osten, Norden, Westen, Süden bezeichnen.
H:
Cyrus Thomas in seinem Study of the Manuscript Troano vertauscht 1
und 3 und nimmt an, dass die erstere den Westen, die letztere den Osten
bezeichne. In seiner neueren, in dem Third Annual Report of the Bureau
524 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
of Ethnology veröffentlichten Arbeit kehrt er die ganze Ordnung um und
nimmt an, dass die Abb. 1 — 4 bezw. dem Westen, Süden, Osten, Norden
entsprechen. Die Argumentation aber, die ihn zu dieser Aufstellung führt,
ist augenscheinlich eine verfehlte. Richtig ist es, dass die ^lexikaner all-
gemein die Himmelsrichtungen in dem umgekehrten Sinne der Drehung
des Uhrzeigers einander folgen Hessen, wie dies ja auch in der auf S. 519
stehenden Figur angegeben ist. Aber was das Doppelblatt 41 und 42 des
Codex Cortes betrifft, auf das Cyrus Thomas sich stützt (vgl. die bei-
geheftete Tafel), so haben die dort den Quadranten eingeschriebenen
Hieroglyphen der Himmelsrichtungen, die Abb. 1 — 4, nicht, wie Professor
Thomas annimmt, Beziehung auf die in der linken Ecke der Quadranten
gezeichneten Daten 1. ix, 1. cauac, 1. kan, 1. muluc, sondern auf die ganze
Reihe der Tage, die in den betreffenden Quadranten theils durch ihre
Hieroglyphen, theils durch die die Hieroglyphen verbindenden Punkte be-
zeichnet sind. In dem Quadranten (unten), dem die Himmelsrichtung der
Abb. 1 eingeschrieben ist, sind, an der inneren linken Ecke beginnend
und über die äussere linke Ecke, die äussere rechte Ecke bis zur inneren
rechten Ecke einander folgend, die Tage vom 1. imix (1 I) bis 13. chicchan
(13 V) verzeichnet, d. h. das ganze erste Viertel des Tonalamatl. Und so
in dem im entgegengesetzten Sinne der Drehung des Uhrzeigers folgenden
Quadranten (rechts), dem die Himmelsrichtung der Abb. 2 eingeschrieben ist,
die Tage, welche das zweite Viertel des Tonalamatl bilden. Und weiter in
dem di'itten Quadranten (oben), dem die Hieroglyphe der Abb. 3 einge-
schrieben ist, das ^ritte Viertel, und in dem letzten Quadranten (links) mit
der Hieroglyphe der Abb. 4 das letzte Viertel des Tonalamatl. Da wir
nun wissen, dass die vier mit 1 I, 1 VI. 1 XI, 1 XVI beginnenden Viertel
des Tonalamatl' s, dem Osten, Xorden, "Westen, Süden zugeschrieben wurden,
so ist gerade dieses Doppelblatt des Codex Cortes der stärkste Beweis
dafür, dass Schultz-Sellack und Leon de Rosny im Recht waren, die
Hieroglyphen der Abb. 1 — 4 bezw. auf den Osten, Norden, Westen,
Süden zu beziehen.
Abb. 1 und 3 enthalten in ihrer unteren Hälfte ein Element, das in
dem Monatsnamen yaxkin (Abb. 10 und 11) enthalten ist und das zweifel-
los die Sonne (Hw), die nach den vier Himmelsrichtungen Strahlen ent-
sendende Scheibe, bezeichnet. In Abb. 10 und 11 ist dieses Element mit
einem anderen verbunden, das auch in der Hieroglyphe des Monatsnamens
yax (Abb. 9) vorkommt und das, wie ein Vergleich mit anderen Hiero-
glyphen vermuthen lässt, den Baum, den grünen (yax), bezeichnet. In
Abb. 1 ist das Element kin mit der Hieroglyphe des zwanzigsten Tages-
zeichens verbunden, das im Maya ahau lautet. Ahau oder abgekürzt ah
bedeutet „der Herr", „der König". Das Wort erinnert lautlich an das
Zeitwort ah, das „sich erheben", „aufwachen", „aufstehen'' bedeutet; ahal-ik,
„der Wind erhebt sich"; ahal-cab, „die Welt erwacht" (es wirdTag); ahi-cab,
2:1 e
Gegenüber Seite 524.
onamatl -Viertel. — chikin „Westen".
iTini!HiHTTm;r
'Q^^^\ Q/d^ny^ (vnä^
• «> •
OCH©
alaiiiatl -Viertel. — lakin „Osten".
e ^
Seier. Gesauinielle Ahhniidliiitireit l.
Dritter Abschnitt: Kalender um] Hieroij;Iy]tIieii-Eutzifieruiig. — 8. Zur mexikanischen Clu-onolugie
-Drittes Tonalnniatl-Viertel. — chikin „Westen
Erstes Tunaknintl -Viertel. — W™ „Osten«.
V I
1
xi
8, Zur mexikanischen Chronologie. 525
„seit dem Beginn der Welt". Die Hieroglyphe Abb. 1 würde also ahal-kin
zu lesen sein, „die Sonne erhebt sich", und das ist soviel wie hikin, der
eigentliche Maya-Ausdruck für die Himmelsrichtung des Ostens. In Abb. 6
dagegen ist das Element kin mit einem anderen verbunden, das als Hiero-
glyphe des siebenten Tageszeichens dient, im Maya manik lautet und dem
mexikanischen ma^atl, „Hirsch", entspricht. Das Element stellt eine Hand
dar mit den vier gegen den Daumen eingekrümmten Fingern. Ich habe
das so schon in meiner Abhandlung über die Tageszeichen der aztekischen
und der Maya- Handschriften oben S. 470 erläutert. Die eigentliche Be-
deutung war mir aber zur Zeit, als ich jene Abhandlung schrieb, unklar
geblieben. Es ist Zeichensprache für „essen". Als wir in der Huaxteca
reisten, einem Gebiet, das in alter Zeit und noch heute von einer Nation
bewohnt ist, deren Sprache sie als nahe Verwandte der Maya von Yucatau
erweist, wurde die Aufforderung zum essen, „vamos a comer", regelmässig
begleitet durch eine Geberde, bei der die in der Art der Hieroglyphe
manik eingekrümmte Hand zu wiederholten Malen an den Mund geführt
ward. Dass dieses Symbol als Hieroglyphe für manik, „der Hirsch", ge-
nommen wurde, hat seinen Grund wohl darin, dass der Hirsch als das
„Fleisch" xax e^o'/rjv, als „der, der gegessen wird", gedacht wurde. Im
Maya heisst „beissen", „essen", bezw. „gebissen, gegessen werden" chi.
Die Hieroglyphe Abb. 3 würde demnach chikin zu lesen sein, ,,wo die
Sonne gegessen wird", und das ist bekanntlich das Maya-Wort für die
Himmelsrichtung des Westens.
Die beiden anderen Hieroglyphen der Himmelsrichtungen, Abb. 2 und 4,
sind nicht phonetisch konstruirt. In Abb. 4 haben wir dasselbe Element,
das wir schon in den Abb. 9 — 11, den Hieroglyphen yax und yaxkin^
sahen, und das vielleicht den Baum, vielleicht aber auch das Produkt eines
bestimmten Baumes, den Kautschuk, bezeichnet. Wir sehen das Element in
Abb. 4 von Figuren umgeben, die als Rauch oder Feuer zu deuten sind.
Die Abb. 4 wäre also die Region des Feuers, der Süden. Die Abb. 2 zeigt uns
einen Kopf und einen Rachen, beide nicht selten in der Weise vereint, als ob
der Kopf in den Rachen gezogen würde (Abb. 31, 32, siehe folgende Seite).
Gelegentlich kommt als Variante des Rachens auch das entgegenblickende
Auge vor. Vgl. Abb. 33 aus Tro 24*a. Endlich kommt noch Tro 20*c
für die Hieroglyphe Abb. 2 die Hieroglyphe x4bb. 34 vor: statt des in den
Rachen gezogenen Kopfes ein von einer offenen Hand gehaltener oder
aufgenommener Kopf. Die Symbolik ist klar. Es ist der die Lebendigen
verschlingende Erdrachen, die Unterwelt, die, wie wir wissen, von den
Mexikanern nach Norden verlegt ward. Im Aztekischen wird der Norden
geradezu mictlampa, „Richtung des Todtenreichs", genannt. Noch rich-
tiger werden wir vielleicht, — da der in den Rachen gezogene Kopf
nicht ein gewöhnlicher Menschenkopf, sondern der Kopf einer Gottheit ist,
deren Gesichtszüge aus den Windungen einer Schlange gebildet sind, der
h
526
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
ein gewöhnlicher Begleiter des Regengottes Chac ist und daher als Wasser-
gottheit betrachtet werden muss — diese Hieroglyphe als die der Region
wo das Wasser verschwindet, d. h. des Nordens als der Region
der Dürre aufzufassen haben.
Die Analyse der Hieroglyphen führt also zu demselben Ergebniss, wie
das, das uns die Betrachtung von Codex Cortes 41, 42 an die Hand
gab, dass in der That die Hieroglyphen Abb. 1 — 4 in der alten, schon von
Schultz-Sellack angezeigten Weise auf die Himmelsrichtungen zu be-
ziehen seien, d. h. dass die Abb. 1 — 4 den Osten, Norden, Westen, Süden
bezeichnen.
Hier tritt indes zunächst noch eine Schwierigkeit auf, die zuvor zu be-
seitigen ist, ehe wir mit Vertrauen die bisher gewonnene Erkenntniss weiter
verwerthen. Schon Schellhas hat (Zeitschr. f. Ethnol., XVHI. S. 77) auf
die hieroglyphischeu Elemente der Abb. 19—22 (oben S. 523) aufmerksam
gemacht, die den Himmelsrichtungen in der Weise gesellt sind, dass sie,
je nach der Himmelsrichtung, den wechselnden Bestandtheil einer im
Uebrigen gleich zusammengesetzten Hieroglyphe bilden. So sind in der
8. Zur mexikanischen Chronologie. 527
Dresdener Handschrift Blatt 30 und 31b und Blatt 29 und 30 c die Hiero-
glyphen 13 — 16 je mit einer der Hieroglyphen der vier Himmels-
richtungen zusammengestellt. Und ähnlich sehen wir Blatt 30 und 31 c
dieselben Elemente der Abb. 19 — 22, je nach der Himmelsrichtung wechselnd,
den Bestandtheil einer anderen, im Uebrigeu nicht ganz so klaren Hiero-
glyphe bilden. Endlich sind dieselben Elemente Dresden 32 — 34b der
Haupthieroglyphe Chac's selbst angefügt und mit denselben Himmels-
richtungen zusammengestellt. Ich habe nun schon in meinem Aufsatze
über den Charakter der aztekischen und der Maya- Handschriften (oben
8. 41 1) die Vermuthung aufgestellt, dass diese, nach den Himmelsrichtungen
wechselnden hieroglyphischen Elemente die Bezeichnungen der Farben
seien. Wir wissen ja, dass die Mexikaner, wie die Maya und wie viele
andere amerikanische Völker, den Himmelsrichtungen bestimmte Farben
zuschrieben, und dass die Gegenstände oder "Wesen, deren verschiedene
Formen in den verschiedenen Himmelsrichtungen residirend gedacht wurden,
durch die der betreffenden Himmelsrichtung zukommende Farben unter-
schieden wurden. So wird im Landa, bei den Xma kaba Hw-Zärimonien,
je nach dem Jahre, bezw. je nach der Himmelsrichtung, ein gelber, rother,
weisser, schwarzer Bacab, ein gelber, rother, weisser, schwarzer Uuayayab,
ein gelber, rother, weisser, schwarzer Acantun genannt. Ist aber dies der
Fall, so muss das Element der Abb. 22 die Farbe ek^ „schwarz", bezeichnen.
Denn an beiden, oben angeführten Stellen der Dresdener Handschrift ist unter
der mit diesem Element versehenen Hieroglyphe der Regengott (6'Aac) in
schwarzer Farbe dargestellt (während er sonst weiss gelassen ist). Das
Element der Abb. 21 dagegen ist mit grosser Wahrscheinlichkeit als Ausdruck
der Farbe zac, „weiss", zu bezeichnen, denn es bildet das charakteristische
Element in der Hieroglyphe des Monatsnamens Zac (Abb. 8, oben S. 523).
Das Element der Abb. 20 dürfte als Ausdruck für chac, „roth", anzusprechen
sein, denn es bildet das charakteristische Element in der Hieroglyphe einer
Göttin (Abb. 12), einer Begleiterin des Chac, die im Codex Dresden 67a
und 74 mit rother Farbe und mit Jaguartatzen dargestellt wird. Die Abb. 19
endlich scheint als kan, „gelb", angesprochen werden zu müssen. Das
beweist schon die Aehnlichkeit, die das Element mit den Figuren auf-
weist, durch die in mexikanischen Hieroglyphen das Gold, das „gelbe
Metall", bezeichnet wird; ferner der Umstand, dass es im Verein mit dem
Elemente yax, das vielleicht den Kautschuk bezeichnet, in einem Feuer-
opfer vorkommt (Abb. 35 und 36 a), also wohl den Kopal, den gelben,
darstellen soll und dass es stellvertretend für Am, „Sonne", eintritt und
umgekehrt durch den hieroglyphischen Ausdruck der letzteren ersetzt wird.
Demnach hätten wir in der That in den Abb. 19 — 22 die vier Farben
gelb, roth, weiss, schwarz, und zwar in derselben Reihenfolge, wie
sie von Landa für die vier Himmelsrichtungen angegeben wird. Und es
sind diese Elemente, die ich als kan^ chac, zac, ek anspreche, an den oben
528 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
augefülirten Stellen in derselben Weise, wie Landa die verschieden-
farbigen Bacab und ihre Jahre auf die Himmelsrichtungen bezieht, dem
Süden, Osten, Norden, Westen zugeschrieben.
Die Schwierigkeit, von der ich sprach, und der es mir eigentlich erst
in jüngster Zeit gelungen ist, wirklich Herr zu werden, ist nun folgende:
Die gelbe, rothe, weisse, schwarze Farbe, und die ihnen entsprechenden
Bacab, nämlich
1. Bobnil oder Kanal Bacab, Kan-pauah-tun^ Kan-xibchac:
'2. Canzienal oder Chacal Bacab, Chac-pauah-tun, Chac xibchac;
3. Zac ziui oder Zacal Bacab, Zac-pauah-tun, Zac-u-ibchac ;
4. Hozan ek oder Ekel Bacab, Ek-pauah-tun, Ek-xibchac,
die nach ihm dem Süden, Osten, Norden, Westen gehören, und die,
wie aus den genannten Stellen der Handschriften hervorzugehen scheint,
in der That mit diesen Himmelsrichtungen zu verbinden sind, bezieht
Landa auf die kan-muluc-ix-cauac-iahve. Yon den kan-muluc-ix-cauac-
Jahren wissen wir aber, dass sie in den Büchern des Chilam Balam all-
gemein dem Osten, Norden, Westen, Süden zugeschrieben wurden, und
ich habe oben schon angegeben, dass — implicite — Landa auch das
Gleiche sagt. Denn die ^aw-Jahre, die er dem Süden zuweist, das waren
nach ihm die Jahre, wo man in den vorhergehenden fünf letzten Tagen
des alten Jahres den kan uuayayab, den gelben Unheildämon, von
der Südseite her ins Dorf holte, um ihn dann zum Schiuss, d. h. am
Beginn des neuen Jahres, nach der Ostseite, der für das neue Jahr
bezeichnenden Richtung, zum Dorfe hinauszubringen. Das ist also ein
Widerspruch, der, meiner Ansicht nur dadurch zu lösen ist, — aber, wie
ich meine, auch dadurch wirklich gehoben wird — , dass man annimmt,
dass Landa die verschiedenfarbigen Bacab und die verschieden-
farbigen Unheildämonen {ü uayayab) und ihre Himmelsrich-
tungen den folgenden Jahren zurechnete, weil mit den Bildern der
genannten Unheildämonen in den letzten fünf Tagen des alten Jahres be-
sondere Zärimonien vorgenommen wurden, sie von der ihnen zukommenden
Himmelsrichtung nach der Mitte des Dorfes, dem Hause des Kaziken,
gebracht wurden, um dann — selbst, oder der neuen Himmelsrichtung
entprechend verändert — am Beginn des neuen Jahres an der dem neuen
Jahre und seiner Himmelsrichtung entsprechenden Ausgaugspforte des
Dorfes ihre Stellung zu erhalten oder dort hinausbefördert zu werden
(„para ir alli otro ano por ella [der neuen Himmelsrichtung], y echavanla
por ay"). Dass aber in der That die verschiedenen Bacab und ihre
Farben in der Weise, wie es Landa angibt, mit den Himmelsrichtungen
zu verbinden sind, dafür glaube ich einen bestimmten Beweis beibringen
zu können. Den vierten der oben angeführten Bacab, den schwarzen,
der nacli Landa der Bacab des Westens ist, nennt Landa Hozan ek.
8. Zur mexikanischen Chronologie. 529
Hozan ek aber ist nach dem vom Grafen Cliarencey herausgegebenen
Vokabular der Name des Abendsterns.
Eine ähnliche Schwierigkeit, die aber vielleicht auch in ähnlicher
AVeise zu lösen ist, tritt uns bei Betrachtung der Blätter der Dresdener
Handschrift (25 — 28) entgegen, die den verschiedenen Jahren und den vor
Beginn der neuen Jahre in den xma kaba kin vorgenommenen Zärimonien
gewidmet sind. Hier ist zunächst festzustellen, dass die zweimal dreizehn
Tageszeichen, die man an dem linken Rand der Blätter übereinander auf-
geführt sieht, nicht, wie Cyrus Thomas annahm, die letzten beiden
Tage der kan-muluc-ir-cauac-5dihrQ bezeichnen können. Denn erstens
wurden, wie ich oben nachgewiesen habe, in der Dresdener Handschrift
die Jahre garnicht mit den Tagen kan, muluc^ ix^ cauac^ die in Yucatan
zur Zeit Landa's die Anfänge der Jahre bildeten, sondern mit den Tagen
been^ e'tznab, akbal, lamat, die den mexikanischen acatl, tecpatl^ calli,
tochtli entsprechen, begonnen. Und zweitens wären auf diesen Blättern
Ib — 28 der Dresdener Handschrift wirklich die beiden dem Anfang von
kan-miduc-ix-cauac-i'dhxew vorhergehenden Tage dargestellt worden, so
wären diese Jahre hier in der Ordnung «"./•, cauac^ kan, muluc aufgeführt
worden, was nicht gerade wahrscheinlich ist.
Sind dagegen aber, wie es zweifellos ist, auf den Blättern 25—28 der
Dresdener Handschrift die Anfänge von beert, etznab, akbal, ^am«<- Jahren
und die Endtage der ihnen vorhergehenden Jahre angegeben, so müssten
wir, da es doch wahrscheinlich ist, dass diese Tageszeichen in derselben
AVeise, wie die ihnen entsprechenden mexikanischen auf die Himmels-
richtungen bezogen wurden, folgern, dass diese vier Blätter den Himmels-
richtungen in der Ordnung Osten, Norden, AVesten, Süden entsprechen,
und wir müssten deshalb erwarten, die Hieroglyphen dieser Himmels-
richtungen in derselben Ordnung auf den genannten Blättern verzeichnet
zu finden. Nun sind in der That die Hieroglyphen Abb. 1 — 4 (oben S. 523) in
der Schriftreihe, die den oberen Abschluss des unteren Drittels dieser Blätter
bildet, vorhanden. Aber die Ordnung ist eine verkehrte. Es sind auf
den Blättern 25 — 28 nicht die Hieroglyphen Abb. 1, 2, 3, 4, die, wie ich
oben annahm, den Himmelsrichtungen in der Ordnung Osten, Norden,
Westen, Süden entsprechen, sondern die Hieroglyphen Abb. 1, 4, 3, 2
angegeben. Es scheinen also die Abb. 2 und 4, der Norden und der
Süden, ihre Stelle getauscht zu haben. Dass hier ein Fehler vorliegt, ist
klar. Denn nirgend sonst werden in dieser Handschrift die genannten
Hieroglyphen, so oft sie vorkommen, in dieser verkehrten Ordnung auf-
geführt. Und sie widers])richt ja auch der Ordnung, die wir auf den
Blättern 41/42 des Codex Cortes kennen gelernt haben. Ich habe früher
eine einfache A^ertauschung der beiden Zeichen angenommen, bin aber
jetzt zu der Erkenntniss gelangt, dass nicht die in der Schriftreihe über
den unteren Dritteln der Blätter 26 und 28 stehenden Zeichen der
Seier. Gesammelte Abhandlungen l. 34
530 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Himmelsriclituugeii, sondern dass die ganzen unteren Drittel der Blätter '2(\
und 28 ihre Stelle zu vertauselien haben. Erst dann kommt Logik in die
Darstellung, erst dann entsprechen diese Blätter dem, was uns Landa
über diese Jahresschluss-Zärimonien erzählt.
In der That, wir sehen in dem oberen Drittel dieser vier Blätter von
dem thierköpfigen Priester die Gottheit des neuen Jahres, oder vielmehr
eine ihr verwandte, sie repräsentierende Gestalt herangebracht. Wir sehen
in dem mittleren Drittel die Gottheit des Jahres selbst unter dem
schützenden Dache des Sakrariums sitzend, mit Opfergaben vor ihr. Und
wir sehen in dem unteren Drittel auf dem Stein das Bild des Cuai/ai/ab
— in den meisten Fällen eine Schlange — aufgerichtet und ihm gegen-
über, wo die Zeichen der Himmelsrichtungen richtig angegeben
sind, die Gottheit des folgenden Jahres dem Uuayaiiah Opfer bringen.
Es folgt also, dass diese unteren Drittel der Blätter die Zärimonien, die
in den letzten Tagen der auf den Blättern dargestellten Jahre selbst statt-
fanden, nicht die der ihnen vorhergehenden Schlusstage des alten Jahres,
zur Anschauung bringen.
Tauscht man die unteren Drittel der Blätter 26 und 28, so dass auf
diesen Blättern nunmehr die richtigen Himmelsrichtungen Abb. 2 und 4
zu stehen kommen, so sind dann auch auf diesen Blättern 26 und 28 dem
üuayayab gegenüber die richtigen Gottheiten, die Gottheiten der fol-
genden Jahre, zur Anschauung gebracht. Ich habe in dem oben S. 367—389
abgedruckten Aufsatze ausgeführt, dass die in den mittleren Abtheilungen
der Blätter 25 — 28 abgebildeten Götter, deren Haupthieroglypheu (von
zweien auch die Begleithieroglyphe) in den Abb. 23 und 27, 24 und 28,
25 und 29, 26 und 30 (oben S. 526) wiedergegeben sind, den von Landa
für die kan-^ muluc-, ?.r-, cauac-Jahre genannten Göttern Ah bolon tzacab^
Kinch ahau, Itzamnü und Uac initun aliau entsprechen. Die unteren
Drittel der korrigirten Blätter zeigen uns nunmehr entsprechend in der-
selben Ordnung- die Götter Kinch ahau^ Itzamnd, Uac mitim ahau und ^-1//
bolon tz'acab. Ich meine, damit ist unwiderleglich nachgewiesen, dass
die von mir vorgeschlagene Operation die einzig richtige und mögliche
Korrektur ist.
Damit würde nun auch die Schul tz-Sellack- de Eosny'sche Lesung
der Hieroglyphen der Himmelsrichtungen, die ich aufnehmen zu müssen
glaubte, bestätigt sein. Eine letzte Schwierigkeit bleibt aber noch zu
überwinden. Es kommen auf diesen Blättern auch zusammengesetzte
Hieroglyphen vor, die, den Himmelsrichtungen entsprechend, als wechselnden
Bestandtheil die Elemente Abb. 19—22 (vgl. oben S. 523), die Hiero-
glyphen der Farben, enthalten. Leider nicht auf allen Blättern. Auf
Blatt 25 und 27 ist die entsprechende Hieroglyphe zerstört. Auf Blatt 26
und 28 aber sind in dem oberen Drittel, am Anfang der zweiten Schriftreihe
die beiden Hieroglyphen zu sehen, die ich oben S. 523 in Abb. 17 und LS
8. Zur mexikanischen Chronologie. 531
wifdorgegeben habe, die bei sonst gleicher Zusammeiisetzung sich in der
Wt'ise unterscheiden, dass die erste an der Vorderseite das Element chac
..roth", die letztere das Element ek „schwarz" enthält. Es ist mit Sicher-
heit anzunehmen, dass am Anfang der zweiten Schriftreihe von Blatt 25 eine
ähnliche Hieroglyphe stand, die an der Vorderseite das Element kan „gelb"
enthielt. Und ebenso am Anfang der zweiten Schriftreihe von Blatt 27 eine
andere, die an der Vorderseite das Element zac „weiss" enthielt. Sind in
der That die been-, e'tznab-, akbal-, lamat-Jahre dem Osten, Norden, Westen
und Süden zuzurechnen, und sind entsprechend auf den Blättern 25 — 28
der Dresdener Handschrift die Hieroglyphen lakin, .vaman, chikin, nohol
dargestellt, so hätten wir hier also, scheint es, eine Beziehung der Farben
zu den Himmelsrichtungen, die von dem, was Landa angibt, und dem,
was wir an anderen Stellen der Handschrift gesehen haben, abweicht.
Ich glaube indes, auch dieser Widerspruch lässt sich heben, und zwar
auf Grund ähnlicher Erwägungen, wie die, die uns über die in den An-
gaben Landa's vorliegende Schwierigkeit hinweghalfen. Die die Farben
enthaltenden Hieroglyphen gehören den obersten Reihen der oberen Drittel
der Blätter 25 — 28 an. Es ist wahrscheinlich, dass in diesen Schriftreihen
ilas, was in den Tagen vor Beginn des neuen Jahres vorgenommen wurde,
zur Anschauung gebracht wurde, d. h. das Aufpflanzen des dem alten Jahre
entsjirechenden, in der Farbe des alten Jahres erscheinenden Unheil-
dämons an der dem alten Jahre gehörenden Seite des Dorfes. Demnach würde
(his Roth der Hieroglyphe des Blattes 26 (Abb. 17) als Farbe dem vorher-
gehenden Blatte 25, das Schwarz der Hieroglyphe des Blattes 28 (Abb. 18)
als Farbe dem vorhergehenden Blatt 27 zukommen, und es bliebe bei der
oben festgesetzten Beziehung, dass die Farben roth, weiss, schwarz,
gelb mit den Himmelsrichtungen in der Ordnung Osten, Norden,
Westen, Süden zu Verbinden sind.
Wenn endlich in dem jüngeren und vermuthlich aus Yucatan selbst
stammenden Codex Tro, der, wie Landa, die Jahre nach den Zeichen
hin, muluc, iv, cauac benennt, oder mit diesen Tagen beginnen lässt,
auf den Blättern 23 — 20, die augenscheinlich dieselben xma kaba kin-
Zärimonien schildern, wie die Blätter 25 — 28 der Dresdener Handschrift,
in den cauac- kan-, muluc-, it-Jahren in der vierten Schriftreihe von oben
die Hieroglyphen der Himmelsrichtungen chikin (Westen), nohol (Süden),
lakin (Osten), .raman (Norden) zu sehen sind, so könnte man das ja dahin
deuten, dass hier in der That, wie es Landa angibt, die Jahre ka7i, muluc,
ir, cauac auf die Himmelsrichtungen Süden, Osten, Norden, Westen be-
zogen seien. Wahrscheinlicher ist mir aber auch hier wieder, dass eben
in diesen oberen Schriftzeichen die in den letzten fünf Tagen des vor-
hergehenden Jahres vorgenommenen Zärimonien veranschaulicht sind, dass
diese Hieroglyphen der Himmelsrichtungen Westen, Süden, Osten, Norden,
•len den cauac-, kan-, muluc-, ^a•- Jahren vorhergehenden i.r-, cauac-,
■dl*
532 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
kan-, ?nM/Mc- Jahren eigentlich zugehörig zu betrachten sind. Ich bin in
der That bei der Untersuchung dieser Blätter (vgl. meinen Aufsatz über
die Namen der in der Dresdener Handschrift dargestellten Götter, oben
S. 367—389) zu dem Resultat gelaugt, dass die ganzen oberen Hälften
dieser Blätter, wenigstens was die bildlichen Darstellungen betrifft, der Ver-
anschaulichung der in den letzten fünf Tagen der alten, der vorhergehenden
Jahre vorgenommenen Zärimonien gewidmet sind, dass diese ganzen obern
Hälften den vorhergehenden, den ir-, cauac-, kan-, muluc-,]ahren zu-
zurechnen sind.
Ich kehre zu unserm eigentlichen Thema zurück. Ich habe den Nach-
weis geführt, dass man bei tlen Maya in Bezug auf die Tage, mit denen
die Jahre begonnen wurden, ein älteres System unterscheiden muss. das
mit dem bei den Mexikanern üblichen übereinstimmt, und das auf den
Monumenten und in der Dresdener Handschrift vorliegt, und ein jüngeres
System, das wir in dem Codex Tro-Cortes befolgt sehen, und das noch
zur Zeit Landa's in Yucatan im Gebrauch war. Diese Verschiebung des
Jahresanfangs, der, wie es scheint, auch eine Verschiebung des sonstigen
Kalenders entspricht, hat für uns die bedauerliche Folge, dass uns nun-
mehr jegliche Handhabe fehlt, die Chronologie der Dresdener Handschrift
und die der Monumente au die allgemeine Chronologie anzuknüpfen. Denn
über eine Konkordanz der Maya- und der europäischen Chronologie lie.üeii
nur aus Yucatan bei Landa und seinen Zeitgenossen und Nachfolgern
Nachrichten vor.
Die Benennung der Jahre, wie sie sich aus dem To7iaIamatl-'iy\ atem
ergab, hatte den Nachtheil, dass dem 53. Jahre wieder dieselbe Benennung^
dasselbe Zeichen und dieselbe Ziffer, zukam, wie dem ersten. Wollte man
also innerhalb eines grösseren Zeitraums bestimmte Zeiten genau und un-
zweideutig bestimmen, so hätte mau noch die aufeinander folgenden
52jährigen Zyklen irgendwie unterscheiden müssen. Das haben nun die
Maya, soweit man das nach den vorliegenden Nachrichten beurtheilen
kann, nicht gethan; und ebensowenig die Mexikaner. Während, aber in
den Auualen der Mexikaner in Folge der uuunterschiedenen Zyklen eine
grosse Verwirrung herrscht, wurde bei den Maya -Völkern eine feste Chro-
nologie dadurch erreicht, dass mau. von einem Nullpunkte aus, nicht <lie
Jahre, sondern die Tage weiterzählte. So bot die Tonalamatl-B.echmmg
ein festes Gerüst, das jede Irrung ausschloss.
Bei den Cakcliiquel gab den Nullpunkt ein bestimmtes historisches
Ereigniss ab. die Vernichtung des aufrührerischen Stammes der Tukuchee^
die auf einen Tag 11. ah (11 XHI) fiel. Indem man nun von diesem
Nullpunkt aus vigesimal um 20 X 20 Tage weiter zählte, erhielt man
Perioden, die alle mit einem Tage ah (XIII = mexikanisch acatl) be-
gannen, der aber der Reihe nach die Ziffern 11, 8, 5, 2, 12, 9, 6, 3, 13,
10, 7, 4, 1 und dann wieder 11 erhielt. Eine solche Periode wurde ein
S. Zur mexikanischen Chronologie. 533
huna genannt und 20 solcher Perioden ein may. (Vgl. meine Mittlieilung
in der Zeitschr. für Ethnol. XXL, Verhandl. S. 475, oben B. 504—500.)
Bei den Maya bildete den Ausgangspunkt ohne Zweifel der von
Förstemann in der Dresdener Handschrift nachgewiesene Nullpunkt
4 ahau, 8. cumku, d. h. ein Tag, der die Ziffer 4 und das Zeichen ahau
(XX = mexikanisch xochiü) trug und der der achte des uinaV?, oder so-
genannten Monats cumku, des letzten der 18 Monate des Jahres, war. Von
diesem Nullpunkt wurde aber nicht konsequent vigesimal, sondern, wie
ebenfalls aus der durch Förstemann klargelegten Rechnung der Dresdener
Handschrift hervorgeht, um Perioden von 20 X 360 Tagen weitergezählt.
Diese Perioden mussten, da ihre Zahl durch 20 theilbar ist, stets dasselbe
Zeichen ahau (XX = mexikanisch xochitl) erhalten. Aber da die Ziffer 13
in 7200 nur mit einem Rest von 11 aufgeht, so musste die Ziffer des
Anfangstages der Periode gegenüber dem Anfangstag der vorhergehenden
Periode, um 2 vermindert erscheinen. Mit einem Worte, die Anfangstage
der aufeinander folgenden Perioden von 7200 Tagen sind 4 ahau, 2 ahau,
\yy ahau, 11 ahau, 9 ahau, 7 ahau, 5 ahau, 3 ahau, 1 ahau, 12 ahau,
10 ahau, 8 aJtau, 6 ahau und dann wieder 4 ahau. Eine solche Periode
wurde katun genannt. Auf welchen Umständen es beruhte, dass man
gerade eine solche Periode von 20 X 360 Tagen erwählte, das ist noch
eint' offene Frage. Vielleicht hat man eine der Länge des Jahres nahe
kommende Periode wählen wollen. Jedenfalls aber ist dies die wahre
(frösse der sogenannten ahau katun Perioden, deren Rechnung in der
Dresdener Handschrift klar vorliegt, deren Bedeutung aber bis in die
jüngste Zeit noch arg verkannt worden ist. Die spätere Zeit nämlich,
der der Zusammenhang mit der alten Tradition, wenn nicht ganz ge-
schwunden, so doch vielfach durchlöchert war, nahm den katun nicht als
20 < 360 Tage, sondern als 20 Jahre. Und da stellte sich alsbald heraus,
dass dann die Perioden nicht in der angezeigten Weise mit 4 ahau, 2 ahau,
13 ahau u. s. w. beginnen konnten, denn in 7300 geht die Ziffer 13 mit
einem Rest von 7 auf. Es müssen daher die Anfangstage der auf-
einander folgenden Perioden von 20 Jahren (das Jahr zu 365 Tagen ge-
rechnet) der Reihe nach mit 4 ahau, 11 ahau, 5 ahau u. s. f. beginnen.
Um dieser Schwierigkeit zu begegnen, wurde die Theorie aufgebracht,
dass der katun nicht aus 20 Jahren, sondern aus 24 Jahren gebildet sei,
denn 24 X 365 oder 8760 ist ebenfalls durch 20 theilbar, und die Ziffer 13
geht darin mit einem Rest von 11 auf, ebenso wie in dem wahren katun,
in der Periode von 20 X 360 Tagen. Und daher der Streit, über den viel
unnützes Papier verschrieben worden ist, ob der katun mit 20 oder mit
24 Jahren anzusetzen sei. In Wahrheit bestand er weder aus 20, noch
aus 24 Jahren, — die Jahre nahmen die alten Chronisten direkt garnicht
in ihre Rechnung auf, — sondern aus 20 X 360 Tagen.
534 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Nachdem uuu das Yerhältniss des TonalamatV^ zu der übrigen Zeit-
reehuung klar gelegt ist, kehre ich noch einmal zu dem Tonalaniatl
selbst zurück. Ich habe seiner Zeit in meiner Arbeit über die Tages-
zeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften und ihre Gottheiten
(oben S. 448 — 503) den Nachweis zu führen gesucht, dass auch die an-
scheinend ganz abweichenden und anders benannten "20 Tageszeichen der
Maya mit den sprachlich und hieroglyphisch klaren Zeichen der Mexikaner
in Uebereinstimmuug zu bringen sind. Ich habe aber damals einen Kalender
ausser Acht gelassen, weil er mir noch nicht zugänglich oder wenigstens
nicht verständlich war, das ist der zapotekische, der in der Grammatik
des P. Juan de Cördoba aufgezeichnet ist, die vor einigen Jahren von
Dr. Leon, — leider, wie es scheint, etwas ungenau und fehlerhaft, —
neu herausgegeben worden ist.
Ich erwähnte oben schon, dass der zapotekische Kalender einen be-
sonders alterthümlichen Charakter aufweist. Das zeigt sich einerseits in
der alterthümlichen Form der Worte, die aus der gegenwärtig gesprochenen
oder der bald nach der Conquista aufgezeichneten Sprache schwer erklär-
bar sind; dann aber auch dadurch, dass die Beziehung der Zeichen zu den
13 Ziffern sich in der Form der als Tagesbenennung dienenden Worte ge-
wissermassen inkrustirt hat. Man kann deshalb bei allen von dem Namen
des Wortes eine Vorsilbe loslösen, die für alle mit der gleichen Ziffer
verbundenen Zeichen annähernd die gleiche ist. Einige Ausnahmen
kommen vor, die vielleicht schon Versehen oder irrthümliche Auffassung
des verdienten Mönches waren, der diesen Kalender uns erhalten hat,
vielleicht aber auch einfach auf den uusorgfältigen Abdruck zurückzu-
führen sind. Man erhält bei den mit der Ziffer
1 (chaga^ s. tobi) verbundenen Worten die Vorsilbe quia, quie,
2 (^cato, s. topa „ „ -. :, pe, pi, pela,
3 (cayo, s. chona) „ „ .. „ peo, peola,
4 (taa, s. tapa) „ „ „ „ cala,
5 (caayo, s. gaayo) ,. ,, „ „ pe, pela,
6 (d'opa) y, „ ,. „ qua, qunla,
7 (caache) „ „ ,. „ püla,
8 (xona) „ ,. ,. „ ne, ni, nela,
9 (caa, s. gaa) „ „ ^ „ pe, pi, pela,
10 {chij) „ „ ^ „ pilla,
11 (chijbitobi) ,. - ,. .. ne, ni, nela,
(das ist wenigstens die häufigste Vorsilbe, doch sind hier die Ausnahmen
zahlreicher, die Konfusion besonders gross),
12 {chijbitopa) verbundenen Worten die Vorsilbe pina, pino, pinij,
13 (chijao) ,. ,. ,. n pece, pici, quid
Von diesen verschiedenen Vorsilben scheint jedoch nur einigen wenigen
eine bestimmtere Bedeutuno- inne zu wohnen. In erster Linie der Vor-
8. Zur mexikanischen Chronologie. 535
silbe quia^ quie, die den mit der Zift'er 1 verbundenen Zeichen zukommt,
die, wie wir wissen, eine besondere Stellung einnahmen, als Regenten der
ganzen folgenden Dreizehuheit galten. Juan de Cördoba sagt, dass
diese Dreizehnhoiten oder die Anfangstage derselben cocij, tobi cocij ge-
nannt worden seien, ,,como decimos nosotros, un mes, un tiempo". Die
vier Zeichen aber, welche der 1., 6., IL, 16. Dreizehuheit, d. h. den vier
Abschnitten des Tonalamatl präsidiren, seien cocijo oder pitäo^ d. h.
..Orosse", genannt worden. ^lan hätte sie als Götter angesehen und sie
durch Opfer und Blutentziehungen geehrt. Im Lexikon finde.n wir in der
Tliat z. B. „tiempo encogido, en que no sc puede trabajar"' — cocij cogäa\
„tiempo ile mieses, frutas o de siego 5 de algo" — cocij collupa^ cocij
laifna, cocij: „tiempo enfermo o de pestilencia" — pöo yöocho, yiye yöocho,
cocij yöocho. Die ursprüngliche Bedeutung von cocij kann aber schwerlich
„Zeit" gewesen sein. Die Vorsilbe co bezeichnet ein Nomen agentis und
entspricht in gewisser Weise der mexikanischen Vorsilbe tla. Codi be-
deutet: „wenn man genommen hat", also etwa gleich dem mexikanischen
tlapoualli, und gleich diesem bezeichnet es eine Einheit von 20 Tagen:
codi, „'JO Tage in der Vergangenheit", d. h. heute vor 20 Tagen; huecii
oder cacii, „20 Tage in der Zukunft" oder „in 20 Tagen", cacii-cacii,
„immer in 20 Tagen". Ist daher die Angabe des Paters richtig, so kann
die Anwendung des Wortes codi auf eine Dreizehuheit von Tagen nur
eine übertragene oder ungenaue gewesen sein. Cocijo dagegen ist im
Lexikon mit „Dios de las lluvias" und „rayo" übersetzt; tötia -peni quij
cocijo, „sacrificar hombre por la pluvia o nino"; täce cocijo, „caer rayo del
ciolo"i Mit anderen Worten, cocijo ist der Regeugott Tlaloc, der hier in
dem TojialamaÜ seine Stelle hat, weil die vier Abschnitte des Tonalamatl
den vier Himmelsrichtungen zugehören, und der Regengott in den vier
Himmelsrichtungen zu Hause ist, bezw. nach den vier Himmelsrichtungen
verschieden ist, wie das die oben erwähnten Blätter der Codices Borgia 27
(= Kingsborough 12) und Vaticanus B 69 (= Kingsborough 28) bildlich
vor Augen führen. Sehen wir nun nach, was die Vorsilbe cjuia, quie in
der Sprache bedeuten könnte, so finden wir „schlagen", „Stein'% „Regen",
„Verbrechen oder Strafe '% „färben", ,,Blunie", wobei sich aber die ersten
vier durch besondere Aussprache des i von den zwei letzten unterscheiden
sollen. Setzt man für „Regen": „Gewitter", was ja in jenen Gegenden
meistens gleichbedeutend ist, so lassen sich die vier ersten Bedeutungen
recht gut eine aus der anderen entwickeln, und nehmen wir dies dann
auch als die Bedeutung der Vorsilbe quia, quie an, so hätten wir z. B.
qiäa-chilla mit „der Krokodil- T/afoc" zu übersetzen, der Tlaloc, der das
Krokodil als Zeichen führt, oder ce cipactU (1 I).
Von den anderen Vorsilben scheinen nur noch die letzten beiden
eine besondere Bedeutung zu haben, die vielleicht aus dem besonderen
augurischen Werth der Ziffern 12 \nid 13 hervorgeht. Piid heisst „das
536 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Vorzeichen-, allerdings gewölmlich das üble. Piiio könnte eine Neben-
form von chino sein, denn p und ch vertreten in zapotekischen ^yort-
formen vielfach einander. Chiho, chijnno heisst „voll", „Glück", „Segen",
„Reiehthum'', „dreizehn'^, „fünfzehn". Das sind aber alles Bedeutungen,
die mit der Ziffer 12. — auf welche die Vorsilbe piuo hinweist. — kaum
in Beziehung zu bringen sind. Die anderen Vorsilben scheinen nur Vari-
anten der bekannten Präfixe pe, pi. co, hua zu sein, wodurch handelnde
Personen und lebende Wesen bezeichnet werden. Die Silbe la ist demon-
strativ.
Lassen wir nun diese, nach der beigesetzten Ziffer wechselnden Vor-
.silben bei Seite, so erhalten wir für das erste Tageszeichen das Wort
chilla oder chijlla. Hierfür finde ich im Lexikon drei Hauptbedeutungen:
einmal heisst es die "Würfelbolme (pkhijlla. frisolillos 6 havas con que
t'chau las suertes los sortilegos), dann der Urat (pkhijlla, lechijlla, chijlla-
tani, ^loma ö cordillera de sierra"), ferner das Krokodil (peho pichijlla,
pkhijlla- peöo, peyöo. „cocodrillo, lagarto grande de agua") und Schwert-
fisch {pella-pichijlla-täo, ,,espadarte pescado"). Endlich ist chilla-täo. _der
grosse Chilla^-, noch als einer der Xamen des höchsten Wesens angegeben.
Hier scheint mir die Bedeutung ,,Krokodil" die ursprüngliche und hierher
passende zu sein. Denn die Art, wie das erste Tageszeichen in mexi-
kanischen und zapotekischen Bilderschriften gezeichnet ist (Abb. 37),
lässt zweifellos den Kopf des Krokodils erkennen, mit dem selbständig
beweglichen, nach oben klappenden Oberkiefer, der diesem Thiere ein so
charakteristisches Ansehen gibt. Die von Sahaguu und Duräu für
cipactli gegebeneu Erklärungen ,. Schwertfisch" und „ Schlangenkopf '^,
obwohl die erste ja auch in dem zapotekischen Wort vorliegt, sind
darnach wohl auszuscheiden. Deu Indianern des Hochthals von Mexico,
den Gewährsmäuuem dieser beiden Historiker, war eben das L^rbild des
echten cipactli weder aus eigener Anschauung, noch durch sichere Ueber-
lieferung bekannt. Aus der Bedeutung „Krokodil" ist die andere „Berg-
reihe", „Spitzenreihe" und weiter „Schwertfisch" leicht ableitbar. Schwieriger
ist es, einen Uebergang zu der Bedeutung „Würfelbohne" zu finden. Doch
ist auch der, meine ich. vorhanden. Das mit cipactli beginnende Tonal-
amatl war der Inbegriff aller augurischen Kunst. Es ist durchaus nicht
gewagt, anzunehmen, dass sich deshalb der Xame auch auf das Hand-
werkszeug der Auguren, die Bohnen, deren sich die Wahrsager neben
dem Tonalamatl bedienten, übertrug. Bei deu Maya wurde die Würfel-
bohne am genannt. Bei dem Fest im Monat Zip Hessen die Zauberer
und die Aerzte dies ihr Handwerkszeug blau anstreichen, d. h. weihen.
Es erscheint mir nun nicht imwahrscheinlich. dass die Worte ivii.r. imox,
mit denen die Maya und die Tzental-Zo"tzil das erste Tageszeichen be-
nannten, mit diesem Worte am zusammenhängen. Ja. ich möchte noch
das etymologisch sonst schwer erklärbare mexikanische Wort amoxtli,
8. Zur mexikanischen Chronologie.
537
„Buch", auf diese Mayawurzeln zurückführen. Die Maya-Hieroglyphe imic
(Abb. 38) findet sich überaus häufig mit der Hieroglyphe kan vergesell-
schaftet, und gar nicht selten sehen wir diese Gruppe unter den den Göttern
dargelirachten Gaben (Abi). 39). Sie bedeutet vielleicht „Bohnen und Mais''.
Bei dem zweiten l^ageszeichen ist es nicht ein Wort, sondern es sind
zwei verschiedene Worte, die nach Ablösung der Vorsilben übrig bleiben:
die beiden Worte quij und laa, die aber beide dasselbe bedeuten, und
zwar nicht „Wind", wie man nach dem mexikanischen zweiten Tao-es-
538 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Zeichen ^'trafZ vermuthen sollte, sondern ^.Grluth" oder „Feuer". Das ist
eine ausnehmend merkwürdige Thatsache. Denn es gibt in der That in
den Maya-Handschriften ein Element, das dem Zeichen ik ausserordentlich
ähnlich ist, das von den meisten Autoren auch anstandslos als eine Form
des Zeichens ik angesehen worden ist, — ^ ich selbst habe es allerdings in
meiner Arbeit über die Tageszeichen der aztekisclieu und der Maya-Hand-
schriften (vgl. oben S. 485. 486) von dem Zeichen ik getrennt gehalten. -
und das zweifellos Feuer oder Flamme bedeutet. So in der Abb. 40 aus
Codex Dresden 25, wo wir es im Centrum der aus dem Feuergefäss auf-
lodernden Flamme sehen und au zahlreichen anderen Stellen. Ferner in der
Hieroglyphe des Sonnengottes (Abb. 24. oben S. 526), die aus dem Bilde der
Sonne, einem Elemente, das vielleicht „geflügelt" bedeutet, dem Zeichen
been, das die geflochtene Matte und das geflochtene Strohdach bezeichnet,
und eben jenem dem Zeichen ik ähnliche Elemente zusammengesetzt ist,
das in dieser Kombination nur das an das Dach gelegte Feuer bedeuten
kann. Diese aus dem Zeichen been und dem Elemente des Feuers zu-
sammengesetzte Gruppe, die ich als Hieroglyphe für Eroberung deute,
ist daher auch ohne Weiteres immer als been-ik-(jxw^\ie von den Autoren
bezeichnet worden. Aber nicht nur dieses dem Zeichen ik ähnliche
Element, auch das Zeichen ik selbst, in seiner richtigen Form, finden wir
an verschiedeneu Stelleu verwendet, wo die Idee von Feuer oder Flamme
nahe zu liegen scheint. Im Cogolludo ist als Name eines Kriegs-
und Schlachtengottes das Wort Kakupacat, „Feuerblick"-, gegeben und
von ihm gesagt: ^fingian que traia en las batallas una rodela de fuego,
con que se abroquelaba". Für Kak u pacat ist vielleicht Kak u pocob
„Feuerschild" zu setzen, mit dem mir allerdings nur aus den Guatemala-
Sprachen bekannten Worte pocob „Schild"'. Xun, im Codex Tro 24 und
Codex Dresden 69 ist der schwarze Chac abgebildet mit Speer und Schild,
und letzterer (Abb. 42) hat auf seiner Fläche das Zeichen ik. Mir ist es
eigentlich nicht zweifelhaft, dass dies der Feuerschild ist, und dass eben
der schwarze Chac der Kakupacat oder Kak u pocob ist, vielleicht ver-
wandt dem Cit-chac coh, dem die Krieger im Monat Pax den Kriegertauz
{holcan-okot) tanzten. In dem sogenannten Kalender für Bienenzüchter
auf den (der angenommenen Zählung nach) ersten Blättern der mit einem
Stern * bezeichneten Seite, sieht mau von verschiedenen Figuren auf
einem Stabe eine Hieroglyphe getragen (Abb. 41), die ich in einer
früheren Abhandlung (vgl. oben S. 456) allerdings als Herz gedeutet
habe, den ganzen Stab dem yollotopilli des mexikanischen Gottes Macuil-
uochitl vergleichend. Aber es ist vielleicht nicht ausgeschlossen, dass
diese Hieroglyphe, die in ihrem Kern das unzweifelhafte Zeichen ik
enthält, vielleicht — oder gleichzeitig auch — eine Fackel bedeutet, wie
vermuthlich auch der eben erwähnte yollotopilli des genannten mexikanischen
Gottes.
8. Zur mexikanischen Chronologie. 539
Beim dritten Tageszeichen erhalten wir, nach Ablösung der nach den
Ziffern wechselnden Vorsilben die Formen guela, ela und ala oder laala.
Hier sind giiela und ela bekannte, viel gebrauchte Wörter für Nacht:
quelia s. gueHa, „Nacht"; te-ela, „bei Nacht"; te-chij te-Ha, „bei Tag und
bei Nacht"; xilo-ela cölo-ela, „^Mitternacht". Die Form ala oder laula
scheint zu der Zeit, wo Juan de Cordoba die Sprache aufnahm, nicht
mehr im Gebrauch gewesen zu sein. Wir werden auch weiterhin finden,
dass bei den Namen der Tageszeichen der Vokal a gegenüber späterem e
bevorzugt ist. In der Bezeichnung des dritten Tageszeichens mit dem
Namen der Nacht, dem „dunklen Haus der Erde", anstatt des azteki-
schen calli, „Haus", stimmt der zapotekische Kalender mit denen der ver-
schiedenen Zweige der Maya-Familie überein.
Bei dem vierten Tageszeichen erhalten wir nach Entfernung der Vor-
silben die Formen giieche, quichi, ache, achi, ichi. Das Zeichen entspricht
dem mexikanischen cuetzpalin^ Eidechse. Die Bilderschriften zeigen ein
in der Regel blau gemaltes, geschwänztes, eidechsenartiges Thier, und die
Interpreten geben an, dass das Zeichen „Reichthum an Wasser" bedeute.
Nun ist es wirklich schwer verständlich, wie so die Eidechse, die man ja
am häufigsten auf den von der Sonne erhitzten Steinen und Mauern findet,
als Symbol des Wasserreichthums genommen sein kann. Die zapotekischen
Wortformen scheinen diese Schwierigkeit zu lösen, denn diese sind mit
„Frosch" oder „Kröte" zu übersetzen. Das Lexikon gibt peche, jjeeche,
beeche, „todo genero de raua ö sapo". Hier ist pe nur Vorsilbe, die wir
in der Form pe oder pi bei fast allen Thiernamen vorfinden. Und dass
das ecke mit dem ache, achi, ichi des Kalenders gleich zu setzen ist, beweist
der Vergleich mit dem 14. Tageszeichen, wo wir dieselben Formen, gmche,
ache, ecke, für den Jaguar gebraucht finden, der in dem Lexikon mit
prche-täo^ „der grosse pecke^, bezeichnet ist. Der Deutung des Zeichens
als „Frosch" widerspricht ja nun allerdings, dass das Thier immer mit
langem Schwanz dargestellt wird. Das hat besonders Brinton in
seinem „Native Calendar" mir gegenüber hervorgehoben. Vielleicht hat
man wirklich, wie Brinton will, an zapotekisch cotache {guracJie), die
Iguana, zu denken. Richtig ist, dass sich bei Landa (Relacion de las
cosas de Yucatan) gelegentlich die Angabe findet, dass zu einem be-
stimmten Opfer Leguane von der blauen Art genommen werden sollen.
Blau wird das Thier des vierten Tageszeichens in der Regel gemalt.
Wie nun aber bei dem ersten Tageszeichen das zapotekische Wort
uns eine Möglichkeit an die Hand gab, die anscheinend so inkongruenten
mexikanischen und Maya-Hieroglyphen und deren Bezeichnungen mit ein-
ander zu vereinen, so scheint das auch hier bei dem vierten Tageszeichen
der Fall zu sein. Piche bezeichnet im Zapotekischen nämlich auch das
Maiskorn, allerdings nicht das einfache reife Korn, sondern das geröstete
und in Folge des Röstens geplatzte. Wir wissen, dass diese Körner,
540 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
die die Mexikaner momovhtli nannten, bei den Darbringungen an die
Götter eine grosse Rolle spielten. In Yucatan wird bei den a-ma kaha
/-?'«-Zärimonien sogar jedes Mal angegeben, wie viel solcher Maiskörner
zu dem Getränk verwendet wurden, das den an der Prozession theil-
nelinienden Priestern und Häuptlingen entgegenbracht wurde. Die Maya-
Bezeichnung für das vierte Tageszeichen ist kan^ was wohl auf kan^ kajicm.
„eosa abundante 6 preciosa'^, zurückgeht. Von der Hieroglyphe habe ich
in den Abb. 39. 43, 44 (oben S, 537) die charakteristischsten Formen ge-
geben. Sie zeigen in dem oberen Theil entweder die Zähne (wie an der
Gefässmüudung der Abb. 39 und in den Hieroglyphen der Abb. 26, 30 und
31. 32, oben S. 526) oder das Auge, die beide. — wie ich oben schon
bei der Hieroglyphe der Abb. 31 — 33 auseinandersetzte, — die Idee der
OefFnung des Spaltes geben. In dem unteren Theile der Hieroglyphe, unter-
halb der geschwungenen Querlinie, haben wir ebenfalls ein paar Zähne,
die, gleich den Zähnen des oberen Theiles, wenn die Hieroglyphe farbig
gemacht ist, weiss gelassen werden. Sie sind am natürlichsten ebenfalls
als Andeutung eines Spaltes aufzufassen. Nimmt mau dazu, dass die Hiero-
glyphe, wenn sie farbig gemacht ist. regelmässig gelb, d. h. in der Farbe
der Aussenrinde des Maiskorns, gemalt ist, so wird man einräumen müssen,
dass die Hieroglyphe kcai in der That den Vorstellungen, die das
geplatzte Maiskorn an die Hand giebt. entspricht. Und wirklich ist
ja auch die Polle, die diese Hieroglv]3he in den bildlichen Darstellungen
der Maya- Handschriften spielt, eine derartige, dass bisher alle Autoren
von selbst darauf gekommen sind, die Hieroglyphe kan für das Maiskorn
zu erklären. Ich selbst habe früher, weil ich nicht an das geplatzte Korn
dachte, für kan den Maiskolben gesetzt, den mau mitunter mit Auge
und Zähnen abgebildet sieht, kann aber jetzt diese Erklärung fallen lassen,
weil das Wort piche und die damit sich verbindenden Vorstellungen einen
genügenden Aufschluss über die besonderen Merkmale der Hieroglyphe
geben.
Für das fünfte Tageszeichen gibt der zapotekische Kalender die Stamm-
worte zee, zij. die wiederum nicht, wie man nach dem aztekischen Namen
des fünften Tageszeichens (coatl) vermutheu sollte, etwa mit ..Schlange"
zu übersetzen wären. — die Schlange heisst im Zapotekischen pella
oder bela, — sondern die zunächst etwas Abstraktes, nämlich „Unglück".
„Unheil". „Beschwerde", ^Elend". zu bedeuten scheinen. An einer Stelle
des Kalenders, und zwar gleich in der ersten Dreizehnheit, ist statt zee,
zii das Wort ciguij angegeben. Und das bedeutet „Betrüger", „Fallen-
steller, der einen ins Unglück bringt". Zieht man diese Variante in
Betracht, so, meine ich, werden wir dem zii eine prägnantere Bedeutung
zuschreiben können, diejenige, welche in dem unzweifelhaft von dieser
Wurzel abgeleiteten Worte pijci (pijze, peezi) vorliegt, nämlich „unheil-
volles Vorzeichen". So kommen wir auf Umwegen auf denselben
8. Zur mexikanischen Chronologie. 541
Betriff, den uns der aztekische Name des fünften Tageszeichens an die
Hand gibt, auf das Wort „Schlange". Denn diese war es, die den
Zapoteken als das erste und bedenklichste aller unheilvollen Vorzeichen
galt. „Tenian estos Zapotecas muchas cosas por agueros, a las quales si
encontraban o veuian ä sus casas 6 junto a ellas, se tenian, por agorados
dellas" („dass ihnen dadurch Unheil gebracht sei"). ,,E1 primero y nias
principal era la culebra, que se llama pella, y como ay muchas
maneras dellas, de la manera que era ella, assi era el aguero; esto des-
lintlava el sortilegio" (Juan de Cördoba, Arte edid. Leon, p. 214). In
meiner Arbeit über die Tageszeichen der aztekischeu und der Maya-Hand-
schriften (oben S. 467) habe ich den Nachweis geführt, dass die Maya-
Hieroglyphe des fünften Tageszeichens (Abb. 45, oben S. 537) von be-
stimmten Eigenthümlichkeiten der Schlange hergenommen ist und zweifel-
los die Schlange bezeichnen soll. Die Bedeutung des Wortes aber, mit
dem die Maya diesen Tag bezeichneten, nämlich chicchan^ war mir nicht
ganz klar geworden. Ich möchte jetzt annehmen, dass es chic-chaan^
<l. h. „tomado seiial", „tomado aguero", bedeuten soll.
Für das sechste Tageszeichen ergibt der zapotekische Kalender die
Wortform lana s. laana. Von den verschiedenen Bedeutungen, die das
Lexikon für diesen Stamm an die Hand gibt, würde mir, wenn keine
anderen Vergleichsmomente in Betracht gezogen werden müssen, als natür-
lichste die Bedeutung „Hase'' erscheinen, — pela-püläana^ liebre animal;
too-qwLce-pülaana, s. pella pülaana, „ved para liebres", — um so mehr, als
wir vorausgehend Frosch (Iguana) und Schlange haben, und in der Reihe
der Tageszeichen folgend Hirsch und Kaninchen antreffen werden, und
als Juan de Cördoba in seinen Bemerkungen zu dem Kalender geradezu
sagt: „y para cada treze dias d estos tenian aplicada una figura de animal,
s aguila, mono, culebra, lagarto, uenado, liebre" etc. Dem steht nun aber
allerdings gegenüber, dass wir sowohl in dem mexikanischen Kalender,
wie in denen der Maya-Stämme, an dieser Stelle das Bild des Todes
finden, und dass, — mit einziger Ausnahme des Tzental-Zo'tzü, — dieses
'{'ageszeichen auch mit dem Namen des Todes bezeichnet wird. Da wir
bei den übrigen Zeichen jederzeit eine direkte oder indirekte Ueberein-
stimmung zwischen diesen drei Kalendern finden, so werden wir uns um-
sehen müssen, ob nicht auch bei diesem Zeichen von dem in dem zapo-
tekischen Kalender gegebenen Wort ein Uebergang zu der Bedeutung der
übrigen Kalender sich finden lässt. Hier könnte man nun zunächst in
l)etracht ziehen, dass pülaana, „Hase'', im Lexikon regelmässig vergesell-
schaftet ist mit p^'^a, „Fleisch", wie etwa, wenn wir sagen würden: „Hasen-
wildpret", und dass läna auch das „frische, rohe Fleisch" ist: hualäna
nalana, „cosa que hiede ä carne ö carnaza'' ; tüläa naläna, „heder algo h
carnaza". Man könnte also etwa an das frisch getödtete, das erlegte W^ild
denken. Lana heisst aber auch „verliüllt"', „versteckt"^, „dunkel", ,,heini-
542 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
lieh". Und ich glaube, dass man die letztere Bedeutung vor allem zur
Erklärung des Namens, den das sechste Tageszeichen im Zapotekischen
hat, heranziehen müssen wird.
So schwierig, wie das sechste Tageszeichen zu entziffern war, so ein-
fach ist das siebeute. Wir erhalten nach Entfernung der Vorsilben den
Namen china, und das ist genau das mexikanische jna^atl^ ,,Hirsch", das
in den mexikanischen, und das queh^ quieh, das in den guatemaltekischen
Kalendern für das siebente Tageszeichen angegeben wird. Dass auch die
Maya-Hieroglyphe für das siebente Tageszeichen damit übereinstimmt,
habe ich mich in meiner früheren Arbeit bemüht nachzuweisen. Die
eigentliche Bedeutung derselben ist. wie ich oben S. 47"J auseinandersetzte,
„essen", ., Speise", ,. Fleisch".
•Für das achte Tageszeicben, das dem mexikanischen tochtli, ,, Kanin-
chen", entspricht, erhalten wir. nach Entfernung der Vorsilben, das Wort
lapa. Ein Wort lapa, „Kaninchen", gibt es nun allerdings nicht. Aber
die Bezeichnungen, die für „Kaninchen" gebraucht werden, führen auf
denselben Begriff, der in lapa vorliegt. Läpa heisst „zertheilen", „zer-
brechen", und das Kaninchen heisst peela oder piteeza, zwei Worte die beide
„das Zertheilte", „das Zerlegte" bedeuten. Dass der Begriff des Zertheilten,
Zerlegten der Bezeichnung dieses Tageszeichens zu Grunde liegt, das
scheint auch die Maya-Hieroglyphe zu beweisen (vgl. Abb. 49, oben S. 537),
in der das Zertheilte, Zerlegte deutlich angegeben ist. Vielleicht führen
auch die Ausdrücke lambat und lamat, die im Tzental-Zo"tzil und im Maya
für dieses Tageszeicben gebraucht werden, und die aus den bekannten
Maya- Wurzeln kaum erklärbar sind, auf das hier vorliegende zapotekische
läpa zurück. Da das Kaninchen den Mexikanern das Zeichen der Erde
war, so habe ich oben (S. 473) die Vermuthung ausgesprochen, dass die
Maya-Hieroglyplie dieses Tageszeichens vielleicht die nach den vier
Eichtungen ausgedehnte Erde veranschaulichen solle.
Das neunte Tageszeicben ist im Mexikanischen atl, „Wasser". Der
zapotekische Kalender ergibt die Worte ?iiza und queza. Das erstere ist
das bekannte und allgemein gebrauchte zapotekische Wort für ., Wasser".
Dass queza nur eine Variante von niza ist, beweisen verschiedene Ab-
leitungen: peque^a, peniQa, s. pini^a, ,.milano ave"; qule-cächeni^a^ quie--qutca-,
marmor, piedi'a marmoleüa. Beides sind vermuthlich Ableitungen von
ezaa, „hernieder kommen".
Für das zehnte Tageszeichen ergibt der zapotekische Kalender das Wort
tella, der mexikanische hat itzcuinüi^ „Hund". Die Maya -Ausdrücke für
dieses Tageszeichen sind dunkel, aber dass die Hieroglyphe (Abb. 50, 52,
oben S. 537) den Hund bezeichnet, habe ich in meiner früheren Arbeit
nachgewiesen. Der Hund spielt in den Maya-Handschriften eine bedeut-
same Rolle. Er ist das Blitzthier, das mit der Fackel in den Händen
vom Himmel herunterstürzt (vgl. Codex Dresden 40 b). Und die tod-
8. Zur mexikanisclien Chronologie. 543
bringende Bedeutung des Hundes ist auch in seiner Hieroglyphe (Abb. 51)
ausgesprochen, in der man die Wirbelsäule eines Skeletts dargestellt
findet, ähnlich wie in der Abb. 53, der Hieroglyphe des Monats kan-kin,
der gelben, d. h. der sengenden, im Zenith stehenden Sonne. Der Hund
theilt diese Rolle als Blitzthier in den Handschriften mit zwei anderen
Wesen: das eine stellt ein Raubthier dar, mit langem Schwanz, ungefleckt,
etwas länglichem Kopf und dem Zeichen akbal über dem Auge, das in
Codex Dresden 36a mit der Haupt-Hieroglyphe des Jaguars und daneben
mit der Abb. 54 bezeichnet ist, einer Hieroglj'-phe, die aus dem Tages-
zeichen kan und der Hieroglyphe kan, „gelb", zusammengesetzt ist, die
also vielleicht das gelbe Thier bezeichnen soll. Ich glaube, dass der
Puma (coh) gemeint ist, der ja auch z. B. im Zapotekischen als „das gelbe
Raubthier" (peche-i/aclte) bezeichnet ist. Das andere Wesen hat einen Kopf
mit rüsselartig verlängerter Schnauze (Abb. 55) und Hufe an den Füssen.
Es ist hieroglyphisch durch eben diesen Kopf und daneben durch die
Abb. 56 bezeichnet, die aus einem Beil, einer Feder und der Abbre-
viatur eines Kopfes oder des Zeichens uinal [ein ganzer Mann^)] zu-
sammengesetzt ist. Dieses Wesen nehme ich als tzimin, „Tapir". Wir
wissen, dass der Tapir von den zentralamerikanisehen Völkern in enge
Verbindung mit den Gottheiten der vier Himmelsrichtungen gebracht
wurde. Von den Itzaex in Peten wird berichtet, dass sie ein Idol ,,de
tigura de cavallo" verehrten, welches den Namen Tzimin-Chac, ,,Caballo
del Trueno 6 Rayo", geführt habe, und von ihnen als Gottheit des Blitzes
und Donners angesehen worden sei. Von dem grossen Gott Votan in
Chiapas berichtet Nunez de la Vega: „que en Huehueta, que es pueblo
de Soconusco estuvo, y que alli puso dantas (Tapire), y un tesoro grande
en una casa löbrega, que fabricö ä soplos." Ja, bis nach Mexico ist das
Wort und die Vorstellung der himmelstützenden Tapire gedrungen. Die
sechs tzitzimime ilhuicatzitzquique, „ängehjs de aire sosteuedores del cielo",
die Tezozomoc uns nennt, — „que eran, segun decian, dieses de los
aires que traian las lluvias, aguas, truenos, relampagos y rayos,
y habian, de estar ä la redonda de Uitzilopoc7itli'\ - sind nichts anderes,
als die nach den Regeln der mexikanisclien Sprache gebildete Mehrheits-
form von tzimin, ,, Tapir", aus der freilich dann umgekehrt eine Singular-
form, tzitzimül, abgeleitet worden ist. Die Tzitzimime^ ursprünglich jeden-
falls Stei'ngottheiten , die Träger des Himmels an den vier Enden der
Welt, wurden s])äter in der Vorstellung der Mexikaner zu Dämonen der
Finsterniss — die nämlich am hellen Tage sichtbar worden, wenn die
Sonne sich verfinstert, wenn Sonnenfinsterniss eintritt — und tzitzimitl,
die Singularform, wurde als Bezeichnung einer bestimmten, mit einer
Schädelmaske verbundenen Kriegerrüstung gebraucht. Wenn endlich in den
1) Vgl. oben S. 400—406.
544 Dritter Abschnitt: Kalender inul Hieroglyphen-Entzifferung.
Maya-Haiulsohrifteii der Regengott Chac sieh durcli eine besonders lange,
über den 3Iund herabgekrünimte Nase auszeichnet (vgl. die Hieroglyphe
Abb. 27, oben S. 526), und bei der anderen Form des Regengottes,
der, wie es scheint, der Name Ah bolon tz'acab zukommt, die Nase
sich geradezu ausbreitet und Ausläufer treibt, so meine ich, hat auch dafür
der Tapir, der mit dem Chac^ dem Regengott, identisch gesetzt wurde,
tlas Vorbild geliefert.
Der Tapir heisst im Zapotekisclien prche-aölo, und der einheimische
haarlose Hund pi'co-xölo. Hund und Tapir, die beiden vom Himmel
herabstürzenden Thiere, die den Blitz und Donnerschlag in den Händen
tragen, sind also hier durch die gemeinsame Bezeichnung xolo zusammen-
gebracht. Und dieses Wort .colo selbst ist der bekannte Name eines
Dämons, des Dämons Xolotl, der die sechszehute Woche (ce cozcaquauhtli)
und das siebzehnte Tageszeichen {olin) regiert, und der häufig direkt als
Hund (Codex Vaticanus B 93 = Kingsbörough 4 und 29 = Kingsborough 77)
oder doch wenigstens mit den abgestutzten Ohren des Hundes dargestellt
wird (Codex Borgia 65 = Kingsborough 50 und Vaticanus B 64 = Kings-
borough 33). Der Dämon Xolotl^ von den Interpreten in der Regel als
„Gott der Missgeburten'' bezeichnet, ist eigentlich der Gott der Zwillinge,
oder, noch ursprünglicher, eigentlich der Gott des Ballspiels, das immer
zu zweien gespielt Avird. Da aber die Zwillinge als etwas Widernatürliches
galten, so wurde der Gott der Zwillinge zum Gotte der Missgeburten.
Thatsächlich ist er auch im Codex Borgia 10 (= Kingsborough 27) mit
gekrümmten Gliedmassen und auslaufenden Augen gezeichnet. Und mit
dem Worte Xolotl wurden in Mexico allerhand Zwitterbildungen, die als
Missgeburten angesehen wurden, bezeichnet.
Kehren wir nun zurück zu dem Worte tcia, womit im zapotekisclien
Kalender das zehnte Tageszeichen bezeichnet ist, so zeigt sich, dass für
dasselbe kein Sinn sich herausfinden lässt, wollen wir hierfür einfach
„Hund", entsprechend dem mexikanischen itzcuintli, setzen, dass aber das
Wort sofort verständlich wird, wenn wir an den vom Himmel herab-
stürzenden Hund denken, den uns die Maya-Handschriften vor Augen
führen. Tela ist nämlich tee-läo, „boca abajo", mit dem Kopf nach unten,
also entsprechend dem mexikanischen Tzontemoc. Die zusammengezogene
Form tela liegt im Zapotekisclien in verschiedenen Ableitungen vor, wie
fitela-nn, was von dem nach hinten Ausschlagen der Thiere gebraucht
wird; tinhij-natela, „verkehrte Reden führen"; totela, „die Würfel aus
«lem (mit der Mündung nach unten gekehrten) Becher schütten"; quela-
7iatela-lachi, ,, Verwirrung" (wenn im Geiste Alles kopfüber und kopf-
unter geht).
Für das elfte Tageszeichen gibt der zapotekische Kalender nach Ent-
fernung der Vorsilben die Form loa oder (bei 1 XI) goloo. Das entspricht
dem mexikanischen o^omatl% ,,Affe", denn in dem Vokabular finden wir
8. Zur mexikanischen Chronologie. 545
pilläo, pilli'o, pillöo gönnet y „mona animal" (^gönnä ist nur Feminin -Be-
zeichnung). Dass auch die übrigen Kalender, sowie die Maya-Hieroglyphe
dieses Tag-eszeichens mit dieser Bedeutung in Einklang zu bringen sind,
habe ich in meiner früheren Arbeit nachgewiesen.
Für das zwölfte Tageszeichen hat der zapotekische Kalender die
Form pija. Nur bei dem mit der Ziffer 1 verbundenen, wo wir quia yija
oder quiepija zu erwarten hätten, ist qui cuija angegeben. Es scheint,
dass hier eine Verderbniss vorliegt, und dass wir quie pija oder qui
chija zu lesen hätten. Pii, chii heisst „gedreht werden". Es entspricht
also pija genau dem Namen (jnalinalli), den das Tageszeichen in dem
mexikanischen Kalender führt. Abweichend ist die Benennung und die
Darstellung dieses Zeichens in den Maya-Kalendern. Der Name lautet ee
oder eb, d. h. „Zahnreihe", „Spitzenreihe". Er wird in der guatemalte-
kischen Chronik, ebenso wie das mexikanische malinalli, mit „escobilla"
übersetzt. Die „escobilla" ist ein aus Pflanzenfasern zusammengebundenes,
besen- oder pinselartiges Werkzeug, das noch heutigen Tags allgemein
zum Reinigen der Kleider und zum Kämmen der Haare von den Indiane-
rinnen gebraucht wird (zapotekisch: peego).
Bei dem dreizehnten Tageszeichen finden wir die AVortformen quij, ij
uud laa. Quij heisst „das Rohr", entsprechend dem Namen acatl, den
das Tageszeichen im mexikanischen Kalender führt, und mit dem auch
die guatemaltekische Bezeichnung ah in Uebereinstimmung zu stehen
scheint. Das Maya-Wort bren ist dunkel; dass aber die Hieroglyphe been
iuif denselben Begriff des Rohrs oder, genauer vielleicht, des rohr-
geilochtenen Daches, der rohrgeflochtenen Matte, zurückführt, habe ich in
meiner früheren Arbeit nachgewiesen. Das AYort Icia finde ich in dem
zapotekischen Lexikon in der Bedeutung „Rohr" nicht angegeben. Da
wir indes bei dem zweiten Tageszeichen (Wind, Feuer) dieselben Wort-
formen quij, laa synonym gefunden haben, so spricht die Wahrscheinlich-
keit dafür, dass auch für quij, „Rohr", ein Synonym laa existirt haben
mag. Es ist übrigens ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass in der
Maya-Schrift die Hieroglyphen dieser beiden, im Zapotekischen gleich-
lautenden Tageszeichen, das der Hieroglyphe ik ähnliche Element und die
Hieroglyphe been, überaus häufig vergesellschaftet angetroffen werden (vgl.
Abb. 24).
Beim vierzehnten Tageszeichen, mexikanisch ocelotl, „Jaguar", gibt der
zapotekische Kalender gueclie, ecke, aclie, ähnlich wie beim vierten Tages-
zeichen. Wie wir dort in den Worten peche, peeche, beeche^ „Frosch" des
Vokabulars, in gewisser Weise eine Uebereinstimmung mit der mexika-
nischen Benennung herstellen konnten, so gibt hier das Lexikon peche-täo^
,,das grosse Thier" = „tigre, animal feroz'\ Dass die Maya-Hieroglyphe
ebenfalls den Jaguar zum Ausdruck bringt, habe ich in meiner früheren
Arbeit nachgewiesen. Für den Maya-Namen dieses Tageszeichens (it) ist
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 35
546 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
wohl die Cakchiqiiel-Beneuuuiig yiz, — d. i. Maya h-ez. ..der Zauberer'',
— als aufschlussgebend zu betrachteu. Meiner Auffassuog nach ein Glied
mehr in der Kette der Gründe, die dafür sprechen, dass das Tageszeicheu-
System den Maya durch Yermittelung der verwandten Stämme von Chiapas
bekannt geworden ist. Denn dem Maya z entspricht vielfach ein Tzental-
Zo'tzil a-. Die mexikanische Liste der Chronik des Franziskanerklosters
von Guatemala hat entsprechend für das vierzehnte Tageszeichen das
Wort teyolloqua7ii „Zauberer". Die Verbindung zwischen den Begriffen
..Jaguar'" und ..Zauberer" liegt darin, dass der Jaguar die gewöhnliche
Verkleidung darstellt, in der die Zauberer ihr Wesen treiben.
Das fünfzehnte Tageszeichen hat im zapotekischen Kalender die Form
naa^ und bei dem mit der Ziffer 1 verbundenen quinnaa. Die mexikanische
Bezeichnung ist quauhtli, „Adler'", mit der die guatemaltekische tziquin,
„Vogel", sich recht gut, schwieriger das Maya-Wort vien und die Maya-
Hieroglyphe (Abb. 57, oben S. 537) vereinen lässt. Aber wiederum liefert
die zapotekische Bezeichnung den sprachlichen Beleg für dasjenige, was
ich in meiner früheren Arbeit aus der Form der Hieroglyphe schliessen zu
müssen glaubte. Die Maya-Hieroglyphe (Abb. 57) zeigt uns ein altes, ge-
furchtes Gesicht. Und wir sehen diese Hieroglyphe, in die Länge ge-
zogen, mit Federbällen besteckt (Abb. 58), in verschiedener bildlicher und
hieroglyphischer Verwendung, unter anderem auch in der Hieroglyphe,
die die Haupt -Hieroglyphe des Adlers zu begleiten pflegt. Ich hatte
damals geschlossen, dass die Maya-Hieroglyphe das Bild der alten Erd-
mutter darstelle, der allverehrten Göttin, die Tonantzin^ „unsere Mutter",
genannt wird, die mit den feinen weissen Daunenfedern des Adlers be-
klebt einhergeht, und die im Wiener Codex geradezu mit der Xamens-
hieroglyphe ce quauhtli = „1. Adler" erscheint. Xun, die zapotekische
Benennung ergibt dasselbe, denn naa^ naa heisst „Mutter", ein Wort, das
nur gewöhnlich mit dem Präfix ad der Geuitivbeziehung erscheint, weil
Verwandtschaftsnamen nie ohne Possessivbeziehung genannt zu werden
pflegen.
Das sechszehnte Tageszeichen ist im mexikanischen Kalender mit
dem Bild des Geiers {cozcaquauhtli) bezeichnet. Die Maya- Stämme von
Guatemala nennen es ah-mak, und dieses Wort scheint ebenfalls den
Geier zu bezeichnen, „der die Augen ausfrisst", ,,der grubige Vertiefungen
macht". Das zapotekische Wort ist loo oder guillo. Damit könnte zwar
nicht der Geier, aber ein anderer Vogel, der Rabe (peläo, balld), gemeint
sein. Der Geier heisst im Zapotekischen pelläqui (pelahui, balai, haldai).
Und es wäre nicht unmöglich, dass diesen beiden Bezeichnungen eine
einheitliche Vorstellung zu Grunde liegt. Läo^ löo heisst „Auge", „An-
gesicht", „Vorderseite", „Aussenseite". Laqui, lahui, lai heisst „mitten
innen eingesetzt", „zwischen", „gemeinsam", „öffentlich". Jedenfalls aber
ist die Bedeutung, die dem Stammwort von pelläqui^ baldai, „Geier",
8. Zur mexikanischen Chronologie. 547
zu Grunde liegt, auch in dem Stammwort loo vorhanden. Wir haben z. B.
xi-loo-eela^ co-loo-eela, „Mitte der Nacht", „Mitternacht"; loo-thöo, „Mitte
des Körpers", „Brust", „Kumpf". Noch ein dritter Vogel ist in dem
mexikanischen Kalender der Cronica Franciscana von Guatemala genannt,
nämlich tecolotl, „der Nachtvogel", „die Eule".
Ganz andere Vorstellungen ergeben sich, wie ich schon in meiner
früheren Arbeit ausführte, aus der Maya-Hieroglyphe. Diese zeigt (vgl.
Abb. 59, oben S. 537) eine Figur, die regelmässig in den Handschriften auf
den Krügen angebracht ist, aus denen das berauschende Getränk, der Honig-
wein, herausschäumt (vgl. Abb. 36b, oben S. 526), und die nichts anderes,
als eine etwas stylisirte Form des yaca-metztli , des halbmondförmigen
Nasenschmuckes der Pulquegötter, der in mexikanischen Bilderschriften
auf Trinkgefässen angebracht wird, zu sein scheint^). Der obere Theil
der Hieroglyphe zeigt die Streifung, die bei Schlangen angebracht zu
werden pflegt, und scheint die Schlange andeuten zu sollen, die nicht
selten den Weinkrug umwindend gezeichnet wird. Auch der Name cib
passt zu dieser Vorstellung, denn ci ist die Magueypflanze und wird auch
zur Bezeichnung des daraus bereiteten Pulque, wie jedes anderen be-
rauschenden Getränkes, verwendet. Cib dürfte dann mit dem Instru-
mentalsuffix gebildet sein und „was zu dem Weine dient" bedeuten, also
entweder den Honig oder, richtiger vielleicht, die narkotische Wurzel, die
dem gährenden Getränk zugesetzt wurde. Diesen Zusatz bezeichneten die
Mexikaner mit patli^ „Medizin", wonach der Pulquegott Pätecatl genannt
ward. Eine Verbindung zwischen diesen Vorstellungen und dem mexika-
nischen Namen des Tageszeichens (cozcaquauhtl% „Geier") ergibt sich, wie
ich ebenfalls schon in meiner früheren Arbeit andeutete, aus der Vor-
stellung des Geiers, des kahlköpfigen, als Symbol des Alters, denn nur
dem Alter war in Mexico der Genuss des Pulque, des berauschenden Ge-
tränkes, gestattet. Es scheint nun, als ob auch der zapotekische Name
dieses Tageszeichens in den Rahmen dieser Vorstellungen sich fügt, denn
loo^ loo-päa heisst die Wurzel, könnte also dem pätU der Mexikaner, dem
Maya cib, d. h. der Pulquewürze, entsprechen. Auch in unserer Sprache
besteht ja ein unzweifelhafter etymologischer Zusammenhang zwischen
Wurzel und Würze. Ja, ich meine, der Doppelsinn der zapotekischen
Bezeichnung ist an der divergirenden Darstellung und Benennung des
sechszehnten Tageszeichens, wie sie im mexikanischen und Maya-Kalender
vorliegen, vielleicht mehr betheiligt, als der Ideenzusammenhaug, der die
Vorstellungen von Geier, Kahlköpfigkeit, Alter und Pulque verknüpft.
Irre ich nicht, so kommt eine divergirende Darstellung auch in der
Maya-Hieroglyphe dieses Tageszeichens direkt zum Ausdruck. Denn ge-
1) Vergl. Veröffentlichungen des Königl. Museums für Völkerkunde in Berlin.
I. S. 132, 133 und Abb. 61, 62, S. 169.
35*
548 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
legentlicli finden wir als Variante derselben die Abb. 60 (oben S. 537), in der
der auszeichnende Bestaudtheil nicht das Pulque-Symbol, sondern eine Feder
oder vielleicht direkt der Nachtvogel, die Eule, ist (vgl. Abb. 63, eine der
Hieroglyphen der Eule). Das würde also der oben augeführten guate-
maltekischen Benennung dieses Tageszeichens entsprechen. Auch die
Formen der Bücher des Chilam Balam (Abb. 61, 62) scheinen eine Feder
andeuten oder wiedergeben zu sollen.
Das siebenzelinte Tageszeichen heisst im zapotekischen Kalender ,roo.
Das entspricht genau dem aztekischen Namen oZm, Bewegung, denn
das zapotekische Wort xoo verbindet mit der allgemeineren Bedeutung
„gewaltig", „kräftig", „gewaltsam" die besondere „Erdbeben": xöo^ wLvöom'y
„temblor de tierra"; tixöo laydo, „temblar la tierra"; pitäo.wo, „dios de
los terremotos". Und bekanntlich wird in mexikanischen Bilderschriften
historischen Inhalts, wie in den Codices Telleriano-Remensis und Vati-
cauus A, das Zeichen olin, — allerdings gewöhnlich in Yerbindung mit
den braunen und schwarzen punktirten Streifen, die die Erde oder den
Acker bedeuten, — allgemein zur Bezeichnung eines eintretenden Erd-
bebens verwendet, wie auch das Zeitwort oUni insbesondere vom Erd-
beben gebraucht wird: „auh in tlalli olini'-'- (Olraos).
Wenn aber dies die Grundbedeutung des olin ist, so werden wir auch
für die Hieroglyphe, mit der in den Maya- Handschriften das sieb-
zehnte Tageszeichen bezeichnet ist, eine ähnliche Ausgangsvorstellung ins
Auge zu fassen haben. Und in der That, schon der Name, den das
Tageszeichen in den Kalendern der Maya-Stämme führt, weist auf diese
Gruudvorstellung hin. Das Tzental-Zo' tzil-W ort chic heisst „sich schütteln".
Die guatemaltekische Bezeichnung noh heisst „gross", „gewaltig", ent-
sprechend der Grundbedeutung des zapotekischen xöo. Der Maya-Name
cahan heisst „was nach unten gebracht, was unten ist", s. v. a. Erde,
Welt. Eine noch prägnantere Bedeutung hat das Stammwort cab^ das in
Charencey's Yokabular mit „terrain volcanique" übersetzt ist, also „Erd-
bebengebiet". Im weiteren Sinne wird es auch für „Erde", „Welt" ge-
braucht. Und wenn dasselbe Stammwort cab ausserdem noch „Aus-
scheidung" und „Honig" bedeutet (^miel, colmena, ponzona de insecto,
untuosidad de una planta o fruta), so ist, scheint es, der Zwischenbegriff
der des Abtropfens, des nach unten Tropfens.
Die Formen der Hieroglyphe caban (Abb. 64) sind sehr überein-
stimmend. Ihre eigentliche Bedeutung aber hatte ich in meiner früheren
Arbeit noch nicht erkannt. Die Hieroglyphe enthält ein Element, das den
charakteristischen Bestaudtheil der Hieroglyphe der jungen Göttin bildet,
der vielleicht der von dem Priester Hernandez angegebene Name
Chibirias oder Ixchebelyax zukommt. In der Hieroglyphe dieser Göttin
(Abb. 65, (^Q) ist nun deutlich zu sehen, dass das Element, das die
auszeichnenden Bestandtheile der Hieroglyphe caban bildet, einen Theil
8. Zur mexikanischen Chronoloeie.
549
ffen
des dunklen Haarschopfes mit den lang herabwallendeu. peitschenarti
Strähnen darzustellen bestimmt ist, die der ganzen Figur der Göttin, "wo
sie voll gezeichnet ist, ein so charakteristisches Ansehen geben. \ Demnach
werden wir die Hieroglyphe cahan nur als eine Abbreviatur der Hiero-
glyphe dieser Göttin aufzufassen haben, und kommen also wiederum auf
<lieselbe Bedeutung zurück, die ich schon aus dem zapotekischen Worte
550 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
u-oo ableitete, iiämlicli auf die Erde. Deiiu die Lvchebelya.r, die juiii^e
Göttin, ist nur eine andere Form der Erdgöttin, die der alten Erdmutter
Ij:chel in ähnlicher Weise gegenübersteht, wie bei den Mexikanern die
Xochiqtietzal der Tonantzin. Einen schlagenden Beweis für die Kichtigkeit
dieser meiner Auffassung der Hieroglyphe cahan sehe ich in dem Um-
stände, dass diese Hieroglyphe der Hieroglyphe men (Abb. 57, oben S. 537)
homolog auftritt, die, wie ich oben ausführte, das Bild der alten Erds-öttin,
der Erdniutter, der Lvchel oder Tonantzin, wiedergibt. Vgl. die beiden
Abb. 70 und 71, die Codex Tro 9*a für die herabfliegende Biene ge-
braucht werden.
Mit dieser Auffassung des Zeichens cahan stimmt nun endlich auch
sehr gut die Rolle überein, die wir die Hieroglyphe cahan in den Hiero-
glyphengruppen der 31aya-Handschriften spielen sehen. Dieses Element
bildet nämlich einen wesentlichen Bestandtheil in allen Hieroglyphen, die
das „unten" oder ^das Herabkommen aus der Höhe" versinnbildlichen.
So in der Hieroglyphe der fünften Eichtung (Abb. 5 — 7, oben S. 523), die das
Zentrum bezeichnet; in der Hieroglyphe der Biene (Abb. 68—71), des
von oben herabschwebenden Insekts; in der Hieroglyphe Abb: 74— 76, die
das Ausgiessen aus dem Kruge oder dem Schlauche veranschaulicht; in
der Hieroglyphe Abb. 77, die das Fällen des Baumes bezeichnet; in
der aus dem Element cahan gebildeten Schlange, auf der im Codex
Dresden 30a der grüne Chac, der Chac der fünften Richtung, her-
niederfährt (vgl. oben S. 360, Abb. 7). Wenn ich in meiner früheren Ab-
handlung diese ca^aw-Schlange, wie auch die Abb. 67, die in der Dresdener
Handschrift an mehreren Stellen dem Regengotte Chac als Sitz oder Fuss-
gestell dient, und das Element cahan überhaupt als den himmlischen Sitz
bezeichnet habe, so habe ich dabei fälschlich das Herabkommen aus der
Höhe an Stelle des Herabkommens betont. In Wahrheit ist diese
Figur, gleich der Hieroglyphe Abb. 58 (oben S. 537), die an anderen
Stelleu der Dresdener Handschrift als Sitz des Chac fungirt, als das
^ Unten", als die Erde zu bezeichnen. Das Gresicht der alten Erd-
göttin liegt ja in der Abb. 58 klar vor, während die Figur der Hiero-
glyphe cahan, wie ich oben anführte, die Frisur der Erdgöttin zur An-
schauung bringt. Ich erwähne noch die Abb. 72, die im Codex Tro 25 *b
das Bild des Tabak rauchenden Himmelsgottes begleitet. Xach einer
noch heute in Yucatan lebendigen Anschauung sind die Balam, die
Götter der vier Himmelsrichtungen oder der vier Winde, grosse Raucher,
und die Sternschnuppen nichts anderes, als die brennenden Stummel der
Riesenzigarren, die diese Wesen vom Himmel herniederwerfen. Und
wenn es blitzt und donnert, so schlagen die Balam Feuer, um ihre
Zigarren anzuzünden^). Die Abb. 72 zeigt das Element des Steins imd
1) Brinton, Folklore Journal, Vol. I.
8. Zur mexikanischen Chronologie. 551
das Element des HeraLkommens aus der Höhe. Der bezeichnete Yolks-
ghiube erklärt daher in einfacher Weise diese sonderbaren Bilder und die
Hieroglyphen, die diese Bilder begleiten. An einer anderen Stelle,
Codex Tro 26* b, ist der Raucher im Text durch die Hieroglyphe der
Abb. 73 bezeichnet, die wohl als „der Nächtliche" (vgl. die Hieroglyphe
akbal, oben S. 459) zu übersetzen ist.
Das achtzehnte Tageszeichen führt im zapotekischen Kalender den
Namen opa oder gopa. Das ist ohne Zweifel dasselbe Wort wie copa^
„kalt", „Kälte"; täca-cöpa, tipee-cöpa, frio hacer, tivöpa-ija, „mir ist kalt".
Diese Bezeichnung stimmt zu der Bedeutung des Zeichens im mexikanischen
Kalender (tecpatl, „Feuerstein") und zu den Bildern der Maya-Hiero-
glyphe (e'tznab), die ebenfalls den geschlagenen Stein, die Feuersteinspitze
zur Anschauung bringen. Denn die Begriffe „Stein", „Spitze", „Kälte"
gehen in der Vorstellung und in den Sprachen der Mexikaner in einander
über. Jtztlacoliuhqui, der Gott des Steins, ist zugleich der Gott der Kälte,
der Verblendung und der Sünde.
Der zapotekische Name des neunzehnten Tageszeichens ist schwieriger
zu erklären. Nach Entfernung der Vorsilben erhalten wir die Formen
ape, appe, aape, §appe. Das glaubte ich früher in aa-pee oder caa-pee auf-
lösen zu müssen, indem ich es als „mit Nebel überzogen" oder „Wolken-
bedeckung" deutete. Ich fand einen Anhalt dazu in der Form der Maya-
Hieroglyphe (Abb. 78, S. 549), die, wie ich in meiner früheren Arbeit
nachgewiesen habe, eine Abbreviatur des Kopfes des J/oaw- Vogels (Abb. 46
bis 48, oben S. 537) enthält, der mythischen Konzeption des muyal^ der
Wolkeiibedeckung des Himmels. Die Maya-Namen dieses Tageszeichens
cahogh^ caok, cauac geben einen andern Begriff an die Hand, nämlich den von
„Gewitter", oder geradezu von „Blitz und Donner", — ein Begriff,
der in der That mit dem des mexikanischen Zeichens quiauitl „Regen" sich
vollkommen deckt, denn in jenen Gegenden ist fast jeder Regen ein Ge-
witter. Der zapotekische Name für „Gewitter" oder „Blitz und Donner"
ist läha quiepäa quega qwiepäa^ d. h. „Feuer am Himmel, Wasser am
Himmel"; und für das Zeitwort „gewittern, blitzen" sagen die Zapotekeu
ti-api-mca ti-api-läa „es kommt Wasser, es kommt Feuer herab". Es ist
möglich, dass dieses Zeitwort api „herabkommen" in der zapotekischen
Namensform des neunzehnten Tageszeichens enthalten ist. — Noch ein
anderer Name dieses Tageszeichens wird in der mexikanischen Liste des
Franziskanerklosters von Guatemala gegeben, nämlich ayotl „Schildkröte".
Das erinnert sehr an die Rolle, die wir die Schildkröte in den Maya-
Handschriften spielen sehen. Wir sehen sie z. B, Codex Cortes 17 a als
fliegende (die fliegende Wolke?) dargestellt und ihr Bild von der Hiero-
glyphengruppe Abb. 79 begleitet, die in ihrem ersteren Theile oben das
Element des Fliegens und darunter das Element cauac enthält. Anderen
Orts sehen wir die Schildkröte in dem Wasserstrahl, neben dem Frosch,
552 Dritter Abschnitt: Kalender und Hierogljphen-Entzifferung.
vou oben herunterkommen, oder mit aufgesperrtem Rachen an dem
Himmelsschilde hängen^). Vielleicht wurde die Schildkröte, deren Panzer
ganz allgemein als Musikinstrument, als Pauke verwendet wurde, auch als
Ausdruck des Getöses, das das Gewitter macht, des Donners, d.h. als die
himmlische Pauke, betrachtet.
Wenn aber die zapotekische Benennung des neunzehnten Tages-
zoichens nur mit einem gewissen Fragezeichen den Namen der anderen
Kalender anzureihen ist, so bietet andererseits die zapotekische Sprache
den einzigen und direkten Anhalt zur Erklärung der Rolle, die wir
die Hieroglyphe cauac in den Maya-Handschriften spielen sehen. Wir
finden nämlicli einerseits allerdings Verwendungen, die dem Begriff Wolke
oder Regen nahe liegen. So die Hieroglyphe Abb. 80 (S. 549), die Begleit-
hieroglyjihe der Abb. 46 (S. 537), d. h. des Vogels Moan. Sodann die Abb. 28
(oben S. 526), die Begleithieroglyphe des Namens Kinchahau, die ausser cauac
noch das Element des Feuers und das des Wurf bretts enthält, wobei man also
an den aus der Wolke zuckenden Strahl denken kann. Vorwiegend aber
wird die Hieroglyphe cauac einfach in der Bedeutung „Stein" oder „Ge-
wicht" gebraucht. Das zeigt sich am auffälligsten in den Thierf allen, die
im Codex Tro 9a und 22 *a abgebildet sind, wo die der Balkenlage auf-
gelegten beschwerenden Steine mit den Elementen der Hieroglyphe cauac
beschrieben sind. Aber dieselbe Erklärung müssen wir auch annehmen,
wenn wir den Pyramidenuuterbau der Tempel mit den Elementen des
Zeichens cauac bedeckt finden. Und wenn im Codex Tro J5*a dem, einen
Baum fällenden Chac der Todesgott gegenübergestellt ist, einen Baum
fällend, der mit den Elementen des Zeichens cauac bedeckt ist, so ist hier
wohl eben dem Todesgott als starrer Stein untergeschoben, was bei Chac
ein sprossender Baum ist. Die zahlreichen Fälle, wo die Hieroglyphe
cauac als Sitz oder Fussgestell der Götter dient, sind theilweise wohl als
Wolken zu deuten, in den meisten Fällen aber unzweifelhaft als Stein,
homolog der Hieroglyphe caban und dem Elemente tun, „Stein", selbst
(Abb. 85, S. 549), die man beide ebenso häufig als Sitz und Fussgestell
der Götter gezeichnet findet. Ebenso zweifellos ist in der Hieroglyphe
Abb. 84, durch die das Tragen einer Last auf dem Rücken bezeichnet
wird, das Element cauac einfach als der Ausdruck des Beschwerenden,
der Last aufzufassen. In den sonderbaren Fällen, wo wir die Götter ein
mit den Elementen des Zeichens cauac versehenes Brett in der Hand
halten sehen, oder wo vor den Göttern ein mit einem geflochtenen Griff'
versehenes Brett gezeichnet ist, dessen Fläche mit den Elementen cauac
1) Eine ähnliche Rolle spielt die Schildkröte auch bei den nördlichen Indianern.
Catlin erfuhr bei den Mandan: „There were four tortoises, one in the North,
one in the East, one in the South and one in the West. Each one of these
rained ten days and the water covered the earth" (lUustr. Mann. Cust. N. Am.
Indians, I. p. 181).
8. Zur mexikanischen Chronologie. 553
bedeckt ist, scheint es sich um Klangplatteu zu liandeln. Denn die bei-
gesetzten Hieroglyphen scheinen Musik zu bedeuten. Endlich finden
sich auch direkte Homologien zwischen dem Elemente cauac und dem
Elemente tun. So in der Hieroglyphe des Jagdgottes Abb. 83 (S. 549), dessen
auszeichnendes Kennzeichen zu sein pflegt, dass er in der Stirnbinde ein
Auge oder das Element tun (d. h. einen Edelstein) trägt. Die Hiero-
glyphe dieses Gottes wird nämlich bald in Gestalt der Abb. 81, bald in
der der Abb. 82 geschrieben. Und das hier das Element, das in Abb. 82
dem Element cauac sich unterschiebt, in der That als tun oder „Stein'%
„Edelstein" aufzufassen ist, das ergibt sich einerseits aus der Verwendung
als Edelstein im Kopfschmuck (tun^ „piedra, piedra preciosa"), anderer-
seits aus der als Basis für den Pfahl, auf dem der f/wa^aj/ai-Dämon, in
den xma kaba kin aufgesteckt wird (Codex Dresden 25 c; vgl. oben S. 368
V»is 371). Xuu kann man ja allerdings an sich schon mit einer gewissen
Sicherheit einen begrifflichen Zusammenhang zwischen Wolken, Regen,
Stein konstruiren, denn in jenen Gegenden ist jeder Regen ein Gewitter.
Immerhin aber wird man es begreiflich finden, dass mir ein ganzer Bann
von Zweifehl gelöst ward, als ich im Verlaufe meiner zapotekischen Studien
darauf stiess, dass im Zapotekischen für „Regen" und „Stein" genau das-
selbe Wort, nämlich quia^ quie, gebraucht wird.
Für das letzte Tageszeichen finden wir im zapotekischen Kalender
den Namen läo oder loo, und das bedeutet „Auge", „Gesicht", „Vorder-
seite". Das stimmt nun wieder nicht direkt zum mexikanischen xochitl,
„Blume", wohl aber zu der Form der Maya-Hieroglyphe (Abb. 86, 87, oben
S. 549), die ohne Zweifel ein Gesicht darstellt. Auch der Name des Maya-
Zeichens ahau, „Führer", fügt sich dem an. Die Verbindung zwischen
dt'U beiden Bezeichnungen liegt darin, dass in dem in fünfgliedrige Säulen
geordneten Tonalamatl der Tag ce xochitl „eins Blume" der Anfang des
vierten Tonalamatl-\ ievtei^, also der Region des Südens, ist und deshalb
t'in Name für die in jener Weltgegend mächtigen Gottheit, die Sonne,
geworden ist.
Dass das Zapotekenland dasjenige Gebiet war, durch welches vor-
zugsweise der Austausch der Kulturein Wirkungen von dem mexikanischen
Gebiet nach dem der Maya-Stämme und umgekehrt sich vollzog, ist aus
der Lage desselben begreiflich und auch historisch bezeugt. Wenn also
die olien angestellten Untersuchungeu über die Bedeutung der zapotekischen
Tageszeichen bei verschiedenen von ihnen ergeben haben, dass die zapote-
kischen Benennungen für anscheinend unvereinbare Verschiedenheiten in der
mexikanischen und der Maya-Benennung und Bezeichnung ein Mittelglied
abgeben, so wird man das nur verständlich finden. Vielleicht müssen wir
aber noch weiter gehen. Vielleicht ist das Zapotekenland das Land ge-
wesen, in dem, oder in dessen Nähe, dasjenige, was in der Wissenschaft
der mexikanischen und der mittelamerikauischen Stämme den breitesten
554 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entziffernnp.
Raum einnimmt, der Kalender, das Tonalaviatl, seineu Ursprung gehabt
hat. Thatsächlich seheint bei kaum einem anderen der verschiedenen
Stämme der Kalender und die damit verknüpfte Schicksalsbestiramung so
sehr alle Verhältnisse beherrscht zu haben, ^vie bei den Zapoteken und
den ihnen verwandten Stämmen, den Mixteken u. a. Mit grösserer
Sicherheit wird man sich über diesen Punkt allerdings erst dann aus-
sprechen können, wenn wir über die alten Verhältnisse der atlantischen
Küste und des Isthmusgebiets, und den Verlauf der alten Handelswege,
die aus dem mexikanischen Gebiet nach den Maya-Ländern und den
Küsten der beiden Meere führten, genauer unterrichtet sein werden.
9. Some remarks on Prof. Cyrus Thomas' brief study of the Palenque tablet. 555
9.
Some remarks on Prof. Cynis Thomas' brief study of
the Palenque tablet.
Science Vol. XX. No. 493. New York. 15. July 1892.
In Science, No. 488, Professor Cyrus Thomas stated tliat ,,tlie par-
ticular manner of reckoning the days of the month" — or more precisely,
the exact designatioii of a date by the sign of the day and the position it
holds in the number of twenty days (uinal) that people are in the habit
of calling a Maya month — as it is found not only „in some of the series
of the Dresden Codex", but throughout the whole of it, is also found on
the Palenque tablet. This statement undoubtedly is a correet oue. But
Professor Thomas, following Professor Förstemann, asserts that the
„peculiarity of this method is that the day of the month is counted not
from the first of the given month, but froni the last of the preeeding
month; thus the fifteenth day of Pop, beginning the count with the first,
will, according to this method, be numbered 16." \ If it were really so,
this method of reckoning the days of the month would be a very curious
one, and hardly to be understood. Professor Förstemann based this
assertion on the supposition that the calendar system of the Dresden Codex
is the same as that which prevailed in Yucatan at the time of Bishop
L an da 's writing. In vol. XXIII, of the Zeitschrift für Ethnologie, published
by the Berlin Anthropological Society, in a paper entitled „Zur mexika-
nischen Chronologie, mit besonderer Berücksichtigung des zapotekischen
Kalenders," I have shown that the priests who wrote down the Dresden
Codex did not begin their years with the days kan, muluc, ix, cauac, as in
Landa's time, but with the days been, itznab, okhal, lamat, exactly cor-
responding to the acatl, tecpatl, calli, tochtli (cane, flint, house, rabbit), the
signs used by the Mexicans to designate their respective years. Beginning
the years in this manner, the day 4 ahau, 8 cumku is really the eighth
day of the month cumku in the been, or „cane", years. The day 9 kan
12 kayab is really the twelfth day of the month kayab in the same been,
or „cane," years; and thus with all the other dates throughout the whole
Dresden Codex.
556 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
The evideiice derivecl from the fact that tlie same method of number-
ing the days of tlie month, that is to say, the same method of begimiiug-
the years, is also found in the Palenque tablet, leads — I agree with Pro-
fessor Thomas — to the inference „that there were intimate relations
betweeu the people of this city and those where the Dresden Codex was
Tvritten, and that there is no very great difPerence in the ages of the two
documents." On the other side, it is proved by my Statements that in
this peculiarity both the Dresden Codex and the Palenque tablet differ
from the Codex Troano-Cortes. For in the latter document the beginning
of the years is in the days kan^ muluc, ir, cauac. This is proved by
Codex Troano 23—20, when eompared with the Dresden Codex -25 — 28.
From this, and the general character of the Codex Troano-Cortes, we may
safely infer that this manuscript is of a later date than the Dresden Codex,
and, perhaps, of a somewhat different locality.
10. On Maya Chronology. 557
10.
On Maya Chronology.
Science Vol. XX. No. 49G. New York. 5. August 1892.
In a former communication, answering Professor Cyrus Thomas's
„Brief Study of the Palenqiie Tablet," I stated that the theory brought
forward by Professor Förstern ann, that the Dresden Codex does not
count the days from the fii'st of the given month but from the last of the
preceding month, is to be put aside. Professor Förstemann's theory is
based on the supposition that the calendar System of the Dresden Codex
was the same as that which prevailed in Yucatan at the time of Bishop
Landa's wi'iting. This supposition, however, is an erroneous one. In the
„Zeitschrift für Ethnologie", Vol. XXIII., I have shown that the priests
who wrote down the Dresden Codex did not begin their years with the
signs kan, muluc, ix, cauac, as in Landa's time, but with the signs been^
etznab, akbal, lamat, exactly corresponding to the signs used by the
Mexicans to designate their respective years. Beginning the years in this
nianner, the day 4 ahau, 8 cumku, is really the eighth day of the month
cumku in the been or „cane" years, and conformingly all the other dates
throughout the whole Dresden Codex.
I wish to call attention to a passage of the Chilam Balam of Mani
which seems to confirm my opinion. It is said there (Brinton, Maya
Chronicles, p. 98): „In the Katun, 13 Ahau, Alipula died. It was in the
course of the sixth year before the ending of the katun, as the countiug
of the years was in the east, and (the year) 4 Kan seated upon the throne,
on the 18 th day of (the month) Zip, on the day 9 Imix, Ahpula died''.
Now it occurs only when beginning the count with the first day of the
month, that a day 9 Imix is the 18 th day of the month. Zip. And, indeed,
in the year that begins with the day 4 Kan, the day 9 Imix is the 18tli
day of the month Zip — beginning the count with the first.
Here, therefore, we have the same designation of a date by the sign
of the day and the position it holds in the number of twenty, or a Maya
month, as in the Dresden Codex. It seems scarcely probable that the
natural manner of counting seen in the passage of the Chilam Balam,
quoted above, should be replaced in the Dresden Codex by another and
wholly unintelligible one.
558 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifl'erung.
11.
Ein neuer Versncli zur Entzifferung der Mayaschrift.
Globus, Bd. 62 (1892). S. 59-61.
In der Nummer vom 27. Mai 1892 der Science tlieilt Professor Cyrus
Thomas Tom Bureau of Ethuology in Washington mit, dass er den Schlüssel
zur Entzifferung der Mayaschrift „endlich glücklich entdeckt" habe. Welcher
Art der Schlüssel sei, darüber macht er nur kurze Andeutungen. Es müsse
Ton links nach rechts und von oben nach unten gelesen werden, und zwar
so nicht nur die aufeinander folgenden Zeichen, sondern auch die einzelnen
Elemente desselben Zeichens. Obwohl es eine Anzahl „konventionelle
Symbole" gebe, sei doch die Mehrzahl der Hierogly])hen in wahrem Sinne
phonetisch konstituirt. Die Landa'schen Angaben über die Mayaschrift
seien im Wesentlichen als zutreffend zu bezeichnen. Er habe in dieser
Weise schon die Bedeutung von ein paar Dutzend Zeichen herausbekommen
und in mehreren Fällen den allgemeinen Inhalt einer Gruppe von Zeichen,
die einen Satz bilden, feststellen können. Er sei jetzt dabei, Proben seiner
Interpretationen und Erklärungen zusammenzustellen, und sie den dortigen
leitenden Archäologen und Sprachgelehrten vorzulegen.
Es ist aus diesen kurzen Andeutungen nicht recht zu entnehmen, was
Cyrus Thomas denn nun Neues zu der Sache hinzugebracht hat. Denn
von dem Landa'schen Alphabet sind auch Brasseur de Bourbourg,
de Rosny und Le Plongeon ausgegangen, deren Entzifferungsversuche
bekanntlich bei dem einen nicht sehr weit gediehen, bei den anderen zum
Theil sehr merkwürdig ausfielen. Landa's Alphabet ist gewiss keine
blosse „Erfindung". Zweifellos besitzen seine Zeichen einen gewissen
Lautwerth. Z. B. ist sein erstes a der Kopf der Schildkröte {aac)^ der
deutlicher in einer Hieroglyphe zu sehen ist, die Codex Cortes 17a neben
dem Bilde der fliegenden (schwimmenden) Schildkröte angegeben ist.
Landa's erstes \t scheint von dem Lautwerth uin abgeleitet zu sein.
Denn dieses Zeichen, das eigentlich einen geöffneten Rachen darstellt,
tritt, wie ich nachgewiesen habe^), gleichwerthig einem anderen Zeichen
1) Zeitschrift für Ethnologie XX (1888), S. 9. Vgl. oben S. 416.
11. Ein neuer Versuch zur Entzifferung der Mayaschrift.
559
auf {uinal = 20), das thatsächlich diesen Lautwerth besitzt. Landa's
zweites u aber bringt zweifellos die Silbe uuk „trinken" in Erinnerung,
da es ein konventionelles Symbol für Honigwein ist. Landa gibt nun
aber an, dass diese Zeichen einzelne Laute, die er unserm ABC koordinirt,
repräsentirt hätten, und dass aus ihnen die Silben der Sprache in der Art
unserer Buchstabenschrift zusammengestellt worden seien. Es ist sehr
wohl glaublich, dass zu Landa's Zeit in Yucatan so geschrieben worden
ist. Denn ähnliches sehen wir in Mexico. Auch dort tritt in spanischer
Zeit in gewissen Dokumenten das Bestreben hervor, die hieroglyphischen
Elemente in ihrem BegrifPsumfange zu reduziren, sie den einen Einzellaut
repräsentirendeu Buchstaben der Spanier ähnlich zu machen. Ein Beleg
dafür sind der zu der Boturini-Aubin'schen Sammlung gehörige Codex
Vergara vom Jahre 1539 und die hieroglyphischen Paternoster und
Katechismen. In ihnen werden z. B. der Topf {com-itV) und die Fahne
(pan-tli), die in alter, echter Bilderschrift jederzeit mit dem Silbenwerth
Abb. 3.
• >. ♦
Abb. 1.
Abb. 4
con und pan auftreten, zum Ausdruck von co und pa verwendet. Der
Dorn, der in alter Zeit den Begriff und die Silbe fo „stechen" ver-
anschaulichte, wird für das einfache f (z) gebraucht, u. a. m. Dies Ver-
fahren ist aber der alten hieroglyphischen Schrift fremd. Und so ist es
mir, nach dem ganzen Charakter der Mayatexte und der Gruppirung der
Zeichen in ihnen wenig glaublich, dass in alter Zeit in der von
Landa angegebenen Weise geschrieben worden sei.
Der Schlüssel, den Cyrus Thomas anbietet, scheint nun aber doch
auf dieser Voraussetzung zu beruhen. So muss man wenigstens nach dem
einen Beispiel, das er als „one result of this discovery" angibt, urtheilen.
Es betrifft die beistehende Abb. 1, die im Codex Cortes 32 rechts unten
unter einer Gruppe von dreimal zwei Hieroglyphen gezeichnet ist. Hier
stehe, gibt er an, die Schlange auf dem Zeichen cab „Erde", und die
Zeichen, die die menschliche Figur, die aus dem geöffneten Rachen der
Schlange hervorsieht, auf der Hand halte, seien „a Compound symbol" für
1/ebj yeebj was „Nebel, Thau, Feuchtigkeit" bedeute. Das Kreuz in dem
560 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Auge des Meiischengesichts und die Schlange seien beide Symbol für
Kegen oder Feuchtigkeit. Und somit stimme die ganze Figur zu der
Bedeutung, die er für das auf der Hand gehaltene Symbol {yeb uud yeeb)
gegeben habe.
Hier ist zunächst richtig, dass das unterste Zeichen (auf dem die
Schlange steht), und das eine Vergrösserung des 17. Tageszeichens der
Maya {caban) darstellt, als Ausdruck für cab „Erde" genommen werden
muss. Das habe ich im vorigen Jahre in meiner Abhandlung „zur
mexikanischen Chronologie" festgestellt und näher begründet^). In ge-
wisser Weise richtig ist auch, dass die Schlange als Symbol für Regen
gelte. Genauer freilich bezeichnet sie nicht den Regen selbst, sondern
die Wolke, die den Regen, das Wasser, in ihrem Schosse birgt. Das
Kreuz aber ist richtiger als Symbol der vier Windrichtungen oder des
Himmels zu bezeichnen, wird aber auch in anderem Sinne, z. B. zum
Ausdruck einer Verbindung, und auch als Todessymbol, gebraucht.
Wenn Cyrus Thomas das zusammengesetzte Zeichen, das die aus
dem Rachen der Schlange hervorschauende menschliche Figur auf der
Hand hält, als yeb oder yeeb liest, so nimmt er augenscheinlich an, dass
das obere Zeichen, welches in den Monatsnamen yax und yaxkin vorkonmit,
den Lautwerth y habe, während das untere dem zweiten b des Landa'schen
Alphabets entsprechen würde. Hier habe ich zunächst einzuwenden: Ist
es denn richtig, dass yeeb „Feuchtigkeit" bedeutet? In dem Diccionario
von Pio Perez finde ich yeb-ha mit der Bedeutung „feiner Regen" ange-
geben. Hier kommt aber der Begriff „Regen" oder „Feuchtigkeit" nur
durch das Wort ha „Wasser" zum Ausdruck, während yeb (oder eb).
Plural von ye (oder e) s. v. a. „Spitzeureihe, Treppe, Zahnreihe", vielleicht
auch „Besen" bedeutet, aber mit Feuchtigkeit und Nebel an sich nichts
zu thun hat. Ich selbst habe für die iu Rede stehende Hieroglyphen-
gruppe vor Jahr und Tag eine andere Deutung gegeben"). Ich habe ur-
sprünglich an Honig (cah) gedacht, später aber ist es mir wahrscheinlicher
geworden, dass die Gruppe ein Feueropfer (Kautschuk und Kopal, oder Holz
und Kopal) bezeichnet. Ich kam dazu, weil ich dem unteren Element den
Lautwertli ka7i „gelb" zuschreiben muss. Dieselbe Gruppe kommt, unten mit
einer Wirbelzeichnung (d. h. Feuer) versehen (vgl. Abb. 4), im Codex
Dresden 29, 30 neben Speisedarbringungen (Truthahn, Stacheleidechse, Fisch)
vor und ist dort der Hieroglyphe Abb. 2 äquivalent; die einen Hund oder eine
Iguana auf einem Maiskorn in einer Schüssel zeigt. Im Codex Dresden 27 b
endlich sehen wir diese Gruppe auf einer flachen Schüssel (Abb. 5) als Dar-
bringung vor Itzamnd, dem Regenten des Westens. Und auch hier ist diese
Gruppe der Hieroglyphe Abb. 3 gesellt, die mir ebenfalls einen Hund oder eine/''
1) Zeitschrift für Ethnologie XXIII (18;»1), S. 129, loO. Vgl. oben S. 548—550.
2) Zeitschrift für Ethnologie XXIII (1891), S. 108, 109. Vgl. oben S. 527.
11. Ein neuer Versuch zur Entzifferung der Mayaschrift. ^61
Iguana darzustellen scheint. Die Darbringungen, die auf den Blättern 25—28
der Dresdener Handschriften vor den Regenten der vier Richtungen und
der vier Jahre angegeben sind, entsprechen genau dem Charakter der
Gottheit, bezw. der Natur des Jahres. Die fruchtbaren, regenreichen heen-
Jahre sind durch den Wassergott bezeichnet, den Gott mit der hervor-
stehenden Tapirnase. Vor ilun stehen als Darbringungen ein keimendes
Maiskorn, und darunter Maiskörner auf eiuer Schüssel. Die brennenden
dürren etznab-iohve zeigen Kinchahau^ den Sonnen- und Schlachtengott.
Vor ihm sehen wir als Darbringung die Hieroglyphe des Maiskorns,
einem Element gesellt, das „roth" (und wohl auch brennend) be-
zeichnet. Und darunter auf einer Schüssel zahlreiche (mit der Ziffer 7
versehene) ausgerissene Menschenherzen. In den bösen, unheilvollen lamat-
Jahren herrscht der Todesgott. Vor ihm sehen wir oben offene Thier-
mäuler (Insektenfrass? Heuschrecken?) und darunter verkohlte Maiskörner.
In den aÄ6a/-Jahren endlich herrscht Itzamnd^ der alte Feuergott, der
Herr des Lebens. Ihm wäre sowohl der Hund, wie das Feueropfer eine
durchaus angemessene Darbringung.
In einem Punkte endlich beruhen die thatsächlichen Angaben, die
Cyrus Thomas in seiner Ankündigung macht, auf offenbar falscher
Voraussetzung. Er führt an, dass unter anderen bei seinen Untersuchungen
sich ergeben habe, dass das von Landa angegebene Zeichen für die
Aspiration wirklich als solches zu gelten habe. Nun hat aber Landa
dieses Zeichen gar nicht aufgestellt, sondern dasselbe ist von Brasseur
de Bourbourg willkürlich hineingebracht worden, der auch ver-
schiedene Varianten willkürlich hinzugefügt hat.
Herr Cyrus Thomas ist ein ernsthafter Forscher. Seine Versuche
sind gewiss mit anderem Auge zu betrachten, als die bekannter anderer
Gelehrter, die vor ihm auf ähnlichen Wegen demselben Ziele zustrebten.
Immerhin wird man gut thun, seiner Ankündigung, so bestimmt sie aucli
lautet, nicht ohne Weiteres Glauben zu schenken, sondern nähere Nach-
richten abzuwarten.
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 3G
562 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
12.
Does there really exist a phonetic key to the Maya-
Hierogl}i)hic writing?
Science Vol. XX. No. 499. New York. 26. August 1892.
In No. 494 of this Journal Professor Cyrus Thomas attempts to give
a key for the Interpretation of the Maya hieroglyphie writing, taking as a
guido and starting-point Bishop Landa's well-known aiphabet. It is not
for the first time that in this way an Interpretation of the Maya Codices lias
been attempted; but as yet most seientists were of the opinion that these
attempts failed to give a satisfactory result.
The hieroglyphs given as letter symbols by Bishop Landa without
doubt possessed a certain phonetic value. For instance, Landa's first a
(Fig. 1) is the head of the turtle, aac^ represented by a quite similar
hieroglyph (Fig. 2) in Codex Cortes 17a. Landa's cu (Fig. 3) is the
same hieroglyph as that of the day cauac, and conveys the ideas of the
cloud and of heavy things, as, for instance, a stone. It is an essential
element of the hieroglyph (Fig. 4) which expresses the idea of carrying
a load ou the back, euch. Landa's ku (Fig. 5) is the hieroglyph of
the bird named y,qtietzal"' by the Aztecs and kukul by the Mayas. The
sign of this bird (Fig. 6) is seen in Dresden 16c and Troano lT*b.
Landa's o (Fig. 7) seems to exhibit the characteristic elements of the
hieroglyph of the great red macaw, mo, as seen in Dresden 16 c (Fig. 8).
Landa's first u (Fig. 9) is a well-known hieroglyphie element, exhibit-
ing on the Copan steles the forms shown in Fig. 10, and undoubtedly
conveying the idea of a face, mch, perhaps of a bird. The same hiero-
glyphie element frequently occurs on the neck of the food dishes and
drinking cups (Fig. 11), probably on account of the face with which the
Indians used to ornament that part, Landa's second u (Fig. 12), a
hieroglyphie element, which is also seen in the sign of the day cib, occurs
on the jars filled with spirit-liquor (Fig. 13). It appears to be a modi-
fication of a similar design on the Aztec drinking cups (Fig. 14). The
latter refers to the ome-toch symbol, that is, the semi-lunar curved and
hook-nosed ornament of the Totochtin^ the wine gods (Fig. 15). This
12, Does there really exist a phonetic key to the Maya-Hieroglyphic writing? 563
element therefore, seems to convey the idea of drinking-, uuk. At last,
the sign of aspiration given by Professor Thomas (Fig. 16) is certainly
nota „Spaiiish fabrication", but it is Brasseur de Bourbourg's fabrication,
since it is not seen in Landa's text. It has been added to the text by
Brassenr de Bourbourg's wholly arbitrary decision. See the Photographie
36*
564
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
reproduction of the page in question in the publication of Landa's text
procured by D. Juan de Dios de la Rada y Delgado. In the hiero-
glyphic ^^Titing the eleiuent Fig. IG occurs as a Substitute for the Cle-
ment Fig. 17. Tlie latter, probably. is intended to render the head and
the wing of a bird.
It is quite probable that in Landa's tinie the Mayas used to write in
the manner indicated by Landa; we observe the same in the Mexican
area. At a certain time after the eouquest the Indian writers were in-
clined to restrict the phonetic value of their old hieroglyphs, in order to
write with them in the same manner as the Spaniards did with tlieir
respective hieroglyphs. Compare the so-called Codex Yergara of the
Aubin-Goupil collectiou. But this was not so in ancient times. Cer-
Fig. A.
Codex Tro 22 *a.
Fig. K.
Codex Cortes 26.
Fig. C.
Codex Tro 32 *b.
tainly there existed in the Maya wi'iting Compound hieroglyphs giving the
name of a deity, a person, or a loeality, whose elements united on the
phonetic principle. But as yet it is not proved that they wrote texts.
And, without doubt, great part of the Maya hieroglyphs were conventional
Symbols, built up on the ideographic principle.
In order to illustrate the combination of his letter Symbols, Pro-
fessor Thomas gives a few interpretations of groups of Compound
characters.
The first group (see Fig. A) found in the upper division of Plate 22*
Codex Troano is translated by Prof. Thomas as follows: — (1) u-zabal^
(2) u-le, (3) cutz, (4) "1-yaxkin „Set" (or literally do the setting of) the
snare for the turkey on the second day of ya.i-kin''' . — It is true that the
second hieroglyph of this group (reproduced in my Fig. 24) contains the
elements given by Landa (Fig. 25) as expressing the sounds l, e, i.e.,
12. Does there really exist a phonetic key to the Maya-Hieroglyphic writing? 5G5
le, the lasso, the sliiig; and, indeed, in the figure below a turkey is seen
hanging in the sling. I do not venture to settle the question by giving
an exphination of this hieroglyph. I will only remark that the secoud
element of this sign, that giveu by Landa as expressing the sound e,
occurs in various Compound hieroglyphs (see Figs. 26 — 28). In all these
cases the action represented refers to handling a rope or to working up
thread. Fig. 26 (taken from Codex Troano 31 *b) refers to handling the
rope trimmed with thorns that the penitent used to dravv through the
pierced tongue (see the Relief of Lorillard City, published by Charnay).
Figs. 27, 28 (taken from Codex Troano, 11*) refer to weaving and em-
broidery. It would be a Gurions coincidence that the words expressing
these different actions should all contain an e, while considering the idea
ex])ressed, the coincidence is a given one.
Considering the third hieroglyph of this group — whicli is indeed
that of the turkey, cutz (see Fig. 19), one is in like nianner indueed at
the first glance to think of a phonetic Constitution. For the first element
is that of the day cauac, giyen by Landa (Fig. 3) as expressing the
sound cu. And the second element — wanting in Landa's list of letter
glyphs — would seem to record the sound tz, because it renders the con-
ventional design of a headless carcass or skeleton, tzictzac^ seen from be-
hind, or in front, with its ribs and the anal opening. Compare the Fig. 23,
the design of a skeleton (the death-god) seen „in profile". Nevertheless,
it would be a hasty conclusion to proclaim as established and beyond
doubt the phonetic Constitution of this hieroglyph. For the same element
of the skeleton occurs in other hieroglyphs, expressing things the names
of which do not contain a trace of the sound tz. Fig. 20 is the hiero-
glyph of the dog, 'pek; Fig. 21, that of the dog of the heaven that carries
the lightning; Fig. 22 is the hieroglyph of the month kan-kin, „the yellow
(or ripe) sun".
But it is principally the first hieroglyph of the group in question that
rouses the gravest doubts about the rightness of Professor Thomas's
Interpretation. The whole group forms part of a series of representations,
Alling the upmost division of Flates 24*— 20* of the Codex Troano, and
recording, undoubtedly, the capturing of animals. The series begins with
the prey-gods of the five regions. These are followed by various repre-
sentations showing the hunting god — with a captured turkey under the
arm, or holding a bag, or arraed with spears and throwing- stick (Fig. 33);
the black god (Fig. 31 = Ekchuah'?)^ and different captured animals, an
ai'madillo (?) in the trap loaded by heavy stones, a turkey seized by the
snare, a deer seized by the snare, a deer impaled on the pointed flint
erected in the bottoni of the pit, a pizote seized by the snare, and a tur-
key entangled in the hunter s net. Each figure is accompanied by a group
of four hieroglyphs (as a rule). The first hieroglyh is the same in
566 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferang
all the groups (see Fig. A, and my Figs. 31 — 33), and undoubtedly
refers to the action of capturing. This action is clearly indicated by the
form of the hieroglyph that exhibits the head of the victim with the bloody,
empty eye-hole. the conventional symbol of sacrifice. This head is held
withiii a sling, the kuot of which is seen on the summit. Compare the
more accurate design of this hieroglyph in Fig. 18, taken from the
Dresden Codex 60a. In this hieroglyph all is figurative and Ideographie;
uo trace of phonetie Constitution can be observed,
The fourth hieroglyph of the group A (Fig. 29) is interpreted by
Professor Thomas as the second day of the month ijaj:-kin. But this is
obviously erroneous. There does not exist a numeral designation with
Grosses between the dots. Fig. 29 seems a variant of the hieroglyph
seen in Fig. 30 plaeed on a bovrl. In the latter hieroglyph, the second
element signifies kan. the yellow color. It is replaced in Fig. 29 by the
element kin, the sun. The hieroglyph Fig. 30 — which in a former
communication was interpreted by Professor Thomas as signifying
y,raoisture"* — occurs on düferent pages of the Dresden Codex among the
fignred represeutations of offerings (turkey. lizard. fish. deer). Undoubted-
ly it means an offering, perhaps wood and Indian rubber, or copal.
The second sample given by Prof. Thomas ist shown in Fig. B.
It is found in the lower division of plate 26 of the Cortesian Codex.
Prof. Thomas trauslates the group as follows: — (Deity) u-an yal-cab
kal-cab „As'*, or «in the uame of (the deity) slowly gather the swarm of
bees and inclose them in a hive". — I do not enter into a discussion of
this group. because I find nothing in it that might impel me to accept the
translation given by Prof. Thomas.
Professor Thomas"s third sample (Fig. C), is taken from the middle
division of plate 32* of the Codex Troano. It is translated by him as
follows: — mul-cin ku ci- (god of death) xaan „Collect together for the
temple of the holy god of death palm wood" — I agree with Professor
Thomas that the boards covered with the hieroglyphic design of the day
cauac may be intended for -,wood~ or „wooden", though I am more in-
clined to take it for „stone" or -made of stone~. The same board is
seen in Troano 12* c, but fitted with a twisted handle on its surface. Hera
the first and fourth hieroglyph of the group are also seen; the second one
is wanting. Yariants of the first hieroglyph occur in Troano 35 a. 35 b,
34b, and Cortes 21a, where the figure below shows the god beating a
drum. Professor Thomas" s explanation, mul-cin, „collect together~, is
mereley hypothetical. The same applies to the fourth hieroglyph. It is
the same as that given by Landa as expressing the sound .v. It is ma-
terially identical with that of a well-known deity exhibiting in his face the
same characteristic design as the face that forms the essential part of this
hieroglyph. In Troano 11* this hieroglyph accompauies the elements
12. Does there really cxist a phonetic key to the Maya-Hieroglyphic writing? 567
which seem to express the action of weaving. And on the two contiguous
plates, Codex Troano 35* and Cortes 22, it is connected with red nume-
rals and forms a row alternating with rows of various offerings. It is
scarcely probable that in all these cases the reading xaan should corre-
spond to the matter expressed.
The problem of the Maya writing is a difficult one. I cannot con-
vince myself that the list given by Professor Thomas as letter glyphs
acts as a key to its Interpretation. For the samples of translation he
addnces are not forcible, and include misunderstandings. In my opinion,
in the present state of things it would be far more appropriate to point
out the real meaning, as to the matter expressed, of each hieroglyph. The
determination of their phonetic value will then follow, and consequently
will then be done with much more accuracy.
568 Dritter Abschnitt: Kalender iind Hieroglyphen-Entzifferung.
13.
Is the Maya HieroglypMc Writing Plionetic?
Science Vol. XXI. No. 518. New York. 6. Jauuarv 1893.
In No. 505 of the Science, Professor Cyrus Thomas devotes a few
more pages to the problem of the Maya hieroglyphic writing, „These",
he says, „may perhaps be profitable to the subject, if confined to an
earnest endeavor to arrive at the truth". The „additional evidenee", in-
troduced in this mann er by Professor Cyrus Thomas, he has seen fit to
precede by some remarks intended to invalidate the criticism I offered in
this paper some months ago (Science, Aug. 26). My answer to these re-
marks is presented in the following lines, which, I trust, will also be profit-
able to the subject, although I do not claim to be the only scientific
man that „earnestly endeavors to arrive at the truth".
Professor Thomas is correct in stating that „a dot and two crosses
with a month-symbol form a date in the bottom line of Plate 49, Dresden
Codex". Nevertheless, I firmly believe I can maintain that „there does
not exist a numeral designation with crosses hetween the dots". I have
never seen it in the Codices. On the other band, I found, for instance,
on the sides of the Stela J of Copan (Maudslay, „Biologia Centrali Ameri-
cani", PI. 69—70) that the one dot of the numerals 1, 6, 11, and 16
always is framed by two ornamental signs, but there is never an orna-
mental sign between the two dots of the numbers 2, 7, and 12. Compare
the Figs. 1 — 16 of the adjoined table. Moreover, I think, the analogy
between the two hieroglyphs, (Figs. 29 and 30 of my former paper, see above
pag. 563), is obvious. Since in the one case the two dots and the cross
are a part of the hieroglyph and not a numeral, I hope, it will not be a
fault of veracity to believe the same in the other.
Professor Thomas says I am not correct in stating that Fig. 30 of my
former paper (see pag. 563) is the glyph he iuterpreted „moisture". „True,
the parts are similar", he says, „but the details and surroundings ^re differ-
ent". In the adjoined table I reproduce the Fig. 30 of my former paper
by Fig. 17, and Professor Thomas's moisture symbol by the Fig. 18.
Certainly, the surroundings are difi'erent. In Fig. 17 the hieroglyph is
placed on a dish, in Fig. 18 on the band. And there are wanting in
13. Is the Maya Hieroglyphic Writing Phonetic:
569
Fig. 18 the two clots and the cross that are seen in Fig-. 17. But the
parts are not „similar", but essentially the sanie. And that the whole
hierolgyph is really the sanie, is proved by comparing Figs. 19 and 20 of
the adjoined table, taken from the Dresden Codex, 18 a and 19 c. In
Fig. 20 the hieroglyph of Fig. 17 is the first hieroglyph of the text. Its
representative is shown in the hieroglyph carried on the back of the
570 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
woman figured below. This representative of the text-hieroglyph exhibits
the same elements in tlie same order as Professor Thomas's moisture-
syinbol held on the band of Fig. 18.
Professor Thomas asserts that iny statement that the first glyph
showu in liis Fig. 2, p. 46 (Science, July 22), is the same as that in cer-
taiu groups mentioned by me, and Figs. 31 — 33 (of my former paper, see
above pag. 563) are incorreet, as I had failed to include the prefix. The
character of my first figure, he says, is the same, but the characters of
my two other figures are differeut and give a difiFerent word. The first
character Professor Thomas had iuterpreted u-zabal, ,,set the snare". Re-
specting the latter, he says, it is possible that the signification is suggested
by haoab, „a sword, weapon to wonnd with, a whip." This agrees, Pro-
fessor Thomas asserts, „very well with what we see in the hands of the
figures below, and also with the general tenor of the series". True, in-
stead of naming one character and one series, I ought to have spoken of
_two allied characters and two allied series". But my objections to Pro-
fessor Thomas's Interpretation were chiefly based on the fact that each
one of the two hieroglyphs is the leading character in a series of repre-
sentations, embracing differeut actions, and not only the „setting of the
snare". The first character is the leading hieroglyph in the series Figs. 26
— 31 of the adjoined table; the second one in the series Figs. 32 — 35.
It is obvious that — although there are represented difi'erent persons and
animals — the general tenor of the two series is esseutially the same.
Both, undoubtedly, refer to capturing animals, showing the deity armed
for hunting and differeut captured animals. Now, it can be proved that
the leading character of the hieroglyphic groups of a series suggests the
action in which the persons figured below are represented (compare, for
instance, Codex Dresden 4c and 7 c and the two leading hieroglyphs in
Codex Dresden 12 c, Codex Troano 19 c, etc.). As, in our case, the gene-
ral tenor of the two series is the same, the first of our characters
(Figs. 26 — 31) will be intended to indicate the same action as the second
one (Figs. 32 — 35). We must conclude, therefore, that the second part,
which is common to the two hieroglyphs, is the essential one; and that
the other, the so-called „prefix", is subordinate, referring to circumstances
of minor importance, perhaps interchangeable. This conclusion will be
proved once more by the fact that the second part occurs alone, and
apparently with the same general signification (see Fig. 35a, taken from
Dresden Codex 60a).
As to Professor Thomas's Interpretation, the name hacab he gives
does not agree with bis own aiphabet. For the element in question, the
knot or loop, seen on the top of the second part of the hieroglyph, ac-
cording to Professor Thomas's aiphabet, does not express the sound of
the „letra herida" 5, that is to say, ta\ but that of z, or s. The word
13. Is the Maya Hieroglyphic Writing Phonetic? 571
itself is not ha-oab, as Professor Thomas reads, biit hao-ab, an instru-
mental noun derived from the verb Äa^, „to whip, to wound". Pirfally,
it is obvious that the rendering, „sword, a weapon to wound with, a
whip", does not more agree „with what we see in the hands of the
figures below, and also with the general tenor" of the second series
(Figs. 32 — 35), as it would agree with that of the first one (Figs. 26 — 31).
I may safely abandon to the reader's judgment to decide whose interpre-
tation in this case is the more based on ,,mere assumptions". Professor
Thomas 's or mine, and who has more earnestly endeavored to arrive at
the truth.
Professor Thomas acknowledges the correctness of my statement that the
sign of aspiration found in Brasseur's „Landa" is not in the original text.
„Nevertheless", he says „we have to thank the Abbe for a happy Sugges-
tion .... I may add that Dr. Seier has gone farther than Brasseur, as he
has given us in bis 17a (see above pag. 563) a character which appears to
be new, — at any rate, I have been unable by a careful search to find it in
any of the Codices". I refer Professor Thomas to the Figs. 23 — 25 of
the adjoind table. These, and some other variänts, act as leading hiero-
glyphs in a series of twenty-nine hieroglyphic groups, accompanying as
many figures of the rain-god. My Fig. 23 contains the element in ques-
tion, with exactly the same characters as I rendered them in Fig. 17 a of
my former paper (see above pag. 563). This Fig. 23 occurs three times in
the series, in Dresden Codex 30 c, 31 c, and 39 c. Professor Thomas, there-
fore, has not carefully searched. To call a notorious falsification „a happy
Suggestion", and to stigmatize a correct statement as a conscious falsi-
fication (I say it with due regard to courtesy), we are not wont to con-
sider as an earnest attempt to arrive at the truth.
Professor Thomas argues that I had criticised his article without
having thoroughly read it, because, in the fourth character of his Fig. 4,
I overlooked, he says, the little item on the front of the face. Had I but
looked to his Fig. 3, I would not have fallen into the error of considering
the two as the same. I regret to say that the writer of the Dresden
Codex has fallen into the same error, since he mentions the deity, seen in
the Figs. 21, 22, of the adjoined table, in Dresden Codex 5 a by the first
hieroglyph of Fig. 21, in Dresden Codex 13 b by the first hieroglyph of
Fig. 22, both differing from another in „the little item on the front of
the face", nearly in the same way as the characters of Professor Thomas's
Figs. 3 and 4 (Science, p. 45) diifer from another.
Professor Thomas himself, in most cases, has overlooked the noto-
rious existence of variänts of writing and the replacement of one element
by another. He says, „To assume that the Fig. 29 (of my former paper
see above pag. 563) is a variant of Fig. 30, is certainly straining a poiut to
the utmost tension". I could show to my Opponent more curious variänts.
0<
Dritt t^r Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung:.
As to the mutual replaceraent of the element Hn and Professor Thomas' s
„letter-glyph" b — tliat. in my view, renders the sound kan „yellow'' —
I refer him to Figs. 36, 37. of the adjoined table, the first showing the
leading hieroglyphs of Cort. 21, Tro. 35 d, the latter those of Codex Tro.
24*, 23*a.
Professor Thoraas concludes his objections against my criticism with
the followiug phrase: ..I must confess that his (Dr. Seler's) eyes are
sharper thau nüne. if he cau find auy figures in either of the Codices re-
presenting a god or aiiy one eise beatiug a drum. This, like other of his
assertions in regard to the significauce of other figures, appears to be
,.merely hypothetical'\ My reply to this apostrophe is the Fig. 40, takeii
from Dresden Codex 34 a. vrhich, for the beuefit of the reader, I have
contrasted vrith two Mexicau paintings, Figs. 38 and 39. takeu from Codex
Fig. 38. — Codex Borgia m
(= Kingsborough PI. .55).
Fig. 39. — Codes Laud PI. 39
(Kingsborough's numeration).
Borgia 60, and Codex Laud 39. In the two Mexican paintings, a goddess
is Seen and a god, the latter beating a drum, in Fig. 39, euriously held
between the legs. Xo scholar versed in Mexican pictographic style, will
deny that the instrument seeu in those paintings is really the drum, the
tlalpan-ueiietl, raade of wood and covered with a jaguar-skin. Compare
Fig. 43, the well-knowu musician of the Mendoza Codex. Now the god
of Fig. 39 has his exact counterpart in one of the persons of Fig. 40.
Here. in the very middle of the seenery, we have the head cf the sacri-
ficed 'or the dead deity) exposed on the top of the altar-pyramid. On the
left side a fire is buruing. and below it an ofFering of maize is placed
on a dish. To the right band other offerings are seen, consisting of a
meal of maize and turkey, and of a meal of maize and certain other game.
Four persons sit around. playing difiFerent Instruments. On the upper part
of the left side, a black-colored person holds the chkauaztli, the well-known
13. Is the Maya Hieroglyphic Writing Phonetic?
573
rattliiig staff of the Mexican paintings (see „Compte Rendu, YII. Sess.
CongT. International Americanistes", Berlin, 1888, p. 661 — 664, and „Ver-
öffentlichungen aus dem Königlichen Museum für Völkerkunde", I., p. 147,
152). Below him a woman beats a drum of curious form. The music
is Seen rising froni the end of the instrument. To the right hand of the
altar, in the lower part, a man is playing a flute. Here, also, the music
is seen rising from the lower end of the flute. The upper figure, on the
riyht side. with one hand shakes the rattle and with the other beats the
Fig-. 40. — Dresden Codex 34 a.
Fig. 43. — Codex Mendoza.
drum, held between the legs exactly in the same mauner as with the
god of the Codex. Land. (Fig. 39). Auother series of musicians occurs in
Codex Tro. 24*, 23 *d. Here a person, exhibiting a black-colored skin,
like that of Fig. 40, is seen with the Chicauaztli in the one hand, and a
rattling-ring (?) in the other (Fig. 41), while another deity (Fig. 42) is
beating a drum. On the top of the figures I reproduce the leading hiero-
glyphic that accompanies the figures and undoubtedly refers to the gene-
ral tenor of the series. The curious form of the instrument of Dresden
Codex (Fig. 40) occurs also on Plate 24 of the Codex Tro., together
with another more regulär form (see Fig. 44 on the next page). And
574
Dritter Abschuitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
consideriiig tlie former and the other figures of the instniment re-
presented above, I think, nobody will doubt that also in the figures of
Codex Cortes 218 and Codex Tro. 35b (Fig. 46 of the adjoined table)
the writer intended to represent a drum. AVe shall the less doubt of it,
as this action here is accompanied by hieroglyphs (Fig. 45). the one of
them exhibiting the same characteristics as those accompauying the mu-
i^-i^iaiOT^n^
Fig. 44. — Codex Tro -24.
^^ W. ^. n.
Fig. 47. — Dresden Codex 29, 30c.
O
Fig. 4S. — Codex Tro 31, 30d.
sicians in Figs. 41 and 42. We hare. thus. in the known Maya Codices at
least five well characterized representations of persous or gods beating a
drum. My mentioning, thereiore, of a god beating a drum was not
„merely hypothetical'', not a „mere assumptiou*, but based wholly on proofs.
I shall not go into further details; nor shall I attempt to criticise the
„additional evidence" brought forward by Professor Thomas in his last
13. Is the Maya Hieroglyphic Writing Phonetic? 575
article, or to discuss the probability of that curious enumeration of histori-
cal facts occurring every 177 days, for the space is limited. Only, by
the way, I note that Professor Thomas interprets phonetically a-aman as
„north", the character that, in reality, desiguates nohol „south" (see the evi-
dence adduced by me in „Zeitschrift für Ethnologie", XXIII., p. 104; above
pag. 522—526). His third sample of the use of his „letterglyph" b is one of
those interesting hieroglyphs that change the so-called „prefix" accordingto the
four Cardinal points. Compare Figs. 47, 48 of the adjoined table, the former
taken from Codex Dresden 29, 30c, the latter froni Codex Tro. 31, 30d.
These varying elements undoubtedly are indicating the names of colors,
as each of the four cardinal points was distinguished by a special color.
And the so-called letterglyph b, with all probability, has to be considered
as expressing the element kan „yellow" (see „Zeitschrift für Ethnologie",
XXIII., p. 108, 109; above pag. 527). . The explanatiou Professor Thomas
gives of the five dots, seen under certain hieroglyphs, as renderiug the sound
ho ,,five", will receive a curious Illustration by the varied form these dots
exhibit, for instance, in the Fig. 35 b (see pag. 569), taken from the Dresden
Codex. It does not appear, with all, that the samples of Interpretation
presented by Professor Thoraas in his last paper are more satisfactory than
those of his former one. It will be seen, indeed, that there is no reliance
in the simple fact that, applying a certain key, the parts give apparently
ap]>ropriate results. In a similar way there coula be proved and has been
proved that the Mexican and Pernviau languages are derived from Öanscrit,
and that the descendants of the lost tribes of Israel survive in the Southern
Sea. The right, Professor Thomas claims, to apply such a key has to
be proved in the first place. I am awaiting if, in the paper he is pre-
paring for publication by the Bureau of Ethnology, he will be able to do so.
576 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzififerung.
14.
Some additional remarks on Maya Hieroglyphic
writing.
„Science". Vol. XXI. No. 524. New York. 17. February 1893.
In a former communicatiou, replyiug to some objection brought for-
ward by Professor Thomas, I noticed tliat in the numerals, coniposed of
straight liues and dots, which are seeu accompanying the hieroglyphs of
the Maya iuscriptious, the one dot of the numbers 1, 6, 11, 16 always is
supported and framed by two ornamental signs Alling up the space, while
no ornamental sign is seen between the two dots of the numbers 2, 7, 12,
17. I noticed this for a Copan Stela published by Alfred Maudslay
(see the Figs. 1 — 16 in my former paper). I may add that the same
applies to the inscriptions of the Palenque tablets, only that here the
two dots of the number 2, like the one dot of the number 1, are framed
by two ornamental signs, while the two dots of the numbers 7, 12, and
17, as a rule, are standin^- alone. I wish to state that although prevailing
in most cases, this rule may allow some exception. Alfred Maudslay,
page 39 of the text, gives drawings of the numerals, where an ornamental
sign, similar to the two ornamental signs of the numbers 1 and 6, is seen
between the two dots of the numbers 2 and 7. Maudslay does not
raention where he has taken these figures. But, for instance, on the
eross-tablet 1, of Palenque, in the hieroglyph V. 17, designating the
twelfth day of the month Kaijah^ a somewhat peculiar ornamental sign,
composed of two nooks, is seen between the two dots of the number.
In conneetion with these facts, I wish to mention that there exists
an instance of what could be taken as a cross — though in reality it is
not — between the two dots of a number in Dresden Codex 46, already
mentioned by Professor Förstemann in Zeitschrift für Ethnologie, 23
(1891), p. 149. At all events, there does not exist in the whole bulk of
Mayan Manuscripts, nor in the wall -inscriptions, a numeral designation,
similar to the instance induced by Prof. Thomas (see above page 564,
Fig. A), where two dots and two crosses are seen alternating with one
another.
10. Die wirkliche Länge des Katun's der Maya-Chroniken. 577
15.
Die wirkliche Länge des Katun's der Maya-Chroniken
und der Jahresanfang in der Dresdener Handschrift
und auf den Copan- Stelen.
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 15. Juni 1895.
Zeitschrift für Ethnologie. XXVII. S. (441) — (449).
Während in den mexikanischen Annalen die Jahre mit ihren Zeichen
und Ziffern hinter einander aufgezählt zu werden pflegen und nur durch
das immer beim 53. Jahre wiederkehrende Bild des Feuerreibers ein Hin-
weis auf die grösseren Perioden, die man kannte, stattfand, geben auf den
Maya-lJenkmälern und in den Maya-Chroniken gewisse grössere Zeiträume,
Katun genannt, das Hauptfachwerk ab, in das die geschichtlichen und
sonstigen Ereignisse eingereiht werden.
Zur Benennung der einander folgenden Tage dienen bei den mexika-
nischen und zentralamerikanischen Stämmen bekanntlich 20 Zeichen, die
mit den Ziffern 1 — 13 in sich wiederholenden Reihen kombinirt werden.
Auf die Anfangstage der Jahre fallen, wie eine einfache Rechnung ergibt,
nur vier der eben genannten 20 Zeichen, die sich aber in ähnlicher Weise
mit den Ziö'ern 1 — 13 in fortlaufenden und sich wiederholenden Reihen
konibiniren. Die Katune der Maya-Chroniken, die augenscheinlich, gleich
den Jahren, nach ihren Anfangstagen benannt sind, werden nur mit einem
der 20 Tageszeichen, dem letzten, ahau, das dem mexikanischen xochitl
entspricht, bezeichnet. Und die Ziff'ern kombiuiren sich mit diesem in
der Weise, dass sie in den aufeinander folgenden Perioden immer um den
Werth von zwei vermindert erscheinen, d. h. die Namen der aufeinander
folgenden Katune sind folgende:
13. -, 11. -, 9. -, 7. -, 5. -, 3. — , 1. —
12. — , 10. — , 8. — , 6. -, 4. — , 2. ahau.
Die Grösse des Katun's wird von den alten spanischen Autoren Lau da,
Cogolludo, und so auch im Text der Bücher des Chilam Balam über-
einstimmend zu zwanzig Jahren angegeben. Da es aber schwer begreiflich
erschien, wie in diesem Falle die Katune in der obigen Weise benannt
Seier, Gesammelte -Abhandlungen I. 3^
578 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglvphen-Entziffening.
werden konnten, — da die Anfangstage von zwanzigjälirigen Zeiträumen
die Bezeichnungen
13. — , 7. -, 1. — . 8. — . -2. — . 9. — 3. —
10. — , 4. -, 11. —. 5. -, 1-2. — , G. ahmi
erhalten müssten, — so haben Spätere der Katuu-Länge von 20 Jahren
eine solche von vierundzwanzig Jahren substituirt. Zeiträume von dieser
Länge würden in der That mit den oben genannten Tagen 13., 11., 9.,
7., 5., 3., 1-. 12.. 10., 8., H.. 4., 2. ahait begonnen haben können. Ins-
besondere hat der yukatekische Archäolog Pio Perez in einer Abhandlung,
die zuerst im Anhang zum ersten Bande von Stepheus' „Incidents of
Travel in Yucatan" erschien, diese Theorie mit Entschiedenheit vertreten.
Und Yalentini, Cyrus Thomas, Brinton und zuletzt auch Förste-
mann haben sich ihm angeschlossen. Ich habe indes schon in einer
früheren Arbeit^) darauf hingewiesen, dass absolut kein Grund vorliegt,
die bestimmten und übereinstimmenden Angaben der alten Autoren in
dieser "Weise zu korrigiren. Zwanzig Jahre — kal haab im Mava — ist
einfach ein ungenauer Ausdruck für einen Zeitraum von 20 X 360 Tagen").
Perioden dieser Länge genügen ebenfalls der Bedingung, dass, wenn die
erste z. B. mit einem Tage 13. ahau beginnt, die folgenden der Reihe
nach mit IL, 9., 7., 5., 3., 1., 12., 10., 8., 6., 4., 2. ahau beginnen müssen.
Und 20 X 360 Tage war in der That ein Zeitraum, mit dem die Maya zu
rechnen gewohnt waren. Das geht aus der Art der ZifFerschreibung in
der Dresdener Handschrift, die Förstemann uns kennen und lesen gelehrt
hat, mit unumstösslicher Sicherheit hervor.
Für seine Theorie der Katun-Länge von 24 Jahren beruft sich Pio
Perez auf die 3Iaja-,. Manuskripte", d. h. auf die sogenannten Bücher des
(Jhüam Balam, von denen Abschriften in seinen Händen sich befanden.
Ihm gegenüber hat jedoch schon Brinton darauf hingewiesen'), dass von
diesen Büchern des Chilam Balam nur drei, — die von Mani, Kaua und
Oxcutzcah^ — ausdrücklich sich für die Katun-Länge von 24 Jahren aus-
zusprechen scheinen, während vier oder fünf andere, insbesondere das
wichtige Buch des Chilam Balam von Chumayel, nur eine Katun-Länge
von 20 Jahren kennen. Ich kann dem hinzufügen, dass auch in den erst-
genannten drei Büchern diese Angaben, dass der Katun zu 24 Jahren an-
zunehmen sei. nur in Randbemerkungen, die anscheinend alle von anderer
1) Zeitschrift für Ethnol. XXlll. 1891. S. 112, 113 (vgl. oben S. 533).
2) Dass dem Worte haab „Jahr" durchaus nicht immer der bestimmte Zahlen-
werth „365 Tage" zukommt, geht aus dem Cakchiquel-Kalender hervor. Das Wort
huna^ womit in diesem Kalender ein Zeitraum von 400 Tagen bezeichnet wird, ist
eigentlich hiinab, d.i. fiun-ab, „ein Jahr".
3) In einem Berichte über die Bücher des Chilam Balam, der am 8. Januar
1882 auf der Jahresversammlung der Numismatic and Antiquarian Society of
Philadelphia verlesen wurde.
15. Die Avirkliche Länge des Katun's der Maya-Chroniken. 579
Hand zugefügt sind, sich finden, dass aber im Text selbst immer nur von
einem Katun von 20 Jaliren die Rede ist. Oa'lahunppel ahauob hunhun kal
haab u cuchma^ „die dreizehn ahau^ jeder zählt 20 Jahre", — heisst es
S. 75 in demselben Buche des Chilam Balam von Mani. Und wo auch
immer, in dem chronistischen Theil dieser Bücher, Zusammenrechnungen
versucht werden, da ist der Katun immer zu 20 Jahren angenommen.
Und mehr noch, die Randbemerkungen, die von einer Katun-Länge von
24 Jahren sprechen, sind nicht nur durch die Handschrift als später hin-
zugefügt kenntlich, es ist auch aus den Zeitangaben ersichtlich, dass der
Schreiber dieser Bemerkungen nur das gegenwärtige Jahrhundert im Auge
hatte, also in diesem oder frühestens im vorigen Jahrhundert gelebt haben
muss. Genau in Uebereinstimmung mit der von Pio Perez (1. c. p. 442)
aufgestellten Katun-Tafel, — die übrigens, wie wir sehen werden, mit den
Angaben der Texte nicht in Einklang zu bringen ist — , und wonach im
Jahre 1488 ein Katun 13. ahau, im Jahre 1512 ein Katun 11. ahau seinen
Anfang nahm, wird in diesen Randbemerkungen, und zwar übereinstimmend
in den Büchern des Chilam Balam von Mani und des von Kaua angegeben,
dass im Jahre 1800 der Katun 2. ahau zu Ende sein werde, im Jahre 1824
der von 13. ahau^ im Jahre 1848 der von 11. ahau^ im Jahre 1872 der
von 9. ahau^ im Jahre 1896 der von 7. ahau^ im Jahre 1921 — wie in
beiden Büchern augenscheinlich falsch für 1920 geschrieben ist — der von
5. ahau zu Ende sein werde*).
Für Pio Perez waren, wie es scheint, in erster Linie Stellen mass-
gebend, wie S. 75 des Chilam Balam von Mani")^ wo es heisst: — oxlahun
cauac u zut u uuHz katun^ u zut tu caaten oxlahun cauac u cutal katun hun
ahau^ „bei (mit, in) 13. cauac erneuert sich das Katun-Bündel, kehrt es
zum anderen Male wieder mit 13. cauacj beginni . der Katun 1. ahau'"''. —
Indem Perez hier richtiger Weise oxlahun cauac für das Jahr 13. cauac
nahm, ghüclizeitig aber auch überzeugt war, dass das nun auch heissen
müsste, mit dem ersten Tage des Jahres oxlahun cauac beginnt der
Katun hun ahau^ kam er zu der Ansicht, die für ihn das Grunddogma
bildet, dass die Katun-Perioden mit einem Jahre cauac ihren Anfang
nehmen und nach dem zweiten Ta^e dieses Jahres benannt seien. Wir
\) Die hier gemachten Zitate, sowie die, die ich weiterhin aus den Büchern des
Chilam Balam zu machen haben werde, sind mir durch Kopien ermöglicht, die
mir Prof. Brinton von den in seinem Besitz befindlichen Berendt'schen Ab-
schriften der Bücher des Chilam Balam zu machen gestattete, als ich im Jahre
1S.S7 gelegentlich meiner Reise nach Mexico einige Tage im Hause Prof. Brinton's
in Media bei Philadelphia zu verweilen die Ehre hatte.
2) Die Seitenangaben beziehen sich immer auf die Seiten der Dr. Berendt'schen
Abschriften, die sich damals in der Bibliothek Prof. Brinton's befanden, jetzt
der Universitäts-Bibliothek von Philadelphia angehören.
580 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
werden indes sehen, dass die Perez'sche Annahme des Zusammenfallens
von Jahres- und Katun-Anfang der AYirkliohkeit nicht entspricht.
In dem Buche des Chilayn Balam von Mani findet sich auf Seite 101
bis 115 eine Aufzählung der Jahre, die zu dem Katun 5. ahau gehören,
mit den Ereignissen, die in denselben stattfinden werden. Der Katun
beginnt im Jahre 13. kan (d. h. wo der erste Tag des Uinal pop ein Tag
13. kan ist), und es wird dieses Jahr dem Jahr 1093 der christlichen Zeit-
rechnung gleich gesetzt. Im „dritten Stein" (d.h. im dritten Abschnitt
dieses Katun) fällt 1. pop auf 3. cauac^ „im siebenten Stein" auf 7. cauac^
im eilften auf IL cauac^ im zwölften auf 12. kan^ u. s. f. Und 20 Jahre
werden hinter einander aufgezählt.
Dieser Abschnitt beginnt mit folgenden Worten: — o.vlahun kaan tu
hunte poop, chha iduac katun ti ho ahau tu habil 1593 aaos cuchi tu holhun zeec
yalcaha hek lay u euch Heil u talel ualic lae, he tu kinil hii u chhabal katun lae.
Wie man in den Bilderschriften einer Gruppe beobachten kann, dass
in ihnen dieselben Gegenstände, dieselben Reihen behandelt sind, und nur
die Ordnung, in der die einzelnen Abschnitte vorgenommen werden, eine
andere ist, so erweisen sich auch die verschiedenen Bücher des Chilam
Balam im Grossen und Ganzen nur als verschiedene' Rezensionen derselben,
bald vollständiger, bald unvollständiger wiedergegebenen Tradition. Man
findet auch in ihnen überall dieselben Gegenstände, nur in verschiedener
Reihenfolge, behandelt. Die Aufzählung der Jahre, die zu dem Katun
5. ahau gehören, die im Chilam Balam erst auf S. 101 — 115 Platz gefunden
hat. mit der beginnt das kürzere, aber gut überlieferte und wahrscheinlich
ältere Buch des Chilam Balam von Titzimin. So finden wir denn in ihm
ilie oben angeführte Stelle am Anfang des ganzen Buches. Sie lautet in
dem Buch von Titzimin folgendermassen: —
ox hiin kan tu hunte pop chhah u lae Katun ti ho ahau ti hab — 1593
cuchi tu holhun seec yal kaba hek lai euch ti cutal valic lae.
In diesen beiden Stellen ist mir allerdings das Wort yal kaba — wie
das Buch von Titzimin wahrscheinlich richtiger für das yal caba des Buches
von Mani schreibt — unklar. Wörtlich heisst es „der Sohn des Xamens".
Man sollte erwarten, dass hier noch eine Vervollständigung des vorher-
gehenden Zahlausdrucks kommt, etwa catac cappel „und zwei". Denn das
vorhergehende Datum tu holhun, zeec ,,ani fünfzehnten des (Uinal oder
Monats) Zeec^'- kann unmöglich richtig sein, da wenn der erste des Uinals
Pop ein Tag 13. kan ist, nicht der fünfzehnte, sondern der siebzehnte des
Uinal's Zeec der Tag hun ahau „I. ahau"" ist. Lassen wir also das Wort
yal kaba zunächst bei Seite und korrigiren wir das tu holhun zeec m tu
holhun zeec catac cappel^ so würde die oben angeführte Stelle folgender-
massen zu übersetzen sein: —
„Wenn der erste des (UinaVs) Pop (d. h. der Jahresanfang) auf einen
Tag 13. kan fällt, da wird die Schüssel für den Katun 5. aliau geholt
15. Die wirkliche Länge des Katun's der Maya-Chroniken. 581
(d. h. da tritt der Katuii 5. ahau seine Herrschaft an), im Jahre 1593 war
es, am fünfzehnten (verbessere „siel)ze]inten") des (UinaFs) Zeec. Das ist
das Zeichen, in dem dieser Katun sicli anf den Thron setzt".
An dieser Stelle ist also ausdrücklich gesagt, dass der Katun nicht
mit dem 1. des Uinal pop, dem Jahresanfang, begann, sondern dass er
mitten im Jahre, in diesem Falle im fünften Uinal, dem Uinal zeec, seinen
Anfang nahm. Der Katun hatte eben mit dem Sonnenjahr von 365 Tagen
direkt nichts zu thnn. Die ihm zu Grunde liegende Einheit war das um
die 5 xma kaba kin verminderte Sonnenjahr, die Zahl 360. Unter An-
bringung der oben angegebenen kleinen Korrektur stimmt übrigens das
Exempel genau. Denn wenn der Tag 13. kan der erste des Uinal pop
ist, so ist 2. kan der erste des Uinal zeec^ und 5. ahau der siebzehnte Tag
des Uinal zeec.
An der Stelle, wo Pio Perez seine Theorie von der Katun-Länge
von 24 Jahren entwickelt, gibt er an, dass man die ersten 20 Jahre amay
tun oder lamay tun, den „viereckigen Stein", genannt und die vier letzten
Jahre als lath oc katun oder chek oc katun, „Fussgestell des Katun", ge-
wisserraassen als überschüssige Jahre, bezeichnet habe. Letztere wären,
gleich den fünf über die Zahl 18 x 20 oder 360 überschüssigen Tagen des
Jahres, als unheilvoll betrachtet, daher u yail haah genannt worden.
Ich muss gestehen, dass diese bestimmten Angaben mich anfangs
ziemlich stutzig machten. Denn ich musste doch annehmen, dass ihnen
in gleicher Weise bestimmte Angaben der Manuskripte zu Grunde liegen.
Ich habe mich aber doch nachmalen überzeugen müssen, dass wir es auch
bei diesen Erklärungen Perez 's mit späteren Hinein-Interpretatiouen,
nicht mit wirklichen Originalangaben, zu thun haben.
Das Wort tun „Stein" bezeichnet in diesen, sich auf Zeitperioden be-
ziehenden Stellen nichts anderes, als „Abschnitt". Die verschiedenen Ab-
schnitte des Katun werden als der fünfte, sechste, siebente u. s. w., tun
(Stein), oder als der fünfte, sechste, siebente u. s. w., uutz (ümbiegung,
Falte, Bausch) bezeichnet. Amay-tun oder lamay-tun sind also die „im
A'iereck gestellten Abschnitte", d. h. die nach den vier Himmelsrichtungen
vertheilten Abschnitte. Wie die einzelnen Tage des Tonalamatl und wie
die aufeinander folgenden Jahre, werden auch die einzelnen Abschnitte
des Katun einer bestimmten Himmelsrichtung angehörig betrachtet worden
sein. Diese einfache Bedeutung könnte das Wort amay-tun gehabt haben,
wenn es sich nicht überhaupt auf ganz etwas anderes, auf die Monumente,
die man als Bilder der Katune zu errichten pflegte, bezog.
Den Ausdruck chek oc katun oder lath oc katun habe ich in den wenigen
Stücken, die es mir seiner Zeit vergönnt war, aus den Büchern des Chilam
Balam zu kopiren, nicht angetroffen. Dagegen habe ich an einer Stelle
den Ausdruck cheeh oc katun gefunden. Und obwohl cheeh oc ebenfalls
einen ganz bestimmten und von chek oc verschiedenen Sinn hat, — ersteres
582 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
wird im Lexikou mit „casoabeles", letzteres mit „pedestal" übersetzt, —
so glaube ich doch, dass in diesem Falle, sei es in Folge fehlerhafter
Schreibweise, sei es in Folge einer thatsächlich vorhandenen Variation
der Aussprache, der Ausdruck cheeh oc katun dasselbe bedeuten soll, wie
das von Perez gebrauchte Wort chek oc katun.
Der Abschnitt, wo dieser Ausdruck vorkommt, folgt unmittelbar auf
den Bericht Aber die '10 Jahre, die der Schreiber als dem Katun 5, ahau
zugehörig aufzählt. An dem Kopfe des Abschnittes stehen die drei
Hieroglvphen, die in der foloenden Abbildung wiedero-egeben sind. Die
erste ist die in den Büchern des Chilam Balam übliche Zeichnung des
Tageszeichens oc, mit einigen Zeichen verbimden, die vielleicht Ziffern
sein sollen, die ich aber nicht bestimmt deuten kann. Die zweite Hiero-
o
a
Abb. 1. Abb. 2. Abb. 3.
glyphe ist die in den Büchern des Chilam Balam übliche Zeichnung des
Tageszeichens cauac, verbunden mit der Zahl vier (rechts von der Hiero-
glyphe). Die dritte ist das Tageszeichen ahau, verbunden mit der Zahl
fünf (ebenfalls auf der rechten Seite der Hieroglyphe). Auf diese drei
Hieroglyphen folgt dann, gewissermassen als Erklärung, folgende Stelle.:
oxlahun oc uil u katun u cheeh oc katun yetel canil cauac ti uil u ualak
u nutz katun u kinil u ppatic u poop u tzam yulel u hei u luch u pop u
hei u tz^am u hei yahaulil, tu luhul u euch ah ho ahau.
„Dreizehn oc, das ist der Tag des Fussgestells des Katun, und vier
cauac, da verwandelt sich das Katun-Bündel, es ist der Tag, an dem (der
eine Katun) seine Herrschaft aufgibt, und ein Wechsel in der Herrschaft
erfolgt, indem (auf diesen Tag) der Träger (das Zeichen, der Aufangstag)
des Katun 5. ahau fällt."
Wie man sieht, bezieht sich hier der Ausdruck „Fussgestell des
Katun" nicht etwa auf einen Zeitraum von vier Jahren, wie Perez er-
klärte, sondern auf einen von 70 (oder 70 -j- x. 260) Tagen. Auch beginnt
der cheeh oc katun nicht mit dem Anfangstage eines Jahres, sondern sein
Anfang fällt mitten in das Jahr hinein. Was dieser so bezeichnete Zeit-
raum nun aber für eine besondere Bedeutung hatte, darüber habe ich
allerdings keine Nachrichten. Landa berichtet, dass man in jedem Katun,
nach Ablauf der ersten zehn Jahre, neben dem Idol des laufenden Katun
das des folgenden aufgerichtet habe, und dieses habe dann schon für die
zweite Hälfte des laufenden Katmi Bedeutung gehabt. Vielleicht wm'den
in einem letzten Abschnitt jedes Katun schon im Hinblick auf den
15. Die wirkliche Länge des Katun's der May a- Chroniken. 583
kommenden Katun besondere Zärimonien gefeiert, wie in den .cma kaba
kin, den letzten fünf Tagen des Jahres, besondere Zärimonien im Hinblick
auf das kommende nächste Jahr gefeiert wurden. Und es hat deshalb
vielleicht Perez nicht Unrecht, wenn er diesen chek oc katun genannten
Zeitraum mit dem xma kaba kin vergleicht.
AVie dem auch sei, dieses ganze Kapitel des Chilam Balam von Mani
enthält die bündigste Widerlegung der Perez'schen Theorien. Die Katune
der Maya fiengen nicht immer mit einem cawöc-Jahre an. Die Träger der
Jahre, in denen ein Katun begann, wechselten vielmehr. In dem Katun
5. ahau z.B., der in das Ende des sechzehnten Jahrhunderts fiel, war es
das Jahr 13. kan. Die Katune begannen auch nicht mit dem Anfangstage
eines Jahres, sondern ihr Anfang fiel mitten in das Jahr hinein. Der ge-
nannte Katun 5. ahau z. B. begann am siebzehnten Tage des fünften Uinal.
Die Katune erstreckten sich eben nicht über 24 Jahre, sondern kamen
noch vor Ablauf des zwanzigsten Jahres zum Schluss.
Von Neueren hat insbesondere Cyrus Thomas sich die Vertheidigung
der Perez'schen Theorie angelegen sein lassen^). Seine Beweisgründe
sind aber nichtig. Denn sie beruhen auf einer falschen Deutung der
rothen und schwarzen Ziffern in den Handschriften. Und es ist mir
eigentlich unverständlich, wie Förstemann, der uns die wahre Bedeutung
der rothen und schwarzen Ziffern kennen lehrte, die Auseinandersetzungen
Thomas' über die Katun-Länge eine „grundlegende Untersuchung" nennen
konnte^). Für Förstemann selbst ist der Katun von 24 Jahren ge-
wissermassen ein theoretisches Postulat. Denn 24 Jahre seien das drei-
fache von 8 Jahren, und letzteres sei der Zeitraum, in welchem sowohl
die Umlaufszeit der Sonne, wie die des Planeten Yenus, ohne Rest theilbar
seien. Der Nachweis ist aber noch nicht erbracht, und wird meiner An-
sicht nach auch schwer erbracht werden können, dass für die Fixirung
jener grossen Zeitperiode, die die Maya Katun nannten, die Umlaufszeit
der Yenus in irgend einer Y^eise massgebend gewesen ist.
Ich habe nun versucht, auf Grund der von dem Chilavi Balam von
Mani gelieferten Daten die Anfangszeiten der Katune zu bestimmen. Für
die Berechnung der entsprechenden Daten der christlichen Zeitrechnung
ist angenommen worden, dass der Anfangstag der Maya-Jahre, der erste
Tag des Uinal pop, um die Mitte des Katun 9. ahau^ — das ist etwa die
Zeit, in der die Abfassung der hauptsächlichsten Stellen der Bücher
des Chilam Balam geschah, — auf den 14. Juli alten Styls fiel. Für diese
Annahme habe ich eine direkte Stütze in einer Stelle des Buches von
Titzimm, wo es heisst: — tu vaxac lahunte sac ti huluc huen tu holhum
1) A study of the Manuscript Troano. Contributions to Xorth American
Ethnology. Yol. V., p. 29 ff.
2) Globus. Bd. 63. Nr. 2.
584
Dritter Abschnitt: Kalender und Hierogrlyphen-Entzifferuug.
pis kin febrero 1644 hab „am achtzehnten
11. chtien, am 15. Februar des Jahres 1544".
= 15. Februar 1544 ist, so ist 7. w-, 1. zaac ■■
\. pop = U. Juli 1543.
des (UinaFs) Zac. am Tage
— Wenn 11. chuen, 18. zaac
= 30. Januar 1544, und 2. i.i\
Name
Name
Anfang« tag
Datum der
des
des
des
christlichen Zeitrechnung
Katun
Jahres
Katun
(alten Stvls)
VIII. ahau
11. w-
7. chheen
= 29. Januar 1436.
YI. „
5. ijc
7. 2o'te
= 15. Oktober 1455.
IV. „
11. muluc
12. kai/ab
= 3. Juli 1475.
II. „
5. muluc
12. cM
= 19. 3rärz 1495.
XIII. „
12. muluc
12. ifaxkin
= 5. Dezember 1514.
XI. „
6. muluc
12. 2^0
= 22. August 1534.
IX. „
12. kaii
17. ??ioaw
= 9. Mai 1554.
YII. „
6. ^aw
17. yao:
= 24. Januar 1574.
V. „
13. A-aw
17. zeec
= 16. Oktober 1593.
Ich habe an anderer Stelle die Bedeutung des Maya-Kalenders für die
historische Chronologie näher erörtert^) und bemerke hier nur, dass das
einzige Ereigniss. was mit einiger Genauigkeit, sowohl nach der indianischen,
wie nach der christlichen Zeitrechnung, registrirt ist. die Festsetzung der
Spanier in Merida in Folge des am Tage des Heiligen Barnabas (11. Juni
a. St.) des Jahres 1541 erfochtenen Sieges, in einer im Chilam Balam von
Chumayel enthaltenen Chronik in den siebenten Abschnitt des Katun
11. ahau gesetzt wird, was genau zu der oben gegebenen Berechnung der
Katun-Anfänge stimmt. Etwas abweichend gibt ein sonst, wie es scheint,
ziemlich zuverlässiger Chronist, Nakuk Pech, der Kazike des Dorfes Chhac
Xulub Chheen. den fünften Abschnitt des Katun 11. ahau für dies Er-
eigniss an. Er muss also den Anfang von 11. ahau nicht in dem Jahre
1534, sondern in 1536 — oder, falls er unter der Festsetzung der Spanier
in Merida die Gründung von Merida im Januar 1542 verstand, in dem
Jahre 1537 — angenommen haben. In Uebereinstimmung damit setzt er
an einer anderen Stelle den Schluss des zweitvorhergehenden Katun in
das Jahr 1517. Ich bin im Allgemeinen geneigt, die Feststellung des
Chilam Balam von Ma?ii, auf Grund deren die obige Berechnung der
Katun-Anfänge gemacht ist. für zuverlässiger zu halten. Jedenfalls aber
geht aus den beiden Stelleu der genannten Chronik unzweifelhaft hei-vor,
dass auch Nakuk Pech die Grösse des Katun zu 20 Jahren oder etwas
weniger als 20 Jahre annahm^).
1) Globus 68. Nr. .3. Ygl. unten S. ö8.'5 ff.
2) Ganz im Gegensatz dazu folgert Brinton in einer Anmerkung zu der
Chronik des yakuk Pech (Maya chronicles p. 250), dass Pech die Kahme zu
24 Jahren gerechnet haben müsse, ^ „because he has already informed us in his
15. Die wirkliche Länge des Katun's der Maya-Clironiken. 585
In demselben Aufsatz, in dem icli die in Obigem näher begründete
Theorie über die wahre Länge des Katun aufstellte, hob ich auch hervor,
dass aus der Art und Weise, wie in der Dresdener Handschrift ein be-
stimmter Tag einerseits durch seine Ziffer und sein Zeichen, andererseits
durch die Beziehung auf einen bestimmten Uinal, d. h. sogenannten Monat
von 20 Tagen, bezeichnet werde, mit unzweifelhafter Gewissheit hervor-
gehe, dass zu der Zeit und an dem Orte, wo die Dresdener Handschrift
entstanden sei, die Jahre nicht, wie in Yucatan zu Bischof Landa's Zeit,
mit den Tagen kan^ muluc, ix^ cauac, sondern mit been^ e'tznab^ akbal^ lamat,
die den mexikanischen acatl, tecpatl, colli, tochtli entsprechen, begonnen
worden seien ^). In der That sind die sämmtlichen kombinirten Daten der
Dresdener Handschrift — und, wie ich gleich hinzusetzen will, auch die
der Stelen von Copan und der Altarplatteu von Palenque, nach dem
Schema 4. ahau\ 8. cumku konstruirt, d. li. von einem Tage, der die Ziffer
4. und das Zeichen aliau trägt, wird ausgesagt, dass er der achte des
Üinal's cumku ist. Wenn aber ein Tag 4. ahau der achte des Uinal's cumku
sein soll, so nmss der erste Tag dieses üinal's der Tag 10. been gewesen
sein, und folglich auch das Jahr selbst mit einem Tage been begonnen
haben.
Dieser andere Jahresanfang in der Dresdener Handschrift ist die ein-
fache und natürliche Erklärung der vermeintlichen Inkongruenz in der
Bezeichnung der kombinirten Daten, die Förstemann durch die Annahme,
dass die Ziffer, die die Stelle des Tages im Uinal angebe, auf das
Fest, Ziffer und Zeichen des Tages, selbst auf den heiligen Abend Bezug
habe, zu entfernen versuchte. Dass Verschiebungen des Jahresanfangs
stattgefunden haben, wissen wir ja. Der Vergleich zwischen dem mexi-
kanischen und dem Maya-Kalender lehrt uns das. Und ich will hier bei-
läufig erwähnen, dass auch noch andere Jahresanfänge, als die des mexi-
kanischen und des Maya-Kalenders, bekannt sind. In der einen der Bilder-
Handschriften, die in dem grossen, von der Junta Colombina de Mexico
herausgegebenen Werke reproduzirt sind, und zwar derjenigen, die dem
Präsidenten der Republik zu Ehren Codice Porfirio Diaz getauft w^orden
ist, sind als .lahresnamen, d. h. als Jahresanfänge, Tage mit den Zeichen
eecatl, ma^atl, malitialli, olin, den den Zeichen acatl, tecpatl, calli, tochtli
vorhergehenden Zeichen, angegeben. Dass aber wirklich mit 8. cwnku
nur der achte Tag des UinaFs cumku gemeint sein kann, das lehren uns die
kombinirten Daten, die in den Büchern des Chilam Balam erwähnt werden.
introductory paragraph that the year 1541 was the close ofUth- ahau, and
1541-1517 = 24". — In dem einleitenden Abschnitt steht aber nicht, dass 1541
der Schluss, sondern dass es der fünfte Abschnitt von 11. ahau war. Nakuk
Fi'ch setzt also den Anfang von 11. ahau, bezw. den Schluss von 13. ahau in
15:37 an, und 1537-1517 = 20.
1) Zeitschr. f. Ethnol. XXIII. 1891. S. H)3.
58b' Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Unter diesen ist vor Allem das Datum, das den Todestag des Ahpula
Napot Xiu angibt, bemerkeuswerth. Dieses Datum wird in dem Chilam
Balam von Mani, und übereinstimmend damit auch in dem Chilam Balam
von Titzimin und in der einen Liste des Chilam Balam von Cliumayel
folgendermassen bezeichnet.
ti yanil u xocol haab ti lakin cuchil
canil kan cumlahi pop
tu holhun zip catac o.c ppeli
holon imiv u kinil lai cimci Ahpula.
„Als die Zählung der Jahre im Osten war,
und „vier kan^ den Uinal pop begann,
am 18. Tage des UinaVs zip,
am Tage 9. imix starb Ahpula."'
Hier soll also 9. imix=l% zip^ d.h. der achtzehnte Tag des dritten
der mit dem üinal pop beginnenden zwauzigtägigen Zeitabschnitte sein.
Und in der That, wenn 9. imia; der achtzehnte, so ist 5. kan der erste Tag
des Uinal's zip, und folglich 4. kan der erste des UinaFs pop, genau wie in
dem Text angegeben ist. — Andere kombiuirte Daten sind z. B. p. 115
des Chilam Balam von Mani:
tu uaxac lahunte zaac,
tu buluc te chuuen.
„am Tage 11. chuen, dem 18. des UinaFs zac'^ .
Hier muss, wenn 11. chuen der achtzehnte des Uinal's zac sein soll,
ein Tag 7. ix der erste dieses Uinal's gewesen sein, und folglich das Jahr
mit dem Tage 2. ix begonnen haben. In air diesen Fällen haben wir
also kombiuirte Daten für den in Yucatan zu der Zeit üblichen Jahres-
anfang kan, muluc, ix, cauac genau in derselben Weise konstruirt, wie in
der Dresdener Handschrift die kombinirten Daten für den Jahresanfang
heen, etznab, akbal, lamat konstruirt sind.
Diesen einfachen und klaren Sachverhalt glaubt Brintou in seiner
jüngsten Schrift über den einheimischen Kalender der zentralamerikanischen
Stämme noch leugnen zu müssen. Er führt Cyrus Thomas als Gewährs-
mann au und sagt: „In some correspondance I have" had with Prof. Cyrus
Thomas, ... he states his entire agreement with Dr. Förstemann
that the Dresden Codex follows the usual method of counting by the four
year series as the kan, muluc, ix and cauac years"^). — Ich weiss nicht,
wann diese briefliche Mittheilung Briuton zugegangen ist. Jedenfalls
hat sich Cyrus Thomas sehr bald nach dem Erscheinen der Brinton'schen
Schrift bekehrt. In seiner, im Jahre 1894 in den Schriften der Smith-
1) „The Native Calendar of Central America and Mexico." Philadelphia 1893.
p. 11.
15. Die wirkliche Länge des Katun's der Maya-Chroniken. 587
sonian Institution erschienenen Abhandlung über das Maya-Jahr^) stellt
er sich ganz auf den in dieser Frage von mir vertretenen Standpunkt.
Es ist nun diese Thatsache, dass in der Dresdener Handschrift die
.Fahre an anderen Tagen begannen, nicht nur in allgemeiner Hinsicht von
Interesse, sondern auch deshalb, weil dadurch dieser Handschrift eine
besondere Stelle gegenüber den anderen Maya-Handschriften oder, genauer,
dem Codex Tro-Cortes^} zugpwiesen wird. In der letzteren Handschrift
werden, das lehren die Blätter Codex Tro 20 — 23, genau wie in Yucatan
zu Bischof Landa's Zeit, die Jahre mit den Tagen kan, muluc, ia, cauac
begonnen. Und dazu kommt, dass aueli die Form der Hieroglyphen dieser
Handschrift und die ganze lüderliche Art der Zeichnung zu den Beispielen,
die Bischof Landa gibt, vortrefflich passen. Wir werden kaum fehl
gehen, wenn wir den Codex Tro-Cortes als jüngere und als in Yucatan
entstandene Handschrift annehmen. Für die Entscheidung über das Alter
und die Herkunft der Dresdener Handschrift ist es dagegen von schwer-
wiegender Bedeutung, dass auf den Stelen von Copan und auf den
Altarplatten von Palenque, worauf schon Förstemann und Cyrus
Thomas aufmerksam machten, die kombinirten Daten genau in der Weise
der Dresdener Handschrift konstruirt sind, dass also auch für die Erbauer
der Monumente von Copan und der Tempel von Palenque angenommen
werden muss, dass sie die Jahre nicht mit den Tagen kan^ muluc, ix, cauac,
sondern mit been, e'tznah, akbal, laviat, den den mexikanischen acatl, tecpatl,
calli, tochtli entsprechenden Tagen begannen. —
1) The maya year, by Cyrus Thomas. Sraithsonian Institution. Bureau of
Ethnology 1894. p. 41.
2) Diese beiden, durch besondere Benennungen unterschiedenen Handschriften
sind nur die beiden Hälften einer und derselben Handschrift.
588 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
16.
Bedeutimg des Maya- Kalenders für die liistorisclie
Chronologie.
Globus, Bd. LXVIII. Nr. 3. Juni 1895. S. 37-41.
In den Traditionen der mexikanischen und zentralamerikanischeu
Stämme wird von einer Kulturnation berichtet, die vor allen anderen im
Lande gewesen sei, und die die Erfinderin aller Künste und Wissen-
schaften war. Das sind die Tolteken. Unter anderem wird dieser Nation
auch die Erfindung des Kalenders zugeschrieben, und es wird berichtet,
dass sie auf ihren Wanderungen ihre Bücher mit sich führten, und dass
sie geleitet waren von ihren Weisen und Wahrsagern, den Amoxuaque,
„die sich auf die Bücher, d. h. die Bilderschriften, verstanden". Es ist
das gewissermassen die Beglaubigung dafür, dass sie als die Erfinder aller
Künste und Wissenschaften genannt werden. Denn der Kalender bildet
in der That das Alpha und Omega der zentralamerikanischen Priester-
weisheit, und die Hauptmasse der mexikanischen und der Maya -Hand-
schriften ist weiter nichts als eine Ausgestaltung dieses Kalendersystems
nach seiner zahlentheoretischen, seiner chronologischen und seiner divi-
natorischen Seite.
Worin das Wesen dieses Kalenders besteht, dass er aus der Grund-
zahl 20 durch Kombination mit der Zahl 13 hervorgegangen ist, ist eine
bekannte Sache. Und dass aus der Anwendung dieses Grrundsystems auf
ein Sonnenjahr von 365 Tagen die eigenthümliche Periode von 52 Jahren,
die bei den mexikanischen Stämmen in Gebrauch war, unmittelbar hervor-
geht, lehrt eine einfache Rechnung^). Meinungsverschiedenheiten bestehen
noch, wie weit die Mexikaner selbst es verstanden, das System mit der
wirklichen Zeit, dem Sonuenjahre und den Umläufen der verschiedenen
Himmelskörper, in Uebereinstimmung zu bringen.
Bei den Maya -Stämmen scheint das System besonders nach seiner
zahlentheoretischen Seite zur Ausbildung gebracht zu sein. Das zeigen
die langen und bis zu beträchtlicher Höhe steigenden Zahlenreihen, die
1) Vgl. Zeitschrift für Ethnologie (1891), Bd. 23, S. 91 (oben S. 508, 509).
16. Bedeutung des Maya-Kalenders für die historische Chronologie. 589
Förstemanu uus zuerst kennen und lesen gelehrt hat. Aus diesen Zahlen-
reihen scheint eines mit Bestimmtheit hervorzugehen, dass ausser der
Bewegung der Sonne auch die der grossen Planeten beobachtet wurde,
und dass man die Umlaufszeit dieser mit dem Sonnenjahre von 365 Tagen
und mit der Periode von 20x13 Tagen, der eigentlichen Grundlage des
Systems, in Verbindung zu bringen gewusst hat. Die scheinbare Umlaufs-
zeit der Yenus kann mit ungefährer Genauigkeit auf 584 Tage angesetzt
werden. Fünf solcher Umläufe ergeben die Zahl 2970 oder acht Sonnen-
jahre von 365 Tagen, Und gerade diese Zahl liegt den Rechnungen be-
stimmter Blätter der Dresdener Handschrift deutlich zu Grunde. 65 solcher
Umläufe aber ergeben die Zahl 37 960, das ist das Doppelte der Periode
von 52 Jahren, die, wie ich sagte, das unmittelbare Ergebniss der An-
wendung der Tagesbezeichnung nach dem Systeme der 20 Zeichen und
13 Ziffern auf das Sonnenjahr von 365 Tagen ist. In ähnlicher Weise
scheint auch, wie Försteniann ebenfalls nachgewiesen hat, der schein-
bare Umlauf des Merkur um die Sonne, der in 115 Tagen vollführt wird,
mit der Periode von 20X13 Tagen in Verbindung gebracht worden zu
sein. Denn 104 dieser Umläufe ergeben die Zahl 11 960, die gleichzeitig
das 46 fache der Periode von 20X13 Tagen ist. Und diese Zahl liegt
wiederum anderen Blättern der Dresdener Handschrift deutlich zu Grunde ^J.
Während nun diese Ausgestaltung des Systems durch die ausgedehnten,
über ganze Reihen von Blättern sich ersti-eckenden Rechnungen ziemlich
klar gestellt ist, sind wir über die Kardinalfrage noch immer im Un-
gewissen, ob die Maya und die Mexikaner dies System, in dem doch immer
nur ganze Tage gezählt werden, mit der einen Bruchtheil eines Tages
einschliessenden wirklichen Jahreslänge in Uebereinstimmung zu bringen
wussten, mit anderen Worten, ob sie Einschaltungen kannten, und wie
sie dieselben vornahmen. Dass das Sonnenjahr von 365 Tagen mit Noth-
wendigkeit eine Verschiebung des Jahresanfangs bewirkte, die innerhalb
verhältuissmässig kurzer Zeiträume sich sehr benierklich macheu musste,
ist klar. Dass diesem Umstände bei den Mexikanern nicht, oder wenigstens
innerhalb kürzerer Zeiträume nicht Rechnung getragen wurde, das beweist
die Verschiebung des Jahresanfangs, die, wie ich nachgewiesen habe, in
der Zeit von der Eroberung der Stadt Mexico bis zu der Zeit, wo
P. Sahagun seine Aufzeichnungen machte, thatsächlich stattgefunden hat^).
Die Maya waren den Mexikanern gegenüber, was chronologische Datirungen
betrifft, dadurch günstiger gestellt, dass sie erstens grössere Perioden von
etwas über 256 Jahren hatten, innerhalb deren sie wenigstens 13 Abschnitte
o-enauer bezeichnen konnten. Und ferner scheint sowohl aus den Hand-
1) Fürstemann, Die Zeitperioden der Mayas, Globus, Bd. 63, Nr. 2.
2) Die ßilderhandschriften .\lexander von Humboldt's in der Königlichen
Bibliothek zu Berlin (vgl. oben S. 1«0, 181).
590 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferuiio;.
Schriften wie aus den Steimleiikmälern hervorzugehen, dass die Maya ein
Normaldatum besassen, auf das alle icegenwärtigeu, vergangenen und zu-
künftigen Ereignisse bezogen wurden, indem einfach die Tage von den-
selben aus oder bis dahin gezählt wurden. Dieses Normaldatum, das uns
ebenfalls Forste mann kennen lehrte, ist 4 ahau 8 cumku, d. h. der mit
der Ziffer 4 und dem Zeichen ahau bezeichnete Tag, der der achte des
Monats cumku war. Wo in den Handschriften Tages- und Monatsdaten
genauer angegeben sind, da weisen die dabei geschriebenen Zahlen immer
auf jenes Normaldatum als Anfangs- oder Ausgangspunkt hin. Die Stelen
von Copan und Quirigua, die Altarplatten von Palenque tragen alle an
ihrer Spitze eine grosse Zahl, auf die ein Datum, ein ahau, das An-
fangsdatum oder der Name einer Periode von 20x360 Tagen, folgt.
I'nd diese grossen Zahlen sclieiueu überall den Abstand des letzteren
Datums von dem oben erwähnten Normaldatum anzugeben. Wo eine so
oenaue Zeitbestimmung vorliegt, und wo der Zeitbestimmung eine solche
Wichtigkeit beigelegt wird, dass ausnahmslos die in den verschiedenen
Perioden errichteten Monumente an erster Stelle diese Zeitbestimmung
bringen, da durfte mau wohl erwarten, dass diese Leute auch im Stande
waren, etwas Ordnung in den Kalender zu bringen, die aus der zu kurz
genommeneu Jahreslänge resultirenden Verschiebungen zu reduziren. Es
ist aber in der That, wie ich sagte, noch nicht gelungen, hierüber ins
Klare zu kommen.
Als Ausläufer der Maya -Handschriften sind die sogenannten Bücher
des Chüam Balavi zu betrachten, die ihrer Mehrzahl nach gegen Ende
des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden sind,
und die, in der von den Mönchen gelehrten und erfundenen Schrift das,
was damals noch von alten Traditionen in dem Gedächtnisse einzelner
Leute haftete, wiedergeben. Es ist zu bedauern, dass diese wichtigen
Quellen, die in verschiedenen Abschriften in Yucatan existiren, und von
denen auch unser unermüdlicher Landsmann, der viel zu früh für die
Wissenschaft verstorbene Dr. Hermann Berendt, Kopien gemacht hat,
die nach seinem Tode von Prof. Brinton angekauft wurden, noch nicht
veröffentlicht worden sind. Denn dass in diesen Büchern im Allgemeinen
ähnliche Gegenstände behandelt sind, wie wenigstens in einem Theile der
hieroglyphischen Maya- Handschriften, und dass in ihnen noch ein gut
Theil von den alten Traditionen steckt, dafür habe ich in Huelva,
gelegentlich der vorletzten Tagung des Amerikanisten - Kongresses im
Jahre 1892, einige Belege gegeben.
Li diesen Büchern ist auch das Wenige enthalten, was von historischen
Nachrichten aus alter Zeit von der Tradition aufbewahrt worden ist. Sie
sind von Brinton zusammengestellt und in dem ersten Bande seiner
Library of Aboriginal American Literature unter dem Titel „Maya Chronicles"
veröffentlicht worden. Kurze Chroniken sind es in der That, eine Auf-
16. Bedeutung des Maya-Kal enders für die historische Chronologie. 591
Zählung der Zeiträume oder Perioden, Katun genannt, die seit der Ein-
wanderung in das Land verflossen, und der wenigen denkwürdigen Er-
eignisse, die die Tradition festgehalten hat. „Das ist die Reihe der
Katune", „das ist die Aufzählung der Katune", „das. ist der Bericht über
die Katune" — sind die stereotypen Formeln, mit denen der Text dieser
Chroniken beginnt.
Die Perioden, die gezählt werden, die Katune, sind von ziemlicher
Länge. Ueber ihre wirkliche Grösse besteht bis in jüngster Zeit eine
Kontroverse. Während die älteren spanischen Autoren, Bischof L^nda,
Cogolludo, ausnahmslos sie zu 20 Jahren angeben, und dieselbe Länge
auch den Zusammenrechnungen zu Grunde liegt, die in dem Texte der
Bücher des Chilavi Balam vorgenommen wurden, wird in Randglossen zu
diesem Texte, die aber augenscheinlich von späterer Hand hinzugefügt
sind, die Länge des Katun zu 24 Jahren angegeben. Und das gleiche ist
in neuerer Zeit von dem yukatekischen Archäologen Pio Perez mit
grosser Bestimmtheit behauptet worden. Ich habe schon vor Jahren darauf
hingewiesen^), dass aus der Art, wie die Katune benannt und gezählt
wurden, dass sie nämlich mit dem Zeichen des Tages ahau und einer
Ziffer benannt wurden, die bei jedem folgenden Katune um den Wert
von zwei vermindert erscheint, — also 13 — , 11 — , 9 — , 7 — , 5 — , 3 — ,
1—, 12 — , 10 — , 8—, 6 — , 4 — , 2 ahau — , zu entnehmen ist, dass die
Länge des Katun weder 20, noch 24 Sonnenjahre, sondern 20><360 Tage
betrug, ein Zeitraum, mit dem die Maya in der That rechneten, wie aus
der Zifferschreibung der Dresdener Handschrift, die Förstemann uns
kennen gelehrt hat, mit Sicherheit hervorgeht. Es ist nur eine Uugenauig-
keit von den Alten, wenn diese von 20 Jahren statt von 20x360 Tagen
sprechen. Und die neuere Theorie der Katunlänge von 24 Jahren ist
augenscheinlich daraus entstanden, dass die Anfangstage 24 jähriger
Perioden dieselbe Benennung erhalten würden, wie die der Perioden von
l'OO Tagen.
Ich habe auf Grund einer Stelle in dem Buche des Chilam Balam
von Mani, die den Anfang des Katun 5. ahau auf den 17. Tag des
Monats zeec im Jahre 13. kan = A. D. 1593 ansetzt, die Anfangstage der
Katune in folgender Weise berechnet^):
Datum der christlichen
Zeitrechnung
= 29. Januar 1436
= 15. Oktober 1455
= 3. Juli 1475
1) Zeitschrift für Ethnologie (1891), Bd. 23, S. 112 (oben S. 533).
2) In einem Aufsatze, der im Juni dieses Jahres der Berliner anthropolo-
gischen Gesellschaft vorgelegt wurde.
Name des
Name des
Anfangstag
Katun
Jahres
des Katun
YIII. ahau
11. ix
7. chheen
\1. ahau
5. ir
7. zo'tz
IV. ahau
11. muluc
12. kayah
592 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Name des Name des Anfangstag Datum der christlichen
Katun Jahres des Katiin Zeitrechnung
n. ahau 5. muluc 12. ceh = 19. März 1495
Xin. ahau 12. muluc 12. yaxkin = 5. Dezember 1514:
XL ahau 6. muluc 12. uo = 22. August 1534
IX. ahau 12. kan 17. 7noan = 9. Mai 1554
Vn. a/iau 6. kan 17. yaj; = 24. Januar 1574
V. ahau 13. kan 17. zeec = 16. Oktober 1593
"Wer sich einmal die Mühe genorameu hat, die Daten der alten mexi-
kanischen Geschichte nach den verschiedenen Quellen zusammenzustellen,
wird bald die Erfahrung gemacht haben, dass die Chronologie sehr
im argen liegt, ja eine genauere Chronologie fast hoffnungslos ist. Das
Datum des Falles von Mexico ist genau festgehalten, sowohl nach der india-
nischen, wie nach der chi'istlichen Zeitrechnung. Und diese eine Fest-
stellung ermöglicht wenigstens, mit annähernder Sicherheit eine Konkor-
danz der beiden Kalendersysteme herzustellen^). Aber für das, was davor
liegt, selbst für Ereignisse, die der spanischen Eroberung ziemlich nahe
liegen, gehen die Angaben zum Theil weit auseinander. Noch schlimmer
fast steht die Sache für die Chronologie der Bücher des Chilam Balam.
Erstlich ist die Liste der überlieferten Ereignisse eine ausserordentlich
dürftige. Und dann können nur wenige Daten einigermassen Anspruch
auf Zuverlässigkeit macheu. Bei den meisten ergibt sich aus der An-
ordnung des ganzen Berichtes, dass es nach einem bestimmten Schema
angenommene, keine wirkliche Daten waren.
Drei Ereignisse sind es, die mit einiger Geuauigkeit registrirt sind:
— die endgültige Festsetzung der Spanier und die Gründung von Merida.
Der Tod eines gewissen Ahpula. Und das erste Erscheinen der Spanier
auf der Halbinsel.
Die endgültige Festsetzung der Spanier war die Folge des Sieges,
den sie am Tage des heiligen Barnabas, d. h. am 11. Juni (alten Styls)
des Jahres 1541 über die gewaltige Liga der ihnen feindlich gesinnten
yukatekischen Häuptlinge in der Stadt Ich can zi hoo, dem nachmaligen
Merida, erfochten"). Und es folgte darauf, am 6. Januar 1542 die Grün-
dung der spanischen Stadt Merida, die von da an die Hauptstadt der
Provinz wurde ^). Die Berichte der einheimischen Chronisten, und in
L'ebereinstimmung mit ihnen auch der erste spanische Chronist, Bischof
Landa, setzen dies Ereignis in die Periode, die den Xamen 11. ahau
führt. Und wenn in einem der Berichte, der zweiten Liste des Chilam
1) Ygl. Erläuterungen zu den .,Bilderhaadschriften Alexander v. Humboldts'
in der königl. Bibliothek zu Berlin, Berhn 1893 (oben S. 177— l!s2).
2) Cogolludo, 3, Kap. 7.
3) Cogolludo, 3, Kap. 7.
16. Bedeutung des Maya-Kalenders für die historische Chronologie. 593
Balam von Ommayel^ anscheinend im Widerspruche dazu das Jahr 1519
als in die Periode 11. aAtm fallend ang-egeben wird, so scheint das einfach
auf einer Verwechselung zweier Ereignisse, des Erscheinens der Plotille
des Hernan Cortes auf der Halbinsel im Jahre 15H» und der späteren
definitiven Festsetzung der Spanier im Jahre 1541, zu beruhen. Während
aber über die Periode im allgemeinen die Berichte durchaus überein-
stimmen, gehen die Angaben darüber, in welchem Abschnitte der Periode
das genannte Ereigniss eintrat, ziemlich weit auseinander. Sollen wir dem
Bischof Landa glauben, so wäre das Jahr 1541 das Jahr, in welchem die
Spanier in Merida sich dauernd etablirten, das erste der Periode 11. ahau
gewesen^). Der, wie es scheint, im allgemeinen zuverlässige Chronist
Nakuk Pech^ der Kazike des Dorfes Chhac Xulub Chhen, des heutigen Chic
Xulub, der um 1565 schrieb, sagt, es sei der fünfte Absclmitt der Periode
gewesen^). Die oben erwähnte zweite Liste des Chilam Balam von Chu-
mayel setzt das Ereigniss in den siebenten Abschnitt der Periode 11. ahau^).
Der Chilam Balam von Mani endlich sagt, die Festsetzung der Spanier in
Merida sei vor Ablauf, d. h. wohl nichts anderes als „während der Dauer"
des Katuus ll.aAöM, erfolgt*). Yon diesen verschiedenen Angaben würde
die des Chilam Balam de Chumayel ziemlich genau mit der von mir ge-
gebenen Berechnung stimmen. Denn danach würde der siebente Abschnitt
von 11. ahau am 18. Juli 1541 zu Ende gekommen sein, und am 11. Juni
des Jahres war, wie ich oben angab, das entscheidende Treffen bei
Merida. Die Angabe des Nakuk Pech differirt um zwei Jahre, er muss
den Anfang des Katuns 11. ahau in das Jahr 1536 der christlichen Zeit-
rechnung gesetzt haben. Die Angabe des Bischofs Landa beruht wohl
kaum auf genauerer Information. Als den Namen des Jahres 1542, in
welchem die Spanier die Stadt Merida gründeten, ^ibt Nakuk Pech 13, kan
an. Dies stimmt zu den sonstigen Konkordanzen, die in den Büchern des
Chilam Balam sich finden — mit einer Ausnahme, auf die ich gleich zu
sprechen kommen werde — , und auch zu der obigen Berechnung.
Das zweite der Daten, die mit einiger Genauigkeit registrirt sind, ist
der Tod eines gewissen Ahpula oder Ahpulha, der in der zweiten Liste
des Chilam Balam de Chumayel noch mit dem Namen Napot Xiu genannt
wird. Das letztere ist der eigentliche Name des Mannes, der also väter-
licherseits aus dem Geschlechte der Xiu^ der regierenden Dynastie von Mani,
mütterUcherseits aus dem Geschlechte Pot stammte. Das andere Wort be-
zeichnet augenscheinlich nur die Qualität, das Geschäft, das Handwerk der
betreffenden Person, ah-pul, „der Werfer", oder ah-pul-ya, ah-pul yaah^
1) Relaciones de las Cosas de Yucatan, edid. de la Rada y Delgado, p. 103.
*2) Brinton, Maya Chronicies, p. I!i3. ;5
3) Ibid. p. 168.
4) Ibid. p. 98.
Seier, Gesammelte Abbandlungen I. 38
594 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
„der Unheilwerfer, Kraiikheitswerfer'', war die technische Bezeichnung für
eine gewisse Klasse von Zauberern, von denen man glaubte, dass sie sich
damit beschäftigten, ihren Nebenmenschen eine Krankheit anzuwerfen. Der
Tod eines gefürchteten Zauberers wird also gemeldet. Nach dem Namen
müssten wir annehmen, dass es ein Ereigniss war, das insbesondere das
(xebiet der Herrschaft von Mani angieng. Ich erwähne übrigens, dass
Ah Napot Xiu auch als Name einer mythischen Persönlichkeit vorkommt,
die gewissermassen als Titelbild bei einem der 13 Katune dargestellt ist.
Der Tod dieses Ahpula wird in drei der Listen — dem Chilam Balam
von Mani, dem von Titzimin und der ersten Liste des Chilam Balam von
Chumayel — übereinstimmend und mit merkwürdiger Genauigkeit ange-
geben. Nach diesen soll Ahpula sechs Jahre vor Ablauf des Katun 13.
ahau, im Jahre 4. kan am 18. des Monats Zip und am Tage 9. imia; ge-
storben sein. Abweichend davon setzt die zweite Liste des Chilam Balam
von Chumayel den Tod Ahpula' % in den ersten Abschnitt von 11. ahau.
Der Chilam Balam von Mani und der von Titzimin setzen ausserdem das
Jahr dem Jahre 1536 der christlichen Zeitrechnung gleich. In der ersten
Liste des Chilam Balam von Chumayel ist dafür die Ziffer 158 angegeben,
die verschiedene Deutungen zulässt^).
So bestimmt nun hier die Angaben lauten, so unlösbare Widersprüche
ergeben sich, wenn man eine genauere Vergleichung der überlieferten
Daten vornimmt. Schon in der abweichenden Angabe der zweiten Liste
des Chilam Balam von Chumayel liegt eine arge Diskrepanz vor. Und
anderseits kann „sechs Jahre vor Ablauf von 13. ahau"" niemals das Jahr
1536 gewesen sein. Es war entweder (nach meiner Berechnung) das
Jahr 1528, oder (wenn man die Angabe des Nakuk Pech, dass die Fest-
setzung der Spanier in Merida der fünfte Abschnitt vom 11. ahau war,
für richtiger hält) das Jahr 1530. Und wenn man, wie es Perez that*),
statt „sechs Jahre vor Ablauf von 13. ahau"- „im sechsten Jahre während
der Dauer des Katun 13. ahau" liest, so kommen gar die Jahre 1520 oder
1522 heraus. Aber lassen wir auch diese Konkordanzen mit der christ-
lichen Zeitrechnung beiseite, die vielleicht nur Randglossen sind, in
späterer Zeit und von unkundigen Leuten hinzugefügt, so liegt ein noch
ärgerer Widerspruch in den Bestimmungen der indianischen Zeitrechnung
selbst. 9. imi^ wav in der That der achtzehnte Tag des Monats Zip in
einem Jahre, dessen erster Monat mit einem Tage 4. kan begann. Aber
ein solches Jahr kann, nach den übereinstimmenden Angaben der Bücher
des Chilam Balam und anderen Quellen über die den indianischen Jahren
entsprechenden christlichen Jahre nur das Jahr 1493, und dann wieder das
Jahr 1545 «ewesen sein. Und das Jahr 1493 kann unmöglich dem Katun
1) Brinton, Maya Chronicles, p. 98, 142, 156.
■-') Stephens, Incidents of Travel in Yucatan, Tom I, p. 443.
16. Bedeutung des Maya-Kalenders für die historische Chronologie. 595
13. ahau angehört haben, sollen wir nicht die sämmtlichen übereinstim-
menden anderen Angaben, dass in 11. ahau sich die Spanier dauernd in
Merida festsetzten, dass in 9. ahau das Christentum kam, dass in 7. ahau
der Bischof Landa starb, und dass der Katun 5. ahau im Jahre 1593
begann, für falscli halten.
Die Lösung dieses Widerspruches wird, wenn jemals, erst dann mög-
lich sein, wenn durch Yergleichung der verschiedenen Abschriften der
Bücher des Chilam Balam eine kritische Rezension des Textes und eine
Scheidung der ursprünglichen Teile von den späteren Zufügungen un<l
Randglossen hergestellt sein wird.
Das dritte, genauer registrirte Ereigniss ist das erste Erscheinen der
Spanier auf der Halbinsel Yucatan. Hier würde eine Verschiedenheit in den
Angaben begreiflich erscheinen. Denn man kann zunächst zweifeln, was
mit dem ersten Erscheinen der Spanier gemeint ist, ob das Jahr, wo die
Maya zum ersten Male überhaupt einen Spanier zu Gesicht bekamen, oder
das Erscheinen der ersten bewaffneten Truppen an der Küste von
Yucatan, oder endlich das Jahr, wo die Spanier zum ersten Male in das
Innere des Landes vorzudringen und es zu erobern versuchten. Es scheint,
dass die Angaben der einheimischen Quellen sich alle auf das erste dieser
drei Ereignisse beziehen, und das ist das Jahr 1511, wo die Caravele
Yaldivia's, der von dem Isthmus von Darien nach Espanola zurückkehrte,
auf den Untiefen in der Nähe von Jamaica scheiterte, und der Rest der Mann-
schaft in einem elenden Boote an die Küste in der Nähe der Insel Cozumel
verschlagen wurde, unter ihnen der Diakonus Gerönimo de Aguilar, der
nachher von Cortes befreit wurde. Dieses Ereigniss wird übereinstimmend
in dem Buche des Chilam Balam von Mani und dem des Chilam Balam
von Titzimin in den Katun 2. ahau^ d. h. die dem Katun 13. ahau, wo
Ahpula Napot xiu gestorben sein soll, voraufgehende Periode verlegt.
„In 8. ahau wurde Mayapan zerstört. Dann folgen die Katune 6. ahau;
4. ahau; 2. ahau. Im Verlaufe der Jahre dieses Katun passirten die
Spanier zum ersten Male, kamen sie zum ersten Male hier in das Land,
der Provinz Yucatan, 60 Jahre nach der Zerstörung der Festung" — so
heisst es im Chilam Balam von Mani,
In dem Chilam Balam von Titzimin sind verschiedene Listen zu-
sammengeschrieben. Es wird zweimal der Katun 8. ahau und die Zer-
störung von Mayapan angegeben. In der ersten Liste heisst es bei 2. ahau:
„Im dreizehnten Stein (Abschnitt) passierten die Fremdlinge (die Spanier),
kamen sie zum ersten Male in das Land der Provinz Yucatan^). 93 Jahre
1) Der Wortlaut ist nahezu derselbe, wie im Chilam Balam von Mani. Nur
ist Wul, „Fremdling", für „espanoles" gesetzt, und statt ulcob, „sie kamen", steht
irrthümlich ilcob. Vielleicht war aber auch letzteres das Ursprüngliche. Dann
müsste übersetzt werden „sie wurden (zum ersten Male) gesehen (in dem Lande
Yucatan)".
38*
596 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
(nach der Zerstörung von MayapanY . In der zweiten Liste steht bei
2. ahau nur: „Da war die grosse Ausschlag-krankheit" (nohkahil). Ebenso
ist im Chüam Balam von Chumaijel bei 2. ahau nur „die Ausschlagkrank-
heit, die grosse Aiisschlagkrankheit" (kakü noh kakiV) gemeldet.
Sehen wir nun unsere Liste nach, so würde der dreizehnte Abschnitt
von "2. ahaii nach meiner Berechnung in das Jahr 1507, oder wenn man
die Bestimmungen Nakuk Pech''s zu Grunde legt, in das Jahr 1509 fallen.
Das stimmt nicht genau, denn der Schiffbruch Yaldivias geschah, wie ich
oben angab, im Jahre 1511. Und so berichtet auch Nakuk Pech an zwei
Stellen seiner Chronik, dass die Spanier zum ersten Male im Jahre 1511
nach Yucatan kamen. Jedenfalls aber fiel das Jahr 1511 in den Katun
2. ahau. Denn der kam erst im Jahre 1514, oder, nach den Bestimmungen
Nakuk Peches, im Jahre 1516 zu Ende. In dieser allgemeinen Festsetzung
ist also die Angabe der einheimischen Chronisten genau. Die grosse Aus-
schlagkrankheit, die nach den Chronisten in eben diese Zeit fiel, wird
vom Bischof Lau da als eine Seuche beschrieben, die grosse Pusteln her-
vorbrachte, dergestalt, dass „der Körper faul und stinkend wurde, und
die Glieder stückweis innerhalb vier oder fünf Tagen abfielen"^)./ Es ist
nicht unwahrscheinlich, dass schon das erste Erscheinen der Spanier eine
Pockenepidemie, diese Geissei der Indianerstämme, zur Folge hatte.
Denn das Wort kak, „Feuer", wird späterhin und heute allgemein für
„Ausschlagkrankheit", insbesondere „Pocken", gebraucht^).
In die dem Katun 2. ahau vorhergehende Periode 4. ahau verlegen
die Chronisten ein paar Landplagen, — ein allgemeines Sterben {maya-
cimir), das Landa als ein „ansteckendes perniciöses Fieber bezeichnet,
das 24 Stunden angehalten hätte, und danach wären die Körper ge-
schwollen und geplatzt und wären voller Würmer gewesen". Ferner eine
grosse Schlächterei. Landa spricht von 150 000 Menschen, die in den
Schlachten fielen. Die einheimischen Quellen nennen das oc-na-kuch-ü,
„wo die Zopilotes in die Häuser kommen'^, d. h. wo überall die Toten
unbegraben umherliegen.
Yor dieser Zeit berichtet Landa dann noch von einem grossen
Wirbelsturme, der das ganze Land rasiert und alle hohen Gebäude um-
gestürzt habe, der aber in den einheimischen Quellen nicht erwähnt wird.
Das grosse Ereigniss in der vorspanischeu Geschichte Yucataus ist die
Zerstörung von Mayapan. Mayapan war eine Stadt, im Innern Yucatans,
im Gebiete der späteren Herrschaft Mani gelegen, von der zur Zeit, als
Bischof Landa schrieb, noch ansehnliche Ruinen vorhanden waren.
Landa erwähnt insbesondere grosse Hieroglyphensteine von der Art derer.
1) „Pestilenica de unos granos grandes que les podria el cuerpo con gran
hedor, de nianera que les caian los niiembros a pedazos dentro de 4 ö 5 dias."
2) „viruelas, granos i erupcion pustulera del cuerpo" (Perez).
16. Bedeutung des Maya-Kalenders für die historische Chronologie. 59-7
die man zu Beginn eines Katun anzufertigen und aufzurichten pflegte.
Der Name ist mexikanisch. Das Wort 'pan wird zwar auch im Maya-
Lexikon mit der Bedeutung „Fahne, Standarte" angegeben, aber abge-
sehen davon, dass auch dieses Wort vermuthlich aus dem Mexikanischen
pam-itl {pan-tli) stammt, so ist die Etymologie des Namens Mayapan aller
Wahrscheinlichkeit nach eine ganz andere. Mayapan heisst „unter den
Maya", „im (lebiete der Maya", wie Otompan ,, unter den Otomi", „im
Lande der Otomi" heisst. Das ist eine rein mexikanische Namenbildung,
ganz abweichend von der unter den Maya üblichen, wo der das lokale
oder sonstige Verhältniss anzeigende Bestandtheil präfigirt, nicht suffigirt
wird (vgl. Pan-choy, „im See", Ti-kaa;, „im Wald", Ti-bolon, „in den neun'",
Ti-ho, „in den fünf" u. a.)
Der Name Mayapan erinnert also an die Periode der vorspanischen
Geschichte Yucatans, wo in Yucatan Bruchtheile der grossen mexikanischen
Nation eine Kolle spielten. Dass diese Beziehungen sehr rege waren, und
dass der Einfluss der Mexikaner ziemlich lange Zeit sich geltend gemacht
haben muss, das ist aus verschiedenen Thatsachen zu entnehmen.
Die berühmteste Stadt im alten Yucatan und der berühmteste alte
Herrschersitz war Chichheen Itza. Man ist schon lange darauf aufmerksam
geworden, dass die Skulpturen in den Ruinen dieser Stadt einen durch-
aus anderen Charakter tragen als die der grossen Ruinenstädte des
Westens, Copan und Palenque, und auch als die Skulpturen, die z. B. aus
der Gegend von Merida bekannt geworden sind. Die Haltung der
Figuren ist steifer, die Köpfe sind nicht deformiert, und in Tracht und
Ausputz erinnert vieles an die Typen der mexikanischen Bilderschriften.
Insbesondere tragen die Hauptfiguren alle die Kopfbinde mit dem drei-
eckigen Stirnblatt aus Türkismosaik, das xiuh-uitzolli der mexikanischen
Könige. So glaubte denn z. B. Charnay in der That in Chichheen Itza
den handgreiflichen Beweis für die Richtigkeit der alten Berichte, von
der Auswanderung der Tolteken nach Yucatan und Guatemala vor sich
zu haben.
Chichheen Itza gegenüber , stellt Mayapan eine in jüngerer Zeit ent-
standene Herrschaft dar, die erst nach dem Zusammenbruche des Reiches
von Chichheen Itza und durch diesen Zusammenbruch in die Höhe kam.
Die Schuld an diesem Zusammenbruche wird in allen Berichten dem Yer-
rath {kebanthan) eines gewissen Hunac-ceel zugeschrieben, und als die
unmittelbaren Urheber der Zerstörer von Chichheen- Itza werden „die
sieben Männer von Mayapan"' — Ah zinteyut chan^ Tzuntecum, TaxcaU
Pantemit, Xuchueuet, Ytzcuat, Kakaltecat — genannt. Yon diesen sieben
Namen sind die sechs letzten rein mexikanisch, und der erste Name ist
eine Kombination eines mexikanischen und eines Mayawortes mit einem
Maya-Praefix, das so viel als „der" heisst. Die Erzählung Landa's, dass
die Herrschaft in Mayapan von einem Geschlecht begründet sei, das sich
598 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
auf die in den grossen Handelszentren Tabasco und Xicalanco ansässigen
Mexikaner stützte, wird demnach durch die einheimischen Berichte voll
bestätigt.
Landa erzählt dann weiter, dass dieses Geschlecht, die Cocom^ die in
Mayapan herrschten, immer ärgere Bedrückungen ausübten, so dass end-
lich die verschiedenen Dorfhäuptlinge sich unter der Führung des in dem
Distrikte der Sierra, d. h. in dem Distrikte von Mani, bei den ah-uitz
(„den Leuten von der Sierra") mächtigen Häuptlingsgeschlechtes der Tutul
xiu, gegen die Cocom erhoben, die sämmtlichen ihnen erreichbaren Glieder
dieses Geschlechtes erschlugen und die „Festung Mayapan"- zerstörten.
Diese Zerstörung von Mayapan ist demnach auch insofern das grosse Er-
eigniss in der vorspanischen Geschichte Yucataus, als es die nationale
Reaktion gegen die auf die Fremden gestützte Herrschaft darsfcfellt. Die
Folge davon war aber auch, dass es seitdem keine zentrale Gewalt mehr
im Lande gab. Verschiedene Häuptlingsgeschlechter hielten grössere oder
kleinere Theile des Landes im Besitz und befehdeten sich gegenseitig mit
allen Mitteln des Verrathes und der offenen Gewalt.
Nach der Angabe Landa's wären zu der Zeit, als er seine Relaciones
schrieb, d. h. im Jahre 1556, ungefähr 120 Jahre se^t der Zerstörung von
Mayapan verflossen. Die Mehrzahl der einheimischen Quellen setzt das
Ereigniss in den Katun 8. ahau. Und das stimmt genau, sowohl zu der
Angabe Landa's, wie zu meiner Berechnung. Denn der Katun 8. ahau
begann nach meiner Berechnung am 19. Januar des Jahres 1436.
So bedeutsam dieses Ereigniss aber auch war, so sind doch selbst
darüber die einheimischen Chronisten nicht einig. Denn obwohl, wie
gesagt, die Mehrzahl der Quellen den Katun 8. ahau dafür angeben,
so findet sich doch eine Liste, die zweite des Chilam Balam von
Chumayel^ die die Zerstörung von Mayapan in den Katun 1. ahau, das
wäre in den Zeitraum vom Jahre 1377 bis 1397, setzt. Und in einer
anderen Liste, der des Chilam Balam von Mani, scheint nebeneinander
der Katun 8. ahau und der Katun 11. ahau angesetzt zu sein. Dass für
das Ereigniss der Katun 1. ahau angegeben ist, scheint darin seinen Grund
zu haben, dass diese Liste den Katun 1. ahau als den Beginn eines grossen
Zyklus von dreizehn Katunen annimmt. Und die Angabe 11. ahau scheint
auf ähnlichen Erwägungen zu beruhen. Denn der Umstand, dass in den
Katun 11. ahau das grosse umstürzende Ereigniss der dauernden Fest-
setzung der Spanier im Lande fiel, war für einen Theil der einheimischen
Chronisten Yei anlassung, die grösseren Katunzyklen mit dem Katun
11. ahau beginnen zu lassen.
Für die Ereignisse, die vor der Zerstörung von Mayapan genannt
werden, — den Fall der Herrschaft von Chichheen Itza^ den Aufenthalt
der 7tea-Leute in Champoton und die Einwanderung in Yucatan und
die erste Gründung von Chichheen Itza — werden keine ernsthaft zu
16. Bedeutung des Maya-Kalenders für die historische Chronologie. 599
nehmenden chronologischen Fixierungen versucht. Hier werden die Haupt-
ereignisse immer um eine volle Periode von 13 Katunen vor dem folgenden,
also alle entweder in 8. ahau, oder alle in 1, ahau angesetzt, die Rechnung
im Ganzen um vier volle Perioden von 256 Jahren + 146 Tagen hinauf-
geführt. Eine Besonderheit findet sich noch in einer dritten, in dem
Chilam Balam von Chumayel enthaltenen Liste, die in Brinton's Maya
Chronicles, S. 178, 179 abgedruckt ist. und die aus mancherlei Gründen ein
besonderes Interesse beansprucht. Es wird nämlich hier vor den im Katun
8. ahau erfolgenden historischen Ereignissen der Katun 4. ahau genannt,
einerseits als die Periode, in der das mythische Reich von Chichheen Itza
zu Ende kam und davor als die Periode, in der die Menschen entstanden,
das grosse und kleine Hinabsteigen (die grosse und kleine Einwanderung)
stattfand, und von den vier Himmelsrichtungen her sich die Menschen
in Chichheen Itza zusammenfanden. Das ist die, [einzige mir bekannte
Stelle in den Büchern des Chilam Balam, wo eine Beziehung auf das
Normal- und Anfangsdatum der Dresdener Handschrift 4. ahau, 8. cumku
vorzuliegen scheint.
Wenn nun aber die Bücher des Chilam Balam auch für die Chrono-
logie nicht sehr ergiebig sind, so sind sie um so reicher an Mittheilungen
über diejenige Seite des Maya-Kalenders, die unstreitig die am intensivsten
kultivirte war, und die unzweifelhaft auch in den Maya-Handschrifteu
einen breiten Raum einnimmt, den hauptsächlichsten, vielleicht den einzigen
Inhalt derselben ausmacht, das ist die divinatorische, die Beurtheilung der
vorbedeutenden Kraft, die den Zeichen und Ziffern der Tage und der
anderen grösseren und kleineren Zeitabschnitte zukommt. Die Erörterung
dieser Verhältnisse muss ich aber für eine spätere Mittheilung mir auf-
sparen.
gOQ Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
17.
Das Tonalamatl der alten Mexikaner.
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft 28. März 1898.
Zeitsclirift für Ethnologie S. (1G5) — (177).
Tonalamatl, das „Buch der (guten und bösen) Tage", nannten die
alten Mexikaner das. was wir als ihren Kalender betrachten können, die
Cirund- und Hauptperiode ihrer Zeitrechnung. Schon dieser Xame lässt
erkennen, was die besondere Eigenthümlichkeit dieses Zeitmessungs- und
Zeitbenennungs-Systems war. Es ist einmal der Umstand, dass ausser der
Tageszähluug anscheinend keine anderen asti'onomischen Bestimmungen
für die Feststellung dieser Periode in Betracht kommen. Und dann, dass
dieser Kalender weniger chronologischen, als vielmehr weissagerischen,
augurischen Zwecken diente. Die alten Mexikaner kannten zwar die
Jahreslänge, die sie zu 365 Tagen bestimmten. Sie kannten auch die
Umlaufszeit eines oder einiger der gi-össeren Planeten. Aber diese Umlaufs-
zeiten wurden au der Grundperiode, dem Tonalamatl, gemessen, und nicht
umg-ekehrt. Die aufeinanderfolsrenden Jahre wurden nicht von einem
irgendwie antrenommenen Anfans: an gezählt, sondern nach dem aus dem
Tonalamatl-^jstem für ihre Anfangstage sich ergebenden Namen benannt.
Und die grösseren Perioden, die Jahresbündel, sind die einfache Folge
dieser Benennung. Ein neues Bündel begann, wenn der Anfangstag eines
Jahres wieder denselben Xaraen trug, wie in der Periode zuvor.
Das Grundelement des Tonalamatl'?, war ein Zeitraum von 20 Tagen.
Ein solcher Zeitraum war durch das vigesimale Zahlensystem, das die
alten Mexikaner entwickelt hatten, natürlich gegeben. Die einzelnen Tage
dieses Zeitraumes wurden jeder durch einen besonderen, in der Regel
natürlichen Objekten entnommenen I^amen bezeichnet. Das sind die
"20 Tageszeichen, mit denen ich in frühereu, in dieser Zeitschrift veröffent-
lichten Abhandlungen mich eingehend beschäftigt habe. Aber mit diesen
20 Zeichen wurden 13 Ziffern in regelmässiger Aufeinanderfolge kombinirt,
indem jeder der aufeinanderfolgenden Tage mit einem der 20 Zeichen und
einer der 13 Ziffern bezeichnet wurde.x Auf diese Weise traf es erst nach
13x20 Tagen ein, dass ein Tag wieder die gleiche Benennung, das
17. Das Toualamatl der alten Mexikaner. 601
gleiche Zeichen kombinirt mit der gleichen Ziffer, erhielt. Dieser Zeit-
raum von 13X20 oder "260 Tagen ist das Tonalamatl.
Was die Mexikaner — oder wer sonst als der Erfinder dieses Kalenders
betrachtet werden muss — veranlasste, die Zahl 13 mit den 20 Tages-
zeichen zu verbinden, das konnte bisher noch nicht mit Sicherheit fest-
gestellt werden. Man hat an Hälften eines Monats gedacht. 13 Tage sei
der Mond (in der Breite von Mexico) nur bei Tage sichtbar, das hätte
man das „Schlafen" genannt, und 13 Tage sei er in der Nacht voll sicht-
bar, das hätte man das „Wachen" genannt. Diese Angaben und diese
Erklärung beruhen indes augenscheinlich nur auf Vermuthung. In einem
Kapitel über den Planeten Venus, das von Chavero dem Franziskaner-
Mönch Motolinia zugeschrieben wird, weil der Text dieses Kapitels in
einer Handschrift, die dem verstorbenen Garcia Icazbalceta gehörte, dem
ersten Theile der von dem genannten Mönche verfassten Historia de los
Indios angefügt ist, wird die Behauptung aufgestellt, dass 260 Tage den
Zeitraum bezeichnen, in dem an dem Himmel von Mexico der Planet
Venus als Abeudstern sichtbar sei. Diese Erklärung hat im ersten Augen-
blick etwas Bestechendes. Dass die mexikanischen Astrologen die Be-
wegungen dieses Planeten genau beobachtet hatten und bestimmt anzugeben
wussten, an welchem Tage er wieder erscheinen und wann er verschwinden
würde, wird von verschiedenen Chronisten berichtet. Ihre Angaben haben
neuerdings durch die Untersuchungen Förstemann's über die Dres-
dener Maya-Handschrift eine überraschende Bestätigung gefunden. Und in
jüngster Zeit bin ich darauf aufmerksam geworden, dass auch in den
Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe dieselbe Periode bei den Figuren,
die die Gottheit des Morgensterns darstellen, verzeichnet ist. Da nun der
Gott Quetzalcouatl als Erfinder des Tonalamatl genannt wird, und von
diesem Gotte ausserdem berichtet wird, dass bei seinem Tode sein Herz
sich in den Morgenstern verwandelt habe, so liegt es in der That sehr
nahe, sich vorzustellen, dass die Länge des TonalamatVs zu dem ^ euus-
umlauf, oder irgend einer seiner Phasen, in Beziehung stehe.
So verführerisch diese Hypothese nun auch im ersten Augenblick
erscheint, so grosse Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man versucht,
diese angenommene Beziehung etwas näher zu bestimmen. Die Angabe
des Kapitels „über den Planeten Venus", dass dieser Planet 260 Tage
lang als Abendstern sichtbar sei, entspricht nicht den thatsächlichen Ver-
hältnissen. Die ganze scheinbare Umlaufszeit der Venus, die 584 Tage
beträgt, steht mit dem Tonalamatl in keiner direkten Beziehung. Und
dass man erst aus der grösseren Periode von 104 Jahren, in der die
Umlaufszeiten der Venus, die Jahres- und die Tonalamatl-1 Angen gleich-
massig aufgehen, das Tonalamatl abgeleitet haben sollte, erscheint wenig-
glaublich. Die Thatsache indes, dass man in dem Tonalamatl die Reihen
1 — 20 und die Reihen 1 — 13 neben einander verlaufen Hess, muss
(J02 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
meines Erachtens als eiu sicherer Fingerzeig- dafür augesehen werden,
dass der Zahl 13 als solcher ihre Bedeutung zukam. Den Grund dieser
Bedeutung glaubte ich in einer Art Zahlenspekulation oder Zahlenmystik
suchen zu müssen und habe diese Annahme auch in der ersten Veröffent-
lichung dieses Aufsatzes der Darstellung zu Grunde gelegt.
Ich bin in neuerer Zeit indes darauf aufmerksam geworden, dass
mittelbar vielleicht doch ein Zusammenhang zwischen dem Tonalamatl und
der Yenusperiode besteht. Das Sonuenjahr von 365 Tagen, dass die alten
Mexikaner annahmen, steht zu dem Venusumlauf von 584 Tagen in dem
Yerhältniss, dass gerade 8 Sonnenjahre genau 5 Yenusumläufen gleich sind.
Sucht man nun in dieser grösseren Periode, in der Sonnenjahr und Yenus-
periode gleicherweise aufgehen, sowohl die 8, als die 5 zu sondern, so
findet man, dass diese grössere Periode = 5 X 8 X 73 Tagen, das Sonnen-
jahr = 5 X 73, die Yenusperiode = 8 X 73 Tagen ist.' Ich glaube nun, dass
die alten Mexikaner, — oder wem sonst die Erfindung des TonalamaWs
zuzuschreiben ist, aus dem Sonneujahr und der Yenusperiode eine Einheit
gemacht haben, die 5 X 73 + 8 X 73 oder 13x73 Tage umfasst haben
würde. Nimmt man diese Periode als Einheit an, so würde die nächst
höhere Periode, gemäss dem vigesimaleu Zahlensystem der Mexikaner die
Periode von 20x13x73 gewesen sein. Das ist der bekannte Zyklus von
52 Jahren, die mexikanische Aera. Vergleicht man nun diese Aera mit
dem Sonnenjahr und mit der Yenusperiode, so sieht man, dass hier die
260 (das Tonalamatl) der Fünf des Sonnenjahres und der Acht der Yenus-
periode entspricht. Und es erscheint mir nicht unmöglich, dass in dieser
Weise die Mexikaner, oder wer sonst diesen Kalender erfunden hat, auf
die Zahl 13 und das Tonalamatl von 260 Tagen gekommen sind.
Eine Zahlenspekulation oder Zahlenmystik dagegen glaube ich in den
die Tonalamatl-Tsige begleitenden Figuren zu erkennen.
Den alten indianischen Philosophen waren verschiedene Zahlen und
aus verschiedenen Gründen wichtig. Zunächst die Zahl vier, die der Zahl
der Himmelsrichtungen entspricht, dem Sonnenaufgang, dem Sonnenunter-
gang und den beiden mittleren Richtungen. Die Zahl fünf ist einmal
ebenfalls als Ausdruck der Zahl der Himmelsrichtungen von Bedeutung,
indem man die Mitte oder *die Richtung „uuten — oben" als fünfte Gegend
zählte. Dann aber bezeichnet die Zahl fünf auch das über das Normale
(d. h. die Zahl vier) Hinausgehende, das Uebermässige, Unmässige. In
gleicherweise konnten, wie leicht einzusehen ist, auch die Zahlen sechs,
acht und neun als Ausdruck der Zahl der Himmelsrichtungen in Betracht
gezogen werden und sind an verschiedenen Orten und bei verschiedenen
Stämmen hierfür verwendet worden.
Yon geringerer Bedeutung war bei den Indianern Zentral-Amerikas
die Zahl drei, die in der Zahlenmystik der alten Welt eine so grosse
Rolle spielt. Nur bei den Maya bin ich ihr als mystischer oder ritueller
17. Das Tonalamatl der alten Mexikaner. f503
Zahl häufiger begegnet. Drei ist ausserdem die Zahl der Herdsteine und
hat deshalb in dem Kultus des Feuergottes ihre Stelle,
Auch die dem europäischen Aberglauben so wichtige Zahl Sieben tritt
in den zentral-amerikanischen Zahlen-Spekulationen verhältnissmässig wenig
hervor. Nur bei Stämmen der Maya-Familie wiederum, insbesondere den
guatemaltekischen Indianern, wird die Zahl Sieben öfters erwähnt. So
heisst es in den Cakchiquel-Aunalen, dass man dem Dämon alle sieben
und alle dreizehn Tage Speise brachte. K^ucumatz, der Zauberfürst der
Qu'iche, steigt sieben Tage zum Himmel, sieben Tage zur Hölle, sieben
Tage ist er eine Schlange, sieben Tage ein Adler, sieben Tage ein Jaguar,
sieben Tage eine Ansammlung von Blut. Noch in späten Vokabularien
finden wir mit besonderem Namen (ßapi kHh) einen Zeitraum, von sieben
Tagen genannt, der von den alten Cakchiquel als allgemeine Ruhezeit ge-
halten worden sei. Und in den Wandersagen und Historien sind die
„Sieben Stämme" (vuk amak) die übliche Bezeichnung der Tz'utuhil-
Konförderation, denen die Qu'iche, Cakchiquel und ihre Verwandten als
die „Krieger" (ahlabal) entgegengestellt werden.
Eine ganz hervorragende Rolle aber spielen in der Mystik des alten
Mexico und des alten Zentral- Amerika die Zahlen Neun und Dreizehn.
Neun über einander geschichtete Himmel [chicunauhnepaniukcan]^) zählten
die alten Mexikaner über der Erde und neun Unterw^elten [chicunauh-
mictlanY)- Und an dem Eingang der tiefsten untersten Hölle fliesst der
neunfache Strom (chicunauhapan). Während aber in der Neunzahl die
Zahl der Unterwelten sich erschöpft, sind über den neun untern über
einander geschichteten Himmeln noch vier obere Himmel vorhanden, so
dass die Zahl der Himmel dreizehn ist, und der oberste dreizehnte
Himmel, das ist das Omeijocan, der „Ort der Zweiheit", in ihm residiren
die Herreu der Zeugung, Ometecutli und Omeciuatl, von denen alles Leben
seinen Ursprung hat''). In den Traditionen der Maya werden die neun
Generationen {bolon tzacab) und die dreizehn Generationen {oxlahun tz'acah')
genannt. Die ersteren, die neun Generationen (bolon tz'acab), sind der be-
zeichnende Name einer Gottheit. Und die Vereinigung beider bolon
tz'acab oxlahun tz'acab wird noch in der heutigen Sprache als Ausdruck
für „ewig" gebraucht*). Wie die Mexikaner von den neun Unterwelten
und den 13 Himmeln redeten, so sprachen die Maya von den 13 Schichten
der Wolken \ti oxlahun taz muyal] ^). Und in den Historien und Wander-
sagen der guatemaltekischen Indianer sind die 13 Abtheilungen der
„Sieben Stämme", oder der Tz'utuhü-KonfördeTation (joxlahu cKob Vuk aviak)
1) Codex Vaticanus A, 1.
2) Sahagun, S.Appendix, cap. 1.
3) Codex Vaticanus A, 1.
4) Perez, Vocabulario.
5) Misa Milpera de Xcanchakan.
604
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
und die 13 Abtheilungeu der „Krieg-er", d. li. der Qu'iche und ihrer Ver-
wandten {od-lahii ch'oh ahlabal) eine stellende Bezeichnung.
Für die Klarstellung der Bedeutung, die wir der Zahl dreizehn anzu-
weisen haben, ist es von besonderer Wichtigkeit, dass wir in den oben
angeführten Ausdrücken die Zahlen neun und dreizehn neben einander
auftreten sehen. Die Zahl Neun aber scheint bei den Mexikanern
deutlich auf die Zahl der Unterwelten sich zu beziehen, während die
dreizehn die Zahl der Himmel angibt. Ein ähnlicher Unterschied muss
auch für die in den Büchern des Chilam Balam vielgenannten neun und
dreizehn Götter {bolon ti ku, ovlahun ti ku) angenommen werden.
Abb. 1. Die neun Herren der Stunden der Nacht.
Codex Telleriano-Remeusis.
Dieselben Zahlen Neun und Dreizehn treten uns nun auch in den
Figuren entgegen, die man in verschiedenen Tona/awia^/-Darstellungen in
sich wiederholenden Reihen die 13 X "20 Tage des TonalamatV^ begleiten
sieht.
Die Reihe der neun Figuren ist unter der Bezeichnung „Herren der
Nacht" bekannt. Ihre Namen werden von dem Interpreten des Codex
Telleriano-Reniensis und des Yaticanus A, von einem in der zweiten Hälfte
des sechszehnten Jahrhunderts lebenden tetzkokanischen Schriftsteller
Cristöval de Castillo und im Manual de ministros de Indios des Jacinto
de la Serna genannt. Von letzterem hat Boturini seine Angaben ent-
nommen. In verschiedenen der bilderschriftlichen Tonalamatl sehen wir
ihre Bilder die Reihen der Tageszeichen begleiten (Abb. 1 — 5). Und in
voller Figur sind sie ausserdem auf dem schönen Blatt 14 des Codex
Borgia (Kingsborough, PI. 25) dargestellt, dem der Codex Yaticanus B,
17. Das Tonalamatl der alteu Mexikaner.
605
19—23 (Kingsboroiigh, PL 67 — 71) und Codex Fejerväry 2 — 4 (Kings-
borough, PI. 43—41) entsprechen. Ihre Namen sind nach den genannten
Quellen folgende:
Abb. 2. Die neun Herren der Stunden der Nacht. Codex Borbonicus.
yfy:d/t.
Abb. 3. Die neun Herren der Stunden der Nacht,
TonalamaÜ der Aubin'schen Sammlung.
1. Xiuhteautli (der Fenergott),
2. Itztli (der Obsidianmesser-Gott), identisch mit Tezcatlipoca,
3. Piltzinteotl (Gott der Fürsten), identisch mit Tonatiuh, dem Sonnengott,
606
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung,
4. Cinteotl (Maisgöttin),
5. Mictlantecutli (Gott der Unterwelt),
6. Chalchiuhtlicue (Wassergöttin),
Abb. 4. Die neun Herren der Stunden der Nacht. (Figuren).
Codex Bologna.
Abb. 5. Die neun Herren der Stunden der Nacht. (Symbole).
Codex Bologna.
7. Tlagolteotl (Erdgöttin).
8. Tepeyollotl (Gott der Höhlen),
9. Tlaloc (Regengott).
17. Das Tonalamatl der alten Mexikaner.
607
Vielleicht haben wir dieselben Gottheiten auch auf den merkwürdigen
Blättern 21 — 31 (Kingsborough, PI. 14 — 22) des Codex Bologna zu erkennen.
Nur wären dann 1—4 als Abbilder oder verschiedene Formen Tezcatlipoca^s
dargestellt, und es wären der Reihe der neun Gottheiten auf Blatt 23 und 24
noch zwei weitere hinzugefügt, die ebenfalls sich als Abbilder oder andere
Formen Tezcatlipocas geben.
Die Zahlen 1 — 13 sehen wir auf dem prächtigen Blatte Codex Borgia 71
(Kingsborough, PI. 44) von Figuren begleitet. Das Blatt (vgl. oben 8. 337)
zeigt uns auf der linken Seite in voller Figur und mit der Sonnenscheibe
den Sonnengott, dem eine in grünes Malinalli~(jra.s gekleidete Figur, von
Affengestalt und mit Todtenkopf, eine Wachtel darbringt. Darüber, rechts,
eine symbolische Figur, die den Mond darstellt, und daneben das Datum
Abb. 6. Die dreizehn Vögel. Codex Borgia.
VrW^.
„eins Rohr"-, die Hieroglyphe des Morgensterns. In dem Umkreise stehen
in quadratischen Abtheilungen die Ziffern 1 — 13, begleitet von je einer
Vogelfigur (Abb. 6). V^ir erkennen unschwer:
1. einen laugschnäbligen blauen Vogel (Kolibri?),
2. einen laugschnäbligen grünen Vogel (Kolibri?),
3. einen Raubvogel ohne Federhaube (Falke?),
4. Wachtel (colin)^
5. Adler (quauhtli),
6. Schleiereule (chiquatU),
7. Schmetterling (papalotl),
8. gestreifter Adler (itzquauhtli),
9. Truthahn {uexolotl),
10. Ohreule, Uhu (tecolotl),
11. rother Guacamayo (alo)^
12. Quetzal (^quetzaltototl),
13. grüner Papagei oder Loro (cocho).
608
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Dieselbe Reihe von Vögeln ist auch in dem Tonalamatl der Aubiu-
GoupiFschen Sammlung und im Codex Borbonicus (Abb. 7 und 8), auf allen
18 Blättern, in der ersten Kolumne angegeben, aber sie sind im Tonalamatl
der Aubin'schen Sammlung (Abb. 8) von Köpfen von Gottheiten begleitet.
Abb. 7. Die dreizehn Vögel. Codex Borbonicus.
Abb. 8. Die dreizehn Vögel. Tonalamatl der Aubin'schen Sammlung.
die gewissermassen aus dem aufgesperrten Rachen dieser Vögel hervor-
sehen, für die die Vögel also eine Art Maske, ihre Verkleidung, ihr naualli,
darstellen. Die Reihe auch dieser Gottheiten ist nahezu vollständig mit
Sicherheit zu bestimmen.
17. Das Tonalamatl der alten Mexikaner, 609
Es sind:
1. Tlauizcalpan tecutli, der Morgenstern,
2. ? Ixtlilton?
3- Xochipilli,
4. Xipe-Totec,
5. ein Gott mit Kriegortanz-Bemalung ( Yaotl).
6. ein Cfott mit der Bemalung und Befederung der zum Opfer be-
stimmten Kriegsgefangenen {Uauantli),
7. XiuhtecutU, der Feuergott,
8. Tlaloc^ der Regengott,
^^
10. Yayauhqui-Tezcatlipoca, der schwarze Tezcatlipoca,
11. Xochipilli, der Gott der Blumen.
12. Cinteotl, die Maisgöttin,
13. Xochiquetzal, die Göttin der Blumen und der weiblichen Kunst-
fertigkeit.
Diese Reihe, über deren eigentliche Bedeutung allerdings noch nichts
Näheres bekannt ist, zeigt jedenfalls, dass die Vögel, die auf dem Blatte
des Codex Borgia neben den Ziffern 1 — 13 gezeichnet sind, nur als Re-
präsentanten, als Abbilder oder Verkleidungen ebenso vieler Gottheiten zu
gelten haben.
In dem Tonalamatl der Au bin 'sehen Sammlung und im Codex
Borbonicus findet sich aber noch eine zweite Reihe von 13 Gottheiten, die
gleichfalls auf allen 20 Blättern in gleicher W^eise sich wiederholt, die
zweite Kolumne bildend (Abb. 9, 10, S. 610). Diese unterscheidet sich von
der vorigen zunächst dadurch, dass vor dem Munde jeder Figur ein
Gegenstand angebracht ist, dessen eigentliche Natur in den Bildern des
Aub in 'sehen TonalamaiVs allerdings schwer zu deuten ist, der aber, wie
die Bilder des Codex Borbonicus erkennen lassen, nichts anderes als das
bekannte Hauchzeichen, das Züngelchen der Rede, ist, das „Rede" und
im engeren Sinne „bedeutungsvolle Rede, Befehl, Herrschaft", andeutet.
Auch diese Reihe ist ziemlich mit Sicherheit zu bestimmen, und zwar sind
ihre Glieder etwas andere als die der ersten Reihe:
1. Xiuhtecutli, der Feuergott,
2. Tlaltecutli, der Gott der Erde,
3. Chalchiuhtlicue, die Wassergöttin,
4. Tonatiuh, der Sonnengott im Sonnenbilde,
5. Tlafolteotl, die Erdgöttin,
6. Teoyaomiqui, der Gott des Kriegertodes,
7. Xochipilli-Cinteotly der Sonnengott in Vogelgestalt,
8. Tlaloc, der Regengott,
9. Quetzalcouatl, der Windgott,
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. . 39
61U
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
10. Yayauhqui-TezcatlipoccL, der schwarze Tezcatlipoca,
11. MictlantecutH, der Herr der Unterwelt,
12. Tlauizcalpan tecutli, der Abeudstern,
13. Ilamatecutli, die Göttin des Sternhimmels.
Abb. 9. Die dreizehn Herren der Stunden des Ta?es. Codex Borbonic
Abb. 10. Die dreizehn Herren der Stunden des Tages.
Tonalamatl der Aubin' sehen Sammlung.
In meinen Erläuterungen zum Tonalamatl der A üb in "sehen Sammlung^)
habe ich den Nachweis zu führen gesucht, dass die alten Stämme Mexico's
die Xacht und den Tag in neun Stunden theilten, entsprechend der Zahl
1) Berlin 1900. S. 18 ff. —
17. Das Tonalamatl der alten Mexikaner. 611
der Himmelsrichtungen, dass sie aber, um den geheimen Beziehungen
gerecht zu werden, die sich für sie mit den Zahlen neun und dreizehn
verknüpften, — indem neun ihnen die Zahl der Unterwelten, der Nacht
und das Zeichen der Zauberer, dreizehn die Zahl der Himmel, und das
Zeichen der Götter des Lebens war, — die beiden ersten und die beiden
letzten Nachtstunden dem Tage zurechneten, um auf diese Weise die
Zahl der Tagesstunden auf dreizehn zu erhöhen.
Die neun Figuren, die von den Interpreten als „Herren der Nacht"
bezeichnet werden, und die in beständig sich wiederholenden Reihen auf
sämmtlichen Blättern des TonalamatVs zur Anschauung gebracht sind
(Abb. 1 — 5), betrachte ich als die Hüter der neun Stunden der Nacht.
Die dreizehn Götter aber, die auf den Blättern des TonalamatVs die
zweite Reihe bilden (Abb. 9— 10), und die dreizehn Vögel und ihre Götter,
die auf den Blättern des Tonalamatfs in der ersten Kolumne stehen
(Abb. 6—8), halte ich, trotz der Abweichungen, die sie im Einzelnen
zeigen, für homolog und betrachte sie als die Hüter der dreizehn
Stunden des Tags. Denn es ist ja klar, dass die alten Wahrsager, die
diese Bücher benutzten, darin nicht nur das Geschick der einzelnen Tage,
sondern auch das der einzelnen Tagesstunden oder Tageszeiten finden
mussten, da für sie die Verschiedenheit der Tageszeit oder der Tages-
stunde sicher nicht ohne Bedeutung gewesen sein wird.
Die Verwendung dieses aus 13 Zahlen und 20 Zeichen sich auf-
bauenden Kalenders geschah, wie ich schon Eingangs erwähnte, vorwiegend
zu weissagerischen, augurischen Zwecken. Erwägt man, dass jedes der
20 Zeichen durch die Natur des Gegenstandes, den es darstellte, gewisse
Ideen suggerirte, dass man den Zahlen an sich, oder wenigstens einzelnen
Zahlen, eine bestimmte Bedeutung beimass, — Sahagun gibt z. B. an,
ilass alle mit der Zahl Sieben kombinirten Zeichen als gute und glückliche
betrachtet worden seien, weil ,, Sieben Schlange" der Tag und der Name
der Maisgöttin seien, und dass alle mit der Zahl Neun kombinirten den
Zauberern günstig seien, — erwägt man ferner, dass auch für die Stunden,
.sowohl des Tages wie der Nacht, wie ich eben angegeben habe, immer
andere Gottheiten als einflussreich und geschickbestimmend gedacht
wurden, so begreift man, dass der Haruspex, der Tageszeichen-Zähler
{tonalpouhqui), der alle diese Beziehungen sich gegenwärtig hielt, schon
eine fast verwirrende Fülle von Daten zur Verfügung hatte, nach denen
er sein Urtheil sich bilden konnte. Die Sache erfuhr indes noch eine
weitere Entwickelung.
Durch die Verbindung der 13 Zahlen mit den 20 Zeichen gliederte
sich das ganze Tonalamatl in 20 Abschnitte von je 13 Tagen, deren An-
fangstage jeder die Ziffer 1 erhielt, wo aber nunmehr die 20 Zeichen in
anderer Weise geordnet erschienen. Bezeichne ich die 20 Tageszeiciien
-mit römischen Ziffern, die 13 Zahlen mit arabischen, so stellt sich das
39*
61^
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
in dieser "Weise angeordnete Tonalamatl so dar, wie es die folgende
Tabelle A zur Anschauung- bringt:
Tabelle A.
1
2
3
4
5 6
7
s
9
10
1. I
1.
XIV
1 1. VIT
1.
XX
1. XIII 1. VI
1.
XIX
1 1. XII
1. V
1. XVIII
2. II
2.
XV
2. VIII
: 2.
I
2. XIV 2. VII
2.
XX
! 2. XIII
2. VI
2. XIX
3. III
8.
XVI
3. IX
; 3.
II
3. XV 3. VIII
3.
I
3. XIV
3. VII
3. XX
4. IT
4.
XVII
4. X
4.
III
4. XVI 4. IX
4.
II
4. XV
4. VIII
4. I
5. V
5. XVIII
5. XI
! 5.
IV
5. XVII 5. X
5.
III
5. XVI
5. IX
5. II
6. VI
6.
XIX
i 6. XII
1 6.
V
6. XVIII 6. XI
6.
IV
6. XVII
6. X
6. .111
7. VII
7.
XX
7. XIII
i^-
VI
7. XIX 7. XII
7.
V
7. XVIII
7. XI
7. IV
8. VIII
8.
I
8. XIV
i ^'
VII
8. XX 8. XIII
8.
VI
8. XIX
8. XII
8. V
9. IX
9.
II
9. XV
9.
VIII
9. I 9. XIV
9.
VII
9. XX
9. XIII
9. VI
10. X
10.
III
10. XVI
|10.
IX
10. II 10. XV
10.
VIII
10. I
10. XIV
10. vn
11. XI
11.
IV
11. XVII
'll.
X
11. III 11. XVI
11.
IX
11. II
11. XV
11. VIII
12. XII
12.
V
12. XVIII 12.
XI
12. IV 12. XVII
12.
X
12. III
12. XVI
12. IX
13. XIII
13.
VI
13. XIX
13.
XII
13. V 13.XVIIIJ13.
1
XI
13. IV
13. XVII
13. X
11
12
13
u
16
16 17
18
19
20 1
1. XI
1.
IV
1.
XVII
1. X ' 1. III
1.
XVI 1 1. IX
1.
XV
1.
vmJ
2. XII
2.
V
2.
XVIII
2. XI 1 2. IV
2.
XVII 1 2. X
2. III
2.
XVI
2.
IX 1
3. XIII
3.
VI
3.
XIX
3. XII 3. V
3. XVIII
3. XI
3. IV
3.
XVII
3.
X ^
4. XIV
4.
VII
4.
XX
4. XIII 4. VI
4.
XIX 4. XII
4. V
4. XVIII
4.
XI
5. XV
5.
vin
5.
I
5. XIV 5. VII
5.
XX , 5. XUI
5. VI
5.
XIX
5.
XII
6. XVI
6.
IX
6.
II
6. XV 6. VIII
6.
I
6. XIV
6. VII
6.
XX
6.
XIII
7. XVII
7.
X
7.
III
7. XVI 7. IX
7.
II
7. XV
7. VIII
7.
I
7.
XIV
8. XVIII
8.
XI
8.
IV
8. XVII : 8. X
8.
III
8. XVI
8. IX
8.
11
8-
XV
9. XIX
9.
XII
9.
V
9. XVIII 9. XI
9.
IV j 9. XVII
9. X
9.
III
.9.
XVI j
10. XX
10.
XIII
10.
VI
10. XIX jlO. XII
10.
V
10. XVIII
10. XI
10.
IV
10.
XVII'
11. I
11.
XIV
11.
VII
U. XX
11. XIII
11.
VI
11. XIX
11. XII
11.
V
11. XVIII
12. II
12.
XV
n.
VIII
12. I
12. XIV
12.
vn
12. XX
12. xm
12.
VI
12.
XIX
13. iir
13.
XVI
13.
IX
13. 11
13. XV
13.
vin
13. I
13. XIV
13.
VII
13.
XX
Jedem dieser 20 Abschnitte von je 13 Tagen wurde nun eine Gott-
heit zugeschrieben, die für die Tage dieses Abschnittes einflussreich sein
sollte. Die Reihe dieser 20 Gottheiten scheint eines der besonderen
Hauptstücke der priesterlichen Wissenschaft gewesen zu sein. Wir finden
sie in yerschiedenen Bilderschriften dargestellt: im Codex Telleriano-
Remensis und Yaticanus A mit dem vollständig ausgeschriebenen Tonal-
amatl, im Codex Borgia und Vaticanus B nur mit den Zeichen der An-
fangstage der Towa/awa^/- Abschnitte, in einer Handschrift der Aubin-
17. Das Tonalamatl der alten Mexikaner.
61:3
Goupil' sehen Sammlung, die als Beilage zum III. Bande der Anales del
Museo Nacional de Mexico reproduzirt und neuerdings von Seiner Excellenz
dem Herzog von Loubat in Faksimile herausgegeben worden ist^), eben-
falls mit vollständig ausgeschriebenem Tonalatnatl und desgleichen in einer
Handschrift der Bibliothek des Corps legislatif in Paris, der Hamy den
Namen Codex Borbonicus gegeben hat^). Die Namen dieser Gottheiten
sind in den Erklärungen, die es für den Codex Telleriano-Remensis und
Vaticanus A gibt, genannt; es sind die folgenden:
3.
4.
5.
6.
9.
10.
11.
12.
13
1.
(Name des Zeichens):
I) ce cipactli „eins Kro-
kodil''.
XIV) ce ocelotl „eins Ja-
uuar
eins
eins
1. VII) ce ma^atl
Hirsch".
1. XX) ce .vochül
Blume".
1. XIII) ce acatl „eins Rohr".
1. VI) ce miquiztli „eins
Tod".
1. XIX) ce quiauitl „eins
Regen".
1. XII) ce malinalli „eins
Drehkraut«.
1. V) ce couatl „eins
Schlange".
1. XVIII) c^<g(?pa^^„ eins Feuer-
stein-Messer".
1. XI) ce ogojnatli „eins
Affe-.
1. IV) c^ cuetzpaUn „eins
Eidechse".
1. XVII) ce olin „eins rol-
lende Kugel".
(Name der Gottheit):
TonacatecutU und Tonacaciuatl, die
Herren der Zeugung.
Quetzalcouatl, der Windgott.
Tepeijolloil, Gott der Höhlen, und
Quetzalcouatl.
Ueuecoyotl, der alte Coyote, Gott der
Musik.
Chalchiuhtlicuey Göttin des fliessenden
Wassers.
Tecciztecatl, der Mondgott, und Tez-
catUpoca.
Tlaloc, der Regengott
Mayauel, Göttin der Agave-Pflanze.
Tlauizcalpan tecutli, der Morgen-
stern, und Xiuhtecutli, der Peuer-
gott.
Tonatiuk, der Sonnengott, und Mict-
lantecutli, der Gott der Unterwelt.
Pahtecatl, der Pulquegott.
Itztlacoliuhqui, Gottheit des Steins.
71a(;olteotl, die Erdgöttiu.
1) Das Tonalamatl der Aubin'schen Sammlung. Eine altmexikanische Bilder-
handschrift der Bibliotheque Nationale in Paris. (Manuscrits Mexicains No. 18
bis 19). Auf Kosten Seiner Excellenz des Herzogs von Loubat herausgegeben.
Mit Einleitung und Erläuterungen von Dr. Eduard Seier. Berlin 1900.
2) Codex Borbonicus. Manuscrit Mexicain de la Bibliotheque de Palais
Bourbon. Public en Pacsimile, avec un Commentaire explicatif par M. E. T. Hamy.
Paris (Ernest Leroux) 1899.
614
Dritter Abschnitt: Kalender land Hieroglyphen-Entzifferung.
(Name des Zeichens):
14. (1. X) ce itzcuintli „eins
Hund'-.
15. (1. III) ce colli „eins Haus".
16. (1. XYI) ce cozcaquaithfli „eins
Königs-Geier".
17. (1. IX) cg a^Z „eins Wasser".
18. (1. II) c^^^cafZ „eins Wind".
19. (1. XY) ce quauhtli „eins
Adler".
20. (1. VIH) ce tochfli „eins
Kaninchen".
(Name der Gottheit):
Xipe Totec, der Geschundene, Erd-
gott.
Itzpapalotl, Obsidianmesser-Schmet-
terling, Erdgöttin.
Xolotl, der Gott des Ballspiels und
der Zwillinge, und Tlalchitonatiuh.
Cholchiuktofolin, der Truthahn, als
Abbild TezcaÜipoca/s.
Chantico, Feuergöttin und der im
Hause eingeschlossene fastende
Priester.
Xochiquetzal, Göttin der Blumen und
der weiblichen Kunstfertigkeit.
Xiuhtecutli. der Feuergott, und Xipe
Totec als Steinmesserg-ott.
In meiner Arbeit über das Tonalamatl der Aubin'schen Sammlung^)
habe ich über diese Gottheiten ausführlich berichtet, und ich muss mich
hier bescheiden, darauf zu verweisen.
Mit dieser Anordnung des Tonalamatl und der Feststellung der in deu
einzelnen Abschnitten mächtigen Gottheiten hatten die alten Astrologen
aber immer noch nicht alle in dem Tonalamatl verkörpert gedachten ge-
heimen Beziehuugeu erschöpft. Wahrscheinlich veranlasst durch die Be-
obachtung der Venusperiode, wobei sich ergab, dass auf die Aufangstage
der aufeinander folgenden Yenusperioden nur fünf von den 20 Tageszeichen,
und zwar die fünf, um vier Zeichen von einander abstehenden Zeichen
fielen, ordneten sie das gesammte Tonalamatl in Säulen von je fünf
Zeichen, wie es die hier folgende Tabelle B veranschaulicht:
Tabelle B.
1
2
3
4
5
6
1
I
2
II
?.
III
4.
IV
5.
V
6.
VI
7.
VII
XIII
2
XIV
3.
XV
4.
XVI
5.
XVII
6.
XVIII
7.
XIX
V
2.
VI
3.
vn
4.
VIII
5.
IX
6.
X
7.
XI
XVII
i'.
XVIII
3.
XIX
4.
XX
5.
I
6.
II
7.
III
IX
2.
X
3.
XI
4.
XII
5.
XIII
l 6.
i
XIV
7.
XV
1) Berlin 1900. Seite 36—126.
17. Das Tonalamatl der alten Mexikaner.
615
8. VIII
8. XX
8. XII
8. IV
8. XVI
10
11
9. IX
0. I
9. .XIII
9. V
9. XVII
10.
10.
10.
X
II
XIV
10. VI
10. XVIII
11. XI
11. III
11. XV
11. VII
11. XIX
12
12. XII
12. IV
12. XVI
12. VIII
12. XX
18
13. XIII
13. V
13. XVII
13. IX
13. I
14
15
16
17
18
19
20
1. XIV
2. XV
3. XVI
4. XVII
5. XVIII
6. XIX
7. XX
1. VI
2. VII
3. VIII
4. IX
5. X
6. XI
7. XII
1. XVIII
2. XIX
3. XX
4. I
5. II
6. III
7. IV
1. X
2. XI
3. XII
4. XIII
5. XIV
6. XV
7. XVI
1. II
2. III
3. IV
4. V
5. VI
6. VII
7. VIII
21
22
23
24
25
26
8. I
9. II
10. III
11. IV
12. V
13. VI
8. XIII
9. XIV
10. XV
11. XVI
12. XVII
13. XVIII
8. V
9. VI
10. VII
11. VIII
12. IX
13. X
8. XVII
9. XVIII
10. XIX
11. XX
12. I
13. II
8. IX
0. X
10. XI
11. XII
12. XIII
13. XIV
27
28
29
30
31
32
33
1. VII
2. VIII
3. IX
4.
X
5. XI
6. XII
7. XIII
1. XIX
2. XX
3. I
4.
II
5. III
6. IV
7. V
1. XI
2. XII
3. XIII
4.
XIV
5. XV
6. XVI
7. XVII
1. III
2. IV
8. V
4.
VI
5. VII
6. VIII
7. IX
I. XV
2. XVI
3. XVII
4.
XVIII
5. XIX
6. XX
7. I
34
35
36
37
38
39
8. XIV
9. XV
10. XVI
11. XVII
12. XVIII
13. XIX
8. VI
0. VII
10. VIII
11. IX
12. X
13. XI
8. XVIII
9. XIX
10. XX
11. I
12. II
13. III
8. X
9. XI
10. XII
11. XIII
12. XIV
13. XV
8. II
9. III
10. IV
11. V
12. VI
13. VII
40
41
42 -
43
44
45
46
1. XX
2. I
3. II
4. III
5. IV
6. V
7. VI
1. XII
2. XIII
I 3. XIV
4. XV
5. XVI
6. XVII
7. XVIII
1. IV
2. V
3. VI
4. VII
5. VIII
6. IX
7. X
1. XVI
2. XVII
i 3. XVIII
4. XIX
5. XX
6. I
7. II
1. VIII
2. IX
i 3. X
4. XI
5. XII
6. XIII
7. XIV
616 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
47
48
49
50
51
52
8. VII
9. vin
10. IX
11. X
12. XI
13. XII
8. XIX
i). XX
10. I
11. II
1-2. III
13. IV
8. XI
9. XII
10. xiir
11. XIV
12. XV
13. XVI
S. III
9. IV
10. V
11. VI
12. VII
13. VIII
8. XV
9. XVI
10. XVII
11. XVIII
12. XIX
13. XX
Mit dem in dieser Weise angeordneten Tonalamatl beginnen der Codex
Borgia, der Codex Yaticanus B und der Codex Bologna. Und auch diesen
52 Kolumnen sind bestimmte Götterfiguren oder Symbole, und zwar je
zwei, eine Figur über, eine andere unter der Kolumne, beigefügt, die
aber nicht für die Zeichen der einzelnen Kolumne in Betracht zu kommen,
sondern den Charakter des ganzen Tonalamatl -\\eviQ\% zum Ausdruck zu
bringen scheinen. Von diesen 2 x 52 Figuren oder Symbolen sind eine
grosse Zahl mit Leichtigkeit zu bestimmen. Bei anderen hält die Deutung
schwerer. Ich bemerke deshalb nur, dass bei der ersten dieser Kolumnen
QuetzakouatL bei der 14. Tezcatlipoca, bei der 27. die Erdgöttin, bei der
40. TonatiuK der Sonnengott, angegeben ist.
Dies führt mich zu einer weiteren Beziehung, die Yon den alten
Astrologen ohne Zweifel sehr sorgfältig beachtet wurde, dass man nämlich
das ganze so angeordnete Tonalamatl nach den vier Himmelsrichtungen,
Osten, Xorden, Westen, Süden vertheilte und für die gesammteu
Zeichen eines Tonalamatl-XierieX?, die betreffende Himmelsrichtung, bezw.
die in ihr mächtige Gottheit, von Einfluss dachte. Dieser Beziehung auf
die vier Himmelsrichtungen sind schon die vier Gottheiten zuzuschreiben,
die, wie ich angab, bei der 1., 14.. 27. und 40. Tonalamatl-Ko\a.mne ge-
zeichnet sind. \ Andere Blätter der Handschriften sind allein der Dar-
stellung der in den Tonalamatl-\\Qvte\ii mächtigen Gewalten gewidmet,
und es werden dabei zum Theil auch andere Gottheiten in den vier
Vierteln, bezw. den vier Himmelsrichtungen, angegeben. So auf den
schönen Blättern des Codex Borgia 49 — 52 (= Kingsborough Qß — 63). wo
die Hauptfiguren, den Himmelsrichtungen Osten. Xorden. "Westen, Süden
entsprechend, der Sonnengott, Tezcatlipoca, der Maisgott und der Todes-
gott sind. Daneben findet sich auf diesen vier Blättern noch eine er-
staunliche Fülle anderer Gruppen gezeichnet, von denen einzelne auf
Blättern anderer Handschriften ihre besondere Entsprechung haben. Und
an diese vier Blätter schliesst sich das Blatt 53 des Codex Borgia (Kings-
borough 62), wo die fünfte Region, die Mitte, oder die Richtung unten-
oben, durch eine in einen Erdracheu hinabstürzende Gestalt zum Ausdruck
gebracht ist.
Wie man sieht, war die Aufgabe des Auguren, der. um seinem Auf-
traggeber eine richtige Auskunft ertheilen zu können, alle diese in Obigem
skizzirten Beziehunoen und noch andere mehr kennen und in Betracht
17. Das Tonalamatl der alten Mexikaner. 617
ziehen musste, eine verwickelte und schwierige. Eine Unsumme geistiger
Arbeit gieng in dieser Weise — wir dürfen es wohl sagen — verloren-
Dem Auguren sein Handwerk zu erleichtern, oder die Kunst den nach-
folgenden Generationen zu übermitteln, das war der vornehmste Zweck
der Bilderschriften, der Bücher der alten mexikanischen Stämme. Wenige
davon sind bis auf unsere Zeiten gekommen. Einige der vorzüglichsten,
die neben anderen aus dem alten Mexico stammenden Schätzen in italie-
nischen Bibliotheken sich erhalten haben, hat der grosse Förderer amerika-
nistischer wissenschaftlicher Bestrebungen, Se. Excellenz der Herzog von
Loubat, jetzt im Faksimile herausgegeben und mit gewohnter Freigebigkeit
au wissenschaftliche Anstalten und an Private vertheilt. Hoffen wir, dass
damit ein neuer Anstoss gegeben ist, das, was in dem alten mexikanischen
Kalender noch dunkel war, nunmehr seiner richtigen Deutung entgegen zu
führen. —
6X8 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
18.
Die Yenusperiode in den Bilderschriften der Codex-
Borgia- Gruppe.
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 16. Juli 1898.
Zeitschrift für Ethnologie. XXX. S. ^346) -(383).
Im <S2. Kapitel der Crönica niexicaiia des Tezozomoc wird gelegent-
lich des Berichts über die Formalitäten, unter denen die Erwählung
Motecuh^oma Xocoyotzin'B zum König von Mexico vor sich gieng, auch der
Inhalt der Reden angegeben, die man dem neuerwählten König hielt. Er
wird darin ennahnt. die tributpflichtigen Vasallen, wenn sie nach der Haupt-
stadt kommen, gut zu empfangen, und sie mit dem Xöthigen zu versehen,
was sie zur Rückreise in ihr Land brauchen. Er wird ermahnt, tapfer
gegen die Feinde zu sein, aber auch Diplomatie. Schmeicheleien und Gre-
schenke anzuwenden, um sie in Güte zur Unterwerfung zu bringen. Er
soll die Tempel ausstatten und den alten Leuten, Männern und Frauen,
Unterhalt geben. Er soll vor Allem mit dem Adel sich gut stellen, dessen
Vorrechte achten und ihn täglich zu sich zu Gaste ziehen. Denn auf dem
Adel beruhe seine Herrschaft und seine Gewalt. Und am Beginn einer
langen Reihe von Ermahnungen, die ihn zur Sorgsamkeit in Kultus-
Handlungen, zu priesterlichen Kasteiungen und zur Instandhaltung der
Tempel, der heiligen Stätten und der \Yege dahin anhalten, wird ihm
eingeschärft — ..insbesondere es sich angelegen sein zu lassen, um
Mitternacht sich zu erheben (und nach den Sternen zu sehen): dem
yohualitqui mamalhuaztli, die man die Schlüssel Sankt Petri unter den
Sternen am Himmel nenne, dem citlaltlachtli, dem Norden und seinem
Rade, dem tianquiztli, den Plejaden, dem colotl ivayac, dem Sternbild des
Skorpions, die die vier Weltgegenden am Himmel bezeichnen. Und gegen
Morgen solle er sorgsam das Sternbild donecuüli beobachten, das Sankt
Jakobs-Kreuz, das am Südhimmel in der Richtung von Indien und China
erscheine, und er solle sorgsam den Morgenstern beobachten, der zur Zeit
der Morgenröthe erscheine, den man tlauizcalpan teuctli nenne".
Die in diesen Worten enthaltenen Angaben über den Umfang und die
Haupt-Elemente der altmexikanischen Astronomie werden genau bestätigt
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia Gruppe. 619
durch das, was Sahagun im siebenten Buche seines Geschichtswerkes
über die Sternbilder, die von den alten Mexikanern beobachtet wurden,
berichtet. In dem mexikanischen Originaltext seines Werkes, der in der
Biblioteca del Palacio in Madrid aufbewahrt wird, sind bei den betreffenden
Kapiteln die verschiedenen Himmelskörper und Sternbilder, die im Text
genannt werden, auch in Bildern dargestellt. Man sieht tonatiuh, die
Sonne (Abb. 1), metztli, den 3Iond (Abb. 2), citlalpol, den Morgenstern,
den Planeten Venus (Abb. 3), citlalpopoca, den Kometen (Abb. 4), und das,
was die Mexikaner citlaltlamina, den „schiessenden Stern", nannten (Abb. 5).
Darunter endlich fünf Sternbilder, von denen drei — Abb. 6 mamalhuaztU,
Abb. 9 .conecuiUi, Abb. 10 colotl — durch die beigesetzten Namen als
dreien der obengenannten Sternbilder entsprechend bezeichnet werden,
während die anderen beiden, Abb. 7 und 8, sich durch Form und Zeich-
nung als Abbilder der anderen obengenannten, des Sternbildes der Ple-
jaden und des „Stern-Ballspielplatzes", des citlallachtli, erweisen.
1
Abb. 6 mamalhuaztli, der „Feuerbohrer", die „Feuerreibhölzer", werden
von Tezozomoc als „Schlüssel Sankt Petri" bezeichnet. Es muss ein
Sternbild gewesen sein, in dem zwei Sternreihen unter spitzem Winkel
auf einander stossen. Im Molina wird mamalhuaztU mit „astillejos (Hölz-
chen), constelacion" übersetzt. Und Sahagun bezeichnet das Sternbild
als die „Himmelsstäbchen, die in der Nähe der Plejaden, dem Stern-
bild des Stiers, sich befinden" (los mastelejos del cielo que andan cerca
de las cabrillas que, es el signo del toro). Als „astillejos" (Hölzchen)
werden in Spanien die Zwillinge des Thierkreises bezeichnet. Das scheint
hier ausgeschlossen zu sein, da diese doch von den Plejaden zu weit ent-
fernt liegen. Die üebersetzung „astillejos" soll wohl auch nur den Wort-
sinn des mamalhuaztU wiedergeben. Wenn Tezozomoc das Gestirn
mamalhuaztU die Schlüssel Sankt Petri nennt, so bemerkt der Heraus-
geber, Jose Maria Vigil dazu, dass man im Mittelalter den Widder des
Thierkreises dem Apostel Peti'us zugewiesen und Alpha des Widders
als die Schlüssel Sankt Petri bezeichnet habe. Ich habe deshalb gemeint,
dass man etwa durch Verbindung von c der Fliege, a, ß des Widders mit
ö des Widders die Form des mexikanischen mamalhuaztU erhalten könnte.
620
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Es ist mir indes neuerdings etwas zweifelhaft geworden, ob in der an-
geführten Stelle des Tezozonioc das Wort ,,llave" richtig überliefert ist.
Ich finde nämlich in dem zapotekisclien Vokabular des P.Juan de Cördoba
als ein leuchtendes (und zwar von den Plejaden verschiedenes) Gestirn
hervorgehoben: — picaana-coche „siete estrellas que llaman la nave de
San Pedro" „sieben Sterne, die man das Schiff Sankt Petri nennt'' — .
Was aber die Form des Sternbildes angeht, so entspricht vielleicht der
Aldebaran (= a Tauri) mit den Hyaden (= e, den beiden ö und y
Tauri), der Zeichnung des mexikanischen Manuskriptes besser, vgl. Abb. 6 a,
wie auch der leuchtende Aldebaran, die rohint der Sanskrit Indier,
entschieden besser zu der hervorragenden Bedeutung passt die das mamal-
9 ;
(oXsKs)^'
huaztli bei den Mexikanern hatte. ^^Tach den D an ckworth' sehen Tafeln
hatte der Aldebaran um das Jahr 1500 die Deklination + J5° 22' 27".
In der Bi^eite von Mexico (19° 25' nördl. Breite) kulminirte das Gestirn
also nahezu im Zenith. Nach der angeführten Stelle des Tezozonioc
scheint es den Mexikanern für die Himmelsrichtung des Ostens bezeichnend
gewesen zu sein. Fj?, wurAe youalitqui, ,, der Bringer der Nacht" (Tezozo-
moc) oder youal tecutli, „der Herr der Nacht"- (Sahagun) genannt. Wenn
es im Osten aufgieug, so räucherte man und sprach: oualuetz in youaltecutli
in yacauiztli: quen uetziz in youalh, quen tlathuiz, ,, gekommen ist der Herr
der Nacht, der spitze Stab. Wie wird die Nacht ausfallen? Wie wird es
Morgen werden?" — So räucherte man dreimal, zum zweitenmal um
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe.
621
Mitternacht, nämlich wenn das Sternbild im Zenith stand, und gegen
Morgen, wenn es untergieng^).
Dem mamalhuaztli benachbart sind die Plejaden, die von den Mexi-
kanern miec, „Haufe" oder tianquiztli, „Markt", genannt wurden (Ab-
bildung 7 und 7 a). Dieses Sternbild scheint den Mexikanern die fünfte
Himmelsrichtung, die Mitte oder den Zenith, bezeichnet zu haben.
Wenn die Plejaden im Zenith standen, um Mitternacht wurde im Beginn
der neuen 52jährigen Periode das Feuer neu errieben ^), dessen Aufflammen
der ängstlich harrenden Menge ein Zeichen war, dass die Welt nicht, wie
man fürchtete, vom Dunkel verschlungen werden, sondern der Menschheit
ein neues Jahrhundert gegönnt sein würde.
OL Tauri
^Alaeoaran)
Abb. 6a.
£ Centauri
(Alcyone)
Abb. 7 a.
a Crucis
australis
Abb. 9 a.
•//
K
OL •
rsae majoris
•Ä Coronae
(Gemma)
l^-flP
Als citlallachtli, „Stern-Ballspielplatz*", spreche ich die Abb. 8 des
Sahagun- Manuskripts an. Es wird von Tezozomoc als „der Norden
und sein Rad'- (el norte y su rueda) bezeichnet. Das kann kaum etwas
anderes als die Sterne, die um den Polarstern kreisen, bedeuten. Die
Ursa mayor könnte gemeint sein. Doch müsste man mit dieser einige
Sterne des Drachen verbinden, — etwa in der Art, wie es die Abb. 8a zeigt,
— um eine Figur zu erhalten, die der Abb. 8 des Sahagun -Manuskripts
und der bekannten Form des mexikanischen Ballspielplatzes (tlachtli)
entspricht.
1) Sahagun 7, cap. o. Ms. Bibl. Laurenziana. Florenz.
•2) Sahagun 4. Appendix. Edit. Bustamante. Vol. I. p. 346.
622
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzitterung.
Colotl, „der Skorpion" (Abb. 10) — oder colotl ivayac „das Skorpion-
Gesicht", wie Tezozonioc das Sternbild nennt — muss ein dem mamal-
huaztli diametral entgegengesetztes Sternbild von ungefähr der gleichen
Deklination gewesen sein. Denn aus der augeführten Stelle des Tezozonioc
scheint hervorzugehen, dass es den Mexikanern die Himmelsrichtung des
Westens bezeichnete. Vielleicht war es der Arcturus (= a Bootes), der
Abb. 10b. Himmelskarte der i/«ä7?o/-Indianer des Staates Jalisco.
(Nach Karl Lumholtz).
Die die Sterne verbindenden Linien fehlen im Original. Die anderen Sterne und
Sternbilder, die ausserdem auf dieser Karte noch angegeben sind, sind, der Deutlichkeit
halber, weggelassen.
1. tamäts ioHodmi „unser älterer Bruder, der Sänger' = der Morgenstern;
2. rawci, grosser Einzelstern im Westen [- Gemma?]:
3. tevali iioän-i _der [nördliche] blaue Grossvater", Einzelstern. Wächter des Himmels
im Norden;
4. tevali Miäkanii „der südliche Grossvater", Einzelsteru. Wächter des Himmels
im Süden;
5. taindts teahika „unser älterer Bruder der Skorpion" [- Bootes mit dem Arcturus?]
6. semauir, die Plejaden.
7. wdkana, „der Hahn" |= Ursa major, von den Cora uieapitast genannt);
8. iruniiste „der Besen" [= Cassiopeia?].
nach den Danckworth'schen Tafeln um das Jahr 1500 die Deklination
— 21° 50' 31" hatte. Sahaguu sagt, dass das Sternbild in einigen
Gegenden als der Wagen bezeichnet wordeu wäre. Die Mexikaner hätten
es Skorpion genannt, weil es die Figur dieses Thieres gehabt habe, und
so würde es in vielen Theilen der Erde genannt. Die letzte Bemerkung
des Paters scheint darauf hinzudeuten, dass er es mit dem Skorpion der
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 623
antiken Astronomie identifizirte. Das würde eine der merkwürdigsten
Gleichheiten in der Namengebung bedeuten. Ich halte diese Annahme
indes für ausgeschlossen, da der Scorpius der Alten weit nach Süden liegt.
Nach den Danckworth'schen Tafeln hatte « Scorpii um das Jahr 1500
<lie Deklination - 25° 11' 18".
In neuerer Zeit ist durch Karl Lumholtz^) eine merkwürdige Stern-
karte der Huichol- iadianer des Staates Jalisco bekannt geworden, die
auf der Unterseite einer der Himmelsgöttin, der Adlerjungfrau Täte vlika
uimdli, geweihten Scheibe gezeichnet ist. Hier sieht man das Sternbild
des Skorpions, von den Huichol tamats tmlüka, von den benachbarten
Cora tzicuricat genannt, gross und bedeutend in der Mitte der Karte dar-
gestellt. In der Mitte befindet sich ein grosser Stern, der als das „Herz des
Skorpions" bezeichnet wird. Die ScheerenöfFnung ist dem Westen, der Schwanz
dem Osten zugekehrt, während vor der Mitte der Scheerenöffnuug ein anderer
grosser Stern, rawd^ angegeben ist, der als „ein grosser Einzelstern im
Westen" beschrieben wird, mit dem nach Ablauf eines Jahres der Morgen-
stern in Konjunktion komme. Diesen Skorpion der Huichol-\n(\\i\nev und
deshalb auch den colotl der Mexikaner, möchte ich nun in der That mit
den Hauptsternen des Bootes identifiziren, indem ich den Arcturus
(a Bootis) als das Herz des Skorpions, »;, t, v als Leib und Schwanz
des Thieres ansehe, der dann nach derselben Seite gekrümmt erscheinen
würde, wie die ÄmcÄo/!- Indianer den Schwanz des Skorpions zeichnen.
(Vgl. Abb. 10a, 10b). £, a, q des Bootes würden dann die rechte Scheere,
^, o, 71 die linke Scheere bedeuten, und vor der Scheerenöffnung die
leuchtende Gemma (= a Coronae) dem rawä der Huichol entsprechen.
Xonecuilli oder citlalxonecuilli, das S-förmig gekrümmte Sternbild, ist
im Tezozomoc deutlich als das südliche Kreuz beschrieben. Dessen
Form kann man auch ungefähr in der Zeichnung (Abb. 9) des Sahagun-
Manuskripts erkennen, wenn man den Centaurus und die beiden östlich
von diesem gelegenen Sterne mit dazu nimmt (vgl. Abb. 9a). Sahagun
nennt es das Sternbild, das in der Mündung der Trompete steht (las
estrellas que estan en la boca de la bociua). Als Trompete (bocina) soll
nach dem Lexikon in Spanien das Sternbild des kleinen Bären bezeichnet
worden sein. Den kann aber Sahagun wohl kaum gemeint haben. Denn
aus der ganzen Anordnung auch bei ihm geht hervor, dass es sich um
ein Sternbild am südlichen Himmel handelt.
Diese vier oder fünf Sternbilder hatten für die Mexikaner Bedeutung
und wurden von ihnen beobachtet, weil sie ihnen die vier Hauptrichtungen
bezeichneten, und die Anlage ihrer Tempel und Städte musste nach den
1) Karl Luraholtz, Symbolism of the Huichol Indians. Memoirs of the
American Museum of Natural History. Vol. II. Anthropology II. New York.'
May 1900. pag. 57.
624 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Hauptrichtuiigen geregelt, eine grosse Zahl von Kultushandlungen nach
den vier Hauptrichtungen vorgenommen werden.
Es gab aber auch einige Sterne, die den Mexikanern durch ihren
Glanz und ihre Bewegungen auffielen, denen man geheimnissvolle Ein-
wirkungen auf die Welt und die Menschen zuschrieb, die man als gött-
liche Mächte verehrte und deren Erscheinung und deren Bewegungen man
deshalb mit grosser Sorgfalt beobachtete. Ein solches Gestirn war der
Planet Venus, den die Mexikaner citlalpol oder uei citlalin, d. h. „der
grosse Stern" und Tlauizcalpan tecutl% „Herr der Morgenröthe", nannten,
und dessen verschiedene Erscheinung als Morgen- und Abendstern ihnen
wohl bekannt war.
Der Augustiner-Mönch P. Jeröuimo Roman y Zamora berichtet von
den an den Grenzen der Zapoteken und Mixteken angesiedelten mexika-
nischen Stämmen, dass sie den Morgenstern in grosser Verehrung gehalten
und über sein Erscheinen genau Buch geführt hätten: — „so genau
führten sie Buch über den Tag, wann er erschien, und wann er sich ver-
barg, dass sie sich niemals irrten" (y tan gran cuenta tenian con el dia
que aparecia y quando se ascondia, que nunca erravan). Aehnliches liest
man in einem diesem Planeten gewidmeten Kapitel, das in einem Manu-
skript, das dem verstorbenen D. Joaquin Garcia Icazbalceta gehörte,
am Schluss des ersten Theiles der Historia des P. Motolinia eingefügt
ist, und das daher von Chavero diesem Mönche zugeschrieben wurde').
Wenn dieser Planet von Neuem am Horizont aufgieng, erzählt der
P. Sahagun, so sollte er erst viermal verschwinden und dann erst in
vollem Glänze wiederkehren, leuchtend wie der Mond. Und wenn der
Morgenstern aufgieng, berichtet derselbe Autor, so verstopfte man Schorn-
steine und Rauchlöcher, damit nicht mit seinem Lichte irgend ein Unheil
in das Haus dringe. Bisweilen sehe man ihn aber auch als etwas Gutes
an [je nach der Zeit, in der er im Osten erschien^)]. Auf dem Hofe des
grossen Tempels in Mexico befand sich eine hohe und dicke Säule, über-
deckt von einem Strohdach. Man nannte sie ilhuicatitlan, „am Himmel".
Auf dieser Säule war das Bild des Morgensterns gemalt und man opferte
vor ihr Gefangene, zur Zeit wo der Planet von Neuem am Himmel auf-
gieng^). Von den Leuten von Tehuacan, Cozcatlan und Teotitlan del
Camino erzählt der Pater Roman, dass an dem Tage, wo der Morgen-
stern zum ersten Male erschien, ein Menschenopfer gebracht wurde, das
der König des Landes stellen musste, und dass an jedem Tage zu der
Stunde, wo dieser Stern aufgieng, die Priester ihm geräuchert und sich
Blut abgezapft hätten, das sie ihm darbrachten.
1) Anales del Museo Nacional de Mexico. 11. p. 339.
2) Sahagun 7, Cap. 3.
3) Sahagun 2. Appendix. Edit. ßustamante. Vol. I. p. 205.
18. Die Venusperiode in den bildcrschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 625
Da die Beobachtung- der Gestirne Obliegenheit der Priester war, so
hat man auch, wie es scheint, den Morgenstern mit der göttlichen Gestalt
in Verbindung gebracht, die als der erste Priester und als der Erfinder
jeglicher Kunst, des Kunsthandwerks nicht minder, wie der besonderen
priesterlichen Kunst und Wissenschaft, des Kalenders und der Wahrsage-
kunst, galt, mit Quetzalcouatl, dem Heros von Tula, dem König und Herrn
der Tolteken. Als Quetzalcouatl, so berichtet die Sage, durch die Ränke
des „Zauberers" Tezcatlipoca aus seinem Reiche vertrieben, nach Osten
gezogen und an das Gestade des Meeres, in das tlülan tlapallan, das Land
der schwarzen und der rothen Farbe, d. h. das Land der Schrift, oder
auch das Land des guten Beispiels^), in das tlatlayan, den Ort des Ver-
brennens, gelangt war, legte er seinen Schmuck, den Federschmuck
quetzalapanecuyotl und die Maske aus Türkis-Mosaik xiuhxayacatl an (wie
die Todten auf dem Scheiterhaufen mit Schmuck und Maske ausgestattet
wurden) und verbrannte sich selbst. Die Asche flog alsbald in die Höhe
und verwandelte sich in allerhand Vögel von glänzendem Gefieder —
Löffelreiher (tlauhquechol), Kotinga {xiuhtototl), Tzinitzcan, Ayoquan, grüne
Papageien {toznene), rothe Guacamaya {alo) und andere Papageien {cocho).
Als die Asche verstäubt war, tiog auch das Herz in die Höhe und ge-
langte in den Himmel und verwandelte sich in den Morgenstern. „Man
sagte, als er sichtbar war, starb Quetzalcouatl, den man nunmehr Herrn
der Morgenröthe (Tlauizcalpan teuhtli) nannte. Man sagte, als er gestorben
war, dass er vier Tage nicht sichtbar war; man sagte, dass er dann in der
Unterwelt wandelte, und weitere vier Tage war er Knochen (war er todt?
war er mager?); erst nach acht Tagen erschien der grosse Stern (der
Morgenstern). Man sagte, dass dann Quetzalcouatl als Gott den Thron
bestieg^)".
Dieser Tod Quetzalcouatl' s soll im Jahre „eins Rohr" (ce acatl) erfolgt
sein. Darum nannte man auch die Gottheit des Morgensterns Ce acatl und
bezeichnete ihn hieroglyphisch mit der Ziffer eins und dem Tageszeichen
acatl „Rohr".
1) Vgl. Anales de Chimalpahin ed. Remi Simeon p. 29: — yn iuh ymamatla-
cnilolpan in tliltica Üapaltica quicuilotehuaque, „wie sie in ihren Bilderschriften mit
schwarzer und rother Farbe gemalt (geschrieben) haben"; — und Vocabulario de
Molina: — tlilli tlapalli nictlalia „dar buen exemplo".
2) Anales de Quauhtitlan, abgedruckt im Anhang zum III. Bande der Anales
del Museo Nacional de Mexico. Ich habe dieses wichtige Manuskript leider im
Original nicht einsehen können. Es scheint verschwunden zu sein. Der Ab-
druck in den Anales del Museo Nacional de Mexico ist sehr fehlerhaft. In der
vorliegenden Stelle habe ich das augenscheinhch verderbte und unverständliche
^camj)a huiihuül yn anio nez quitoaya ycua mitlan nemito^ in y^ca nahuilhuill' ge-
ändert, denn das folgende auh no nahuilhuiü momiti „und weitere vier Tage war
er Knochen" verlangt ein vorhergehendes nahuilhuiü.
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 4Q
626 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglypheu-Entziflferang.
Unter diesem Namen und mit dieser Hieroglyphe sehen -svir die Gott-
heit des Morgensterns in dem Tonalaniatl^ dem Kalender von 13 X 20 Tagen,
abgebildet. Er ist dort Herr der neunten, mit ce couatl ^eins Schlange"
beginnenden Abtheilung von dreizehn Tagen und ist dem Feuergott gegenüber
dargestellt. Denn der ist der alte Gott, der Ueueteotl, der schon zur Zeit der
Dämmerung, als noch keine Sonne der Welt leuchtete, vorhanden war.
Das Bild des Tlauizcalpan tecutlt, der (Gottheit des Morgensterns, wie
er im Tonalamatl des Codex Telleriano-Renieiisis und des Vaticanus A
liiiiiiiiitiiiniiiniuitiniuiiiinwiiwwww
Abb. 11. Tlauizcalpan tecutlt, Gottheit des Morgensterns,
und Hieroglyphe ce acatl „eins Rohr*.
Codex Telleriano-Remensis 14 verso (= Kingsborough Parte II. Lam. 14 .
dargestellt ist, zeigt uns die Abb. 11. Charakteristisch für den Gott ist
die weisse, mit rothen Längsstreifen versehene Körperfarbe und die tief-
schwarze, halbmaskenartige Bemalung um die Augen, die hier, aber nicht
immer, von kleinen weissen Kreisen umrandet und zugleich, was aber
ebenfalls nicht immer der Fall ist, mit einer rothen Bemalung um die
Lippen verbunden ist.
Die rothe Sti'eifuug auf weissem Grunde ist nur eine Variante, eine
Art Darstellungsmodus für weisse Körperfarbe. Denn wie wir sehen
werden, wird der Gott auch ganz weiss gemalt, und umgekehrt finden
vdv Gottheiten, für die im Text ausdrücklich weisse Körperfarbe vor-
geschrieben wird, wie die Ciuateteö. mit rother Längsstreifung auf weissem
Grunde abgebildet. Die technische Bezeichnung ist moticaicauana „mit
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 627
■weisser Erde Läiigsstreifeii gemacht". Diese weisse Körperfarbe ist augen-
scheinlich als das schwache Licht, als das Licht der Dämmerung, oder als
ein Glanz gleich dem des Mondes gedacht. Das helle Licht, der Glanz
der Sonne, das Leuchten des Feuers, brachten die Mexikaner durch die
leuchtenden Farben gelb und rotli zum Ausdruck. Mit diesen Farben
wurden der Sonnen- und der Feuergott gemalt, und zwar verschieden: in
den einen Handschriften der Sonnengott roth und der Feuergott gelb, in
den anderen der Sonnengott gelb und der Feuergott roth.
Die halbmaskenartige schwarze, von kleinen weissen Kreisen um-
randete Bemalung um die Augen theilt Tlauizcalpan tecutli mit Mixcouatl-
CamaxtU, dem Jagdgotte und Gotte der Tlaxkalteken, mit PainaL dem Todes-
boten, dem Abbilde und Stellvertreter Uitzüojwcktlzs, mit Atlaua, dem Gotfe
der Chinampaneken und mit den, gleich dem letzteren, mit Todessymbolen
ausgestatteten Göttern, die von Sahagun unter dem Namen Chachalmeca
aufgeführt werden. In der technischen Beschreibung des Ausputzes dieser
Götter wird diese Bemalung als mixquauhcalichiuhticac oder ixuacalichiuale
oder mixtetlilcomolo („im Gesicht hat er einen Käfig geraalt", „um die
Augenlider ist mit schwarzer Farbe eine Grube gemacht") und als ixcitlal-
ichiualp, mizcitlalichichiuh, Tnixcitlalhuiticac moteneua tlayoalli („im Gesicht
hat er die Sternbemalung, Finsterniss genannt") bezeichnet. Es geht
daraus hervor, dass diese Bemalung die übliche Darstellung der Nacht, die
als ein dunkles, mit Augen (Sternen) besetztes Feld gemalt wurde, wieder-
geben soll. Die Gottheit wird dadurch als eine nächtliche, am Nacht-
himmel erscheinende gekennzeichnet.
Charakteristisch für den Gott ist ferner noch die Krone aus schwarzen,
mit hellem Endfleck versehenen Federn, die mit Bällen weisser Daunen-
federn {iztac totoUuül) besteckt ist, und aus der hier noch ein Büschel
grüner Quetzal- Federn herausragt. Ferner die Stirnbinde, der an den-
selben Stellen, wo auf der Stirnbinde des Sonnengottes blaue oder grüne
(aus Türkis oder grünem Edelstein gefertigte) Scheiben augegeben zu
werden pflegen, zwei spitz - eiförmige weisse, mit rothem Kern versehene
Körper aufgesetzt sind.
Bemerkenswerth ist, wie der Zeichner dieses Bildes es zum Ausdruck
gebracht hat, dass der Gott in zwei verschiedenen Gestalten bekannt ist:
— das Gesicht, mit Stirnbinde und Federkrone geschmückt, sieht aus dem
geöffneten Rachen eines Schädels hervor, dem dieselbe Stirnbinde und
dieselbe Federkrone aufgesetzt sind. Wir können annehmen, dass das
menschliche Gesicht das Gestirn, wie es am Osthimmel vor der aufgehenden
Sonne erscheint, bezeichnen sollte, die Schädelmaske dagegen den Stern,
der der untergehenden Sonne nacheilend, wie die Mexikaner sich dachten,
in die Erde, in die Unterwelt hinabsteigt. Es ist aber auch denkbar, dass
die Schädelmaske das Gestirn in seiner Unsichtbarkeitsperiode veranschau-
lichen soll.
40*
628
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Von Bedeutung ist auch der Brustschmuck, ein weisser, vielleicht
aus Muschelschale geschliffener Ring, mit dem, ausser diesem Gott, ins-
besondere noch der Gott Tezcatlipoca, aber auch UitzUopochtli und sein
Abbild Painal, geschmückt erscheinen. In der technischen Beschreibung-
wird bei dem letzteren dieser Schmuck als „sein goldener Ring'' {iteocuitla-
anauuuh) oder „sein Brustspiegel" (eltezcatl) bezeichnet.
Ganz dieselben Elemente, wie in der vorher beschriebenen Figur,
finden wir in dem Bilde, das in dem Tonalamatl der Aubin-GoupiTschen
Sammlung bei der neunten Abtheiluug angegeben ist (Abb. 12). Hier
sieht man links den Feuergott und ilmi gegenüber, auf der rechten Seite
des Bildes, Tlauizcalpan tecutli, die Gottheit des Morgensterns. Man er-
Abb. 12. Xiiilitecidli, der Feuergott, und Tlauizcalpan tccidll,
Regenten des neunten, mit ce coucrtl „eins Schlange" beginnenden Tonalamatl-hhsGhaiiis^
Tonalamatl der Aub in" sehen Sammlung. Tafel 9.
kennt die weisse, gestreifte Körperbemalung, die schwarze, von kleinen
weissen Kreisen umsäumte halbmaskenartige Bemalung um die Augen,
die Stirnbinde mit den beiden aufgesetzten weissen spitz-eiförmigen Körpern,
die Krone aus dunklen Federn und den Ring als Brustschmuck. Nur
ragen hier, statt der Quetzal-Federn, Wasser und Feuer {atl tlachinolli),
das Symbol des Krieges, aus der Federkrone heraus, und die Schädel-
maske hängt frei auf der Hinterseite des Kopfschmuckes herab. Die
Hieroglyphe ce acatl „eins Rohr" fehlt. In der Mitte des Bildes sieht man
das Zeichen des Feuers {tlachinolli)^ ferner ein huudeartiges Thier Qcolotl),
Tasche {maüauacalli) und Pfeil des Jagdgottes, endlich noch oben einen blau
gemalten Gegenstand. Dieser stellt einen in den Nasenflügel eingesetzten
Knopf dar, der, gleich dem xolotl., Todtenschmuck ist, zum Ausputze der
18. Dio Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 629
eingebündelten Leiche des mit einem nacligemacliten Kopfe und einer
Maske versehenen Mumienbündels dient (vgl. Abb. 12b S. 630).
In dem, dem Tonalamatl der Au bin 'sehen Sammlung verwandten,
über viel besser gezeichneten Tonalamatl des Codex Borbonicus sieht man
in der neunten Abtiieilung wieder Tlauizcalpan tecutli dem Feuergotte
gegenüber, aber auf der linken Seite des Bildes dargestellt (Abb. 12a).
Abb. 12 a. XiuhtecHili, der Feuergott, und Tlauizcalpaniccntli, Regenten des neunten,
mit ce coitatl „eins Schlange" beginnenden Tona/ama^^-Abschnittes. Codex Borbonicus 5).
Er ist mit weissem Körper und der Sterngesichtsbemalung {mixcitlalhuiticac
moteneua tlayoalli) abgebildet und trägt einen Kopfschmuck, ähnlich dem
der Figur des Telleriano-Remensis (Abb. 11). Aber die Schädelmaske,
die bei den vorher beschriebenen beiden Figuren die Rückendevise bildet,
fehlt hier und ist durch ein einfaches Nackenschild, das auf seiner Fläche
den Kopf eines blau gemalten hühnerartigen Yogels zeigt, ersetzt ' Zwischen
Tlauizcalpan tecutli und dem Feuergott sieht man oben Wasser {atl), in dem
(;30
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
zwei Speere schwimmen, und weiter unten, gross und schön gezeichnet, das
Symbol des Feuers (tlachinolli) , an dessen Ende ein in den Farben des
Feuers (gelb und blau) gemalter Schmetterling die lodernde Flamme
{tlepapaloü = tlexochtli) veranschaulicht. Wasser und Feuer zusammen
ergeben wieder atl-tlachinolli, das Symbol des Krieges. Unten endlich sind
eine blaue Kopf binde, zwei blaue Ohrpflöcke, zwei blaue Nasenknöpfe
und das — ebenfalls blau gemalte — hundeartige Thier xolotl, nebst einer
weissen Schulterbinde {amaneapanalli) abgebildet. All das ist Todten-
schmuck, wie man das an der Abb. V2h sehen kann, die in der Bilder-
handschrift der Florentiner Biblioteca Nazionale eine Todtenerinnerungs-
feier veranschaulicht.
Abb. 12 b. Mumienbündel, für den todten Krieger errichtet.
(Bilderhandschrift der Florentiner Biblioteca Nazionale).
Etwas abweichender sind die Bilder, die iu den TonalamaÜ des Codex
Borgia und des Codex Vaticanus B den neunten Abschnitt begleiten. In
dem Bilde des Codex Borgia (Abb. 13) steht der Morgenstern auf der
linken Seite, dem Feuergotte gegenüber, der die rechte Seite des Bildes
einnimmt. Er ist ganz weiss — nicht weiss mit rothen Streifen — , trägt
die tiefschwarze halbmaskenartige Bemalung um die Augen, aber ohne
den Saum von kleinen weissen Kreisen. Stirnbinde und Federkrone sind
in ihren Elementen dieselben, wie in Abb. 11 und 12, nur ragen hier
jederseits zwei Bänder heraus, die in Bälle von Daunenfedern enden. Er
trägt als Brustschmuck nicht den Ring, sondern eine breite, viereckige
Platte, die blau gemalt, also wohl mit Türkis-Mosaik inkrustirt gedacht ist,
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 631
und einen Nasenstab der gleichen Form, wie der, mit dem die Bilder
TezcatUpocafi ausgestattet zu werden pflegen.
In dem entsprechenden Bikle des Codex Yaticanus B (Abb. 14, S. 632)
ist der Morgenstern auf der rechten Seite dargestellt. Er ist weiss- und roth-
•^
w
:$
h*
•^
a
<v
Tä
^^^
a
o
<i;
■^
^
Ö
!r.
a
.a
(iri
t->i
bS)
-1
r^
4=
a
o
=3
a
CO
r.
br,
hfl
■*^
a
a
hri
•^
«
;-i
5
cc
o
fc^
a
«5
!-l
o
cä
0/
e
ÖO
^
'i:
o
:£
ir
M
■«2 Sj rö
•5 *^ O
<U a
Ö
gestreift, trägt dieselbe lialbmaskenartige Bemalung um die Augen, den
Ring als Brustschmuck und den Nasenstab Tezcatlipoca's. In der Stirn-
binde und in der Federkrone sind, trotz der etwas unsicheren Zeichnung,
die gleichen Elemente wie in den entsprechenden Trachtstücken der anderen
632
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entziflferang.
Fieureu zu erkennen. Xur hängt hier aus der Krone ein dickes Büudel
von Quetzal-Federn heraus, das in ähnlicher Weise in die!<er Handschrift
auch bei einer Reihe anderer Gottheiten angegeben wird. —
Was uns die Geschichtsschreiber von der Genauigkeit zu erzählen
wissen, mit der die alten ^[exikaner das Erscheinen und Wiedererscheineu
des Planeten Venus beobachteten, hat in neuerer Zeit durch Förstemann's
Untersuchungen über die Maya- Handschrift der Königlichen öffentlichen
Bibliothek in Dresden eine überraschende Bestätigung gefunden. Wie
Forste manu in seinen im Jahre 188G veröffentlichten Erläuterungen zu
dieser Handschi-ift nachgewiesen hat, ist auf den merkwürdigen Blättern
46 — 50 der scheinbare Umlauf der Venus, der 584 Tage (genau 583 Tage
22 Stunden) beträgt, fünfmal wiederholt dargestellt, und zwar jedesmal
Abb. 14. XiuhtecutU, der Fenergott, und Tlauizcalpan tecutli,
Regenten des neunten, mit ce couatl _eins Schlange" beginnenden TonaJamatl-khschmtts,
Codex Vaticanus B (Nr. 3773) 57 (^= Kingsborough 40).
getheilt in 90, 250, 8 und 236 Tage. Diese 90, 250, 8 und 236 Tage sind
auf jedem der Blätter theils dm'ch nach dem Tonalamatl-System benannte
Tage, die diese Abstände von einander haben, theils durch Monatsdaten
und endlich durch Zifferreihen, die in diesen Abständen fortschreiten, an-
gegeben. Förstemann's Hjrpothese ist, dass hierbei die 90 Tage auf die
Unsichtbarkeit des Planeten während der oberen Konjunktion. 250 Tage
auf sein Erscheinen in östlicher Elongation (als Abendstern), 8 Tage auf
seine Unsichtbarkeit während der unteren Konjunktion und 236 Tage auf
seine Sichtbarkeit in westlicher Elongation (als Morgenstern) zu rechnen
sind. Eine Verschiedenheit in der Unsichtbarkeitsdauer während der
unteren und der oberen Konjunktion erklärt sich dadm'ch, dass in der
oberen Konjunktion die Venus hinter der Sonne vorbeigeht, also wegen
18. Die "Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-ßorgia-Griippe. 633
der gleichlaufenden Bewegung beider (restirne eine weit grössere Zeit
braucht. Unter der Annahme, dass der Planet in der ganzen Zeit unsicht-
bar ist, in der er weniger als 10 Grade von der Sonne entfernt ist,
berechnete Försteraann die Unsichtbarkeitsdauer während der unteren
Konjunktion auf etwa 12 Tage, während der oberen auf 77—80 Tage.
Nun sei aber die Venus zur Zeit der oberen Konjunktion siebenmal weiter
von der Erde entfernt, als zur Zeit der unteren, sie stehe auch von der
Zeit ihres grössten Glanzes viel weiter ab, als zu jener anderen Periode,
sie werde also mehr als 10 Grade Entfernung von der Sonne brauchen,
um wieder deutlich sichtbar zu sein. So rechtfertige sich die Annahme
von 90 Tagen für die Unsichtbarkeit während der oberen Konjunktion.
Die Annahme von 8 Tagen für die Unsichtbarkeit während der unteren
Konjunktion, die um 4 Tage kürzer, als die berechnete Unsichtbarkeits-
dauer ist, glaubt Förstemann durch den Hinweis auf den klareren
Himmel von Yucatan und das plötzlichere Eintreten der Nacht vertheidigen
zu können. Für die Differenz in den Sichtbarkeitsperioden, die in der
Regel zu 243 Tagen jede angenommen werden, aber allerdings nicht genau
gleich zu sein brauchen, erklärt sich Förstemann ausser Stande, eine
bestimmtere Erklärung zu geben.
Ich bemerke vorweg, dass ich diese detaillirten Angaben von Sicht-
barkeits- und Unsichtbarkeitsperioden in mexikanischen Bilderschriften bis-
lang noch nicht verzeichnet gefunden habe. Dagegen ist in der Stelle der
Anales de Quauhitlan, die ich oben (S. 625) übersetzte, deutlich eine Periode
von 8 Tagen von der Zeit des Verschwindens als Abendstern bis zum Sichtbar-
werden als Morgenstern angegeben. Zur Zeit als der Planet (als Abend-
stern) am Himmel sichtbar war, starb QuetzalcoaÜ ( — yn yuh quitoa yn
icuac necico yn rtiic QuetzalcoaÜ^. Und als QuetzalcoaÜ gestorben war, war
er vier Tage nicht sichtbar: man sagte, dass er dann in der Unterwelt
wandelt, und weitere vier Tage war er Knochen (d. h. war er mager, war
er schwach); erst nach acht Tagen erschien der grosse Stern {ye
chicueylhuiiica yn necico huey citlalli), d. h. der Gott als Morgenstern.
Man sagte, dass dann Quetzalcoatl als Gott den Thron bestieg {yn quitoaya
Quetzalcoatl quitoaya ycuac moteuhtlali).
Wenn nun, wie gesagt, die detaillirten Angaben von Sichtbarkeits-
und Unsichtbarkeitsperioden des Planeten Venus in den mexikanischen
Bilderschriften bislang noch nicht haben nachgewiesen werden können, so
ist doch das Gesammtresultat der Blätter 4G— 50 der Dresdener Hand-
schrift, der scheinbare Umlauf von 584 Tagen fünfmal, und diese fünf
Umläufe dreizehnmal wiederholt, auch auf bestimmten Blättern der Bilder-
schriften der Codex -Borgia- Gruppe deutlich verzeichnet, und nicht nur
dies, auch die Bilder, die auf den Blättern 46 — 50 der Dresdener Hand-
schrift die Daten und die Zahlenreihen begleiten, haben auf denselben
Blättern der Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe ihre Parallelen. Es
g34 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
ist überhaupt die Veuusperiode für eine grosse Zahl von Blättern dieser
Handschrift das Leitmotiv.
In der Zahl von 584 Tagen, die der scheinbare Umlauf der Venus
beträgt, sind das Tonalamatl von 260 Tagen zweimal und dazu 64 Tage
enthalten. Es geht daraus hervor, dass, wenn die eine Yenusperiode in
dem ersten der 20 Tageszeichen beginnt, die Anfänge der folgenden Yenus-
perioden auf das fünfte, neunte, dreizehnte, siebzehnte Zeichen fallen, und
der Anfangstag der sechsten Yenusperiode wieder mit demselben Zeichen
benannt ist, wie der der ersten. Nur die mit dem Zeichen verbundene
Ziffer ist in dem Anfangstag der sechsten Periode eine andere, als die in
dem Anfangstag der ersten. Mit anderen Worten, auf die Anfangstage
der einander folgenden Yenusperioden entfallen nur fünf von den 20 Zeichen,
die die Grundlage des TonalamatT^ ausmachen.
Diese wichtige Thatsache erklärt zunächst, wie mir scheint, die be-
kannte Anordnung des ToTialamatVs in Säulen von je fünf Zeichen. Wir
sehen diese Anordnung in ausgeführter Form in dem Tonalamatl, mit dem
jede der drei Bilderschriften unserer Gruppe, der Codex Borgia, der Codex
Yaticauus B (= 3773 des Inventars) und der Codex Bologna, beginnen.
Und sie ist implicite auf vielen anderen Blättern dieser Handschriften und
bei der überwiegend grössten Zahl der Darstellungen der Maya-Hand-
schriften angegeben. Diese wichtige Thatsache erklärt es aber auch vor
Allem, dass man fünf aufeinander folgende Yenusperioden, wie es auf den
Blättern 46 — 50 der Dresdener Handschrift geschieht, zu einer Einheit
zusammenfasste. Und dieser Thatsache gegenüber ist es gewissermassen
nur als Zufälligkeit zu betrachten, dass dieser Zeitraum von fünf Yenus-
perioden auch genau acht Sonnenjahren, jedes Sounenjahr zu 365 Tagen
gerechnet, gleich war. Und wenn auf denselben Blättern 46 — 50 der
Dresdener Handschrift dieser Zeitraum von fünf Yenusperioden dreizehn-
mal wiederholt verzeichnet ist, so ist auch dies vollkommen genügend und,
meiner Ansicht nach, einzig aus der Tagebezeichnung, wie sie durch das
Tonalamatl gegeben war, zu erklären. Die auf diese Weise gewonnene
grosse Periode, die 13 X 5 Yenusnmläufe umfasste, hatte das an sich, dass
nach ihrem Ablauf der Anfangstag der Yenusperiode wieder dasselbe
Zeichen und dieselbe Ziffer erhielt. Diese grosse Periode entsprach also
in ihrer Art dem Zyklus von 52 Sonnenjahren, der die gleiche Eigenheit
an sich hatte. Und es ist gewissermassen wiederum nur als Zufälligkeit
zu betrachten, dass dieser Zeitraum von 13 X 5 Yenusperioden auch 13 X 8
oder 2 X 52 Sonnenjahren gleich war.
Ein Zeitraum von fünf Yenusperioden ist, wenn auch nicht in aus-
gefühiter Rechnung, so doch deutlich bezeichnet auf Blatt 25 (= Kings-
borough 14) des Codex Borgia, das dem Codex Yaticanus B 70 (= Kings-
borough 27) entspricht, angegeben. Man sieht, in die vier Ecken des
Blattes gestellt, vier grosse Götter-Figuren. Neben ihnen sind in eigen-
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe.
635
thümlicher Vertheilung die 20 Tageszeichen verzeichnet, nämlich so, dass
iladurch ein bestimmter Drehungssinn (entgegengesetzt der Bewegung des
Uhrzeigers) vorgeschrieben wird. In der Mitte des Blattes, gross, und in
besonderem, viereckig umrahmtem Felde, ist das siebzehnte Tageszeichen
olin „Bewegung" angegeben, und daneben zweimal fünf Punkte, die zu-
sammen die Ziffer Zehn darstellen^).
Das erste Tageszeichen cipactli steht bei einer Figur, die ich früher,
aber wohl irrig, mit Tepeyollotl identifizirt habe, die die zweifarbige halb-
rothe, halbschwarze Gesichtsbemalung Quetzalcouatrs, auch dessen grossen
Bart und grosse Augenwülste hat, aber von den anderen Figuren dieser
Abb. 15. M/xcoiiatl,
Gott des Nordens. Codex Borgia 25
(= Kingsborough 14).
Abb. 16. Mlxcouatl,
Gott des Nordens. Codex
Vaticanus B (Nr. 3773) 70
(= Kingsborough 27).
Handschrift dadurch abweicht, dass vor dem Munde ein Bündel Stein-
messer und eine Schlange angegeben sind. Diese merkwürdige Gestalt,
der wir in den Handsclu'iften dieser Klasse sonst selten begegnen, ist
vielleicht als eine einer bestimmten Landschaft angehörige besondere
Form oder Auffassung des Gottes Quetzalcouatl anzusehen. Auf diesen
Gott folgt dann in der durch den Drehungssinn angezeigten zweiten Ab-
theilung des Blattes eine Figur, die ich hier in Abb. 15 (nach Codex
Borgiii) und 16 (nach Codex Vaticanus B) wiedergebe. Wir erkennen un-
schwer die weisse, gestreifte Körperfarbe, die tiefschwarze, halbmasken-
1) Auf dem Blatte des Codex Vaticanus ist fälschlich die Ziffer 11 geschrieben.
Auch ist auf diesem Blatte der durch die Tageszeichen angezeigte Drehungssinn
an einer Stelle rückläufig, indem dort drei Tageszeichen in einer der allgemeinen
Drehung entgegengesetzten Folge hingeschrieben sind.
636
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
artige Bemalimg um die Augen, wie wir sie bei dem Tlauizcalpan tecutli,
der Gottheit des Morgensterns, kennen gelernt haben. Nur trägt die
Figur hier statt der Krone aus dunklen Federn eine Perrücke von weissen
Daunenfedern und darauf einen Busch, aus dem zwei dunkle Adlerfedern
herausragen beides augenscheinlich ein Kriegerschmuck. Als Brustschmuck
finden wir bei Abb. 15 eine Platte, ähnlich der, die wir bei der Abb. 13
sahen. Und beide Figuren (15 und 16) halten, gleich den anderen Figuren
dieses Blattes. Wurfbrett und Speerbündel in der Hand. Die Gottheit des
Morgensterns werden wir auch in dieser Gestalt erkennen müssen. Es ist aber
eine besondere Form von ihm, der Morgenstern als Mi^couatl, als Gott der
Jägerstämme und der Jagd, hier dargestellt. Wie wir sehen werden, wurde
der Morgenstern von den Mexikanern als der sc hi essende Gott betrachtet.
Weiter folgt, in der durch den Drehungssinn angezeigten dritten Abthei-
lung des Blattes, der Gott Xipe Totec, „unser Herr, der Geschundene^.
In der vierten endlich Tlaloc, der Regengott. Wenn nun der Umstand.
dass an erster Stelle unter den
vier Figuren eine Form Quetzal-
couatl's. an zweiter eine der Gott-
heit des Morgensterns nahe ver-
wandte Gestalt steht, schon die
Yermuthung erwecken kann, dass
es sich auf diesem Blatte um eine
Zeitperiode handelt, die aus den
Bewegungen des Morgensterns sich
ergibt, so wird diese Yermuthung
zur Gewissheit durch das Datum,
das. gross und auffällig gezeichnet,
die Mitte des Blattes einnimmt.
Denn matlactli olin ,.zehn Bewegung" ist genau der Tag, mit dem die fünfte
584-tägige Periode anfangen muss. wenn die erste mit ce cipactli „eins
Krokodil", dem Aufangstage des TonalamatV s^. begonnen hat. Die fünf
Yenusperioden sind es also, die auf diesem Blatte zur Anschauung ge-
bracht und augenscheinlich hier den fünf Himmelsrichtungen zugeschrieben
werden sollen.
Die Yenusperiode glaube ich weiter aber auch in einer Reihe sehr
merkwürdiger Darstellungen zu erkennen, die in gleicher Weise in drei
Handschriften dieser Gruppe, im Codex Borgia auf Blatt 15 — 17 (= Kings-
borough 24—22), im Yaticanus B auf der oberen Hälfte der Blätter 33 — 42
(Kingsborough 81 — 90) und im Codex Fejerväry 23 — 29 (= Kingsborough 22
bis 16), angetroffen werden. Es sind vier Reihen von je fünf Göttern.
Die Figuren in jeder Reihe sind in der gleichen Handlung begriffen dar-
gestellt. Die Handlungen selbst muss ich als symbolische Darstellungen
priesterlicher Thätigkeiten bezeichnen.
Abb. 17. Gott des Ostens.
Codex Borgia 15 (= Kingsborough 24).
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe.
637
In der ersten Reihe sieht man die Götter einer vor ihnen stehenden
nackten Menschen-Figur mit einem spitzen Knochen das Auge ausbohren
(Abb. 17). Das ist ein bekanntes Symbol der priesterlichen Kasteiungen,
der Selbstverletzungen und Blutentziehuugen zu Ehren der Götter, die bei
den Mexikanern die gewöhnlichste Kultushandlung und als Vorbereitung
Abb. 18. Tlauizcalpan tecidli, Gottheit
des Planeten Venus. Codex Borgia 16
(= Kingsborough 23.)
Abb. 19. Tlauizcalpun tecutli als Mix-
couatl, Gott der Jagd und des Krieges.
Codex Borgia 15 (= Kingsborough 24).
Abb. 20. Tlauizcalpan tecutli, Gottheit
des Planeten Venus. Codex Vaticanus B
(Nr. 3773) 37 (= Kingsborough 85).
Abb. 21. Tlauizcalpan tecutli als Mix-
couatl, Gott der Jagd und des Krieges.
Codex Vaticanus B (Nr. 3773) 37
(= Kingsborough 85).
zu jedem ernsten Geschäft nöthig waren*). Die Mexikaner bezeichneten
das als ne^oliztli „sich stechen", nenacaztequüiztli nenenepiltequüizüi „sich
Einschnitte in Ohren und Zunge machen".
1) Ueber dies Ausbohren des Auges als Symbol der Kasteiung und Blutent-
ziehung habe ich in meinem Aufsatze über das Tonalamatl der Aubin'schen
Sammlung (Comptes rendus du Congres international des Americanistes, Berlin
1888) an verschiedenen Stellen (p. 548, 689) ge-prochen. Der strikteste Beweis
ergibt sich aus einem Vergleich der homologen Darstellungen im Codex Telleriano-
Remensis II. 26/27 (siebzehnter 7ona/amö^/- Abschnitt ce atl „eins Wasser")
und Codex Borgia 10 {— Kingsborough 29) rechts oben (achtzehntes Tageszeichen
tecpatl „Feuerstein").
688
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
lu der zweiten Reilie reichen die Götter ein verkleinertes Abbild von
sich dar. mit einer Haudbewegung, die unverkennbar ein Geben, Schenken
zum Ausdruck bringt (Abb. 18—21, S. 637). Das ist ohne Zweifel ein symbo-
lischer Ausdruck für das tlacarnictiliztli, das Menschenopfer. Denn bei
allen Festen, wo Menschen geopfert wurden, wurde zum mindesten eines
der Opfer genau in der Art bemalt und gekleidet, wie das Idol, dem das
Fest galt, und als sein Abbild dem Idole dargebracht.
Schwieriger sind die Darstellungen in der dritten Reihe zu deuten.
Man sieht die Götter einer vor ihr . knieenden oder liegenden nackten
menschlichen Gestalt, — die bei der einen Figur des Codex Vaticanus
direkt auf dem Opfersteine mit aufgeschnittener Brust liegend dargestellt
ist — . einen gelben, wellig begrenzten Streifen aus dem Leibe ziehen,
der in Blumen, Edelsteine und Bänder mit Schellen endet (Abb. 22 u. 23).
Die Ausatzstelle dieses Streifens ist am Bauche, so dass es fast aussieht,
als ob der Figur die Därme aus dem Leibe sjezogen würden. Das kam
Abb. 22. Macuil xochitl.
Codex Borgia 16 (= Kingsborough ?3).
Abb. 23. Tonatiiih. Codex Vaticanus B
(Nr. 3737) 38 (= Kingsborough 86).
ja, wie man einigen Stellen entnehmen kann, bei gewissen Stämmen als
Marter oder Opfer vor. war aber durchaus nicht allgemeiner Kultus-
gebrauch. Dagegen erinnert die Farbe dieses Streifens, die gelb und im
Codex Vaticanus sogar gelb- und rothpunktirt ist, und die wellige Be-
grenzung durchaus au die Art. wie in den Bilderschriften die abgezogene
Menschenhaut, in der der Xipe gekleidet geht, dargestellt zu werden
pflegt. Da mm gerade unter den fünf Göttern dieser Reihe auch Xipe
Totec erscheint, so könnte man meinen, dass das Abziehen des Streifens
hier das tlacaxipeualitztU^ das Schinden der Opfer, wie es bei dem Feste
Xipe Totec's, aber auch bei den Festen der Erdgö%:innen, Brauch war/ "^
zum Ausdruck bringen soll. Wahrscheinlicher ist mir indes, dass auch'
hier nur wieder das Herausnehmen des „Edelsteins'', d. h. des Herzens.
d. h. das Menschenopfer, dargestellt werden sollte.
In der vierten Reihe sind fünf weibliche Gottheiten dargestellt, die
einer nackten menschlichen Gestalt die Brust reichen (Abb. 24). Ich
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 639
glaube, dass diese Reihe das „Nähren" der Götter, das tlatlatlaqualüiztli
zur Anschauung bringen soll, das den Schluss des Opfers bildete, dass
man nämlich das Blut des Opfers in einer Schale auffieng und daraus
mittelst eines Papierstreifens oder eines Stabes, den man in das Blut in
der Schale tauchte, den Mund der Idole netzte.
Sämmtliche Figuren der vier Reihen sind von Tageszeichen begleitet,
und zwar stehen bei jeder Figur vier Tageszeichen in der Ordnung, wie
sie einander folgen, so dass im Ganzen 80 Tageszeichen, oder die
'20 Tageszeichen viermal wiederholt, auf diesen Blättern verzeichnet sind.
80 Tage haben als Zeitabschnitt keine erkennbare unmittelbare Bedeutung.
Sie stellen weder einen bestimmten Abschnitt des TonalamatVä, noch des
Jahres, noch einer anderen der üblichen Zeitperioden dar. 80 Tage vor
dem Hauptfest fasteten und kasteieten sich die Priester. Vier Tage zu
fasten, war der gew'öhnliche Gebrauch; volle 20 Tage fastete man bei be-
Abb. 24. Chalchmhtlieue, Göttin des fliessenden Wassers. Codex Borgia 17
(= Kingsborough 22).
sonders feierlichen Gelegenheiten oder aus besonders dringender Ursache.
Und die Priester, die von Berufs wegen mehr als gewöhnliche Sterbliche
zu leisten verpflichtet waren, fasteten eben 4x20 Tage. Ich glaube indes
nicht, dass solche Erwägungen für diese Blätter in Betracht kommen.
Von Bedeutung dagegen ist, dass die Reihen immer aus 5 Figuren be-
stehen. So sind die ersten Zeichen, die bei den Figuren stehen, immer
die folgenden fünf:
1. cipactli, Krokodil.
2. couatl, Schlange.
3. atl, Wasser.
4. acatl, Rohr.
5. olin, Bewegung.
Und das sind gerade die Zeichen, die auf die Anfangstage der Yenus-
perioden fallen, wenn die erste Periode mit dem Anfangszeichen des
Tonalarnatrs, mit cipactli, beginnt. Ich glaube, dass diese, die Anfangstage
640 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
der Veuusperioden. hier bezeichnet werden sollten, und dass die drei
anderen Zeichen, die neben diesen Anfangszeichen bei den Figuren noch
gesetzt sind, nur die Bestimmung haben, von dem einen der Anfangs-
zeichen zu dem anderen überzuleiten, genau in der gleichen AVeise, wie
wir das bei der im Folgenden zu besprechenden Darstellung der Veuus-
perioden sehen werden.
Was nun aber die Handlungen betrifft, die auf diesen Blättern dar-
gestellt sind, und die ich oben näher erläutert habe, so glaube ich, dass sie
in ihrer Gesanimtheit auf den Anfangstag der Yenusperiode zu beziehen
sind. Wir haben ja gesehen, dass sowohl in Mexico, als namentlich bei den
Stämmen an der Grenze des fremdsprachlichen Gebiets, den Leuten von
Tehuacan, Cozcatlan und Teotitlan del Camino, bei denen der Flauet
Venus in besonderer Verehrung stand, das erste Erscheinen des Sternes
am (östlichen) Himmel mit solennen Menschenopfern gefeiert wurde. Die
Regenten von 20 Yenusperioden — oder, richtiger wohl, je vier Regenten
für fünf einander folgende Veuusperioden — und die Kultushandlungen.
die man ihnen im Beginn der Periode widmete, die sehe ich auf diesen
Blättern dargestellt.
Innerhalb jeder der vier Reihen von Regenten haben wir wohl eine
Anordnung nach den fünf Weltgegenden oder Hauptrichtungen anzunehmen.
In der Mitte der Reihen, an dritter Stelle, steht immer der Todesgott,
oder — bei der dritten Reihe — Tezcatlipoca mit verbundenen Augen,
der als Gott der Erde oder des FvdJijBern aufzufassen ist. Diese Figuren
könnten als der fünften Weltgegend, der Region der Mitte, oder der
Richtung nach unten, aber auch dem ynictlampa, der Region des Todten-
reichs, d. h. dem Norden, entsprechend angesehen worden sein.
Ich habe nun noch einige Figuren zu besprechen, die auf diesen
Blättern vorkommen, und die für die im Folgenden zu erörternde Haupt-
Darstellung von Bedeutung sind. Es sind die oben (S. 637) in Abb. 18, 19 und
20, 21 wiedergegebenen. Sie stehen an vierter und fünfter Stelle in der zweiten
Reihe, d. h. in der Reihe der Götter, die das Menschenopfer dadurch zur
Anschauung bringen, dass sie ein Abbild von sich mit einer Hand-
bewegung, die ein Schenken ausdrückt darreichen. So gibt der Regengott,
der an zweiter Stelle steht, ein kleines Bild des Regengottes, schwarz ge-
färbt und mit dem bekannten charakteristischen und leicht erkennbaren
Gesichte Tlaloc's. Der Todesgott reicht einen kleineu Todesgott dar, der
in Zeichnung und Farbe mit der Hauptfigur identisch ist. Bei den Abb. 18
und 19, die an vierter und fünfter Stelle in dieser Reihe stehen, fällt
nun auf, dass das Abbild von sich, das sie darreichen, in beiden Fällen
das gleiche ist, und zwar stimmt es zunächst überein mit der Abb. 19,
die an fünfter Stelle in der Reihe steht. Wir werden schliessen müssen,
dass Abb. 18 derselbe Gott ist, wie Abb. 19, und ebenso Abb. 20 derselbe
Gott, wie Abb. 21, dass die Abb. 18 und 20 nur andere Erscheinungs-
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe.
641
formen der in den Abb. 19 und 21 dargestellten Crottheit ist. Die Abb. 19
und 21 sind identisch mit den oben, abgebildeten Abb. 15 und 16, d. h.
es sind Bilder der Gottheit des Planeten Yenus, des Morgensterns, in
seiner besonderen Rolle als Jagdgott, als Kriegsgott. Wir müssen dem-
nach schliessen, dass auch die Abb. 18 und 20 die Gottheit des Morgen-
sterns darstellen. Und in der That, die Abb. 18 zeigt genau denselben Kopf-
schmuck, wie die Figur Tlauizcalpan tecutlt's, die in dem Codex Borgia dem
Abb. 25. Gottheit des Abendsterns.
Das Gesicht ist en face gezeichnet, um den Quinffunx weisser Flecke, die Hieroglyphe
des Planeten Venus, die die Gesichtsbemalung dieser Gottheit bildet, zu zeigen.
Abb. 26. Hieroglyphe
des Planeten Venus.
Dresdener
Handschrift 46—50.
TE^risa:
Abb. 27. Hieroglyphe des
Planeten Venus,
von Himmelsschildern der
Dresdener Handschrift.
Abb. 28. Hieroglyphe des
Planeten Venus.
Copan. Altar R.
neunten Abschnitt des TonalamatV^ präsidirt (vgl. Abb. 13, oben S. 631).
Auch die Körperfarbe ist dieselbe, und der Brustschmuck ist der Ring,
mit dem, wie wir sahen, in der Regel die Bilder des Morgensterns aus-
gestattet sind. Nur die Gesichtsbemalung ist eine andere, schwarz mit
zwei tiefschwarzen Querstreifen, die parallel in der Höhe der Augen und
der Mundwinkel über das Gesicht verlaufen, und — in der Profilansicht
— mit vier runden weissen Flecken, die aber in der Vorderansicht sich
zu fünf im Quincunx gestellten weissen ELreisen ergänzen müssen; vgl.
Seier. Gesammelte Abhandlungen I. 41
642
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen- Entzifferung.
Abb. 25, S. 641. Denken wir uns diese im Quincunx gestellten weissen Kreise
um 45° gedreht, so glaube ich, haben wir das vor uns, was Förste-
mann in den Maya-Handschriften als Hieroglyphe des Planeten Venus
w
.^ P2
.e;
nachgewiesen hat (vgl. die Abb. 26—28, S. 641). Die Gottheit des Planeten
Venus mit der ins Gesicht gemalten Hieroglyphe des Planeten Venus, das
scheinen mir die Abb. 18 und 20 darzustellen. Wie wir nun in den
18. Die Venusperiode in den Bilderschrifien der Codex-Borgia-Gruppe. 643
Abb. 11 und 12 die Gottheit des Morgensterns mit einem Todtenkopfe
als Helmmaske dargestellt fanden, der die andere Form der Gottheit, oder
<Jen Phmeten in seiner Unsichtbarkeitsperiode, zum Ausdruck zu bringen
0
w
P5
O
TS
a
9
o»
seheint, so finden wir auch zu der mit der Hieroglyphe Yenus bemalten
Figur Parallel-Figuren, die uns die Gottheit mit denselben Attributen und
derselben Gesichtsbemalung, aber einem Todtenkopfe,
anstatt
41*
eines
644
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Menschengesichts, vor Augen führen. Ygl. die Abb. "jy und 30, S. 642, 643,
die auf demselben prächtigen Blatte 19 (= Kingsborough 20) des Codex
Borgia zu sehen sind.
Nachdem ich dies vorausgeschickt, kann ich nunmehr zu der Haupt-
darstellung übergehen: den Blättern 53, 54 (= Kingsborough 6'2, 61)
des Codex Borgia, die dem Codex Vaticanus B 80 — 84 (= Kingsborough 17
bis 13) und Codex Bologna 9—11 entsprechen.
"Wir sehen hier auf dem ersten der Blätter des Yaticanus (Abb. 31) rechts
eine Figur, die auf den ersten Blick sich mit der Abb. 20 (oben S. 637) als
identisch ausweist, also die Gottheit des Planeten Yenus mit der Hiero-
glyphe des Planeten als Gesichtsbemalung darstellen muss. Nur ist unter
dem Auge noch ein Schnörkel hinzugefügt, der an die Gesichtsbildung
gewisser in den Maya-Handschriften dargestellter Personen und auch an
Abb. 31. Tlauizcalpan tecuth', Regent der ersten der fünf Venusperioden.
Codex Vaticanus B (Nr. 3737) 80 (= Kingsborough 17).
V
Thonfiguren zapotekischen und Maya- (chiapanekischen, guatemaltekischen)
Ursprungs erinnert. Und der Quincunx der Gesichtsbemalung ist hier,
— ebenso freilich auch in Abb. 20 — nicht so korrekt zum Ausdruck ge-
bracht, wie in den Figuren des besser gezeichneten Codex Borgia. Die
Gottheit hält Wurfbrett und Speerbündel in der Hand. Yor ihr sind fünf
Kreise, wie aufflammende Sterne, zu sehen. Und ihr gegenüber eine
Gottheit, die vom Speer getroffen ist. Genau die gleiche, Speer und
Wurfbrett haltende Gottheit des Planeten Yenus ist auf der rechten Seite
der anderen Blätter zu sehen; auch die fünf aufflammenden Sterne sind
in gleicher Weise auf den vier anderen Blättern wiederholt, nur sind sie
auf dem zweiten und vierten, wie auf dem ersten Blatte, blau, auf
dem dritten und fünften aber gelb gemalt. Dagegen wechselt die vom
Speer getroffene Gestalt, deren Stelle auf den anderen Blättern theils
andere Gottheiten, theils bestimmte Symbole einnehmen.
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 645
Die Figur, die auf den Blättern des Codex Borgia in der ersten der
fünf Abtheilungen zu sehen ist, gebe ich in Abb. 32 wieder. Man erkennt
wiederum unschwer die Gottheit des Planeten Venus mit der Hieroglyphe
Venus als Gesichtsbemalung. Nur ist sie hier mit einem Todtenkopfe
dargestellt, wie auf dem Blatte Abb. 30. Auch hier hält die Gottheit
Wurfbrett und Speerbündel und schleudert den Speer auf eine vor ihr
knieende Gestalt. Die fünf aufflammenden Sterne fehlen. In den anderen
Abtheilungen ist im Codex Borgia die Gottheit nicht, wie im Codex Vati-
canus, in ganz gleicher Weise wiederholt. Es wechselt die Körperfarbe,
die bei der Gottheit der ersten Abtheilung weiss und gestreift, bei den
anderen blau, roth, gelb und wieder weiss und gestreift ist. Und an Stelle
V.r d./Slfinln/
Abb. 32, Tlauizcalpan tecutlt, Eegent der ersten der fünf Venusperioden.
Codex Borgia 53 (= Kingsborough G'2).
des charakteristischen Gesichts der Gottheit des Planeten Venus sind in
den drei folgenden Abtheilungeu Thierköpfe (Raubvogel, Hund, Kaninchen)
und in der letzten ein weisser Todtenschädel eingesetzt. Ausstattung,
Tracht und Aktion sind im übrigen genau die gleichen wie bei der ersten
Figur. Die vom Speer getroffenen Gestalten wechseln in ähnlicher Weise
wie im Vatieanus, nur ist die Reihenfolge eine etwas andere.
Die in der ersten Abtheiluug der Blätter des Codex Bologna dar-
gestellte Gruppe gebe ich in Abb. 33, S. 646 wieder. Die Homologie mit
den Gruppen der anderen beiden Handschriften ist ohne Weiteres klar. Die
Hauptfigur ist hier in der ersten Abtheilung weiss und gestreift, in den
anderen grün, gelb, braun, blau. Die vom Speer getroffenen Gestalten
entsprechen denen der anderen Handschriften, doch ist die Reih(?»tÄige
hier wieder eine etwas andere.
646
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung,
In der Abb. 31 habe ich auch die Tau:eszeichen sämmtlich wieder-
gegeben, die bei der Figur der ersten Abtheilung zu sehen sind, und die
genau in gleicher Weise auch im Codex Borgia in der ersten Abtheilung,
neben der Abb. 3"2, verzeichnet sind. Es ist das Zeichen cipactU dreizehn
Mal wiederholt, und zwar mit dreizehn verschiedeneu Ziffern. An der
Stelle von cipactU haben wir in der zweiten Abtheilung das Zeichen
couatl, Schlange. In der dritten atl, Wasser. In der vierten acatl, Rohr.
Und in der fünften olin, Bewegung. Also die fünf oben schon genannten
Zeichen, die auf die Anfaugstage der Yenusperioden fallen, wenn die erste
Periode mit dem Anfangstage des Tonalamatl's beginnt. Auf der Fläche
eines jeden Blattes sind im Codex Borgia und Vaticanus B ausserdem
noch die drei Zeichen angegeben, die von dem einen der fünf zu dem
Abb. 33. Tlauizcalpan tecutli, Regent der ersten der fünf Venusperioden.
Codex Bologna 9.
nächsten überführen. In Abb. 31 sind es die Zeichen eecatl^ Wind, calli^
Haus, cuetzpalin, Eidechse, die das Intervall zwischen cipactU und couatl
ausfüllen. Etwas anders geartet ist die Tageszeichenreihe, die auf den
Blättern des Codex Bologna die Figuren begleitet. Hier sind die 20 Tages-
zeichen mit ihren Ziffern abgebildet, wie sie vom ersten Tage des Tonal-
amail bis zum zwanzigsten einander folgen. Aber die fünf Zeichen
cipactli, couatl, atl. acatl. olin fallen aus der Reihe, indem sie nicht mit
den ihnen zukommenden Ziffern, sondern gross mit der Ziffer 1. abge-
bildet sind.
Die auf den fünf Blättern des Vaticanus B und des Borgia durch
Ziffern und Zeichen benannten Daten sind folsrende:
1.
8.
2.
9.
3.
10,
4.
11.
5.
12.
6.
13.
5.
12.
6.
13.
7.
1.
8.
2.
9.
3.
10.
4.
9.
3.
10.
4.
11.
5.
12.
6.
13.
7.
1.
8,
13.
7.
1.
8.
2.
9.
3.
10.
4.
11.
5.
12,
4.
11.
5.
12.
6.
13.
7.
1.
8.
2.
9.
3
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-ßorgia-Gruppe. 647
7. cipactli, Krokodil.
11. couatl, Schlange.
2. atl, Wasser.
6. acatl, Rohr.
3. 10. olin, Bewegung.
Das sind die Anfangstage der 5 X 13 Venusperioden, die zusammen
die grosse oben erwähnte Periode ausmachen, nach deren Ablauf der
Anfangstag der Venusperiode wieder dieselbe Ziffer und dasselbe Zeichen
erhält, die einem Doppelzyklus von 2 X 52 oder 104 Sonnenjahren äquivalent
ist, und in der das Tonalamatl 146 mal enthalten ist. Nur sind diese
Anfangstage hier nicht so, wie sie in Wirklichkeit einander folgen, auf-
geführt, sondern in mehr schematischer Weise, wie sie in dem Tonalamatl
hinter einander zu stehen kommen würden. Die wirkliche Folge ist:
1.
9.
4.
12.
7.
2.
10.
5.
13.
8.
3.
11.
6.
cipactli.
13.
8.
3.
11.
6.
1.
9.
4.
12.
7.
2.
10.
5.
couatl.
12.
7.
2.
10.
5.
13.
8.
3.
11.
6.
1.
9.
4.
atl.
11.
6.
1.
9.
4.
12.
7.
2.
10.
5.
13.
8.
3.
acatl.
10.
b.
13.
8.
3.
11.
6.
1.
9.
4.
12.
7.
2.
olin.
Dieselben 13 X 5 Venusperioden sind, wie ich oben schon erwähnte,
auf den Blättern 46 — 50 der Dresdener Maya- Handschrift verzeichnet.
Aber in dieser Handschrift, in der die Perioden nicht, wie in den Hand-
schriften unserer Gruppe, bloss durch die Anfangsdaten markirt, sondern
auch in ihrer wirklichen Länge in ausgeführter Rechnung angegeben sind,
sind diese Anfangstage auch in ihrer wirklichen Folge niedergeschrieben.
Merkwürdiger Weise enthält keines der auf dem ersten Blatte 46 der
Dresdener Handschrift angegebenen Anfangsdaten die Ziffer 1. Dagegen
ist an der Stelle, wo der Förstemann'schen Deutung nach der erste Tag
der Sichtbarkeit als Morgenstern anzusetzen wäre, das Datum 13. kan =
13. cuetzpalin, nach mexikanischer Benennung, verzeichnet. Nehmen wir
an, dass dieses Datum nicht den Anfang der Sichtbarkeit, sondern vielmehr
das Ende der Unsichtbarkeit bezeichnen solle, so würden wir als den Tag
des ersten Aufgehens als Morgenstern auf Blatt 46 der Dresdener Hand-
schrift den Tag 1. chicchan = 1. couatl., nach mexikanischer Benennung,
verzeichnet haben. Dass dies in der That die Meinung dieses Blattes ist,
möchte ich daraus schliessen, dass in dem Tonalamatl der mexikanischen
Handschriften das Bild des Morgensterns gerade in der Abtheilung steht,,
die mit dem Tage 1. couatl beginnt!
Auf Blatt 46 der Dresdener Handschrift steht die Periode der Sicht-
barkeit als Morgenstern nicht an erster Stelle. Das erste Datum be-
zeichnet vielmehr, der Förstemann'schen Deutung gemäss, den Anfang
der Zeit, wo der Morgenstern in den Strahlen der aufgehenden Sonne
648 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
verschwindet. Dieses erste verzeichnete Datum ist 3. cib = 3. cozcaquauJitli,
nach mexikanischer Benennung. Nehmen wir auch hier wiederum an,
dass nicht der Anfang der Unsichtbarkeit, sondern das Ende der Sichtbar-
keit mit diesem Datum gemeint ist, so würde auf diesem Blatte der
Dresdener Handschrift der Tag 4. caban = 4. olin als der Tag angegeben
sein, an dem der 3Iorgensteru sich mit der Sonne vereinigt. Da 4. olin
oder naui olin geradezu als Symbol der Sonne gilt, und dieser Tag in
einen Tonalamatl-Kh?,c\n\\ii fällt, dem Quetzalcouatl, der mit dem Morgen-
stern identifizirte Crott, als Regent gesetzt ist, so glaube ich auch darin
die Meinung dieses Maya-Blattes richtig gedeutet zu haben.
Eine Stütze für diese Deutungen finde ich in den Blättern 71, 72
(= Kingsborough 26, 25) des Codex Yaticanus B. Auf dem ersten dieser
beiden Blätter, das mir lange unverständlich war, ist der Tag 1. couatl
aus dem Erd-Racheu aufsteigend dargestellt. Acht Darstellungen folgen,
die in ähnlicher Weise ausser diesen noch drei andere mit der Ziffer eins
versehene Tage zum Ausdruck bringen. Aber diese scheinen nur orna-
mentale Bindeglieder, Ueberleitungen, zu sein, da die fünfte (die Mitte)
und die neunte (das Ende) wieder der Tag 1. couatl ist.
Auf Blatt 72 aber folgen neun andere Darstellungen. Pulque trinkende
Götterfiguren, die (unten rechts) mit dem Datum naui olin und der
Figur beginnen, die auch in der Wiener Handschrift mit diesem Datum
benannt ist.
Wenn demnach bis in die Einzelheiten der Daten sich Verwandt-
schaften zeigen, die die anscheinend so ganz anders gearteten Darstellungen
der Maya-Handschriften mit denen der Codex-Borgia-Gruppe und den
mexikanischen Handschriften überhaupt verknüpfen, so wird man es nicht
mehr verwunderlich finden, dass auch in den figürlichen Gruppen Ana-
logien hervortreten. Diese liegen nun bei den Blättern 46 — 50 der
Dresdener Handschrift klar zu Tage.
Auch auf den fünf Blättern dieser Handschrift sehen wir, wie in den
Abb. 31 — 33, eine mit Wurfbrett und Speerbündel bewaffnete Gestalt und
unter ihr — nicht ihr gegenüber — eine andere vom Speer getroffen.
Die mit Wurf brett und Speerbündel bewaffnete Gestalt ist allerdings nicht,
fünfmal wiederholt, die Gottheit des Morgensterns, wie in den oben be-
sprochenen Darstellungen der Handschriften der Codex-Borgia-Gruppe,
sondern es sind fünf verschiedene Figuren, über deren Bedeutung ich
unten noch zu sprechen haben werde. Die vom Speer getroffenen Ge-
stalten dagegen sind, wenigstens auf den drei ersten Blättern, offenbar
dieselben, wie in den Darstellungen der Codex-Borgia-Gruppe.
Im Codex Borgia sehen wir auf dem ersten Blatt vom Speer getroffen
die Göttin des Wassers, die mexikanische ChalchiuhtUcue^ im Wasser
(Abb. 32). Und ebenso im Codex Bologna (Abb. 33). Im Codex Vaticanus
desgleichen (Abb. 34), nur auf dem zweiten, nicht auf dem ersten Blatte,
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 649
denn die Reihenfolge ist hier nicht ganz die gleiche, wie im Codex
Borgia. Die Gestalt, die auf Blatt 46, dem ersten der hierauf bezüglichen
Blätter der Dresdener Handschrift, vom Speer getroffen dargestellt ist,
habe ich in Abb* 35 in Hieroglyphe und ganzer Figur wiedergegeben ^).
Abb. 34. ChalchiiihtUcue vom Speer
getroffen. Codex Vaticanus B (3773) 81
(= Kingsborough 16).
^^
■cfff
Abb. 35. Ah-BoloH tz'acab.
Dresdener
Handschrift, 46, rechts unten.
CODEX DRESDE/V.
-3«- 7.a.
Abb. 36. Abb. 37. Abb. 38.
Ah-Bolon tz'acab, die Wassergottheit.
Es ist dieselbe Gottheit, die auf Blatt 25 der Dresdener Handschrift als
Regent der mit beert (= acatl der mexikanischen Benennung) beginnenden
Jahre (Abb. 39, S. 650) und auf Blatt 7 als der zwölfte in der Reihe der
1) Die Hieroglyphen der vom Speer getroffenen Gestalten stehen auf der
rechten Seite der Blätter unmittelbar unter der Hieroglyphe der den Speer schleu-
dernden Gottheit. Durch die Hieroglyphe ist diese vom Speer getroffene Gestalt
650
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
20 Götter dargestellt ist (Abb. 37, S. 649). Das Gesicht dieses Gottes
zeichnet sich durch eine merkwürdig proliferirende Nase aus, und die
Hieroglyphe stellt einen thierisch geformten Kopf dar, von dessen Stirn
ein Körper vorspringt mit zwei Ausstrahlungen wie Flammeuzungen. Auf
den Skulpturen von Copan und Palenque ist dieser Gott überaus häufig dar-
gestellt. Vgl. Abb. 41 — 47. Die Nase ist hier nicht so stark proliferirend,
wie in der Handschrift, aber immer nach oben gebogen. Der von der Stirn
vorspringende Körper mit den beiden Flammenzungen fehlt nie Auf seiner
Fläche sieht man häufig (vgl. Abb. 43, 46) zwei gekreuzte Stäbe, die von
Dieseldorff als Feuerbohrer erklärt werden, die aber vielleicht astro-
nomische Bedeutung haben. Auf der Stirn trägt er nicht selten das Sonnen-*^
zeichen kin. Prof. Forste mann vermuthet in dieser Figur eine Sturni-
Abb. 39. Ah bolon tz'acab, Regent der
iee;i-Jahre. Dresdener Handschrift 25b.
Abb. 40.
gottheit, deren ornamentale Nase nach der konventionellen Darstellungs-
weise der zentral-amerikanischen Völker das Blasen des Sturmes darstelle.
Dieseldorff identifizirt ihn mit Kukidcan, also dem Quetzalcouatl der
mexikanischen Stämme. Ich halte es für ziemlich zweifellos, dass er die
Wasser-Gottheit darstellt. Auf den Stelen von Copan und in Menche er-
scheint er als Schlange (Abb. 46, 46 a). Im Codex Tro 26 ist er die
Schlange, auf der der Chac, der Kegengott, reitet (Abb. 40). Als sein
Abbild fungirt in der oberen Abtheilung von Blatt 25 der Dresdener
Handschrift, von dem hundsköpfigen Priester herbeigetragen, der Regen-
gott Ckac, mit dem er überhaupt, wenn auch nicht in der Nase, — die
bei dem Regengott nach unten gebogen und zwar gross, aber einfach ist,
auch auf dem dem Blatte 46 unmittelbar vorhergehenden Blatte 24, das den Inhalt
der Blätter 46—50 gewissermassen zusaramenfasst, zur Anschauung gebracht. Von
den beiden Hieroglyphen, die ich in Abb. 35 gezeichnet habe, ist die erste die von
Blatt 24, die zweite die von Blatt 46.
1 8. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe.
651
— doch in der ganzen Gesichtsbildung und den laug heraushängenden
Zähnen, die wie metamorphosirte Tlaloc-Zähne erscheinen, übereinstimmt,
und dessen Kopf auch an einer Stelle der Dresdener Handschrift (Blatt 3)
seine Hieroglyphe bildet; vgl. Abb. 36, S. 649. Nach seiner Stellung als
Regent der der Region des Ostens angehörigen been- oder acatl-,l{ihre habe
ich auf ihn die yukatekische Benennung Ah-Bolon tzacah „Herr der neun
Generationen" beziehen zu müssen geglaubt (vgl. oben S. 377). In der
Abb. 45.
Abb. 41.
Abb. 4?.
Abb. 4G.
Abb. 46 a.
Abb. 47.
That erscheint seine Hieroglyphe in den Skulpturen in der Regel mit der
Ziffer neun verbunden; vgl. Abb. 41, 42, 44, 45. (In der Hieroglyphe
Abb. 43 ist der vordere Theil zerstört!)
Auf dem zweiten der zu dieser Darstellung gehörigen Blätter sieht man
im Codex Borgia Tezcatlipoca vom Speere getroffen (Abb. 48, S. 652). Die
anderen beiden Handschriften (Vaticanus und Bologna) haben an Stelle dessen
den Jaguar (Abb. 49, S. 652), allerdings, in Folge der veränderten Reihen-
folge, auf dem fünften, nicht auf dem zweiten Blatte. Hier ist der Jaguar
nur als andere Gestalt des Gottes Tezcatlipoca aufzufassen. Tezcatlipoca
und der Jaguar sind eins. Das zweite Weltalter, in dem die Giganten
652
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
lebten, und in dem Tezcatlipoca als Sonne leuchtete, wird in den Anales
de Quauhtitlan als ocelotonatiuh „Jaguar -Sonne'' bezeichnet. Nach der
Historia de los Mexicanos por sus pinturas verwandelt sich Tezcatlipoca
in einen Jaguar und frisst die Giganten. Es ist also klar, dass eine
genaue Uebereinstimmung mit
der Darstellung des Codex
Borgia vorliegt, wenn wii*
auf dem zweiten hierher-
gehörigen Blatte 47 der Dres-
dener Handschrift den Jaguar
vom Speer getroffen sehen
[Fig. 50^)].
Noch klarer ist die Ueber-
einstimmung in der dritten
Darstellung. Im Codex Borgia
ist es deutlich die Maisgöttin,
die hier vom Speere ge-
troffen gezeichnet ist (Ab-
Abb. 48. Tezcatlipoca, vom Speer getroffen. bildung 51). Im Codex Yati-
Codex Borgia 54 (= Kingsborough 61). (.^q^s steht die entsprechende
Darstellung an erster Stelle, es ist die oben S. 644 in Abb. 31 wieder-
gegebene. Die Maisgöttin ist hier nicht in gleicher Weise von Maiskolben
umrahmt, aber sie ist durch die winklig gebrochenen schwarzen Längs-
Abb. 49. Der Jaguar, vom Speer
getroffen. Codex Vaticanus B
(Nr. 3773) 84 (= Kingsborough 13).
Abb. 50. Der Jaguar, vom Speer
getroffen.
Dresdener Handschrift 47.
streifen im Gesicht nicht minder als solche gekennzeichnet. Im Codex
Bologna endlich, wo die entsprechende Darstellung an zweiter Stelle steht,
lassen die in Fülle angebrachten 3Iaiskolben (Abb. 52) wiederum keinen
1) In Abb. 50 ist die erste der beiden Hieroglyphen wieder der zusammen-
fassenden Darstellung des Bialtes 24, die andere dem Blatte 50 selbst entnommen.
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe.
653
Zweifel über die Bedeutung der Figur übrig. Die Figur, die auf dem
dritten Blatte, Blatt 48, der Dresdener Handschrift vom Speer getroffen
zu sehen ist, habe ich in Abb. 53 in Bild und Hieroglyphe wiedergegeben.
Es ist der Gott „mit dem ifaw-Zeichen", der in der Reihe der
20 Gottheiten am Anfange der Dresdener Handschrift an 18. Stelle steht
Abb. 51. Die Maisgöttin, vom Speer getroffen. Abb. 52. Die Maisgöttin, vom Speer getroffen.
Codex Borgia 54 (= Kingsborough (Jl). Codex Bologna 9.
Abb. 53. Der Gott mit dem Ä;an-Zeichen,
vom Speer getroffen. Dresdener Handschrift 48.
Abb. 54. Der Gott mit dem i-aw-Zeichen.
Dresdener Handschrift 9 a.
(Abb. 54). Er wird auch sonst in den Maya-Handschriften häufig angetroffen
und ist von jeher von den xA.utoren als Maisgottheit betrachtet worden.
Auf diese drei Darstellungen beschränken sich die die direkten, oder
wenigstens die deutlicher erkennbaren Uebereinstimmungen der Dresdener
Handschrift mit den Handschriften der Codex-Borgia-Gruppe. In der
654
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzififerung.
vierten und fünften Darstellung sind in den Handschriften der Codex-
Borgia-Gruppe nicht Personen, sondern Symbole, vom Speer getroffen,
abgebildet. Im Codex Borgia ist auf dem vierten Blatte die Abb. 55 zu
sehen, der im Codex Yaticauus die Abb. 5G entspricht. Man sieht einen
von dem Speer getrott'enen, hölzernen geschnitzten Stuhl, auf dem ein
Abb. 55. Codex Borgia 54
(= Kingsborough Gl).
Abb. 56. Codex Vaticanus B
(Nr. 3773) 83
(= Kingsborough 14).
^\\\\\\\\\^\\\\\\\\\\\V?^
Abb. 57. Abb. 58. Codex Vaticanus B
Codex Borgia (= Kingsborough 61). (Nr. 3773) 82
(= Kingsborough 15).
Jaguarfell liegt. In der Abb. 56 über dem Jaguarfell ausserdem noch eine
Matte. Stuhl, Jaguarfell und Matte sind^bekannte Abzeichen königlicher
Würde. Und dass sie auch hier als solche gemeint sind, ist im Codex
Vaticanus (Abb. 56) noch besonders dadurch zur Anschauung gebracht,
dass oben eine auf einem Jaguarfell sitzende Gestalt mit dem Zeichen der
Rede vor dem Mund, ein Sprecher, ein tlatöani, d. h. ein König, abgebildet
18. Die Venusperiode in den Bilderschriftsn der Codex-Borgia-Gruppe.
655
ist. In den Kreis derselben Vorstellungen gehört es auch, dass im Codex
Bologna auf dem Tlironsessel vom Speer getroffen noch das Bild der
Sonne zu sehen ist. Denn die Könige sind, das ist eine weitverbreitete
Anschauung, die Sonnensöhne. Und Piltzinteotl oder Piltzintecutli „Gott"
oder „Herr der Fürsten" war den Mexikanern ein bekannter Name des
Sonnengottes.
Das fünfte Blatt des Codex Borgia zeigt uns vom Speer getroffen die
Figur Abb. 57: — Schild und Speerbündel und darüber einen Adlerkopf, be-
kannte Symbole des Krieges und der Krieger. Schild und Speerbündel
ruhen auf einem Felde, das gelb gemalt, gestrichelt und mit Wirbelzeich-
Abb. 59. Die Schildkröte,
vom Speer getroffen.
Dresdener Handschrift 49.
Abb. 60. Der Kriegsgott,
vom Speer getroffen.
Dresdener Handschrift 50.
Abb. 61. aac, die Schildkröte.
Codex Perez 24.
Abb. 62.
aac, die Schildkröte.
Abb. 63.
Hieroglyphe haijab.
nung versehen ist. Es könnte das Feuer, oder verbranntes Feld bedeuten,
vielleicht sogar als eine elliptische Darstellung des atl-tlachinolli „Wasser
und Feuer", d. h. des Krieges, aufzufassen sein. Im Codex Vaticanus
entspricht diesen Symbolen die Abb. 58, die uns "Wasser und einen Berg
und darauf einen Adler vorführt. Der Adler ist zweifellos wieder als ein
Symbol des Kriegers anzusprechen. Der Berg ist gelb gemalt. Man
könnte daher vielleicht auch wieder an Feuer und an atl-tlachinolli denken.
AVahrscheinlicher ist mir aber, dass das Wasser und der Berg ein Ausdruck
für atl-tepetly d. i. altepetL oder für die aua-tepeua sind, d. h. für das Dorf,
ß56 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
die Gemeinde oder die Bürger, als entgegengesetzt dem Könige, sind. In
tlatoant, in altepetl: „der König und die Gemeinde", werden in den Texten
immer neben einander genannt.
Die Darstellungen, die in der Dresdener Handschrift an vierter und.,
fünfter Stelle stehen, sind anscheinend ganz anderer Xatur. An vierter
Stelle (Blatt 49) sieht man die vom Speer getroffene Schildkröte (Abb. 59).
An fünfter Stelle (Blatt oO) eine Kriegerfigur, die durch eine eigenthüm-
liche, über das Auge verlaufende eingerollte Zeichnung gekennzeichnet
ist, eine Zeichnung, die auch in der Hierogly})he zu erkennen ist (Abb. 60).
Hier scheint mir nun zum mindesten die letztere Figur durchaus eine
Parallel-Darstellung zu dem zu sein, was die Handschriften der Codex-
Borgia-Gruppe an fünfter Stelle zum Ausdruck brachten. Denn dass die
Abb. 60 insbesondere eiuen Krieger bezeichnen solle, scheint mir dadurch
angezeigt zu sein, dass dies die einzige unter den fünf vom Speer ge-
troffeneu Gestalten ist, die iu aktiver Yertheidigung dargestellt ist, den Speer
schleudernd und den Schild zur Abwehr dem Geschoss entgegenhaltend.
Aber auch die Schildkröte bietet vielleicht einen Anhalt zur Yer-
gleichung. Die Schildkröte trägt die Zeichnung der Sonne auf ihrem
Schilde. Siehe die Abb. 61, die dem Codex Perez '24 entnommen ist.
Die weit verbreitete nordamerikanische Dosen-Schildkröte, von der die
besondere, im südlichen Mexico vorkommende Spielart unter dem Namen
Onychotria mexicana beschrieben worden ist, zeigt iu der That auf ihrem
Panzer eine gelbe strahlige Zeichnung, die wohl als Bild der Sonne ge-
deutet werden konnte. Daher kommt es vielleicht, dass ihre Hieroglyphe
— soweit diese nicht einfach den Kopf des Thieres wiedergibt, wie in
Abb. 62 — eine der Hieroglyphe der Sonne ähnliche Zeichnung als Auge
hat. So hier (Abb. 59) und in der Hieroglyphe des Uiual kayab (Abb. 63),
die ebenfalls den Schildkröten-Kopf als Element enthält. Und daher
kommt es vielleicht auch, dass man die Schildkröte auf Blatt 40 der
Dresdener Handschrift mit Fackeln in den Händen abgebildet sieht. Viel-
leicht wurde sie deshalb als das Sonnenthier und als das königliche
Thier betrachtet.
Wie dem auch sei, iu den drei ersten der vom Speer getroffenen Ge-
stalten, und, meines Erachtens, auch in der fünften, liegen die Analogien
zwischen den Figuren der Blätter 46 — 50 der Dresdener Handschrift und
den der gleichen Darstellung der 13 x 5 Yenusperioden gewidmeten Blättern
der Codex-Borgia-Gruppe klar zu Tage.
Was haben wir uns nun aber dabei zu denken, dass auf diesen Blättern
die Figuren der Gottheit des Morgensterns — und der an ihrer Stelle in
der Dresdener Handschrift abgebildeten, unten noch zu besprechendeu
Gottheiten — den Speer schleudernd dargestellt werden, und dass von
ihrem Speer einmal die Gottheit des Wassers, dann der Jaguar, der Mais-
gott, der Repräsentant der Könige und die die Gemeinde bildenden
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 657
Krieger getroffen erscheineu? Förstemann wirft die Frage auf, ob das
der Kampf der Sonne mit der Venus sei, der mit der Unsichtbarkeit der
letzteren ende. Das scheint mir ausgeschlossen, denn, wie die Hand-
schriften der Codex-Borgia-Gruppe lehren, ist umgekehrt die Venus als
der siegende Theil dargestellt. Man könnte auch an Zusammentreffen mit
anderen Sternbildern denken. Diese sind für die fünf Perioden ja in der
That verschieden. Und dass ein Zusammentreffen des Planeten mit anderen
Sternbildern beobachtet wurde, dafür liegen in gewissen Reliefs von
Chichen itza die bestimmten Beweise vor. Auch ist es sicher, das der
.Jaguar und die Schildkröte und die Schlange von den Maya-Völkern am
Himmel gesehen wurden. Es ist jedoch auch möglich, dass wir hier ein-
fach eine aus abergläubischer Furcht vor der Einwirkung des Lichts
dieses mächtigen Gestirns entstandene astrologische Spekulation vor uns
haben.
Vermöge einer natürlichen Gedankenverbindung werden die Licht-
strahlen, die die Sonne oder andere leuchtende Körper entsenden, als
Geschosse oder Pfeile aufgefasst, die von dem Lichtkörper nach allen
Seiten geschleudert werden. Und das um so eher, je mehr diese Strahlen
als unangenehme, verletzende empfunden werden. Von dem mexika-
nischen Worte viitl „Pfeil" ist in dieser Weise das Abstraktum miotli oder
meyotli mit der Bedeutung „Lichtstrahl" abgeleitet. Solche Abstrakta treten
im Mexikanischen für die konkrete Bezeichnung des Gegenstandes ein,
wenn der Gegenstand einem anderen von Natur oder eigenthümlich zu-
gehört. So ist miotli oder meyotli der Pfeil, der von Natur zu einem
Pfeile aussendenden Körper, einem Lichtkörper, gehört. Tonalmitl oder
tonalmeyotli sind die Sonnenpfeile, die Sonnenstrahlen; miotli oder meyotli
allein „der Strahl". Und weiter ist davon ein Zeitwort miyotia, auch
mihiotia geschrieben, abgeleitet, das die Bedeutung „Licht aussenden" hat,
und tepan miyotia „auf jemand strahlen", „jemand mit seinem Lichte
treffen".
Ich habe oben schon erwähnt, dass man in Mexico dem Lichte des
Planeten Venus besondere, zumeist unheilvolle, nur in gewissen Zeichen
günstige Einflüsse zuschrieb, dass man daher Rauchlöcher und Schornsteine
verstopfte, wenn der Planet von Neuem aufgieng, damit sein Licht nicht
in das Haus dringe. Ueber diese Einflüsse des Lichtes des Planeten
Venus wird in den Anales de Quauhtitlan im Anschluss an die Erzählung von
der Verwandlung Quetzalcouatl\ in den Morgenstern Näheres berichtet.
Es ist eine merkwürdige Stelle, die ich hier im Wortlaut wiedergebe:
1. auh yn iuh quimatia und wie sie erfuhren (die Alten, die
Vorfahren):
2. yniquac hualneQtiuh wenn er erscheint (aufgeht),
3. yn tleyn ypan tonalli je nach dem Zeichen, in dem er
(aufgeht),
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 42
658
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung:.
4. cecentlamantin ynpan mlyotia
5. quinmina qiiintlahuilia
6. 171^^ ce cipactli ypan yauh
7. quinmina huehuetgue ylamatque
8. mochi yuhqui yntla ce ocelotl
9. yntla ce ma^atl
10. yntla ce xochitl
11. quinviiyia pipiltotontzin
12. auh yntla cetn acatl
13. quinmina tlatoque
14. mochi yuhqui yntla ce miquiztli
15. auh yntla ce quiyahuitl [verbessere
cou^tl]
16. quiminaya quiahuitl
17. amo quiyahuiz
18. auh yntla ce olin
19. quinmina telpopochtinychpopochtin
20. auh yntla ce atl
21. ye tohuaquif.
triift er verschiedene Klassen von
Leuten mit seinen Strahlen,
schiesst sie, wirft sein Licht auf sie,
wenn er im (L) Zeichen „ eins Krokodil"
erscheint,
schiesst er die alten Männer und
Frauen.
Ebenso im (IL) Zeichen „eins Jaguar''.
Im (in.) Zeichen „eins Hirsch"*,
im (lY.) Zeichen ,,eins Blume"
schiesst er die kleinen Kinder.
Und im (Y.) Zeichen „eins Rohr"
schiesst er die Könige.
Ebenso im (YI.) Zeichen „eins Tod".
Und im (YII.) Zeichen „eins Regen"
[verbessere: (IX.) Zeichen „eins
Schlange"].
schiesst er den Regen,
es wird nicht regnen.
Und im (XIII.) Zeichen „eins Be-
wegung"
schiesst er die Jünglinge und Jung-
fraueu.
Und im (X YII.) Zeichen „eins Wasser"
ist allo-emeiue Dürre.
Ich bemerke, dass der Text dieser Anoalen leider sehr verderbt ab-
gedruckt ist. Ich habe daher schon einige kleine Yerbesserungen vor-
nehmen müssen: — in der 9. Zeile ce magatl für ce mecatl und in der 12.
cem acatl für ce mafatl. Die Richtigkeit dieser Korrekturen ist durch die
Reihenfolge der Zeichen im Tonalamatl gewährleistet. Ich möchte aber
noch eine dritte grössere Aenderung vornehmen. Für das ce quiyahuitl
der 15. Zeile möchte ich ce couatl „eins Schlange", also für das YII. Zeichen
das LK. Zeichen setzen. Ich glaube dazu berechtigt zu sein, weil das ein-
leitende auh „und'' in der That hier sonst nur bei den Zeichen der
Kolumne cipactli, acatl, couatl, olin, atl steht, und durch Yerlesen das
folgende quiauitl sehr leicht für couatl sich untergeschoben haben kann.
Lassen wir diese Aenderung zu, und lassen wir vorläufig das bei den
Zeichen ce ma^atl und ce xochitl (Zeile 9 — 11) Gesagte bei Seite, so würden
die fünf Zeichen der Kolumne : cipactli^ acatl, couatl, olin, atl übrig bleiben,
die in der That, wie wir gesehen haben, die an den Anfangstagen der
Yenusperioden herrschenden Zeichen sind. Ordnen wir sie nach der
Reihe, nicht wie sie im Tonalamatl, sondern in Wirklichkeit einander
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 659
folgen, so würde über den Einfluss des Planeten Yenus in seinen fünf
aufeinander folgenden Perioden in den Anales de Quauhtitlan Folgendes
ausgesagt sein:
1. Im (I.) Zeichen cipactli „Krokodil'' schiesst er die alten Männer
und Frauen.
2. Im (IX.) Zeichen couatl „Schlange" schiesst er den Regen, es
wird nicht regnen.
3. Im (XVII.) Zeichen all „Wasser" ist allgemeine Dürre.
4. Im (Y.) Zeichen acatl „Rohr'' schiesst er die Könige.
5. Im (Xni.) Zeichen olin „Bewegung" schiesst er die Jünglinge und
Jungfrauen.
Hier springt nun sofort in die Augen, dass zunächst, was die vierte und
fünfte Periode betrifft, die Angaben der Anales de Quauhtitlan sich genau "mit
dem decken, was der Codex Borgia uns im Bilde vorführt. Auch im Codex
Borgia haben wir ja in der vierten Periode (vgl. Abb. 55, oben S. 654)
das Königtlmra vom Speer getroffen, und in der fünften (vgl. Abb. 57) die
Kriegerschaft. Die jungen Männer (telpochtin) und die Krieger (quauhUn)
sind ihrem Wesen und dem Sprachgebrauch, wenigstens des Mexikanischen,
nach eins. Aber auch in der dritten Periode zeigt sich zwischen den An-
gaben der Anales und den Darstellungen des Codex Borgia genaue Ueberein-
stimmung. Im Codex Borgia sahen wir in der dritten Periode (vgl. Abb. 51,
oben S. 653) die Maisgöttin vom Speere getroffen. Aber die Maisgöttin
ist hier offenbar nicht die, die die Nahrungsmittel in reicher Fülle
spendet, sondern die Göttin, die der Interpret des Codex Telleriano-
Remensis nennt, „la que causava las hambres", die, welche die Hungers-
nöthe verursacht. Denn unter ihr sieht man in Abb. 51 die Maiskolben
weissgemalten, mit Todtenköpfen versehenen Würmern als Frass dienen.
Und auch die entsprechende Darstellung des Codex Bologna (Abb. 52)
zeigt uns das Erdreich unter der Maisgöttin rings von Flammen und
Rauch umgeben, d. h. dürr und trocken.
Schwieriger ist es in der zweiten Periode — falls die oben vor-
geschlagene Korrektur wirklich mit Recht vorgenommen wird — sich
über eine etwaige Uebereinstimmung zwischen den Angaben der Annalen
und den Darstellungen der Bilderschriften klar zu werden. Auch für die
erste Periode verzichte ich vorläufig darauf, ein Tertium comparationis
ausfindig zu machen. Soviel aber, glaube ich, lehrt doch der Bericht der
Annalen, dass wir schwerlich etwas anderes als augurische, durch die
Zeichen der Perioden-Anfänge suggerirte Spekulationen über den Einfluss
des Planetenlichtes in diesen vom Speer getroffenen Gestalten zu erkennen
haben. Und zwar werden wir das nicht nur für die Darstellungen der
Codex-Borgia-Gruppe, sondern auch für die figürlichen Darstellungen und
den Hieroglyphentext der Dresdener Handschrift anzunehmen haben.
42*
gßO Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Nicht yaiiz ohne Interesse ist es. dass in der oben angeführten Stelle
der Anales de Qnauhtitlan auch der augurischen Bedeutung der Zeichen
ce macatl und ce jcochitl (Zeile 9 — 11) Erwähnung geschieht. Es sind das
keine Zeichen, die mit den Anfängen der Yenusperiode etwas zu thun
haben. Das erste Zeichen bezeichnet die Tage, an denen die Ciuapipütin,
die gespenstischen Frauen, die Seelen der im Kindbett gestorbenen Frauen,
die im Westen hausen, vom Himmel herabkommen, an denen man daher
die Kinder im Hause hielt, weil die Ciuapipütin die Kinder mit Epilepsie
schlagen. In dem anderen Zeichen aber war eine Gruppe von Göttern
mächtig, als deren Typus MacuiLwchitl oder Auiateotl, der Gott der
Lustbarkeit, bezeichnet werden kann, und die auf den Blättern 47 — 4»
(:= Kiugsborough 68, 67) des Codex Borgia neben den Ciuapipütin dar-
gestellt sind. Es darf wohl als gewiss angenommen werden, dass die
Beziehung dieser Zeichen zu diesen Gottheiten sich aus der Vorstellung
ableitet, dass die einzelnen Abschnitte des in Säulen von je fünf Zeichen
geordneten Tonalamatl in geheimnissvoller Weise mit den vier Haupt-
richtungen verknüpft seien. Dass aber in den Anales de Quauhtitlan das,
was aus dieser Verknüpfung sich ergibt, als unheilvoller Einfluss des
Gestirns der Venus bezeichnet werden koimte, ist nur ein Beweis dafür,
dass diese ganze Anordnung des Tonalamatrs in Säulen von je fünf Zeichen
der Parallelisirung des Tonalamatl^ mit der beobachteten Venusperiode
ihren Ursprung verdankt.
Es bleibt nun noch übrig, sich über die Bedeutung der Gestalten
klar zu werden, die auf den Blättern 46 — 50 der Dresdener Handschrift
mit Wurfbrett und Speerbündel in der Hand dargestellt sind, die Stelle
der mit Wurfbrett und Speerbündel bewaffneten Gottheit des Morgensterns
der anderen Handschriften vertretend. Sie sind ebenfalls auf der rechten
Hälfte der Blätter, aber in der mittleren Abtheihmg abgebildet. Ihre
Hieroglyphe steht in dem Text darüber, am Anfang der zweiten Zeile
und unmittelbar über der Hieroglyphe der vom Speer getroffenen Gestalten,
und sie ist begleitet von der Hieroglyphe des Morgensterns (vgl. oben S. 641
Abb. 26), augenscheinlich zum Zeichen, dass diese Gestalten als die
Regenten der fünf einander folgenden Venusperioden anzusehen sind.
Der Regent der ersten Periode ist der schwarze Gott, den ich in
Abb. 64 in Gestalt und Hieroglyphe wiedergegeben habe^). Er ist in der
Reihe der 20 Gottheiten am Anfang der Dresdener Handschrift an
10. Stelle abgebildet (Abb. 65) und kommt auch sonst in der Dresdener
Handschrift mehrfach vor, z. B. in der mittleren und unteren Abtheilung
von Blatt 14 (Abb. m, 67), und auf Blatt 74, dem Schlussblatt. Mit
1) Auch die Hieroglyphen dieser Regenten der Venusperioden sind auf dem
zusammenfassenden Blatte 24 verzeichnet, aber nur die der Regenten der beiden
ersten Perioden.
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe. 661
einem Skorpiouschwanz erscheint er im Codex Tro 34, 33. Und hier
scheint eine andere schwg,rze Gottheit sehr eng mit ihm verbunden, die
sonst durch Hieroglyphe und Gesichtsbildung sich von ihm unterscheidet,
die aber dort im Codex Tro in unmittelbarem Anscliluss an ihn und
augenscheinlich in verwandten Darstolluiigen auftritt und ebenfalls einen
Skorpionschwanz trägt. Ich will midi in keine Spekulationen über
Abb. G4.
Abb. 65.
Abb. 6G.
Abb. 67.
Abb. GS.
Charakter und etwaigen Namen dieser Gottheit einlassen, sondern nur als
meine persönliche Ansicht aussprechen, dass wir in diesem Gott eine dem
Feuergott der alten Mexikaner verwandte Gestalt zu erkennen haben. Wir
dürfen wohl annehmen, dass er hier die erste Himmelsrichtung oder den
Osten bezeichnen soll.
Den Regenten der zweiten Periode und seine Hieroglyphe habe ich
in Abb. 68 wiedergegeben. Das ist eine Figur, die mir sonst in den
662
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Handschriften nicht bei>:egnet ist, und die daher auch in der Schellhas'-
schen Liste fehlt. Dass die in Abb. 68 angegebene Hieroglyphe auch
wirklich die hieroglyphische Bezeichnung für die Person dieses Gottes ist,
ist mit Sicherheit daraus zu entnehmen, dass sie an derselben Stelle steht,
wie die bekannte Hieroglyphe des Regenten der ersten Periode, und dass
sie auch auf Blatt 24 der Hieroglyphe des Regenten der ersten Periode
folgt. Der Leib dieses Gottes ist roth gemalt, und auf der dem Beschauer
zugewendeten Vorderseite des Rumpfes sind die Wirbelkörper und Bogen-
rippen eines Skeletts gezeichnet. Die Nase ist nach abwärts gebogen, wie
bei dem Regengotte Chac. Es fohlen aber die anderen Kennzeichen
Abb. 69. Tlauizcalpan tecutli, Gottheit des Abendstems.
Codex Vaticaniis B 80 {^- Kingsborough 17).
dieses Gottes, die langen, gekrümmten Zähne und die dem Nasenrücken
aufliegende Ranke. Auch ist in dem unteren Theile des Gesichts ( — was
in der Zeichnung leider nicht richtig wiedergegeben ist — ) ein fleisch-
loser Todtenunterkiefer angegeben. Ton Bedeutung scheint mir, dass an
der Edelstein-Schnur, die aus dem Kopf-Aufsatz heraus nach vorn hängt,
mit einer Schleife befestigt die Hieroglyphe des Planeten Tenus zu sehen
ist. Ich kann nicht umhin, das mit dem Schmuck in Vergleich zu setzen,
den auf den Blättern 80 — 84 des Codex Vaticanus B die Gottheit des
Planeten Venus (Abb. 69) vor der Brust hängen hat, und der auch ein
Lichtauge, einen Stern darstellen muss. Das lehren die Figuren Abb. 70,
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe.
663
die in der Wiener Handschrift und in den Wandmalereien von Mitla zur
Wiedergabe eines Lichthimmels, eines Wohnsitzes der Götter des Lebens,
verwendet werden. Ich möchte deshalb geradezu vermuthen, dass wir in
unserer Abb. 68 die Maya- Darstellung der Gottheit des Morgensterns,
oder des Planeten Venus, zu erkennen haben. Die Hieroglyphe stimmt
in dem wesentlichen Elemente mit der Haupt-Hieroglyphe des Moan-Yogels
überein (vgl. Abb. 71). Zur Deutung der letzteren habe ich seiner Zeit
die o.vlahun taz muyal^ die „dreizehn Schichten der Wolken", die in der
Misa milpera von Xcanchakan angerufen werden, herangezogen.
Abb. 70. Sternenauge oder Strahlenauge,
a) Wiener Handschrift, b) Wandmalereien von Mitla.
Abb. 71. Der Vogel Moan.
Dresdener Handschrift 10a.
Abb. 72.
Den Regenten der dritten Periode und seine Hieroglyphe gibt die
Abb. 72 wieder. Auch dieser, und ebenso die Regenten der beiden
letzten Perioden, sind in der Schellhas'schen Liste nicht enthalten. Das
Gesicht zeigt unverkennbar etwas Thierisches. Ein Thierohr ist auch
über der durchbohrten Ohrscheibe kenntlich. Die Hieroglyphe enthält ein
Zeichen, das als wesentliches Element in der Hieroglyphe eines hirsch-
köpfigen Gottes in der Dresdener Handschrift vorkommt (vgl. Abb. 73),
allerdings auch im Codex Tro in einer Hieroglyphe, die eine weibliche
Thätigkeit, W^eben oder Sticken, zum Ausdruck bringt (vgl. Abb. 74).
(3(54 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Der Regent der vierten Periode ist in Abb. 75 in Bild nnd Hiero-
glyphe wiedergegeben. Es ist augenscheinlich eine kriegerische Gottheit.
Er hat ein Jaguar- Fell um die Hüften geschlagen und trägt eine, wie es
seheint, mit Jaguar-Fell umsäumte Scheibe auf der Brust. Als Kopf-
schmuck trägt er den stilisirten Kopf eines mit Scheitelfeder-Kamm ver-
sehenen Yogels. Ein ganzer Vogel ist als Ohrpiluck mit dem Kopf nach
vorn durch das stark erweiterte Loch des Ohrläpi)chens gesteckt. Vor
dem Munde ist der Kopf einer Schlange zu sehen (als Nasenstab?), und
über der Stirn streckt sich der Kopf eines Vogels vor. Die Gesichts-
bemalung erinnert auffallend an die des mexikanischen Tezcatlipoca,
während andererseits die Vogeltigur an der Stirnseite des Kopfschmucks
und die als Nasenstab dienende Schlange gewisse Tragabzeiclien des mexi-
kanischen Feuergottes wiederzugeben scheinen. Die Hieroglyphe ist
leider in der Zeichnung nicht recht herausgekommen. Ich habe sie daher
in Abb. 75 a noch einmal, etwas vergrössert, wiedergegeben. Man sieht
vorn das Element, das in der Hieroglyphe des Jaguars mit dem abbre-
viirten Jaguarkopf verbunden vorkommt, an anderen Stellen der Himmels-
richtung des Ostens associirt ist, und das wahrscheinlich eine Farbe (chac
„roth") bezeichnet. 3Ian erkennt hinten unschwer das Element kin „Sonne"
und in der Mitte einen Kopf mit blutender, leerer Augenhöhle. Alles
Elemente, die einem Kriegsgott wohl entsprechen würden.
Der Regent der letzten Periode endlich (Abb. 76) ist ein Gott mit
verbundenen Augen, wie er der fünften Himmelsrichtung, der Richtung
uach unten, der Tiefe des Erdinnern, durchaus angemessen ist. Auch in
der Hieroglyphe, die das Zeichen ahciu auf dem Kopfe stehend enthält,
ist man versucht, ein Tzo7itemoc, ,,mit dem Kopfe nach abwärts sich be-
wegend", herauszulesen.
Es finden sich dann, in der Dresdener Handschrift, in der obersten
Abtheilung der rechten Blattseiten noch fünf weitere Gottheiten, die ein
Gefäss in der Hand halten und auf einem Himmelsthroue sitzend dar-
gestellt sind. Da aber entsprechende Gestalten in den Blättern der Codex-
Borgia-Gruppe fehlen, so unterlasse ich es, hier auf sie näher einzugehen.
In allen bisher besprochenen Fällen des Vorkommens der Venus-
periode handelte es sich um Vielfache, die sich naturgemäss aus der Länge
der Periode und der Bezeichnung der Tage nach dem TonalamatlSy stein
ergeben. Es kommt nun aber auch, und zwar unter den Handschriften
dieser Gruppe allein im Codex Borgia, eine Darstellung vor, wo die Länge
der Venusperiode direkt mit der Länge des Sonnenjahres verglichen oder
an ihr gemessen zu sein scheint. In frülieren Abhandlungen habe ich
schon wiederholt Gelegenheit gehabt, auf die Bedeutung des schönen
Blattes Codex Borgia 27 (= Kingsborough 12) aufmerksam zu machen.
Auf diesem Blatt sieht man die vier Viertel des TonalamatV s und die vier
Viertel der 52jährigen Periode, die durch ihren x\nfangstag, bezw. ihr
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe.
665
Anfangsjahr bezeichnet sind, in der Weise je einer der vier Himmels-
richtungen zugeordnet, dass sie vier in den Ecken des Blattes vertheilten,
und je nach der Himmelsrichtung mit verschiedener Farbe (schwarz, gelb,
bhui, roth) gemalten und je nach der Himmelsrichtung bald als nützlich,
bald als schädlich für das Gedeihen der Feldfrucht dargestellten Figuren
Abb. 73.
Der Hirschdämon.
Dresdener Handschrift 13c.
Abb. 74.
Die alte Göttin am Webstuhl.
Codex Tro ll*c.
Abb. 75.
Abb. 76.
des Regengottes beigeschrieben sind. Eine fünfte, weiss- und rothgestreifte
Figur des Regengottes ist in der Mitte, zur Bezeichnung der fünften
Himmelsrichtung, des Zentrums, oder der Richtung von oben nach unten,
hinzugefügt, bei der aber natürlich, da mit den vier Vierteln die Zeit-
abschnitte vollendet sind, Daten, entsprechend denen, die bei den Eckfiguren
any:eo:eben sind, fehlen.
gg(j Dritter Abschnitt: Kalender und Hierogljphen-EntzifFerung.
Diesem Codex-Borgia-Blatt entspricht im Vaticanus B das 69. (= Kings-
borough 28). Während aber der Codex Vaticanus B sich mit diesem
einen Blatte begnügt, ist im Codex Borgia dem eben beschriebenen Blatte
noch eine zweite Parallel-Darstellung gegenübergestellt. Auch auf diesem
Blatte, Codex Borgia 28 (= Kingsborough 11), sieht man fünf Figuren
des Regengottes, vier in die Ecken vertheilt und eine in der Mitte.
Auch sie sind durch die Nebendarstellungeu bald als nützlich, bald als
schädlich für das Gedeihen der Feldfrucht bezeichnet. Aber der Farbeu-
folge fehlt anscheinend die innere Logik. Die Folge ist, im Osten be-
ginnend bis zur Mitte: schwarz, weiss- und roth gestreift, gelb, wieder
schwarz, endlich roth. Und es sind Daten bei allen fünf Figuren au-
gegeben, und zwar drei in jeder Abtheilung, die leider zum Theil ver-
wischt sind.
Es sind, soweit es sich ausmachen lässt. die folgenden:
(Osten.) Schwarzer Eegengott: Jahr 1. acatl; Tag 4. olin; ?
(Norden.) Weiss- und rothge-
streifter Eegengott; „ 2. tecpatl; ,, 5. cipocfli; 10. quiauitl.
(Westen.) Gelber Regengott: ., 3. call! ; „ 9. atl; 7. couatl.
(Süden.) Schwarzer Regengott: „ 4. tocJitli; „ [3.] atJ; ? couatl.
(Mitte.) Rother Regengott; ., 5. acatl: ., 1. atl: 13 magatl.
Fünf auf einander folgende Jahre sind also, wie man sieht, hier an-
gegeben, und in jedem sind zwei Tage genannt. Der in dem ersten Jakre
an erster Stelle genannte Tag ist der Tag 4. olin. auf den iu der Dres-
dener Handschrift, wie oben auseinandergesetzt, als den Tag hingewiesen
ist, an dem der Morgenstern in den Strahlen der aufgehenden Sonne ver-
schwindet, oder wo der Morgenstern mit der Sonne zugleich aufgeht. Und
der in dem fünften Jahre an erster Stelle genannte Tag, der Tag 1. atl
„eins Wasser*', ist von dem Tage 4. olin genau um 1752 Tage oder drei
Yenusperioden entfernt, — wobei allerdings festgehalten werden muss,
dass, wie überhaupt im Codex Borgia bei allen sich über eine längere
oder kürzere Reihe von Tagen erstreckenden Berechnungen, als Anfangs-
tag 1. cipactli gesetzt ist, auch die fünf Jahre hier von 1. cipactli aus-
gehend gezählt werden, w^ährend die Benennung der Jahre, wie immer,
mit 1. acatl beginnt. Es bezeichnet demnach der Tag 1. atl in dem
fünften Jahre wiederum den Tag, an dem der Morgenstern mit der Sonne
zugleich aufgeht. Obwohl ich für die dazwischen und dahinter namhaft
gemachten Tage noch kein Gesetz habe ausfindig machen können und
vorläufig annehmen muss, dass sie nur überleitende Glieder sind, so kann
doch jene Bedeutung des Datums 5. acatl. 1. atl keine zufällige sein. Wir
werden zugeben müssen, dass auch auf diesem Blatte ein, und zwar sehr
merkwürdiges Vorkommen der Venusperiode vorliegt.
Ich komme zum Schluss. Den bis ins Einzelne gehenden Ueberein-
Stimmungen, die das System des Kalenders und der 20 Tageszeichen bei
den Mexikanern und bei den Maya aufweist, hat ohne Zweifel auch eine
18. Die Venusperiode in den Bilderschriften der Codex-Borgia-Gruppe.
667
Gemeinsamkeit in vielen Stücken des sonstigen priesterlichen Wissens
entsprochen. Das konnte bei dem regen Verkehr, der zwischen diesen
beiden grossen Kulturstämmen bestand, auch kaum anders sein. Den
ersten strikten Beweis dafür glaube ich in dem Obigen gegeben zu haben.
Während aber für die Analyse der Tageszeichen die mexikanischen Formen
und Benennungen aufschlussgebend gewesen sind, haben für die astro-
nomischen Perioden erst die ausgeführten Rechnungen der Dresdener
Handschrift und Fö rsteniann's Feststellune-en die Basis geliefert. Dass
VVo'/>.
Abb. 77. Die vier und die neun Formen des Abendsterns.
Codex Borffia 45.
in den mexikanischen Handschriften die Rechnungen, die man vor-
genommen hat, nur angedeutet sind, wird ihre Deutung immer zu einer
schwierigen machen.
Immerhin steht zu erwarten, dass die Fortschritte, die bezüglich der
Deutung der Dokumente des einen Yolkes gemacht werden, auch zur Auf-
hellung dessen, was in den Dokumenten der anderen dieser beiden
grossen Kulturnationen noch unverstanden ist, sich als fruchtbar erweisen
werden.
QQg Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Quetzalconatl-Kiikiilcan in Yiicatan.
Zeitschrift für Ethnologie XXX. 1S;>8. S. 377—410.
Die imverkennbareii üebereiustimraungeu. die die beiden grossen
Kiiltur-Xatiouen des alten Zentral- Amerika, die Mexikaner und die Maya-
Stämme. in vielen Elementen ihrer Kultur, in unbedeutenden Einzelheiten
des Lebens und in gewissen, in erstaunlicher Weise ausgebildeten Zweigen
priesterlicher Wissenschaft aufweisen, haben von jeher es als selbstver-
ständlich erseheinen lassen, dass eine Beeinflussung des einen Volkes
durch das andere stattgefunden hat. und wenn man über die Art dieser
Beeinflussung sieh Rechenschaft ablegen wollte, dann ist vor Allem eine
Gestalt ins Feld geführt worden, die von den Mexikanern und den Tuka-
teken mit gleichem Xamen Quetzalcouatl oder Kukulcan. d. h. -Quetzal-
feder-Schlange" genannt wurde, ein Gott oder Heros, von dem die
Mexikaner, wie die Yukateken in gleicher Weise erzählten, dass er der
Ausgangspunkt ihrer Zivilisation gewesen sei. Xach den Berichten der
Mexikaner hätte er lange Zeit in einem Ort Xamens Tollan in Frieden
geherrscht, wäre dann aber vertrieben worden und mit seinem Volke nach
Osten, nach den Ländern der Küste gezogen. Die Yukateken ihrerseits
erzählten von ihm, er wäre aus Westen zu ihnen gekommen, hätte Tempel,
Paläste und Städte gegründet und wäre dann wieder nach Westen zurück-
gegangen. Ich will hier nicht versuchen, mich in Spekulationen über diese
Gestalt einzulassen oder das Dunkel ihres Ursprungs aufzuhellen. Aber
gegenüber den verschiedenen Versuchen, die in neuerer Zeit unternommen
worden sind, die eine oder andere Gestalt der Maya-Dokumente mit ihr
zu identifiziren, erscheint es mir doch an der Zeit, einmal festzustellen,
was in Yucatan unter Kukulcan verstanden wurde, die Orte namhaft zu
machen, wo er gewohnt haben sollte, und zu versuchen, ob nicht aus den
Resten und den Bildwerken dieser Orte eine zuverlässigere Identifikation
vorgenommen werden kann.
Zwei Hauptberichte sind es vor allem, auf denen unsere Kenntniss
der Kukulcan betrefl'enden Tradition beruht, das ist die Erzählung des
P. Hernandez und die „Relacion" des Bischofs Fray Die2:o de Landa.
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan. 669
Der P. Francisco Horiiandez war ein Geistlicher, der verschiedene
Jahre unter den Indianern j^ewirkt hatte und ihre Sprache sprach, und
den der Bischof von Chiapas, der bekannte Las Casas, zn seinem Vikar
g-emacht und zu Visitationen und Missionspredigten ins Land geschickt
hatte. Dieser schrieb dem Bischof, wie Las Casas im 123. Kapitel seiner
Historia apologetica erzählt^): — „er habe einen Fürsten getroffen, der,
als er ihn über seinen Glauben und seine alte Religion befragte, ihm
gesagt habe, sie kennten und glaubten an Gott, der im Himmel wohne,
und dass dieser Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist sei, und dass der
Vater I^ona heisse, der die Menschen und alle Dinge geschaffen habe,
dass der Sohn Bacab genannt werde, der von einer Jungfrau Namens
Chibirias geboren sei, die bei Gott im Himmel wohne. Den Heiligen
Geist, sagte er, nennten sie Echuac. Ifona solle „der grosse Vater" be-
deuten; Bacab „der Sohn". Ihn solle Eopuco getödtet haben: er habe ihn
geissein lassen, ihm eine Dornenkrone aufgesetzt, und ihn mit aus-
gestrecktem Arm an einem Holz befestigt, — nicht angenagelt, sondern
angebunden, und um das auszudrücken, habe er (der Erzähler) die -Arme
ausgestreckt — wo er schliesslich gestorben sei. \ Drei Tage sei er todt
gewesen und am dritten Tage wieder lebendig geworden und zum Himmel
aufgestiegen, wo er mit seinem Vater weile. Danach sogleich sei Echuac
gekommen, der heilige Geist, und habe die Erde mit aller Nothdurft an-
gefüllt. Gefragt, was Bacab oder Bacabab bedeute, habe er „Sohn des
grossen Vaters" geantwortet, und von dem Namen Echuac habe er an-
gegeben, dass er „Kaufmann" bedeute, und fürwahr gute Kaufmannswaaren
bringe der Heilige Geist der Welt, da er die Erde, das sind die Menschen
der Erde, mit seinen Gaben und ebenso göttlichen wie überreichen Gnaden
anfülle. Chibirias bedeute „Mutter des Sohnes des grossen Vaters". Er
habe dann noch hinzugefügt, dass zu einer Zeit alle Menschen sterben
müssten, aber von der Auferstehung des Fleisches hätten sie nifchts ge-
wusst. Gefragt, woher sie denn von allen diesen Dingen Kenntniss
gehabt hätten, habe er geantwortet, dass die Fürsten es ihren Söhnen
lehrten, und so (die Kenntniss) von Hand zu Hand weitergegeben worden
sei. Und weiter hätten sie versichert, dass vor Alters 20 Männer nach
jenem Lande gekommen seien — von fünfzehn gab er die Namen an,
aber, da sie schlecht geschrieben und hier nicht von Bedeutung sind, so
schreibe ich sie nicht nieder; von den übrigen fünf, sagt der Pater, habe
er keine Spur gefunden. — Der erste dieser (zwanzig) habe Cocolcan ge-
heissen, den hätten sie Gott des Fiebers (dios de las fiebras 6 calenturas)
genannt, zwei andere: Götter der Fische, weitere zwei: Götter der Land-
püter, eineu des Donners u. s. w. Diese hätten lange Gewäuder, Sandalen,
1) Coleccion de documentos ineditos para la Historia de Espafia. Vol. 66.
p. 453—455.
670 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
grosse Barte untl keine Mützen auf dem Kopfe getragen; sie hätten den
Leuten befohlen, zu beichten und zu fasten, und einige hätten am Freitag
gefastet weil an ihm jener Bacab gestorben sei, und jener Tag werde mit
Namen hiviü genannt, den sie ehrten und dem sie Devotion weihten, um
des Todes des Bacab willen. ' Die Fürsten verstünden all diese besonderen
Dinge, aber das gewöhnliehe Yolk glaube nur an die drei Personen I^ona
und Bacab und Echuac, und an Chibirias^ die Mutter Bacab's, und an die
Mutter der Chibirias, Namens Hischen^ von der wir annehmen, dass es die^
heilige Anna gewesen sei . . .".
Dieser wunderliche Bericht ist also, wie man sieht, ein Stück
Katechismus Romanus mit eingesetzten heidnischen Götternamen. Die
Namen sind natürlich stark verderbt; der P. Hernandez scheint* die
Maya-Sprache selbst nicht verstanden zu haben, sondern sich mittelst der
mexikanischen mit den Indianern verständigt zu haben. I^ona ist ver-
muthlich Itzamnä „Haus des Tropfens", der Name des Himmelsgottes,
eines bekannten, von Landa genannten Gottes der Maya von Yucatan.
Bacab heisst „der Häuptling", oder vielleicht richtiger „der Jüngling"*.
Echuac ist Ekchuah. auch eine bekannte Gottheit, die von Landa in der
That als Gott der Kaufleute bezeichnet wird. Auch Eopuco vermag ich
jetzt zu deuten. Es ist Ah uoli puc^ der in einem der Chilam balam als
der Name eines Dämons der Vernichtung genannt wird. Chibinas ist
sicher wohl Ix-chebel-yaj.\ der Name einer auch von Landa angegebenen
Göttin. Rüchen vermuthlich Ijc-chel. Cocolcan ist Kukulcan, und der Tag
himis ist imiv, der (ursprüngliche) erste Tag des Kalenders, der dem
mexikanischen cipactli entspricht.
Es geht nun aus diesem Bericht Folgendes hervor:
1. Die Beschreibung, die von Kukulcan und seinen Genossen gegeben
wird, erinnert stark an die namentlich bei den indianisch-christ-
lichen Historikern, wie Li-tULvochitl, beliebte Schilderung Quetzal-
couatVs und der Tolteken.
2. Kukulcan ist der erste in einer Reihe von 20 Gottheiten. Daraus
können wir wohl mit Sicherheit schliessen, dass er der erste der
Gottheiten des Kalenders, der 20 Tageszeichen oder der 20 Ab-
schnitte des Kalenders war. Er selbst wird Gott des Fiebers, —
d. h. wohl Regengott? — , genannt, zwei weitere als Götter der
Fische (oder des Fischfangs), zwei andere als Götter der Land-
güter, ein sechster als der Donnergott bezeichnet.
3. Ueber Kukulcan und seine Genossen wissen nur die Fürsten Be-
scheid. Das gewöhnliche Volk kennt nur die Götter Itzamnä,
Bacab, Ekchuah, Ixchebelyaxy LvcheU
Ich gehe nun zu dem zweiten Hauptbericht, dem des Bischofs Landa,
über, dessen „Relacion de las Cosas de Yucatan" die Hauptquelle für alle
Yucatan betreffenden Angelegenheiten ist. Landa erzählt uns, dass es in
i
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan.
671
Yucatan viele schöne, alte Bauwerke gebe. Als ersten Ort, wo dergleichen
sich finde, nennt er Izamal^ nächstdem Tihoo (das heutige Merida) und
Chi ch'en Itza. Chi ch'en Itza — der Bischof schreibt immer Chicheniza — „ist
ein sehr guter Ort, 10 Leguas von Izamal und 11 von Valladolid entfernt.
Hier, sagt man, herrschten einst drei Brüder, die von Westen nach jenem
Lande gekommen waren, und die sehr fromm waren. Und so bauten sie
schöne Tempel und lebten ohne Weiber in Züchten und Ehren. Und
einer von ihnen starb, oder zog fort, und darum veruneinten sich die
andern und lebten schändlich, und darum erschlug man sie."
An einer späteren Stelle erzählt der Bischof etwas ausführlicher, dass
hier in Chi cKen Itza — „wie die alten Indianer erzählten, drei Brüder ge-
herrscht hätten, die, wie sie sich erinnerten, von ihren Vorfahren gehört
zu haben, aus Westen nach jenem Lande gekommen seien, und die an
jenem Orte eine grosse Zahl von Dörfern und Stämmen vereinigt hätten,
die sie einige Jahre in Frieden und mit Gerechtigkeit regiert hätten. Sie
Orient«
Abb. 1. Das „Hauptgebäude" in Chi ch'en Itza. (Nach Diego de Landa.)
waren grosse Verehrer ihres Gottes, und so erbauten sie ihm viele und
schöne Bauwerke, insbesondere eines" — hier gibt der Bischof den Grund-
riss des heutzutage unter dem Namen „El Castillo" bekannten Gebäudes,
(vgl. Abb. 1), dessen Innengemächer er auch genau und kenntlich be-
schreibt. —
„Diese Fürsten, sagt man, lebten ohne Weiber und in Züchten und
Ehren, und so lange sie so lebten, ehrte mau sie und erwies ihnen Ge-
horsam. Später, wie die Zeit hingieng, war der eine von ihnen nicht mehr
da, der wohl gestorben sein müsse, obwohl die Indianer sagen, er habe
auf dem Wege über Bac-halal^'- — richtiger Bakhalal, das heutige Bacalar,
die grosse Lagune an den Grenzen von Belize — „das Land verlassen.
Wie nun das aber auch gewesen sein mag, seine Abw^esenheit erwies sich
so verhäugnissvoll für die, die nach ihm regierten, dass sie alsbald in
Zwistigkeiten geriethen und so sehr ohne jegliche Ordnung und Zucht
lebten, dass das Volk sie zu hassen anfieng und sie schliesslich tödtete,
und dass die Leute auseinandergiengen und sich zerstreuten und die Ge-
bäude wüst liegen Hessen."
672 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
„Es ist die allgonieine Meinung der Indianer" — fäln-t dann der
Bischof an der ersten Stelle fort — „dass bei den Iza^ die Chicheniza
kolonisirten, ein grosser Fürst Namens Cuculcan herrsehte, und dass das
"Wahrheit ist, beweist das Hauptgebäude (in Chi cJien Ttza)^ das den Namen
Cuculcan führt. Und man sagt, dass er von Westen ins Land kam, und
sie sind verschiedener Meinung darüber, ob er vor oder nach den Iza
öder mit ihnen kam, und sie sagen, dass er wohlgestaltet gewesen sei, keine
Weiber und keine Kinder gehabt habe, und dass er nach seiner Rückkehr
in Mexico als einer ihrer Götter angesehen und Cehalcouati (sprich: Ke^al-
kouati, d. h. Quetzalcouatl) genannt worden sei, und dass sie in Yucatan ihn
auch als einen Gott angesehen hätten, weil er ein grosser Staatsmann ge-
wesen sei. Und dass dem so sei, habe man an der Niederlassung gesehen,
die er in Yucatan nach dem Tode der Herren (von Chi ch'en Itza) gründete,
um die Zwietracht zu stillen, die ihr Tod in dem Lande verursacht hatte."
„(Man sagt nämlich), dass dieser Cuculcan es wiederum unternahm,
eine andere Stadt zu gründen, indem er darüber mit den eingeborenen
Fürsten des Landes unterhandelte, eine Stadt, in der er und sie (die ein-
geborenen Fürsten) leben sollten: und dass dort alle Angelegenheiten und
alle Geschäfte vorgebracht werden sollten. Und zu diesem Zwecke er-
wählten sie einen sehr guten Ort, um 8 Leguas weiter im Lande von der
Stelle, wo heute Merida liegt, und 15 oder 16 Leguas vom Meere entfernt,
und sie machten dort eine breite Ringmauer aus festem Stein, etwa
Vg Legua lang, indem sie nur zwei enge Thore Hessen, dabei die Mauer
nicht sehr hoch machend. Und in der Mitte dieser Ringmauer erbauten
sie ihre Tempel, und den grössten, der so ist, wie der von Chicheniza^
nannten sie Cuculcan. Und sie erbauten einen zweiten runden Tempel,
mit vier Eingängen, verschieden von allen Tempeln, die man sonst im
Lande sieht, und viele andere rings umher, die einen neben den andern.
Und innerhalb dieser Ringmauer erbauten sie Häuser allein für die Fürsten,
unter die sie das ganze Land vertheilten, indem sie jedem, gemäss dem
Alter seines Stammes und der Wichtigkeit seiner Person, Dörfer zu-
theilten. Und Cuculcan nannte die Stadt nicht nach seinem Namen, wie
es die Ah-iza in Chicheniza gemacht hatten — ein Wort, das „der Brunnen
der Iza"' bedeutet — , sondern er nannte sie Mayapan, d. h. „Banner der
Maya", weil man die Sprache des Landes Maya nennt, und die Indianer
nennen sie (die Stadt) Ichpa, d. h. „innerhalb der Ringmauer".
„Dieser Cuculcan lebte mit den Fürsten einige Jahre in jener Stadt,
und indem er sie in Frieden und Freundschaft zurückliess, kehrte er auf
demselben Wege wieder nach Mexico zurück, und auf der Durchreise hielt
er sich in Champoton auf, und zur Erinnerung an ihn und seinen Weggang
baute er dort mitten im Meer, einen Steinwurf vom Ufer entfernt, einen
schönen Tempel nach Art dessen von Chicheniza, und so hinterliess
Cuculcan in Yucatan für alle Zeiten ein Gedächtniss."
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan. 673
Der Bischof berichtet dann noch weiter, dass nach Cuculcan'% Weg-
gang in Mayapan das Haus der Cocom regiert habe, dass zu einer ge-
wissen Zeit von Süden her die Tutulxiu ins Land gekommen seien und
sich in den Bergen gegenüber Mayapan niedergelassen liätten; dass die
Cocom angefangen hätten, das Volk zu unterdrücken, und zu dem Zwecke
die Mexikaner von Tabasco und Xicalunco ins Land gerufen hätten; dass
aber dann die Maya, die von den Mexikanern Waffendienst und Kriegs-
kunst gelernt hätten, sich unter der Führung des Fürsten der Tutulxiu
erhoben und die Cocom erschlagen hätten, und dass seit dieser Zeit, — das
sei ungefähr 120 Jahre vor der Zeit, wo der Bischof Lauda schrieb, — die
Festung Mayapan verlassen sei.
Endlich berichtet Landa in dem besonderen Kapitel, das von den
Festen handelt, die die Maya von Yucatan^ im Laufe des Jahres feierten,
noch Folgendes:
„Nach dem Weggang Cuculcan's aus Yucatan gab es unter den
Indianern einige, die da sagten, er sei zum Himmel zu den Göttern ge-
gangen, und darum sah man ihn als einen Gott an und setzte für ihn eine
Zeit fest, wo man ihm als Gott ein Fest feierte, und bis zur Zerstörung
von Mayapan feierte dies das ganze Land. Nach der Zerstörung von
Mayapan feierte man das Fest bloss in der Provinz i/am, und die anderen
Provinzen, in Anerkennung dessen, was sie Cuculcan verdankten, brachten,
die eine in einem, die andere in einem anderen Jahre, in Mani vier und
bisweilen fünf prächtige Federbauner dar, mit welchen mau in folgender,
von den vorhergehenden Festen abweichender Art das Fest feierte. Am
16. des Monats Xul'' — das ist nach der von Landa angegebenen
Konkordanz der 8. November — ,,karaeu alle Fürsten und Priester in
Mani zusammen und mit ihnen ein grosser Haufen Volks aus den Dörfern,
und sie kamen alle schon vorbereitet durch Fasten und Enthaltsamkeit.
Am Abend dieses Tages zogen sie mit einem grossen Festzug und begleitet
von vielen Maskentänzern aus dem Hause des Kaziken, wo sie versammelt
waren, und begaben sich mit grosser Feierlichkeit nach dem Tempel
Cuculcan's, den sie reich geschmückt hatten. Und nachdem sie an-
gekommen waren, steckten sie unter Gebeten die Banuer auf der Spitze
des Tempels auf, und unten im Hofe legten sie auf einem Bett von Laub,
das sie zu dem Zwecke gemacht hatten, ein jeder seine Idole hin, und
nachdem^ sie neues Feuer errieben hatten, fiengen sie an vielen Stellen
zugleich au, ihren Weihrauch zu verbrennen und ungesalzene und nicht
mit Pfeffer gewürzte Speisen und Getränke aus ihren Bohnen und Kürbis-
samen darzubringen, und es brachten mit Kopalverbrennen, mit diesen
Darbringungen, ohne nach ihren Wohnungen zurückzukehren, die Fürsten
und die, welche gefastet hatten, fünf Tage und fünf Nächte im Gebet uud
mit einigen religiösen Dingen zu, bis zum ersten Tage des (folgenden)
Monats Yaxkin. Die Maskentänzer gingen in diesen fünf Tagen in den
Seier. Gesammelte Abhaudlun^en I. 43
674: Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Häusern der Vornehmen herum, indem sie ihre A'orstellungen gaben, und
sammelten die Geschenke ein, die man ihnen gab, und brachten alles zum
Tempel, wo, nachdem die fünf Tage vorbei waren, die Fürsten und die
Priester und die Tänzer alle Geschenke unter sich vertheilten, und man
nahm die Banner und die Idole und kehrte nach dem Hause des Kaziken
und von dort ein jeder nach seinem Hause zurück. Sie sagten und
glaubten fest, dass am letzten dieser (fünf) Tage Cuculcan vom Himmel
herabkomme und den ihm erwieseneu Dienst, die Nachtwachen und die
Darbringungen entgegenoehme. Man nannte dieses Fest Chicckaban.'''' —
Es geht also aus diesen Mittheilungen des Bischofs Lau da, der besten
Autorität, die wir über yukatekische Dinge haben, ebenfalls hervor:
1. Dass Kukulcan von den Maya^Yölkern Yucatan's mit dem mexi-
kanischen Quetzalcouatl identifizirt wurde. — Ferner
2. Dass Kukulcan als der Genosse der Gründer von Chi cKen Itza und
als der Hauptgründer von Mayapan betrachtet wurde.
3. Dass es sowohl in Chi cKen Itza wie in Mayapan Tempel gab, die
noch zu Landa's Zeiten mit dem Namen Kukulcan benannt
wurden ; dass dies in Chi cKen Itza die hohe Hauptpyramide war, die
gegenwärtig unter dem Namen „El Castillo" bekannt ist, und dass
auch in Champoton^ einen Steinwurf vom Ufer entfernt, im Meere
eine den genannten ähnliche Pyramide stand, deren Erbauung
Kukulcan zugeschrieben wurde.
4. Dass es auch Landa bekannt war, dass es in Mayapan einen
runden Tempel gab, der durch seine Bauart von den sonst im
Lande üblichen abwich. (Den ganz gleichartigen runden Tempel
in Chi cKen Itza hat Landa nicht beachtet, oder erwähnt ihn
wenigstens nicht.)
5. Dass in der Zeit, deren sich Landa's Gewährsmänner erinnerten,
dem Gotte Kukulcan nur in der Provinz Mani — das ist die
Gegend, in der die alte Festung Maijapan lag — Kultus erwiesen
wurde.
6. Dass dem Gotte Kukulcan in Mani in den letzton fünf Tagen
des Uinars Xul ein Fest gefeiert wurde, an dem sich die anderen
Provinzen wenigstens in der Weise betheiligten, dass sie — ab-
wechselnd in jedem Jahre immer eine andere Stadt — die vier,
oder fünf, Federbanner lieferten, die am ersten Tage des Festes auf
dem Tempel aufgesteckt, am Schluss wieder abgenommen wurden.
7. Dass dieses Fest in eine Jahreszeit fiel, die zu Landa's Zeit dem
• 8. — 12. November alten Styls gleichgesetzt wurde.
8. Dass während der fünf Tage dieses Festes die Festtheilnehmer im
Tempelhofe wohnten und ihren Idolen, die sie dort auf einer
Unterlage von Laub ausgebreitet hatten, Weihrauch und Opfer-
gaben von Fastenspeisen brachten.
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan. 675
Den späteren Berichten ist nicht viel zu entnehmen. Cogolludo
führt Kukulcan allerdings unter den von den Yukateken verehrten Götzen-
bildern auf, weiss aber nichts anderes von ihm zu berichten, als dass er
ein grosser „capitan" gewesen sei. Nicht ganz ohne Interesse ist es viel-
leicht, was ich in einem aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammenden
Bericht über das Dorf Mutul gefunden habe^). Hier wird in Betreff der
alten Religion der Bewohner dieses Orts berichtet, dass ursprünglich an
diesem Orte ein Gott, der der Schöpfer aller Dinge gewesen, und der
seine "Wohnung im Himmel habe, verehrt worden sei, dass aber dann von
ausserhalb des Landes ein grosser Fürst mit Gefolge von Leuten ge-
kommen sei, Namens Kukulcan^ und dass er und sein Volk Götzendiener
gewesen seien, und dass von der Zeit an auch die Bewohner des Landes
angefangen hätten, Götzendienst zu treiben, blutige Opfergebräuche zu
vollziehen, Kopal zu verbrennen u. dgl. m.
Endlich erwähne ich noch, dass auch bei den nahe verwandten
Tzeltal-Stämmeu des inneren Chiapas die Gestalt dieses Gottes unter der
nur dialektisch etwas variirten Xamensform Cuchulchan bekannt war. Der
Bischof Nunez de la Vega berichtet von ihm, dass er in den Kalender-
büchern der p]ingeboreneu bei dem siebenten Zeichen, und zwar in der
Gestalt eines Menschen und einer Schlange, dargestellt worden sei, und
dass die Kalendergelehrten ihn als „die Federschlange, die im Wasser
geht", erklärt hätten. Dieser Bericht scheint Cuchulchan mit dem Regen-
gotte zu identifiziren. Den]i der steht in den Kalenderbüchern bei dem
siebenten Zeichen.
Wenn man diese Nachrichten unbefangen prüft, so glaube ich, wird
man sich der Folgerung nicht entziehen können, dass in Kukulcan und
seiner Gleichsetzung mit Quetzalcouatl etwas mehr als der übereinstimmende
Ausdruck gleichartiger Elementarvorstelluugen vorlieo-t: die Ano-aben, dass
diese Gestalt zu den Maya von Yucatan aus dem Auslande gekommen,
und dass seine Thätigkeit nur eine vorübergehende Phase in der" Ent-
wicklung des Landes darstelle, sind zu bestimmt. Und ich glaube, auch
wir werden zu dem Schlüsse kommen, den schon viele andere zuvor
gemacht haben, dass Kukulcan eine direkte mexikanische Uebertrasuns:,
der Ausdruck der Einwirkung der Mexikaner auf die Maya-Stämme ist.
Gerade in den Orten, wo Kukulcan gewirkt haben sollte, in Chi ch'en Itza
und Mayapan, wo Tempel, die seinen Namen trugen, standen, wo noch in
später Zeit ihm Feste gefeiert wurden, ist ja die mexikanische Einwirkung
unverkennbar. — Die geschichtlichen Nachrichten bezeugen das. Denn
Bischof Landa berichtet uns, dass der Dynast von Mayapan sich auf
mexikanische Garnisonen stützte, und dass von diesen Mexikanern die
Yukateken und die Bewohner benachbarter Hügel, die bisher nur Jaird-
•1) Ms. Archive General de Indias. Sevilla.
43^
576 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
fauggeräthe kannten, die Kriegswatt'en und die Kunst des Krieges gelernt
hätten. Und in einem alten, in iler einheimischen Sprache geschriebenen
Berieht, dem Chilambalam von Ma7ii, werden als die „sieben Männer von
Mayapan^ lauter Männer mit fast rein mexikanischen Namen genannt (^Ah-
zinteyut-chan^ Tzuntecum, Ta^cal, Pantemit, Xuchueuet, Ytzcuat, Kakaltecat).
Ich habe nun aber in einem einheimischen Dokument auch eine Stelle
gefunden, der man, wie ich meine, direkt entnehmen muss, dass Kukulcan
mit diesen Mexikanern, den sieben Männern von Mai/apan, identifizirt
wurde. In der eben zitirten Stelle des Chilam Balam von Mani^ der eine
ganz ähnliche des Chilam Balam von Titzimin entspricht, heisst es, dass
in der Periode 8. ahau der König von Chi ch'en Itza durch den Yerrath
Hunaceefs, besiegt wurde. „Es geschah zur Zeit, als Chac .nb chac (König)
von Chi cKeti Itza (war), durch den Yerrath HunaceeVs, des Königs von
Mayapan. Im zehnten Abschnitt der Periode 8. ahau war es, da wurde
er besiegt von Ahzinteyut chan, Tzuntecum, Ta.vcal, Pantemit, Xuchueuet,
Ytzcuat, Kakaltecat, den sieben Männern von Mayapan.'' — Diese selbe
Besiegung Chac ,rib chac's, des Königs von Chi ch'en Itza, wird an einer
anderen Stelle, im ChilaTn Balam von Titzimin, folgendermasseu be-
richtet: — ,.In der Periode 8. ahau geschah es in Chi ch'en Itza, wie von
dem Herrn der Leute von ü.vmal (der Quelle für den Chilam Balam) auf-
geschrieben worden ist, dass Chac atb chac zu Boden getreten wurde durch
Nacxit Kukulcan"^ ^). — An der einen Stelle also werden als Sieger über
Chac .i'ib chac die sieben Mexikaner von Mayapan, au der anderen Nacxit
Kukulcan genannt. Der Beweis ist zwingend. Und ich erwähne nur noch
beiläufig, dass der Name Xacxit, mit dem liier Kukulcan genannt wird,
wahrscheinlich mexikanischen Ursprungs ist und in mexikanischen Quellen,
der Crönica mexicana des Tezozomoc, als ein Name QuetzalcouatV & an-
gegeben wird.
Das Gleiche lehrt uns auch das archäologische Material.
Schon lange ist man darauf aufmerksam geworden, dass die Skulpturen
in den Ruinen von Chi ch'en Itza einen ganz anderen Charakter tragen, als
die der grossen Ruinenstätte im Süden, Copan, Quiriguä, Palenque, dass
die Köpfe der Figuren nicht, wie es in den Maya-Ländern und auch in
Yucatan üblich war, deformirt sind, dass in Tracht und Ausputz Yieles an
die Typen der mexikanischen Bilderschriften erinnert. In den Skulpturen
an der ^Yand des Saales am Ballspielplatz sehen wir das Bild der mexika-
nischen Sonne (vgl. unten Abb. 6 und 13). Unter den Kriegerfiguren, die
in langem Zuge den Göttern huldigend nahen, sieht man die erste mit der
aus Türkis-Mosaik gefertigten und durch ein dreieckig aufragendes Stirn-
blatt ausgezeichneten mexikanischen Königskrone, dem Xiuhuitzolli^
1) vaxac ahau uchci tu chichfen, ca tzibtabi uyahau ah iixmal ca tali u chekeb
n pack chac xib chac, tumenel ah nacxit kukulcan (Chilam Balam Titzimin fol. 1 1 verso).
19. Quetzalcouatl-Kukulcau in Yucatan.
677
geschmückt. Und so auch die eine der vier Pfeilerfiguren in der Tempel-
Cella des Castillo. Die halbliegende Figur, die Auguste Le Plongeon
in dem einen Mausoleum in Chi dien Itza ausgegraben und mit dem Namen
C'/tac-wo^ getauft hat, — ein Typus, der, wie Teobert Maler nachgewiesen
hat, in Chi cKen Itza noch durch vier andere, nur in Bruchstücken vor-
handene Figuren vertreten ist, — liat ihre mehr oder minder genauen
Entsprechungen auf dem Hochlande von Mexico, in Tlaxcala^ Cueimavaca^)
Abb. 2. Grundriss und Aufriss des Tempels „Caracol" in Chi ch'en Itza.
(Nach Holmes.)
und in den Tempeln von Cempoallan im Staate Vera Cruz. Ein kleines,
durchaus gleichartiges Bild habe ich auch in Pcitzcuaro in der Provinz
Mechoacan gesehen. Dass die Schäfte der beiden Säulen, die das Portal
der Tempel-Cella des Castillo bilden, in auffallendster Weise solchen aus
den Ruinen des alten prähistorischen Tollan gleichen, hat schon Desire
Charnay mit grossem Nachdruck hervorgehoben. Die merkwürdigen
niedrigen Karyatiden endlich, die Teobert Maler in zweien der Tempel-
1) Vgl. Anales del Museo Nacional de Mexico. I. p. 270ff.
g78 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
o^ebäude von Chi ch'en Itza aufgedeckt liat^), uiui die im Relief als Träger
der Figuren, und oberhalb desselben als Träger der Balken, auch auf den
Pfeilern im Innern der Tempel-Cella des Castillo dargestellt sind, gleichen
durchaus ähnliclien Tragfiguren, die aus dem Gebiete von TlciJccala bekannt
geworden sind, und von denen eine im Museo Xacional de Mexico, zwei
andere in der Philipp Beckerschen Sammlung, jetzt im k. k. natur-
historischen Hofmuseum in Wien, aufbewahrt werden.
Mit der stärkste Beweis aber für den mexikanischen Ursprung des
yukatekischen Kukulcan liegt in der Existenz jener beiden, allein in
(Jhi ch'en Itza und Mayapan, den Städten Kuhilcayi's, bisher angetroffenen,
in ihrer Bauart von der sonst im Lande üblichen durchaus abweichenden
runden Tempel, deren schon Landa in Mayapan gedenkt, die auch
Stephens als merkwürdige und auffallende Gebäude sowohl von Mayapan
wie von Chi ch'en Itza abbildet^), und von denen der in Chi cKen Itza, dem
die heutigen Bewohner des Landes den Xamen Caracol „Schnecke" gegeben
haben, neuerdings sowohl von Maudslay, wie von Holmes, eingehend
studirt worden ist (vgl. Abb. "2). 'Es ist bekannt, dass dem mexikanischen
Quetzalcouatl runde Tempel erbaut wurden. Denn (Juetzalcouatl galt den
Mexikanern als der Gott des Luftraumes und des Windes, als der Kreisende,
Wirbelnde, und rund oder spiralgedreht war daher alles, was ihn angieng.
Rund, kegelförmig seine Mütze, das ocelo-copilli. Rund die Enden seiner
Kopfschleife und seiner Scham binde. Schneckenförmig eingerollt das
obere Ende seines Wurfbrettes. Aus dem spiralgedrehten Sclmecken-
gehäuse waren sein Brustschmuck und seine Ohrgehänge geschliffen. Lud
rund und spiral mussten daher auch seine Tempel sein. Dass der Caracol
von Chi ch'en Itza kreisförmig in seinem Grundriss ist. mit Oeffnungen nach
den vier Hauptrichtungen, und dass er auch noch in seinem Inneren einen
spiralgewundenen Gang enthält, der aus dem Erdgeschoss in das obere
Stockwerk führt, — ist, soweit mau überhaupt in solchen Dingen von
Beweisen reden kann — ein sicherer Beweis, dass er dem Windgotte ge-
widmet war. Die Mexikaner wussten von ihrem Gott Quetzalcouatl, dass
er der Gott des Windes war, und bauten iliui überall runde Tempel. In
den allerdings nur sehr mangelhaften Aufzeichnungen über die mytho-
logischen Gestalten der Yukateken hören wir nichts von einem Gott der
Winde. Auch über Kukulcan ist noch keine Stelle bekannt geworden, wo
er als solcher bezeichnet worden wäre. Und ininde Tempel finden wir in
Yucatan nur in den beiden Städten, die augenscheinlich unter Einfluss
der Mexikaner entstanden sind. Ich glaube, man wird die Folgerimg
nicht abweisen können, dass Kukulcan nicht bei den Yukateken ein-
heimisch war. und dass er auch nicht von irsrend welchen anderen
1) Vgl. die Abbildungen im Globus, Bd. 68, S. 288.
2) Incidents of Travel in Yucatan. Xew York 1843. I. p. 136. U. p. 298.
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan. 679
Nachbarn zu ihnen gekommen ist, sondern dass er der von den Mexi-
kanern nacli Yucatan verpflanzte Quetzalcouatl war.
Die leider arg' zerstörten Ruinen von Mayapan sind bislier noch nicht
genauer durchforscht und aufgononimen worden. Chi dien Itza ist dagegen
durch die Aufnahmen Desire Charnay's, durch die Arbeiten von
Maudslay und Holmes und besonders durch die Ausgrabungen unseres
Landsmannes Teobert Maler genauer bekannt geworden. Wie ich oben
schon angeführt habe, ist es der von Landa ganz kenntlich beschriebene,
auf hoher Pyramide gelegene Haupttempel „El Castillo", der den Namen
Kukulcan fülirte und der, wie Landa sich ausdrückt, beweise, dass die
Angaben der Indianer, Kukulcan habe einst in Chi clien Itza geherrscht, auf
Wahrheit beruhen. Dieser Tempel hat seine Hauptfa<;ade nach Norden.
An dem auf dieser Seite hinaufführenden Treppenaufgang ist der Anfang
der Treppenwangen von je einem Schlangenkopf gebildet. Und der Haupt-
eingang, der oben, auf der Höhe der Pyramide, in das Innere des Tempels
führt, ist durch zwei massige Pfeiler getheilt, die eine auf der ganzen
Länge des Leibes mit Federn bedeckte Schlange darstellen. Es ist nicht
unwahrscheinlich, dass diese Pfeiler die Veranlassung waren, dass zu
Landa's Zeiten dieses (iebäude als Kukulcan bezeichnet wurde. Ganz
ähnliche Pfeiler theilen auch den Haupteingang der nach Westen ge- ,
richteten HauptfaQade des von Maler als „Tempel der Jaguare und der
Schilde" bezeichneten Tempels, der dem südlichen Theil der Ostmauer
des Ballspielplatzes angebaut ist. Herr Maler bemerkt, dass er Feder-
schlangen-Pfeiler und Federschlangen-Säulen bisher nur an den Tempeln
von Chi cKen Itza und sonst in keiner der vielen von ihm untersuchten
Kuinenstädte Yucatan's gefunden habe. Und es ist gewiss eine interessante
Thatsache, auf die zuerst Herr Charnay aufmerksam gemacht hat, dass
ganz ähnliche Säulen in dem historischen Tollan^ im Norden der Haupt-
stadt Mexico sich finden. Eigentliche Abbilder des Gottes konnten diese
ornamentalen konstruktiven Theile kaum sein. Aber im Innern des
Tempels El Castillo befinden sich an den Thürpfosten und an den Seiten
der zwei Pfeiler, die das Gewölbe stützen, in gut ausgearbeitetem Relief
aufrechte männliche Figuren, die durch ihre Haltung und durch die Yer-
schiedenartigkeit ihrer Symbole die Yermuthung erwecken, dass sie gött-
liche oder mythische Personen darzustellen bestimmt sind.
Die auf den Seiten der Pfeiler skulpirten Figuren (Sammlung
Charnay Nr. 16) sind auf Tafeln stehend dargestellt, die von Karyatiden
getragen werden, und über ihnen sieht man die Bilder anderer Karyatiden,
die gleichsam die Deckbalken stützen. Die Figuren selbst sind in reicher
Tracht, aber nicht mit Kriegswaffen in der Hand gezeichnet. Die zweite
Figur trägt einen langen Bart; der Kopf der vierten ist ein fleischloser
Todtenschädel. Yielleicht dürfen wir diese Figuren mit den auf den
Blättern 25 — 28 der Dresdener Handschrift abgebildeten Gestalten (vgl.
680
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
oben S. 368 — 371) in Parallele stellen und sie als Bilder der in den vier
Himmelsrichtun2:en mächtiiren Gewalten deuten. Verwandte Fig-uren sind
auch auf den Pfeilern des im Osten des Castillo gelegenen Tempels zu
sehen, in dem Maler die oben erwähnten Tragfiguren gefunden hat, und
den er den ,,Tempel des grossen Göttertisches" nennt.
Abb. 3. Relief-Figur aus dem Innern des
Tempels „El Castillo" in Chi ch'en Itza.
Abb. 4. Relief-Figur aus dem Imiern des
Tempels „El CastiUo" in Chi ch'eti liza.
Individueller scheinen die beiden Figuren, die an den Pfosten der
Thüren einander gegenüberstehen (Sammlung Charnay Nr. 17): — die
eine (Abb. 3), die schon von Catherwood. aber ziemlich mangelhaft,
abgebildet ist'), ist die Figur eines stattlichen Kriegers. Er trägt eine
Stirnbinde aus Türkis-Mosaik, an der vorn ein mit dem Schnabel nach
1) Stephens. Incidents of Travel in Yucatan II. p. 314.
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan. 681
unten gerichteter Vogel sichtbar ist, wie man ihn ganz ähnlich an der
Stirnbinde des Feuergottes in mexikanischen Handschriften sieht. Um
den Hals trägt die Figur Abb. 3 einen breiten Schmuck der Art, die
die Mexikaner cozcapetlatl nannten. Dazu einen Ring um den Ober-
arm, von dem lauge Federn herabhangen, und einen riesigen, anscheinend
auch mit Türkis-Mosaik iukrustirten Kreuzspiegel {tezcacuitlapilli), der dem
breiten, vorn zusammengeschnallten Gürtel hinten aufsitzt. In der Linken
liält die Gestalt vier Speere, in der Rechten ein Wurfbrett. Was aber
diese Figur besonders auszeichnet, ist die grosse Schlange, deren Kopf über
dem Kopf der Figur sich vorstreckt, während der Leib in drei grossen
Krümmungen nach unten geht und der Schwanz, au dem die Crotalus-
Klappern deutlich sind, voi* dem Fuss der Figur zum Vorschein kommt.
Der Leib dieser Schlange ist, — mit Ausnahme der Bauchseite, an der
die Bauchschuppeii in ihrer natürlichen Erscheiimng sichtbar sind, — wie
mit einem Mosaik bedeckt, und von dem Rücken erheben sich in seinem
ganzen Verlauf sich kräuselnde Gebilde, die auch hier und da an der
Bauchseite hervortreten, und die man versucht ist, als sich kräuselnde
Federn zu deuten.
Die andere Figur des gegenüberliegenden Pfostens (Abb. 4) ist in der
ganzen Haltung und Ausstattung der vorigen ähnlich. Sie trägt auch die
Kopfbinde mit der Vogelfigur an der Stirnseite, aber reicheren Feder-
schmuck. Halssehmuck, Gürtel, das dreieckige Hüfttuch und der riesige
Kreuzspiegel sind die gleichen. Der Hing um den Oberarm fehlt. Dafür
ist der ganze untere Theil des Arms mit Fellstreifen umwunden, ähnlich
denen, die bei den meisten Figuren um das Knie, oder unterhalb desselben
angegeben sind. Der rechte Unterarm ist in dem Charnay'schen Ab-
klatsch nicht sehr gut herausgekommen, doch ist klar, dass auch hier die
rechte Hand ein Wurfbrett hält. Mit der Linken umfasst die Figur drei
Speere, deren Spitzen unter der linken Hand sichtbar sind, während die
befiederten Schaftenden über der rechten Schulter hervorsehen. Vor dem
Munde sieht man, den ganzen vorhandenen freien Raum füllend, ein in
merkwürdig ornamentaler Weise ausgestaltetes Zeichen der Rede, das
durch ein aufgesetztes Auge halb und halb in einen Ungeheuerkopf trans-
formirt erscheint. Aelmliche Redezeichen werden in grösserer oder
geringerer Ausbildung vielfach vor dem Munde dieser Chi cJien /tea-Figuren
angetroffen.
Dem auf hoher Pyramide gelegenen, unter dem Namen „Castillo'"
bekannten Haupttempel ist im Grundriss wie in der Ornamentation ein
anderer Tempel verwandt, der dem südlichen Theil der Ostmauer des
Ballspielplatzes angebaut ist und seine Fagade nach W^esten gerichtet hat.
Maudslay bezeichnet ihn auf seinem Plan als den Tempel A des Grossen
Ballspielplatzes, während Maler ihn den „Tempel der Jaguare uud der
Schilde" nennt. Er steht ebenfalls auf einem Unterbau, der den Ballspiel-
682
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
platz überragt, und sein llaupteing-aiig- ist in gleicher Weise wie der des
Tempels El Castillo durch zwei massige Federschlangen -Pfeiler in drei
Oeffnungeu gegliedert. Auch im Innern dieses Tempels finden sich
skulpirte Pfeiler (Sammlung Charnay Nr. 15), deren Figuren aber nicht
auf Karyatiden, sondern auf Masken stehen, die wohl im Flachrelief die-
selben Maskentypeu darstellen sollen, wie die tief gearbeiteten Relief-
Masken, die so vielfach die Aussenseite der Tempel schmücken. Die
Figuren dieser Pfeiler haben auch niclit bloss Streifenbündel in der Hand,
gleich den Pfeilerfiguren des Castillo und des Tempels
des grossen Göttertisches, sondern Wehr imd Waffen
gleich den Pfostenfiguren, die ich oben aus dem
Castillo abgebildet und beschrieben habe. Direkt
vergleichbar den Pfeiler-Figuren des Castillo und des
grossen Göttertisch-Tempels erscheinen sie auch in-
sofern nicht, als hier keine Figur mit Todtenkopf
darunter ist. Dagegen begegnen wir einer Figur
(Abb. 5), die als eine Parallele der Abb. 3 sich dadurch
kundzugeben scheint, dass sie ebenfalls von einer
Schlange begleitet ist, deren Vorderleib über dem
Kopfe der Figur, deren Schwanzende vor dem Unter-
schenkel sichtbar wird, während der übrige Theil des
Leibes auf dem schmalen Pfeiler nicht mehr zur
Anschauung gebracht werden konnte. Die Kopfbinde
aus Türkis -Mosaik ist hier genau in der Art der
mexikanischen Königskrone {xiuhuitzolli) gebildet, mit
dreieckigem Stirnblatt. Das cozcapetlati, der Gürtel
und der Kreuzspiegel sind die gleichen, wie in der
Abb. 3. Und auch der Oberarmring mit den lang
herabhangenden Federn fehlt nicht. Die linke Hand
hält auch hier ein Speerbündel. Und in der rechten
Hand ist das Wurfbrett deutlich.
Demselben Tempel gehört auch der schön ge-
schnitzte Deckbalken an, von dem Charnay einen
Abklatsch gemacht hat, der auf demselben Blatt (Sammlung Charnay
Nr. 15) von ihm kopirt worden ist. Maudslay bildet ihn auf Tafel 35
seines dritten Bandes ab. Die Zeichnung, die hier in Abb. 6 gegeben
ist, ist nach dto Charnay' sehen Abklatsch angefertigt worden. Hier
sieht man, von zwei gähnenden Keptilrachen eingefasst, zwei sitzende
Figuren. Zur Recl^ten erkennt man unschwer wieder den Mann mit der
Schlange. Der rechte Arm liegt vor der Brust, und die rechte Hand
hält ein Wurfbrett, dessen Ende über der linken Schulter sichtbar ist.
Ihm gegenüber sitzt in einem Sonnenbilde, das ganz an die Art erinnert,
wie in den mexikanischen Bilderschriften die Sonne dargestellt zu werden
Abb. 5. Relief-Figur
aus dem Innern des
„Tempels der Jaguare
und der Schilde" in
Chi ch'en Itza.
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan.
683
-/
pflegt, eine Gestalt, vor deren Kopfe man, ähnlich wie in Abb. 4, ein merk-
würdig- stylisirtes Zeichen der Rede sieht, das hier mit Auge, Nüstern und
Zcähnen ganz als ein Ungeheuer-, Reptil- oder Schlangenrachen ausgebildet ist.
Dem Unterbau des „Tempels der Jaguare
und der Schilde" ist an der Ostseite ein Saal an-
gebaut, dessen Front dem Ballspiclplatze zuge-
kehrt war. Maudslay bezeichnet ihn als ZinmierE.
Die Yorderwand ist zerstört. Von den Pfeilern,
die in der Mitte die Tragbalken stützten, sind
mir die Untertheile erhalten, die aber, so^veit
man sie noch erkennen kann, mit Skulpturen,
ilurchaus iihnlich denen der Pfeiler des Castillo,
bedeckt waren. Zwischen ihnen ist noch der
Rumpf eines Jaguars sichtbar. Die ganze Hinter-
wand und die Seitenwände aber waren mit Skulp-
turen bedeckt, von denen die der Hinterwand und
die der einen Seitenwand noch in grösserer Aus-
dehnung erhalten sind. Es sind sogar noch über-
all deutliche Spuren der Bemalung sichtbar, die
sie ehemals in ihrer ganzen Fläche bedeckte.
Fünf Reihen von Figuren sind hier über ein-
ander aufgebaut. So ist es wenigstens auf der
Hauptwand, der Hinterwand als nach Osten ge-
öffneten Gemaches, d. h. der westlichen Wand,
und auf der anstossenden Nordwand, noch zu
sehen. Auf <ler Südwand ist dagegen nur die
unterste Reihe und eine Figur der zweiten Reihe
erhalten.
Zu Unterst zieht sich um die drei Seiten des
Gemaches ein Fries aus einem Rankenwerk von
Blumen, zwischen denen allerhand Menschen-
figuren, Vögel, Fische vertheilt sind. Die Aus-
gangsstelle für die Rankon bilden Masken oder
Köpfe — wohl eine Art Regengottmaske — , die
in der Mitte jeder Wand und auch dazwischen
in angemessenen Abständen angebracht sind, und
die gewissermassen den in der Erde wurzelnden
Stamm der Bäume darstellen (Abb. 7 — 10).
Die sämmtlichen fünf Figurenreihen bestehen
aus zwei langen Reihen von Gestalten, die von
links und rechts auf einander zuschreiten und in der Mitte der Hinter-
wand zusammentreffen. In der untersten Reihe ist es deutlich, dass zwei
verschiedene Stämme dargestellt sein sollen. Denn die Figuren der linken
o
684
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Abb. 7.
Die ersten drei Figuren der linken Hälfte der untersten fünften) Reihe des Reliefs
an der Hinterwand des Saales E am Ballspielplatze in Chi cJi'en Itza.
Abb. S.
Figuren der untersten (fünften) Reihe des Reliefs an der Südwand des Saales E
am Ballspielplatze von Chi ch'eii Itza.
li». Qaetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan.
685
Abb. 9.
Die ersten drei Figuren der rechten Hälfte der untersten (fünften) Reihe des Reliefs an
der Hinterwaud des Saales E am Ballspielplatze vou Chi ch'en Itza.
Abb. 10.
Die vierte bis sechste Figur der rechten Hälfte der untersten (fünften) Reihe des Reliefs
an der Hinterwand des Saales E am Ballspielplatze von Chi ch'en Itza.
686 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
und der rechten Hälfte unterscheiden sich, wenn auch nicht so sehr dunli
Kleidung und Schmuck, so doch in auffallender Weise durch die Be-
waffnung. Die der linken Hälfte (Abb. 7 und 8) führen AVurfspeere mit
zackiger Holzspitze der Art. die die Mexikaner Üatzontectli nannten, und
Wurtbtetter (atlatl). die in ct?r Yomt^ow dem der oben in Abb. ö wieder-
gegebenen Pfeilerfigur und' auch von denen, die mau bei den augen-
scheinlich,yj»rnel>mereii Figuren der oberen Reihen sieht, abweichen. \T)ie
Figuren der ftjx-hten Hälfte der untersten Reihe dagegen tragen Spiesse
mit^langer Feuersteijispitze und einer grossen Federquaste unterhalb der
,^^^'^^lümfüguh'gstelle der Steinspitze. Die Führer beider Gruppen (vgl. Abb. 7
un^ 9) haben merkwürdiger Weise nicht die gleichen Waffen wie ihr
Q^efulge, sondern führen jeder eine Schlagwaffe, in der man das macquauitl
d€r Mexikaner, die schwertartige XVa^ffe, mit den zwei Schneiden aus
eingekitteten Obsidian- oder J^«rtier#teinsplittern, erkennen möchte. Der
Führer der linken Hälfte trägt ausserdem in der anderen Hand einen
Spiess, von dem al^iAzeichen ein Fischnetz herabhängt. Sein Kopf ist
leider zerstört. Aber es; ist offenbar, dass das Gesicht aus dem Rachen
eines grossen Fisclijfc hervor^ah. dessen Leib hint-er dem Leibe des Mannes
bis auf den Boden hängt. Auch unter den Figuren seines Gefolges sieht
man einige auffallende Verkleidungen. So schaut bei dem ersten der vier
in Abb. 8 wiedergegebenen Figuren das Gesicht aus dem offenen Rachen
einer Federschiauge hervor, das des zweiten ^is dem Rachen einer
schwarzgefleckteu Klapperschlange, das des dritten aus einem Reiher-
schnabel. Der Führer de^rechten Gruppe (^^bb. 9) scheint durch eine
Schädelhelmmaske mit aufgesteckten Papierfähnchen, dem bekannten
Todten- und Opferschmuck, ausgezeichnet zu sein und hat auch auf seiner
Schambinde allerhand Todessymbole angegeben. Von den jfem folgenden
Figuren fällt die Mehrzahl durch ihren reichen Federschihuck auf. Die
meisten scheinen überdies Masken vor dem Gesicme zu haben. L'eber
jeder Figur, sowohl der linken, wie der rechten Hälfte, ist — ganz in der
Art der mexikanischen historischen Malereien" — d'er Xame der Person
durch eine Hieroglyphe angegeben, und diese Hiefoglyphen sind nicht
von der bekannten kalkuliformen Art der Maya-Handschrifteu, sondern es
sind, wie in den mexikanischen Handschriften, einfache Bilder von Ob-
jekten, — eine Kröte," eine Sonnenblume, ein Baum, zwei Knochen und "
ein Grasbündel, eiije Taube, eine Axt. ein Haus, drei Yogelköpfe u/^. w.
In der auf die unterste folgenden vierten Reihe sieht man in der
Mitte des Bildes, zwischen den beiden auf einander zuschreitenden Reihtjn
(vgl. Abb. 11) eine merkwürdige Figur, an der man eine Maske vor dem
Gesicht, eine grosse Ohrscheibe, von einer Perlenkette umwundenes Haar
mit einem Federschmuck nach Art des mexikanischen Kriegerschmucks
aztcuveUi, darunter den Rumpf und die Beine und die dicht mit Fell^reifen
umwundenen Arme erkennt. Die Brust ist mit einer orosseu G/^scheibe '
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan.
687
geschmückt. Die Hüften mit einem Tucli umwunden, wie bei den mexi-
kanischen Götterfiguren, wo das mit den Worten — .viuhtlalpüli motzinil-
piticac — beschrieben wird, darüber aber sieht man einen steifen Gürtel,
der einen fast an die Gürtel der Figuren der Reliefs von Santa Lueia
Cozumalhuaj)a erinnert. Die linke Hand soll augenscheinlich einen Schild
halten. Die rechte Hand aber fehlt! Und an dem Rumpf und den Gliedern
scheinen nach hinten überall Flammen zu lodern. — Eine Figur, wie diese.
Abb. 11. Figiu-en aus der Mitte der dritten und vierten Reihe des Reliefs an der
Hinterwand des Saales E am Ballspielplatze von Chi ch'en Itza.
ist nur zu verstehen, entweder als ein Idol, ähnlich dem, das die Mexikaner
am Feste Izcalli dem Feuergott aus einem Gestell aus Reisig und Zweigen
aufbauten und mit der Maske und dem gesammten Schmuck des Gottes
behängten, oder als eine, sozusagen, Kenotaphfigur, eine Figur eines
Verstorbenen, die in ähnlicher Weise aus Reisig und Zweigen angefertigt,
mit Kleidern, Maske und Schmuck ausgestattet wurde, um bei der Toten-
erinnerungsfeier sammt den Gaben, die frommer Sinn den Toten
spendete, und die als Geschenke gedacht waren, die der Tote dem Herrn
ß88 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
der Unterwelt bei seinem Eiutreifeu dort zu überreichen verpflichtet war,
verbrannt zu werden. Ich möchte mich für die letzte Auffassung ent-
scheiden, ilenu dafür scheinen in der Tliat die Flammenzungen zu sprechen,
die man überall aus der Figur herausschlagen sieht. Diese Figur, die im
Zentrum des Bildes gerade in Augenhöhe angebracht ist, bildet für mich
den Schlüssel für die Erklärung dieses ganzen Reliefs. Hinter ihr sieht
man nämlich in zwei mächtigen Windungen und mit dem Kopf in die
darüber folgende «Iritte Figurenreihe reichend, eine grosse Federschlange.
Diese ist, wie der Augenschein lehrt, keine Verkleidung, keine Helm-
maske der Figur, neben der sie angebracht ist, der eben besprochenen,
sozusagen, Kenotaphfigur. Ich kann sie daher nur als ein Seitenstück
zu den kleineren Bildern auffassen, die in der untersten fünften, und
auch in dieser vierten Reihe, neben oder über den' Figuren angegeben
sind und offenbar den Namen der betrefi'enden Figur wiedero-eben. Ich
meine also, dass dieses grosse Bild der Federschlange uns Quetzalcouatl
auf mexikanisch, oder Kukidcun in der Maya- Sprache, als den Namen
der eben besprochenen Kenotaphfigur angibt, dass dieses ganze
Relief eine Darstellung der viel wiederholten Erzählung von dem Tode
Quetzalcouatl' i^ oder einer Feier zur Erinnerung dessen, ist. Und ich glaube,
dass auch die übrigen Theile dieses Bildes zu dieser Erklärung stimmen.
In den untersten fünften Reihe hätten wir die beiden Stämme darge-
stellt, die Fischerbevölkerung der Küste — sagen wir die Olmeca oder die —
chah-car vinak xqui canah chila relebal k'ih
Tapcu Oliman qui hi
„die Ballspiel- und Fischleute, die sie dort im Sonnenaufgang
zurückliessen,
Tapcu Oliman werden sie genannt'' ^) —
und die durch die grossen Federschmucke {quetzalapanecayotl') berühmten
Tabasco-Leute oder das eigentliche Volk Quetzalcouatrs, die Mexikaner,
die Tolteken, die Yaqui vinak der Qu'iche-Sagen.
In der nun folgenden vierten Reihe sehen wir dieselben oder andere
Stämme, der oben beschriebenen Scheiterhaufenfigur Quetzalcouatl' %, vor
der aus Decken und Mänteln, wie es scheint, ein Sitz oder Tisch auf-
gebaut ist, Gaben bringend nahen. Von rechts her kommen (vgl. Abb. II)
zwei Figui'en, die schwere Ketten aus Perlen oder Federwerk bringen.
Das Zeichen der Rede vor ihrem Munde ist vollständig als blühende
Ranke gezeichnet. Eine blühende, fein stylisirte, schmuckvolle Rede
scheint dadurch zum Ausdruck gebracht werden zu sollen. Ihnen folgen
Kriegerfiguren, die mit Speerbündel und einem Wurfbrett von der ge-
wöhnlichen Form der Chi cKen itea-Figuren bewaffnet sind, und die auch
vielfach schon als Mittelstück des Halsschmuckes die merkwürdige — wohl
1) Popol Vuh, Buch 3, cap. 9.
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan.
689
eine stylisirte Vogelfigur darstellende — Platte tragen, die wir ganz all-
gemein bei den Figuren der oberen Reihen sehen. — Auf der linken
Seite der Quetzalcouatl-Figur sind, auf den Führer folgend (der in Abb. 11
noch angegeben ist), andere Gabenbringer, die, wie es scheint, Feder-
schmucke darbringen.
Die dritte Reihe darüber (vgl. Abb. 11) enthält nur Kriegerfiguren, die
in ähnlicher Weise, wie die der vierten Reihe, mit Speerbündel und
Wurf brett bewaffnet, aber mit reicheren Federschmucken ausgestattet sind.
Das sind wohl die hervorragenderen Krieger, die Fürsten und die Könige. Sie
bringen keine Gaben dar, aber kommen, sich verneigend und ihre Waffen
darbietend, wie man auf dem grossen Quauhxicalli Königs Ti^oc, der an
dem Orte des grossen Tempels in Mexico stand, die unterworfenen Stämme
ilire Waffen darbieten sieht. \ Merkwürdig ist die Form, die das Zeichen
Abb. 12. Figuren aus der zweiten Reihe des Reliefs an der Hinterwand des Saales am
Ballspielplatz in Chi ch'en Itza.
der Rede bei diesen Figuren hat, das z. B. bei dem Führer der rechten
Gruppe (siehe Abb. 11) ganz in die Gestalt eines Schlangenrachens um-
gewandelt worden ist.
Die beiden obersten Reihen springen dachartig über den unteren Theil
tler Wand vor. Auf der rechten Seite sieht man lange Reihen von Krieger-
figuren, ähnlich denen der dritten Reihe und in ähnlicher Haltung. Von
den Figuren zur Linken ist in den beiden Reihen nur die erste Figur
erhalten. Die der zweiten Reihe (Abb. 12) hat hinter sich die Figur
einer Schlange, die au der ganzen Länge ihres Leibes mit sich kräuselnden
Gebilden besetzt ist, die ebenso, wie der Leib, eine schuppige oder mosaik-
artige Zeichnung aufweisen. Aielleicht soll das ein dem Xiukcouatl, der
„Türkisschlange", der Mexikaner entsprechendes Wesen sein. Die erste
Figur der linken Seite der obersten Reihe sitzt auf einem Stuhle, der in
der Gestalt eines Jaguar oder Puma geschnitzt ist, und ist von einem
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 44
690
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entziflferuntr.
Sounenbilde umgeben. Das Zeichen der Rede hat hei ihm eine ähnliche
Schhingenrachengestalt, wie bei dem Führer der rechten Seite in der
Reihe III. Yielleicht sollen diese beiden Figuren nicht Menschen, sondern
Götter darstellen. Ohne Zweifel müssen wir sie den beiden Figuren ident
ansehen, die auf dem oben S. 683 in Abb. 6 wiedergegebenen geschnitzten
Deckbalken aus dem Innern des Tempels der Jaguare und der Schilde al>-
gebildet sind. Und ebenso werden wir die Pfeilerfigur Abb. 3 (oben
S. 680), die von einer Schlange ganz gleicher Art begleitet ist, der linken
Fisrur der Abb. 12 2:leiclisetzen müssen.
Bezüglich dieser höchst interessanten Reliefs möchte ich zunächst
hervorheben, dass die ganze Zeichnung und die Tracht und Ausstattung der
Figuren ebenso sehr an die mexikanischen Bilderschriften und die mexika-
nischen Skulpturen erinnern, wie sie von den Maya-Handschriften, und auch
von den Skulpturen der südlichen, dem Zentrum der Mayakultur angehörigen
Abb. 13. Figuren aus der ersten (obersten) Eeihe des Reliefs an der Hinterwand des
Saales E am Ballspielplatz in Chi ch'en Itza.
Ruinen-Städte abweichen. Dass das Kopfband aus Türkis-Mosaik bei ver-
schiedenen dieser Figuren genau die Form der mexikanischen Königskrone
hat, habe ich schon hervorgehoben. Der Vogel, der bei einigen an der Stirn-
seite des Kopf bandes zu sehen ist, erscheint in mexikanischen Bilderschriften
als eine Besonderheit der Tracht des Feuergottes. Aber auch das tezcacuitla-
pilH, die mit Türkis-Mosaik inkrustirte Scheibe, die über dem dreieckigen,
um die Hüften geschlagenen Tuch, an dem breiten, den Leib umschliessenden
Gürtel hinten befestigt ist, ist ein acht mexikanisches Trachtstück. Die
Figuren der Maya-Handschriften zeigen über einem anscheinend aus festem
Material gearbeiteten Gürtel ausnahmslos eine hinten hervorragende Schleife
der Schambinde. Und das Gleiche sieht man, wo in den Skulpturen der süd-
lichen Ruinenstädte Fig-uren im Profil gezeichnet sind. Ornamentale Stücke,
Masken und dergleichen, werden in diesen Skulpturen vorn am Gürtel an-
gebracht. Man muss in den Bilderschriften der Codex Borgia-Gruppe nach-
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan. 691
sehen, um die mit Türkis-Mosaik inkrustirten Kreuzspiegel der Chi cKen
/tea-Skulpturen wiederzufinden. In diesen Handschriften sind sie aber
regelmässig bei den Figuren angegeben. Und ebenso an Skulpturen aus
verschiedenen Theilen des mexikanischen Gebiets. Allerdings meist nur
an solchen, die einen gewissen archaischen Charakter an sich tragen. Von
den Mexikanern der historischen Zeit scheint dieser tezcacuitlapiUi (wört-
lich: „Spiegelschwanz") als ein besonderes Stück göttlicher — oder viel-
leicht toltekisch-göttlicher — Tracht angesehen worden zu sein. Denn
bei der viererlei Kleidung, die König MotemihQoma dem als der wieder-
kehrende Quetzalcouatl betrachteten Cortes entgegenschickt, und die aus
den Kostümen Quetzalcouatl'^ (eigentlich des Feuergottes), Tezcatlipoca's,
Tlalocs und des Windgottes Quetzalcouatl bestand, wird der tezcacuitlapiUi
regelmässig angegeben und im Text als — iuhquin xiuhchimalli tlacciuhtza-
cutli xiuhtica tlatzacutli tlaxiuhgalolli „eine Art Türkis-Scheibe, mit Türkis-
Mosaik inkrustirter Scheibe" — bezeichnet und in der Uebersetzung mit
— „una medalla grande hecha de obra de mosaico que lo llevaba y ceiiida
sobre los lomos" — näher beschrieben.
Mexikanisch gekleidete Krieger, mit unverdrückten, normal gebildeten
Köpfen, haben wir auf diesem Relief vor uns, die nach der in den
mexikanischen Annalen üblichen Art hieroglyphisch bezeichnet sind.
AVenn wir also in dem Zentrum dieser Darstellung, als die Figur, auf die
hin das ganze Relief aufgebaut ist, eine Gestalt finden, die mit grosser
Wahrscheinlichkeit als eine Kenotaphfigur Quetzalcouatl- Kukulcan\ zu er-
klären ist, so verstärkt das, meine ich, gewiss die Gründe, die dafür
sprechen, dass der yukatekische Kukulcan nndi alles, was mit ihm verknüpft
ist, nur ein mexikanischer Import ist.
Es gibt indes in den Ruinen von Chi cKen Itza noch eine andere Dar-
stellung Quetzalcouatl- Kukulcan\^ der noch weniger, ja kaum etwas,
Hypothetisches anhaftet, und die ich nur deshalb nicht an erster Stelle
genannt habe, weil sie mir den Gott in einer besonderen Rolle, wie es
scheint als Herrn des Kalenders und identisch mit dem Morgenstern, zur
Anschauung zu bringen scheint. Wir verdanken die Kenntniss dieser
Figur den rastlosen, mit Verstand und Sachkenntniss ins Werk gesetzten
Bemühungen des Hauptmanns Teobert Maler. Im Norden der hohen
Tempel-Pyramide El Castillo liegt ein Mausoleum, das Holmes auf seinem
Plan als „Temple of the Coues" bezeichnet — (wegen gewisser kegel-
förmiger Steine, die eine Simsbekrönung gebildet zu haben scheinen) — ,
während Maler ihm die Benennung Mausoleum III gibt. Es war, wie
Maler mittheilt, schon von Le Plongeon aufgebrochen worden, der hier
die grosse steinerne Urne mit dem zaz-tun, der Krystallkugel, fand. Auf
der Höhe der Plattform befand sich einst eine halb liegende Figur, ähn-
lich der von Le Plongeon in einem anderen benachbarten Mausoleum
gefundenen und mit dem Namen Chac-mol getauften Figur, die jetzt im
692
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Museo Nacional iu JMexico aufbewahrt wird. Diese ist aber schon seit
langem von den Spaniern gesprengt und herabgeworfen worden. Ihre Stücke
liegen zerstreut am Fusse des Grabmals. Wichtiger und interessanter als
diese Figur aber sind vier flach-erhabene Bildwerke, von denen ich in
Abb. 14: eins wiedergegeben habe. Diese befanden sich in der Mitte der
vier Aussenflächen, rechts und links eingefasst von Skulpturstücken, die
unzweifelhaft gewisse Zeitperioden darstellen, unter sich aber ganz gleich-
artig sind, und von denen die Abb. 15 eines zur Anschauung bringt.
Das flach-erhabene Bildwerk Abb. 14 zeigt uns ein Menschengesicht,
das mit einer stufenförmig sich verjüngenden Naseuplatte geschmückt jist
— ähnlich der, die in den Bilderschriften der Codex Borgia-Gruppe die
Abb. 14. Quetzalcoiiatl-Kukuh-aii, Relief am Mausoleum III in Chi ch'eti Itza.
(Nach Photographie von Teobert Maler.)
Göttin XocJiiquetzal trägt — , und dieses Menscheugesicht schaut aus dem
geöffneten Rachen einer Schlange hervor, die als solche durch die sich
gabelnde Zunge und die durch gekreuzte Striche markirten Flecken ge-
kennzeichnet ist. Die Schlange selbst ist mit Armen versehen, die in
Jaguartatzen enden.\ Und auf der Mittellinie der Nase, über den Augen-
brauen und in der ganzen Länge der Schultern und Oberarme erheben
sich mächtige Quetzalfederbüschel. Dass dieses Bildwerk die Feder-
schlange, den Quetzalcouatl oder Kukulcan darstellen soll, unterliegt wohl
keinem Zweifel. Teobert Maler nennt es Quetzalcouatl-Chacmol — an-
gemessener würde man vielleicht Kukulcan-Chacmol zusammensetzen —
wegen der in Jaguartatzen endenden Arme. Denn chac sei „roth oder
gelb", mool „Tatze"- oder „Fährte". Es scheint mir aber etwas gefährlich
und auch unnütz, den Namen Chac-mol, der ja — allerdings in ganz
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan.
693
willkürlicher, absolut unberechtigter Weise — von Le Plongeon den
halb liegenden Figuren beigelegt worden ist, nun in ganz anderer Weise
zu verwenden. Ich meine, es genügt, ■ Quetzalcouatl oder Kukulcan zu
sagen, vielleicht mit dem Zusatz „als Federschlange". Diese Bildwerke
haben ihre Parallele in den im Hochlande von Mexico zahlreich auf-
gefundenen Skulpturen, die uns eine in der Regel aufgerollte Feder-
schlange vor Augen führen, aus deren geöffnetem Rachen ein Menschen-
gesicht hervorsieht. Es dürfte bekannt sein, dass dieses Menschengesicht
nicht selten — wie z. B. bei dem ausgezeichneten Stück des Trocadero-
Museums — mit den Schmuckstücken (Ohrgehängen) geschmückt ist, die
für den Grott Quetzalcouatl kennzeichnend sind. Gegenüber den Bildern,
die uns den Gott in menschlicher Gestalt zeigen, stellen diese Skulpturen,
— und so auch unsere Abb. 14 —
den Gott in seiner Verkleidung dar.
Oder vielleicht geben sie auch nur
gewissermassen die Hieroglyphe,
den Xamen des Gottes, anstatt ihn
selbst in Person uns vor Augen zu
stellen.
Ich sagte oben, dass die Bild-
werke Abb. 14 den Gott in der be-
sonderen Rolle als Kalendergott,
als identisch mit dem Morgenstern,
darzustellen scheinen. Das kann
man aus der Vergesellschaftung mit
den chronologischen Bildwerken Ab-
bildung 15 erschliessen. Diese
letzteren sind von hohem Interesse.
Ich habe leider nicht feststellen
können, wie viele dergleichen Steine
vohl an dem Mausoleum vorhanden gewesen sind. Jeder einzelne Stein zeigt
in der einen Hälfte, die wohl ursprünglich die rechte Seite bildete, ein
Element, das in lapidarem Stil das Zeichen wiedergibt, das in den Bilder-
schriften der Gruppe der Wiener Handschrift und auch im Codex Borgia
zur Bezeichnung eines Jahres verwendet wird (Abb. IG). In der Form der
Bilderschriften sieht man deutlich, dass es aus einem Ring und einem
Strahle besteht, die in einander verschlungen sind. Es ist also gewisser-
massen eine Abbreviatur des Sonnenbildes, dessen beide wesentliche
Elemente es enthält. \ Es bezeichnet einen Sonnenlauf. Unter diesem Symbol
des Jahres sieht man in Abb. 15 eine Schleife und dann etwas wie eine
Anzahl Halme, die an zwei Stellen zusammengenommen oder zusammen-
gebunden sind. Das Ganze kann wohl zweifellos als Ausdruck des xiuh-
molpiäi, des Jahresbündels, angesehen werden, von dem ich in Abb. 17
Abb. 1.5. Periode von 8 x 52 Jahren.
Relief am Mausoleum III in Chlchenitza.
(Nach Photographie von Teobert Maler.)
694 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
eine der kursiveren, in späteren Bilderschriften üblichen Formen wieder-
gegeben habe, und das, wie allgemein bekannt, den Zeitraum von 52 Jahren,
das aus der Tonalatfiatl-lRechniin'^ sich ergebende Saeculum der Mexikaner,
bezeichnete. Die ganze rechte Hälfte des chronologischen Steines Abb. 15
würde daher acht solche Saecula, oder einen Zeitraum von 8 X 52 Jahren
zur Anschauung bringen.
Auf der linken Seite ist der Stein Abb. 15 leider nicht vollständig.
Und ich habe auch unter den verschiedenen Aufnahmen, die der Haupt-
mann Maler von den "Werkstücken dieses Mausoleums gemacht hat, keinen
vollständigen gesehen. Immerhin, glaube ich, kann man erkennen, uass
hier auf der linken Seite, in lapidarem Stil, die Hieroglyphe des Planeten
Yenus wiedergegeben werden sollte, die Förstemann zuerst in der
Dresdener Handschrift aufgefunden hat, und von der ich in Abb. 18 einige
Formen zur Anschauung bringe.
"Was hat nun dieses Nebeneinander der Hieroglyphe des Planeten
Yenus und des Zeitraums von 8 X 52 Jahren auf den Steinen Abb. 15 zu
Abb. 16. Abb. 17. xiuhmolpiUi s. toxiuhmolpia
cc xiuitl ^ein Jahr"*. „Jahresbündel" oder „unsere Jahre
Bilderhandschrift der werden gebunden" = Periode von
K. K. Hof bibliothek 52 Jahren. (Historia mexicana.
in Wien. Manuskript der Sammlung Au bin -
Goupil.)
bedeuten? Es besagt, dass dieser Zeitraum auch mit Beziehung auf die
Yenus seine besondere Bedeutung hat, dass er gewissermassen eine grosse
Yenusperiode, eine Yenus -Aera darstellt. Es ist nämlich dieser Zeitraum
von 8 X 52 Jahren genau gleich 260 Yenusumläufen , deren einzelner
bekanntlich nahezu genau mit 584 Tagen anzusetzen ist. \ Diese grosse
Periode enthält also die beiden Hauptperioden, die neben der Jahrzählung
und unabhängig von dieser und unabhängig von einander bestanden, das
Tonalamatl und die Yenusperiode, vereinigt. Das ist ihre Bedeutung und
das ist jedenfalls der Grrund, weswegen wir diese Steine hier aufgestellt
finden zu den Seiten der Bilder Quetzalcouatl-Kukulcans, des Gottes, der
nach seinem Tode sich in den Morgenstern verwandelt haben soll, des
alten Priesters, dem die Erfindung des Kalenders, der Wahrsagekunst, der
Zauberei und jeglicher priesterlicher Wissenschaft zugeschrieben wurde.
Noch ein drittes ausgezeichnetes Bild Quetzalcouatl-Kukulcan ^ wird
man, vielleicht, au den Gebäuden von Chi cKen Itza finden. Das ist die
Figur, die sich über dem an der Ostseite gelegenen Eingang des nach
19. Quctzalcouatl-Kukulcan in Yucatan.
695
Osteu vorgeschobeneu Flügels der Casa de Moujas — von Maler als
„Inschriften-Tempel" bezeichnet — findet. Ich wage aber nicht, darüber
eine bestimmtere Meinung zu äussern, da die Bilder dieser Figur auf den
Photographien, die mir bisher zu Gesicht kamen, zu kleip sind. Ein Um-
stand lässt mich aber muthmassen, dass auch diese Figur den mexikanisch-
toltekischen Gott Quetzalcouatl - Kukulcan darstellt. Und das ist, dass
unter ihr ein schmales Band sich findet, von dem Maudslay eine genauere
Abbildung gegeben hat (vgl. Abb. 19), auf dem die Hieroglyphe der Yenus
•mn'mL
Abb. 18. Hieroglyphe des Planeten Venus nach der Dresdener Handschrift und von dem
Altar R in Copan.
GSiEi'-i
Abb. 19. Schmales Eeliefband über dem Thüreingang des Ostflügels der Casa de Monjas
in Chi ch'en Itza. (Nach Maudslay.)
wiederholt, und zwar in einer solchen Weise dargestellt ist, dass man zu
der Yermuthung gedrängt wird, es sollten hier ihre Konjunktionen mit
anderen Sternen zur Anschauung gebracht werden. Was für Sterne das
sind, darüber erlaube ich mir allerdings vor der Hand noch keine Muth-
massung.
Die Thatsache aber, dass hier auf diesem Boden, wo mexikanische
Stämme thätig waren, wo sie die Gebilde ihrer mythischen Phantasie und
die Gestalten ihrer Krieger, in Wehr und Waffen und in vollem Putz, an
den skulpirten Steinwänden uns hinterlassen haben, das Gestirn des
696
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Abb. 20.
Planeten Venus und seine Perioden in hervorragender Weise dargestellt
worden sind, ist ein Beweis, dass diese alten mexikanischen Stämme die
volle Kenntniss dieser astronomischen Verhältnisse besassen, wie sie die
Maya- Völker, die die grossen, im Süden der Halbinsel Yucatan gelegenen
Städte erbauten, zweifellos auch besessen haben. Fragt man aber, auf
wen etwa die Legung der Grundlinien dieser Wissenschaft zurückzuführen
sei, so fällt, meiner Meinung nach, doch sehr ins Gewicht, dass nach all-
gemeiner Tradition Quetzalcouatl als der Erfinder des Kalenders bezeichnet
wird, dass er gleichzeitig von der Tradition zu dem Morgenstern in direkte
und persönliche Beziehung gebracht wird, dass aber Quetzalcouatl zwar
überall in mexikanischen Landen bekannt ist, im Gebiet der Maya-\ölker
aber nur da, wo die Mexikaner ihren Fuss hin-
gesetzt haben, oder wo die Mexikaner unmittel-
bare Nachbarn waren.
Die alte Tradition, dass Kukulcan in Chi cKen
Itza einst geherrscht habe, und dass er dort in
den Tempeln noch zu sehen sei, hat also eine
Musterung der Baulichkeiten und der in ihnen
noch erhaltenen Skulpturen voll bestätigt.' Gleich-
zeitig hat sich aber auch ergeben, dass diese
Skulpturen und diese Bildwerke auf das deut-
lichste das Gepräge mexikanischer Kunstübung
tragen, — freilich einer älteren und eigenartig
entwickelten Schicht dieses grossen Volks-
stammes angehörend, einer Zeit, in der noch
nicht die besondere Form der Gesichtsmaske des
Idols von Cholula in der Kunstübung und der
Hieroglyphik zu allgemeiner Annahme gelangt
war. Es erhebt sich nun die Frage, ob wir nun-
mehr annehmen müssen, dass Kukulcan auf diese
Orte, auf die Stützpunkte der mexikanischen In-
Aus dem Bericht des P. Hernandez wissen wir,
dass in den Maya sprechenden Ländern das gewöhnliche Volk nur die Götter
Itzamna^ Bacab, Ekchuah, Lvchebelyad-, Ixchel kannte und nichts von
Kukulcan und seinen Genossen wusste. Dagegen sagt uns der Bischof
Landa. dass, bis zu dem Eindringen des Christenthums, in dem Gebiet
der alten Festung Mayapan, in Mani, die Fürsten und die Priester und
zahlreiches Volk im November dem Gotte Kukulcan ein Fest feierten.
Und der P. Hernandez stellt dem gewöhnlichen Volk die Fürsten
gegenüber, d. h, also die in priesterlicher W^issenschaft unterrichteten,
gebildeten, oberen Schichten, die „in all diesen Dingen Bescheid wissen".
In der Litteratur, in den von den Gebildeten verstandenen Bilder-
schriften und ihren monumentalen Aequivalenten werden wir also auch
Abb. 21. Kakiil can. ('0
Dresdener Handschrift 4 a.
vasiou, beschränkt war.
19. Quetzalcouatl-Kukulcaii in Yucatan.
697
in dem eigentlichen Maya- Gebiet der Figur Kukulcari's zu begegnen er-
warten dürfen.
Der P. Hernandez berichtet uns, dass Kukulcan der erste in einer
Reihe von 20 Gottheiten gewesen sei, die er alle mit Namen zu nennen
wusste. Es ist sehr zu bedauern, dass Las Casas sich nicht die Mühe
gegeben hat, die krausen Schriftzüge dieses Priesters zu entziffern, und
Abb. 22. Der junge Gott, Dresdener Handschrift 4c, Ga, 7 c, IIa, 12b.
Abb. 23. Dresdener Abb. 24. Der Gott mit dem chicchan-¥\&ck.
Handschrift 12c. Dresdener Handschrift Tb, 21c; Codex Tro 9*b; Dresdener
Handschrift 69: Codex Tro 12.
diese Namen, die für uns von höchstem Interesse wären, uns verschwiegen
hat. Zweifellos aber dürfen wir annehmen, dass diese 20 Gottheiten die
Titular-Gottheiten des Kalenders waren. Ob die Eeihen von Titular-
Gottheiten des Kalenders, wie wir sie in den mexikanischen Bilderschriften,
insbesondere den Büchern der Codex-Borgia-Gruppe, antreffen, überhaupt
698 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entziffernng.
in den Maya-Handscliriften vorhanden sind, ist eine noch offene Fraye.
Aber Reihen von '20 Gottheiten oder mythischen Personen sind in der
Dresdener Handschrift an zvrei Stelleu vorhanden. In der obersten Reihe
der Blätter 4 — 10 sind 20 Gottheiten in ganzer Figur und mit Haupt-
uud drei Xeben-Hierogh'])hen dargestellt, während die Hieroglyphen-
Gruppe Abb. 20 als Leit-Hieroglyphe, die ohne Zweifel die Bedeutung
der ganzen Reihe zum Ausdruck bringt, bei jeder der 20 Figuren sich
wiederholt. Eine zweite Reihe von 20 Gottheiten oder mythischen
Personen ist auf den Blättern 46—50, auf der linken Hälfte der Blätter
in der vierten und achten Hieroglyphen-Reihe, durch ihre Hieroglyphen
dargestellt. Vielleicht sieben davon stimmen mit Figuren der zuerst ge-
nannten Reihe überein. Die anderen sind neu. Doch ist nicht aus-
geschlossen, dass wir unter ihnen vielleicht weniger Gottheiten oder
mythische Personen, als Sternbilder zu erkennen haben.
Was die Leit-Hieroglyphen-Gruppe Abb. 20 bedeutet, ist noch nicht
mit Sicherheit festgestellt. Die erste Hieroglyphe enthält den Kopf des
Blitzthieres (des Hundes?) und das Element des Steins und als drittes ein
Element, das vielleicht einen Flügel oder einen Vogel darstellt, alle drei
verbunden mit einem vierten Element, dass als die aufgelöste Form einer
der Hieroglyphen für „Mann" zu erklären ist (vgl. oben S. 405 u. 415), und
das vielleicht mit ah-, dem Praefixe männlicher Personen, zu übersetzen ist.
Die zweite Hieroglyphe enthält die beiden Elemente manik, die vermuthlich
als Darbringung zu deuten sind (vgl. oben S. 471, 472). Ebensowenig
vermag ich jetzt schon eine bestimmte Meinung darüber zu äussern,
ob die Reihe der 20 Gottheiten auf den Blättern 4 — 10 der Dresdener
Handschrift die Kalender- Gottheiten darstellen soll oder nicht. Die
Tonalamatl-Ahschnitte, die bei den einzelnen Figuren angegeben sind,
zeigen unregelmässig wechselnde Distanzen. Aber merkwürdig ist es
doch, dass, die erste Figur in dieser Reihe von 20 Gottheiten (Abb. 21)
einen langschwänzigen, quetzalartigen Vogel auf dem Rücken (als Devise?
oder als Helmmaske?) trägt und in der Hand eine Schlange hält, also
gewissermassen die beiden Elemente des Namens Quetzalcouatl oder
Kukulcan in seiner Person veranschaulicht, und dass diese Figur'"— die
einzige in der Dresdener Handschrift — ein Halsband von Schnecken-
gehäusen, den Schmuck Quetzalcouatl'^^ trägt, und dass die einzigen Ent-
sprechungen dieser Figur, die ich, und zwar aus dem Codex Tro, gleich
nachweisen werde, ebenfalls das Halsband von Schneckengehäusen haben.
Schellhas hat diese Figur in seiner Liste unter dem Buchstaben H
und der Bezeichnung „Schlangengott" mit zwei ganz anderen Figuren
zusammengeworfen, mit dem jungen Gott Abb. 22 und mit der ganz ab-
weichenden Gestalt Abb. 24. Die Götter Abb. 21 und 22 ähneln sich ja
allerdings in der Haupt-Hieroglyphe. Aber Gesichtsbildung, Gesichts-
bemalung und Tracht sind ganz abweichend, und die Begleit-Hieroglyphen
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan. 6
sind durcliaus anders. Scliellhas betrachtet die lialbkreisförmige, orna-
raentirte und umsäumte Scheibe, die zum Theil an der Schläfe der
Figuren und ausnahmslos an der Schläfe der Haupt-Hieroglyphe zu sehen
ist, als Schlangenzeichnung, indem er sie mit einem ähnlich gestalteten
Fleck in der Hieroglyphe chicchan (das ist das dem Tageszeichen couatl
^Schlange" entsprechende Tageszeichen) vergleicht. Zunächst möchte ich
bemerken, dass diese Zeichnung keine „Schlangenschuppe" ist, wie
Schellhas sie immer nennt, sondern ein dunkler Hautfleck. Das lehrt
ein Blick auf das dem Codex Cortes 12b entnommene Stück Schlangeu-
leib (Abb. 24, an der rechten Seite), das ich übrigens schon bei meiner Er-
läuterung des Zeichens chicchan^) zum Vergleich daneben gezeichnet habe.
Die halbkreisförmige Zeichnung auf der Schläfe in unseren Abb. 21 und 22
unterscheidet sich aber von dem chicckan-Fleck durch zwei sehr wesentliche
Merkmale. Der ckicchan-Fleek ist auf seiner Fläche mit sich kreuzenden
Strichen ausgefüllt. Wo diese fehlen, ist die gekreuzte Strichzeichnung,
wie das z. B. bei der Netzmantel-Zeichnung fast allgemein geschah, mit
rother Tinte gemacht gewesen und ist ausgeblasst. Der Schläfenfleck der
Abb. 21 und 22 zeigt auf seiner Fläche — ausnahmslos in sämmtlichen
Hieroglyphen — eine dreitheilige Ornamentation, die vielleicht eine Nase
und zwei Augen andeuten soll. Der chicchan-Fleck ist ferner mit einzelnen
schwarzen Flecken umsäumt, ähnlich den schwarzen Flecken in der
Hieroglyphe oc. Der Schläfenfleck der Abb. 21 und 22 ist von dicht
aneinanderstossenden unkolorirten Kreisen oder Doppelkreisen umsäumt,
die möglicherweise Federn zum Ausdruck bringen sollen. Der ächte
chicchan-Fleck ist in der Hieroglyphe der Person Abb. 24 zu sehen. Sie
mag man, wenn man will, als Schlangengott deuten. Die Abb. 21 und 22
haben mit einer Schlange als wesentlichem hieroglyphischem Merkmal
nichts zu thun, wenn auch Abb. 21 eine Schlange in der Hand hält.
Wie ich diese Schlange erkläre, habe ich schon oben angegeben.
Der Schläfenfleck der Abb. 21 und 22 ist vermuthlich ein wirklicher
Schläfenfleck, eine Schläfenzeichnung, die ich am liebsten mit dem rothen
Fleck vergleichen möchte, der genau an der gleichen Stelle und in
gleicher Gestalt in den Bildern der mexikanischen Priester zu sehen ist.
In der That finden wir die Haupt-Hieroglyphe des jungen Gottes an einer
Stelle (Abb. 22a) von der Hieroglyphe kin „Sonne, Tag, Fest" begleitet, und
zwar genau von der Form, wie sie auf Blatt 61 und 69 der Dresdener Hand-
schrift für kin „Tag" steht. Ah - ki7i aber heisst in der Mayasprache der
Priester. Bedeutet aber der Kopf mit dem Schläfenfleck nichts anderes
als „Priester", so versteht man, dass er als Haupt-Hieroglyphe zwei ganz
verschiedenen göttlichen Gestalten dienen konnte. Dass diese zwei Ge-
stalten verschieden sind, lehrt der Augenschein. Abb. 21 ist ein alter
/
1) „Die Tageszeichen der aztekischen und der Maya-H and Schriften" (oben S. 468).
700
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Oott und hat eine eigentliümliche Zeichnung um den äusseren Augen-
winkel. Abb. 22 ist ein junger Gott, mit glattem Gesicht, der in Ge-
sichtsschnitt und Tracht dem Gott mit dem ^an-Zeichen nahe verwandt
ist. Dass Abb. 21 und 22 verschieden sind, lehren aber vor allem auch
die Begleit-Hieroglyphen. Die erste der beiden Hieroglyphen, die die
Haupt-Hieroglyphe in Abb. 21 begleiten, hat einige Varianten, die ich in
Abb. 25 wiedergegeben habe. Sie kommt (Form c) Dresden 7 a als Be-
gleiterin der Haupt-Hieroglyphe des Hundes vor; (Form b) Dresden 8a
beim Jaguar; (Form b) Dresden 9a beim alten Gott; (Form b) Dresden 5a
bei dem Gotte, dessen Gesicht im Umkreis durch die Windungen einer
Abb. 25.
|Abb. 2(i.
Abb. 27.
Abb. 28. Kakulcan.Cö Codex Tro 22.
Abb. 29. Kitkitl can.CO Codex Tro 31 b.
Schlange gebildet ist, und dessen Züge in der Hieroglyphe der Nord-
richtung zu erkennen sind; (Form d) Dresden 11c beim Regengott;
(Form d) Dresden 14 b, c bei dem schwarzen Gotte, der der ersten der
fünf Yenusperioden präsidirt (vgl. Abb. 64- — 67, oben S. 661), der wahr-
-scheinlich ein Feuergott ist, und auf den ich den Xamen Ekchuah be-
ziehen möchte; (Form d) Dresden 16b bei dem durch das grosse Auge im
schwarzen Felde hieroglyphisch gekennzeichneten zweiten schwarzen
■Gotte; (Form d) Dresden 22b bei dem Gotte mit dem Äaw-Zeichen.
Niemals aber bei dem jungen Gotte, den ich in Abb. 22 wieder-
gegeben habe, der vielmehr auch in den Begleit-Hieroglyphen dem Gotte
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan. 701
mit dem kan-Zeicheu ähnelt. Noch deutlicher ist die letzte Hieroglyphe der
Abb. 21. Ich habe sie seinerzeit als Abbild des Käuzchens gedeutet. Jeden-
falls findet sie sich ausschliesslich bei Gottheiten des Todes, oder solchen, die
mit Todessymbolen ausgestattet sind, oder solchen, die, wie der Vogel Moan,
eine dunkle nächtige Gottheit darzustellen scheinen. Diese Hieroglyphe ist
dem ganzen Komplex der Begleit-Hieroglyphen des jungen Gottes Abb. 22 ab-
solut fremd. Es ist daher zweifellos, dass wir die beiden Gottheiten Abb. 21
und 22 auseinanderzuhalten haben. Und selbstverständlich auch die Abb. 24.
Denn hier ist, wie ich oben nachgewiesen habe, auch die Hieroglyphe eine
ganz andere, indem die Haupt-Hieroglyphe des Gottes Abb. 24 die echte
chicchan-Zeichnung trägt. Dagegen möchte ich die Abb. 23 zu der Gottheit
Abb. 22 ziehen. Hier ist aber der Priester mit der Maske einer anderen
Gottheit ausgestattet. Er trägt als oberste Maske die des Regengottes.
Beiläufig möchte ich bemerken, dass ich kaum glaube, dass Förste-
mann auf einem richtigen Wege ist, wenn er (Globus 71, S. 78, 79) auch
den oben beschriebenen Begleit-Hieroglyphen chronologische Werthe bei-
legt. Yon den Variauten unserer Abb. 25 sieht er a, b und c, d als ge-
sonderte Hieroglyphen an, während er mit a, b die augenscheinlich doch
wohl ganz anders konstruirten Hieroglyphen Abb. 26 und 27 konfundirt.
Unsere Abb. 25 a, b setzt er auf Grund einer wirklich halsbrechenden
Konstruktion dem Anfang und Ende der Regenzeit gleich, Abb. 25 c, d,
Abb. 26 und 27 einem Zeitraum von 13 Tagen.
Ich kehre zu unserer Abb. 21 zurück. In der Dresdener Handschrift
kommt dieser Gott nur an dieser einen Stelle, an der Spitze der Reihe
der 20 Gottheiten, vor. Aber in dem Codex Tro ist er noch an ein paar
Stellen dargestellt. Auf Blatt 22 bei den kan-Jahven (vgl. Abb. 28).
Diese Jahre werden in der Regel der Himmelsrichtung Osten zugeschrieben.
Im Text ist aber auf diesem Blatt die Hieroglyphe nohol „Süden" an-
gegeben. Das stimmt zu der Angabe Landa's, der die kan-Jnhve und
ihren Bacab der Himmelsrichtung des Südens zuweist. Ich habe in einer
früheren Abhandlung (vgl. oben S. 384, 385) darauf hingewiesen, dass iu
der oberen Hälfte dieser Blätter immer die Zärimonien dargestellt sind,
die in den letzten Tagen des vorhergehenden Jahres im Hinblick auf das
neue Jahr vorgenommen wurden, und dass deshalb die in der oberen
Hälfte dieser Blätter abgebildete Gottheit vermuthlich immer den Bacab
des vorhergehenden, hier also des cawac-Jahres , das dem Süden gehört,
vorführen soll. Die Handlung, in der dieser Gott hier dargestellt ist
— man möchte „an einen Tropfen auf die Erde schütten" denken —
ist auch in den drei anderen Arten von Jahren bei der diese Jahre
repräsentirenden Gottheit zum Ausdruck gebracht. Die andere Stelle,
wo ich den Gott Abb. 21 wiedererkenne, ist Codex Tro 31, 30 a, b.
Der Gott ist dort, in derselben Aktion, bei den vier Himmelsrichtungen
dargestellt (vgl. Abb. 29), während in der fünften HimmelsrichtuDg dieser
70"2 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Oott durch den Regengott ersetzt ist. Die Identität der Abb. '2S und '29
mit der Abb. 21 ergibt sich 1. aus dem Vogel auf dem Rücken (der
bei den Figuren des Codex Tro freilich nur noch in Resten vorhanden
ist); '2. durch den Kopfschmuck, in dem sowohl in der Figur der Dres-
dener Handschrift (Abb. "21). wie in denen des Codex Tro (Abb. '2S) ein
grosser Edelstein, von zwei Quasten eingefasst, deutlich ist; 3. durch die
Zeichnung um den äusseren Augenwinkel und 4. durch das Halsband von
Schneckengehäusen, das in der That bei den Personen der Maya-Hand-
schriften sonst nicht gesehen wird, und ausser bei unserem Gotte Abb. 21
und 28, 29 nur noch bei dem schwarzen Bacab vorkommt, der in der oberen
Hälfte des Blattes 23 des Codex Tro bei den cawac-Jahren abgebildet ist.
Gegenüber dem vielfach ausgesprochenen Raisonnement, dass der von
den Maya mit dem Namen Kukidcan bezeichnete Gott iu den Maya-Hand-
schriften häufig sein müsse, bin ich umgekehrt der 31einung, dass er iu
ihnen nur sporadisch vorkommen wird. Denn die Federschlange und den
Gott der mit ihrem Xamen bezeichnet wurde, halte ich im Wesentlichen
für eine mythische Konzeption der mexikanisch-toltekischen Stämme. Yon
ihnen, glaube ich, ist erst diese Gestalt iu die Quiche-Mythen über-
gegangen. In Tollan, in Tla^rcala. in dem jüngst ausgegrabenen qnauh-
xicalU der Hauptstadt Mexico und in Chi dien Itza kann man, oft in über-
raschender Weise übereinstimmend im Stil, die Federschlange ornamental
verwendet und in selbständigen Bildwerken dargestellt finden. In dem
jetzt von den Maya bewohnten Gebiet ist die Federschlange im Uebrigen
selten. In Copan gibt es ein Paar Skulpturen, in denen man die
Federschlange erkennt. Sonst nur noch an Orten wie L\v7nal, die in
unmittelbarer Nachbarschaft von Chi cKen Itza und Mayapan gelegen und im
Stil ihrer Bauwerke denen der letzteren Orte nahe verwandt sind. Unter
den angeblichen Typen der Federschlange, die Maudslay in dem ersten
Bande seines grossen Werkes auf der Tafel 23 vereinigt, sind nur die den
Bildwerken von Chi dien Itza entnommenen echte Federschlangen. \ Alle
anderen fallen unter den Typus der im Codex Tro-Cortes dargestellten
Schlangen, zeigen die cÄiccAan-Flecken (vgl. Abb. 20 e) und zeigen nur am
Kopf- und Schwanzende ornamentale Auflösungen, die aber mit Quetzal-
federn nichts zu thun haben. Das gilt auch für die Cedrelaholz-Platte von
Tikal. Die Quetzalfedern, die dort auf der oberen Wölbung der Schlange
zu sehen sind, gehören dem Kopfschmuck des Kriegers an. Ich habe
diesen Sachverhalt schon längst und wiederholt hervorgehoben. Aber je
unbegründeter eine Behauptung ist. ein um so zäheres Leben pflegt sie
zu haben. Das wird wohl auch für den sogenannten „Hauptgott der Maya
£ukulcan^ seine Geltung haben.
Zum Schluss sei es mir gestattet, noch einmal auf das Fest zurück-
zukommen, das die Yukateken in dem letzten Viertel des Uiual Xul dem
Gotte Kukulcan in Mani feierten. Das Fest bestand, wie oben näher be-
19. Quetzalcouatl-Kukulcan in Yucatan. 703
schrieben ist, in einem Wachen im Tempel unter Darbringung von Räucher-
werk und ungewürzten Fastenspeisen vor den Idolen und den Fetischen,
die man auf dem Tempelhofe auf einem Bette von Laub ausgebreitet hatte.
Es war also im Wesentlichen ein Fest der Vorbereitung. Am Schluss
dieser fünf Tage kam nach allgemeinem Glauben Kukulcon vom Himmel
herab. Erwägt man, dass Xul s. v. w. „Ende" bedeutet, dass der darauf
folgende Uinal den Namen Yax kin trägt, was mit „die erste Sonne", „der
erste Tag", oder auch wohl „das erste Fest", übersetzt werden muss, und
dass auch die Kalender der Tzeltal, wie ich in der folgenden besonderen
Abhandlung mich zu erweisen bemühen werde, einen „Monat" Yax quin
kennen, auf den, als den Beginn einer neuen Periode, die Bezeichnungen
der ihm vorhergehenden Zeitabschnitte deuten, so wird man zu dem
Schlüsse gedrängt, dass das oben beschriebene Fest in Mani die aus
irgend einer vorgeschichtlichen Periode stehengebliebene Jahresabschluss-
feier war, in den letzten fünf Tagen, nach Ablauf der 18 X 20 Tage, vor
Beginn des neuen Jahres, gefeiert.
Unter den verschiedenen Jahresfesten der Maya, die Landa uns be-
schreibt, gibt es noch eins, an welchem ähnliche Zärimonien, wie am
Ausgang Xul^ vor dem Beginn von Yax kin, vorgenommen wurden. Das
ist das Fest Fax, vor dessen Beginn, wie Landa uns erzählt, man eben-
falls fünf Tage wachte, genau in der Art, — das hebt Landa ausdrücklich
hervor, — wie in den letzten fünf Tagen des Uinal Xul. Aber man
wachte vor dem Fest Fax nicht im Tempel Kukulcan'%, sondern in dem
•des Gottes Cit chac coli, des „Idols des rothen Löwen", eines Gottes, der
mit dem Ek halam chac, dem „schwarzen Jaguar", und anderen Göttern in
den fünf Tagen vor den den cawac-Jahren, gefeiert wurde.
Das Fest Fax ist von dem Feste Yax kin genau um 9 X 20 Tage
oder ein halbes Jahr entfernt. Die fünf ihm vorhergehenden Tage würden
nach der vom Bischof Landa gegebenen Konkordanz auf den 7. — 11. Mai
alten Stils fallen. Dass ihnen in ähnlicher Weise eine chronologische Be-
•deutung zukomme, wie den fünf dem Feste Yax kin voraufgehenden Tagen,
ist wohl zweifellos.
Es scheint demnach, dass wir zwei Jahresanfänge anzunehmen haben,
von denen einer in das Ende der trockenen, der andere in das Ende der
nassen Jahreszeit fiele. In dem einen kam der Quetzalcouatl-Kukulcan
vom Himmel herab. Und in dem anderen wird, so werden wir an-
nehmen müssen, der Cit chac coli der Yukateken herabgestiegen sein. Es
wird bei den verschiedenen Stämmen verschieden gewesen sein, welcher
von diesen beiden Anfängen als für das ganze Jahr bezeichnend an-
gesehen wurde, und welcher nur für das halbe Jahr Gültigkeit haben
sollte. Dass man in der That mit zwei „ersten Festen" im Jahre rechnete,
darauf deutet der Name, mit dem in den Büchern des Chilam Balam das
von Landa Yax kin g-enannte Fest bezeichnet wird. Die Bücher des
704: Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzififerung.
Chilam BuUuii ueniien es nämlich regelmässig Tze yax kin „das kleine
erste Fest**, ^'ii niuss also daneben ein Noh yax kin^ ein ^grosses erstes
Fest" gegeben hf\ben, und das wird wohl das Fest Paa; gewesen sein.
Ohne Zweifel aber gehörte diese Fixirimg des Jahresanfangs in Yucatan
einer vorgeschichtlichen-. Epoche an. Denn wenn auch die Zärimonien,
die im Ya.i- kin begonnen wurden und in den nächsten Abschnitten sich
fortsetzten, in der That noch deutlich erkennen lassen, dass man in diesem
Vinal eine neue Periode begann, — die Yukateken Hessen im Ya.v kin
alle Gebrauchsgegenstände, das AVerkzeug der Handwerker, die Spindeln
der Weiber, die Pfosten der Häuser, mit blauer Farbe salben, also zu
neuem Gebrauche weihen; sie schnitzten im Mol ihre neuen Götterbilder,
renovirten im Ch'e7i den Tempel und das Tempelgeräth, versöhnten im
Zac die Götter wegen des vergossenen Blutes der erlegten Jagdthiere und
feierten dann im Mac die grosse Feuer-Zärimonie, tup-kak, wobei, ganz
wie bei dem grossen Feste der Tlaxkalteken und bei dem Feste des
Gottes der Tlatelolca, allerhand Gethier ins Feuer geopfert wurde — : so
war doch der offizielle Anfang des Jahres in Yucatan der, vor welchem
die fünf .i-'ma kaba kin, die fünf überschüssigen Tage, angesetzt wurden,
in der historischen Zeit das Fest Pop, das von dem Feste Paa; um 60,
von dem Feste Ya.v kin um 120 Tage entfernt war. Dagegen hat sich
mir auf Grund von anderen Untersuchungen ergeben, dass der Anfang des
andern Halbjahrs, der 12. Mai alten Stils, der gleichzeitig für die Breite
von Yucatan die besondere Bedeutung hat, dass an ihm die Sonne auf ihrer
nordwärts gerichteten Bewegung zum ersten Mal den Zenith erreicht, das
eigentliche Neujahrsfest der mexikanischen Stämme war.^) Damit stimmt
eine Notiz des Petrus Martyr, auf die Förstemanu') aufmerksam ge-
macht hat, dass die Mexikaner von Tabasco und an der Küste von Yera Cruz
IJ -Die jifht^^ii Ja'iresfeste der Mexikaner". Yeröffentlichuiigen aus dem
Ivö'nigl. Museum für Völkerkunde Bd. VI (Berlin 1899) S. 24, 166, 167.
2) Globus, Bd. 65, p. 246. Doch irrte sich Förstemann, wenn er auch den
Tzeltal einen Jahresanfang im Mai zuschrieb. Die diesbezügliche Angabe in
Brinton's „Native Calendar* beruht darauf, dass Brinton die spanischen Worte
für „Weihnachten" und „Ostern" verwechselte. Ferner ist Förstemann im Irr-
thum, wenn er annimmt, dass an der betreffenden Stelle des Petrus Martyr
wirkliche Mondmonate erwähnt seien. Petrus Martyr sagt unmittelbar darauf:
— mensem autem a luna nominant tona . . . . eorum idiomate sol Tonaticiis dicitur.
Tonaiicus ist das mexikanische Wort tonatiuh „Sonne". Und tona ist augenschein-
lich von dem mexikanischen tonal-amatl abgeleitet und bezeichnet einen der Ab-
schnitte des tonalamati, aber nicht den Monat! Der Mond und der Monat heisst
im Mexikanischen metztU. Und so berichtet denn Petrus Martyr auch gleich
darauf: — sed nulla ratione moti, annum distribuunt in viginti menses, menses
autem etiam diebus viginti concludunt, d. h. die angeblichen Mondmonate sind
Monate von 20 Tagen, von denen etwas über 18 — Petrus Martyr sagt un-
genau 2() — auf ein Jahr gehn.
19. Quetzal couatl-Kukulcan in Yucatan.
705
das Jahr — ab occasu eliaco Yergiliarum „wenn die Sonne im Gestirn
der Plejaden iintergelit'^, (das war im Anfang des 16. Jahrhunderts der
21. April alten Stils) begonnen hätten. Und auffallend ist es, worauf
Förstemann ebenfalls schon aufmerksam gemacht hat, dass die Hiero-
glyphe, die auf den Denkmalen von Palenque und Copan den Zeitraum
von 360 Tagen, d. h. ein Jahr, bezeichnet (Abb. 30), mit der Hieroplyphe
des Festes Pa,v (Abb. 31), — das, nach der Angabe des Petrus Martyr
mit dem ersten Jahresfest der Mexikaner von Tabasco zusammenfallen
müsste, — auf das engste verwandt ist.
k
Abb. 30.
Abb. 31.
Somit begegnen wir auch hier wieder, und sogar in der Hieroglyphik }
der Denkmale der grossen Maya- Städte, den Spuren der^ten mexi- 1"
^iten m
ffetfr-Wi
der-
kanischen Stämme der atlantischen Küste. Quetzalcouatl und i
spiel Tezcatlipoca, die in den mexikanischen Kulten unTWreu mexikanischen
Sagen j^eine so hervorragende Stellung einnehmen, sie erscheinen auch ^
bedeutsam als die Vertreter der beiden Hälften d^s Jahres. Während;^
bei den mexikanischen Stämmen der atlantischen Küste, wie es scheint,
die Quetzalcouatl- Tezcatlipoca -Perioden sich zur Zeit der Conquista noch-'
in voller Geltung befanden, waren sie in Yucatan nur ein Ueberlebsel
einer vorgeschichtlichen Zeit.
*^
Sbler, Gesammelte Abhandlungen I.
4ö
70(j Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
20.
Der Festkalender der Tzeltal und der Maya
Von Yucatan.
Zeitschrift für Ethnologie XXX. 1S9S. S. 410—416.
Xeben den Hieroglyphen der Tageszeichen sind die der Uinal. oder
Zeiträume von "20 Tagen, bezw. der in ihuen gefeierten Feste so ziemlich
die einzigen Maya-Hieroglyphen. die in ihrer Form und ihrem Lautwerth
bisher sicher erkannt worden sind. Es ist das bekannte Werk des Bischofs
Landa: ..Relacion de las Cosas de Yucatan" vom Jahre 1566. in dem,
neben den Xamen und Zeichen der Tage, auch die der 18 Uinal. der
sogenannten Monate oder Jahresfeste der Yukateken. gegeben sind. In
den Handschriften sind sie zuerst von Förstemann in der Dresdener
Handschrift nachgewiesen worden. Und seither sind sie auch auf den
Denkmalen vielfach wieder erkannt worden.
Während demnach über die Form dieser Hieroglyphen und ihren
Lautwerth kaum noch Zweifel bestehen, ist doch die Bedeutung der Zeichen
noch keineswegs klar. Und das hängt zum Theil damit zusammen, dass
auch die Bedeutung der Namen dieser 18 Jahresfeste durchaus noch nicht
sicher erkannt worden ist. Angesichts der Thatsache. dass das veröffent-
lichte Material für die Sprache von Yucatan sehr dürftig ist, die Sprache
wenig gepflegt ist. und noch keine authentische Uebersetzung alter Texte
vorliegt, \ muss man sich nach Hülfsmitteln umsehen, wo immer nur wir
solche zu finden erwarten dürfen. 3Ian hat deshalb schon lange versucht,
die benachbarten Dialekte, insbesondere das nahe verwandte Tzeltal heran-
zuziehen.
Auch die Tzeltal kannten und benannten die 18 Zeiträume von
20 Tagen, nebst den überschüssigen fünf Tagen. • Und sollen wir ein-
heimischen Schriftstellern glauben, so wären diese Benennungen noch heute
im Gebrauch. Während aber die Tagesnamen der Tzeltal vielfach sich
sehr eng verwandt mit denen der Maya von Yucatan erweisen, lässt sich
das Gleiche nicht von den Xamen der sogenannten Monate sagen. Listen
der Tzeltal-Namen der 18 Monatsfeste sind in einer im Jahre 1845 von
Emeteri-o Fineda veröffentlichten geographischen Beschreibung von
20. Der Festkalender der Tzeltal und der Maya von Yucatan.
707
Chiapas und Soconusco uud in der im Jahre 1888 erschienenen Tzeltal-
Orammatik des Lic. Yicente Pineda mitgetheilt worden. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach sind beide, wie vermuthlich auch die genannte
Orammatik selbst, Abschriften eines älteren Manuskripts entnommen./ Die
von Emeterio Pineda veröffentlichte Liste ist, mit den Bemerkungen des
Autors, in dem zweiten Bande von Orozco y Berra's Historia Antigua
y de la Conquista in Mexico abgedruckt worden. Die Liste Yicente
Pineda"s unterscheidet sich, abgesehen von den anderen Namen, die er
gibt, namentlich dadurch, dass zwei der Feste an eine andere Stelle
gesetzt worden sind. Ich habe Gründe, in dieser Beziehung die Reihen-
folge Emeterio Pineda's für zuverlässiger zu halten, und führe in dein
Folgenden die beiden Listen neben . einander und in der Anordnung
Emeterio Pineda's auf.
Die Abweichungen der zweiten Liste sind durch die beigesetzten
Ziffern kenntlich.
A. Liste D. Emeterio Pineda's.
1 . tzun
2. hatziä
3. sis-sac (verbessert für sisac)
A. muctasac
5. vioc
6. olalti
7. ulol
8. oquin ajual
y. uch (verbessert für veh)
10. eluch (?) (verbessert für elecK)
1 1 . nichcum
12. sbal vinquil (verbessert für
sbancinquil)
13. xchibal vinquil
14. yoxibal vinquil
15. xchanibal vinquil
16. 'pom (verbessert für poin)
17. mux
18. yaa-quin
B. Liste D. Yicente Pineda's.
9.
10.
11.
12.
tzun „siembra''
batzul „primeros bledos"
saquil ja „agua clara"
ajel chac „abundancia de pulgas"
mac „tapa, cerca. tapar, cercar"
olalti „boca de nino"
/w/or„llegö la criatura"
oquen ajab „llorö el cerro grande"
yal-uch „hijo del tlacuatzin'^
mucucJi ^tlacuatzin grande*^
juc vinquil „setimo nacimiento"
wac vinquil ,,sexto nacimiento"
13. jo vinquil „quinto nacimiento'^
14. chan vinquil „cuarto nacimiento"
15. o.r vinquil „tercer nacimiento''
18. pom „incienso''
16. mux „ablandamiento general de
la tierra por la excesiva lluvia'^
17. yax-quin „fiesta hümeda"
19. chay-quin „se perdio la fiesta*
Die Orthographie der zweiten Liste habe ich der der ersten an-
gepasst und auch die von Yicente Pineda angegebenen Uebersetzungen
hinzugefügt, die allerdings, wie wir sehen werden, in der ^lehrzahl sehr
zweifelhaft sind.
45*
708 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Emeterio P ine da bemerkt zu dem 5. Fest {moc oder viac): „Das
ist der Monat, in dem man die Zäune in Ordnung bringen muss."
Zu dem 6. Fest (plalti): „In diesem Monat müssen die Saaten bestellt
werden, wie auch immer die atmosphärischen Verhältnisse beschafifen
sein mögen; so dass, wenn die Aussaat durch Kegenmangel oder wegen
zu vielen Regens zu Grunde geht, sie in keinem anderen Monat noch
einmal gemacht wird, auch wenn Temperatur und Bewässerung es er-
lauben."
Zu dem 9. Fest (uch): — „In diesem Monat werden die Pflanzen von
Krankheiten befallen, insbesondere von einem Insekt wie ein grosser Floh,
der sie zum Absterben bringt und vernichtet."
Zu dem 10. Fest (eluch): — ^,In diesem Monat kommen die heilsamen
Winde. Aber wenn sie nicht günstig sind, so ist das Zugrundegehen bei
vielen Pflanzen sicher. Insbesondere bei der Kartoffel, die nicht mehr
zur Blüthe kommt und keine Ernte gibt."
Zu dem 11. Fest (nichcum): — „bezeichnet die Blüthe."
Zu dem 12. Fest {sbal vinquil): — „bezeichnet die Befruchtung."
Zu dem 13. bis 15. Fest {d-chibal vinquil, yoxibal vinquil, xchanibal
vinquil^: — „Die drei Zeiten der Ausbildung des Getreidekorns, " der Perl-
zustand, der milchige und der mehlige Zustand."
Zu dem 16. Fest {pom): — „In diesem Monat muss mau die Bienen-
stöcke ausschneiden und die Ernte einheimsen."
Zu dem 17. Fest (mux): — „Bezeichnet den nahenden Frost."
Zu dem 18. Fest {yawquiii): — „Ist die Weihnachtszeit."
In seinem Native Calendar hat Brinton die Liste Emeterio Pineda"s
ebenfalls angeführt und die Xamen zu erklären versucht. Er hat aber die
Fehler in 9, 10, 12 und 16 nicht erkannt und auch für verschiedene der
anderen Namen offenbar falsche Etymologien gegeben, (z. B. in '8, wo
ajual, das gewöhnliche Tzeltal-Wort für „Herr", von ihm mit dem Quiche-
Wort auan „Pflanzung" in Zusammenhang gebracht wird). Der ärgste
Schnitzer aber ist, dass er bei 18 (yaxqtiin) das „el tiempo de Pascua"
des mexikanischen Autors mit „Ostern" übersetzt und den Schluss macht,
dass das Tzeltal-Jahr „ungefähr am 1. April" begonnen habe. Schon dass
das vorhergehende Fest 17 (mux) nach Emeterio Pineda den „nahenden
Frost" bezeichnen soll, hätte ihn stutzig machen sollen. Aber auch der
Vergleich mit dem yaa; kin der Maya hätte ihn lehren können, dass der
Monat Dezember gemeint ist. „Pascua" bezeichnet im Spanischen jedes
grössere Fest: Weihnachten, die heiligen drei Könige, Ostern und Pfingsten.
Pascua im engeren Sinne aber ist Weilmachten. Wenn man Ostern meint,
pflegt man Pascua de flores zu sagen, oder in der gebildeten geistlichen
Sprache Pascua de Resurreccion.
Vergleicht man nun die obigeu Tzeltal-Listen mit der Liste der
Jahresfeste, die uns der Bischof Landa für Yucatan nennt, so ergibt sich
20. Der Festkalender der Tzeltal und der Maya von Yucatan. 709
«ine merkwürdige Thatsache. Zählt man — natürlicli unter Beiseite-
lassung der chay quin, der „ausfallenden, verlorengehenden Tage'% d. h.
der fünf am Schluss der 18 X 20 eingefügten überschüssigen Tage, — von
t/aa; quin, dem i/ax kin der Maya, d. h. wie ich in der vorigen Abhandlung
dargethan habe, dem „ersten Jahresfest", weiter, so entspricht dem dritten
darauf folgenden Maya-Feste ya.c das zweite darauf folgende Tzeltal-Fest
batzul, das von Alicen te Pineda als „das erste Grün" erklärt wird; dem
vierten darauf folgenden Maya-Feste zac „weiss, hell"^ das dritte darauf
folgende Txeltal-Fest sissac oder saquil ja „klares Wasser"; dem sechsten
darauf folgenden Maya-Feste 7nac das fünfte darauf folgende Tzeltal-Fest
moc oder mac, d. h. es würde in diesem Theil der Liste eine Ueberein-
stimmung des Maya- und des Tzeltal-Kalenders hergestellt werden können,
wenn man annähme, dass das Fest Nr. 7 der Tzeltal-Listen ulol oder julol
eigentlich an den Anfang gehört, unmittelbar auf yaxquin folgend, dem
mol des Maya-Festkaleuders entsprecliend. Eine sprachliche Verwandt-
schaft zwischen diesen beiden Namen seheint ja vorzuliegen, wenn nicht
geradezu ulol aus mol, oder dieses aus jenem, durch Abschreibefehler ent-
standen ist.
In dem folgenden Theile der Liste zeigen die Maya- und die Tzeltal-
Feste durchgängig verschiedene Namen. Aber bei dem sechszehnten auf
yaxhin folgenden Feste, dem pom der Tzeltal, dem zeec der Maya, ist in-
sofern eine Uebereiustimmung festzustellen, als der Berichterstatter über
den Tzeltal-Kalender bei diesem ^,Monat" angibt, dass man in ihm die
Bienenstöcke ausschneiden und die Ernte einheimsen soll, während bei
den Maya, wie Lau da berichtet, am Feste zeec die Bienenzüchter den
Bacah, insbesondere dem Hobnil, eine Art Erntefest feierten und den vier
Chac auf Schüsseln Kugeln von Weihrauch (pom) darbrachten.
Was nun im Einzelnen die Namen der Tzeltal-Feste angeht, so kann
ich, bei der Unsicherheit der überlieferten Formen und der Spärlichkeit
des für die Maya-Sprachen von Chiapas vorliegenden Materials, es natürlich
nicht unternehmen, eine vollständige Etymologie von ihnen zu geben.
Solche wissenschaftlich ziemlich fragwürdigen Leistungen überlasse ich
gern Andern. Nur auf Einzelnes will ich eingehen, was gesichert er-
scheint, und was für eine bestimmte, hier zu erörternde Frage von
Wichtigkeit ist.
Der erste Name in Emeterio Pineda's Liste, tzun, wird von Yicente
Pineda mit „Saat" übersetzt, was das AYort im Tzeltal auch thatsäehlich
heisst. Brinton bringt es, und das scheint mir richtiger zu sein, mit
dem Maya-Worte chu7i in Verbindung, das „Wurzelstock, Fundament,
Grund, Anfang, Ursache"^ bedeutet. Das Fest entspricht dem Maya-Feste
Clien, das nach Lau da in den Anfang des Januars fiel. Auch das Tzeltal-
Fest werden wir, wenn yaxquin in den Dezember, in die Zeit vor Weih-
nachten fiel, in den IMonat Januar zu setzen haben. Und es scheint das
710 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
auch der Grund zu sein, dass man diesen Festkalender mit tzun beginnen
liess. Denn diese in eliristlicher Zeit niedergeschriebenen Listen sind
wahrscheinlich ursprünglich dem christlichen Kalender parallelisirt gewesen.
Das zweite Fest, batzuL wird von Yicente Pineda mit -primeros
bledos" übersetzt, was man vielleicht mit .«das erste Grün" verdeutschen
kann. Dann würde dieser Xame im Sinne dem Xanien des entsprechenden
Maya-Festes, yax, entsprechen. Ich habe indes doch ein gewisses Be-
denken, diese Erklärung ohne Weiteres anzunehmen. Das Material der
Vocabulare gibt keine recht befriedigende Uebersetzung an die Hand.
Wir finden im Maya batzil mit der Bedeutung _für sich allein". Im
Tzeltal batzil mit der Bedeutung „gerade, richtig, zur rechten Hand^:
batzil cob .korrekte Sprache", batzil tzeub ,,echte Jungfrau'^: batzil cab oder
uayil'cab >die rechte Hand, der Norden"'. Brinton zieht es vor, den
Xamen batzul von bat abzuleiten, was „die Tzeltal- und Maya-Bezeichnung
für Korn, Samen u. s. w.- sei. Ich fürchte, hier hat Brinton wieder seine
mangelhafte Kenntniss des Spanischen einen Streich gespielt. Das Tzeltal
bat, das Zo'tzil bot, das Maya bat, batil ist in den Wörterbüchern mit
^granizo" übersetzt, das heisst aber nicht ,.Kom'", sondern _HageP!
Die Xamen für das dritte Fest sis-sac und saquil ja entsprechen
augenscheinlich dem Maya-Feste zac „weiss''. Sis-sac heisst -der kleine
Weisse"^), und das vierte Fest muc ta sac _der grosse Weisse"*. Das s/
dritte und vierte Fest der Tzeltal-Listen verhalten sich also zu einander,
wie die mexikanischen Feste togoztontli und ueitofoztli, tecuilhuiiontli und
uei tecuilhuitl. Ueber den Xamen ajel chac, den die Liste Yicente
Pinedas für muc ta sac gibt, erlaube ich mir keiue Mutmassung.
Die an fünfter Stelle stehenden Xamen jjioc und mac — das erste ist
Zo'tzil-, das zweite Tzeltal-Aussprache — entsprechen genau dem in der
vukatekischen Liste folgenden Feste mac. Im Tzeltal bedeutet mac
„Deckel" oder -Zaun". Und Emeterio Pineda gibt daher bei diesem
-Monat" an, dass man in ihm die Zäune in Ordnimg bringen müsste.
Bei den folgenden Xamen liegt keine klare Beziehung mehr zu den
Maya-Festen vor. Ich kann mich daher kurz fassen. Der achte Xame
ist in den beiden Listen etwas variirt und lässt verscliiedene Deutungen
zu. Der Abschnitt entspricht dem Maya-Feste Moan.
Bei dem neunten und zehnten Feste müssen wir yal-uch und muc-uck
der Liste Yicente Pinedas wieder mit _der kleine" und ^der grosse"
uch übersetzen. Die von Emeterio Pineda überlieferten Xamen dieser
Feste sind augenscheinlich verderbt. Uch bedeutet im Tzeltal „Laus''
und üch (mit langem u) die ^Beutelratte" (mexikanisch tlacuatzin).
Emeterio Pineda berichtet, dass in diesen beiden „Monaten" ein Insekt,
wie ein orosser Floh, den Pflanzen schädlich werde.
1) Ygl. sis-balam _tigrillo" „der kleine Jaguar".
20. Der Festkalender der Tzeltal und der Maya von Yucatan. 711
Von dem folg-enden Feste an zeigt sich in den beiden Listen eine
merkwürdige Differenz. Die Liste Emeterio Pineda's hat für das jetzt
zunächst folgende Fest noch einen besonderen Namen: nichcum. Im
Tzeltal heisst nich die Blüthe, und Emeterio Pineda bezeichnet diesen
Abschnitt demnach auch als Zeit der Blüthe. Für den zweiten Theil des
Namens scheint sich aus dem Tzeltal-Sprachschatz kein passendes Wort
zu ergeben. Doch erinnert diese zweite Silbe an den Namen cumku, den
der entsprechende Abschnitt des Maya-Festkalenders führt. Im Maya
heisst cum der „Topf". Brinton hat, ich weiss nicht mit welchem Rechte,
nichcum in 7iichquiii „Zeit der Blüthe" verändert.
Die dann folgenden Feste heissen in der Liste Emeterio Pineda's
einfach: „Der erste Zwanziger" \sbal vinquüY), „der zweite Zwanziger"
[jichibal vinquil], „der dritte Zwanziger" [yoxibal vinquü], „der vierte
Zwanziger" [uchanibal oinquü\. Die Liste Yicente Pineda's aber be-
zeichnet schon das vorhergehende Fest nichcum und die vier auf dieses
folgenden Feste mit Zahlennamen, und zwar mit den Namen juc vinquil,
wac vinquil, jo vinqiiil, clian oinquil, o,i- vinquil, die „sieben Zwanziger",
„sechs Zwanziger", „fünf Zwanziger'', „vier Zwanziger", „drei Zwanziger"
bedeuten. Diese letzteren Bezeichnungen der Vicente Pineda'schen
Liste können nur den Sinn haben, dass sieben-, sechs-, fünf-, vier-, drei-
mal zwanzig Tage noch bis zum Schluss des Jahres, oder bis zum neuen
Jalu'e fehlen. Und so können auch die in der Liste Emeterio Pineda's
gegebenen Namen nur den Sinn haben: „Der erste, zweite, dritte, vierte
der letzten (sechs) Zwanziger".
Demnach scheint aus dieser Namengebung hervorzugehen, dass das
Tzeltal- Jahr mit dem in der Liste Emeterio Pineda's an siebzehnter
Stelle genannten mux schloss, und dass yaxquin das erste Fest des neuen
Jahres w^ar, was ja in der That auch der Name dieses Festes besagt.
Ganz das Gleiche hat sich mir gelegentlich der Betrachtungen, die in
der vorhergehenden Al)handlung über „Quetzalcouatl-Kukulcmi in Yucatan"
niedergelegt sind, für das Maya-Jahr ergeben. Und ich habe, da sich
hieran wichtige Folgerungen knüpfen, diese Betrachtungen über die
Tzeltal-Feste hier anfügen zu müssen geglaubt.
1) shal, zbal oder xbal heisst im Tzeltal und Zo'tzii „der erste", abgeleitet
von dem Worte ba „der Gipfel". Bai ist das von ha abgeleitete Abstraktum, und
«, 2, X das Possesiv- Präfix der dritten Person.
712 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
21.
Die Monumente von Copan und üuiriguä und die
Allarplatten von Palenque.
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft. 18. November 1899,
Zeitschrift für Ethnologie XXXI. S. (670) — (738).
You all den "Wundern der bildenden Kunst der alten Völker Zeutral-
Amerikas, die durch John L. Stephens" und F. Catherwood"s epoche-
machende Reise in den Jahren 1839 und 1840 für die europäische und
amerikanische Welt gewissermassen neu entdeckt wurden, hat nichts so
sehr das Staunen der Entdecker, wie der Leser jener klassischen ..Incidents
of Travel in Central America. Chiapas and Yucatan" hervorgerufen, als
die im tropischen Waldesdunkel verborgenen Denkmäler von Copan. Durch
die für die damalige Zeit und die damaligen Mittel meisterhafte Wieder-
gabe Catherwood"s ist die allgemeine Form dieser Monumente uns seit
Langem vertraut geworden. Später sind von Dr. Alplions S tu bei
Zeichnungen veröffentlicht worden, die Herr Heinrich Meye aus Eis-
leben von den Hauptdenkmälern aus Copan und einigen von Quiriguä an-
gefertigt^) hatte. Aber erst die Aufnahmen und die Abklatsche, die Herr
Alfred P. Maudslay in siebenjähriger Arbeit, unter enormer Aufwendung
von Geld und Mitteln, hat fertigstellen können, und die er in einem seit
dem Jahre 1883 erseheinenden Werk, in dem archäologischen Theil der
Biologia Centrali-Americana, in geradezu mustergiltiger Weise wiedergibt
und beschreibt, haben das Bild jener Monumente in allen ihren Einzel-
heiten und in einer Yollkommenheit uns vor Augen geführt, wie sie in
gleicher Weise kaum für irgend welche anderen Denkmäler erreicht
worden ist. In neuerer Zeit hat das Peabody-Museum die Arbeiten
Maudslay 's aufgenommen und fortgeführt, und auch über diese Aufnahmen
und Untersuchungen liegt ein Bericht in der ersten und in der sechsten
Nummer des ersten Bandes der „Memoirs of the Peabody Museum of
1) Vgl. Verband]. Berliner Anthropol. Gesellsch. 1>)78, Zeitschrift f. Ethnologie
Bd. X, S. (424): Verhandl. Berliner Anthrop. Gesellsch. 18.s3. Zeilschrift Ethno-
logie, Bd. XV, S. (-215).
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 713
American Etliiiology and Archasology (Cambridge Mass., 1896 und 1902)"
vor. Endlich ist bei Gelegenheit der vierhundertjährigen Erinnerungsfeier
der Entdeckung Amerikas eine Anzalil dieser Denkmäler abgeformt und
auf der Welt-Ausstellung in Chicago zur Schau gestellt worden. Hierzu
kommen dann noch die Aufnahmen und die Abklatsche, die Herr Desire
Charnay in wiederholten Expeditionen aus Palenque, Chich'en Itza und
anderen Ruinenstätten von Yucatan zusammengebracht hat, so dass in der
That jetzt schon ein umfangreiches Material an Werken der bildenden
Kunst der alten Völker Zentral-Amerikas dem Studium zugänglich gemaclit
worden ist.
Freilich ist dieses Material nicht immer leicht und nicht für jeden
erreichbar. Das Königliche Museum für Völkerkunde besitzt seit dem
Jahre 1888 die vollständige Serie von Abklatschen Desire Charnay's
aus Palenque, Chicli'en Itza und Menclie Tinamit. Es ist aber erst in
jüngster Zeit möglich geworden, die hauptsächlichsten Stücke von ihnen
im Lichthof, wenn auch zum Theil nicht in sehr vortheilhafter Weise, zur
Ausstellung zu bringen. Durch Austausch mit dem Field Columbian
Museum sind die Abklatsche zweier Monumente aus Quiriguä in den
Besitz des Königlichen Museums gelangt, die in dem Lichthofe eine Auf-
stellung gefunden haben. Wir verdanken es der Freigebigkeit des grossen
Förderers der amerikanistischen Studien, Seiner Excellenz des Herzogs
V. Loubat, dass in jüngster Zeit auch eine Anzahl der merkwürdigen
Bildwerke von Copan in vorzüglicli gelungenen Abformungen zur Schau
gestellt werden konnten. Für das Studium der Uebrigen sind wir auf die
Abbildungen in dem grossen Werke Maudslay's und auf Photographien
angewiesen.
Ueber den allgemeinen Eindruck, den diese Monumente, insbesondere
die von Copan auf den Beschauer machen, und ihre Bedeutung spricht
sich Stephens in dem oben genannten Werke^) folgen dermassen aus: —
„Of the moral effect of the monuments themselves standing as
they do in the dephts of a tropical forest, silent and solemn, stränge in
design, excellent in sculpture, rieh in Ornament, different from the works
of any othcr people, their uses and purposes, their whole history so
entirely unknown, with hieroglyphs explaining all, but perfectly
unintelligible, I shall not pretend to convey any idea. Often the
imagination was pained in gazing at them. The tone which pervades
the ruins is that of deep solemnity. An imaginative mind might be
infected with suporstitious feelings. From constantly calling them by
that namc, in cur intercourse with the Indians, we regarded these
solemn memorials as „idols" — deified kings and heroes — objects of
adoration and ceremonial worship. We did not find on either of the
1) Band l, S. 158, 15!).
714
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferune.
monuinents or sculptureU fragmeuts any delineations of liuniau, or. in
fact, any other kind of sacrifice, but hail no doubt tbat the large
sculptured stone invariably fonnd before eacb „idol'' was employed as
a sacrificial altar."*
So reservirt sich also Stephens im Allgemeinen diesen Denkmälern
gegenüber verhält, so steht er doch nicht an, den Ausdruck „Idole"' für
die pfeilerartig aufragenden Werkstücke zu gebrauchen, die vorn, und
häufig auch hinten, in Uestalt von menschlichen Figuren gearbeitet, an
Abb. 1. Altar vor der Stele C in CojHin,
zum Theil ergänzt. (Nach der Zeichnung
im 1. Heft der Memoirs of the Peabody
Museum.)
Abb. 2. Altar vor der Nordseite der
Stele N von Copun.
Abb. 2 a. Abb. 2 b.
CoMcc- Zeichen von Altären in i'opun:
2a: von dem Altar vor der Westseite 2b: von dem Altar vor der
der Stele M.
Südseite der Stele D.
den Seiten, und zum Theil auch hinten, mit Hieroglyphen geschmückt
sind, während er die zum Theil sehr sonderbar geformten skulptirten
Steine, die vor diesen ,.Idolen" angetroifen werden, als Opferaltäre erklärt.
Vorsichtiger drückt sich Maudslay aus. Er behält, obwohl mit Vorbehalt
den Ausdruck _ Altar" für die letztgenannten kleineren AVerkstücke bei-
bezeichnet aber die grösseren, pfeilerartig aufragenden nur allgemein als
Stelen. Ueber die Bedeutung der kleineren Skulpturstücke, der so-
genannten „Altäre'', erlaube ich mir kein Urtheil. Ich erwähne nur, dass
die Ingenieure des Peabodv Museum unter ihnen einen gefunden haben.
21. Monumente von Copan und »^uiriguä und die Altarplatten von Palenque. 715
der aus den wesentlichen Elementen einer Schildkröte (Rückenscliild, Kopf
und 4 Klauen) aufgebaut ist (vgl. Abb. 1, S. 714), während andere dieser
Altäre ein phantastisches, reptilartiges Thier mit riesig ausgebildetem
Kopfe, oder auch nur den Kopf eines solchen darzustellen scheinen. ^ Auf
Letzteren tritt, in der Regel in der Schultergegend angebracht, bedeutsam
uns die monumentale Form des Zeichens cauac entgegen (vgl. Abb. 2, 2a, 2b,
S. 714), die ohne Zweifel wohl Wolkenballeu und daraus hervorzüngelndes
Feuer zum Ausdruck bringt. Die pfeilerartigen Werkstücke dagegen, die
Stelen, sind Monumente, die eine bestimmte Zeitperiode bezeichnen. Das
Gleiche gilt von den Altarplatten von Palenque. Und auch die mit Hiero-
ICQfl^H. StdiiJ)
SüJseite
bXO?h\Sfe/nC
iüÄlMM^
6 COPAN SifinJ>
Südfme
glyphen bedeckten grossen Skulpturen, die, ähnlich manchen „Altären"
von Copan, die allgemeine Form eines reptilartigen Ungeheuers wieder-
zugeben scheinen, — wie die grosse sogenannte Tortuga (Schildkröte) von
Quirigua — , gehören in die gleiche Klasse von Denkmälern.
Mit Recht bezeichnet Stephens die Hieroglyphen auf diesen Stelen
als ^explaining all"', aber durch die rastlosen Bemühungen der letzten
Jahrzehnte sind sie nicht mehr „perfectly unintelligible".
Die Reihe der Hieroglyphen beginnt auf allen diesen Denkmälern,
und auch auf den Altarplatten von Palenque, mit einer Haupt-Hieroglyphe
mehr oder minder ornamentaler Gestalt, deren verschiedene Formen und
Varianten ich in den Abbildungen 3 — 2() zusammengestellt habe. Der
716
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Hauptbestandtheil der Anfangs-Hieroglyphe ist ein auch aus den Hand-
schriften bekanntes Element, das in der Dresdener Handschrift als Basis
des Pfahls erscheint, auf dem der Uuayai/ab-Dämon aufgesteckt wird, und
anderwärts in der Art einer Edelsteinscheibe in der Stirnbinde gewisser
Götter zu sehen ist. dem ich deshalb den Lautwerth tmi „Stein. Edel-
9.C0PÄN. StelaJ
mCOfiS Su/kJ
aCOPSN Jte^4
iicopaN.ji^^Ä
\3C0P^\.sc^ü3..>/
^M^^
.'Ur'AV ^'üirS
'ie.COPAHSre/ajf
\8C0i'iSi'fe^ay
Stein" zuschreiben zu müssen glaubte^). Eingefasst oder gekrönt wird
dieses wesentlichste Element der Anfangs-Hieroglyphe von zwei anderen,
seitlich stehenden, die in den ornamentalen Ausgestaltungen dieser Haupt-
Hieroglyphe (vgl. Abb. 3 — 5) deutlich als Figuren von Fischen (Maya: cdi,
1) Vgl. meine Abhandlung: -Zur mexikanischen Chronologie, mit besonderer
Berücksichtigung des zapotekischen Kalenders": oben S. 553.
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 717
1^
718 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entziflfemng.
Tzeltal und Chol: chdi. Guatemala-Sprachen: car) zu erkennen sind. Ich
möchte meinen, dass diese letzteren Elemente mit dem Hauptelement
phonetisch, nach Art der mexikanischen Hieroglyphen, zusammenzusetzen
sind, und ihre Vereinigung ca-tun oder katun zu lesen ist. Mit anderen
Worten, ich bin der Meinung, dass diese Anfangs- und Haupt-Hieroglyphe
nichts anderes als der Ausdruck für „Periode" (kaiun) ist. Wir werden
iu der That sehen, worauf Forste mann schon hingewiesen hat^), dass
die Hieroglyphe für '20 X 360, d. h. die Anzahl von Tagen, die der katuti
der Maya enthält, mit dieser Anfangs- und Haupt-Hieroglyphe im Wesent-
lichen identisch ist. Ich werde diese Haupt-Hieroglyphe als „ Katun -
Zeichen" aufführen.
Die Köpfe, die in der oberen Hälfte dieser Anfangs- und Haupt-
Hieroglyphe die Mitte einnehmen, haben, wie mau iu den Abbildimgen
sieht, auf den verschiedenen Stelen und Altarplatten, und auch auf den
verschiedenen Seiten derselben Stele verschiedene Gestalt und verschiedenes
Ansehen. Ich glaube in einigen (Abb. 9 und 22) den Sonnengott zu
erkennen. Andere (Abb. 10, 12, 14) scheinen ebenso zweifellos die
Wassergottheit darzustellen, die die Yukateken Ah bolon tz'acab nannten,
aber auch (Abb. 21) den Yogel Moan, der aber wohl nur ein Vertreter
der Wassergottheit ist. Wieder andere (Abb. 6, 8 u. '2<o) lassen ziemlich
deutlich einen Jaguar-Kopf erkennen. Andere (Abb. 11) den Kopf
eines Reptils (Krokodils). Andere (Abb. 3, 4, 20) zeigen ein regel-
mässiges, bartloses Gesicht, flachgedrückte Stirn und Züge, die denen des
jüngeren der beiden Priester auf den Altarplatten von Palenque gleichen.
Eine, namentlich in den Abb. 4 und 20 deutlich erkennbare Haarflechte,
die vor dem Ohr laug herunterhängt, und eine Art Breloque, die von der
Stirn herab über die Nasenwurzel hängt, lassen erkennen, dass hier ein
weiblicher Kopf dargestellt werden sollte. In einer der Hieroglyphen
(Abb. 5) scheint ein Kopf mit Todes-Symbolen gezeichnet zusein. Auf
den Altarplatten aus Palenque endlich ist iu der Anfangs-Hieroglyphe
statt eines Kopfes ein Tageszeichen zu sehen: im Kreuztempel Xr. I
(Abb. 23) das Zeichen caban, das dem mexikanischen olin „Bewegung'-
entspricht. Im Kreuztempel Xr. H (Abb, 24) das Zeichen ik, das dem
mexikanischen eecatl „Wind" entspricht.
Ich bin der Meinung, dass bei den alten Stämmen, die diese Monu-
mente bauten, die verschiedenen Zeitperioden den verschiedenen Himmels-
richtungen zugewiesen wurden, in derselben Weise, wie das bei den Maya
der späteren Zeit geschah, wofür die Bücher des Chilam Balam uns
Zeugniss geben, und dass wir in diesen Köpfen der Katun-Hieroglyphen
Gottheiten der vier Himmelsrichtungen zu erkennen haben. Nehmen
wir an, wie es wahrscheinlich ist, dass bei diesen alten Stämmen derselbe
1) Globus, Bd. 72 (1897), S. 46.
21. Monumente von Copan und Quirigua und die Altarplatten von Palenque. 719
Symbolismus herrschte, wie er auf den Blättern 25 — 28 der Dresdener
Handschrift vorliegt, und wie ihn ähnlich auch Bischof Land a aus Yucatan
uns berichtet, so würden wir die Wassergottheit Ah bolon tzacab und
seine Repräsentanten, den Vogel Moaii und das Zeichen ik, dem Osten
zuzuweisen haben; den Sonnengott und seinen Repräsentanten, den Jaguar^
der Himmelsrichtung des Nordens; die weibliche Gottheit und das
Zeichen cahan der Himmelsrichtung des Westens; denn das Zeichen
caban enthält, wie ich schon in einer früheren Abhandlung dargethan
habe^), in Abbreviatur die auszeichnenden Bostandtheile der Weiber-
Physiognomie, einen Theil des dunklen Haarschopfes mit den lang herab-
hängenden peitschenartigen Haarsträhnen, die den Weiberköpfen der
Dresdener Handschrift ein so charakteristisches Ansehen geben, n Die
weibliche Gottheit ist die Erdgottheit. Und auch deshalb entspricht das
Zeichen caban der weiblichen Gottheit. Denn olin^ die mexikanische Ent-
sprechung des Zeichens caban^ ist ein bekanntes Symbol für Erdbeben.
Und die Erde selbst lieisst im Maya cab. So könnte auch der Reptil-
kopf, da das Reptil im mexikauisch-zentralamerikanischen Symbolismus
allgemein die Erde vertritt, als Repräsentant derselben Himmelsrichtung
augesehen werden. Der Kopf mit Todessymboleu endlich müsste die
vierte Himmelsrichtung, den Süden, bezeichnen. Es ist indes nicht aus-
geschlossen, dass nicht bloss vier, sondern sechs Himmelsrichtungen unter-
schieden wurden, und dass wir unter diese die verschiedenen Köpfe und
Symbole zu vertheilen hätten. Dann würde unter anderem das Zeichen
caban und der Weiberkopf, oder vielleicht auch der Kopf mit Todes-
symbolen, auch für die Richtung unten in Betracht kommen können.
Der Anfangs- und Haupt-Hieroglyphe, die eine besondere Stellung
einnimmt, und der in der Regel auch ein grösserer Raum als den übrigen
Hieroglyphen zugewiesen ist, folgen dann sechs andere, die auf der Mehr-
zahl der hier in Frage kommenden Denkmale gleiche oder homologe
Reihen bilden. Maudslay bezeichnet sie als „Initial Series". Die Zu-
sammenstellung, die er auf Tafel 31 seines grossen Werkes für die Copan-
Stelen und auf Tafel 92 für die Altarplatten von Palenque gegeben hat,
lassen diesen Homologismus klar hervortreten. Das Gleiche zeigen auch
die Stelen von Quirigua und verwandte Denkmale anderer Ruinenstätten.
Die letzte sechste Hieroglyphe ist in den meisten dieser Reihen aus
dem Tageszeichen ahau und einer Ziffer gebildet. Es ergibt sich daraus
sofort der Schluss, dass diese Denkmale auf die grossen Zeitperioden, die
den Maya Yucatan's unter dem Namen Katun bekannt waren und die der
Reihen nach mit den Tagen 4. 2. 13. 11. 9. 7. 5. 3. 1. 12. 10. 8. 6. ahau
benannt wurden, d. h. mit diesen Taigen beoannen, oder auf ihre Unter-
1) „Zur mexikanischen Chronologie, mit besonderer Berücksichtigung des zapo-
tekisclien Kalenders"; oben S. 548 — 550.
720 Dritter Abschuitt: Kalender und Hieroglypheu-Eutzifferuug.
nbtlieiliingeu, die ebenfalls mit oineni Tage ahau bouaimt waren, Bezug
nehmen. \ Wo, wie es zuweilen vorkommt, die sechste Hlk-oglyphe kein
a//aM-Tag ist, — wie z. B. auf der Altarplatte des Sonnen tempels in
Palenque, und auf einem von Maiulslav nach Europa gebrachten Hiero-
glvphen-Bande von MeJiche Tinamit^ — da ist die sechste, die Schluss-
Hieroglyphe der „Initial-Series", doch immer nur ein Tagesdatum, und
wir w^erden sehen, dass dieses Datum fast regelmässig in naher Beziehung
zu einem der oben genannten aÄaw- Daten steht. Ich habe seiner Zeit
nachgewiesen^), dass diese mit ahau beginnenden Perioden, denen von
den alten spanischen Chronisten eine Dauer von 20 Jahren zugeschrieben
ward, imd die von neueren Archäologen (Pio Perez, Cyrus Thomas)
zu 24 Jahren angenommen wurden, in Wahrheit einen Zeitraum von
20x360 Tagen umfassen.
Die Form, in der das Zeichen ahau an dieser hervorragenden Stelle
der Monumente dargestellt wird, ist in vielen Fällen der der Handschriften
gleich. Vgl. Abb. 27 und die ersten Hieroglyphen der Gruppen 28, 29,
39 und 40. In vielen Fällen aber ist ihm eine ornamentalere Gestalt
gegeben worden, indem innerhalb der kalkuliformen Umrandung, die immer
stark markirt ist, das Gesicht eines Mannes (Abb. 30, 37 und die ersten
Hieroglyphen der Gruppen 31, 34, 35, 38, 41) oder eines Vogels (Abb. 32, 33)
oder die ganze Gestalt eines Mannes (Abb. 36) erscheint. Ich habe in
meiner ersten Mittheilung über die Maya-Tageszeichen^) das schematisirte
en-face-Gesicht des Zeichens ahau als das des Sonnengottes oder des
Sonnenvogels gedeutet. Yon den kalligraphischen Yarianten der Monu-
mente scheinen einige diese Deutung zu bestätigen. So stimmt z. B. in
Abb. 36 die in dem kalkuliformen Kahmen sitzende, rückwärts gewandte
Gestalt in der That in den wesentlichen Zügen mit der Figur überein,
die auf derselben Stele unmittelbar vorher als Hieroglyphe des Zeichens
kin oder eines einzelnen Tages gezeichnet ist. ^ In weitaus den meisten
Fällen aber zeigt das von der Umrahmung eingefasste, überall ziemlich
gleichartig gezeichnete Gesicht nichts, was einen unmittelbar veranlassen
könnte, es als das Gesicht des Sonnengottes zu deuten. Charakteristisch
sind zwei die Stirn einnehmende Haarbüschel oder Bindentroddeln und
ein dunkler Fleck auf der Wange. Wo ein Yogelgesicht gezeichnet ist
(Abb. 32, 33), scheinen wenigstens die beiden Büschel ebenfalls angedeutet
zu sein.
Aus der Thatsache, dass am Ende der „Initial Series" oder Keihen
homologer Hieroglyphen ausnahmslos ein Datum steht, zog der Scharfsinn
Förstemann's sofort die Folge, dass die vorhergehenden fünf Hiero-
1) Vgl. oben S. 533 und S. 577 ff.
2) „Die Tageszeichen der aztekischen und der Maya- Handschriften", oben
S. 502.
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 721
3 ^^
ibb. 27. Copun, Stele M. Abb. 28. Copan, Stele M. Abb. 29. Copun, Altar S. Abb. 30. Copan,
Stele P. Abb. 31. Copan, Stele B. Abb. 32. Copan, Stele A. Abb. 33. Copan, Stele J.
Abb. 36. Copan, Stele U.
Abb. 34. Copan, Stele C, 1, 2.
Abb. 35. Copan, Stele C, 1 a, 2 a.
an
Ob^
b. 37. Quirigud, Stele A. Abb. 38. QuiHgud, Stele C (Ostseite). Abb. 39. Quiriguä, Stele C (Westseite).
Abb. -40. Pa/e?»gMe, Kreuz -Tempel I. Abb. 41. Pa/em^»^, Tempel IL
Seier, Gesammelte Abhandlungen J. 46
722
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
glypheu zusammen einen Zahlenausdruck darstellen müssen. Und es ist
nur Hfitürlich, anzunehmen, dass diese Zahleuausdrücke in derselben Weise
gebildet sein werden, wie die der Dresdener Handschrift, d. h. dass von
unteu nach oben, bezw. von hinten noch vorn, sich Einer (einzelne Tage,
kin), Zwanziger (20tägige Zeiträume, uifial), Dreihundertsechziger (Katun-
Abschnitte oder „Steine^, tun, wie diese Zeiträume bei den Yukateken
hiessen), Zwanzigfache von 360 (Perioden von 7200 Tagen, Katun) und
Zwanzigfache von Katunen (oder Zeiträume von 144 000 Tagen) einander
folgen werden. Das ist, wie wir sehen werden, in der That der Fall.
Allerdings weicht die Art. wie hier auf den Monumenten die Zahlen
geschrieben sind, von der in den Handschriften üblichen beträchtlich ab.
Abb. 42. Dresdener Hand-
schrift 24.
Abb. 43. Dresdener
Handschrift 43b.
*0 •
♦.:: =ö^
tB^Bt^^
Abb. 44. Dresdener Hand-
schrift 31a.
In den Handschriften werden nahezu ausnahmslos die Ziffern durch Kom-
bination von Strichen und Punkten zum Ausdruck gebracht, wobei der
Punkt immer eine Einheit, der Strich die Zahl fünf bedeutet. Nur die
Ziffer 0 wird dm'ch ein besonderes Zeichen gegeben, durch die in der
Regel mit rother Farbe geschriebene Figur eines kleines Meerschnecken-
Gehäuses. Die Einer aber, die Zwanziger, Dreihundertundsechziger u. s. w.,
die mit den einzelnen Ziffern zu multipliziren sind, werden in den Hand-
schriften in der Regel gar nicht bezeichnet. Ihr Multiplikationswerth ist
implicite durch ihre Stellung in der Ziffersäule gegebeu.
In Abb. 42 z. B., die dem Blatte 24 der Dresdener Handschrift ent-
nommen ist, sehen wir drei Ziffersäulen neben einander, deren jede als
unterstes Glied das Zeichen der Xull aufweist. In der ersten Säule ist
21. Monumente von Gepan und Quirigiiä und die Altarplatten von Palenquc. 723
aber diese Anfangs-Xull in einer Art Umrahmung eingeschlossen, die, wie
die Bandschleife darüber andeutet, als zugebunden, geschlossen anzusehen
ist. Försteman hat nachgewiesen, dass Ziffern oder Ziffersäulen, deren
unterstes Glied in dieser Weise von einer Art Kranz umschlossen ist,
von anderen Ziffern abzuziehen sind. Diese ümkränzung mit der Band-
schleife ist also nichts als ein diakritisches Zeichen und hat für die Art
der Summirung der einzelnen Glieder der Ziffersäule selbst keine Be-
deutung, Wie ich sagte, wächst der Multiplikationswerth der einzelnen
Ziffern von unten nach oben. Wir haben demnach die drei Ziffersäulen
fols'endermassen zu lesen:
II.
III.
6 X 360 = 2160
9x20x20x360 =
1296 000
9x
20
X 20 X 360 =
1 296 000
2x 20= 40
9 x 20 X 360 =
64 800
9
X 20 X 360 =
64 800
Ox 1= 0
16 X 360 =
5 760
9 X 360 =
3 240
220(1
Ox 20 =
0
16 X 20 =
820
Ox 1 =
0
Ox 1 =
0
1 366 560
1 364 360
Die I. Summe, deren Anfangsglied von einem Kranz umschlossen ist,
ist, wie ich sagte, abzuziehen. Ziehen wir Summe I von Summe EL ab, so
erhalten wir die Zahl 1 364 360. Das ist die Summe IE. Und das ist
genau der Abstand des unter der II. Ziffersäule stehenden Datums 1. ahau,
J 8. kayab von dem davor, unter der I. Ziffersäule stehenden Datum 4. ahau^
8. cumku.
In Abb. 43, die der mittleren Abtheilung von Blatt 43 der Dresdener
Handschrift entnommen ist, haben wir zwei grosse Zahlen übereinander,
beide getrennt durch das Zeichen 3. lamat, das auch am Kopf der Säule,
über dem phantastischen Thierkopf zu sehen ist. Die obere Ziffer ist
folgendermassen zu lesen:
9 X 20 X 20 X 360 = 1 296 000
19X20X360= 136 800
8 X 360 = 2 880
15 X 20= 300
OX 1- 0
1 435 980
Die untere, deren unterstes Glied von einem Kranz umschlossen ist
die also wieder zu subtrahiren ist, ist folgendermassen zu lesen:
17 X 20 = 340
12X 1= 12
352
46'
724 Dritter Abschnitt: Kalender and Hieroglyphen-Entzifferung.
Die untere Summe von der oberen abgezogen, gibt die Zahl 1 435 268,
und das ist genau der Abstand eines Tages 3. lamat von dem am Fusse
der Säule stellenden Datum 4. ahau.
In ähnlicher Weise sind in Abb. 44 in den ersten beiden Kolumnen
die oberen über dem Datum 13. akbal stehenden Zahlen:
8x20x20x360=1152 000 8x20x20x360=1152000
16x20x360= 115 200 ! 16X20x360= 115 200
14x360= 5 040 3x360= 1080
15 X 20= 300 13 X 20= 260
4X 1= 4 , OX 1= 0
1 272 544 '■ 1 268 540
Die unteren, in den Ejanz eingeschlossenen Zahlen sind entsprechend:
6X20=120
IX 1= 1
121
0X20= 0
17X 1 = 17
17
1272 544—121 und 1268 540—17 geben beide den Abstand eines
Tages 13. aJcbal von dem am Fusse der Säulen verzeichneten Xormaldatum
4. ahau, 8. cumku.
In der Dresdener Handschrift werden in dieser Weise lange Reihen
von Ziffern geschrieben, die in regelmässigen Abständen wachsen. In der
Abb. 45 z. B. habe ich zunächst zwei auf der linken Seite von Blatt 70
der Dresdener Handschrift stehende Ziffersäulen wiedergegeben, deren jede
aus zwei durch das Datum 9. ix getrennten Zahlen besteht. Die unteren
Zahlen sind von den oberen abzuziehen. Die beiden Kolumuen geben
uns demnach die Zahlen 1 394 120 - 606 = 1 393 514, und 1437020 - 1646 =
1 435 374, die beide den Abstand eines Tages 9. «> von dem am Fusse
der Säulen stehenden IXormaldatum 4. ahau, 8. cumku darstellen. Daneben
habe ich aber eine Reihe von Ziffern gesetzt, die in dem oberen Abschnitt
der Blätter 71 — 73 der Dresdener Handschrift stehen. Hier geben die
oben über den Kränzen stehenden Ziffern die Zahlen
54, 108, 162, 216, 270, 324, 378, 432, 486, 540, 594, 648,
also lauter um die Differenz 54 wachsende Zahlen, und es schliesst sich
an diese Reihe eine andere: Zahlen, die auf den Blättern 71 und 70 von
rechts nach links einander folgen, die mit 720, also dem auf 648 folgenden
Gliede beginnen, aber dann immer um 720 fortschreiten, und von denen
ich die beiden ersten Glieder auf der rechten Seite der Abb. 45 noch hin-
geschrieben habe. Die in Abb. 45 wiedergegebene erste Reihe ist nicht
nur wegen der regelmässigen Differenz (54 = 6X9) interessant. Sie ist
auch deshalb merkwürdig, weil wir hier eine andere Verwendung des
diakritischen Zeichens, des Kranzes mit der Bandschleife, vorfinden.
Während nämlich sonst, wie wir oben gesehen haben, dieser Kranz immer
21. Monumente von Gepan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 725
bedeutet, dass die Summe, deren unterstes Glied von dem Kranze um-
schlossen ist, zu subtrahiren ist, bedeutet hier der Kranz im Gegentheil,
dass die von ihm umschlossene Ziffer nicht zu den darüberstehenden
Ziffern gehört. Es sind vielmehr diese von dem Kranz umschlossenen
Zififern die ZifTern der Tage 11. lamat, 13. ik, 2. cib, 4. oc, 6. kan, 8. e'tznab,
10. eb, 12. cimi, 1. ahau, 3. ix, 5. lamat, 7. ik, — Tage, die, von 9. ix als
Nullpunkt ausgehend, immer um die Differenz von 54 Taoen von ein-
726
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung,
ander abstehen und deren Endglied dann der ebenfalls um 54 Tage vom
7. ik abstellende Tag 9. cib ist, der in der anschliessenden, um 720 Tage
fortschreitenden Reihe dann auch wirklich unter der zugehörigen Ziffer-
säule hingeschrieben ist.
Die aus den vorstehenden Beispielen ersichtliche Zifferschreibung ist
die allgemein in der Dresdener und den anderen Maya- Handschriften
übliche. Einige wenige Stellen kommen aber in der Dresdener Hand-
schrift vor, wo die ZiffBTh' nach einem anderen Plan geschrieben sind,
indem die Multiplikanden, die Einer, die Zwanziger, die Dreihundertund-
sechziger u. s, w, nicht bloss durch ihi'e Stelle in der Ziffersäule bezeichnet
sind. Es werden an diesen Stellen überhaupt keine Ziffersäulen geschrieben,
sondern der zusammengesetzte Zalilausdruck wird durch mit Ziffern ver-
sehene Hierogly|)hen, die eben die Hieroglyphen der Multiplikanden sind.
Abb. 46. Dresdener
Handschrift 61.
OO OOo
Abb. 47. Dresdener Abb. 48. Dresdener
Handschi-ift 69. Handschrift 61.
Abb. 49.
Dresdener Hand-
schrift 69.
zur Anschauung gebracht. Das sind zunächst die beiden wichtigen
Blätter 61 und 69 der Dresdener Handschrift. Die beiden Blätter zeigen
uns homologe Darstellungen: eine Säule aus 18 übereinandergestellten
Paaren von Hieroglyphen, und dahinter eine, bezw, vier, grosse Schlangen-
figuren, über deren geöffnetem Rachen eine Gottheit thront. Die Säulen
zerfallen in zwei Abtheilungen, Die obere, aus 10 Hieroglyphen-Paaren
bestehend, schliesst mit dem Datum 4, ahau, 8, cuviku^ die untere, aus
8 Hieroglyphen-Paaren bestehend, mit dem Datum 9, kan^ 12. kayab. Das
Datum 9, kan, 12, kayab schliesst auch die kurzen Säulen von je vier Hiero-
glyphen-Paaren, die der Schreiber über den auf den Schlangen thronenden
Gottheiten angebracht hat.
In dem unteren, mit dem Datum 9. kan, 12. kaijab schliessenden Theil
der grossen Säulen sehen wir auf Blatt 69 unmittelbar über dem Datum
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 7'27
9. kan, 12. kayab (vgl. Abb. 49) eine Gruppe von vier Hieroglyphen, deren
letzte das mit der Ziffer 4 versehene Zeichen für kin „Sonne" oder „Tag"
ist. Es liegt nahe, die davorstehenden Hieroglyphen dementsprechend als
4 X 20, 9 X 360 und 15 X 20 X 360 zu deuten. Und in der That, nehmen
wir das an, so erhalten wir die Summe 4 + 80 -(- 3240 -f 108000=- 111324.
Und das gibt wirklich den Abstand eines Tages 9. kan von dem darüber
stehenden Normal-Datum 4. ahau^).
Noch interessanter ist der obere, mit 4. ahau, 8. cumku schliessende
Theil der Säulen. Hier sehen wir (vgl. Abb. 47), von dem Datum aller-
dings durch einige Hieroglyphen getrennt, eine ähnliche Gruppe von vier
Hieroglyphen, deren letzte auch wieder die Hieroglyphe kin „Sonne" oder
„Tag" ist. Die Gruppe ist — wofür ich allerdings erst in dem weiteren
Verlauf dieser Abhandlung Belege beibringen kann — 1 X 20 X 360 -|- 8
X 360 + 16 X 20 + 0 X 1 = 10400 zu lesen. Und das ist auch der Abstand
eines Tages 4. ahau von dem Normal-Datum 4. ahau.
Die entsprechenden Gruppen auf Tafel 61
(vgl. Abb. 48 und 46) sind durchaus homolog.
Nur liegt in Abb. 48 ein Fehler vor. Die
letzte der vier Hieroglyphen ist natürlich
nicht 3. kin, sondern 4. kin zu lesen.
Dieselben, oder nahezu dieselben Hiero-
glyphen der Multiplikanden finden wir in
umgekehrter Reihe, von oben nach unten,
bezw.von links nach rechts, einander folgend. Abb. 50. Abb. 51.
in der oberen Abtheilung von Blatt 52 der „ ^'''tZ\. o ^?'f TL
° Handschrift 51. Handschrift 52 a.
Dresdener Handschrift (vgl. Abb. 51). Und
das Zeichen kin „Tag" ist auch auf Blatt 51 der Dresdener Handschrift
zu sehen (Abb. 50), wo 8. kin den Abstand der beiden dort stehenden
Daten, des Normal-Datums 4. ahau und des Tages 12. lamat angibt.
Genau wie in diesen vereinzelten Fällen der Handschriften wird nun
auf den Monumenten allgemein geschrieben. Reihen von Ziffern, bei
denen jede Ziffer, je nach ihrer Stellung, einen verschiedenen Multipli-
kationswerth hat, kommen nicht vor. Die Multiplikanden, die Einer, die
Zwanziger, die Dreihundertsechziger u. s. w., sind immer durch besondere
Hieroglyphen zur Anschauung gebracht. Nur die Einzeltage, die Einer,
machen eine Ausnahme, indem sie im Text häufig nur in Ziff'ern neben
die mit Ziffer versehenen Hieroglyphen gesetzt werden, die die Anzahl der
Zwanziger angeben. Vgl. die Abb. 78 unten S. 733. Die Multiplikatoren
ihrerseits werden durch Ziffern bezeichnet, oder durch Hieroglyphen, denen
ein bestimmter Zifferwerth zukommt. Die Reihenfolge wird dabei, nahezu
1) In Bezug auf die Üinal-Daten finden sich hier und in den folgenden grossen
Zahlen Unregelmässigkeiten, deren Ursache noch nicht sicher ermittelt ist.
728 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
ausnahmslos, genau innegehalten. Es folgen die Einer, oder einzelne Tage
{kin), die Zwanziger (uinal), die Dreihundertsechziger (tun), die Zwanzig-
fachen von 360 (katun) und die Zwanzigfachen der Katune, die die letzten
höchsten Glieder der Zahlen-Ausdrucke sind. So sind also in den Reihen
der „Initial Series" die an fünfter Stelle, unmittelbar über dem ahau-
Datum stehenden Hieroglyphen Einer (kin), die an vierter Stelle stehenden
Zwanziger (uinal), die an dritter Stelle stehenden Dreihundertsechziger
{tun), die an zweiter Stelle stehenden Katune, und die an erster, un-
mittelbar unter der Anfaugs-Hieroglyphe, dem Katuu-Zeichen, stehenden
Hieroglyphen sind Zwanzigfache von Katunen.
Im Text der Inschriften kommt es bisweilen vor, dass die Reihen-
folge sich umkehrt, dass nicht die Zwanzigfachen von Katunen, oder über-
haupt der grösste Multiplikationswerth, sondern die Einzeltage, oder die
niedersten Multiplikationswerthe zu oberst oder zuerst stehen. Aber inner-
halb der Reihe wird die Folge fast immer genau innegehalten. Immer
steigt es in Ordnung entweder vom höchsten zum niedersten Multiplikandus,
von den grössten zu den kleinsten Zeiträumen, ab, oder vom niedersten
und kleinsten zu dem höchsten und grössten auf.
Die Form, die die Hieroglyphen der Multiplikanden auf den Monu-
menten aufweisen, ist dabei zum Theil dieselbe, wie die, die wir eben in
den Abb. 46—51 kennen gelernt haben. Häufiger aber noch erscheinen
auf den Monumenten abweichende und sehr merkwürdige Formen. Und
die monumentale Ausgestaltung der Hieroglyphen hat zur Folge, dass
ganze Figuren, Menschen- und Thier-Gestalten als Ausdruck für Zahlen
und Zeiträume auftreten.
Die Einer, die Einzeltage ki?i, werden auch auf den Monumenten ver-
schiedentlich durch die Hieroglyphe zum Ausdruck gebracht, die in den
Hieroglyphen-Gruppen der Abb. 46 — 49 an vierter Stelle steht und die
ein Element enthält, in dem man schon längst das Zeichen für kin
„Sonne" oder „Tag" erkannt hat, weil dasselbe Element in einem mit kin
zusammengesetzten Uinal- oder sogen. Monats-Namen {yaxkin) und in den
Hieroglyphen der ebenfalls mit kin zusammengesetzten Ausdrücke für
Osten und Westen (lakin und chikin) vorkommt, und weil die Figur und
die Hieroglyi^he des Gottes, den man Grund hat als den Sonnengott
Kinich aliau anzusehen, dasselbe Element an der Stirn trägt. Wir finden
diese Hieroglyphe an der fünften Stelle der „Initial Series" der Stele M
von Copan (Abb. 52) und an fünfter Stelle der Initial Series der Altar-
Platte des Kreuz-Tempels Xr. 1 von Falenque (Abb. 55). Und auch im
Text der Altar-Platten von Palenque kommt diese Form an verschiedenen
Stellen vor (Abb. 53, 54). In dem Bilde erkennen wir die nach den vier
Richtungen, d. h. allen Richtungen, Licht aussendende Scheibe. Das
Gleiche führen uns das Bild der mexikanischen Sonne und die mexika-
nischen Hieroglyphen für Spiegel, Smaragd, Türkis vor Augen. Die hart-
21. Monumente von Copan und Quirigua und die Altarplatten von Palenque. 729
artigen Anhänge habe ich früher wohl als Flügel gedeutet. Man wird
richtiger vielleicht an lodernde Flammen, oder an den u mex km, den , Bart
der Sonne% d. h. die Strahlen der Sonne, denken müssen
Abb. 52—74. Hieroglyphe Kin, Einer oder Einzeltage.
An diese Hieroglyphe schliessen sich die Hieroglyphen für „eins" un-
mittelbar an, die ich in den Abb. 57-60 wiedergegeben habe. Wir haben
hier denselben Sonnenbart, aber statt der Sonnenscheibe den Sonnengott,
mit dem charakteristischen grossen Auge und der eigenthümlichen "aus-
feilung der Schneidezähne, auf die als Kennzeichen des Sonnengottes ich
730 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
schon in einer früheren Abhandlung- aufmerksam gemacht habe^). Die
erste dieser Figuren (Abb. 57), aus der Initial Series der Stele J von
Copan, zeigt auf der Stirn auch das Zeichen kin. Eine besondere Haar-
tracht scheint auch vorhanden zu sein. Vielleicht eine über der Stirn
aufzüngelnde Locke. Doch ist das aus den Hieroglyphen nicht mit
Sicherheit festzustellen. Ganz nach Art dieser Hieroglyphen ist die
Abb. 56 aus dem Text des Kreuztempels Nr. H von Palenque. Der
Sonnengott, wie in Abb. 57 — 60. Nur fehlt der Sonnenbart. Aber auf
der Wange, vor dem Ohr, ist wieder die Sonnenscheibe angegeben.
Eine neue Form der Hieroglyphe für „eins" zeigen uns die Abb. 61
bis 65. Hier ist es nicht mehr das Gesicht des Sonnengottes, sondern ein
Vogel-Gesicht. Die Beziehung zur Sonne ist aber auch hier in Abb. 61
durch das Bild der Sonnenscheibe auf der Wange vor dem Ohr und bei
den übrigen Figuren durch den gekrümmten Hauzahn des Sonnengottes
angezeigt. Ich erinnere daran, dass wir oben, bei Besprechung der Formen
des Tageszeichens ahau^ fanden, dass ein Vogel-Gesicht stellvertretend für
das Bild des Sonnengottes eintritt. In unseren Abb. 61 — 65 ist überall
deutlich ein über die Stirn gehendes, breites Band gezeichnet, das in
Abb. 63 deutlich ein Mattengeflecht aufweist. Sollte hier das mecapalli,
das Band, o^'emeint sein, das der indianische Lastträger sich über die Stirn
legt? Und sollte hier der Vogel der Träger der Sonnenscheibe sein?
Dann hätten wir eine interessante Parallele für gewisse altweltliche Dar-
stellungen.
Ein merkwürdiges Bild zeigt uns die Abb. 66, die au fünfter Stelle
der Initial Series der Stele N von Copan steht. Hier liegt augenscheinlich
eine pathologische Bildung vor: eine zerstörte Nase und eine Wucherung-
unter dem Auge. Wenn man bei der Nasenform auch Zerstörung des
Steins oder mangelhafte Zeichnung annehmen wollte, so ist doch die
Wucherung- unter dem Auge kaum anders, denn als ein Krankheits-Er-
zeugniss zu deuten. Man möchte an präkolumbische Lepra denken, wenn
sie nachgewiesen wäre, oder an Syphilis. Jedenfalls scheint eine. Haut-
krankheit vorzuliegen. Eine Erklärung für das Vorkommen dieser merk-
würdigen Hieroglyphe ist, glaube ich, nicht schwer zu geben. Aus den
Berichten der Mexikaner wissen wir, dass die sozusagen Aussätzigen, die
Hautkrauken und mit Syphilis Behafteten, dem Sonnengott geweiht waren,
dass Nanauatzin^ der „kleine Syphilitiker" es war, der in das Feuer sich
stürzend darnach als Sonne am Himmel emporstieg. — Eine ähnliche
Deutung möchte ich auch dem Kopf der Figur geben, die auf der Stele D
1) „Alterthümer aus Guatemala". Veröffentlichungen aus dem Königl. Museum
für Völkerkunde, Band TV, Heft 1, S. 37. — Bekanntlich sind in dieser Weise
ausgefeilte Schneidezähne in der That bei den Ausgrabungen des Peabody-Museums
in Copan gefunden worden.
21. Monumente von Copan und Quirigua und die Altarplatten von Palenque. 731
von Copan einen einzelnen Tag bezeichnet (vgl. Abb. 73). Ob auch die
Abb. 67, der Initial Series der Hieroglyphen-Treppe von Palenque
(Maudslay IV, PL 23) entnommen, hierher zu rechnen ist, oder ob nur
eine durch Verstümmelung entstandene Veränderung der Züge des Sonnen-
gottes vorliegt, lasse ich dahingestellt.
Nicht zu deuten vermag ich die Abb. 68, 69 und 70, 71, die im Text
der Monumente für „eins" vorkommen. Erstere zeigen den Kopf eines
hundeartigen Thieres, bei dem das Auge durch ein paar gekreuzte Todten-
knocheu ersetzt ist. Von Abb. 70, 71 vermag ich auch nicht einmal
genau anzugeben, was das Bild vorstellen soll. Vielleicht ein Schnecken-
Gehäuse. Der Werth der einen und der anderen Form, als Hieroglyphen
für „eins", ergibt sich aber durch die Rechnung als ausser allem Zweifel.
Eine letzte Form der Hieroglyphe „eins" (Abb. 22) habe ich auf der
schönen Cedrelaholz-Platte von Tikal gefunden, die durch Dr. Bernouilli
nach dem Museum von Basel gekommen ist. Diese Hieroglyphe, die vor
einem Datum steht, das in der That um einen Tag dem vorher ver-
zeichneten Datum voraus ist, zeigt uns zwischen einem hieroglyphischen
Element, das ich schon längst als Himmel gedeutet habe^), und dem
Element caban^ das, wie wir oben sahen, die Erde bezeichnet, die Sonnen-
scheibe, und zwar, wie aus einem Spalt zwischen der Hieroglyphe Himmel
und der Hieroglyphe caban hervorkommend, ein leicht verständliches Bild
des anbrechenden Tages.
Ich gehe über zu den an vierter Stelle in den Initial Series stehenden
Hieroglyphen, die uns, wenn die oben auseinandergesetzte Theorie sich
bewährt, die Zwanziger, die Uinal^ oder Zeiträume von zwanzig Tagen
bezeichnen. In den Gruppen Abb. 48, 49 der Dresdener Handschrift (oben
S. 726) ist an der betreffenden Stelle (der dritten) eine Hieroglyphe ge-
zeichnet, die als wesentliches Element das Tageszeichen chuen enthält.
Dasselbe Zeichen sehen wir in der Tliat an der entsprechenden Stelle der
Initial Series des Kreuztempels Nr. I von Palenque (Abb. 76), der Initial
Series der Stele C von Copan und an zahllosen Stellen des Textes, wobei
besonders häufig die Zahl der Einzeltage daneben einfach durch eine Ziffer
zum Aasdruck gebracht ist, wie das die Abb. 78 uns zeigt, die 12 X 20 -f- 2
zu lesen ist. Dem Maya-Tageszeichen chuen entspricht bekanntlich das
mexikanische o<;omätli, „Affe". Ich habe seinerzeit^) eine Verbindung
zwischen dem, dem Worte chuen zu Grunde liegenden Begriff und dem
Affen hergestellt, indem ich auf das Zwillingsbrüder-Paar Hun batz („eins
Affe"), Hun chouen verwies, von denen das Popul Vuh uns erzählt, dass
1) Es kommt, mit der Ziffer 13 verbunden, in der Hieroglyphe des Vogels
Moan vor, und ich habe es dort als die oxla/mn taz mmjal, „die dreizehn Schichten
der Wolken" gedeutet (vgl. oben S. 486, 487).
2) „Tageszeichen der aztekischen und der Maya-Handschriften", Zeitschrift für
Ethnologie XX (LssS), S. 72—73 (oben S. 47«, 479).
732
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Ton ihm das Geschlecht der Affen abstamme. Gegen diese Zusammen-
bringung ist von gewisser Seite polemisirt worden, weil der betreffende
Autor das Zeichen chuen aucli bei einer beissenden Schlange fand und es
deslialb lieber mit der Schlange in Verbindung bringen zu müssen glaubte.
Diese Einzeldeutung ist zweifellos unrichtig. Das Element chuen kommt
so häufig in den Hieroglyphen und den Figuren, und in so vielseitiger
Verwendung vor, dass der Autor mit dem Begriffe „Schlange'' sicher nicht
durchkommt. Ich halte die A'^erbindung mit dem mexikanischen ocomätli
aufrecht, und, bin der Meinung, dass das Bild chuen zur Bezeichnung des
Affen verwendet wurde, weil der Affe das zähnefletschende Thier ist.
Denn das Zeichen chuen scheint mir in der That nichts weiter als einen
offenen Rachen darzustellen. Ich verweise auf die Abb. 75, die der
Figur auf der Rückseite der Stele H von Copan
entnommen ist. Man sieht, dass die ausgefeilten
unteren Schneidezähne genau die Figur geben,
die in dem chuen-B'ilde in der Mitte des unteren
Randes in den Innenraum vorragt und die in
Abb. 77 nur in etwas abgerundeter Form ge-
zeichnet ist. Die an den Seiten in den Innen-
raum vorragenden Theile stellen die Eckzähne
dar. Das Element am oberen Rande endlich
müssten die oberen Schneidezähne sein. In der
That finden wir dieses gelegentlich (vgl. Ab-
bildung 79, 80) genau in der Form gezeichnet,
wie das gegenüberliegende des unteren Randes,
das wir schon als die ausgefeilten unteren
Schneidezähne erkannt haben. Vielleicht könnte
aber auch das obere Element — wenigstens
-78 — ein Auge angeben und den offenen
Dass der offene, zähnestarrende
Abb. 75. Gesicht des Sonnen-
gottes. Von der Eückseite der
Stele H von Copa)i.
in den Abbildungen 76-
Rachen zum Ausdruck bringen sollen.
Rachen den Begriff eines Thieres gab, dass man au „beissen" dachte,
auch dass man den im Affekt den Rachen w-eit aufreissenden Affen durch
dieses Symbol bezeichnete, lässt sich alles verstehen. Wie kommt aber
dieses Zeichen dazu, die Zahl zwanzig auszudrücken? \ In den Maya-
Sprachen wird allgemein die Zahl zwanzig durch Ableitungen von dem
Stamme u-in ausgedrückt, dem, wie es scheint, eine ursprüngliche Be-
deutung „sich vermehren" zukam, und von dem auch die Ausdrücke für
Mensch — Quiche vinak, Maya uinic — hergeleitet sind, die vielfach
geradezu zur Bezeichnung der Zahl zwanzig verwendet wurden. Das
Maya-Wort tänal für den Zeitraum von 20 Tagen führt natürlich auch auf
denselben Stamm zurück. Dass „Mensch" und „zwanzig" sich decken,
begreift man. Wenn man mit dem Abzählen der Finger zu Ende ist,
kommt man auf zehn, und wenn man auch die Zehen zu Hülfe nimmt.
21. Monumente von Copan und Quirigua und die Altarplatten von Palenque. 733
auf zwanzig-. Darum sind die Zahl-Systeme der verschiedenen Völker
bald auf der Einheit von zehn, bald auf der von zwanzig aufgebaut. Soll
man nun annehmen, dass die alten Maya-Literaten zwanzig gleichartige
Dinge zu Grunde legen wollten und lieber an die Zahl der Finger des
Affen, als an die Pinger und Zehen des Menschen denken wollten? Ich
glaube, UKin kann das als Konjektur annehmen, so lange man keine bessere
Abb. 76—101. Hieroglyphe Uinal, Zwanziger, oder zwanzig Tage.
Erklärung weiss. Wenn einmal die Sprachen der Maya-Stämme gründ-
licher bekannt sein werden, wird man vielleicht eine befriedigendere Er-
klärung finden.
Das Zeichen chuen kommt zur Bezeichnung der Zahl zwanzig im
Text der Monumente ungemein häufig vor. Es ist aber durchaus nicht
die einzige dafür verwandte Hieroglyphe; daneben erscheint im Text der
Monumente bisweilen, und in den Initial Series fast regelmässig, ein
anderes Zeichen, der merkwürdige Thierkopf, dessen verschiedene Vor-
kommnisse ich in den Abb. 81 — 95 und 97 — 100 wiedergegeben habe.
734 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung,
^Vie schon die Köpfe erkennen lassen, niul wie es noch deutlicher die
ganze Figur zeigt, die auf der Stele D von Copan diese Hieroglyphe zum
Ausdruck bringt (Abb. 97), handelt es sich hier augenscheinlich um ein
Reptil. Und ich glaube, man wird an die Iguana (im Maya huh genannt)
denken müssen. Dafür sprechen das Aussehen der ganzen Figur, die
kurzen dreieckigen Zähne, — der seitlich heraushangende gekrümrate
Eckzahn ist natürlich Phantasie, wird aber von den Mayaschreibern genau
in gleicher AYeise in dem Bilde der Schildkröte gezeichnet — , dafür
spricht das deutlich markirte runde Nasenloch und vielleicht auch das
über dem Ohr angebrachte runde Schild, auf dem mit grosser Regel-
niässigkeit drei kleine Kreise angegeben sind. Damit könnte das grosse,
von grossen Schuppen umsetzte äussere Trommelfell gemeint sein. Viel-
leicht aber auch die grossen höckrigen Schuppen, die bei der Iguana in
der Nackengegend, also gewisserraassen über dem Ohr, zu sehen sind.
Ich habe in Abb. 101 noch eine Thierfigur der Dresdener Handschrift
hinzugefügt, die auch am Ohr ein solches Schild mit drei Punkten hat,
und vielleicht dasselbe Thier bezeichnen soll. — Wie kommt nun aber,
müssen wir wieder fragen, die Iguana dazu, ein Symbol für die Zahl 20
zu sein? Ich kann leider hierfür auch nicht einmal eine Yermuthung
beibringen und begnüge mich, die Thatsache festzustellen. Eine ab-
weichende Gestalt zeigt die Hieroglyphe uinal auf der Stele P von Copan
(Abb. 96). Hier haben wir denselben Vogelkopf wie in der Hieroglyphe
kin. Nur der Hauzahn fehlt. Und an der Schläfe sieht man ein Orna-
ment, das fast wie ein Ammonit oder Nautilusgehäuse aussieht.
Andere Zeichen für die Zahl zwanzig kommen in den Handschriften
und auch auf den Monumenten vor, die ich aber hier noch unbesprochen
lasse, weil sie nicht als Multiplikanden, nicht als Bezeichnung eines Uinal,
sondern als Multiplikatoren, oder einfach als Ziffer „zwanzig" verwendet
werden. Dagegen darf ich nicht unerwähnt lassen, dass in der dritten
Hieroglyphe der Abb. 46, 47 der Kopf mit dem Kreuz als Auge und dem
fleischlosen Unterkiefer, wie ich später zu zeigen haben werde, als 16 zu
lesen ist, und dass demgemäss die an der Hinterseite dieses Kopfes sicht-
bare Figur, die wie eine Schleife oder wie ein Ohrpflock mit einem oberen
und unteren Anhang aussieht, vielleicht als eine andere Bezeichnung der
Zahl zwanzig aufzufassen ist.
Der nächst höhere Multiplikandus ist die Zahl 360 oder ein Zeitraum
von 360 Tagen. Die Maya hatten für diese Zeiträume, von denen zwanzig
auf ein Katun kamen, den Ausdruck tun, „Stein". So liest man im
historischen Theil des Chüam Balam von Mani: — turnen hunpiz tun oxlahun
ahau cuchie, ca uliob uay ti petene: denn im ersten Tun (Abschnitt) des
(Katun) 13 ahau war es, dass sie (die Spanier) hierher nach Yucatan
kamen". — Und im Chüam Balam von Chumayel: — tu yox piz tun ychil
hun ahau paxci u chich'een: „im dritten Tun (Abschnitt) im (Katun) 1 ahau
21. Monumente von Copan und Quirigua und die Altarplatten von Palenque. 735
^rde Chi cKeen zerstört". - Dazu stimmt es dann vortrefflich dass wir
als Hieroglyphe für diese Zeiträume ein Zeichen verwendet finden dem
ich schon längst aus anderen Gründen den Lautwerth ^- -f -.^;" J
müssen glaubte^). Wir sehen dies in den der Dresdener Handschrift ent-
Abb 102-125. ffieroglyphe Tun, Dreihundertundsechziger oder Zeiträume
von 360 Tagen.
„ommeuen Abb. 46-49 (oben S. 726), wo die ™-*; ,«-™f P.^^. ''"
Gruppen die Zeitränme von 360 Tagen, die Tun, darstell . - n Abb. 46
ist L Zeichen tun mit einen, Kopf verbunden, der pleonast.sch noch
1) Vgl. meine Bemerkungen darüber oben S. 553.
736 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
einmal deu vorher schon durch die Ziöer bezeichneten Multiplikator acht
zur Anschauung bringt. » Das Gleiche zeigen uns auch die Monumente,
wo wir dieselbe Hieroglyphe an der entsprechenden Stelle (der dritten),
sowohl im Text der Monumente (vgl. Abb. 108, 104), wie auch gelegentlich
in der Initial Series vorfinden (Abb. 102). Mitunter allerdings nicht allein,
sondern getragen von einem Togelkopf (vgl. Abb. 105, 106), der vielleicht
allgemein den Begriff Zeitraum zur Anschauung bringt. Einmal auch
finden wir (vgl. Abb. 107) den Zeitraum von 360 Tagen durch einen
Vogelkopf über dem Zeichen tun ausgedrückt, oder durch einen Yogel-
kopf, bei dem der Unterschnabel oder Unterkiefer durch das Zeichen tun
ersetzt ist.
Diese letztere Hieroglyphe, Abb. 107, bildet, meine ich, den Ueber-
gang und liefert die Erklärung zu der anderen Form der Hieroglyphe 360,
die in den Initial Series der Monumente nahezu ausschliesslich, und ge-
legentlich auch im Text der Monumente vorkommt, und von der ich die
wichtigsten, mir bekannt gewordenen Formen in den Abb. 108 — 125
wiedergegeben habe. Man sieht, dass hier überall ein Togelkopf, bezw.
Vogelleib und Yogelkopf, gezeichnet ist, dem als Unterschnabel oder
Unterkiefer ein Knochen eingesetzt ist. Ich glaube, dass wir die
Ideeuverbindung von tun „Stein" und bac (oder Qu'iche hak) „Knochen"
heranzuziehen haben, und dass wir so die Abb. 107 mit den folgenden
Abbildungen zu parallelisiren haben. In der That finden wir in der
Tzeltalsprache für die auf zwanzig (tah) folgende höhere Einheit — dem
Vokabularium nach die Zahl 20x20 = 400 in Wahrheit aber wohl 18x20
= 360 bezeichnend — das Wort bac „Knochen" gebraucht. Als akzessorische
Kennzeichen dieser zweiten Form der Hieroglyphe 360 kommen die drei
kleinen Kreise im Auge hinzu, die vielleicht die durch den Knochen an-
geregte Idee weiter spinnen und eine leere, blutende Augenhöhle dar-
stellen sollen. Und ganz in Ueberein Stimmung damit finden wir denn
auch, wo der ganze Vogelleib gezeichnet ist, den Rumpf als Skelett
mit fleischloser Wirbelsäule und fleischlosen Rippen dargestellt (vgl.
Abb. 124).
Auf die Tun folgen die Katun^ die Hauptperioden, die Zeiträume von
20 X 360 Tagen. Da das Wort tun in Katun enthalten ist, so ist es nur
natürlich, dass wir auch in der Hieroglyphe Katun, der ersten Hieroglyphe
der Abb. 46—49 (oben S. 726), und in den Abb. 126—128, die der
zweiten Stelle der Initial Series der Altarplatte des Kreuztempels I von
Palenque und den Stelen C und M von Copan entnommen sind, als
Hauptelement das Zeichen tun finden. Ich habe schon auf einer der
ersten Seiten dieser Abhandlung auf die Gleichartigkeit hingewiesen, die
zwischen der Anfangs- und Haupt-Hieroglyphe der Monumente (Abb. 3
bis 26, oben S. 715—717) und dieser Katun-Hierogljphe besteht. In der
That, wir haben hier, wie da, als Hauptelemeut das Zeichen tun. Wir
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 737
haben das Letztere gekrönt oder eiugefasst von zwei seitlich stehenden
Elementen, deren Identit.ät in die Augen springt, und die uns gewisse
ornamentale Formen der Anfangs- und Haupt-Hieroglyphe (Abb. 3 — 6,
oben S. 71ö) als Abbreviaturen oder Symbole einer Fischfigur erkennen
Hessen. Wir haben endlich zwischen diesen seitlich stehenden Elementen
in der Anfangs- und Haupt-Hieroglyphe einen Kopf, der in der Anfangs-
fJO
Abb. 1 26 — 14 1 . Hieroglyphe Katun, das Zwanzigfache von 360 oder Zeiträume von 7200 Tagen.
und Haupt-Hieroglyphe in verschiedenen Formen erscheint, bald als
Wassergottheit Ah bolon tzacah^ bald als Sonnengott, bald als Frau, bald
als Jaguar, bald als Krokodil, oder endlich auch durch ein Tageszeichen
{ik oder caban) ersetzt ist — wie ich oben auseinandersetzte, wahrscheinlich
mit Beziehung auf die verschiedenen Himmelsrichtungen, unter die, nach der
Anschauung dieser alten Stämme, die verschiedenen Zeitperioden fielen.
Seier, Gesammelte Ablian(llnnp:en I.
47
738 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
AVir haben iu der Katun-Hieroglyphe dagegen an dieser Stelle aus-
nahmslos dasselbe Element, das Tageszeiehen cauac. das bekanntlich dem
mexikanischen quiauitl ..Regen'' entspricht und dfher wohl den Regen-
und "NViudgott schleclitweg als den Herrn der Himmelsrichtungen nnd der
Jahreszeichen bezeichnen soll. In einer Zusammensetzung der Worte
„Fisch" cay und ^.Stein" tun habe ich oben einen Anklang an das Wort
Katun erkennen zu müssen geglaubt. Und es ist diese Identität der An-
fangs- und Haupt-Hieroglyphe der Monumente mit der A'afM7i-Hieroglyphe
der strikteste Beweis, dass all diese Monumente Zentral-Amerikas sich
auf jene vielgenannten grossen Zeitperioden beziehen.
Die Abb. 126— 128 stellen indes nicht die einzige Form der Hiero-
glyphe Katun dar. Im Text der Monumente selten, um so häufiger dafür
in den Initial Series, finden wir die Zeiträume von 20 X 360 Tagen durch
einen Vogelkopf zur Anschauung gebracht, dessen Besonderheiten eine das
Auge überschattende dichte Federbraue und ein die Schuabelwurzel um-
gebender Federbart zu sein scheint (vgl. insbesondere die Abb. 139, 131,
135). und der gelegentlich auch (vgl. Abb. 129 u. 130) mit der oberen
Hälfte der ersten Form der Katun-Hieroglyphe, dem von dem Zeichen
cay eingefassten caj/oc-Zeicheu. gekrönt erscheint^). Freilich kommen
auch Formen vor (vgl. insbesondere die Abb. 134, 136, 137, 138), die
weder die eine, noch die andere dieser Besonderheiten deutlich erkennen
lassen, und wo es mir noch nicht möglich gewesen ist, das gerade diese
Zeiträume kennzeichnende Merkmal herauszufinden.
Die letzten und höchsten Multiplikanden sind die Zahlen 20 X 20 X 360
oder Perioden von 20 Katunen, für die im Tzeltal der 2Same mam „Gross-
vater" gebraucht wird, für die mir aber aus Yucatan kein einheimischer
Js^ame bekannt ist. Ich werde sie als Zyklen bezeichnen. Das ist auch
der höchste Multiplikandus, mit dem in den Handschriften gerechnet wird.
Wir haben absolut keine Veranlassung, anzunehmen, dass die Maya mit
noch grösseren Zeiträumen rechneten, wenn auch in den Wörterbüchern
Zahlbenennungen gegeben werden, die noch um zwei Grade höher atif-
steigen. Eine Hierogh-phe für diese Perioden ist mir aus den Hand-
schriften nicht bekannt. Auf den Monumenten aber kommen zwei ver-
schiedene Formen von ihr vor. Die eine (Abb. 142 — 145) ist die im
Text der Monumente übliche, kommt aber auch in den Initial Series
vor. Die andere (Abb. 146 — 158) wird mit Vorliebe in den Initial Series
1) In der Initial Series des Altars S von Copan sind augenscheinhch die die
Zahlen 360 und '20 X 360 bezeichnenden Vogelköpfe mit einander verwechselt. Es
erscheint der Vogel mit dem Knochen als Unterkiefer (die Hieroglyphe 360) an
zweiter Stelle und mit dem von den crt^r-Zeichen eingefassten c-ö»flc-Zeichen gekrönt,
xmd der Vogel mit der Federbraue und dem Federbart (Hieroglyphe 20 X 360) an
dritter Stelle, wo die Hieroglyphe 3t)0 stehen sollte.
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 739
verwendet, wo sie dann die erste Stelle einnimmt. Die erstere Form der
Hieroglyphe (Abb. 142 — 145) zeigt uns zweimal nebeneinander das Zeichen
cauac und darunter noch häufig (vgl. Abb. 142 u. 143) eine Figur, die wie
eine zusammeugeknotete Strähne Garn aussieht. Die andere, monumentalere
Form der Hieroglyphe des Zyklus (Abb. 14ß — 158) stellt wieder einen
/n
Abb. 142—158. Hieroglyphe des Zyklus, des Zwanzigfachen eines Katun. oder der
Zeiträume von UIOOO Tagren.
Vogelkopf dar. der aber als auszeichnende Besonderheit, als Unter-
kiefer, oder am Unterkiefer, die Figur einer menschlichen Hand zeigt, an
deren Grunde eine ovale Scheibe augenscheinlich die als Handgelenks-
Schmuck getragenen Perlen zum Ausdruck bringen soll. Ob die Figur
der Hand hier etwa „Zusammenfassung'' bedeutet, oder welche Idee sonst
dieser Zeichnung zu Grunde liegen könnte, darüber vermag ich nichts an-
17*
740 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzififerung.
zugeben. Ich bemerke nur. dass wir die Hand in ähnlicher Weise auch
an menschlichen Figuren und Köpfen, aber dann mit ganz anderer Be-
deutung finden werden.
AVir haben demnach unter den Hieroglyphen, die als Multiplikanden
Glieder der Initial Series bilden, mit Ausnahme der letzten (an erster
Stelle stehenden), überall Formen gefunden, die genau mit denen über-
einstimmen, für die aus der Dresdener Handschrift schon die Zahlen-
werthe 1 , 20. 360, 20 X 360 festgestellt wurden. Die in der Einleitung
aufgestellte Theorie, dass die Hieroglyphen, die die Glieder der Initial
Series bilden, in dieser Weise aufsteigende Multiplikanden bilden, wird
dadurch allein schon sehr wahrscheinlich gemacht. Als wirklich begründet
indes wird man diese Theorie erst dann betrachten dürfen, wenn der
Nachweis gelingt, dass das Exempel stimmt, d. h. wenn die in dieser
Weise angenommenen Zahlenausdrücke bei der Zusammenrechnung eine
Summe ergeben, die zu dem darauf folgenden Datum passt und zu ihm
in bestimmter gesetzmässiger Beziehung steht, so dass aus der Summe der
in dieser Weise angenommenen Zahlenwerthe das Datum selbst sich ergibt.
Einen solchen Nachweis glaube ich nun in der That für den grössten Theil
dieser Monumente beibi'ingen zu können.
Eines der schönsten Resultate der arithmetischen Untersuchungen
Förstemann's bezüglich der Dresdener Handschrift ist der Nachweis,
dass die grossen in dieser Handschrift aufgeführten Zahlenreihen, was
immer auch das Euddatum sei, auf das sie sich beziehen, in den aller-
meisten Fällen von einem und demselben Normaldatum ihren Anfang
nehmen, und zwar von dem Tage, der mit der Ziffer vier und dem
Zeichen ahau bezeichnet wird, und der zugleich der achte Tag des
UinaTs cumku ist. Förstemaun hat bis vor wenigen Jahren noch der
Ansicht gehuldigt, dass die Katune der Maya an einem und demselben
Tage des Jahres beo-anuen, und dass sie einen Zeitraum von 24 Jahren
urafassten. Die besondere Bedeutuuo- des von ihm entdeckten Normal-
datums springt aber erst dann in die Augen, wenn man weiss, dass das
letztere nicht der Fall war, sondern dass die Katune der Maya, wie ich
das nachgewiesen habe, einem Zeitraum von 20 X 300 Tagen entsprachen
und dass ihre Anfänge auf wechselnde Tage fielen; denn es liegt dann
natürlich sehr nahe, anzunehmen, dass das Normaldatum nicht ein zufällig-
bestimmter Tag innerhalb der grösseren Zeiträume, sondern dass es selbst
der Anfangstag einer Periode, eines Katun's, war.
Aehnlich wie hier das Normaldatum, und wie vielfach die Daten der
Handschriften überhaupt, werden auch auf den Monumenten die ahau- und
anderen Tage, die am Schluss der Initial Series stehen oder im Text der
Monumente vorkommen, nicht bloss durch Ziffer und Zeichen gegeben,
sondern mit einem Uinal- Datum koinbiuirt. Tao-eszeichen und Uinal-
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 741
Zeichen zeigen dabei, wie das auch schon von anderer Seite erkannt
worden ist, auf den Monumenten im Wesentlichen die gleiche Form, wie
die, die uns Landa überliefert hat und die aus den Handschriften sich
feststellen lassen.
Ich gebe in den Abb. Iö9— 1G4 eine Uebersicht der Tages- und der
Uinal-Hieroglyphen, nach Landa, nach den Handschriften, und wie sie
auf den Monumenten vorkommen, ohne mich heute in eine Diskussion
dieser Formen einzulassen.
Von cliiccluni ist mir keine sichere Form auf den Monumenten bekannt, ebenso
wenig von muhic. Das Zeichen chien, das auf den Monumenten so vielfach als
Bezeichnung des MultipHkanden 20 vorkommt, habe ich als Tageszeichen auf den
Monumenten noch nicht angetroffen. Das Zeichen ix scheint, wie die Rechnung
ergibt, auf dem OstQügel des Inschriften-Tempels von Palenque (Kolumne M,
Zeile S) vorzukommen, ist aber so undeutlich, dass ich auf seine Wiedergabe
verzichtet habe. Das Zeichen, das ich für men angegeben habe, kommt auf der
Basis der Stele N von Copan vor. Es ist mit 13. j)op verbunden, kann also nur
c/iiccan, oc, men oder ahau sein.
Von den ^'/»f/Z-Zeichen der Monumente ist tzec nur aus einer gewissen Aehn-
lichkeit mit der Form der Handschriften erschlossen; denn an keiner der Stellen,
%vo auf den bisher veröffentlichten Monumenten das Zeichen vorkommt, ist eine
sichere Rechnung aufzustellen. Das Zeichen zac habe ich auf den Monumenten
bisher nicht mit Sicherheit konstatiren können. In der Zeile 9 der Kolumne F
des Kreuztempels Nr. I kommt ein Uinal-Zeichen vor, das man der Aehnlichkeit
der Form nach als zac deuten möchte. Hier scheint aber die Rechnung das
Zeichen vielmehr als eine Variante von ch'en zu bezeichnen. Pax kommt nur
einmal auf dem Westflügel des Inschriftentempels von Palenque vor, ist aber dort
durch die Rechnung bestimmt. Für die .vmn kaba kin gibt Landa keine Hiero-
glyphe an. In der Dresdener Handschrift findet sich an einer Stelle die Form
Abb. 163a, wie in der Abhandlung, die den Schluss dieses Bandes bildet, näher
nachgewiesen werden wird. Das in Abb. 164 wiedergegebene Zeichen kommt
Zeile S, Kolumne C des Kreuztempels Nr. II, und Zeile 4, Kolumne Q des West-
flügels des Inschriftentempels von Palenque vor. An beiden Stellen ist die Be-
deutung durch- die Rechnung gewährleistet.
Abb. 159. Die 20 Tageszeichen Abb. 160. Die 20 Tageszeichen nach der
nach Bischof Landa. Dresdener Handsclirift.
(42
Dritter Abschnitt; Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
trntx. i/c
LaL
Ku*x
QxS
Abb. 161. Die 20 Tageszeichen in der Form, ^ie sie auf den Monumenten vorkommeu.
21. Monumente von Copan und Quirigua und die Altarplatten von Palenque. 743
Abb. 1G2. Die 18 Uinal nach Bischof Landa.
Abb. 163a. Die xma
kuha kill nach
der Dresdener Haad-
schrift.
Abb. 163. Die 18 Vinal nach der Dresdener Handschrift.
ninc
'Cait'/wni maci/tx
1
P^\ Ka^cil'
C4Al,XKiC X^mCL Kci{;0L KUX.
i
Abb. 164. Die IN rhial und die .n/ia l-aha hin in der Form, wie sie auf den Monumenten vorkommen.
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 745
Erst durch diese Kombination mit einem Uinal-Datum werden die
Tage, und werden insbesondere auch die l'age ahau^ als Anfangstage eines
Katun's genauer bestinnnt. Denn Ziffer und Zeichen eines Tages sind be-
kanntlich nach 260 Tagen genau die gleichen. Und auch der Anfangstag
eines Katun's hat nach Ablauf von 13 Katun, d. h. nach "256 Jahren und
160 Tagen, wieder genau die gleiche Bezifferung. Der Anfangstag eines Tww's
oder Katun-Ahschnittes, hat ebenso schon nach Ablauf von 13 Tu7i, d. h.
13 X 360 Tagen oder 12 J;\hren und 300 Tagen, wieder die gleiche Benennung.
Fixirt man aber die Tage dadurch, dass man gleichzeitig ihre Stellung
innerhalb des Sonnenjahres festsetzt, d. h. angibt, welchem der 18 Uiiial
der betreffende Tag angehört, und der wievielte in diesem Uinal er ist,
so trifft es erst nach 13x20x73 Tagen oder 52 Jahren ein, dass ein
gleiehbenannter Tag auf denselben Tag desselben UinaVs fällt. \ Und fin-
den Anfangstag eines Katun's wird es — wenn wir z. B. von dem Tage
4. ahau, S. cumku ausgehen — erst nach 13x20x360x73 Tagen, oder
18720 Jahren eintreten, dass der Anfangstag eines Katmi's wieder ein Tag
4. ahau ist, der gleichzeitig der achte Tag des Uiual's cumku ist. Und
auch für den Anfangstag eines Tun^s wird es erst nach 13 X 360 X 373 Tagen
oder 936 Jahren eintreten, dass ein gleicher Ahau-Tag mit einem gleichen
üinal-Datum zusammenfällt. Somit ist es für die Katun- und die Tun-
Anfänge durch diese Kombination mit einem C/maZ-Datum innerhalb der
möglichen Grenzen menschlicher Zeitrechnung genau bestimmt, welchen
der verschiedenen gleichbenannten Katune oder Tune die Errichter der
Monumente im Sinne hatten. Dass aber die Maya das Bedürfniss fühlten,
die Anfangstage der Katune durch Kombination mit einem Uinal-Datum
genauer zu fixiren, ist ein Beweis dafür, dass ihre Zeitrechnung und ihre
Zeiterinnerung über den Zeitraum von 13 Katunen oder 256 Jahren und
160 Tagen hinausgieng und grössere Perioden umspannte, während anderer-
seits die Auffindung dieses Cfesetzes der wechselnden Assoziation von
^AaM-Tagen und rmaZ-Daten wohl die Hauptveranlassung oder der Haupt-
ausgangspunkt für die Zahlenspekulationen war, die in so grossem Umfang in
den Handschriften und auch auf den Denkmälern vorliegen, und die durch
die Grösse der Zahlen, mit denen hantirt wird, unser Staunen erregen.
Dass auch die Art der Kombination der Tagesuamen und der Uinal-Daten
auf den Steindenkmälern von Honduras und Guatemala genau die gleiche ist,
wie in der Dresdener Handschrift, ist von Forste mann u. A. schon längst
erkannt worden. Es ergibt sich daraus für die Chronologie der Steindenkmäler
das Gleiche, was ich für die der Dresdener Handschrift nachgewiesen habe ^),
dass die Jahre nicht mit kan^ muluc, id.; cauac, wie es zu L an da 's Zeit in
Yucatan üblich war, sondern mit been, etznab, akbaL lamat, die den mexi-
kanischen Zeichen acatl-, tecpatl, ca/ti. tochtli entsprechen, begannen'^).
1) Vgl. hierüber meine Bemerkungen oben S. 521, 522; 555 — 557; 585—587.
2) Vgl. auch Cyrus Thomas, The Maya year. Smithsonian Institution,
Bureau of Ethnology 1894, p. 14.
746 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Es zeigt sich aber nun noch eine andere sehr wichtige Ueberein-
stinimnng- zwischen den Daten der Denkmäler und denen der Dresdener
Handschrift. Unter Zugrundelegung der Theorie, dass die fünf ersten
Hieroglyphen der Initial Series der Stelen und der Altarplatten Zahlen-
ausdrücke darstellen, die genau in der gleichen Weise koustruirt sind,
wie die grossen Zahlen der Dresdener Handschrift, d. h. dass von unten
nach oben (von rechts nach links) Einer, Zwanziger, Dreihundertsechziger,
Zwanzigfache von 3()0 (oder Katune) und Zwanzigfache von Katunen einander
folgen, zeigt sich nändich — so ist es wenigstens bei einer Anzahl Denk-
mälern bestimmt nachzuweisen — , dass bei der Zusammenrechnung dieser
Zahlenwerthe sich eine Summe ergibt, die genau den Abstand des am
Schluss der Initial Series stehenden Ahau-Tageä von dem Normaldatum
4. akau, 8. cumku angibt. Damit ist, für diese Denkmale wenigstens, der
Nachweis erbracht, dass das Exempel stimmt, und die Deutung der ein-
zelnen Glieder der Initial Series als Zahleuausdrücke, in der Weise, wie
ich es eben und wie ich es oben angegeben habe, für diese Denkmale,
und damit für alle, als sichergestellt anzunehmen.
Dass dieser Nachweis zunächst nur für einige Denkmale mit Sicherheit
zu führen ist, liegt nicht etwa daran, dass für die anderen das Exempel
nicht stimmt, sondern an der monumentalen Art der Schreibung. Wie
ich oben angab und durch Beispiele belegte, werden in den Handschriften
die Multiplikatorenziffern nahezu ausnahmslos durch Kombination von
Strichen und Punkten zum Ausdruck gebracht, wobei der Punkt immer
eine Einheit, der Strich die Zahl fünf bezeichnet. Anders auf den
Monumenten. Dort werden die Zahlen, die mit den Einern, Zwanzigern,
Dreihundertsechzigern u. s. w. zu multipliziren sind, in einer Anzahl
Fälle allerdings, ebenso wie in den Handschriften, durch Punkte und
Striche bezeichnet. Nur ist die Eigenthümlichkeit zu notiren, dass auf
den Monumenten immer das Bestreben herrscht, den Raum zu füllen.
Es wird selten ein einzelner Punkt (kleiner Kreis), oder zwei solche,
neben einen Strich (Stab) gesetzt, sondern diese fast immer mit zwei,
bezw. einem, offenen Kreise verbunden, so dass der Raum gefüllt
wird. Erst wenn drei Punkte neben einen Strich zu stehen kommen, sieht
man von diesen raumfüllenden Elementen ab. In anderen Fällen aber,
und namentlich häufig in den Initial Series am Kopf der Monumente,
werden die Multiplikatorenzahlen ebenfalls durch figürliche Zeichen oder
Hieroglyphen, Köpfe oder ganze Figuren, zum Ausdruck gebracht. Die
Hieroglyphen, die die Einer, Zwanziger, Dreihundertsechziger u. s. w. be-
zeichnen, sind durch die Stelle, die sie in der Initial Series einnehmen,
bestimmt. Die Ziffern aber, die die Multiplikatorenzahlen bezeichnen,
können wir mit Sicherheit zunächst nur in den Fällen erkennen, wo sie,
nach Art der Handschriften, mit Punkten und Strichen geschrieben sind.
Wo, in monumentalerer Art, anstatt der aus Punkten und Strichen ge-
21. Monumente von Copan und Quiriguii und die Altarplatten von Palenque. 747
<2> <S>
<^ <®> <@> <®>
<@> <^^ ^^
<^^ <^^ <^^ <^^ ^^
bildeten Ziffern ebenfalls Hieroglyplien, Zeichen oder Köpfe stehen, da
muss der Zahlwerth dieser Hieroglyphen erst bestimmt werden.
Zu den Zeichen oder Hieroglyphen, deren Zahlwerth ohne Schwierig-
keit festzustellen ist, gehören die Zeichen für die Ziffer Null. In den
Handschriften wird dafür, wie wir sahen, das mit rother Farbe gemalte
Bild eines Schneckenge-
häuses verwendet. Die ver- ^^^:> ^^^ <S^
schiedenen Formen dieser
Hieroglyphe Null, die in
der Dresdener Handschrift
vorkommen, habe ich in
Abb. 165 zusammengestellt.
Auf den Monumenten habe
ich als einfachsten Ausdruck
der Null die Zahl eins, d. li.
einen Kreis gefunden, dessen
Tnnenraum mit gekreuzter
Streifung, d. h. dunkel, aus-
gefüllt ist. So in der Hiero-
glyphengruppe 4 der Stele C ^^^ ^S^
von Copan. Im Uebrigen
werden aufden Monumenten
für die Null hauptsächlich
zwei Zeichen verwendet,
von denen ich in den
Abb. 166, 167, S. 748 einige
Typen gegeben habe. Die
erste Hieroglyphe, Abb. 166,
hat schon Maudslay als
besonderes Zeichen er-
kannt. Er hält es aber
für eine Hieroglyphe der
Zahl "20, während Brinton,
der sich im Uebrigen der
Deutung Maudslay 's an-
schliesst, das Zeichen unter
dem sonderbaren Namen
doJ- Vi^^oltt^ St 9 :i
^j[jjpß>
4S^ <E&
dod- Pre^oisyK. 7<?— 73
6 3.
Abb. 165. Hieroglyphe Null
„cosmic sign" bespriclit.
Eine Bedeutung "20 ist indes ausgeschlossen, da mit den immer um das
Zwanzigfache aufsteigenden Multiplikanden nur die Multiplikatoren 0 — 19
verwendet worden sein können. Wir werden unten sehen, dass aus der
Rechnung sich der Werth Null für dieses Zeichen ergibt. Die Idee eines
sich nach allen vier Richtungen erstreckenden dunklen (leeren) Raumes
748
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
scheint in dem Bilde vorznliegen. Denn anf den Monumenten wird allgemein
gekreuzte Streifung angewandt, wo die Handschriften mit Schwarz füllen. Das
Zeichen ist also gewissermassen nur eine Erweiterung des an erster Stelle ge-
nannten, des mit gekreuzter Schraffirung erfüllten Kreises. In gleicher Weise
ergibt die Rechnung auch für das zweite Zeichen (Abb. 167) den Wertli Null.
Ueber die Bedeutung dieser Hieroglyphe habe ich keine sichere Muthmassung.
Mau könnte meinen, dass der Gegenstand, der auf der Hand liegt, ein
Abb. 168a, b. Hieroglyphe Null.
Schneckengehäuse darstellen soll. Dann hätten wir die Null hier in der-
selben Weise, wie in den Handschriften, ausgedrückt. Aber fast scheint
es, als ob in dieser Hieroglyphe die Hand das Hauptelement wäre. Denn
wir finden den Begriff Null auch in der Weise ausgedrückt, dass die
Zeichnung einer Hand als diakritisches Zeichen, gewissermassen als Gesichts-
bemalung, an dem unteren Theile eines menschlichen Gesichtes angebracht
wird. So sehen wir das in den Abb. 168a, die den Initial Series des
Kreuztempels II von Palenque und der Westseite der Stele C von Quirigua
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 749
eutnommen sind, und sehen das regelmässig auch in den Fällen, wo man
den Hieroglyphen eine monumentalere Form liat geben wollen, also statt
der einzelnen Zeichen oder Köpfe ganze Figuren gezeichnet hat. So zeigen
die beiden Figuren (Abb. 168 b) der Stele D von Copan an, dass dort
den Multiplikanden 20 und 1 ein Multiplikator Null zukommt. Und ebenso
gibt die Zeichnung einer Hand, die auf dem Gesicht der vorderen Figur
der Gruppen 4 und 5 der Kröte B und der Gruppe 5 der Stele D von
Quirigua zu sehen ist, an, dass auch dort keine Zwanziger und keine
Einer, bezw. keine Einer, zu zählen sind. Diese Hand auf dem Unter-
theil eines menschlichen Gesichts er-
innert ganz an die Hand, die, als
diakritisches Zeichen an einem Yogel-
kopfe angebracht, auf den Monu-
menten die Hieroglyphe „Zyklus",
die Periode 20x20x360 zum Aus-
druck bringt (vgl. oben S. 739, Ab-
bildung 146—158). Nur scheint dort
der Daumen immer ausgestreckt und
den anderen Fingern geo-enüberge-
stellt zu sein.
In ähnlicher Weise, wie für die
Al)b. 166—168, hoffe ich weiter unten
auch für andere, mit den Multipli-
kanden-Hieroglyphen verbundene Fi-
guren einen bestimmten Zifferwerth
glaublich machen zu können. Ehe
ich aber darauf näher eingehen kann,
habe ich den oben angekündigten
Nachweis zu führen, dass für die-
jenigen Anfangsreihen der Monumente,
bei denen die Multiplikatoren mit
Ziffern (Punkten und Strichen) geschrieben, daher in ihrer Bedeutung-
zweifellos sind, das Exempel stimmt, d. h. dass in der That durch Zu-
sammenrechnung der Zahlen, die darnach für die fünf ersten Hieroglyphen-
Gruppen der Initial Series als Werth angenommen werden müssen, sich eine
Summe ergibt, die den Abstand des am Schluss- der Initial Series ver-
zeichneten Datums von dem Normaldatum 4. ahau^ 8. cumku anzeigt.
Ich schicke, zur Illustration der Art der Rechnung, einen etwas
anders gearteten, aber einfachen und zweifellosen Fall voraus, den der
Cedrelaholzplatte von Tikal, die mit der Bernoulli'schen Sammlung in
den Besitz des Museums von Basel gekommen ist. Hier ist der Ausgangs-
j)unkt der Zaiilenreihen nicht das Normaldatuni, sondern das am Anfang
der Hieroglypnenreihen (links oben) verzeichnete Datum 3. ahau, 3. mol.
JGJGi
Abb. 169. Die sieben ersten Hieroglyphen
der Cedrelaholz-Platte von Tikal.
750
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzififerung.
Ich gebe in Abb. 169 eine Zeichnung der sieben ersten, die Zeilen 1 — 4
der Kolumnen A, B füllenden Hieroglyphen dieser Platte. Diese sind
nach dem oben Auseinanders-esetzten folgendermassen zu lesen:
A
B
1.
3. ahau
3. mol
1.
•>
0 X 20 X 20 X 3(30
2 X 20 + 2
o
3.
•2 X 360
11, //•
3.
4.
15. ch'oi
4.
Dass die Lesung 3. ahau, 3. mol richtig ist, lehrt ein Blick auf die Tages-
zeichen und die t7;ia/-Hieroglyphen, die ich oben 8. 741 — 744 in Abb. 161 bis
164 gegeben habe. Aber auch die Hieroglyphen der Multiplikanden 20 X 20
X 360, 20 und oGO wird mau nach den Formen, die ich oben Abb. 146 — 158
(S. 739), 8 1 —100 (S 733) und 105, 106 (S. 735) zusammengestellt habe, unschwer
erkennen. Sonderbar ist nur, dass die 20 X 360, die Katuue, ausgelassen sind,
und die Reihenfolge anomal ist. Auch die Form des Xullzeichens, das nur
in der unteren Hälfte mit den in Abb. 166 (oben S. 748) zusammengestellten
Abb. 170.
Abb. ITl.
Cedrelaholz- Platte von TikaL
In Abb. 170 geht ein Eiss durch die Platte, der die Zahlen der zweiten Hieroglyphe zum
Tbeü zerstört hat. Die beiden Fünferstriche in dieser Hieroglyphe sind also ergänzt.
Figuren übereinstimmt, ist etwas ungewöhnlich. Es wäre nicht unmöglich
dass das Zeichen eine andere, nur formale Bedeutung hat. Zweifellos ist
wieder die Lesung 11. ik. In Bezug auf die letzte Hieroglyphe könnte
man etwas schwanken, da die hier vorliegende Form des Zeichens cJien
von den von Landa und in den Handschriften o-eoebenen abweicht. Doch
sieht man, dass auch bei Landa und in den Handschriften das Zeichen
cauac den Hauptbestandtheil des c7«'m-Zeichens ausmacht. Und auch der
Kopf unserer Hieroglyphe A 4 zeigt hinten deutlich die Elemente des
röwac-Bildes. Die Richtigkeit unserer Lesung- wird durch die Rechnun«-
21. Monumente von Copan und Quirigua und die Altarplatten von Palenque. 751
bestätigt. Denn (2 X 20 -f 2) -f (2 X 360) gibt 762. Und das sind zwei
vollständige Tonalamatl und 242 Tage, und sind zwei vollständige Sonnen-
jahre und 32 Tage. Die über die vollständigen Tonalamatl ül)erschüssigen
242 Tage geben genau den Abstand des Tages W. ik vom Tage 3. ahau,
und die über die vollständigen Sonnenjahre überschüssigen 32 Tage geben
genau den Abstand des Tages 15. cJ^en vom Tage 3. viol.
Wie hier am Anfang der Tafel das Exempel glatt stimmt, so auch in
den folgenden Abschnitten, wo Daten und Zahlen gegeben sind. So findet
man auf den Zeilen 4, 5 der Kolumnen C, D die drei Hieroglyphen, die
ich in Abb. 170 wiedergebe. Die erste dieser Hieroglyphen ist das Zeichen
für einenEinzeltag, das ich oben S.731 schon besprochen und in Abb. 72 (S.729)
wiedergegeben habe. Die beiden folgenden Hieroglyphen geben das Datum
12. akbaL Iß. dien, das in der That um einen Tag von dem letzten vor-
hergehenden Datum, dem Datum 11. ik^ 15. dien., absteht. — Und in den
Zeilen 1, 2 der Kolumnen B, F folgen dann die drei Hieroglyphen, die
ich in Abb. 171 wiedergebe. Hier ist die erste, wie man sieht, als
3 X 360 zu lesen. 3 ■ 3G0 oder 1080 Tage geben vier vollständige Tonal-
amatl und 40 Tage, und zwei vollständige Sonnenjahre und 350 Tage. Das
ist genau der Abstand des in Abb. 171 auf die erste Hieroglyphe folgenden
Datums 13. akbal, 1. di'en von dem letzten vorhergehenden Datum 12. akbal,
16. dien.
Ich gehe nun zu der Besprechung der Initial Series der Stelen über.
Ganz klar und einfach liegt der Fall für die Stelen B und M von Copan
und die Westseite der Stele C von Quirigua.
Auf der Stele B von Copan ist die unter der Anfangs- und Haupt-
Hieroglyphe, dem Katun-Zeichen (vgl. Abb. 12, S. 716), aufgeführte Initial
Series folgendermassen zusammengesetzt:
1. 9 X 20 X 20 X 360 (vgl. Abb. 149, S. 739).
2. 15 X 20 X 360 (vgl. Abb. 131, S. 737).
* 3. 0 X 360 (vgl. Abb. 1 10, S. 735).
4. 0 X 20 (vgl. Abb. 84, S. 733).
5. 0x1 (vgl. Abb. 59, S. 729).
6. 4. ahau 1 . , . , , <., ^, _ ...
(. \6. ya,r >
Das in der dritten bis fünften Hieroglyphe verwendete Zeichen für Null
ist das erste der beiden oben (S. 748) angeführten (Abb. 166). Rechnet man
zusammen, so ergibt die Summe die Zahl 1 404 000. Das sind 5400 voll-
ständige Tonalamatl (von 260 Tagen), oder 3846 Sonnenjahre (von 365
Tagen) und 210 Tage, und das ist genau der Abstand des Tages 4. ahau,
13. ya,v von dem Normaldatuni 4. ahau, 8. cumku. Ich habe die auf den
vorigen Blättern auseinandergesetzte Theorie gerade unter Berufung auf
dieses und die gleich zu erwähnenden Beispiele schon vor sechs und sieben
Jahren in mündlichen Yorträoen wiederholt auso'eführt und habe darüber
75'2 Dritter Absclmitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
aiieli vor der im Jahre 1895 in Mexico tagenden internationalen Amerikanisten-
Versammlung- einen Vortrag gehalten, von dem in den gedruckten Akten
des Kongresses ein Bericht enthalten ist*).
Ebenso klar ist das Exempel für die Stele M von Copan. Hier zeigt
die unter der Anfangs- und Hau])t-Hieroglyplie, dem Katun-Zeichen,
folgende Initial Series die nachstehende Zusammensetzung:
1. 9 X 20 X 20 X 360 (vgl. Abb. 158, S. 739).
2. 16 X 20 X 360 (vgl. Abb. 128, S. 737).
3. 5 X 360 (vgl. Abb. 128, S. 735).
4. 0 X 20 (vgl. Abb. 99, S. 733).
5. 0x1 (vgl. Abb. 52, S. 729).
6. 8. aUau | ^^^.^ ^^^ ^^^ ^
I . ö. zo tz -"
Die Zeichen für Xull in der vierten und fünften Hieroglyphe sind wieder
von der ersten Form (Abb. 166, oben S. 748). Eechnet man zusammen, so
erhält man die Zahl 1 413 000. Das sind 5434 Tonalmnatl und 160 Tage,
oder 3871 Sonnenjahre und 85 Tage, und das ist genau der Abstand des
Tages 8. ahau, 8. zoHz von dem Normaldatum 4. ahau, 8. cumku.
Auf der Westseite der Stele C von Quiriguä finden wir unter der
Anfangs- und Haupt-Hieroglyphe eine Initial Series der folgenden Zu-
sammensetzung:
1. 9 X 20 X 20 X 360 (vgl. Abb. 155, S. 739).
2. 1 X 20 X 360 (vgl. Abb. 136, S. 737).
1) Actas de la Undecima Reunion del Congreso Internacional de Americanistas,
Mexico 1895, p. 274, 275: ... „El Dr. Sei er hizo reproducir la vista de la Cruz
del Palenque y dijo en seguida: ...... Sahen Vdes que la cuestion de la
descifracion de los jerogh'ficos mayas es muy intricada. No tenemos clave de
interpretacion para esta escritura, como la tenemos para los jeroglificos del Codice
Mendocino. Sin embargo, ha sido posible hacer algo. Un gran niimero de los
signos representados en los manuscritos mayas, en las tablas del Palenque y en
las estelas de Copan, se ha coraprobado que son signos cronolögicos, signos de
dia, y signos de nies. Y en particular, he podido yo averiguar que los siete
primeros signos que se encuentran casi de la misma nianera, tanto en las tablas
de Palenque" como en las estelas de Copan, tienen relacion con la cronolögia,
del modo siguiente: — El primer signo es jeroglifico del nombre katiLn^ „periodo".
Se compone de un signo (jue es sfmbolo de la piedra, tnv, y una cabeza fantastica
entre dos peces, c<///. El septirao signo es el nombre del dia ahau^ conipuesto con
un numeral, que indica el primer dia de uno de los trece katunes 6 siglos mayas.
Del segundo signo hasta el sexto son numerales y dan un numeral grande;
en la estela B de Copan, por ejemplo, el numeral 1 404 000. Y este numeral
grande es la distancia exacta del dia que estä representado por su nombre y por
SU posicion en el mes, en el septimo y octavo signo de la estela citada, de un dia
normal y sagrado que sirve de base a todos los calculos, asi en los manuscritos
como en los relieves, es decir del dia 4. ahau, 8. cumku.''
21. Monumente A'on Copan und Quirigufi und die Altarplatten von Palenque. 753
3.
4.
5.
(i.
7.
0 X 3()0 (vgl. Abb. lU, S. 735).
0 X 20 (vgl. Abb. 1)L>, S. 733).
0 X 1 (vgl. Abb. (^0, S. 729).
^•«^«^ } (vgl. Abb. 3«), S. 721).
13. yaxkin
Das Zeichen für Null in der dritten und vierten Hieroglyphengruppe ist hier
wieder das der ersten Form (Abb. 166, oben S.748), das in der fünften Gruppe
aber die zweite Variation der zweiten Form
(Abb. 168a). Zwisclien der fünften und
sechsten Gruppe ist eine andere, fremde
Hieroglyphe eingeschoben, über deren Be-
deutung ich noch nichts sagen kann. Die Zu-
sammenrechnung ergibt die Zahl 1 303 200.
Das sind 5012 TonalamaÜ und 80 Tage,
oder 3570 Sonnenjahre und 150 Tage.
Das ist genau der Abstand des Tages
6. ahau^ 13. yajckin von dem Normaldatum
4. ahau, 8. cumku.
Der Nachweis des Bestehens dieses
Gesetzes, an drei verschiedenen Monu-
menten aus zwei ganz verschiedenen Lo-
kalitäten geführt, ist eigentlich für die
Frage entscheidend. Unter Berücksichti-
gung gewisser Verhältnisse ist das Gesetz
aber noch für eine ganze Anzahl anderer
Monumente nachweisbar.
Auf dem Altar S von Copan weist,
wie ich S. 738 in der Anmerkung schon
angab, die Initial Series augenscheinlich
eine gewisse Unregelmässigkeit auf, da die
Vogelköpfe des zweiten und dritten Gliedes,
die die Katun und die Tun bezeichnen,
mit einander vertauscht sind. Aber auch
in den Ziffern liegt, wenigstens in der
Zeichnung in dem Maudslay'schen Werk,
ein Fehler vor. Der Zeichner hat bei dem
zweiten Gliede, den Katun, die Ziffer 13
angegeben, hat aber durch Schraffirung
angedeutet, dass er bezüglich der Lesung
unsicher ist. Es muss 15 heissen, und die ganze Initial Series ist darnach
folgendermassen zu lesen:
1. 9 X 20 X 20 X 360 (vgl. Abb. 147, S. 739).
2. 15 X 20 X 360.
Seier, Gesammelte Abhandinngen L 48
Abb. 172. Ostseite des Enano
(Stele K) von Quiriguä.
754 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung,
3. 0 X 360.
4. 0 X 20 (vgl. Abb. 85, S. 733).
5. 0x1.
G. Aahau^ (vgl. Abb. 29, S. 721).
i. }ö. yaa J
Die Zeichen für Null sind dabei alle von der ersten Form (Abb. 16G,
oben S. 748). Wir haben also hier dieselbe Initial Series und dasselbe
Enddatum, wie in der Stele B von Copan. Das Gesetz, das für Stele B
richtig war, bestätigt sich auch hier.
Die Stele K von Quirigua, der sogenannte „Enano" (Zwerg), so
genannt, weil sie, obwohl von respektabler Höhe, doch die kleinste aller
dort befindlichen Stelen ist, ist von Maudslay noch nicht publizirt worden.
Aber sie ist seinerzeit für die Columbian World-fair abgeklatscht worden,
und ein Abguss ist durch Tausch auch in den Besitz des Königl. Museums
für Völkerkunde gekommen. Abb. 172 ist eine Zeichnung der Seite, die
das Katun-Zeichen und die Initial Series trägt. Man sieht, dass die Initial
Series folgendermassen zu lesen ist:
1. 9 X 20 X 20 X 360.
2. 18 X 20 X 360.
3. 15 X 360.
4. 0 X 20.
5. 0 X 1.
6. .3. ahau.
Ein Uinaldatum ist hier nicht gegeben. Rechnet mau aber zusammen,
so erhält man die Zahl 1 431 000. Das sind 5503 TonalamaÜ und 220 Tage,
oder 3920 Jahre und 200 Tage. Das würde genau den Abstand des Tages
3. aAaw, 3. yax von dem Normaldatum 4. ahau, 8. cumku ergeben. Gehen
wir nun eine Zeile weiter, so sehen wir dort in der Reihe unter dem
Tage 3. ahau die Zahl (10 X 20) + 10 angegeben. Und es folgt dann das
Datum 1. oc, 18. kayab. Geht man nun vom Tage 3. ahau, 3. yax um
(10 X 20) -+ 10 oder 210 Tage zurück, so kommt man genau auf den Tag
1. oc, 18. kayab. Damit ist erwiesen, dass auf dieser Stele der Tag 3. ahau,
3. yax gemeint ist, der den in der Initial Series gegebenen Abstand vom
Normaldatum 4. ahau, 8. cumku hat.
Die Initial Series der Stele A von Copan hat folgende Zusammensetzung:
1. 9 X 20 X 20 X 360 (vgl. Abb. 148, S. 739).
2. 14 X 20 X 360 (vgl. Abb. 129, S. 737).
3. 19 X 360 (vgl. Abb. 109, S. 735).
4. 8 X 20 (vgl. Abb. 83, S. 733).
5. 0x1 (vgl. Abb. 58, S. 729).
6. 12. ahau (vgl. Abb. 32, S. 721).
Ein Uinal-Datum ist auch hier unmittelbar nicht genannt. Es folgt
eine mit der Ziffer 7 versehene Hieroglyphe, die aber kein Uinal-Datum
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 755
ist, auch kein üinal-Datum sein kann, weil die Erbauer der Monumente
sowohl, wie die Schreiber der Handschriften, die Jahre mit den Tagen
been, e'tznab, akbal, lamat begannen, also die Tage ahau nur auf den 3.,
8., 13., 18. eines üinal fallen konnten. Rechnet man die Initial Series
zusammen, so erhält man die Zahl 1 403 800. Das sind 5399 Tonalamatl
und 60 Tage, oder 3846 Sonnenjahre und 10 Tage. Diese Zahl ergibt
genau den Abstand des Tages 12. ahau^ 18. cumku von dem Xormaldatum
4. ahau, 8. cumku. Dass nun dieser Tag wirklich geraeint ist, ergibt sich
daraus, dass in der That in derselben Kolumne fünf Zeilen weiter unten
das Datum 18. cumku steht. Und vergleichen wir die Fortsetzung der
Inschrift auf der Westseite der Stele, so finden wir dort in der zweiten
Zeile die Zahl (3 X 20) 4- 0 und dahinter das Datum 4. ahau., 18. moan.
Auf dieses Datum kommt man aber, wenn man von 12. ahau, 18. cumku um
(3 X 20) -f- 0 Tage zurückgeht. Somit bestätigt auch diese Stele das Gesetz.
Ein Fall, der anscheinend aus dem Gesetz herausfällt, aber doch, wie
wir sehen werden, sich ganz gut mit ihm verträgt, ist der der Ostseite der
Stele C von Quiriguä. Hier zeigt die Initial Series folgende Werthe:
1. 13 X 20 X 20 X 360 (vgl. Abb. 153, S. 739).
2. 0 X 20 X 360 (vgl. Abb. 137, S. 737).
3. 0 X 360 (vgl. Abb. 1)3, S. 735).
4. 0 X 20 (vgl. Abb. 91, S. 733).
5. 0x1 (vgl. Abb. 64, S. 729).
6. 4. ahau
7. 8. cumku
Für die Null ist dabei bei der zweiten, dritten und fünften Gruppe die
zweite Form (Abb. 167, oben S.748), bei der vierten Gruppe die erste (Abb. 16h)
verwendet. Hier, sieht man, ist das Enddatum das Normaldatum selber.
Für dieses kann der Abstand vom Normaldatum nur mit 0, oder mit dem
obengenannten ungeheuren Zeitraum von 18 720 Jahren angesetzt werden.
Die Erbauer der Monumente haben keines von beiden gethan. Sie haben die
niederen Multiplikanden oder die kleineren Zeiträume alle mit dem Index Null
versehen, zu dem höchsten und grössten aber den Multiplikator 13 gesetzt.
Dreizehn ist die Anzahl der Indexziffern, die bei den Tun-, den Katun- und
den Zyklennamen möglich sind. Wenn also hier am Anfang der Initial
Series die 13 Zyklen genannt sind, so heisst das nichts anderes als „die
Zeiträume überhaupt". Und die ganze Initial Series würde also etwa
den folgenden Gedankengang geben: — „Das ist ein chronologisches
Denkmal. Der Anfang der Zählung ist der Tag 4. ahau, 8. cumku."- —
Dazu stimmt dann ganz gut, dass auf der Westseite derselben Stele ein
anderes bestimmtes Datum und sein Abstand vom Normaldatum genannt ist
(vgl. S. 752, 753).
Aehnlich, meine ich, sind auch die 13 Zyklen zu verstehen, die auf
den beiden Seiten der Stele C von Copan unmittelbar unter den Katun-
48*
} (vgl. Abb. 38, S. 721).
756
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
datum 4. ahan^ 8. cumku lesen möchte
Abb. 173. Anfangs -Hieroglyphen der Nord-
und Südseite der Stele C von Copan.
zeichen, den Anfangs- und Haupt-Hieroglyphen, eingemeisselt sind (vgl.
Abb. 173). Auf der einen Seite folgt ein Datum, das man als das Normal-
Das ^Ärtw-Zeichen ist aber hier
mit einer ganz unmöglichen Ziffer
verbunden. Auf der anderen Seite
folgt auf die 1 3 Zyklen das Datum
(). ahau^ 18. kayab. Das ist auf
derselben Seite der Stele weiter
unten noch einmal angegeben.
Und davor eine Reihe von Zahlen,
die von der niedersten zur höchsten
aufsteigen, aber eine Beziehung
dieses Datums auf das Normal-
datiim nicht ergeben.
Wie hier, so scheint auch auf
der Stele N von Copan ein Rechen-
(oder Zeichen-) Fehler vorzuliegen.
Die angegebeneu Multiplikatoren-
Zahlen führen nicht auf deu am
Schluss der Initial Series ange-
gebenen Tag 1. ahau^ sondern auf
10. aliau. Vielleicht muss man im
zweiten Gliede IG X 20 X 360 (statt 18 X 20 X 360) lesen. In diesem Falle
würde die Summirung eine Zahl ergeben, die den Abstand des Tages
1. ahau^ 8. zi'p^ von dem Normaldatum 4. ahau^ 8. cumku anzeigt.
Ich gehe nun zu den Fällen über, die nicht nur das Gesetz bestätigen,
sondern uns ein Stück weiter führen sollen, und erwähne hier zunächst
die Stele A von Quiriguä. Die Initial Series ist folgende:
1. 9 X 20 X 20 X 360 (vgl. Abb. 152. S. 739).
2. 17 X 20 X 360 (vgl. Abb. 134, S. 737).
3. 5 X 360 (vgl. Abb. 112, S. 735).
4. 0 X 20 (vgl. Abb. 90, S. 733).
5. 0x1 (vgl. Abb. 63, S. 729).
Die Null ist dabei in beiden Fällen von der
zweiten Form (Abb. 167, oben S. 748). An sechster
Stelle folgt aber hier nicht ein mit Ziffer versehenes
&-Vf? f'^^//« Zeichen ahau^ sondern die Abb. 37 (vgl. oben S. 721),
C^^^^-^ ^^y<i die vor dem Zeichen ahau einen mit bestimmten
Merkmalen versehenen Kopf zeigt, der also hier die
■ ''^' Stelle der Ziffer vertritt und demgemäss einen be-
stimmten Zahlwerth repräsentiren muss. Zählen wir die Zahlen der Initial
Series zusammen, so erhalten wir 1 420 200. Das sind 5462 Tonalamatl
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 757
und 80 Tage, oder 3890 Sonnenjahre und 350 Tage. Und das ist genau
der Abstand des Tages 6. ahau, 13. kayab von dem Normaldatum 4. ahau^
8. cumku. Können wir nun demgemäss schliessen, dass die Abb. 37 den
Tag 6. ahau darstellt, dass also der vor dem ^ÄaM-Zeiehen stehende Kopf,
den ich in Abb. 174 besonders wiedergegeben habe, die Ziffer sechs
repräsentirt? Ich glaube, wir können es. Denn wir finden in der That
auf derselben Seite der Stele A von Quiriguä, vier Zeilen weiter unten,
in Ziffern das Datum 13. kayab^ 6. ahau angegeben, dessen Abstand von
dem Normaldatum die Initial Series uns anzeigte.
Y7Ö
Ich gehe weiter zur Stele I von Copan. Die Initial Series ergibt:
1. 9X20X20X360 (vgl. Abb. 151, S. 739).
2. 12 X 20 X 360 (vgl. Abb. 130, S. 737).
3. 3x360 (vgl. Abb. 108, S. 735).
4. 14 X 20 (vgl. Abb. 89, S. 733).
5. 0 X 1 (vgl. Abb. 57, S. 729).
Die Null in der letzten Gruppe ist von der zweiten Form (Abb. 167,
oben S. 748).' Hierauf folgt nun wiederum nicht ein mit Ziffer versehener
JAöw-Tag, sondern die Abb. 33 (oben S. 721). Auch hier wird man wieder
zu der Annahme gedrängt, dass das alte Gesicht, mit dem Zeichen tun auf
dem Kopf, das vor dem y^Äaw-Zeichen zu sehen ist, eine bestimmte Zahl
repräsentiren müsse. Zählt man die Zahlen der Initial Series zusammen,
so erhält man 1 383 760. Das sind 5322 TonalamaÜ und 40 Tage, oder
3791 Sonnenjahre und 45 Tage. Und das ist der Abstand des Tages
5. ahau, 8. uo von dem Normal-Datum 4. ahau, 8. cumku. Unter der Vor-
aussetzung, dass diese Annahme nicht mit anderen Thatsachen in Wider-
spruch geräth, werden wir schliessen können, dass das alte Gesicht mit
dem Zeichen tun auf dem Kopf, das ich in Abb. 175 noch einmal be-
sonders reproduzire, die Zahl Fünf darstellt.
758 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Da wir min einmal beim Ziffersuchen sind, so gibt mir dieselbe
Stele noch Anlass zu weiteren Verniuthungen. Ich war schon längst auf
ein Datum aufmerksam geworden, das auf den Altären Q und S von Copan
vorkommt (Abb. 176, 177), und das, wie man sieht, 6. caban, 10. mol zu
lesen ist. Da fand ich denn auf der Hieroglyphen-Treppe von Copan
(Maudslay I, PI. 8) an hervorragender Stelle die Abb. 178, und es
drängte sich mir sofort der Gedanke auf, dass man diese ebenfalls 6. caban^
10. mol lesen müsse. Ist das der Fall, so müsste der Todtenkopf mit dem
freien Auge (?) an der Stirn, der in der zweiten Hieroglyphe von Abb. 178
mit dem Uinal-Zeichen mol verbunden ist, die Zahl 10 repräsentiren,
Dass das in der That der Fall ist, scheinen einige Hieroglyphen-Gruppen
der oben besprochenen Stele I von Copan zu beweisen. In der Gruppe 24
auf dieser Stele finden wir die Figur, die auf der linken Seite von
Abb. 179 wiedergegeben ist, die, wenn die eben ausgesprochene Yer-
mutliuug richtig ist, 10. ahau gelesen werden müsste. Und weiter unten
auf derselben Seite der Stele finden wir in den Gruppen 29 und 30 die
Figuren, die ich auf der rechten Seite von Abb. 179 wiedergegeben habe.
Hier sehen wir zuvörderst ein Zeichen, das mit den Abb. 70, 71, die wir
oben als Zeichen für einen einzelnen Tag kennen gelernt haben, über-
einstimmt, und darüber in einer Umkreisung die Ziffer 8. Dann folgt
derselbe Todteukopf mit dem Uinal-Zeichen, eine Gruppe, die also 10 X 20
gelesen werden müsste. Und dann folgt der Tag 10. lamat. Sehen wir
im Kalender nach, so finden wir, dass der Tag 10. lamat in der That um
(10 X 20) -f- 8 Tage von dem Tage 10. ahau absteht. Ich glaube, diese
Stellen beweisen zur Genüge, dass der Todtenkopf, den ich in Abb. 180
noch einmal besonders gezeichnet habe, ein Repräsentant der Zahl 10 ist.
Die Abb. 175 und 174, die uns die Hieroglyphen fünf und sechs geben,
sind wichtig. Denn sie bieten einen Anhalt zu weiteren Deutungen. In
Abb. 181 habe ich die Initial Series der Altarplatte des Sonnen-Tempels
von Palenque wiedergegeben. Diese Initial Series gehört, wie man sieht,
zu denen, bei denen die Zahlen, die für die Multiplikanden 20 X 20 X 360,
20 X 360, 360, 20, 1 die Multiplikatoren bilden, nicht in Ziffern ge-
schrieben, sondern ebenfalls durch Hieroglyphen, durch menschliche und
thierische Köpfe, zur Anschauung gebracht sind. Sehen wir nun diese
Multiplikatoren-Hieroglyphen durch, so wird man ohne Schwierigkeit er-
kennen, dass die dritte dieser Hieroglyphen das gefurchte Greisengesicht
mit dem Zeichen tun auf dem Kopfe ist, das wir als Repräsentanten der
Zahl Fünf kennen gelernt haben (Abb. 175), und dass der fünfte der
Multiplikatoren das Gesicht mit dem Kreuz im Auge ist, das sich als
Repräsentant der Zahl Sechs erwies (Abb. 174). Werfen wir nun einen
Blick auf die dritte und vierte Kolumne (C, D) dieser selben Platte, so
finden wir, dass dort — und zwar auf derselben Zeile, die in den ersten
beiden Kolumnen das letzte Glied der Zahlenreihe enthält, also gewisser-
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 759
massen in unmittelbarem Anschluss an diese, — eine Zahlenreihe beginnt,
die in umgekehrter Reihenfolge (mit den Multiplikanden-Werthen auf-
steigend) geschrieben, die folgende Zusammensetzung hat:
6X1
3x20
5 X 360
18 X 20 X 360
1 X 20 X 20 X 360.
Abb. 181.
Abb. 182.
Abb. 183.
Abb. 184.
Abb. 181. Initial Series der Altarplatte des Sonnentempels, Palenque. Abb. 182. Palenque.
Sonnentempel, Kolumnen C, D, 7, 8. Abb. 183. Initial Series des Kreuzteinpels II, Palenque.
Abb. 184, luitial Series des Kreuztempels I, Palenque.
Ich habe diese Zahlenreihe in Abb. 182 wiedergegeben, aber sie so
geordnet, dass die Multiplikanden, entsprechend denen der luitial 8eries,
von dem höchsten zum niedersten absteigen. Man sieht, dass dann auch
diese Reihe au der dritten Stelle den Multiplikator Fünf, an der fünften
den Multi])likator Sechs enthält. Die Verniuthung muss einem aufsteigen,
760 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
dass auch die anderen Multiplikatoren in beiden Reihen dieselben sind.
Ist dem so, dann niüsste die Zahlenreihe Abb. 182, die wir lesen und
Summiren können, auch die Erklärung- für das am Ende der Initial Series
stehende Datum geben, sie müsste den Abstand dieses End-Datums von
dem Normal-Datum 4. ahau^ 8. cumku darstellen. Das Datum, das am
Ende der Initial Series steht, ist — ein seltener Fall — nicht ein Ahau-
Tag, sondern ein Tag civii. Welcher Tag civii, ist noch nicht ohne
"Weiteres ersichtlich. Denn die das Tageszeichen ergänzende Zahl ist hier
nicht durch eine Ziffer, sondern wieder durch eine Hieroglyphe dargestellt.
x\ber das dann folgende Uinal-Datum ist in allen seinen Theilen klar, es
ist das Datum 19. ceh. Der Tag, der den in der Zahlenreihe Abb. 182
ausgedrückten Abstand vom Normal-Datum hat, muss — wenn sich unsere
Yermuthung der Identität der Zahlenreihen Abb. 181 und 182 bewähren
soll — ein Tag cimi und der 19. des Uiual ceh sein. Führen wir die
Rechnung aus, so finden wir, dass die Zahlenreihe Abb. 182 die Zahl
275 466 ergibt. Das sind 1059 Tonalamatl und 126 Tage, oder 754 Sonneu-
jahre und 256 Tage. Und das ist der genaue Abstand des Tages 13. cimi^
19. ceh von dem Normal-Datum 4. ahau. 8. cumku. Die Rechnung hat
also unsere Yermuthung durchweg bestätigt. Die beiden Zahlenreihen
Abb. 181 und 182, die der Initial Series und die mit Multiplikatoren-
Ziffern geschriebene der dritten und vierten Kolumne (C, D), sind identisch.
Als akzessorischen Beweis für die Richtigkeit dieser Feststellung könnte
mau noch anführen, dass in der dritten und vierten Kolumne (C, D) die
Zahlenreihe Abb. 182, in umgekehrter Folge geschrieben, gewissermassen
wieder zu dem Normal-Datum 4. ahau^ 8. cumku zurückführt. Dieses selbst
folgt dort allerdings nicht, aber es folgt eine grosse Zahl, die den Abstand
von diesem Normal-Datum zu dem in den folgenden beiden Kolumnen N, 0
verzeichneten Datum 2. cib. 14. mol angibt. Es ergibt sich nun aus den
obigen Feststellungen: erstens, dass der Vogelkopf, der in der sechsten
Gruppe unserer Abb. 181 mit dem Zeichen cimi verbunden ist, die Zahl 13
repräsentirt, und dann, dass die vorderen Köpfe der ersten bis fünften
Gruppe der Reihe nach die Zahlen 1, 18, 5, 3, 6 darstellen. Das ist ein
wichtiger Fortschritt; er führt aber, wie wir gleich sehen werden, zu noch
weiteren Ergebnissen.
Vergleichen wir jetzt nämlich mit dieser Abb. 181 die Initial Series
der Altar-Platte des Kreuz-Tempels Nr. II von Palenque, die ich in
Abb. 183 wiedergegeben habe, so sieht man, dass diese in den drei ersten
Gliedern vollständig mit der ersteren übereinstimmt. In der vierten Gruppe
kommt ein noch unbekannter Multiplikator. In der fünften der Multi-
plikator Null, in der Form, wie wir ihn oben, bei Besprechung der Initial
Series der Westseite der Stele C von Quirigua, schon kennen gelernt
haben. Dann folgt in der sechsten Gruppe das Zeichen ahau, kombinirt
mit einer Hieroglyphe, die in allen Einzelheiten mit dem Multiplikator
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 761
der ersten Gruppe von Abb. 181 übereinstimmt, die also die Zahl Eins
darstellen muss. Und endlich in der siebenten Gruppe ein Uinal-Datum,
dessen Form allerdings aus den Handschriften kaum bekannt ist. Es er-
innert in wesentlichen Elementen an die Landa'sche Zeichnung des Uinal
Mac^ die auch in der Dresdener Handschrift einmal (Blatt 69, unten) ge-
funden wird. Dass es in der Tliat V.^. mac gelesen werden muss, beweist
eine Stelle auf dem Ostflügel des Inschriften -Tempels von Palenque
(Maudslay IV, PI. 60, Kolumne M, N), wo auf die Zahlen 14x1 und
6x20 erst das Datum 13. ahau^ 18. mac und dann das Datum 4. ix, 7. uo
folgt, das von 13. ahau, 18. mac in der Tliat um (14 X 1) + (6 X 20) oder
134 Tage absteht. Die Initial Series des Kreuz-Tempels II ist danach in
folgender Weise zu lesen:
1. 1x20x20x360.
2. 18x20x360.
3. 5 X 360.
4. XX 20.
5. 0x1.
6. 1. ahau.
7. 13. mac.
Setzt man hier für x die Zahl 4 ein und summirt, so erhält man die
Zahl 275 480. Das sind 1059 Tonalamatl und 140 Tage, oder 754 Sonnen-
jahre und 270 Tage. Und das ist genau der Abstand des Tages 1. ahau,
13. mac von dem Normal-Datum 4. a//aw, 8. cumkii.
Die Rechnung hat uns also hier eine weitere Zahlen-Hieroglyphe, die
Hieroglyphe der Zahl 4 ergeben. Es zeigt sich ausserdem, dass das End-
Datum der Initial Series des Kreuz-Tempels H um 14 Tage von dem der
Initial Series des Sonnen-Tempels absteht, dass das sakrale Datum der
Altar-Platte des Sonnen-Tempels 14 Tage vor das der Altar-Platte des
Kreuz-Tempels II fällt. In der That erweisen sich diese beiden Altar-
Platten auch in ihrem weiteren Inhalt als durchaus zusammengehörig;
dieselben Daten 2. cib^ 14. mol und 8. oc, 3. kayah treten bedeutsam in
ihnen hervor. Und auch in der Gruppirung der anderen Hieroglyphen
sind Parallelen nachweisbar.
Da für diese beiden Altar-Platten die Lösung so glatt gelang, so war
ich natürlich versucht, auch die Initial Series der dritten und berühmtesten
der drei Platten von Palenque, der des Kreuz-Tempels Nr. I, einer
Deutung zu unterwerfen. Ich habe in Abb. 184 die Initial Series dieser
\ Platte wiedergegeben. Man sieht, dass die Multiplikanden hier die ein-
fache Form leicht erkennbarer symbolischer Zeichen haben. Die Multi-
plikatoren aber und die Zahlen-Indices des Tages- und des Uinal-Datums
sind nicht durch Ziffern gegeben, sondern, . wie auf den anderen beiden
Altar-Platten, durch Köpfe. Leider begegnen uns unter diesen Köpfen
762
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
uur weuige, deren Zahlwerth nach dem bis jetzt Ermittelten feststeht. In
der vierten Hieroglyphen-Gruppe ist der Multiplikator wieder Vier, wie
in Abb. 183. In der fünften wird der Multiplikator durch die zweite
Form der Null (oben S.748. Abb. IGT) gebildet. Und der Kopf, der in der
letzten Gruppe die Zahl des Uinal-Datums angibt, scheint mit den Multi-
plikatoren der zweiten Hieroglyphen -Gruppen in Abb. 181 und 183
identisch zu sein, also 18 gelesen werden zu müssen. Aber die vier
anderen Köpfe sind neu, ihr Zahlwerth ist nach dem bisher Ermittelten
nicht ohne Weiteres klar.
Xach dem, was nns die Initial Series des Sonnen-Tempels und des
Ki-euz-Tempels Nr. H gelehrt haben, kennen wir:
1. Die Hieroglyphe der Zahl Eins. Ich habe aus den drei Gruppen, in
denen sie vorkommt, die Hieroglyphe in Abb. 185 noch einmal be-
sonders wiedergegeben. Man sieht, es ist ein bartloses Gesicht mit
/er
i$6
Abb, 185. Hieroglyphe der Zahl Eins.
flachgedrückter Stirn. Besondere Merkmale sind eine Art von
Breloque, die über der Stirn hängt, eine an der Seite des Gesichts
lang herunterhangende Haarsti'ähne und ein Ohrschmuck, der, wie es
scheint, aus einer durchbohrten Scheibe besteht, aus deren Oeffnuog
ein Riemen heraushängt, der am Ende mit Metall beschlagen ist oder
eine Schelle trägt. In einem im Jahre 1897 erschienenen Buche, das
sich auch mit diesen Monumenten beschäftigt, und auf das ich noch
zu sprechen kommen werde, ist dieses Gesicht mit dem der Frauen-
Figuren der Dresdener Handschrift verglichen worden. Dieser Ver-
gleich ist durchaus glücklich. Das gescheitelte Haar und die lang
herabfallende Haarsträhne sind in der That die besonderen Kenn-
zeichen des Maya- Weibes (vgl. Abb. 186) und sind von den Maya-
Schriftgelehrten auch in der Hieroglyphe der Frau (vgl. Abb. 186,
oben) als besonderes Merkmal hervorgehoben worden. Ich habe oben
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 763
Hieroglyphe der
Zahl Drei.
schon erwähnt, dass auch das Zeichen caban die dunklen Haarpolster
und die lange Haarsträhne als wesentliche Elemente enthält, weil
caban die Erde ist, und die Erde weiblich gedacht wurde. Auf den
Monumenten erscheint gelegentlich dieser weibliche Kopf, ohne dass
man an der Stelle einen Zahlwerth nachweisen könnte. Vgl. Abb. 187,
wo die lange Haarsträhne am Grunde umwickelt und in eine Metall-
Hülse gefasst erscheint.
"2. Die Hieroglyphe der Zahl Drei. Ich habe sie in
Abb. 188 noch einmal besonders gezeichnet. Das
Kennzeichen dieser Figur ist eine, wie es scheint,
aus Gold getriebene Scheibe, die an einem um
den Kopf gehenden Bande über der Stirn befestigt
ist. Die Ohrgegend wird von einer ovalen Scheibe
eingenommen, auf der man eine Figur, wie ein
um 90° gedrehtes Zeichen ik erkennen möchte.
3. Die Hieroglyphe der Zahl Vier (Abb. 189). Das ist augenscheinlich
das Gesicht des Sonnen-Gottes, für den wir wohl den in Yucatan ge-
bräuchlichen Namen Kinch ahau verwenden
können. Es ist hier »anz analos: den oben S. 729
gegebenen Abb. 56 — 60, wo das Gesicht des-
selben Gottes den Multiplikandus Eins, oder
einen einzelnen Tag, bezeichnet. Wie dort,
so haben wir auch hier das grosse Auge, die
ausgefeilten Schneidezähne, den grossen Hau-
zahn und das Zeichen kin anf der Wange.
Die Zeichnung der Monumente stimmt in den
wesentlichen Elementen mit der Art überein,
wie in den Handschriften dieser Gott dar-
gestellt wird. Als Beleg dafür habe ich in
Abb. 190 aus Blatt 5 der Dresdener Hand-
schrift die Hieroglyphe und das Bild dieses
Gottes wiedergegeben.
4. Die Hieroglyphe der Zahl Fünf. Ich gebe
in den Abbildungen 191, 192 und 193, S. 764,
die Hieroglyphe, die wir von der Stele I von Copan und den
beiden Altar-Platten von Palenque kennen gelernt haben, und füge
in Abb. 195 den Kopf einer Figur der Stele D von Copan hinzu (auf
die ich gleich nachher zu sprechen kommen werde), die dort ebenfalls
die Zahl Fünf bezeichnet. Man sieht, dass wir in allen diesen Fällen
ein runzliges Greisen-Gesicht vor uns haben, — besonders charakte-
ristisch mit dem durch die Runzeln verkleinerten Auge in den Bildern
von Palenque (Abb. 192, 193) — das als besonderes Abzeichen das
Zeichen tun „Stein" über der Stirn träo-t. Aus den Handschriften
Abb. 189 u. 190. Hiero-
glyphe der Zahl Vier.
764
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
könnte die eine oder andere Figur als Seitenstück in Betracht kommen.
Die Vergleiche erscheinen aber vorläufig noch zu unsicher, so dass
ich es mir versage, darauf einzugehen.
5. Die Hieroglyphe der Zahl Sechs. Ich habe sie auf 8. 705 in Abb. 202
ebenfalls noch einmal besonders gezeichnet. Das Gesicht ist ohne
Zweifel eine genaue Parallele des Gesichts des Sonnengottes, der als
Multiplikator die Ziffer Vier anzeigt (vgl. Abb. 189). Nur ist hier bei
der Gottheit der Zahl Sechs im Auo:e ein Kreuz ansrebracht.
6. Die Hieroglyphe Zehn. Sie wird durch einen Todtenkopf bezeichnet.
Ich habe die Formen, die wir kenneu gelernt haben, in Abb. 196
und 197 noch einmal besonders zusammengestellt.
7. Die Hieroglyphe Dreizehn (Abb. 198). Es ist ein Yogelkopf (mit
einem von der Stirn herabhangenden Federbusch, der als aus-
ISf
Abb. 191—193 und 195. Hieroglyphen
der Zahl Fünf.
Abb. 194:. Hieroglyphe der Zahl Fünfzehn.
.-/58
Abb. 196—198. Hieroglyphen
der Zahl Zehn
und der Zahl Dreizehn.
zeichnendes Merkmal über dem Auge das Zeichen chiien hat. Ich
habe denselben Kopf, mit der Ziffer Eins versehen, also als Multi-
plikandus, auf der westlichen Tafel des Inschriftentempels von Palenque
gefunden (Abb. 199).
8. Die Hieroglyphe der Zahl Achtzehn (vgl. Abb. 203, S. 766). Auf
diese werde ich gleicli noch zu sprechen kommen.
Eine Eigenthümlichkeit der Hieroglyphe der Zahl Achtzehn und gleich-
zeitig zweier der noch unbekannten Multiplikatoren-Hieroglyphen der Initial
Series des Kreuzterapels Nr. 1 von Palenque, des Multiplikators der zweiten
und der dritten Gruppe (oben Abb. 184), ist. dass als diakritisches Zeichen.
als unterscheidendes Merkmal, die Zeichnung eines Knochens an dem
Unterkiefer des Gesichtes angebracht ist, ganz ähnlich wie wir oben bei
dem Yogelkopf, der den Multiplikandus 360 darstellt, einen Knochen als
diakritisches Zeichen am Unterkiefer oder Unterschnabel ans-ebracht fanden
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 765
(vgl. oben S. 737, Abb. 132 — 141). Da dieses Merkmal bei Köpfen ver-
schiedenen Ansehens erscheint, so ist zu verniuthen, dass ihm eine von
dem betreffenden Kopfe unabhängige Bedeutung zukommt. Wir müssen
versuchen, diese Bedeutung festzustellen.
Ich habe in Abb. 200 drei Gruppen von Hieroglyphen wiedergegeben,
die an drei verschiedenen Stellen des Inschriftentempels von Palenque,
aber genau in dieser Folge wiederkehren. Wie man sieht, sind die ersten
beiden Hieroglyphen der drei Gruppen genau identisch. In der dritten
Gruppe sind sie nur auf den Raum einer Hieroglyphe zusammengedrängt.
Von der dritten Hieroglyphe ist die hintere Hälfte in den drei Gruppen
ebenfalls identisch. Aber die vordere Hälfte der dritten Hieroglyphe
wird in der ersten Reihe von der Ziffer 16 gebildet, in den beiden anderen
von einem Gesicht, in dem wir unschwer die Hieroglyphe der Zahl Sechs
wiedererkennen, in der aber als diakritisches Zeichen, wie bei der Hiero-
Z01
2,o^
Abb. 200. Inschrifteutempel von Palenque.
Mitte A, B, 9, 10
„ G, H, 10; I, 1
Ostflügel S, T. r,.
Abb. 201, 202. Hieroglyphen der Zahl
Sechzehn
und der Zahl Sechs.
glyphe Achtzehn, am Unterkiefer die Zeichnung eines Knochens angebracht
ist. Ich habe, um das deutlicher erkennen zu lassen, in Abb. 201 dieses
Gesicht besonders gezeichnet, und in Abb. 202 die Hieroglyphen der Zahl
Sechs, wie wir sie oben kennen gelernt haben, daruntergesetzt. Nun,
glaube ich, können wir aus der Abb. 200 mit ziemlicher Sicherheit
schliessen, dass die Abb. 201 die Zahl Sechzehn repräsentirt. Die Abb. 201
(Zahl 16) unterscheidet sich von der Abb. 202 (Zahl 6) durch die Zeichnung
des Knochens am Unterkiefer. Also, müssen wir schliessen, erhöht das
diakritische Zeichen des Knochens den Zifferwerth um Zehn.
Da wir oben gefunden haben, dass die Hieroglyphe der Zahl Zehn ein
Todtenschädel ist (vgl. Abb. 196, 197), so ist ja diese Bedeutung des
Knochens auch ganz verständlich.
Ist das aber der Fall, so folgt, dass die Hieroglyphe der Zahl Acht-
zehn ( — ich habe die Formen, die wir kennen gelernt haben, in Abb. 203
766
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Z03
zusammengestellt — ), wemi man den Knochen am Unterkiefer weglässt,
die Hieroglyphe der Zahl Acht geben muss, und da sehen wir ohne
Weiteres, dass die vordere Hieroglyphe der vorletzten Gruppe von Abb. 184
(vgl. oben S. 750), die die Zahl des Ahau-Datums der Initial Series der Kreuz-
platte I von Paleuque angeben soll und die ich in Abb. 204 noch besonders
wiedergegeben habe, die Zahl Acht bezeichnen muss. — Sehen wir uns
nun diese Hieroglyphen der Zahlen Acht-
zehn und Acht, die ja das Gesicht der-
selben göttlichen oder mythischen Person
wiedergeben müssen, genauer an, so er-
kennen wir, dass die besonderen Kenn-
zeichen desselben ein jugendliches Ge-
sicht, eine vor der Stirn sich kräu-
selnde Locke oder Feder und ein über
den Hinterkopf fallender abgegrenzter
Theil ist, der sich zum Theil auch in
Federn oder Locken auflöst. Und macht
man sich diese Besonderheiten klar, so wird man sofort begreifen, dass
dieses Gesicht nichts anderes sein kann als das des Gottes mit dem
Äaw-Zeichen, den ich in Hieroglyphe und Bild nach zwei Stellen der
Dresdener Handschrift in Abb. 205 wiedergegeben habe. Wer bei der
Hieroglyphen der Zahl Achtzehn
und der Zahl Acht.
Z06
Abb. 205.
Abb. 206.
Bild und Hieroglyphe des Gottes mit dem ^««-Zeichen.
Nach der Dresdener Handschrift.
Beti'achtung der ganzen Figur noch zweifeln sollte, den werden die Hiero-
glyphen und der hieroglyphische Kopf Abb. 206 belehren, die ja beide
auch in der Form der Handschriften die vordere sich kräuselnde Locke
oder Feder und den hinten abgegrenzten Theil auf das Deutlichste er-
kennen lassen.
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 767
Werfen wir nun noch einmal einen Blick auf Abb. 184 (oben S. 759),
die Initial Series der Kreuzplatte Nr. I von Palenque, so kennen wir jetzt
in ihr den Multiplikator der vierten und fünften Gruppe (Vier und Null),
die Zahl des ^Äaw- Datums (Acht) und die des Uinal-Datums (Achtzehn).
Die Multiplikatoren der zweiten und dritten Gruppe, die ich in Abb. 208
und 207 einmal besonders gezeichnet habe, haben beide als besonderes
Merkmal die Zeichnung des Knochens am Unterkiefer. Es muss ihnen
also eine Hieroglyphe entsprechen, die dasselbe Gesicht ohne den Knochen
zeigt, und deren Zahlwerth um 10 geringer ist. Leider können wir eine
solche nach dem bisher Erkannten noch nicht mit Sicherheit feststellen.
Der erste Multiplikator aber ist, nach wie vor, ganz unbekannt. Die
Hieroglyphe (Abb. 209) zeigt zwar äusserlich eine gewisse Aehnlichkeit mit
der der Ziffer Fünf (oben S. 704, Abb. 191—193 und 195). Aber diese Aehn-
lichkeit ist nur scheinbar. In Wirklichkeit bestehen zwischen beiden die
•tiefgehendsten Verschiedenheiten. Die Abb. 209 zeigt ein junges glattes
Gesicht. Das Charakteristikum der Hieroglyphe der Zahl Fünf ist das
gefurchte Greisengesicht. Und das Element, das die Abb. 209 auf dem
Abb. 207.
Abb. 208.
Abb. 209.
Kopfe trägt, ist nicht das Zeichen tun, wie bei der Hieroglyphe Fünf,
sondern ein Zeichen, das eine gewisse Variante des Tageszeichens been dar-
zustellen scheint, und das wir oben S. 729 in Abb. 72 als Symbol des Himmels
kennen gelernt haben. Wir haben also in der Initial Series der Kreuz-
platte I immer noch drei Unbekannte. Dazu kommt, dass auch das Uinal-
Zeichen nicht ganz zweifellos ist. Es ist mit keiner der Uinal-Hieroglyphen
Landa's und der Handschriften direkt zu vergleichen. An den Stellen,
wo es sonst auf den bisher publizirten Monumenten vorkommt, ist seine
Bedeutung auch nicht ausser jedem Zweifel. Und auf der Kreuzplatte I
von Palenque folgt zwar in denselben Kolumnen ein weiteres Datum,
dessen Formen klar sind. Es fehlen aber Zahlen, die den Abstand dieses
Datums von dem Enddatum der Initial Series geben. Somit haben wir
für die Initial Series der Kreuzplatte I von Palenque immer noch nicht
Bestimmungen genug zur Hand. Wir müssen sehen, ob wir auf einem
anderen Wege weiter kommen. Und ein solcher Weg bietet sich in
der That.
Ich habe oben die Stelen und Altäre von Copan und Quiriguä be-
sprochen, und wir hatten gefunden, dass für diejenigen von ihnen, bei denen
die Multiplikatoren der Initial Series in Ziffern geschrieben, daher in ihrer
768
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Bedeutung zweifellos sind, das Gesetz gilt, dass die Summe der Zahlen
der Initial Series den Abstand des Enddatums der Initial Series von dem
Normaldatum 4. ahau, 8. cumku angibt. Wir konnten die Gültigkeit dieses
Gesetzes für alle untersuchten Stelen mit Ausnahme weniger Fälle, wo viel-
leicht ein Fehler vorliegt, feststellen. Neben diesen Monumenten, auf denen
die Multiplikatoren der Initial Series in Ziffern geschrieben sind, kommen
aber nuu noch andere vor, bei denen ebenso wie auf den Altarplatten von
Paleuque die Multiplikatoren nicht durch Ziffern, sondern durch Hiero-
glyphen bezeichnet sind. Wir könnten nun versuchen, auch diese einer
Deutung zu unterwerfen, und sehen, ob wir nicht auf diesem Wege zu
einigen weiteren Feststellungen gelangen.
Da bietet sich nuu zuerst die interessante Stele D von Copan dar,
bei der die Hieroglyphen, die die Hinterseite der Stele bedecken, sämmt-
lich nicht durch zu Lettern abreviirte Bilder, sondern durch stanze Figuren
gegeben sind. Die Anfangs- und Haupt-Hieroglyphe dieser Stele, das
Katuu-Zeichen, ist oben S. 715 in Abb. 3, die Multiplikanden der Initial
ZiO I
%11L
Hieroglyphen der Zahl Neun.
Series in Abb. 156, 139, 124, 97, 73 (oben S. 739, 737, 735, 733, 729)
wiedergegeben. Yon den Multiplikatoren habe ich den der fünften und
vierten Gruppe in Abb. 168 b (oben S. 748) abgebildet. Er hat in diesen
beiden Gruppen den Werth Null. Der Multiplikator der dritten Gruppe
ist Abb. 195 (oben S. 764), das alte Gesicht mit dem Zeichen tun auf
dem Kopf, der Repräsentant der Zahl Fünf. Der Multiplikator der
zweiten Gruppe (Abb. 194, oben S. 764) zeigt dasselbe alte Gesicht, mit
dem Zeichen tun auf dem Kopf; aber auf dem Unterkiefer ist hier die
Zeichnung eines Knochens angebracht. Es muss folglich diese Figur den
Zahlenwertli Fünfzehn haben. Der Multiplikator der ersten Gruppe end-
lich ist eine Figur, deren Kopf ich in Abb. 210 wiedergegeben habe.
Ihr Zahlwerth ist vorläufig noch unbekannt. Die Zahlenreihe der Initial
Series der Stele D von Copan ist demnach folgende:
1 . X X 20 X 20 X 360.
2. 15X20x360.
3. 5 X 360.
4. 0X20.
5. 0x1.
21. Monumente von Gepan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 769
Es fragt sich, ob wir den Multiplikator x der ersten Gruppe bestimmen
können. Sehen wir die Initial Series der anderen Stelen durch, so finden
wir, dass dort in der ersten Gruppe fast immer der Multiplikator Neun
steht. Eine Ausnahme machen allein die Altarplatten von Palenque. Und
das ist ein besonderer Fall, auf den ich unten noch zu sprechen kommen
werde. Sonst hat man überall einen Zeitraum von 9 Zyklen, oder 9 Zwanzig-
fachen eines Katun, als seit dem Anfangs- und Normaldatum 4. ahau^
8. cumku verflossen angenommen. Mehr aber nicht. Und das ist begreif-
lich. Die Gemeinwesen, in deren Mitte hier, in den fruchtbaren Thälern
und zum Theil im tropischen Waldgebiet, jene herrlichen Monumente ent-
standen, werden schwerlich lange Jahrhunderte oder gar Jahrtausende
geblüht haben. Dagegen spricht Alles, was uns bisher über die Ruinen-
stätten von Zentral- Amerika bekannt geworden ist. In dem Zeitraum
eines Zyklus, der nahezu 400 Jahre (genauer 394 Jahre und 190 Tage)
^ZiS
%ie
XI r
umfasst, konnte sich leicht die ganze Geschichte der Reiche an jener
Stelle zusammengedrängt haben. Ist aber Neun überall der Multiplikator
der ersten Gruppe der Initial Series, so ist entschiedene Wahrscheinlich-
keit da, dass auch der Multiplikator der ersten Gruppe der Stele D von
Copan, unser gesuchtes x, die Zahl Neun ist. Und um so grösser wird
die Wahrscheinlichkeit sein, wenn sich herausstellen sollte, dass auch in
anderen Monumenten mit hieroglyphischen Multiplikatoren in der Initial
Series der Multiplikator der ersten Gruppe vou einer der Abb. 210 gleichen
oder verwandten Hieroglyjihe gebildet wird. Und das ist in der That der
Fall, wie wir gleich an ein paar anderen Beispielen, der Palasttreppe von
Palenque und der Stele P von Copan, sehen werden (vgl. die erste Hiero-
glyphe in den Abb. 221 und 222, unten S. 771, 772). Eine Ausnahme macht
allein die Stele E von Copan, wo aber der Multiplikator der ersten Gruppe nicht
durch einen Kopf, sondern durch ein Zeichen gegeben ist, das eine andere
Yeranschaulichung derselben Zahl sein könnte (vgl. unten S. 773, Abb. 223).
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 49
770
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzififerung.
Und nicht ganz sicher deutbar sind mir in der Zeichnung die Multiplikatoren
der ersten Gruppe der Kröte B und der Stele D von Quirigua. Ein
weiterer Beweis aber, dass unsere Abb. 210 eine Hieroglyphe der Zahl
Neun ist, ist der Umstand, dass wir dieses selbe Gesicht, dessen Kenn-
zeichen ein über die Stirn herabgebogener Schmuck und eine mit
Jaguarfleckeu und Haaren versehene untere Gesichtshälfte sind, in
anderen Inschriften mit gewissen charakteristischen Elementen zu Hiero-
glyphen vereinigt finden, die sonst mit der Ziffer Neun verbunden sind
(vgl. Abb. 213, 214). Alle diese Thatsachen sprechen in der That dafür,
dass unser x, der Multiplikator der ersten Gruppe der Stele D von Copan
(Abb. 210), die Hieroglyphe der Zahl Neun ist. Setzen wir diese in die
Initial Series ein, so gibt die Zusammenrechnung der gesammten Aus-
drücke die Zahl 1 405 800. Das sind 5406 Tonalamatl und 240 Tage,
zn
%%o
oder 3851 Sonnenjahre und 185 Tage. Das ist genau der Abstand des
Tages 10. ahau, 8. ch'en von dem Anfangs- und Normaldatum 4. ahau^
8. cumku.
Sehen wir uns nun das Ahau- Datum dieser Stele au. das dort
die sechste Gruppe bildet, — ich habe es oben (S. 721) in Abb. 36
wiedergegeben und reproduzire es hier noch einmal — , so erkennt
man, dass die Yorderfigur, die die Zahl des Ahau-Datums darstellt und
den kalkuliformen Rahmen des ^/low-Zeichens umklammert hält, mit
einem Todtenschädel gezeichnet ist, also ganz in Uebereinstimraung
mit der Hieroglyphe der Zahl Zehn, die wir oben S, 764 in den
Abb. 196, 197 erkennen konnten. Das Uinal-Datum aber, das hier nicht
an siebenter, sondern erst an achter Stelle folgt, und das ich in Abb. 218
wiedergebe, zeigt uns in der Yorderfigur, die hier — eine interessante
Darstellung — die Maske des Sonnengottes im Arme hält, unverkennbar
den Gott mit dem Äaw-Zeicheu (vgl. oben S. 766, Abb. 205), der, wie
wir oben gesehen haben, der Repräsentant der Zahl Acht ist. Und dass der
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 771
hintere Theil von Abb. 218, der uns eine Art Vogel-
kopf mit den Elementen des cawac-Zeicliens und mit
einer zusammengeknoteten Garn- oder Haar-Strähne
.auf dem Scheitel vor Augen führt, nur eine Form
des Zeichens cKen ist, lehrt ein Vergleich mit den
Hieroglyphen, die in den oben (S. 749, 750) nach
•der Cedrelaholz -Platte von Tikal wiedergegebenen
•Gruppen (Abb. 169 — 171) den Uinal cKen bezeichnen,
und mit den Hieroglyphen dieses Zeichens, die ich
nach dem Kreuztempel von Palenque und nach einer
.Stele von Quirigua in Abb. 219 und 220 dan eben-
gesetzt habe. Somit ist in der That das Enddatum
•der Initial Series der Stele D von Copan das Datum
10. aliau. 8. cJien^ das unter Einsetzuno' des Werthes
Neun für den Multiplikator der ersten Gruppe sich
aus der Rechnung ergibt.
Ich gehe gleich weiter zu den auch durch ihre
Formen interessanten Hieroglyphen der Palasttreppe
Ton Palenque, die Maudslay auf Tafel 23 seines
IV. Bandes abbildet. Die Hieroglyphen, die man
sonst auf die Seiten einer Stele vertheiit findet,
nehmen hier in zweimal zwei Streifen die horizon-
tale und vertikale Seite (Tritt- und Aufstiegfläche)
dreier Treppenstufen ein. Die Gruppen der Initial
Series gebe ich, in ihrer Folge nach Art der Altar-
platten von Palenque übereinand ergeordnet, in Abb. 221
wieder. Von den vorderen Hieroglyphen, die die
3Iultiplikatoren darstellen, bezeichuet die erste wieder
■die Zahl Neun. Wir haben hier denselben über die
Stirn herabgebogenen Schmuck, dieselbe mit Jaguar-
flecken und Haai'en versehene untere Gesichtshälfte
wie in den anderen Gesichtern, die wir als Hiero-
glyphe der Zahl Neun erkannt haben. Der Multipli-
kator der zweiten Gruppe ist unverkennbar die Hiero-
glyphe der Zahl Acht (vgl. oben S. 7G(), Abb. 204).
Der der dritten wieder Neun, Bei dem Multiplikator
der vierten Gruppe könnten wir zweifeln. Man sieht
aber, dass er genau übereinstimmt mit der Hiero-
glyphe, die auf der Vorderseite der achten Hiero-
glyphen-G^ruppe steht, und die die Zahl des Uinal-
Datums darstellt. Da nun das Enddatum hier, wie
gewöhnlich, ein JAaw-Tag ist, und die ^Äaw-Tage r •^^^ c. ■"-, \. ^ .
° ' 0-5 o Initial Series der Palast-
aus den oben schon einmal angeführten Gründen nur treppe von Palenque.
49*
772
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
^^=J
entweder der dritte, achte, dreizehnte oder achtzehnte Tag eines Uinal
sein können, so steht für die Bestimmung des Werthes des Multiplikators
der vierten Gruppe nur eine dieser vier Zahlen (3, 8, 13 oder 18) zur
Yerfüo"ung. B und 18 erscheinen ausgeschlossen, und auch die Hiero-
glvphe der Zahl 3 hat ein ganz anderes Ansehen. So bleibt nur die Zahl 13.
Und mit der Hieroglyphe der Zahl 13 (vgl. oben S. KU, Abb. 198) stimmt
der Multiplikator unserer vierten Gruppe in der That
in den wesentlichen Elementen überein. "Wir haben
' denselben Vogelkopf wie dort. Nur ist statt des
^/^^=^ / 6'Äwew-Schildes, das dort über dem Auge gezeichnet ist,
hier in unserer Abb. 221 bei dem Multiplikator der
vierten Gruppe, und der entsprechenden Hieroglyphe
der siebenten Gruppe, über dem Auge ein von einem
Rande mit sich einrollenden Yorsprüngen umgebener
Schild zu sehen, über desseu Fläche gerade die
Schleife des Bandes liegt, mit dem der Schild über
dem Auge befestigt ist. Der Multiplikator der fünften
Gruppe stellt eine neue Form dar. Wir erkennen,
dass es ein Gesicht ist, das aus dem aufgesperrten
Rachen eines Todteuschädels hervorsieht. Leider ge-
hört diese Hieroglyphe den Stufen au, das Gesicht
ist vollständig verwischt. Da das Enddatum hier aber
wieder ein Ahau-Datum ist, so kann dieser Multipli-
kator der fünften Gruppe nur wieder eine Yer-
anschaulichuug der Xu 11 sein. Denn von 4. ahmt bis
zu einem anderen ^Äaw-Tage kann die Entfernung
nur in ganzen Zwanzigern gemessen sein. In der Zahl
des ^Äaw-Tages endlich müssen wir wieder das Gesicht
des Gottes mit dem A'aw- Zeichen erkennen, sie
ist also 8 zu lesen. Die ganze Initial Series hat dem-
nach die folgende Zusammensetzung:
1. 9X20X20X360.
2. 8 X 20 X 360.
3. 9 X 360.
4. 13X20.
5. OXl.
6. 8. ahau.
7. 13? (Das Uiiial-Zeichen ist verwischt.)
Die Summiruno- erg-ibt die Zahl 1 357 100. Das sind 5219 Tonalamatl
und 160 Tage, oder 3718 Sonnenjahre und 30 Tage. Das ist genau der
Abstand des Tages 8. ahau^ 13. pop vom Anfangs- und Normaldatum
4. ahau^ 8. cumku. So bestätigt die Rechnung also auch bei dieser Initial
Series das Gesetz und die Richtigkeit unserer Deutungen.
Abb. 222.
Initial Series
der Stele P von
Copan.
21. Monumente von Gepan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 773
Die Stele P von Copan zeichnet sich vor anderen durch einen ge-
v^issen schnörkelhaften Zug ihrer Hieroglyphen-Zeichnung aus. Die Multi-
plikanden der Initial Series (vgl. Abb. 222) zeigen alle annähernd dasselbe
Vogelgesicht, bei dem nur durch kleine Abzeichen — den gekrümmten Hau-
zahn des Sonnengottes, den Knochen der Perioden tun^ die ilie Schnabel-
wurzel umgebenden Federborsten des Katun-Vogels — die besondere Periode
zum Ausdruck gebracht ist. Die Multiplikatoren sind in den ersten beiden
Gruppen wieder Neun. In der dritten begegnet ims eine anscheinend noch
unbekannte Form. In der vierten und fünften Gruppe ist der Multi-
plikator Null. Wie die Ziffer des ^Aaw-Tages zu lesen ist, darüber könnte
man zweifeln, da von den drei Perlen,
die dem oberen Rande der Hieroglyphe
aufgesetzt sind, und die die Ziffer an-
geben müssen, nur die mittlere ge-
schlossen, die anderen nach unten etwas
geöffnet sind. Da indes in den übrigen
Hieroglyphen der Stele mehrfach auch
die nach unten offenen Perlen als Einer
auftreten, so glaube ich annehmen zu
müssen, dass die sechste Hieroglyphe
der Initial Series 3. ahau zu lesen ist.
Ein Uinal-Datuni fehlt. Demnach hat
die Initial Series der Stele P die fol-
gende Zusammensetzung:
9 X 20 X 20 X 360.
9 X 20 X 360.
X X 360.
20.
1.
3. ahau.
Ich glaube, wir können für das x
hier die Zahl Dreizehn einsetzen. Denn
mit der Hieroglyphe dieser Zahl (vgl. oben Seite 764 Abb. 198 und den
Multiplikator der vierten Gruppe in Abb. 221) stimmt der Multiplikator
unserer dritten Gruppe in den wesentlichen Zügen überein. Die Zusammen-
rechnung ergibt dann 5251 Tonalamatl und 220 Tage, oder 3741 Sonnen-
jahre und 15 Tage. Das ist der Abstand des Tages 3. ahau, 3. amia kaha
von dem Normaldatum 4. ahau, 8. cuniku.
Zum Schluss führe ich noch die Initial Series der Stele E von
Copan an (Abb. 223). Hier sind leider die unteren Hieroglyphen voll-
ständig zerstört. Die erhaltenen Reste sind aber doch interessant genug.
Die Stele weicht von den anderen dadurch ab, dass Multiplikator und
Multiplikandus, wenigstens in den oberen Gliedern, nicht, wie sonst, dicht
1.
2
3.
4. 0
5. 0
6.
Abb. 223.
Initial Series der Stele E
von Copan.
774
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
aneinandergerückt, sondern als gesonderte Hieroglyphen geschrieben sind.
Die Multiplikanden ähneln der Stele P insofern, als sie auch wenig aus-
drucksvoll sind. Ein ziemlich gleichartiger Yogelkopf liegt, soweit der
Erhaltungsstand dies erkennen lässt. überall zu Grunde. Dem Multi-
plikandus der ersten Gruppe fehlt, wie in Stele P, das sonst überall an-
gegebene diakritische Zeichen der Hand. Aber bei dem Multiplikandus
der dritten Gruppe, der die tun oder Zeiträume von 360 Tagen bezeichnet^
sind deutlich die drei dunklen Kreise im Auge gezeichnet, die wir in den
i (£l '\0 miQ ^
• •«•
. . s^ -im
Ahb. 224. Hieroglyphen der Zahl Zwanzig.
Hieroglyjihen dieser Periode fast regelmässig angegeben fanden (vgl. oben
S.735 Abb. 110— 115, 117. 118, 120, 121, 124, 125). Unter den Multiplikatoren
fällt der der ersten Gruppe auf, der eine ganz neue Form darstellt, und
von dem ich nur die Vermuthung aussprechen darf, dass er — vielleicht —
eine andere Form der Hieroglyphe Neun ist. Der Multiplikator der
zweiten Gruppe scheint, wie der dritten der der Stele P. mit dem "Werthe
dreizehn angesetzt werden zu müssen. Bei dem dritten Multiplikator der
Stele E hört leider schon jede Identifizirung auf.
Sehr gereizt hätte es mich, die in Hieroglyphen ornamentaler Art
ausgeführten Initial Series der Kröte B und der Stele D von Quirisruä
21. Monumente von Gepan und Quirig-uä und die Altarplatten von Palenque. 775
zu analysireii. Aber für Stele D liegt in dem, von Maudslay bisher
publizirt hat, nur eine Photographie vor, die doch ein genaueres Studium
nicht ermöglicht. Und auf der Kröte B ist gerade das Ahau-Datum
zerstört.
"Wenden wir uns nun mit dem, was wir aus den letzten Feststellungen
an Kenntniss gewonnen haben, noch einmal zu der Kreuzplatte I von
Palenque (vgl. oben S. 759 Abb. 184) zurück, so scheint sich für den
Multiplikator der zweiten Grruppe, den ich oben S. 767 in Abb. 208 noch
einmal besonders gezeichnet habe, eine Erklärung zu geben. Man ist
versucht, ihn Neunzehn zu lesen. Denn lässt man das diakritische Zeichen
des Knochens weg, so erhält man ein Gesicht, das in der That die Be-
sonderheiten der Hieroglyphe Neun, wie wir sie oben kennen lernten,^
aufzuweisen scheint. Der Multiplikator der ersten Gruppe aber (Abb. 209,
oben S. 7t)7) und der der dritten (Abb. 207, oben S. 767) sind nach wie
vor noch unbekannt. Ich habe nun bald diesen, bald jenen Werth ein-
gesetzt und durch die Rechnung geprüft, bin aber bisher noch zu keinem
befriedigenden Resultate gelangt. Nimmt man an, was ja wohl wahr-
scheinlich ist, dass für die Zahlenreihe des Kreuztempels I derselbe Tag
4. ahau, 8. cumku als Ausgangspunkt zu setzen ist, wie der, von dem aus
die Eingangszahlenreihen der Altarplatten des Kreuztempels II und des
Sonnentempels gerechnet sind, so müsste die Initial Series des Kreuz-
tempels I folgendermassen lauten —
2 X 20 X 20 X 360
7x20x360
2 X 360
4x 20
Ox 1
d. h. der Multiplikator der ersten Gruppe (Abb. 209, oben S. 767) müsste
Zwei gelesen werden, was vielleicht thatsächlich richtig ist. Der der
zweiten aber (Abb. 208, oben S. 7(>7) müsste Sieben, und der der dritten
(Abb. 207, oben S. 767) müsste ebenfalls Zwei, wie der der ersten Gruppe
gelesen werden. In der That weisen der Multiplikator der ersten und der
dritten Gruppe in dem obersten Element eine Verwandtschaft auf. Aber
gegen diese Lesung spricht doch eigentlich, dass die Multiplikatoren, so-
wohl der zweiten, wie der dritten Gruppe, an dem Unterkiefer den Todten-
knochen zu haben scheinen, der den Zahlwerth um zehn erhöht.
Es ist bedauerlich, dass gerade bei diesem wichtigen und bekanntesten
Monumente die Lösung nicht gelingt. Immerhin bleibt eine ganze Anzahl
von gesicherten Ergebnissen: die gesicherte Lesung der Initial Series einer
grossen Zahl von Monumenten, auch solcher, in denen die Multiplikatoren
nicht Ziffern, sondern Hieroglyphen sind, und die Feststellung einer ganzen
Anzahl zahlbezeichnender Hieroglyphen, die nahezu den ganzen Zahlen-
raum von 1 — 19 umfassen. Ich füge noch in Abb. 224 ein Zeichen für die
776 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Zahl Zwanzig- hinzu, das in den Handschriften ganz allgemein zur Be-
zeichnung von üistanzaugaben gebraucht wird.
Ehe ich mich nun den Schlussbetrachtungen zuwende, muss ich
eines Werkes gedenken, das sich mit ähnlichen Untersuchungen be-
schäftigt, und in dem ein grosser Theil der Resultate, zu denen ich
gelangt bin, schon enthalten ist. Das ist das Werk von J. T. Goodman:
„The Archaic Maya Inscriptions", das auf Veranlassung und auf Kosten
Alfred P. Maudslay's als YIII. Theil des grossen Maudslay'schen
Werkes, der archäologischen Abtheilung der Biologia Centrali-Americana,
im Februar 1897 erschienen ist. Der verstorbene Professor Brinton hat
in der ^Science" vom April desselben Jahres eine sehr abfällige Kritik
über dies Buch veröffentlicht, die aber durchaus ungerecht ist. Von dem,
was Goodman wirklieh gesehen und erreicht hat, hatte Brinton keine
Ahnung und konnte, bei dem Stande seiner Kenntnisse von der Sache,
auch keine Ahnung haben. Der erregte Ton seiner Kritik war vielleicht
zum Theil dadurch veranlasst, dass sich Brinton durch Goodman's Be-
merkungen über die gelehrten Dilettanten selbst etwas getroffen fühlte.
In zwei Beziehungen hat aber Brinton das Goodman 'sehe Buch ganz
gut charakterisirt, indem er das Fehlen von Beweisen für die aufgestellten
Behauptungen und das vollständige Verschweigen aller Vorarbeiten und
aller Vorarbeiter auf diesem Gebiete hervorhob.
Goodman hat Alles aus der Tiefe seines Gemüthes konstruirt. Er
ist zunächst daran gegangen, den Jahreskaleuder zu konstruiren, d. h. sich
Rechenschaft über die Verbindung der Tageszeichen- und der Uinaldaten
zu geben. Ich habe oben angeführt, dass ich schon im Jahre 1891 und
•später 1895^) darauf hingewiesen habe, dass die Verbindung der Tages-
zeichen- und der Uinaldaten in der Dresdener Handschrift und auf den
Monumenten Folgendes beweist: die Schreiber dieser Handschrift und
die Errichter der Monumente haben die Jahre nicht mit kan^ muluc, ix,
cauac, wie die Yukateken, begonnen, sondern mit den Tagen been^ e'tznab^
akbal, lamat, die den mexikanischen Tagen acatl^ tecpatl, calli, tochtli ent-
sprechen. Goodman hat das auch gesehen. Aber bei dieser Annahme
muss er mit anderen Aufstellungen in Konflikt gerathen sein. Nachdem er
daher, wie er sagt, bei dieser einfachen Aufgabe lange Zeit im Ungewissen
gewesen sei, habe er endlich die Entdeckung gemacht, dass die Er-
richter der Monumente ihre Jahre mit den (den Tagen been, e'tznab, akbal,
lamat vorhergehenden) Tagen eb, caban, ik, manik begonnen, dass sie aber
ihre Uinal (ihre sogenannten Monate) nicht mit dem ersten, sondern mit
dem zwanzigsten Tage begonnen und dann den ersten, zweiten, dritten
u. s. f. weitere-ezählt hätten! D. h. mit anderen Worten: wenn Goodman
1) Zeitschrift für Ethnologie XXIII, S. 103 u. 111; ebend. XXVII, Verhandl.
S. (447), (44! t). Vgl. oben S. 521 und 585.
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 777
auf den Monumenten ein Datum 1. ik^ 20. pop findet, so wäre das nach
ihm zu lesen: „ein Tag \. ik^ der der erste des Uinal j9op ist". Das
Datum 2. akbal, 1. pop hiesse: „ein Tag 2. akbal, der der zweite des üinal
pop isf u. s. f. — Das heisst in der That die Dinge auf den Kopf stellen,
um einer einfachen Erklärung zu entgehen.
Weiter ist Goodman zur Konstruktion des sogenannten „chrono-
logischen Kalenders" d. h. der Katunrechnung übergegangen. Diese Auf-
gabe sei viel schwieriger gewesen. Sieben Jahre habe er sich bemüht,
ohne zu einem Resultat zu gelangen, durch PioPerez missleitet, der die
vorliegende Schwierigkeit anscheinend dadurch loste, dass er dem Katun
eine Länge von 24 Jahren zuschrieb. Endlich nach sieben Jahren sei
ihm, Goodman, ein Licht aufgegangen. In dramatisch bewegten Worten
schildert er seine Entdeckung, apostrophirt Pio Perez, der schon so
nahe daran gewesen sei, die Wahrheit zu finden — : „Poor Don Pio! to
have the pearl in his grasp and be unaware of its pricelessness like so
many others" — und kommt dann mit der Entdeckung heraus, dass der
Katun weder 20, noch 24 Jahre, sondern 20 X 360 Tage umfasst habe!
Also genau das, was ich in der eben angezogenen Abhandlung vom Jahre
1891 geschrieben und gedruckt und später noch des öfteren wiederholt
habe! Nun kommt es gewiss nicht selten vor, dass zwei Leute unab-
hängig von einander auf denselben Gedanken kommen, und dass der eine
ihn erst viel später veröffentlicht, als der andere. Auch mag man Herrn
Goodman, der sich rühmt, ein „ungelehrter Proletarier" zu sein, es
glauben, dass er kein Deutscli versteht. Es kommen hierbei aber doch
noch einige besondere Umstände in Betracht. Ich habe seiner Zeit meine
Arbeiten an Edward S. Holden nach Kalifornien geschickt, der mir
schrieb: — „There are several cultivators to this study in California, and
it will give me pleasure to band your paper to them, as they will be
much interested in it." — In der Vorrede zu seinem Buche berichtet
Goodman selbst, dass auf dem Titelblatt seines Buches eigentlich
Dr. Gustav Eisen in San Fancisco hätte mitgenannt werden müssen,
der seine Aufmerksamkeit zuerst auf diese Studien gelenkt, 12 Jahre zu-
sammen mit ihm gearbeitet, und das meiste von dem Material, das von
ihm, Goodman, verarbeitet worden sei, für ihn gesammelt habe. Nun,
Gustav Eisen ist ein Schwede und versteht Deutsch. Goodman hat
seine Vorrede im November 1895 geschrieben. Wenn er 12 Jahre mit
Eisen gearbeitet hat, so hat er also etwa im Jahre 1883 angefangen. Und
wenn er, wie er angibt, sich sieben Jahre vergeblich mit der Sache ab-
gemüht hat, so hat er seine Entdeckung gerade in dem Jahre gemacht,
in dem meine Arbeit an Edward S. Holden nach San Francisco kam.
Das ist gewiss ein eigenthümliches Zusammentreffen. Man wird es mir
nicht verargen, wenn ich auf den Gedanken komme, dass dem „ungelehrten
Proletarier", der aber von einem gebildeten. Deutsch verstehenden Arzte
778 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
mit Material für seine Arbeiten versehen wurde, die von mir gemachten
Feststellungen nicht ganz unbekannt geblieben sein können, dass ich aber
mit Forste mann und manchem Anderen die Ehre theile, in Goodman 's
Buche iguorirt zu werden.
Goodman hat sich die Mühe gemacht, für die ganzen 52 Jahre des
mexikanischen Jahrhunderts die Tage mit ihren Uinal- (sog. Monats-)
Daten auszuschreiben. Das kostet eine Masse Papier und hat wenig
praktischen Werth. Zudem hat er seine Tabellen, wenn nicht unbrauchbar,
so doch für den Benutzer verwirrend gemacht, indem er auf ihnen seine
sonderbare Idee, dass die alten Maya den zwanzigsten Tag eines Uinal
als ersten, den ersten als zweiten, den zweiten als dritten Tag u. s. f.
gezählt hätten, zum Ausdruck gebracht hat. Auf Grund der richtigen Katun-
länge, wie sie meiner Feststellung entspricht, hat Goodman weiter die
Aufangstage der einander folgenden Katune mit ihren zugehörigen Uinal-
daten ausgeschrieben. Als Anfang aber setzt er nicht das Normaldatum,
das Förstemann uns kennen lehrte, und das, wie wir oben gesehen
haben, nahezu ausnahmslos auf allen Monumenten als Ausgangspunkt der
Rechnung nachzuweisen ist, sondern er griff ein Datum heraus, das ihm
auffällig war, weil es allein unter den Monumenten von Copan auf dreien
von ihnen an hervorragender Stelle anzutreffen ist, das Datum 4. ahau^
13. yax^ das, wie wir gesehen haben, um 1 404 000 Tage, oder etwas über
3846 Sonuenjahre von dem Normaldatum absteht. Indem er aber dieses
Datum 4. ahau^ 13. yax nicht etwa bloss als Anfangstag eines Katun,
sondern als Anfangstag grosser Aeren von 13 X 20 Katunen setzte, weil
auf den Monumenten Zwanzigfache von Katunen mit der Ziffer 13 kom-
binirt vorkommen^), und indem er weiter fand, dass auch für die Zwanzig-
fachen eines Katun, wie für die einfachen Katun^ und die Tun^ es gilt,
dass ■ erst nach Ablauf von 73 X 13 dieser Zwanzigfachen von Katunen
dieselbe Kombination des väAa?«- Tages und des C/VwaZ- Datums eintritt, so
kam er dazu, 73 grosse Aeren von je 260 Katunen zu konstruiren, deren
fünfundfünfzigste erst — in Goodman'scher Bezeichnung die Nummer 54,
weil er auch hier von der Idee ausgeht, dass die Maya mit der letzten
der möglichen Ziffern, hier 73, die erste dieser Aeren bezeichnet hätten —
unser Anfangs- und Normaldatum 4. ahau^ 8. cumku ist. Man sieht, dass
er auf diese Weise spielend zu der netten Zahl von 276 953 Jahren ge-
langte, die vor unserem Anfangs- und Normaldatum, dem Datum 4. ahau,
8. cumku^ liegen sollten.
Die Multiplikanden auf den Monumenten hat Goodman im All-
gemeinen richtig erkannt, verräth aber auf keiner Seite seines dickleibigen
Werkes, dass diese Multiplikanden-Lesung aus der Zifferschreibung der
1) Wie dieses Vorkommen zu deuten ist, dafür habe ich oben S. 755 eine
Erklärung gegeben.
21. Monumeute von Copan und Qnirigiiä unrl die Altarplatten von Palenque. 779
Dresdener Handschrift, die Förstemann uns kennen lehrte, hervorgeht,
und ebensowenig, dass Förstemann schon vor ihm die 20, 360 und 7200
erkannte. Dass ich in der Identifizirung der Multiplikanden der Initial
Series Goodman vorangegangen bin, habe ich oben (S. 752, Anm.) durch
die Anführung der Stelle aus den Actas des Amerikanisten-Kongresses in
Mexico dargethan. Durch Nachrechnung der Distanzen zwischen den
einzelnen Daten des Textes ist Goodman weiter auch zu einer im All-
gemeinen richtigen Identifizirung der Uinal-Hieroglyphen gelangt. An
einer richtigen Deutung der Initial Series aber hinderten ihn seine Idee,
dass die Multiplikatoren der Initial Series als Ordinalzahlen zu betrachten
seien, und ferner der Umstand, dass er die Hieroglyphen, von denen ich
oben nachwies, dass sie den Multiplikator Null darstellen, als Bezeichnung
der Zahl 20 auffasst. Um sich dabei mit den Thatsachen abzufinden,
muss er (S. 90 seines Buches) annehmen, dass, wo bei einem Uinal die
Ordinalzahl 18 stehe, sie ausnahmslos in allen Fällen durch die
Hieroglyphe 20 zum Ausdruck gebracht werde! — Goodman liebt
das „I discovered, I determined", und er bricht in die stolzen Worte
aus: — „I expect my calendar to be challenged. It would be without
precedent in the history of discovery, if it were not. ßut I leave it to
defend itself, conscious that it is as infallible as the multiplication table,
and knowing that all antagonists must finally go down before it." — Das,
was in „seinem" Kalender richtig ist, die wahre Katunlänge, ist nicht von
Goodman, sondern von mir entdeckt und lange vor Goodman 's Buch
von mir veröffentlicht worden. Auch dass auf den Monumenten die gleiche
Art der Kombination von Tagesdaten und Uinaldaten vorliegt, wie in der
Dresdener Handschrift, ist schon vor Goodman von Förstemann, Cyrus
Thomas und mir ausgesprochen worden; ebenso wie auch die Multipli-
kanden-Hieroglyphen von Förstemann und mir selbständig erkannt worden
sind. "Was Goodman hinzugethan hat: die Anfänge mit dem zwanzigsten
der Monate, die lange Reihe der Acren von dem willkürlich gesetzten
Anfang 4. ahau^ 13. yax^ und die Art der Initial Series-Lesung, ist theils
willkürlich, theils falsch.
Wenn ich Goodman nun aber auch „seinen" Kalender streitig
machen muss, so gebührt ihm doch das Verdienst, die Hieroglyphen der
Multiplikatorenzahlen, die er „Face numerals" nennt, in ihrer Bedeutung
erkannt und einen grossen Theil derselben richtig bestimmt zu haben.
Merkwürdig ist nur, dass er es nicht für nöthig erachtet, anzugeben, wie
er zu seinen Bestimmungen gelangt ist. Er kann ja allerdings darauf ver-
weisen, die Probe an den Monumenten zu machen. Aber dann müsste
doch der zu wählende Ausgangspunkt zweifellos festgestellt sein. Aber
die Thatsache, dass Goodman bei seinen Berechnungen der Initial Series-
Zahlen im Grunde auch von dem von Förstemann entdeckten Normal-
datum 4. ahau, 8, cumku ausgeht, erscheint geradezu verschleiert. Man
YgQ Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
kann es Brinton in gewisser Weise nicht verargen, dass er eine wissen-
schaftliche Abhandlung, in der Argumente wie — „Ich wette, das ist so"
— „Ich habe nicht ein Bischen Zweifel daran" — eine nicht unbeträcht-
liche Rolle sjuelen, kurzer Hand bei Seite schieben zu können meinte.
Die Entwickeluug, die ich oben für die Bestimmung der Hieroglyphen der
Multiplikatorenzahlen, der „Face numerals" Goodman's, gegeben habe,
zeigt nicht nur den Weg, wie ich dazu gelangt bin, sondern gibt auch die
Beweise, die man in Goodman's Buche vergeblich sucht. Vieles ist in
Goodman's Bestimmungen auch direkt gerathen, was mit grosser Sicher-
heit vorgetragen wird. Da er sich aber gedrungen fühlte, die Liste der
Zahlen-Hieroglyphen vollständig von \—'20 zu geben, und da er ausserdem
auf einigen Monumenten, so besonders der Stele D von Copan und der
Palasttreppe von Palenque, die Multiplikatoren zweifellos falsch gelesen
hat, so wird man es begreifen, dass mau bei ihm die richtigen Fest-
stellungen mit falschen und absolut unsicheren gemischt findet. So sind
die Formen, die er für die Hieroglyphe Sieben gibt, durchaus hypothetisch,
durch keine Initial Series gewährleistet. Die Hieroglyphe der Zahl Neun
ist bei ihm unter die Zahlen Drei, Neun und Zwölf vertlieilt. Die Hiero-
glyphe 13 aus der Initial Series von Palenque führt er unter 15 auf, was
ein Unding ist, da mit einem Ahmi-Tage kein fünfzehnter eines Uinal
verbunden sein kann. Dass auf der Stele D in der zweiten Gruppe 15
und nicht 5 zu lesen ist, hat er nicht gesehen. Und die Zahl 13 ist bei
ihm eine Vereinigung sicher nicht zusammengehöriger Typen. Goodman
stellt die merkwürdige Theorie auf: — „that the sculptors assumed that
everybody must know what the current cycle was, and therefore carved
the sign with the greatest freedom in initial dates!" —
Eine glückliche Muthmassuug von ihm ist es vielleicht, wenn er, von der
Thatsache ausgehend, dass ein Todtenkopf die Zahl Zehn und zugleich das
sechste Tageszeichen cimi bezeichnet, auch den anderen Tageszeichen in
ihrer Reihenfolge einen entsprechenden Zalilenwerth zuschreibt. Wir
würden dann in der That für die Zahl Acht das vierte Tageszeichen, das
Zeichen kan erhalten. Und wir haben gesehen, dass die Acht durch den
Gott mit dem Kan-Zeichen dargestellt wird. Die Zahl Sechs für das
zweite Tageszeichen ik „Wind" würde auch stimmen, denn die Hieroglyphe
hat das Kreuz, das Symbol der vier Windrichtungen, im Auge. Die Zahl
Vier, deren Hieroglyphe das Gesicht des Sonnengottes ist, würde dem
zwanzigsten Tageszeichen ahau entsprechen, und die Zahl Eins, deren
Hieroglyphe das Gesicht der Frau ist, dem siebzehnten Tageszeichen caban:
mit beidem kann man sich durchaus einverstanden erklären. Die von
Goodman dabei gegebenen Erklärungen laufen im Wesentlichen auf eine
Summirung von ihm angenommener Zahlwerthigkeiteu hinaus. Nur bei
caban gibt er eine sachliche Erklärung. Die" Aufstellung eines Zusammen-
hano-es zwischen dem Gesichte der Frau und dem Zeichen caban ist aber
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 781
©
© ii .
^n
>Tr^
©
"t
o
C5
•fi
o
782 Dritter Abschuitt: Kalender und Hieroglyplien-Entzifferung.
auch wieder so ein intimer Zuy, in dem ich Fleisch von meinem Fleische
und Geist von meinem Geiste zu erkennen glaube.
Goodman führt diese Parallelisirung- mit den Zahlen für die zwanzig
Tageszeichen durch, deren jedes er darnach direkt- als Zeichen für eine
bestimmte Zahl ansieht. • Mir erscheint es zweifelhaft, ob man den Ver-
gleich über die Zahl Zehn hinausführen darf. Jenseit dreizehn fanden wir
die mit dem Symbol der Zahl 10, dem Knochen, zusammengesetzten Zahlen-
Hieroglyphen. Ich. möchte eine andere Parallele heranziehen: die zwanzig
Götter, die im oberen Theil der Blätter 4—10 der Dresdener Handschrift
dargestellt sind, und möchte glauben, dass die zwanzig Tageszeichen
sowohl, wie auch die zwanzig Götter, sich in zwei Reihen von je zehn
ordnen, deren einzelne Glieder einander und den auf den Monumenten
die Zahlen 1 — 10 bezeichnenden Götterköpfen in der Weise entsprechen,
wie ich das in Abb. 225 (S. 781) angezeigt habe. Dass bei dieser An-
ordnung in der That an den verschiedensten Stellen Parallelen auftauclien,
davon wird man sich leicht überzeugen. Ich hebe liervor die Tageszeichen
muluc (Wasser) und cauac (Regen); been (Rohr und Dach) und akbal (Nacht
und Haus). Unter den Göttern in der zweiten Kolumne 6'Aac, den Regeu-
gott, und Ah holon tz'acab. den AYassergott. In der sechsten Kolumne Kinch
ahau^ den Sonnengott, und Itzamnd, den alten Hiramelsgott. In der achten
den Gott mit dem Ä'aTi-Zeichen und den jungen Gott. Mau vergleiche
ferner die Hieroglyphe Zehn und den Todesgott; die Hieroglyphe Acht
und den Gott mit dem Ka?i-Zeichen; die Hieroglyphe Sechs mit dem
Windkreuz im Auge und den alten Himmelsgott; die Hieroglyphe Fünf
das Greisengesicht und den kahlköpfigen Yogel, den Geier; den Sonnen-
gott und den Jaguar. Und auch für die Hieroglyphe Neun ist der Vogel
Moan, der zur Hälfte Jaguar ist, eine direkte Parallele. An anderen
Stelleu freilich scheint die Parallele zu versagen, so gerade in der ersten
Kolumne. Doch mögen hier Beziehungen obwalten, die uns noch ver-
borgen sind. Jedenfalls glaube ich, dass man allen Grund hat, diesen
Vergleich im Auge zu behalten. Auf eine ursprünglich dekadische An-
ordnung lässt auch die merkwürdige Thatsaclie schliesseu, dass die beiden
Hauptreihen von zwanzig Göttern, die in den mexikanischen Handschriften
vorkommen, an der elften Stelle eine Verschiebung aufweisen.
Dass in der That die alten Maya die Tageszeichen dekadisch an-
ordneten und dementsprechend numerisch verwertheten, dafür könnte ein
Beleg — vielleicht — darin gefunden werden, dass die Abb. 226, der auf-
gerichtete Daumen, der gewissermasseu eine der Schmalseite der Hiero-
glyphe angepasste Abbreviatur der Hand, d. i. des Tageszeichens monik
ißt, auf der Altarplatte des Kreuztempels I von Palenque als Multiplikator
„Eins" vorkommt, also den gleichen numerischen Werth wie das Zeichen
caban hat, dem wir oben den Zahlwerth „Eins" zuschrieben.
21. Monumente von Copan und Quiriguii und die Altarplatten von Palenque. 783
In ähnlicher Weise wie den Tageszeichen schreibt Goodman auch
den Uinal einen ihrer Reihenfolge entsprechenden Zahlenwerth zu, indem
er zo'tz gleich Vierzehn setzt, weil die Fledermaus in bestimmten Hiero-
olyphen-Gruppen einmal für die Zahl Vierzehn eintrete. — Ist dies schon
hypothetisch genug, so beginnt bei den „directive signs", den „numeric
features of personages" u. s. w. die „Intuition" Ooodman's freier zu
walten, ohne dass man dabei in Bezug auf die Sicherheit der Ueber
Zeugung irgendwie eine Abnahme verspürte. Goodman ist in der That
der Meinung, dass die gesanimten Monumente Mittel -Amerikas in all
ihren Theilen — Figuren, Gesichtern, Hieroglyphen und Theilen von
Gesichtern und Hieroglyphen — aus Zahlen und Zahlen-
Symbolen zusammengesetzt seien, der ungeheure Aus-
druck eines Kultus der Zahl. Dieser Versuch, die
lebendigen Gestalten, die Gesichter, die Ornamente,
die Hieroglyphen, in lauter Zahl -Symbole zu zer- Abb. 226.
schneiden, erinnert an die ähnlichen Versuche Hilborne Eine andere Hiero-
T. Cresson's, die Maya-Hieroglyphen in lauter alpha- ^ ^^ ^ J^.^
betische Elemente zu zerlegen. Von den Letzteren
spricht heute schon kein Mensch mehr. Ueber die Ersteren wird die
Wissenschaft vermuthlich ebenso zur Tagesordnung übergehen.
Ich habe zum Schluss nun noch das Verhältniss zu besprechen, in
dem die verschiedenen Monumente, die wir kennen lernten, zu ein-
ander stehen. Hier ist zunächst des merkwürdigen Gegensatzes zu ge-
denken, der zwischen den Altarplatten von Palenque und den übrigen
Monumenten besteht. Ich habe oben schon erwähnt, dass die Initial Series
aller Monumente, die wir lesen können, in dem ersten Gliede den Multi-
plikator Neun enthalten. Und ich kann hinzufügen, dass auch für die
Stelen von Quiriguä, die ich noch nicht behandeln konnte, weil sie in dem
Maudslay' sehen Werke noch nicht zur Veröffentlichung gelangten, und
für die von den Ingenieuren des Peabody-Museums ausgegrabene Stele 6
von Copan das Gleiche gilt. Auf den Altarplatten von Palenque dagegen,
soweit wir sie entziffern können, steht im ersten Gliede der Multiplikator
Eins. Gibt, wie ja das von vornherein das Wahrscheinlichste ist, das am
Ende der Initial Series verzeichnete Datum die Zeit der Errichtung des
betreffenden Monumentes an, so müssten wir schliessen, dass alle anderen
Monumente innerhalb des zehnten Zyklus nach dem Anfangs- und Normal-
datum 4. ahau, 8. cumku^ der Kreuztempel II von Palenque und der Sonnen-
tempel aber innerhalb des zweiten Zyklus, der des Kreuztempels I innerhalb
des dritten Zyklus, nach dem Anfangs- und Normaldatum errichtet worden
seien. Mit anderen Worten, wir müssten annehmen, dass zwischen der
Zeit der Errichtung der Tempel von Palenque und der aller anderen
Monumente ein Zeitraum von etwa 3160 Jahren liege, dass die Tempel
784 Dritter Abschnitt: Kalender and Hieroglyphen-Entzifferung.
von Palenque um etwa 3160 Jahre älter seien als die Monumente von
Copan und Quiriguti und als die Treppe des unweit der Tempel auf-
ragenden Palastes von Palenque. Das ist an sich nicht wahrscheinlich,
und um so weniger, als man nach dem Stil der Hieroglyphen und der
Figuren viel eher geneigt sein würde, die Tempel von Palenque für jünger
als die Stelen von Copan zu erklären. Die Lösung des Räthsels kann
eine verschiedene sein. Es kann sein, dass in den Initial Series der
Tempel von Palenque das Enddatum nicht die Zeit der Errichtung des
Tempels, sondern ein frülieres heiliges Datum zur Anschauung zu bringen
bestimmt war. Es kann aber auch sein, dass man die Zeit der Errichtung
des Monuments nicht durch Aufzeichnung des wirklicheu, traditionell an-
genommenen Abstandes vom Xormaldatum, sondern gewissermassen in
arithmetischer Weise durch Aufzeichnung eines Abstandes, der vom Xormal-
datum zu einem Tage dieser Benennung führte, zur Anschauung brachte.
Die Enddaten der Initial Series aller übrigen Monumente, die wir
lesen können, liegen, wie gesagt, innerhalb des zehnten Zyklus nach dem
Anfangs- und Xormaldatüm 4. ahau^ 8. cumku. Für eine Uebersicht der
auf die Katun- und Tun-Anfänge fallenden möglichen Kombinationen von
^ÄQM-Tagen und Uinal-Dateu sind die Tabellen ganz praktisch, die
Goodman am Schluss seines Werkes unter der Ueberschrift „Perpetual
chronological calendar" gibt. Die Konstruktion dieser Tabellen ist mit
das Beste in Goodman" s Buch. Xur muss man natürlich den richtigen
Anfangspunkt setzen, das ist das Xormaldatüm 4. ahau, 8. cumku. Die
Uebersicht der möglichen Zyklen- Anfänge, die Goodman auch gibt, hat
kaum eine praktische Bedeutung, und die der 73 von ihm angenommenen
grossen Aeren noch weniger. Ich gebe in Tabelle A (S. 786/787) ein ver-
bessertes Schema der möglichen Tariationen der Katun-Anfänge. mit dem
Normal-Datum 4. ahau, 8. cumku beginnend, in Tabelle B (S. 788/789) ein
verbessertes Schema der möglichen Variationen der Tim-Anfänge, mit dem
ersten Tuji des zehnten Zyklus beginnend. Auf beiden habe ich durch
fette Umrahmung diejenigen Tage hervorgehoben, die als End-Daten in
den Initial Series der Monumente vorkommen. Dabei habe ich für die
Stelen E, F und J von Quiriguä, die ich nicht selbst studiren konnte, da
sie von Maudslay noch nicht veröffentlicht sind, die End-Daten nach
den Angaben in dem Goodmanschen Buche berechnet und in das
Schema eingetragen. Die Rechnung bestätigt auch für diese Stelen durch-
weg meine Theorie. Die Zahlen, wie sie nach meiner Feststellung ge-
lesen werden müssen, geben genau den Abstand des am Schluss der Initial
Series verzeichneten Datums von dem Xormal-Datum 4 ahau, 8. cumku.
Nur ist zu bemerken, dass auf der Ostseite von Stele F, wohl durch ein
Versehen Goodman" s, die 9 Zyklen am Anfange ausgelassen worden
sind. Fügt man sie hinzu, so gibt die Initial Series der Ostseite der
Stele F von Quiri^^uä die Summe 1 414 800. Das ist o;enau der Abstand
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 785
des am Ende der Initial Series verzeichneten Datums 1. ahau^ 3. zip von
dem Normal-Datum 4. ahau^ 8. cumku.
Sieht man nun zu wie die End-Daten der Initial Series der Monu-
mente sich zeitlich vertheilen, so zeigt sich zunächst, dass — unter der
Voraussetzung, die hier gemacht ist, dass das Anfangs- und Normal-Datum
4. ahau^ 8. cumku den Anfang eines Katun's und eines Zyklus darstellt —
nur drei der Daten der Monumente auf den Anfang eines Katun's fallen.
Es sind dies das Datum der Westseite der Stele C von Quiriguä, 6. ahau,
13. yaxkin, das der Stele B von Copau, 4. ahau^ 13. yax^ das auch auf
dem Altar S und der Skulptur G 2 von Copan vorkommt, und das Datum
der Ostseite der Stele E von Quiriguä, 13. ahau^ 18. cumku. Die anderen
Daten fallen theils auf den Anfang eines Tuti's, theils aber nicht einmal
auf einen solchen, sondern innerhalb eines Twn's. Ich habe diese letzteren
durch ein kleines Viereck neben der Zahl, die den Anfangstag des be-
treffenden Tuu's angibt, in der Tabelle B eingetragen. Dabei zeigt sich
aber, dass — mit einziger Ausnahme der Stele P von Copan — die End-
Daten der Initial Series, die den Anfangstag eines Tun's bezeichnen, auf
den ersten, sechsten, elften oder sechzehnten Tun eines Katun's fallen.
Mit anderen "Worten, es zeigt sich, dass die Anfangstage der vier
Viertel eines Katuns mit Vorliebe durch ein Monument ausgezeichnet
worden sind. Und zwar finden sich nicht weniger als drei solcher Katun-
vi er tel- Anfänge, für die sowohl in Copan, wie in Quiriguä Monumente
errichtet worden sind, — ein Zeichen dafür, dass die Blüthe dieser beiden
örtlich nicht weit auseinanderliegenden Gemeinwesen zum Theil in die-
selbe Zeit fiel. Von den Initial-Series-End-Daten, die nicht auf Katun-
viertel- Au fange fallen, stehen einige wenigstens in naher Beziehung zu
solchen. So fällt das Datum der Stele A von Copan '200 Tage vor den
Katunanfang, 4. ahau^ 13. yax, der auch im Text dieser Stele vorkommt,
und der das End-Datum der Initial Series der Stele B von Copan bildet.
Bei anderen dieser Daten ist mir eine solche Beziehung zu einem Katun-
viertel-Anfang bisher noch nicht deutlich geworden.
Das eine der drei Daten, die auf den Anfang eines Katun's fallen, das
der Westseite der Stele C von Quirigmi, 6. ahau, 13. yaxkin, ist zugleich
das älteste. Das Datum 3. ahau, 3. yax, das End-Datum der Stele K von
Quiriguä, der Stele, die dort unter dem Namen Enano (Zwerg) bekannt
ist, ist das jüngste. Zwischen beiden liegt ein Zeitraum von 355 Tun oder
etwas über 350 Jahren, und die Hauptmasse der anderen Monumente fällt
in die zweite Hälfte dieses Zeitraums, also in eine Zeit von etwa
180 Jahren. Die Meinung, die ich oben aussprach, dass die Blüthe dieser
Gemeinwesen sich wahrscheinlich in wenige Jahrhunderte zusammen-
drängte, wird also durch die Daten der Monumente vollauf bestätigt. Man
möchte wünschen, nun auch die absolute Zeit, in die diese Monumente
fallen, bestimmen zu können. Doch scheint das leider hoffnungslos zu
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 50
786
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
:^
i
'S*
l a
09
s
»4
O
S
o
>
4
o
CO od cd 00 eo CO eö w od cc CO CO CO CO eo (x5 cd CO GO oö cd ed oö oö od oö «5 CO CO eö
^^1— (<— Ii-Hi— It— (tH 1— (i— (tHi— (l— tl— ItH t— (-H
I I I I I I I ! I M I I I
I I I
g R c i;
's
rCCRRSRCKCRRKtCRRKECrrtCC
c- o CO 1-1
il
nOCOCO-<i<<MCO-^a5C-iOeOi-(<NOOOCC>'>tC<ieOi-H5it:-iOcOiF-(MOOO!£>-*
«
P
P
P
P
Nu
C 'S
- ©
•5 't
oooc£>Tti(Neo--Cit--ioeO'-HC<iOooiXi'*5<ieOT-i05i>.ir2eOi--(C<i00oc£>-^C<ieo— '35t-
CO--CSr-iOeOi-((MOCOlO"<JI<MCO»HCT>t-iOCO»-i(MOCO'lD'*<MeO'i-iaiC-iOCO.-H(NO
ococo-*(McO'-H05c-ioco»-i(MococD'<*i(Mcoi-ia5c-ioeCi-icNOoo«r>'^(Meo
cD'*!Meo»^a5c-oeot-i(MOco<x>-^(?jeOf-ia5c~-inco^iT50co^-*<NeOi-icit-ioso
C5t^iOcC'>-<(MOOo«0'^(McOi-iir3c-iOeOi-i(MOco^'^(MeOT-iOic-ir:eO'-icMOQOCD
c- i^ii
co«0"<*<NcoTHOic-ocoi-i(NOcoo-^c<ieO'--a5
C-»OeOi-l(MOOOOr(<(MCC--r5
(MeO--C5C-iQeO^(MOOO<X>^(NCO
— «Cic-iOcO'-tcoooocc-^cMeo— io>t->fleOi-is<i
»oeOT-ifMOCDeo-^
SOCO'--05t-iCieO'^(NOCOCD-*(NeOi-iC5l:-»OeC
rH (M O QO O -«J* CO
cc^-^c<ieo — <Jii>'iOcO''H(MocoiD-^i?aeo-rHj5r-
Oeoi-icMOooeo^S^ieOT-icst-o
i-iait-»oeoT-i(M©QO«£>Tji(McO'i-i
riC-iOCO»-t(MOOOtO->*(MeOi-(OiC-iOCO'.-tCNO
tH Ol O CO CD '* CO
eo»-<CT5c-iOeO'-^coOQOtD-^c<ieO'-Ha5t>-uoeO'-i
COCGOCD-^^C^CO-*
^©qeOT-io5c-iOco»->ic<ioaD«0'^c<ico^^05t-iOcorH(MOooix>^C<iec-J05c-»Oco»-»
•.-icocC'^iOOt-coa50^^Coeo-»i<iO«Ot-oo<?iO'^^C'aeOTt(iotDc^aoo50'-ic<ieo^»o
i-HT-ii-Hi-H^T-ti-Hi-tTHT-icooacoc^CNCoodCOCocoeocoeocoeoeo
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 787
^
£ C
» ^
CO
CO J
o ^
a
H '-^a
« «
" ®
.»c8
C-
^c/.
bo
a
8 S
§ - I
«> ^
o I
H j> S J^
i i I i 1 -.^ 1 § '^ i^
•*» >w ?.\ «.* 5* «k-«a'w CS -^ "»J «^ a ^^
2^'^^'^*5eococdoöcx5QC05«ieccdcocooocceoeoecc6cocde<5W
I I I I I
SR» RPRCCR
Rf^s^KtBCüRRRCej;
cc
-
c;
t-
lO
eo
1-H
i-<
o
CO
«D
't
(M
eo iH OS c-
lO
eo
-
o
CO
CO
■*
(N
eo
l-H
l-H
3S
C— lO
CO
T-l
(N
O 00 CO
eo
-H
<M
o
1— (
CO
CO
■*
(N
eo
1— <
l-^
CS
c-
lO
eo 1-1 (N O
1—1 »-H
00
CO
■*
(M
eo
1-t
OS
t-
»O
eo
^H
<N
l-H
O OO
l-H
CD
"*
(M
eo T-l CS
l-H 1-1
«ß
•^
(M
eo
1-1
1-1
CT5
t-
lO
CO
tH
ci
o
CO
CO
•* (N eo
1—1
T-l
CS
c-
lO
eo
1-1
(M
o
00
CO
-<*<
(M
eo —
1-1 1-H
CS
t^
lO
eo l-H (M
1-H
05
t-
O
eo
1— 1
(M
t-l
o
QO
«o
•*
(N
eo
iH
iH
OS c— lO eo
-H
1—1
O
CO
CO
■*
IN
eo
1-1
CS
t-
lO
eo 1-1
<N
l-H
o
1-1
CO
CO '^ <N
1-1
o
CO
CO
■*
(M
CO
1-1
OS
t-
lO
eo
1—1
(M O 00 CO
^ 1-1
■*
(N
CO
1-1
OS
t-
lO
eo
l-H
(N
o
1—1
OO
CO •*
(N
CO
1-H
1^
1-1
CS t- jO
C<1
CO
05
c-
lO
CO
»H
(M
1-1
s
CO
«3
■*
N eo 1-1 CS
— 1-1
c-
lO
eo
1-H
iH
o
QO
CO
">*
<N
eo
1-1
tH
OS t-
lO
CO
-
(M O 00
l-H tH
lO
CO
»H
OJ
o
CO
•^
-<*<
(M
CO
1—1
^.
t—
lO eo -H ci
o
1-1
CO
CO
•*
<M
CO
1-^
CS
r-
lO
eo
1-H
Cl o
00
o
1«1<
ffQ CO 1-1
r-l T-l
CO
«5
^
IM
eo
1-t
Ol
c-
lO
CO
1-1
(M
o
iH
CO CD "H (M
eo
1-1
1—1
1-1
:ts
t-
lO
CO
-
(M
i-t
O
00
CO
1*
(N eo
l-H
1-H
1-H
OS
t--
«O CO ^
r-l
O^
t-
lO
eo
iH
T-l
o
CO
<X)
•^
(N
T— (
^J CS C-- lO
eo
T-l
IM
1-1
o
1—1
00
CO
•*
(M
eo
T-l
1-1
CS
C-
lO eo
-
-M
o
00 CO ■*
»H
(N
o
1-1
oo
«D
■*
(M
eo
T-l
1—1
Oi
c-
lO
eo
■l-l (N O oo
1-t 1—1
CO
1*
(M
CO
T-l
1-1
CS
r-
»O
CO
tH
(N
o
00 CO
"^
IM
eo
l-H
1-1 OS t-
l-H
(M
eo
r-l
Oi
t^
lO
eo
■^
(M
1—1
o
1—1
CO
-I
^
^1^;:
c-
lO
CO
1-1
(M
l-H
o
1—1
CO
CO
■*
(N
eo
l-H
— CS
C-
lO
CO
■*
CS
rH (N O
l-H l-H
t-
O
eo
1-1
(M
r-(
o
00
«o
-*
(M
eo
1—1
tH
T-t
OS
c- >o eo •-<
T-l
s
00
CO
■<1<
Ol
eo
1-1
1-1
1-1
CS
c-
iO
CO
-H (M
i-<
o
OO
CO
"* CN CO
o
■rH
CO
O
-*
TO
eo
1—1
1-1
Ci
c-
O
eo
1-1
T-t
o 00 cc "^
(M
eo
1—1
1-1
1—1
CS
c-
»o
CO
-
(?1
o
00
CO
"^ (N
eo
tH
1-H
1-H
OS
c- »o eo
50*
788
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
^
^
1 I
1
tu
'S
9
^ I
■I
e
i I
Q 'S
— 00 ^
-« -« 'S 2 S
<• 00
a
o
-Sä
CO oq"
i<
iai
»
^
«
'S
v!
OS
icf
s ü
« o 5^
ö ö ö
a
5^ H
j CO -r
o
0
'S
'3
I
S ' *»
CO «^ ö
^ CO
Ö L. jä
>5
I U.
5£ g S
SS *5
.* I
^ -iä -^
&5 ;ts Si H
1«^ »a ivi W «i O «
S S s *> *> «^ s*
Ji i H ^ ^ ^ -Ö
eocoeocoeocococo eooococoeocoeoooeoooecoo eoooecico
coeooococoeoooeo
cell i-iOw(M'-ii:-eo(MX-«a<eoijsL;:— io«c>(M — c-cOTico-^cc C5ir5-HOtO(N»-if-co
C-eO(MCO'*C<505iO T-lOiX>(MT-it-.cOCNOO-^CCr^ lOi-IOO (I<J^C-e0<r3Q0'^eOO5
eoC5iO'-iOtri(N'-i i:-cor3co-<*eoc5iOi-<oco(N i-ic-eo(M oo-*eoo5io-r-(Ocß(M
O3^^c^e0(M0C'* eca5iOT-iO:r(M-JC-sccNco ^^eooio -hO'Osm— 't-coc^ico
oioo'^sooo-'-'O ^C5'^c-eo'MX"^ccij5inT-i oc£(m-^ t-r:(MX'^coooi-t
lOi— lOOCJ'^t-M (MCO'^TtCiOT-IOiDC^I^^C- CO G-3 CX3 -rjt eCCSiO'-'00(N'r-lC-
--t-eO(M00-*eoCi iOr-io«^<N— 'ir-eO(McO'*ico osiO^ho c£>CN--i>-eO'naO"^eO
Ttie<5i35iOi-'0«r>(M 'Jt- ITcIct co-^ccjsotho— (M-^t-io (McO'i'coaiiOi-io«^
o c£> <M 1-1 IT- cc CO "CO RHeo ci o
l-t l-H 1— ( I I ^
1—1 |0|0 s^i^-Ht-eofM oO'^eoas lO-^otCC^— 'c-e<5(N
ciiOi-<o«o<Ni— (t- eo(Mao-^c(5C5
,-1 »-I ^^ T-H ..-l l-H
s>j,-(t-(:cc<>oo-^cc cstOi— lOOff^'f-'t-eotNGO-^ eociO'^ oco?^
1-1 c- ec (N CO -*
1-1 T— i-li— li-( ^-11^^ i-lT-H »-I
!zii
21. Monumente von Copan und Quiriguä und die Altarplatten von Palenque. 789
J CQ
0
-«9
Ol
O
ü
I *»
- 00
02
"3
t^ ■&! -S^
t) i* (j
a, =4, ?i, ?^
Li
i
i
>
V
1
o
^
o
>
H
-<
o
9)
•-S
«
rn
-t^
a
Oi
o
rn
o
ü
1
S
.SP
'3
ü
a
3
ö
1
1
f«)
1
1
1
*
-ü
s
5:
£
;^
^
1^,
^
e
"5
"^
is
1.
^
^
s
S
;^
5
c
«
w
o
V V li w'^<'-<»^'-<
h « ^
ö e ö
»H Sah ?5h
e 2 s
Sin $: 5
« 5: ~
2 2 e
~ ^ tj ^ V
:: ö s ö e -«
^ s s s s ^
Mcccoeocoeocoec'QoecooMco oocOGOcooocoooeoQOcoooeoooeoooecooeocococoixccwco
I I I M I I I I I I I
I I I I I I I I I
I I I I I I I I
«*eoa50— '00(Mr-(c-eoc<ico Tj<ccc5i0,-(OO(N-^t-«5<MC0"*«0C5i0'-iOi0(M-i-ic-e0(M
o
«)
ra
1—1
t-
eo
»—1
CO
TJ«
«o
OS
o
1-1
o
1-H
o
(N
— t- eo
CO
■*
CO
Oi
lO
1-1
o
r-4
CO
<N T-H
r-
eo
(M
1-H
CO
-*
CO
CS
o
«
(N
oo
-*
1-H
Ci
O
1— (
o
CO
(M
1—1
c--
CO
(M
oo
■^ CO 05
1—1
o
r-i
o
1-t
CO
(N
1-H
t-
CO
(M 00 ■*
1-1
eo
1-H
OS
O
T-l
c
T-l
CO
<N
1-1
1-H
c^
lO
r-t
o
•-^
CT
1—1
1—1
c-
eo
C^l
oc
-*
00
1—1
er.
lO
y-{
O CO ffa
1— (
tH
t~
ec
•-H
CO
■*
CO
c;
>o
T-l
CO
(M
-
t-
CO
fM
1—1
CO
•<J<
(M
1— (
C-
«5
(M
OO
"*
lO
T-l
Oi
lO
1-<
c
CO
(M
1—1
c-
eo CN CO
•*
co
srs
Iß
T-l
o
T-H
CO
(M
T-l c- eo
IM
'■X)
■^
2
Ci
o
y^
o
1-H
00
•^
Oi
O
-
o
o
(M
^
c-
IC
1—1
CO
•<*
co
Oi lO 1-1
o
CO
(N
tH
t-
CO
(M
CO
•^11 eo 05
1-1
O
T-H
o
1-H
CO
(M
T-t
c-
CO
»H
o
;d
(M
T-l
l-
eo
ff«
1-1
CO
■*
eo
Ci
lO
1-1
o
1-1
■■£
(M — 1 c-
CO
(N
QO
■<*<
eo
CJ
lO
-
O CO (M
1-H
t-
CO
T-H
00
"^
eo
OS
t-
Ci
CO
■*
eo
«TS
IC
1— (
o
1—1
CO
(M
1— (
c-
eo
3«
1—1
CO ■* 7-
er.
iß
1—1
O
CO
(M
•^H
t—
CO <M CO
■*
eo
1— c
05
o
1-1
o
T-l
'■^
(?a
eo
05
u-.
El
o
(M
1— <
1—1
c-
CO
(M
CO
■^
11
Ci
\a
^ojx]ff.
1-1
1-1
t-
CO
T-l
CO
■^
CO
T-H
^S'^
o
1-H
CO
(M
-
t-
CO
1-H
CO
CO
(N
»-(
t-
cc
X)
">*
CO
1-H
04
lO
"
o
CO
(N
1-1
pn« ffi
CO
-*
co
r-.
>n
<-H
o
•,o
(M
1-H t-
iH
eo
(M
00
-*
eo
OS
J^
T-l
tH
00
■*
CO
CS
o
1-H
o
T-l
CO
(M
1-H
1-H
C-
"iclffl OD
'^
CO CT. lO
1-« o
T-l
CO
ff«
1-H C-
eo
ff« 00
"*
CO
1-H
OS
iO
1-H
o
1-H
CO
ffl
1-H
1-H
t-
lO
T-t
o
CO
CJ
1-H
c-
CO
T-l
00
'«'
cc
T-l
c: lO 1-1
O
CO (M -H
t- eo
"M
CO
^ CO OS
O.'tH
o
-
3>1
T-l
c-
eo
T-l
CO
■^
eo
1-H
T.H
r-
CO
T-H
00
"ttl
co
T-l
OS
lO
T-H
s
CO ff« ^ c-
T-l
eo
ff« CO ■^
CO OS
T-H
lO
1— 1
O CO
1-H
ff«
T-H C-
T-l
eo
ff«
T-H
CO
■*
co
Ol
lO
-^
o
1-H
CO
coi>-coosO-HC<ieO'#iccot^X) csoi— iffaeo-^oot-oocsO^HiMeo-^^iiOcor-cor; o^h(m
eocceocO'»''«!'-*-'»''*-^"^'*-^ .<*ioo»0»Ci>00»ciOiOicicococococococDcococot.^t-c-
790 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
sein. Die einzigen mageren chronologischen Datirungeu, die eine An-
knüpfung an unsere Zeitrechnung gestatten, stammen aus Yucatan. Vnd
dort galt zur Zeit der Conquista, und wahrscheinlich lange vorher, eine
andere Kombination von Ahau-Tagen und Ut7ial-Daten: der Jahresanfang
hatte gegenüber dem der Monumente eine Verschiebung um 1, 6, 11, 16,
oder allgemeiner um 1-1- 5x Zeichen, erfahren. Eine Anknüpfung an die
Daten der Monumente ist demnach nicht mehr herzustellen.
Ebensowenig hat sich bis jetzt feststellen lassen, was für eine be-
sondere Bewandtniss es mit dem Anfangs- und Xormal-Datum 4. ahau,
8. cumku hat, und was die Erbauer der Monumente und ihre Nachfolger,
die Schreiber der Dresdener Handschrift, veranlasste, gerade dieses Datum
als Anfangs- und Ausgangspunkt ihrer Zeitrechnung zu setzen. Es liegt
3570 Jahre vor dem ältesten Datum der Monumente, dem der Westseite
der Stele C von Quiriguä. Es ist kaum anzunehmen, dass es durch
Tradition durch diese lange Zeit festgehalten worden ist. Vielmehr ist es
wahrscheinlich, dass es durch Zurückrechnung gefunden wurde. Es ist
aber dunkel, was die leitenden Prinzipien dabei waren. Dieselbe Stele,
die Stele C von Quiriguä, die auf der Westseite das Datum trägt, das
bisher sich als das älteste erwies, ti'ägt auf der Ostseite das Xormal-Datum
4. ahau^ 8. cumku. Xeun Paare von Hieroglyphen folgen, von denen die
letzten vielleicht gewisse grosse Perioden bezeichnen. Aber ihre Be-
deutung hat bis heut noch nicht ermittelt werden können. —
Die Betrachtung der Tabellen A und B, in denen die Katun- und
Tun-Variationen zusammengestellt sind, erweckt mir nun -einige Gedanken,
denen ich zum Schluss noch Ausdruck geben will. Von jeher ist der
dunkelste Punkt in der mexikanisch-zentralamerikanischen Chronologie
die Bedeutung der Zahl 13 gewesen. Die Einen haben an Mondphasen
gedacht. Ich selbst habe, weil ich keine bessere Erklärung wusste, bis
in die letzten Jahre der Ansicht gehuldigt, dass eine sich im Sprach-
gebrauch fixirende symbolische Bedeutung der Zahl 13 diese Auszeichnung
verschafft habe. Ich bin indes jetzt doch anderer Ansicht geworden. \ Ich
meine, dass die Zahl 13 und das Tonalamatl bei den mexikanisch-zentral-
amerikanischen Stämmen durch einen Vergleich des Sonnenjahrs und der
Venus-Periode, der beiden grossen astronomischen Perioden, die diese
Stämme zu beobachten und aufzuzeichnen gelernt hatten, entstanden ist.
Das Sonnenjahr umfasst 5 X 73, die Veuusperiode 8 X 73 Tage. So geben
Sonnenjahr und Venusperiode 13 X 73 Tage. Setzt man diese Periode als
Einheit, so ist die nächst höhere Einheit 20 X 13 X 73 Tage, das ist der
52jährige Zyklus. Eine Vergleichung dieses 52jährigen Zyklus mit dem
Sonnenjahr und der Venusperiode gibt 20 X 13, das ist das Tonalamatl,
als den Faktor, der dem Faktor 5 des Sonnenjahrs und dem Faktor 8 der
Venusperiode entspricht. So wäre denn doch die Venusperiode der Aus-
gangspunkt des Tonalamatl\ und die alte Sage, dass Quetzalcouatl (das ist
21. Monumente von Copan und Quirigua und die Altarplatten von Palenque. 791
der Morgenstern) der Erfinder des Kalenders, d. h. des TonalamatVa, das
die Basis aller Zeitrechnung bildete, gewesen sei, hätte ihre thatsächliche
Berechtigung. Ich weiss nicht, ob die obige Begründung der Zahl 13
nicht von Förstemann schon irgendwo ausgesprochen worden ist. Ich
will keiner Priorität zu nahe treten. Ich bin aber jetzt voll überzeugt,
dass das die richtige Lösung ist, und meine, dass die weiteren Unter-
suchungen der Hieroglyphen-Reihen der Handschriften und der Monumente
vor Allem darauf gerichtet sein sollten, ob nicht die Perioden 5 X 73,
8 X 73, 13 X 73 irgendwo auftauchen. In erster Linie habe ich dabei den
Inschriften-Tempel von Palenque im Auge. Gelingt es, in dieser Be-
ziehung einen Fund zu machen, so wird, meine ich, auch ein grosser
Theil des Textes der Monumente sich uns enthüllen, und auch wohl ein-
mal Aufschluss über die Bedeutung des Anfangspunktes, des Normal-
Datums, gewonnen werden.
Die Untersuchungen, die ich in Obigem zur Yeröfientlichung bringe,
haben mich schon vor Jahren beschäftigt, als das IL Heft der
Mau dslay' sehen Publikation erschien und in ihm zum ersten Male von
einer Reihe von Denkmalen die Initial Series in treuer und mustergültiger
Weise veröffentlicht wurden. Ich habe die Untersuchungen damals nicht
zum Abschluss gebracht, weil ich neues Material glaubte abwarten zu
müssen. Da nunmehr Copan und Palenque vollständig, und mit dem
ersten Heft von Quirigua einige der hervorragendsten Denkmale auch
dieser Ruinenstätte veröffentlicht sind, so konnten jetzt mit einiger
Sicherheit die Resultate gezogen werden. Es steht zu hoffen, dass mit
dem Verständniss auch das Interesse für jene eigenartigen Schöpfungen
altamerikanischer Kunst und altamerikanischen Denkens sich beleben
wird. Hr. Mau dslay aber kann sich rühmen, derjenige zu sein, der
durch seine Arbeiten und seine Publikationen unter allen lebenden
Menschen am meisten zur Förderuno- dieser Studien beigetrao-en hat. —
792 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
99
Einiges mehr über die Monumente von Copan und
üuiriguä.
Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft, 17. März 1900.
Zeitschrift für Ethnologie, XXXII, S. (188) — (227).
Vor wenigen Wochen ist der XII. Theil von Maudslay's Archaeology
in der ßiologia Centrali-Americana zur Ausgabe gelaugt. Er enthält die
Abbildungen der Stelen D, E, F, G, H, I, K, der Kröte G und des
Altars L von Quiriguä, lauter wohlerhaltenen und wichtigen Monumenten,
die ich zu meinem Bedauern in der Mittheilung, die ich im November
vorigen Jahres der Gesellschaft machte, noch nicht berücksichtigen konnte.
Ich habe mich gleich an das Studium dieser Yeröffentlichung gemacht.
Die Ergebnisse, zu denen ich in meiner vorigen Untersuchung gelangt
war, habe ich im wesentlichen bestätio:t o-efunden. Es hat sich aber auch
einiges Xeue ergeben, das ich zur Vervollständigung des von mir Mit-
getheilten hier noch vorlegen möchte.
Unter den Monumenten, auf die sich bisher meine Untersuchungen
erstreckten, fanden sich zwei, die Stele C von Quiriguä und die Stele C
von Copan. auf denen auf zwei entgegengesetzten Seiten zwei verschiedene
Initial Series mit entsprechend verschiedenem End-
datum eingemeisselt sind. Und zwar fanden wir bei
beiden auf der einen Seite, die bei der Stele von
Quiriguä die Ostseite ist, das Normal-Anfangsdatum
^^C" ^T"^*^^^^ ■^- ahxiu, 8. cumku, auf der anderen ein anderes Ähau-
^ — J^-^^kzJ Datum, den Anfang eines Katun's, bezw. den eines
Abh. 1. Hieroglyphe Katunviertels, bezeichnend. Das jetzt zur Ausgabe
caban, Westseite der gelangte XE. Heft Maudslay's bringt die Abbildungen
Stele D von Oi«;vo«f/. .,, . ii-^r l t-z-h
von nicht weniger als drei Monumenten, wo ebentalls
auf entgegengesetzten Seiten verschiedene Initial Series und verschiedene
Enddaten dargestellt sind. Aber hier findet sich auf der Ostseite das Ahau-
Datura,' das den Anfang eines Katun's, bezw. eines Katunviertels, be-
zeichnet. Auf der Westseite dagegen ein Ca6aw-Datum, das bei zwei der
Stelen die gewöhnliche Form des 6'a6aw-Zeicheus aufweist, bei der Stele D
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä.
793
von Quiriguä aber die ornamentale Form hat, die ich in Abb. 1 wieder-
gegeben habe. Das Datum selbst ist in den ersten beiden Fällen bei
den Stelen E und F von Quiriguä das gleiche: 12. caban, 5. kayab. Es
wird bei beiden Stelen im Text zunächst mit dem folgenden Katun-
Anfang, dem Datum 4. ahau, 13. yax^ und weiterhin mit dem ^Äaw-Datum
der Ostseiteu der beiden Stelen in Verbindung gesetzt. Das 6'o6a7i-Datum
der Stele D dagegen ist ein anderes. Es wird unten näher bestimmt
werden.
Abb. 2. Quiriguä, Stele C, Ostseite (4. ahau, 8. cuntku).
„ 3. Copan, Stele C (4. ahau, 8. cuuiku).
„ 4. Quiriguä, Stele C, Westseite (6. ahau, 13. i/axkin).
y, 5. Copan, Stele C (6. ahau, 18. kai/ah).
„ 6. Quiriguä, Stele D, Ostseite (7. ahau, 18. poj)).
y, 7. „ „ D, Westseite (8. caban, 5. yaxkin).
„ 8. ,, „ E, Ostseite (13. ahau, 18. cumJcu).
„ 9. .. „ E, Westseite (12. caban, 5. kai/ab).
„ 10. „ „ F, Ostseite (1. ahau, 3. zip).
„ 11. „ „ F, Westseite (12. caban, 5. kai/ab).
Die Gegensätzlichkeit der verschiedenen Stelenseiten ist in diesen
Fällen schon in dem Katun-Zeichen, das am Anfang der Hieroglyphen-
reihen steht, in dem Kopf oder der Figur, die dort über dem Elemente
tun angebracht ist und den auszeichnenden Bestandtheil des betreffenden
Katun-Zeichens bildet, zum Ausdruck gebracht. So finden wir auf der
Stele C von Quiriguä in dem Katun-Zeichen der Ostseite, das dem Normal-
Datum 4. ahau, 8. cumku entspricht, einen mythischen Yogelkopf (Abb. '2),
794 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung,
auf der Westseite den Kopf des Sonnengottes (Abb. 4). auf der Stele C
von Copau auf der Seite, die das Xormal-Datum trägt, gleichfalls einen
phantastischen Thierkopf (Abb. 3), auf der entgegengesetzten Seite den
Kopf einer weiblichen Gottheit (Abb. 5). Auf der Stele D von Quirigua
sieht man auf der Ostseite in dem Katun-Zeicheu den Jaguar (Abb. 6),
auf der Westseite, die das Caban-Datnm trägt, die Gestalt des Sonnen-
gottes (Abb. 7). Auf den Stelen E und F von Quirigua auf der Ostseite
wieder einen phantastischen Thierkopf (Abb. 8, 10), auf der Westseite,
die das Caban-Datmn trägt, den Kopf der Göttin (Abb. 9, 11).
Ich habe in meiner vorigen Abhandlung die Theorie aufgestellt, dass
die Yerschiedenheit der Götterköpfe, die man als auszeichnenden Bestand-
theil in den Katun-Zeicheu der verschiedeneu Monumente angebracht
findet, ihren Grund darin hat, dass die aufeinander folgenden Katun ab-
wechselnd einer der verschiedenen Himmelsrichtungen zugeschrieben
wurdeu. Wir haben indes gesehen, dass nicht nur die Anfänge ganzer
Katune oder des ersten Katun- Viertels, sondern auch die der übrigen
Katun-Viertel durch Monumente ausgezeichnet wurden. Und es erhebt
sich deshalb die Frage, ob nicht die von mir angenommene Beziehung
auf die Himmelsrichtungen viel mehr für diese Katun- Viertel Geltung hat,
in der Weise, dass man etwa das erste dem Osten, das zweite dem Xorden,
das dritte dem Westen, das vierte dem Süden zuzuschreiben hätte, wie
ja thatsächlich, wie wir wissen, die vier Viertel des mexikanischen Tonal-
amatl's, in dieser Weise zu den Himmelsrichtungen in Beziehung gesetzt
wurden.
Köpfe, die den auszeichnenden Bestandtheil im Katun-Zeichen solcher
Stelenseiten bilden, auf denen das Anfangs- und Normal-Datum 4. ah.au,
8. cumk-u verzeichnet ist, sind oben in Abb. 2, 3 wiedergegeben. Auf An-
fänge anderer ganzer Katune oder erster Katun-Viertel beziehen sich die
Abb. 8, 12, 13 und die abweichende Abb. 4. In den Katun-Zeichen von
Stelen, die den Anfang eines zweiten Katun- Viertels zum Ausdruck bringen,
finden wir die Abb. 14 — 17. In solchen, die sich auf den Anfang eines
dritten Katun- Viertels beziehen, die Abb. 18, 19. Und ihnen ist, wie wir
sehen werden, auch die Kröte B von Quirigua anzuschliessen, in deren
Katun-Zeichen die in Abb. 20 wiedero-egebene Gottheit zu sehen ist. Der
prächtige Jaguar endlich der Ostseite der Stele D von Quirigua (oben
Abb. 6) und die Abb. 21, 22 sind Monumenten entnommen, die auf den
Anfang eines vierten Katun-Viertels fallen.
2simmt man an, dass für diejenigen Monumente, deren Datum nicht auf
den Anfang eines Katun-Viertels, sondern auf den eines beliebigen anderen
Tun's, oder gar in den Zeitraum eines Tun's hineinfällt, die Himmels-
richtung massgebend ist, die dem Anfangstag des betreffenden Katun-
Viertels zukommt, so würden Abb. 23, 24 noch dem ersten, Abb. 25, 26
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quirigua.
795
dem zweiten, Abb. 27 — 29, aber auch Abb. 7, 9, 11 dem dritten, Abb. 30,
31 dem vierten Katun-Viertel zuzurechnen sein^).
Man sieht, dass in den Fällen, wo die Daten der Monumente im Tag
und im Uinal gleich sind, auch der Kopf oder die Figur, die den aus-
zeichnenden Bestandtheil des am Anfang der Initial Series stehenden Katun-
Zeichens bildet, in der Regel die gleiche ist. Vgl. Abb. 9, 11 (12. caban,
5. kayab)^ Abb. 12, 13 (4. ahau^ 13. yax)^ Abb. 18, 19 (1. ahau^ 3. zip).
Eine Ausnahme scheint bei Stele J von Quirigua, im Vergleich zu Stele M
von Copan, vorzuliegen. Das Datum ist bei beiden Monumenten das gleiche
Abb. 12. Copan, Stele B (4. ahau, 13. i/ax;.
„ 13. „ Altar S (4. ahau, 13. yax)
„ 14. „ Stele D (10. ahau, 8. ch'en).
, 15. Quirigua, Stele A (6. ahau, 13. kayab).
„ 1^1. Copan, Stele M (8. ahau, 8. zo'tz).
„ 17. Quirigua, Stele J (8. ahau, 8. zo'tz).
r, 18. „ Stele F, Ostseite (1. ahau, 3. zip).
„ 19. Copan, Stele N (1. ahau, 3. zip).
, 20. Quirigua, Kröte B (12. ahau, 8. pax).
„ 21. „ Kröte G (5. ahau, 3. moan).
„ 22. „ Kröte K (3. ahau, 3. i/ax).
(8. ahau, 8. zo'tz). In dem Katun-Zeichen aber sehen wir bei der Stele J
von Quirigua die merkwürdige Abb. 17, in der man, obwohl der vordere
Theil zerstört ist, doch unschwer die Gestalt einer Federschlange, ähnlich
der der Skulptur G 2 von Copan, erkennen kann, — bei der Stele M von
Copan dagegen den Kopf Abb. 16.
Auch abgesehen von diesen direkten Identitäten, scheinen in dem
deichen Katun-Yiertel hier und da Analogien hervorzutreten. Man ver-
1) Vgl. die Eintragung der Monumente ihrer Zeit nach in der unten S. 830
folgenden Tabelle.
796
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen- Entzifferung.
gleiche namentlich die dem ersten Katun -Viertel angehörigen Abb. 6 und
12, 13. Im Uebrigen aber ist ein Gesetz nicht zu erkennen. Und man
muss wohl in Rechnung zielien, dass, je nachdem diese oder jene Be-
ziehung erwogen wurde, für dieselbe Himmelsrichtung bald die eine, bald
die andere Gottheit massgebend gedacht wurde. Beispiele für eine solche
Behandlung der Sache sind aus den mexikanischen kalendarischen Schriften
in Menge bekannt.
Unter den Multiplikanden der Initial Series, die das XII. Heft der
Maudslay 'sehen Publikation bringt, den Einern, Zwauzigeru, Dreihundert-
Abb 23. Palenque, Kreuztempel II (1. ahau,
13. mac).
„ 24. Palenque, Sonnentempel (13. ciini,
19. ceh).
,, 25. Palenque, Palasttreppe (8. ahau,
13. poj)).
„ 26. Copan, iStele I (5. ahau, 8. tw).
„ 27—29. Co2)au, Stele P (3. ahau,
3. xma kaha).
„ 30. Palenque, Kreuztempel I (8. ahau,
18. tzec).
„ 31. Copan, Stele A (12. ahau, 18. cumku).
Abb. 32. Hieroglyphe hin,
Kröte B von Quirigud.
Abb. 33 a und b. Hieroglyphe kin. Ost-
und Westseite der Stele D von Quhi'gud.
undsechzigern u. s. w., sind von besonderem Interesse die der beiden Seiten
der Stele D von Quirigua, weil hier die einzelnen Hieroglyphengruppen in
ornamentaler Weise nicht durch einfache Köpfe und Ziffern, sondern durch
ganze Figuren dargestellt sind. Die Figuren, durch die die Einer
oder Einzeltage (kin) zum Ausdruck gebracht sind (Abb. 32, 33), weichen
nicht wesentlich von den Formen der anderen Stelen von Quirigua
ab, die ich in meiner vorigen Abhandlung (oben S. 729, Abb. 63, 64)
abjirebildet habe. Aber für die Zwanzis-er oder die Zeiträume von zwauzigf
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quirigu.1
797
Tagen {uinal) findet sich auf den beiden Seiten der Stele D nicht
nur eine Figur (Abb. 34), die den Eidechsen- oder Iguana-Figuren der
anderen Monumente sich anschliesst (vgl. oben S. 733, Abb. 81—100),
sondern auch die Abb. 35, eine Figur, deren Kopf etwas an den der
Wasser-Gottheit Ah bolon tz'acab erinnert, die auf dem Rumpf und den
(lliedern mit der Hieroglyphe akbal „Nacht" gezeichnet ist und an Armen
und Beinen Jaguarpranken hat. \Auch die beiden Figuren, die auf der
Stele D den Zeitraum von 3G0 Tagen
(tuTi) zum Ausdruck bringen (Ab-
bildungen 36, 37), weichen von den
Darstellungen der anderen Monu-
mente etwas ab. Wir hatten ge-
sehen, dass dieser Multiplikandus
durch die Gestalt eines Vogels zur
Anschauung gebracht wird, der am
Unterkiefer einen Totenknochen
hat (vgl. oben S. 735, Abb. 108 bis
124). Hier (Abb. 36, 37) ist die
ganze Yogelfigur skelettartig aus-
gearbeitet, mit offener Nasenhöhle,
knochigem Kopf, heraustretenden
Rippen. Die Brust ist geöffnet,
und es tritt aus der Oeffnung ein
doppelter, sich schneckenörmig ein- 33
rollender Strom — Eingeweide oder
Blut — heraus.
Der nächst höhere Multipli-
kandus, der Katun oder Zeitraum
von 20 X 360 Tagen, wird auf den
Monumenten von Copan durch eine
Vogelfigur bezeichnet, deren Be-
sonderheiten, wo sie deutlich aus-
gedrückt sind, eine das Auge über-
schattende dichte Braue und eine
Art Federbart um die Schnabel-
Abb. 34, 35. Hieroglyphe tnnal.
„ 36, 37. „ tun.
„88. „ katun.
„ 39. „ des Zyklus.
Stele D von Quirigud.
Wurzel bilden (vgl. oben S. 737, Abb. 129, 131, 135, 138, 139). Dieser
Federbart ist auch an den entsprechenden Figuren der Stele D von
Quirigua (Abb. 38) deutlich zu erkennen. Der höchste Multiplikandus, die
Zahl 20 X 20 X 360, wird auf den Monumenten allgemein durch eine Vogel-
figur veranschaulicht, die als besonderes Kennzeichen am Unterkiefer die
Zeichnung einer Hand mit vorgestrecktem Daumen erkennen lässt (vgl. oben
S. 739, Abb. 146 — 158). In den monumentalen Formen dieser Hieroglyphe,
die uns die Stele D (Abb. 39), und auch die Kröte B von Quirigua, zeigt,
798
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
ist es interessant zu sehen, wie der Flügelbug, der obere, die eigentliche
Extremität darstellende Theil, von dem die Schwungfedern ausstrahlen, in
Gestalt eines Reptilrachens oder Oberkiefers, mit Auge, Zähnen und
Nasenaufwölbung ausgebildet ist (vgl. Abb. 39).
Die Multiplikatoren der Initial Series sind auf den in dem neuen
Hefte Maudslay's abgebildeten Monumenten in der Regel durch Hiero-
glyphen bezeichnet. Nur auf der Stele E von Quiriguä, der grossen, halb
Abb. 4<J. Initial Series der West-
seite der Stele E von Quirigud:
12. cahan, 5. hayah.
Abb. 41. Initial Series der West-
seite der Stele F von Quirigud.
v^
Abb. 42. Quirigud, Stele F,
Westseite, Hieroglyphe 31,
32: 12. caban, 5. kayah.
Abb. 43 a. Quirigud,
Stele F, Westseite, Hiero-
glyphe 16.
Abb. 43 b. Quiriguä,
Stele F, Westseite, Hiero-
glyphe 18, 19: 6. cimi,
4. tzec.
in den Bodeu gesunkenen, übergeneigten Säule, und der Stele K hat man
sie in Ziffern gemeisselt. Unter den Hieroglyphen dieser Multiplikatoren
treffen wir interessante Varianten der schon bekannten, von mir in der
Abhandlung vom November vorigen Jahres festgestellten und abgebildeten
Formen und auch einige neue Formen.
Interessant ist zunächst die Initial Series der Westseite der Stele F
von Quiriguä, weil auf ihr dasselbe Datum (12. caban, b.kayab) ver-
zeichnet ist, wie auf der mit Multiplikatoren Ziffern geschriebenen Initial
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä. 799
Series der Westseite der Stele E von Quiriguä. Ich habe diese beiden
Initial Series in den Abb. 41 und 40 wiedergegeben, und zwar diesmal in
der Weise, wie die Hieroglyphengruppen auf den Monumenten selbst ge-
ordnet sind, d. h. paarweise. Die Lesung geht also von links nach rechts
und von oben nach unten. Dass hier in der That in Abb. 41 die Hiero-
glyphengruppe Zeile 3 rechts, Zeile 4 links das Datum 12. caban, 5. kaijab
bezeichnet und den Hieroglyphen Abb. 40, Zeile 3 rechts, Zeile 4 rechts
entspricht, wird nicht nur dadurch bewiesen, dass dieses selbe Datum, mit
Ziffern geschrieben, auf derselben Stelenseite weiter unten noch einmal
vorkommt (Abb. 42), sondern auch dadurch, dass wir unter der Initial
Series vier Zeilen tiefer die Gruppe Abb. 43a, und eine Zeile weiter die
Gruppe Abb. 43b finden. Die Gruppe Abb. 43a ist 9 + (9 X 20) + (13 X 360)
= 4869 zu' lesen. Und die Gruppe Abb. 43b ist das Datum Q. cimi, 4,. tzec,
das auf diesen Stelen von Quirigua auch sonst noch mehrfach vorkommt.
Das Datum 6. cimi, 4. tzec ist genau um 4869 Tage von dem Datum
12. cabon, 5. ka^ab entfernt. Also muss das in Abb. 41 am Ende der
Initial Series stehende Datum das Datum 12. caban, 5. kayab sein. Ist
aber dies der Fall, so sind Abb. 40 und Abb. 41 genau zu parallelisiren,
und die Multiplikatoren, die in Abb. 40 mit Ziffern, in Abb. 41 in Hiero-
glyphen geschrieben sind, unmittelbar zu vergleichen. Nur ist allerdings zu
bemerken, dass in Abb. 40 in der dritten Gruppe (Zeile 2 links) die Ziffer
falsch geschrieben oder von dem Zeichner Maudslay's falsch kopirt ist.
Der Kreis in der Mitte vor den Stäben darf nicht offen, sondern muss ge-
schlossen sein. Die Ziffer kann nicht die Zahl 12, sondern muss die
Zahl 13 bezeichnen. Nur dann stimmt das Exempel. Nur dann gibt die
Summirung
9 X 20 X 20 X 360 = 1 296000
14x20x360= 100800
13x360= 4680
4x 20= 80
17 X 1= 17
die Summe 1401577
— eine Zahl, die den genauen Abstand des am Ende der Initial Series
verzeichneten Datums 12. caban, 5. kayab von dem allen Rechnungen der
Monumente zu Grunde liegenden Anfangs- und Normaldatum 4. ahau,
8. cumku angibt. Leider hat auch diese Westseite der Stele F ziemlich
viel vom Wetter und von mechanischen Einwirkungen gelitten, sodass
viele der Hieroglyphen ziemlich verwischt sind. Immerhin erkennt man
unter den Multiplikatoren der Abb. 41 ohne weiteres die Zahl Vier
(Zeile 2 rechts), die das Gesicht des Sonnengottes darstellt (vgl. oben
S. 763, Abb. 189), und die Zahl Vierzehn (Zeile 1 rechts), dasselbe
Gesicht des Sonnengottes, aber mit einem Todtenknochen am Unterkiefer.
800
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Ferner die Zalil Dreizehn (Zeile 2 links), einen Vogelkopf (vgl. oben
S. 7(.U, Abb. U>8) nnd die Zahl Fünf (Zeile 4), den Greisenkopf mit dem
Zeichen tun anf dem Kopf (vgl. oben S. 764, Abb. 191 — 1!I3^). Der Multi-
plikator Neun aber (Zeile 1 links) hat gerade seine charakteristischsten
Kennzeichen, die Fleckenzeichnung auf dem unteren Theil des Gesichts
(vgl. oben S. 768, Abb. "210 — 212), durch Abreibung verloren. Und gerade
die Hieroglyphen der beiden Multiplikatoren-Zahlen, die uns hier zum
ersten Mal begegnen, der Multiplikator Siebzehn (Zeile 3 links) und die
Zahl Zwölf (Zeile 3 rechts), sind stark beschädigt.
Besser erhalten ist die Initial Series der Ostseite der Stele F von
Quirigua (Abb. 44). AYir erkennen ohne Schwierigkeit in Zeile 2 rechts
Abb. 45. Quirigua,
Stele F, Ostseite.
Hieroglyphe 16, 17
(1. ahau, 3. zip).
Abb. 44. Initial Series der Ostseite
der Stele F von Quirigua.
und Zeile 3 links das Gesicht mit der Zeichnung der Hand am Unter-
kiefer, den Multiplikator Xull (vgl. oben S. 748, Abb. 168). Deutlich ist
auch der Multiplikator Neun (Zeile 1 links), mit den stilisirten Jaguarfell-
flecken auf der unteren Gesichtshälfte, der Multiplikator Sechzehn
(Zeile 1 rechts), das Gesicht mit dem Windkreuz im Auge und dem
Todtenknochen am Unterkiefer (vgl. oben S. 765, Abb. 201), und der
Multiplikator Zehn (Zeile 2 links), das Totengesicht, mit einer Variante
des Zeichens cimi auf der "Wange. Die Zahl-Hieroglyphe, die zu dem
Ahau-Datum gehört, stimmt in wesentlichen Kennzeichen überein mit dem
1) Ich habe unten in Abb. 76 ff. die sämmtlichen mir bekannt gewordenen
und als zweifellos festgestellten Multiplikatoren-Hieroglyphen zusammengestellt.
Ich bitte, bei diesen und den folgenden Erörterungen diese Figuren zu vergleichen.
22. Einiges mehr über die Monumente von Gepan und QuiripuÄ. 801
Kopf der Göttin (vgl. oben S. 762, Abb. 185), den wir als Hieroglyphe der
Zahl Eins erkannt haben. Das Uinal-Datuni, das zu diesem Ahau-Datum
gehört, folgt auf der Stele drei Zeilen tiefer. Ich habe es aber in Abb. 44
unmittelbar unter das Ahau-Datum gesetzt. Für die Hieroglyphe, die die
Ordinalzahl des Uinal-Datums anzeigt (Abb. 44, Zeile 4), ergibt sich, wie
wir gleich sehen werden, durch die Rechnung der Werth Drei. Mit der
Hieroglyphe, die wir früher als die der Zahl Drei erkannt hatten (vgl.
oben S. 763, Abb. 188), zeigt diese auch in der That eine gewisse
Verwandtschaft, die sich namentlich in der Form der Kopfbinde und der
Ornamentation der Ohrplatte ausspricht. Nur fehlt der Hieroglyphe hier
die Stirnscheibe, die wir bei der Hieroglyphe der Zahl Drei des Sonnen-
Tempels von Palenque kennen gelernt hatten. Die ganze Initial Series
der Ostseite der Stele F von Quirigua ist demnach folgendermassen zu
lesen:
9x20x20x360 16x20x360
10x360 Ox 20
0X1 1. aho-u
8. zip.
Die Summirung ergibt die Zahl 1 414 800. Das sind 5441 Tonalamatl
und 140 Tage oder 3876 Sonnenjahre und 60 Tage. Das ist genau der
Abstand des Tages 1. ahau., 3. zip von dem Anfangs- und Normal-Datum
4. ahau, 8. cumku. Dass diese Lesung der Initial Series Abb. 44 richtig
ist, wird in gewisser Weise dadurch bestätigt, dass wir auf der Westseite
derselben Stele (vgl. Abb. 45) das Datum 1. ahau^ 3. zip^ — die 3 in
Ziffern, die 1 in einer anderen, uns schon bekannten Hieroglyphe ge-
schrieben — antreffen.
Wiederum etwas undeutlicher ist die Initial Series der Kröte G von
Quirigua, deren einzelne Glieder ich in Abb. 46 in der Weise, wie sie
einander folgend gelesen werden müssen, untereinander gesetzt habe.
Doch ist auch hier der erste Multiplikator deutlich als Hieroglyphe der
Zahl Neun zu erkennen. Der dritte als Hieroglyphe Fünfzehn. Der
vierte und fünfte als Hieroglyphe Null. Das folgende Datum als 5. ahau.
Und dazu gehört das sechs Abtheilungen weiter rechts stehende Uinal-
Datum 3. moan, das ich in Abb. 46 unmittelbar unter das Ahau-Datum
gesetzt habe. Aus der Rechnung ergiebt sich dann, dass der zweite
Multiplikator, der leider etwas zerstört ist, die Zahl Siebzehn be-
zeichnen muss: —
9 X 20 X 20 X 360 = 1 296 000
17 X 20 X 360 = 122 400
15 X 360 = 5 400
0 X 20 = 0
Ox 1 = 0_^
1 423 800
Seier, Gesammelte Abhandlangen I. 51
802
Dritter Abschnitt; Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Das sind 5476 Tonalamatl und 40 Tage, oder 3900 Jahre und
300 Tage, und das ist genau der Abstand des Tages 5. ahau^ 3. moan von
dem Anfangs- und Normal-Datum 4. ahau^ 8. cumku.
Schön deutlich ist endlich die Initial Series der Stele J von Quirigua
(Abb. 47). Einige der Multiplikatoren haben hier die Eigenthümlichkeit,
dass die Köpfe, durch welche diese Multiplikatoren-Zahlen dargestellt
sind, einen Vogel- oder Reptil-Rachen als Helm-Maske tragen. Man er-
kennt unschwer die Multiplikatoren Neun, Sechzehn, Fünf, Null, Null.
Abb. 48. Der Tag ahau.
Ostseite der Stele D
von Quirigud.
Abb. 46. Initial Series
der Kröte G von Quingud.
Abb. 47. Initial Series der Stele J
von Quirigud.
Das Datum muss 8. ahau sein, und dazu gehört das 8 Abtheilungen
(4 Zeilen) weiter verzeichnete Uinal-Datum 8. so'te, das ich in Abb. 47
unmittelbar unter das Ahau-Datum gesetzt habe. Die Rechnung ergibt:
9 X 20 X 20 X 360 = 1 296 000
16x20x360 = 115 200
5 X 360 = 1 800
0 X 20 = 0
0X1= 0
1 413 000
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä.
803
Das sind 5434 Tonalamatl und 160 Tage, oder 3871 Sonnenjahre und
85 Tage. Und das ist genau der Abstand des Tages 8. ahau, 8. zoHz von
dem Anfangs- und Normal-Datum 4. ahau, 8. cumku. ->
Es bleiben nun noch die Stele D und die Kröte B von Quiriguä, die
beide dadurch ausgezeichnet sind, dass die Glieder der Initial Series —
und bei der Kröte B aucli die übrigen Hieroglyphen — in monumentaler
Weise nicht durch blosse Köpfe oder Zeichen, sondern durch ganze, in-
Abb. 49. Quiriffud, Stele D, Ostseite. Hieroglyphe 14.
V 50. „ , „ E, „ „ 17.
,•. 51. „ ,55 J5 55 55 '^••
einander verschlungene Figuren zum Ausdruck gebracht sind. Bei der
Kröte B ist das Ahau-Datum leider zum grössten Theil zerstört. Aber
auf der schönen Stele D von Quiriguä sind die Initial Series auf beiden
Seiten wohl erhalten. Das End-Datum der Initial Series ist auf der Ost-
seite ein Tag ahau. Die Gestalt, in der das Zeichen ahau hier dargestellt
ist, habe ich in Abb. 4'8 wiedergegeben. Auf der Westseite ist das End-
Datum der Initial Series, wie schon Maudslay richtig erkannt hat, ein
Tag caban. Ich habe die Form, in der dieses Tages-
zeichen hier dargestellt ist, oben "S. 792 in Abb. 1 wieder-
gegeben.
Das Ahau-Datum der Ostseite der Stele D von
Quiriguä ist mit dem Uinal-Datum ]S.pop zu verbinden,
das 3 Zeilen tiefer in der fünften darauf folgenden Hiero-
glyphen-Gruppe verzeichnet ist. Das Ahau-Datum selbst
können wir wohl mit Bestimmtheit als 7. ahau lesen.
Denn 7. ahau kommt mit Ziffern geschrieben auf derselben
Stelenseite weiter unten vor, und zwar in Kombination
mit einer Hieroglyphe, die auf anderen Stelen von Quiriguä ebenfalls
kombinirt mit dem Ahau-Tage der Initial Series angetroffen wird (vgl. die
Abb. 49 — 51). Und auf der letzten Zeile dieser Ostseite der Stele D von
Quiriguä ist das vollständige Datum 7. ahau, 18. pop, in Ziffern geschrieben,
noch einmal verzeichnet (vgl. Abb. 52).
Ist aber 7. ahau, 18. pop wirklich das End-Datum der Initial Series
dieser Stelenseite, so ist die merkwürdige Figur, die in der 6. Gruppe
dieser Stelenseite mit dem Zeichen ahau kombinirt ist, und die ich in
Abb. 53 wiedergebe, die Hieroglyphe der Zahl Sieben. Und wir haben
51*
Abb. 52. Quirigud,
Stele D, Ostseite.
Hierogl. 21.
7. ahau, 18. po})-
804
Dritter Abschnitt: Kalender nnd Hieroglyphen-Entzifferung.
damit für diese Zahl, für die ich in meiner vorigen Abhandlung noch keine
Hieroglyphe feststellen konnte, eine wohlausgeführte, mit charakteristischen
Merkmalen versehene hieroglyphische Darstellung gefunden. Dass diese
Deutung richtig ist, ergibt der Vergleich mit der Figur, die auf der West-
seite der Stele D die Anzahl der Einzeltage der Initial Series anzeigt. Da
Abb. 53. Hieroglyphe der
Zahl Sieben.
Stele D von Quirigud.
Ostseite.
Abb. 54. Hieroglyphe
der Zahl Siebzehn.
Stele D von QuiHffuä.
Westseite.
Abb. 55. Hieroglyphe der
Zahl Siebzehn.
Kröte B von Quin'gud.
auf der Westseite der Stele D am Ende der Initial Series ein Tag caban
steht, so müssen in der Initial Series 17 Einzeltage angegeben sein. Von
der Figur aber, die die Zahl Siebzehn zum Ausdruck bringt, werden wir
voraussetzen können, dass sie dieselben Züge aufweist, wie die Figur, mit
der die Zahl Sieben bezeichnet wird. Nur müsste
bei der Figur, die die Zahl Siebzehn darstellt, am
Unterkiefer noch ein Totenknochen gezeichnet sein.
Sehen wir nun zu, was für eine Gestalt auf der
Westseite der Stele D mit der Hieroglyphe kin
(Einzeltag) kombinirt ist, so finden wir dort die
Figur, die ich in Abb. 54 wiedergegeben habe. Es
zeigt sich, dass diese in der That mit der Abb. 53
in den wesentlichen Zügen übereinstimmt, in dem
allgemeinen Charakter des Gesichts, dem grossen
Auge und vor allem in dem langen Gebilde, das,
von dem unteren Theil der Wange ausgehend, wie
ein Bart nach unten hängt. Auch hat die Abb. 54
Jaguar-Tatzen wie die Abb. 53, und scheint auch
dieselbe Zeichnung auf Oberarm und Oberschenkel aufzuweisen. Nur ist eben
in Abb. 54 auf dem Unterkiefer noch ein Totenknochen angegeben. Die
Gottheit, die also hier die Zahl Sieben und, mit dem akzessorischen Merkmal
des Totenknochens am Unterkiefer die Zahl Siebzehn repräsentirt, scheint
eine wohl charakterisirte Gestalt zu sein. Wir finden eine ausgezeichnete
Abb. 5G. Kopf, Hand und
Fuss der Figur auf der
Xordseite der Stele A
von Quirigud.
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä.
805
Darstellung von ihr auf der Nordseite der Stele A von Quiriguä. Nur
hat der Zeichner Maudsl ay 's dort im Auge ein Windkreuz gezeichnet,
das augenscheinlich falsch ist, und auf der photographischen "Wiedergabe
des Abklatsches dieser Stelenseite auch in der That nicht zu erkennen
ist. Ich gebe in Abb. 56 den Kopf dieser Figur mit einem Theile des
Kopfschmuckes und Hand und Fuss. Wir erkennen auch hier das grosse
Auge, das bartartige Gebilde, das den Mundwinkel umzieht, und auch
diese Figur ist, wie wir sehen, mit Jaguar-Tatzen dargestellt. Für den
besonderen Charakter, den wir etwa dieser Gottheit zuzuschreiben haben.
Abb, 57. Abb. 58.
Abb. 57 u. 58: Hieroglyphe NulL Kröte B von Quiriguä.
Abb, 61.
Hieroglyphe cimi „Tod".
Abb. 59. Abb. 60.
Hieroglyphe Null, Ostseite der Stele D von Qurrigud.
scheint es nicht ohne Belang zu sein, dass die Gestalt auf der Nordseite
der Stele A ein Brett mit astronomischen Zeichen, ein Himmels-Schild,
auf dem Kopfe trägt.
Bezeichnet nun die Abb. 53 die Zahl Sieben, die Abb. 54 die Zahl
Siebzehn, so werden wir auch der Figur, die in der zweiten Gruppe der
Initial Series der Kröte B von Quiriguä mit der die Periode Katun
repräsentirenden Vogel-Gestalt kombiuirt ist, und die ich in Abb. 55
wiedergegeben habe, als Hieroglyphe der Zahl Siebzehn ansehen müssen;
denn sie stimmt auch in den allgemeinen Zügen des Gesichts, dem grossen
Auge, dem von dem unteren Theil der Wange ausgehenden proliferirenden
806 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Auhängsel und auch der Zeichnung auf den Gliedern mit der Abb. 53
und 54 übereiii, und zeigt, wie die Abb. 54, den Totenknochen am
Unterkiefer. Nur hat die Abb. 55 keine Jaguar-Tatzen, sondern mensch-
liche Hände und Füsse. Aber solche Varianten kommen aucli bei Dar-
stellungen anderer Figuren vor.
Suchen wir nun weiter die Multiplikatoren der anderen Glieder der
Initial Sories der Stele D und der Kröte B von Quirigua zu bestimmen,
so sind zunäclist die j\Iultiplikatoren der Gruppen 4 und 5 der Kröte B
von Quirigua (Abb. 57 und 58) durch die Zeichnung der Hand am unteren
Theil des Gesichts ohne Weiteres als Repräsentanten der Null zu erkennen.
Und ebenso die Figur, die auf der Ostseite der Stele D in der Gruppe 5
mit der Hieroglyphe kin kombinirt ist, und die ich in Abb. 59 wieder-
gegeben habe. Dass aber auch die sonderbare Enface-Figur 60, die der
Gruppe 4 der Ostseite der Stele D angehört, als Repräsentant der Null
anzusehen ist, war nach der in dem Werke Maudslay's gegebenen
Zeichnung nicht ohne Weiteres anzunehmen. Zwar stimmt diese Figur
in dem Kopfschmuck, den Hals-, Arm- und Bein-Ringen, und auch in der
Bemalung mit einer Variante des Zeichens cimi „Tod", durchaus mit der
Abb. 59 überein. Aber es fehlt in der Maudslay'schen Zeichnung das
Merkmal der Hand am unteren Theil des Gesichts. Glücklicher Weise
besitzt das Königl. Museum für Völkerkunde einen Abguss dieser Hiero-
glyphen-Gruppe, den wir Hrn. Erwin P. Dieseldorff verdanken. An
diesem Abguss konnte ich erkennen, dass die Abb. 60 in der That unter
dem Munde die Zeichnung einer Hand aufweist, die quer über dem Kinn
liegt, so dass der Kreis mit einem Loch in der Mitte, der regelmässig an
der Handwurzel gezeichnet wird und der ohne Zweifel ein Armband aus
Stein-Perlen markiren soll, gerade auf dem Kinn seine Stelle hat. Es
ist demnach zweifellos, dass auch Abb. 60 den Multiplikator Null be-
zeichnen soll.
Die Abb. 59 und 60 zeigen die Gesichtszüge des Todesgottes, Abb. 60
ist auch skelettartig mit freiliegenden Rippen dargestellt, und beide haben
die Glieder mit einem Symbol bemalt, das wohl aus der Zeichnung zweier
gekreuzter Todtengebeine entstanden ist, jedenfalls in den Handschriften
als eine Variante des Tageszeichens cimi „Tod" vorkommt (vgl. Abb. 61).
Die entsprechenden Figuren der Kröte B (Abb. 57 und 58) zeigen zwar
nicht die Gesichtszüge des Todesgottes, aber sie sind auch auf den Gliedern
mit dem Symbol cimi bemalt, und beide haben ausserdem auf dem Scheitel
einen phantastischen Reptil- (Schlangen-?) Kopf, der in ganz ähnlicher
Weise auch auf den Bildern des Todesgottes in den Handschriften vor-
kommt (vgl. Abb. 63). Es sind also hier diese Figuren, die die Null
repräsentiren, als Todesgötter, oder mit Todessymbolen dargestellt, und
nur die Zeichnung der Hand auf dem unteren Theil des Gesichts gibt
diesen Figuren die besondere Bedeutung des Multiplikators Null.
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä.
807
Vergleichen wir nun mit den Abb. 57, 58 die Figur, die auf demselben
Denkmal den Multiplikator der dritten Gruppe darstellt, und die ich in
Abb. 64 wiedergegeben habe, so sieht man, dass sie in allen wesentlichen
Theilen, in der Bemalung mit dem Zeichen cimi und auch in dem Reptil-
kopf auf dem Scheitel, mit den Abb. 57, 58 übereinstimmt, aber en face
gezeichnet ist, wie die Abb. 60 als Enfacefigur der Profil-Abb. 59 ent-
spricht. Nur in einem Punkte zeigt die Abb. 64 einen wesentlichen
Unterschied gegenüber den Abb. 57, 58. Auf dem unteren Theile des
Gesichts ist nicht eine Hand, sondern hier deutlich ein fleischloser Unter-
kiefer, ein Totenknochen gezeichnet. Ein Repräsentant der Null kann
also diese Abb. 64 nicht sein. Aber mussten wir schon Abb. 57, 58 als
eine Art Darstellung des Todesgottes ansehen, so werden wir mit noch
fmm
Abb. 62. Abb. 63.
Der Todesgott.
Dresdener Handschrift 10 a, 12 b.
Abb. 64. Hieroglyphe der Zahl Zehn.
Kröte B von Quiriguä.
viel grösserem Rechte die Abb. 64 für eine solche erklären müssen, ob-
wohl sie keineswegs ein Skelett, der Kopf keineswegs einen Schädel dar-
stellt. Stellt aber die Abb. 64 wirklich den Todesgott vor, so werden
wir ihr den Zahlwerth Zehn zuschreiben müssen; denn diese Zahl wird
ja, wie ich in meiner vorigen Abhandlung gezeigt habe, und wie wir auch
bei der Initial Series der Ostseite der Stele F (oben S. 800 Abb. 44) gesehen
haben, auf den Monumenten durch die Figur, oder den Kopf des Tod.es-
gottes repräsentirt.
Noch di-ei andere Multiplikatoren scheinen ebenfalls mit Sicherheit
feststellbar zu sein. Das ist erstens der der dritten Gruppe der Ostseite
der Stele D von Quiriguä (Abb. 65). Diese Figur scheint auf den ersten
Blick allerdings einen ganz neuen Typus darzustellen. Sehen wir uns
808
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
aber die Einzelheiten näher an, so erkennen wir auf dem Scheitel, zwar
nicht der Figur selbst, aber des Vogelkopfs, den die Figur als Helm-
maske trägt, das Zeichen tun. Da müssen wir sofort uns erinnern, dass
die Zahl Fünf durch einen Greisenkopf dargestellt wurde, der auf dem
Scheitel das Zeichen tun trägt. Nun sind zwar in dem Gesichte hier
keine Runzeln und Falten deutlich, aber die Glieder sind auffallend mager
und eckig gezeichnet, so dass die Annahme berechtigt erscheint, dass ein
alter Körper zur Anschauung gebracht werden sollte. Haben wir also
hier einen alten Mann mit dem Zeichen tun auf dem Kopf, so würde,
unter Berücksichtigung des akzessorischen Merkmals des Totenknochens,
der an dem Unterkiefer zu sehen ist, die Abb. 65 als Repräsentant der
Zahl Fünfzehn erklärt werden müssen.
In der Figur, die den Multiplikator der vierten Gruppe der Westseite
der Stele D von Quirigua vorstellt, und die ich in Abb. 66 wiedergegeben
habe, ist das Gesicht des Sonnengottes sofort erkennbar. Das sieht man
Abb. 65. Hieroglyphe Fünfzehn,
Ostseite der Stele D von
Quirigua.
Abb. 6ß. Hieroglyphe
Vier, Westseite der
Stele D von Quirigua.
Abb. 67. Hieroglyphe
Dreizehn, Westseite der
Stele D von Quirigua.
an dem grossen Auge, dem winklig ausgefeilten Zahn und vor allem
an der halbmondförmigen Zeichnung am Mundwinkel, durch die der
herausstehende Hauzahn, mit dem die Künstler von Palenque das Gesicht
des Sonnengottes ausstatteten, auf den Monumenten von Quirigua ersetzt
zu werden pflegt. Auch die Gestalt der Ohrplatte ist in Abb. 66 genau
die gleiche wie in dem Bilde des Sonnengottes, das man in dem Katun-
zeichen derselben Stelenseite sieht (oben S.793 Abb. 7). Dass der Sonnengott
die Zahl Vier bezeichnet, habe ich in meiner vorigen Abhandlung gezeigt.
Endlich scheint auch die Figur, die den Multiplikator der dritten
Gruppe der Westseite der Stele D bildet, die ich in Abb. 67 wieder-
gegeben habe, mit Sicherheit als Repräsentant der Zahl Dreizehn zu
deuten zu sein. Der phantastische Vogelkopf, durch den diese Zahl dar-
gestellt wird, den wir vorhin auch in der Initial Series der Westseite
der Stele F von Quirigua (oben S. 798 Abb. 41) fanden, ist hier verbunden
mit einer Art Schlangenleib, an dem Blüthen und Federbüschel zu sprossen
scheinen.
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä.
809
Wir haben jetzt demnach in der Initial Series der Kröte B die
sämmtlichen Multiplikatoren bis auf einen, den der ersten Gruppe, und in
den Initial Series der Stele D die Multiplikatoren bis auf die beiden ersten
der beiden Stelenseiten bestimmt.
Die Figur, die den Multiplikator der ersten Gruppe der Kröte B von
Quiriguä darstellt, habe ich in Abb. 68 wiedergegeben. Ich habe in
meiner vorigen Abhandlung gezeigt, dass auf allen Monumenten von Copan
und Quiriguti, die der Untersuchung unterzogen werden konnten, der
Multiplikator der ersten Gruppe die Zahl Neun war, mit anderen Worten,
dass auf allen diesen Monumenten 9 Zyklen oder 9 Zwanzigfache eines
Katun seit dem Anfangs- und Normaldatum 4. ahau^ 8. cumku verflossen
Abb. G8. Hieroglyphe Neun.
Kröte B von Quiriguä.
Abb, 69. Hieroglyphe Neun.
Ostseite der Stele D von Qulrigud.
Abb. 70. Hieroglyphe Neun.
Westseite der Stele D von Quiriguä.
Abb. 71. Hieroglyphe Zwölf.
Kröte B von Quiriguä.
erscheinen. Mit einer gewissen und nicht geringen Wahrscheinlichkeit
werden wir daher annehmen können, dass auch die Abb. 68 den Multi-
plikator Neun repräsentirt. Die Initial Series der Kröte B würde dann
die Summe ergeben:
9 X 20 X 20 X 360 = 1 296 000
17x20x360= 122 400
10 X 360 = 3 600
OX 20= 0
0X1= 0
1 422 000
das sind 5469 Tonalamatl und 60 Tage oder 3895 Sonnenjahre und
325 Tage. Und das ist der genaue Abstand des Tages 12. ahau., 8. pax
von dem Anfangs- und Normaldatum 4. ahau.^ 8. cuviku.
810 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Nun ist allerdings auf diesem Monumente das Ahau-Datum zerstört.
Der Kopf der Figur aber, die die Tageszalil angibt, ist erhalten. Ich
habe ihn in Abb. 71 wiedergegeben. Es ist, wie man sieht, ein Kopf,
der an den Weiberkopf, der die Zahl Eins bezeichnet, und auch an den
Kopf des Gottes mit dem Kan- Zeichen, der die Zahl Acht repräseutirt,
erinnert. Eine Hieroglyphe für die Zahl Zwölf haben wir leider bisher
nur auf der Westseite der Stele F von Quirigua, auf der die Initial Series
auch ziemlich beschädigt ist, gefunden. Immerhin kann man erkennen,
dass auch dort (vgl. oben S.798 Abb. 41, Zeile 3 rechts) die Zahl Zwölf durch
einen Kopf, der an den Weiberkopf, die Hieroglyphe Eins, erinnert, dar-
gestellt wird. \ Zieht man nun in Betracht, dass das Datum 12. ahau, 8. fax
o-anz in die Nähe der Daten der anderen Monumente von Quirio-ua fällt
— es fallt genau in die Mitte zwischen das Datum der Stele A und das
der Kröte G — , dass es ferner auf den Anfang eines Katun-Yiertels fällt,
und dass, wie wir gesehen haben, es ja gerade die Anfänge der Katun-
Yiertel sind, die durch Monumente ausgezeichnet wurden, so wird man
zugeben müssen, dass es mehr als wahrscheinlich, dass es nahezu gewiss
ist, dass die Initial Series der Kröte B von Quirigua in der Weise, wie
ich es oben angegeben habe, gelesen werden muss.
Ist das aber der Fall, so wäre erwiesen, dass die Abb. 68 eine Hiero-
glyphe der Zahl Neun ist und als solche erklärt werden muss, obwohl
sie von den uns bisher bekannt gewordenen Formen dieser Hieroglyphe
abweicht. Denn hier suchen wir vergebens nach den realistisch wieder-
o-eo^ebenen oder stilisirten Jao-uarfellflecken auf der unteren Hälfte des
Gesichts. Dagegen treten als merkwürdige Besonderheiten eine bartartige
Verlängerung, die den unteren Theil des Gesichts einrahmt und mit einer
Art pflanzlichen Gebildes zu enden scheint, und eine eingerollte Zeichnung
vor dem Munde hervor, die in solcher Weise bisher noch bei keiner
anderen der abgebildeten Figuren getroffen wurde. Gerade in diesen
beiden Kennzeichen und überhaupt in dem ganzen Schnitt des Gesichts
zeigt sich die Abb. 68 aber auf das engste verwandt mit der Figur, die
auf der Ostseite der Stele D von Quirigua den Multiplikator der ersten
Gruppe repräseutirt, und die ich in der Abb. 69 wiedergegeben habe.
Wir müssen folgern, dass auch diese Figur eine Hieroglyphe der Zahl
Neun ist. Ist das der Fall, so wäre die Initial Series der Ostseite der
Stele D:
9x20x20x360
X X 20 X 360
15 X 360
Ox 20
Ox 1
Das Enddatum der Initial Series dieser Stelenseite ist, wie wir gesehen
haben, 7. ahau^ 18. pop. Auf dieses Datum kommt man, wenn man für x
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä,
811
den Wertli Sechzehn einsetzt. Denn dann erhalten wir die Summe
1 416 600. Das sind 5448 Tonalamatl und 120 Tage, oder 3881 Sonnen-
jahre und 35 Tage. Das ist genau der Abstand des Tages 7. ahau, 18. yop
von dem Anfangs- und Normaldatum 4. ahau, 8. cumku. Und es fällt
auch dieser Tag 7. ahau, 18. pop darnach ganz in die Nähe der Daten
der anderen Monumente von Quiriguä und auf den Anfang eines Katun-
Viertels.
Müssen wir demnach diese Lesung als beglaubigt ansehen, so muss
die Figur, die den Multiplikator der zweiten Gruppe darstellt, und die ich
in der Abb. 73 wiedergegeben habe, der Repräsentant der Zahl Sech-
zehn sein, lind sie muss als solcher erklärt werden, obwohl sie von den
bisher bekannt gewordenen Formen dieser Hieroglyphe abzuweichen.
Abb. 72, 73. Hieroglyphe der Zahl
Sechzehn. Westseite und Ostseite
der Stele D von Quiriguä.
Abb. 74. Hieroglyphe Acht.
Westseite der Stele D von Quirigiui.
insbesondere des Windkreuzes im Auge (vgl. oben S. 800 Abb. 44, Zeile 1
rechts) zu entbehren scheint.
Es bleibt nun noch die Westseite der Stele D von Quiriguä. Die
Multiplikatoren der drei letzten Glieder der Initial Series, die der Einer,
der Zwanziger, der Dreihundersechziger, habe ich schon bestimmt. Wir
fanden dafür die Zahlen Siebzehn, Yier, Dreizehn. Den Multiplikator der
zweiten Gruppe — die Figur, die in dem Bündel auf dem Rücken die
Hieroglyphe des Zeitraums Katun trägt — habe ich in Abb. 72 wieder-
gegeben. Die Figur scheint in wesentlichen Zügen, insbesondere auch in
der Bemalung der Gliedmassen, mit der Abb. 73 übereinzustimmen, also
eine Hieroglyphe der Zahl Sechzehn darzustellen.
Der Multiplikator der ersten Gruppe endlich ist meine Abb. 70.
Diese stimmt in dem Schnitt des Gesichts, in dem Ohrschrauck und dem
Thierfuss über dem Ohr, sowie in Halsring und Brustschmuck mit der
Abb. 69 überein, ermangelt aber — falls die Zeichnung in dem Maudslay'-
gl2 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
sehen Werke richtig wiedergegeben ist — des den unteren Theil des
Gesichts umrahmenden bartartigen Anhängsels. Immerhin spricht die
Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch hier der Multiplikator der ersten
Gruppe als Repräsentant der Zahl Neun aufzufassen ist. Darnach wäre
die Initial Series der Westseite der Stele D von Quiriguä zu lesen:
9 X 20 X 20 X 360
16 X 20 X 360
13X360
4x 20
17 X 1
Durch Summirung dieser Werthe erhalten wir die Zahl 1 415 977. Das
sind 5446 Tonalamatl und 17 Tage, oder 3879 Sonnenjahre und 142 Tage.
Das ist der Abstand des Tages 8. caban, 5. yaxkin von dem Anfangs- und
Normaldatum 4. ahau, 8. cumku. Das Uinal-Datum 5. yaxkin ist in der
That in der dritten Zeile unter dem ca6aw-Tage angegeben. Die Ziffer
des caÄaw -Tages wird durch die Abb. 74 bezeichnet, die auch wirklich
durch den Schnitt des Gesichts und den hinten lang herabfallenden, in
Federn endenden Kopfanhang an den Gott mit dem Kan-Zeichen, den
Repräsentanten der Zahl Acht (vgl. oben S. 766, Abb. 205), erinnert, wenn
auch die besondere Absetzung des hinteren lang herabfallenden Theils in
dieser Zeichnung nicht so deutlich wie in anderen Bildern heraustritt.
Demnach können wir auch für diese Stelenseite die angenommene Initial
Series-Lesung als beglaubigt ansehen — ein Resultat, zu dem übrigens
auch schon Maudslay, die Goodman'chen Tabellen zu Grunde legend,
gelangt ist.
Die Liste der Formen, die wir für die Hieroglyphen der Multipli-
katoren-Zahlen gefunden hatten, wird also durch die Monumente, die
Maudslay in seinem XII. Hefte abbildet, sowohl was die Zahl, als auch
was den Charakter derselben betrifft, beträchtlich erweitert. Ich stelle in
dem Folgenden diese Hieroglyphen der Multiplikatoren-Zahlen übersichtlich
zusammen.
Hieroglyphe Null (Abb. 75—108).
Abb. 75 ist die in den Handschriften übliche Form und stellt ein
Schneckengehäuse dar. Abb. 76 kommt auf der Stele C von Copan in der
Gruppe 4 a vor und gibt dort an, dass keine Einzeltage gezählt werden
sollen. Wie man sieht, stellt dieses Zeichen einen einfachen Kreis, wie
er zur Bezeichnung der Ziffer „Eins" verwandt wird, dar, dessen Innen-
raum mit gekreuzter Streifung erfüllt ist, d. h. dunkel, schwarz, also leer,
gedacht werden soll. Abb. 77 — 85 und 87, 88 können demnach wohl kaum
etwas anderes, als Leere nach allen Richtungen bedeuten. Ich mache auf
das Vorkommen des Zeichens cimi^ „Tod", in dem Inuenraum dieser
Hieroglyphe bei der Abb. 82, die dem Inschriften-Tempel von Palenque
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä.
813
entuommen^ ist, aufmerksam. Abb. 86 ist in den Hieroglyphen-Säulen
auf Blatt 61 und 69 der Dresdener Handschrift mit der Hieroglyphe kin,
„Tag", verbunden, wo es scheint, dass der Werth Null angenommen
werden muss. Es ist aber zweifelhaft, ob dies Gebilde nicht einfach
zu der Ausgestaltung der Hieroglyphe kin gehört, wie man in der That
aus anderen Vorkomm-
nissen dieser Hieroglyphe <53^ ^^^ ^s^
zu folgern veranlasst ist,
Abb. 89 kommt mit dem
WerthNull auf den Stelen-
Bruchstücken vor, die ich
von Sacchanä an der
Grenze von Chiapas und
Guatemala nach Europa
gebracht habe. Ueber die
dieser Figur
Bedeutung
vermag ich nichts zu sagen.
Ebenso masse ich mir über
die eigentliche Bedeutung
der Abb. 91 — 94 auch
heute noch kein Urtheil
an. Aber in den Abb. 95
bis 102 werden wir, ebenso
wie in den Abb. 105—108,
den Tödesgott erkennen
müssen, wie ich das oben
S. 806, 807 näher ausein-
andergesetzt habe. Und
dann werden auch die Ab-
bildungen 103, 104 unter
denselben Begriff fallen.
In der That stimmen diese
Figuren in Hals- und
Brustschmuck mit den an-
deren und mit den Figuren
des Todesgottes überein.
In dem Kopfschmuck der
<^ <^ <@> <^
<^> <^^ ^^
<^^ <^^ ^^ <^^ ^^
d^^ ^^^ *^^
to<J- ^T^^de-ti St 9^
Abb. 75.
Hieroglyphe Null.
(Form der Handschriften.)
Und das merkwürdige
Abb. 104 glaube ich auch
deutlich einen Totenknochen erkennen zu können.
Gebilde, das die Abb. 104 in Händen hält, erweist sich dem Reptil- (Schlangen-)
Rachen gleich, den die Abb. 105, 106 als Helmmaske tragen, und der, wie
wir oben gesehen haben, auch in der Dresdener Handschrift als Helmmaske
des Todesgottes vorkommt, i Ist aber wirklich in all diesen Köpfen und
SU
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Abb. 76. Copan, Stele C, 4 a.
„ 77. „ „ J, 4.
.. 78. „ .. B, 3.
., 79 M, 2.
„ 80 C, 4 a.
„ 81. Falcnqur, Kreuztempel I,
D, 1.
82. Paleiique, Inschriften-
Tempel, Westflügel P, 8.
„ 83. Quiriguä, Stele C, West-
seite 16.
„ 84. Quirigud, Stele C, West-
seite 4.
„ 85. Quirigud, Stele J, 72.
„ 86. Dresdener Handschrift-
Tafel (51.
„ 87. Quirigud, Stele E, Ost-
seite 5.
„ 88. Quirigud, Stele F, Ost-
seite 3.
„ 89. Stelenbnichstück von Sac-
chatid (Samml. Sei er).
„ 90. Pa/eH3«e, Palast-Treppe 5.
„ 91. Copan, Stele I, 5.
„ 92. Quirigud, Stele A, 4.
„ 93. Palenque, Kreuztempel I,
B, 7.
„ 94. Quirigud, Stele C, Ost-
seite 3.
„ 95. Palctique, Kreuztempel II,
A, 7.
„ 96. Quirigud, Stele C, West-
seite 5.
„ 97. ^j>*?'^Ma,SteleJ,7.
„98. „ „ F, Ostseite 4.
„ 99,100. „ Kröte G, 4, 5.
„ 101. „ Stele J, 9.
„ 102. „ ;, F, Ostseite 5.
Abb. 76—102. Hieroglyphe Null (Form der Monumente).
Abb. 103, 101. Hieroglyphe Null, Cojjan, Stele D, 4, 5.
22. Einif^es mehr über die Monumente von Copan und Quirigud.
815
Figuren der Todesgott, oder eine mit Todes-Symbolen ausgestattete Gestalt
zum Ausdruck gebracht, so werden wir jetzt vielleicht uns auch über das
eigenthümlicho akzessorische Merkmal dieser Figuren, die Zeichnung einer
menschlichen Hand am unteren Theile des Gesichtes, eine Vorstellung
machen können. Bei der Hand denkt man naturgemäss an die Handlung
des Nehmens, und bei einer Hand mit eingeschlagenen Fingern, wie sie
ja an einzelnen dieser Blätter (vgl. Abb. 98) ganz deutlich gezeichnet ist,
an ein „Zusammennehmen". So könnte die Hand, die wir als diakritisches
Abb. 105. Abb. 106.
Hieroglyphe Null. Kröte B von Quirigt
Abb. 107. Abb. 108.
Hieroglyphe Null. Ostseite der Stele D von Quirigiid.
Zeichen an den Vogelköpfen gefunden haben, mit denen die höchsten
Multiplikanden, die Zyklen oder Zeiträume von 20 Katunen, bezeichnet
werden (vgl. oben S. 739, Abb. 146 — 158), etwa als „Zusammen-
fassung" gedeutet werden, und die Hand, die wir hier an den Köpfen
und Figuren (Abb. 95 — 108) sehen, etwa als vollendeter Tod, als
absolutes Nichts. ' Das Auftreten desselben diakritischen Zeichens an zwei
so verschiedenen Hieroglyphen, an dem Symbol der Zahl 20 X 20 X 360
und an dem Symbol der Null, würde auf diese Weise eine Erklärung
finden. Anscheinend abweichend von den übrigen Fisruren ist die Hiero-
816
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
glyphe Abb. 90, die in der Initial Series der Palastti'eppe von Palenque
mit dem Werthe Null vorkommt. Die Figur ist aber unvollständig, das
Gesieht ist abgerieben und verwittert. Es ist möglich und wahrscheinlich,
dass hier auch ein Totengesicht mit der Zeichnung einer Hand am Unter-
kiefer dargestellt war, und dass dieses Totengesicht hier nur ausserdem
noch mit dem Reptil- (Schlangen-) Rachen als Helmmaske ausgestattet
ist, den wir ja auch an den Abb. 105, 106 sehen, und den wir, wie ich
oben schon erwähnte, auch als Helmmaske des Todesgottes in den Hand-
schriften angetrofiPeu haben.
Hieroglyphe Eins (Abb. 109—114).
Abb. 109, 110 stellen, wie man sieht, einen ausgestreckten Finger dar.
Das Zeichen kommt als Multiplikator „Eins'^, mit der Hierogly]3he tun,
katun und der des Zyklus verbunden, auf den Altar-Platten von Palenque
und als Zahl eines Ahau-Datums auf den Stelen von Quiriguä (vgl. oben
S. 800 Abb. 45) vor. Die anderen Hieroglyphen, Abb. 111 — 114, zeigen einen
Kopf mit vor dem Ohr lang herabfallenden Haarflechten, der, wie ich
Abb. 109. Palenque, Kreuztempel I, C, 15.
110. Quiriguä, Stele F, Ostseite 16.
111. „ „ F, „ 6.
112. Palenque, Sonnentempel A, 3.
113. „ Kreuztempel II, A, 3.
114. „ „ II, A, 8.
Hieroglyphe Eins.
schon in meiner vorigen Abhandlung dargethan habe, einen Weiberkopf,
also wohl eine Göttin, bezeichnet. Der allgemeine Schnitt des Gesichts
ähnelt dem des Gottes mit dem Kan-Zeichen, der den Multiplikator Acht
repräsentirt. Denselben Weiberkopf haben wir wiederholt auch in dem
Katun-Zeichen, der Anfangs- und Haupt-Hieroglyphe, die über oder vor
der Initial Series angegeben zu werden pflegt (vgl. oben S. 793, 795
Abb. 5, 9, 11, 15), angetroffen.
Hieroglyphe Zwei.
Eine solche ist vielleicht der Multiplikator des ersten
Hieroglyphenpaares auf der Altarplatte des Kreuztempels I
Abb. 114 juPa^eMOMe "^^^ Palenque, den ich hier in Abb. 114a wiedergebe.
Kreuztempel I, A, 3. Vgl. die Bemerkungen hierüber oben S. 775.
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan uncl Quiri^uä.
817
Hieroglyphe Drei (Abi). 115—118).
Abb. 115 liabeii wir auf der Altarplatte des Sonnen-Tempels von
Palenque kennen gelernt, Abb. 116 auf der Ostseite der Stele F von
Quirigua (vgl. oben S. 800, Abb. 44). Abb. 117 kommt auf der Stele J
von Copan in der siebenten Gruppe vor, wo man die Ordinalzahl des
rinal-Datums erwarten sollte. Sowohl das Ahau-Datum, wie das Uinal-
Datum sind auf dieser Stele zerstört, die Abb. 117 ist der einzig erhaltene
a
^uuO
Hieroy^lyphe Drei.
Abb. 115. Falenqiip, Sonnen-Tempel A, 6.
,, 116. Quirigmi, Stele F, Ostseite, 12.
„ 117. Co2H()i, Stele J, 7.
.. 118. Dresdener Handschrilt 9b.
Rest. Aus der Rechnung ergibt sich aber, dass auf dieser Stele das
Datum 7. ahau, 3. ciimku verzeichnet sein müsste. Abb. 118 endlich
kommt in der mittleren Abtheilung des Blattes 9 der Dresdener Hand-
schrift über der Tageszeichen-Säule muluc, ix, cauac^ kan, da wo man die
Ziffer dieser Tageszeichen erwarten müsste, vor. Durch die folgenden
schwarzen (Differenz-) und rothen (Tageszeicheu-) Ziffern ergibt sich, dass
über dieser Tageszeichen-Säule die Ziffer Drei stehen müsste.
Hieroglyphe Yier (Abb. 119—122).
Die Figuren geben das Bild des Sonnengottes mit dem grossen
Auge, den winklig ausgefeilten Schneidezähnen und dem grossen Hauzahn.
Hieroglyphe Vier.
Abb. 119. Palenque, Kreuztempel II, A, 6.
„ l'^O. „ „ I, A, 6.
„ 121. Quirigua, Stele F, Westseite 4.
Abb. 122. Hieroglyphe
Vier. Quirigud,
Stele D, Westseite 4.
Abb. 119, 120 von Palenque zeigen auch das Symbol der Sonne (Jan) auf
der Wange. In den Zeichnungen der Monumente von Quirigua (Abb. 122,
vgl. auch oben S. 729 Abb. 60, 63, 64) ist der heraushängende Hauzahn
Seier, Gesammelte Abhaudlunpen I. 52
818
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
des Sonnengottes in eigenthümlicher Weise stilisirt und zu oineni halb-
mondförmigen Gebilde geworden, das den Mundwinkel begrenzt. Auch
der niederste Multiplikandus, die Hieroglyphe kin (ein einzelner Tag),
wird, wie wir oben S. 728, 729 sahen, durch das Bild des Sonnen-
gottes zum Ausdruck gebracht. Als Multiplikator Vier scheint der Sonnen-
gott stets mit menschlichen Zügen dargestellt zu sein. In der Hiero-
glyphe kin wird statt des Menschengesichts häufiger ein Vogel köpf ver-
wendet, der mit Attributen des Sonnengottes (Hauzahn, Gesichtsbemalung
mit dem Zeichen kin) ausgestattet wird.
Hieroglyphe Fünf (Abb. 123—125)).
Auch das siml sehr charakteristische Figuren: ein runzliges Greisen-
gesicht, mit dem Zeichen tun auf dem Kopfe. Bei der Hieroglyphe
Fünfzehn, die ja dasselbe Gesicht, aber mit dem akzessorischen Merkmal
Hieroglyphe Fünf.
Abb. 123. Copan, Stele J, 6.
„ 124. Palenque, Sounentenipel A, 5.
„ 125. „ Kreuztempel II, A, 5.
„ 126. Copan, Stele D, 3.
„ 127. Quirigiid, Kröte G, 6.
„ 128. „ Stele F, Westseite 7.
,, IJJ. „ ,, J, 0.
des Totenknochens am Unterkiefer darstellt, finden wir eine besondere
Variante, wo statt des einfachen Elementes tun ein das Zeichen tun auf
dem Scheitel tragender Vogelkopf über dem menschlichen Gesicht, als
Helm-Maske, angegeben ist (vgl. unten Abb. 173).
Hieroglyphe Sechs (Abb. 130—132)
isa.
m
Abb. 130. Palenque, Sonnentempel A, 7.
„ 131. „ Inschriften-Tempel A, 45.
(Maudslay IV, Fl. 53).
,, 132. Quirigud, Stele A, Ostseite 6.
Hieroglyphe Sechs.
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä.
819
Die Figuren zeigen, wie ich schon in meiner vorigen Abhandlung
hervorgehoben habe, das Gesicht des Sonnengottos mit dem Windkreuz
im Auge. Eine ändert, besondere Form dieser Hieroglyphe könnte aus
den Hieroglyphen für Seclizehn, unten Abb. 179, 180, entnommen werden.
Hieroglyphe Sieben (Abb. 133).
Diese Hieroglyphe habe ich nur einmal
angetroffen. Doch konnten wir die Gottheit,
die den Multiplikator Sieben repräsentirt,
in der ganzen Figur der Nordseite der
Stele A von Quiriguä erkennen (vgl. meine
Bemerkungen darüber oben S. 804 und
Abb. 56). Andere Abbildungen derselben
Gottheit findet man bei der Hieroglyphe
Siebzehn (unten Abb. 183, 184).
Abb. 133. Hieroglyphe Sieben.
Quiriguä, Stele D, Ostseite 7,
Hierogl.-Gr. 6.
Hieroglyphe Acht (Abb. 134—141).
Die Figuren stellen den aus den Handschriften bekannten Gott mit
dem JTaw-Z eichen vor. Dessen besondere Kennzeichen sind, wie ich
schon in meiner vorigen Abhandlung hervorgehoben habe, ein jugendliches
Gesicht, mit fliehender Stirn, eine sich kräuselnde Locke über der Stirn
Hieroglyphe der Zahl .\cht.
Abb. 134. Palenque, Kreuz-Tempel I, A, 8.
„ 135. „ Palast-Treppe A, 4.
„ 136. „ „ A, 2.
„ 137. Quirif/itä, Stele J, 11.
„ 138. Copan, Stele 0, 10.
„ 139. „ „ D, 8.
und ein besonders abgesetzter, nach hinten fallender Theil, der in den
Handschriften manchmal wie ein breiter Thierschwanz aussieht, der
am Ende in eine Quaste von Quetzalfedern auseinandergeht. In Abb. 1 37,
die der Initial Series der Stele J von Quiriguä entnommen ist, trägt der
52*
820
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Gott eiue Art Scblaugeu-Racheu als Helm-Maske. Da auch bei diesem
Gott in der Regel seitlich vor dem Ohr herunterfallende Haarsträhnen an-
gegeben sind, so ist sein Gesicht manchmal (vgl. Abb. 141) schwierig von
Abb. 140. Bild und Hieroglyphe des Gottes
mit dem Ä'aw-Zeichen, des Eepräsentanten
der Zahl Acht. (Nach der Dresdener
Handschrift )
Abb. 141. Hieroglyphe Acht.
Stele D von Quiriyiid,
Westseite, Hieroglyphe 6.
dem der Göttin, die den Multiplikator „Eins" repräsentirt, zu unter-
scheiden. Andere Bilder derselben Gottheit findet man bei der Hieroglyphe
Achtzehn.
Hieroglyphe Neun (Abb. 142—154).
Hieroglyphe Neun.
Abb. 142, 143. Falenque, Palast-Treppe B, 1, 2.
144, 145. Copan, Stele P, 1, 2.
14(J. Copan, Stele D, 1.
147. Palenque, Inschriften-Tempel, Ostflügel S, (5
148. Quiriguci, Stele F, Ostseite 1.
149. „ Kröte G, 1.
150. „ Stele J, 1.
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quirigua.
821
Der Multiplikator Neun wird anscheinend durch zwei ganz verschiedene
Gestalten zur Anschauung gebracht. Einmal haben wir ein Gesicht
(Abb. 142 — 150), dessen untere Hälfte Jaguarflecken und Haare zeigt,
also mit Jaguarfell überzogen gedacht ist. In Abb. 150 kommt dazu
ein Vogelkopf als Helm-Maske. Das andere Mal (Abb. 151 bis 153)
haben wir ein (lesicht, dessen Schnitt an den des Gottes mit dem
Kau -Zeichen erinnert, dessen besondere Merkmale ein den unteren
Abb. 151. Hieroglyphe Neun,
Kröte B von Quirigua, 1.
Abb. 152. Hieroglyphe Neun,
Quingud, Stele D, Ostseite 1,
Abb. 153. Hieroglyphe Neun,
Qiiirii/ud, Stele D, Westseite 1.
Abb. 154. Hieroglyphe Neun (?),
Copan, Stele E, 1.
Theil des Gesichts umrahmender, in eine Quaste endender bartartiger
Anhang und ein S-förmig gekrümmtes Gebilde vor dem Munde zu sein
scheinen.
Es ist wahrscheinlich, dass auch das Zeichen Abb. 154, das auf der
Stele E von Copan, an der ersten Stelle der Initial Series, mit der Hiero-
glyphe des Zyklus verbunden vorkommt, die Hieroglyphe Neun bezeichnet.
Denn wir haben ja auf den Monumenten von Copan und Quirigua gesehen,
dass von den Zyklen immer neun gezählt werden. Die Sache lässt sich
aber nicht mit Bestimmtheit entscheiden, weil auf dieser Stele der untere
Theil der Initial Series zerstört ist.
Hieroglyphe Zehn (Abb. 155—160).
Diese Zahl wird, wie ich in meiner vorigen Abhandlung näher aus-
geführt habe, durch das Bild des Todesgottes zur Anschauung gebracht.
Abb. 155, 156, 157 und vielleicht auch 159 zeigen einen Schädel, Abb, 158
8-2t?
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzififerung.
uud 160 ein Gesicht mit Todessyrabolen (dem Zeichen cimi „Tod").
üeber den Zusammenhang der letzteren Figur mit einer der Gestalten
der Hieroglyphe Null liabe ich oben (S. 806 und 807) ausführlich ge-
sprochen.
Hieroglyphe Zehn.
Abb. 155. CopcDK Stele I, 29.
„ 156. , . I, 24.
„ 157. „ Hieroglyphentreppe.
„ 158. Quin'ff^ud, Stele F, Ustseite 3.
„ 159. Copa», Stele D, 6.
Abb. 160. Hieroglyphe Zehn.
Quirigud, Kröte B, 3.
Hieroglyphe Eilf.
Für diese Zahl habe ich auf den mir bislang bekannt gewordenen
Monumenten noch keine Hieroglyphe gefimden.
Hieroglyphe Zwölf (Abb. 161, 16-2).
Auch diese Hieroglyphe kommt selten vor. Nur auf der Westseite der
Stele F von Quirigua (Abb. 161) uud als Ziffer des Ahau-Datums auf der
Kröte B von Quirigua (Abb. 162) habe ich sie bisher gefunden. Das
Gesicht ist selir ähnlich dem Frauenkopf, der die Hieroglyphe Eins
Abb. 161. Hieroglyphe Zwölf.
Quirigud, Stele F, Westseite t".
Abb. 162. Hieroglyphe Zwölf.
Quirigud, Kröte B, 6.
repräsentirt. In beiden mir bekannt gewordeneu Fällen scheint es aber
deutlich, dass ein Totenknochen am unteren Theil des Gesichtes nicht
vorhanden ist. Die durch Kombination mit der Hieroglyphe Zehn (dem
Totenknochen) gebildeten Zahl -Hieroglyphen beginnen erst nach der
Dreizehn.
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä.
823
Hieroglyphe Dreizehn (Abb. 163—169).
Der Multiplikator Dreizehn wird durch einen phantastischen Yogel-
kopf zur Anschauung gebracht, der in der Zeichnung auffällig an die
Vogelkö])fe erinnert, die, mit gewissen diakritischen Abzeichen versehen,
zur Bezeichnung der höheren Multiplikanden, der Tun, der Katun und der
Zyklen, verwendet werden. Besondere Merkmale sind ein seitlich heraus-
hangender, gekrümmter Hauzahn und eine Art Spiegel über der Stirn,
der in Abb. J66, 167 mit einem Band auf der Stirn festgebunden ist,
Hieroglyphe Dreizehn. Abb. 169. Hieroglyphe Dreizehn.
Abb. 163. Falenquf, Sonnentempel A, 8. Quirigud, Stele D, Westseite 3.
„ 164. Qnh-igud, Stele F, Westseite 3.
„ 165. Copan, Stele E, 3.
„ 166. Palenque, Palasttreppe A, 3.
„ 167. „ „ B, 4.
,. 168. CojHin, Stele P, 3.
in Abb. 163 aber die Elemente des Zeichens chuen aufzuweisen scheint.
In Abb. 169 ist dieser phantastische Vogelkopf mit einer Art Schlangen -
leib verbunden, dem Blumen und Federbüschel zu entsprossen scheinen.
Die Abb. 16.j und 168 habe ich nur unter Vorbehalt mit aufgeführt. Denn
auf der Stele E von Copan, von der die Abb. 165 genommen ist, ist die
Initial Series unvollständig. Die Bestimmung der Multiplikatoren kann
also hier nicht durch die Rechnung kontrollirt werden. Und auch auf der
Stele P von Copan, der die Abb. 168 entnommen ist, ist die Lesung der
Initial Series ebenfalls etwas unsicher.
Hieroglyphe Vierzehn (Abb. 170).
Diese Hieroglyphe habe ich nur einmal, auf der ^^^
Westseite der Stele F von Quiriguä, getroffen. Mit
dieser Hieroglyphe beginnt die Reihe der kombinirten
Zeichen. Sie zeigt das Gesicht des Sonnengottes, der
die Zahl Vier darstellt, aber versehen mit einem Toten-
knochen am Unterkiefer, der. als pars pro toto, für ^^^- ^'^; Hieroglyphe
\ lerzehn. IJiornjiui,
einen Schädel oder den Todesgott, d. h. für die Zahl g(.gjg p Westseite 2.
Zehn, steht. Wir haben also in dem Bilde dieser Hiero-
glyphe gewissermassen die Summe 4 -h 10, das ist Vierzehn.
824
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Hieroglyphe Fünfzehn (Abb. 171—173).
Auch diese Hieroglyphe ist deutlich die Hieroglyphe Fünf (vgl. oben
Abb. 123 — 129). aber mit dem diakritischen Zeichen des Toteuknochens
am Unterkiefer versehen, wodurch der Zahlwerth um Zehn erhöht veird.
Hieroglyphe Fünfzehn.
Abb. 171. Qiiin'fjiifl, Kröte G, 3.
^ 172. Copan, Stele D, 2.
Abb. 173. Hieroglyphe Fünfzehn.
Quiriguä, Stele D, Ostseite 3.
Eine besondere Form ist die Abb. 173 an der Ostseite der Stele D von
Quiriguä. bei der statt des einfachen Zeichens tun ein Yogelkopf mit dem
Zeichen tun auf dem Scheitel über dem Kopfe der Figur, gewisserraassen
als Helmmaske, augebracht ist.
Hieroglyphe Sechzehn (Abb. 174—180).
An dieser Hieroglyphe hatten wir zuerst das Gesetz der Bildung der
kombiuirten Zahlhieroglyphen mittels des diakritischen Zeichens des Toten-
Hieroglyphe Sechzehn.
Abb. 174. Palenque, Inschriften-Tempel, Mitte, I 1.
„ 175. „ „ Ostflügel, T 6.
„ 176. Quirigiia, Stele F, Ostseite 2.
. 177. „ „ I 3.
„ 178. Dresdener Handschrift, 61.
knochens am Unterkiefer erkannt. Man sieht iu der That ohne Schwierig-
keit, dass hier dasselbe Gesicht gezeichnet ist, das ohne dieses diakritische
Zeichen des Todtenknochens der Repräsentant des Multiplikators Sechs
ist. Es ist interessant, dass wir diese Hieroglyphe auch iu der Dresdener
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä.
8-25
Handschrift, Blatt 61 und (iO, in den Hieroglypliensäulen, die vor den
Schlangenzahlen stehen, finden (vgl. Abb. 178). Abweichende und des
wesentlichsten Kennzeichens, des Windkreuzes im Auge, entbehrende
Formen stellen die Abb. 17*,) — 180 dar. Wir haben aber oben gesehen
(vgl. S. 810, 811), dass aus der Rechnung sich in der That der Werth
Sechzehn für diese Figuren ergibt.
Abb. 17y.
Hieroglyphe Sechzehn.
Quirigmi, Stele D, Westseite 2.
"-^
Abb. ISO.
Hieroglyphe Sechzehn.
Quiriguä, Stele D, Ostseite 2.
Hieroglyphe Siebzehn (Abb. 181 — 184).
Eine einzige Figur hatten wir auf den Monumenten gefunden, die die
Zahl Sieben als Multiplikator zur Anschauung bringt. Es war das aber
eine wohlcharakterisirte Gestalt, die wir in einer grossen, eine ganze
Stelenseite einnehmenden Figur wiedererkennen konnten. Die Hieroglyphe
Hieroglyphe Siebzehn.
Abb. 181. Quiriguä,
Kröte G, 2.
Abb. 182. Quiriguä,
Stele F, Westseite 5.
Abb. 183.
Hieroglyphe Siebzehn.
Quiriguä, Stele D, West-
seite 5.
Abb. 184
Hieroglyphe Siebzehn.
Quiriguä, Kröte B, 2.
der Zahl Siebzehn nmss das Gesicht derselben Gottheit enthalten, nur mit
dem akzessorischen Merkmal des Totenknochens am Unterkiefer. Diese
Erwartung erfüllen in der That die Abb. 183. 184, die der Stele D und
der Kröte B von Quiriguä entnommen sind. Dagegen genügen die Hiero-
glyphen Abb. 181, 182, die in den Initial Series der Kröte G und der
Westseite der Stele F von Quiriguä vorkommen, dieser Bedingung kaum.
826
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entziffernng.
Das kommt aber bei der ersten Hieroglyphe, der Abb. 181, mir daher,
dass dort der mitere Tlieil des Gesichtes zerstört ist. Bei der Abb. 182
dagegen scheint es in der That, dass die Hieroglyphe charakterloser ge-
zeichnet war. So wie sie in dem Maudslay 'sehen Werke wiedergegeben
ist, könnte man sie eben so gut als Multiplikator Vierzehn lesen. Es ist
indes möglich, dass auch hier eine kennzeichnende Eigenthümlichkeit durch
Verwitterung oder Beschädigung verschwunden ist. Denn die ganze West-
seite der Stele F, oder wenigstens die Initial Series, befindet sich in
einem etwas beschädigten Zustand.
Hieroglyphe Achtzehn (Abb. 185—188).
Auch in dieser Hieroglyphe erkennt man leicht die des betreffenden
Einers (Acht) und das akzessorische Merkmal des Toteuknochens, der den
Zahlwerth um zehn erhöht.
Hieroglyphe Achtzehn.
Abb, 185. Palenque, Kreuztempel II, A 4.
„ 186. „ Sonnentempel A 4.
, 187. „ Kreuztempel I, A 9.
„ 188. Copan, Stele C, 6.
Hieroglyphe Neunzehn (Abb. 189—191).
Abb. 189, die als Ordinalzahl des Uinal pop auf dem Ostflügel des
Palastes A in Palenque vorkommt, entspricht genau gewissen Formen der
Hieroglyphe Neun (oben Abb. 147).
Abb. 19U vom Kreuztempel I von
Palenque muss ihren Kennzeichen
nach auch eine Form der Hiero-
glyphe Neunzehn sein, obwohl der
Zahlwerth hier durch die Rechnung
noch nicht sicher festgestellt werden
konnte.
Hieroglyphe Neunzehn.
Abb. 189. Palenque, Palast A, Ostflügel.
„ 190. „ Kreuztempel I, A 4.
HierogljT>he Zwanzig (Abb. 191—193).
Aus den Handschriften sind schon längst die Formen bekannt, die ich
in Abb. 191 zusammengestellt habe. Sie werden dort in der Hauptsache
verwendet, wo den Werth 19 übersteigende Differenzen zwischen zwei
Tagesdaten anzugeben sind. Auf den Monumenten kommt das Zeichen
tun als Ordinalzahl von Uiualdaten vor, und zwar an einer Stelle wenigstens,
wo die Rechnung mit Bestimmtheit dafür den Werth zwanzig zu ergeben
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä.
827
scheint, das ist in der 9. Zeile der Kolumne D der Altarplatte des Kreuz-
tempels I von Palenquo (Abb. 192). Der Uinal ist mol, und das Tages-
datum 13. ik. Yorker steht in denselben Kolumnen C, I) das Normal-
Anfangsdatum 4. ahau, 8. cumku und ihm folgend die Zahlen (2x1) -
(9 X 20) ^ ( 1 X 360), das ist 542. Und das ist in der That der Abstand
des Tages 13. ik^ 20. mol von dem Anfangs- und Normaldatum 4. ahau^
8. cumku. Es folgt auf das Datum, dessen üinalzahl die Abb. 192 ist, am
Cool "Ort^oit^^ Ho- a C
• •••
Wk
.. s^'//n
[«^ö^i
Abb. 191. Hieroglyphe Zwanzig (gewöhnliche Form der Handschriften).
Anfang der folgenden Kolumnen E, F das Datum 9. ik, 15. ceh. Zwischen
beiden .stehen die Zahlen:
OX 1
12 X 20
3 X 360
18 X 20 X 360
1 X 20 X 20 X 360
Das sind 274 920 Tage, und das ist genau der Abstand des Tages
9. ik, 15. ceh von dem Tage 13. ik, 20. mol. Damit scheint bewiesen, dass
das Zeichen Abb. 192 den Werth 20 hat. Und ist dies der Fall, so
828 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
werden wir auch dem Tun-Zeicheu Abb. li)3. das auf einem der Pfeiler
des VVestflügels des Palastes C von Palenque als Ordinalzahl des Uinal
(/(uvkin und mit dem Tage IS. maiiik verbunden vorkommt, denselben
"^Verth 20 zuschreiben müssen, obwohl ein Beweis dafür durch die Rechnung
dort nicht zu führen ist.
Ein Vergleich der von mir gefundenen Werthe für die Multiplikatoren-
Hieroglyphen mit denen, die in Goodman's, in meiner vorigen Abhandlung
näher besjirochenem Werke enthalten sind, wird erkennen lassen, dass in
den Hauptzügen unsere beiden Listen übereinstimmen. Nur sind bei
Goodman die Null und die Zwanzig konfundirt. Unter der Sieben hat
er ganz hypothetische, durch keine Initial Series gewährleistete Formen.
Ebenso unter der Elf. Die sämmtlichen bei ihm unter der Zwölf an-
geführten Formen sind mit einer einzigen Ausnahme falsch, und deshalb
sicher auch die Hieroglyphe, die er für die Zwei annimmt. Auch zwei
von den drei Hieroglyphen, die er bei der Siebzehn aufgenommen hat,
sincl zweifellos falsch, und ebenso zwei oder drei der bei der Dreizehn
genannten Formen. Ausserdem hat er die Initial Series der Palasttreppe
von Palenque falsch gelesen und danach die Multiplikatoren dieses Monu-
Hieroglyphe Zwanzig.
Abb. 192. Palenque, Kreuztempel I, D 9.
, 193. . Palast C, Westflägel.
ments in ganz irriger "Weise vertheilt. Aber immerhin gebührt ihm das
Verdienst, als erster die Bedeutung dieser Hieroglyphen erkannt und eine
Anzahl von ihnen auch ganz richtig bestimmt zu haben, wie er auch schon
vor mir die Bedeutung des Totenknochens in den Zahl-Hieroglyphen erkannte.
Es bleibt mir nun noch die Aufgabe, die in dem neuen Hefte der
Maudslay"schen Publikationen abgebildeten Monumente unter die übrigen
einzureihen. Nach dem, was ich auf den obigen Seiten feststellen konnte,
ist jetzt für die sämmtlichen bisher bekannt gewordenen und beschriebenen
Monumente von Quiriguä das Enddatum der Initial Series bestimmt. Trägt
man diese Daten in die Tabelle der Tww -Variationen des 10. Zyklus ein,
die ich in meiner früheren Arbeit gegeben habe und die ich hier noch
einmal reproduzire (s. S. 830, 831). so sieht mau. dass von den Monumenten
von Quiriguä sieben, eine lückenlose Reihe bildend, immer die Anfangs-
tage einander folgender Katun -Viertel bezeichnen. Es sind:
Stele J, Datum 8. ahau, 8. zo'tz, Aufangstag des zweiten Viertels des 17, Katun
■)■:
P,
55
1.
5»
3. zip,
55
55
dritten
,,
17.
55
D5
„
7.
,,
18. pop,
55
5»
vierten
17,
55
E,
55
13.
18. cionku.
55
ersten
18.
55
A,
55
6.
„
13. kai/ab,
55
55
zweiten
18.
röt
eB,
55
12.
„
8. pax,
55
55
dritten
18.
55
G,
55
5.
5)
3. )»0(n),
55
55
vierten
18.
22. Einio[es mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä. 829
Ein Monument von Quirigmi fällt weit vor diese Reihe. Es ist die
Stele C, die auf der Ostseite das Normal-Datum, auf der Westseite das
Datum 6. ahau^ 13. ija.ckin^ den Anfaugstag des zweiten Katuu's desselben
zehnten Zyklus, trägt. Ein anderes Datum, das des „Euano" (Zwergs),
der Stele K, fällt genau vier Katun- Viertel hinter diese Reihe.
Noch sind nicht alle Monumente von -(^uirigua beschrieben worden.
Aber ich glaube, wir können zuversichtlich erwarten, dass die fehlenden
sich an die obige Reihe in der einen oder der anderen Richtung anschliessen
werden
Daneben sind auf den Monumenten von (Quiriguä noch zwei caban-
Daten angegeben. Das eine fällt 1^4 tun vor das Haupt-Datum der
anderen Stelenseite. Das andere dagegen liegt über drei ganze Katun vor
dem Ahau-Datum der anderen Seite. Ueber ihre eigentliche Bedeutung
habe ich mir noch keine feste Meinung gebildet. Es ist gewiss auffällig,
dass in diesen beiden Fällen das zweite Datum des Monuments ein Caban-
Datnm ist, und dass es in beiden Fällen auf die Westseite der Stele fällt.
Wir haben gesehen, dass das Zeichen caban gewissermassen eine Abbreviatur
des Maya-Weiberkopfs ist. Es ist wohl möglich, dass durch dieses ganze
Datum nur die weibliche Ergänzung der Gottheit, der die Hauptperiode
des Monuments geweiht ist, dargestellt werden sollte.
Von den Monumenten von Copan fallen zwei mit den Anfangsgliedern
der obigen Quiriguä-Reihe zusammen, zwei andere haben Daten, die 4
bezw. 5 Katun-Viertel früher fallen, andere solche, die noch weiter zurück-
liegen. Daneben aber begegnen uns gerade unter den Monumenten von
Copan mehrere, deren Daten nicht auf den Anfang eines Katun-Viertels,
sondern auf den Anfang eines anderen Tun's, oder in den Zeitraum eines
solchen hineinfallen.
Die Monumente von Palen que sind, wie ich in meiner vorigen Ab-
handlung auseinandergesetzt habe, zweifelhaft in ihrer Datirung. Nur die
Initial Series der Palast-Treppe enthält, wie es scheint, eine wirkliche Zeit.
Sie gehört dem neunten Katun des zehnten Zyklus an, fällt aber auch
nicht auf einen Katunviertel-Anfang.
Von anderen Monumenten möchte ich noch das Hieroglyphenband von
Menche Tinamit erwähnen, das Maudslay nach Europa gebracht hat und
das nachträglich von ihm dem Königl. Museum f. Völkerkunde zu Berlin
als Geschenk überwiesen worden ist. Es trägt das Datum 7. imiv, 19. wo,
und die Initial Series ist 9—15—6 — 13 — 1 zu lesen. Es fällt also in den
IG. Katun, denselben, dem die Stelen B und D von Copan angehören.
An der Grenze von Chiapas und Guatemala, zwischen Tepancuapam
und Chaculä, habe ich zwei Bruchstücke von Stelen gefunden und mit
nach Europa gebracht, die mit allerdings etwas roheren Hieroglyphen
bedeckt sind und ebenfalls eine Initial Series aufweisen. Ihre Daten fallen
aber etwas später, in den dritten Katun des elften Zyklus. Abbildungen
830
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
G _
s- r
.a
X c
^ Ä
>» .
^5 2c
<
SS S
^
® "i
4
^5 s
'9 >
S 2
s ~
s ■-■
ac ^
SD -
iii
® _
® —
CS -=
3
1
•
4g
o
o
M
5
'ad
-
=r
<;"
s"
5^
i.
^o"
;
^
.^
v_^
^
"■
^ö
i
L.
5 ^
S
ec
^
wr
-^ . ©
, —
.» *
^-
s
•o-r
.
<
1-" C
CO V
-
X*
.
-TOD
a
M
j-"".
i
,
5-a
— ü
Cr,"
Iv
15
es
•5-z
d^
"5
=
C
•>
'S
-
«2 5 £
lä
00
3
X
OD
_c
<
-s3 C
"3
3»
TT
15
<
1
CO
1
1
1
1
1 ^'1
■<;
2 >
.^
!
»*
»*
«.
t
C
"?"?"?
s
'(
'«
$. 1-
i,
^
-?
■? ■? i
5
5
^
§,
I-. 5-.
^.
h
it
h
?:
^
i
^
ii
«5
<<
IC x" rc
1
X
1
1
x'
1
eo X*
1 1
CC" X
1 1
1
x'
1
1
X ec X
1 1 1
ec
1
X
1
ec
1
=D
eo X
1 1
ec
1
X
1-1
I
1
X
1
CO
1
X
I
eo
1
00
1
eo
1
1
zo c
1—1
t
r
.
t I
.
J
r
.,
r
^
f.^
?)
e
»-I c -.r
CN
:^
c—
eo (N
X "*
CO
Ci
^-:
- 3 ^
3J
1— '
c-
ec
71 X
-^
cc
c-.
O
--
c
CO
3^
^J
t~
cc :
C- CO (M
m
•^
«
c; lO
^. o
to
(M
.^_
r- rc «N
X
-*
eo
~
lO --
-
-^
3<l
1^
t-
CO
31
X
-*
ec
T-. w
'~'
1-H
»-I
1—1
'"'
-
cc c: O
1-1
c
:r>
(N — '
r- CO
5<1
X
•^
eo c: »O
1—1
o
o
(M
— ( c-
eo
(N
CO
">*
eo
05
u-:
1—1
O
CO
31 r
s
:i >i »-
c-
ec
(M
X ^
- ^"
--
-
3
■■S: 3^1 —
t~
7-.
:^3
X
" 2
-
«-H
-
^
CO
(M
1—1
t-
ec
3>l
X •>
9a 00 'S"
fiO
^^
^
— ' O
■-^ C<1
_
t~-
eo
-M X -^
eo
C5
iC
1-1
o -—
33
.^^
t—
--
35
X
•<3<
ec
^.
lC
— c
1-1
*"*
*^
^^
'^
«O 1-1 O
T-H
ts
CM
-
c- eo
(M
X
■^
^
c;
lTj -^ O
o
(M
1—1
t-
CO (M
X
■»t
CO
OS
»O
1—1
-
--0
3«
1— 1
c- c
— t-
1—1
35
OC
'*
20
iTi — <
c
■^
ETI-- c- ec
1—1
W
-T-'
2
C-. o
-
O
CO
(N
-
r-
CO
3<1
X
'S«
eo c
'S- ec
r-.
iC
-
^
'-T 71
— c-
B
^
X
■>* rc
r:
»^
-
-
-
C^ — '
t^
CC
(M
X
•*
co
1— t
OS
iS
i-<
o
CO c
C S'iJJ
-
t-
CO
3^ "X
T-l
H«
r-.
iC
-
E
1=^
3^1
-
t—
eo
(M
X "*
ec
c-.
--:
-
C
-
31
-
c—
cc
2E
-T
rt
■M OC
■*
eo
CT.
iC i-<
O CO
(N
1-1
1—1
c-
rc
X
Tl<
eo
a
O
-
2
CO
Si
^
t^
CO
1-t
00
"*
eo
1-1
OS
lO »■
»
C5 lO -^
o
«O
(M
^ c-
CO c^
X
■el
wO
1— i
C^
o ^
c
1-1
o
(M
i-<
c- eo
22
oc^
•^
CO
1-1
r:
lO
1-1
O
1-1
■-^
31
1-1 r
TJ
5<1 ^- t-
-
IT5
X
-r
-
r-. u-
-
-
-
31 -- r-
rc
S<1
X
-
- -
u-
-
o
CO
33
1— (
1—1
c-
CO
(N
X
•* c
-
QO ■* OO
Ci
>=
r-t
C: O
i?j —
t-
ec
71
X ->»' CC
er.
.-
-
-
S"
-
t—
ec
31
X
•^
-
r:
O
-
- "
z
Ci
CO
•»**
'^
CO
c—
X
-
c
-
CN
ec
•^
-
^
c-
x
^
S
(Ti
3^
35
3J
?i
3»
X
31
S
-
31
ec
70 ■"
vO □ V ^»^
^^4S*^^*^
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä. 831
?
bc ^i^
^
"C e «
^
^
* -:"i
S5
0)
~ ;~ J3
K
C/J
^ — ' o
CS
sf
.
Ol
o
ü
v:
0 <
-fc» '
m ■
£
00
O
7i -kJ O aj
0
0 -■
<
»
C5
■i*" f S
■7
cyW
#02
0
OJ
1
■u
43
0
ü
'2
-5
3
^
If
s
1
1 1
1
1
03
•1^
1
-« <5 -0
.SP
'3
1
.0
1 ^
•Sf'
.?i.
.?.
•S^
«
o o o c' o"
§^
c 5
S 5
~ s
E 1. 1-
5i C' «■
H
^ ^
e s
5»
0
0
S e 's
S 2 5
-<
-<
s
■^
^
j
^
5
-«
t»
«
'<
<>!
'-
- 5 := a, 5,
Wh
?^ h
?j ?i
•w V)
"<-«-<
■-<
'^
^ ?5,
•■*,
^
^
5 S >ss
"<
"<
~c
5
5
^
^
OD
ec
CO
ec
00
eö od ec od CO
00
CO* eö
00 eo
» CO
CO CO 00
CO
00*
CO oo'
CO
co'
eo*
eo*
cri
eo*
CO*
cri
30*
CO
CO
1
1
1
1
1
MIM
1
1 1
1-1 T—
1 1
1 1
1 1 1
1
1—1
1
1 1
1
1
1-1
1
1—1
! 1 1
1
1
1
1-1
1
1
1
1
1
=
E
=
=
K
- -
E =
:. :.
C K IL
:=
r :.
=
t
c
res
=
^
^
-'
9
■*
eo
OS
lO
-,
O CO (N r-(
t-
eo
(M 00
■* CO
OS »0
1-1 0 CO
<M
-H
c- eo
(M
00
^
CO OS
lO
i-t
0
CO
IM
tH
r-
.CO
<M
'"'
'^
1-1
»-I
tH
1-1
1-1
1-1
9
■1
J
o
CO
<M
T-l
t-
eo (M CO 'sf CO
OS
lO 1-1
0 CO
(M —
c- eo (M
00
■*
CO OS
»0
1-1
0
CO <M ^
r—
eo
Cd
00
■*
co
CS
lO
1-1
^^
'"'
1-4
"
T-l
■1
H
CO
(M
CO
■<*<
eo
Cn lO ^ O CO
<M
-- l^
CO CM
» K^l
CO c^ iO
1— 1
0
CO (M
,
r-
CO
CO cc -^
CO
OS
^
^_i
cr
CO
^1
_^
*"*
"
tH
T-l
'"'
1—1
T^
'"'
5
Ci
lO
tH
o
CO
ffl ^ t-
eo (M
00
"* CO
OS lO
tH 0
CO (M 1-1
t—
CO-
(M 00
■«i«
co
CS
lO
1-1 0
CO
(M
^
r-
eo
VI
CO
•«*
^
^~*
T-l
1—1
1-1
»-(
*""
1-1
^
<N
^
t-
eo
(N
GO ■* CO 3^ lO
_^
0 CO
C<I 1-1
t- eo
(N CO Tjl
CO
OS
iO 1-1
0
CO
Cl
1-1 c- eo
fM
-n
■rt«
,^
m
>o
„
0
"■
'""'
^^
'■^
rl
'"'
r-l
n
00
">*
CO
OS
O
^ O CO (N ^
t>-
CO <N
CO
■*
CO OS
lO »H 0
CO
<7»
1-1 c-
CO
oa
00
"* eo OS
lO
^^
0
CO
(M
^
r-
CO
1-H
^
1-1
^1
^^
1-1
1—1
*"■
.
o
«5
(M
^
i- CO
?^ 00 '^
co
OS lO
1-1 0
-^ <M
—c C- CO
(75
CO
•«ji CO
^
>o
^
0 CO 5^
1-1
t~-
CO
iTi
on
•^
eo
OS
^
'"'
r- 1
'"'
^^
"^
^^
1-1
9
t-
eo
(M
CO
■*
eo OS o i-H o
CO
(N —
t- eo
(N CO
•* er: 0:
lO
1-1
0 «0
(M
1-1
r~-
CO 1^1 CO
TT
CO
OS
lO
T-<
0
CO
(N
1-1
1-1
3
eo
OS
O
El
o
1^ n-,
CO (M r-i [c-|eo
(M
00 1*
n^
lO 1-1
OJ^CN
1-1
t—
«=11
00
•^
eo
Osg-
0
1—1
CO
(N
1-1
t-
eo
04
1-1
00
M
<x>
<N
•-I
t-
CO
7-1
00 ■* eo OS
lO
y^ 0
CO <M
sQ
»0 (N »
'^
CO
OS lO
-
c
CO
(N 1-1 c-
1-1
CO
<N
CO
rjt
eo
1-1
OS
•c.
T-l
0
QO
rf
co
C-.
O 1-1 O CO ?1
T-t
''B
(M OD
^ CO
— lO
1-t
0
1-1
CO
(M -H
t-
CO
5^
CO -^ CO
OS
lO
-
0
y-t
CO
s^
1—1
c-
n
lO
tH
O
CO
<N
1-1 t^ eo (N 00
"«J«
ec
OS
»0 ,-1
0 CO
(M ^ t-
CO
CS
00 '^
co
OS
lO
rH 0" CO
(M
,
t—
eo
(M
on
•<J<
co
'^
r-l
T-l
T-l
i4
^
!>•
CO
<M
00
Tj< eo o: lO r-i
0
CO (N
-H |>.
CO ija
X -* 771
OS
lO
-H -
,^
VI
T-(
C^ Ä (N
OO
-*
-^
OS
lO
^^.
0
CO
1— 1
T-l
1—1
'^
'"'
^^
"^
1-1
hi
1 ^
t-
eo
OS
o
— <M CO -^ tO
CO
t^ X)
OS 0
1-1 (M
CO is> lO
CO
r—
00 OS
0
^
fM
CO -«31 0
CO
r-
<Ti
,^
_^
^
'^^
«^
^
1 "^
'S'
■<1<
1*
•^
■*
•H«
'S"
•*
'<«'
■Tl»
0
lO lO
lO lO
0
»o
0
»0 U3
CO
CO
CO
CO
CO
CO
CO
co
CO
CO
1--
c-
c-
t-
83-2
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
von ihnen habe ich in meiner Beschreibung der Alterthümer von Chacuhi
gegeben^). Von ihnen stammt das besondere Zeichen für die Null, das ich
oben in Abb. 89 wiedergegeben habe.
Endlich möchte ich noch die schöne Nephrit-Phitte des l^eidener
Museums erwähnen, die von dem niederländischen Ingenieur van Braam,
zusammen mit einigen anderen Nephrit- und Stein-Cregenständen und einer
Bronze-Schelle, bei Kanalarbeiten ^am Bio Gracioza (?) in der Nähe von
San Filippo (?) an der Urenze von Britisch-Honduras und Guatemala" ge-
funden worden und von Leemans in dem Compte rendu des in Luxem-
burg tagenden zweiten internationalen Amerikanisten-Kongresses abgebildet
und beschrieben worden ist. Die Platte ist auf beiden Seiten mit ein-
geritzten Figuren bedeckt. Das harte Material hat dem Zeichner augen-
scheinlich Schwierigkeiten gemacht. Die Umrisse sind etwas schief und
eckig, nicht ganz von der Eleganz, die wir an den Skulpturen von Copan
und Quirigua zu sehen gewohnt
sind. Aber im üebrigeu erinnert
die Zeichnung durchaus an den
Stil dieser Monumente. Auf der
einen Seite sehen wir eine Figur in
reicher Tracht, mit phantastischem
Kopf -Aufputz, der augenscheinlich
einen Schlangen-Rachen darstellt,
aus dessen OefFnung das Gesicht
heraussieht. Die beiden Hände
sind an die Brust gelegt, und auf
den Armen, der Brust angedrückt,
liegt die Abb. 194, die, wie man
sieht, eine doppelköpfige Schlange vorstellt, aus deren geöffnetem Rachen
vorn und hinten je eine menschliche Figur hervorsieht: — vorn die Wasser-
Gottheit Ah höhn tz'acah, hinten jedenfalls eine Gottheit gegensätzlicher
Natur. Auf der anderen Seite der Platte dagegen findet man die Hiero-
glyphen-Säule, die ich in Abb. 195 wiedergegeben habe. Man sieht, dass
es in der Hauptsache eine Initial Series ist, mit dem Katun-Zeichen an
der Spitze, fünf darauf folgenden Gruppen von Zahl-Ausdrücken und au
sechster Stelle mit dem Datum 1. eb endend, dem dann noch zwei paar-
weise gestellte Hieroglyphen-Gruppen folgen. Die Multiplikanden der
Initial Series sind alle deutlich zu erkennen. Nm- sind die Hieroglyphen
des Zyklus und des Katun's miteinander vertauscht, denn an zweiter Stelle
unter dem Katun-Zeichen steht der Yogelkopf mit der Zeichnung der
Abb. 194. Loppelköpfige Schlange.
Nephrit-Platte des Leidener Museums.
1) Sei er. Die alten Ansiedelungen von Chaculä im Distrikte Nenton des
Departements Huehuetenango der Republik Guatemala. Berlin (Dietrich Reimer)
1901, S. 17, Abb. 5, 6.
22, Eiuiges mehr über die Monumente von Copan und yniriguä.
83»
cO>
'imW'
Hand am Unterschnabel, der eigentlich Hieroglyphe für Zyklns ist und an
erster Stelle stehen müsste. Und dort wiederum steht der Yogelkopf mit
dem Federbart, der die Hieroglyphe des Katurb% ist und daher erst an
zweiter Stelle folgen dürfte. Es hat eben hier
eine direkte Verwechslung der Hieroglyphen
stattgefunden. Interessant ist die an der dritten
Stelle unter dem Katun-Zeichen stehende Hiero-
glyphe, die die Tun, die Perioden von
360 Tagen, bezeichnet. Der Yogelkopf ist in
der bekannten Art gezeichnet, mit lang heraus-
ragendem gekrümmtem Hauzahn. Das dia-
kritische Zeichen des Toten-Knochens am Unter-
schnabel fehlt. Dagegen fügt sich an den Kopf,
wie es scheint, ein Schlangenleib, so dass die
ganze Hieroglyphe in der auffälligsten Weise an
die Figur erinnert, die wir auf der Westseite der
Stele D von Quirigua als Hieroglyphe des Multi-
plikators Dreizehn gefunden haben (vgl. oben
S. 808 und 823 Abb. 67 und 169). In der an vierter
Stelle unter dem Katun-Zeichen folgenden Hiero-
glyphe erkennt man unschwer das eidechseu-
artige Thier mit dem gekrümmten Hauzahn, das
wir als Hieroglyphe des UinaVa, des Zeitraumes
von 20 Tagen, kennen gelernt haben. Auf den
Altar-Platten von Palenque, aber auch auf den
anderen Monumenten, finden wir den Kopf
dieses Thieres von einem Band umschlungen
(vgl. oben S. 733, Abb. 82, 88, i33, 94, 98,
und S. 797, Abb. 34). Dasselbe sehen wir
auch hier bei dem Thier der vierten auf das
Katun-Zeichen folgenden Gruppe. Die Hiero-
glyphe, die an fünfter Stelle nach dem Katun-
Zeichen steht, muss die Einzel-Tage {kin)
bezeichnen. Diese scheint, merkwürdigerweise,
den Kopf eines Affen wiederzugeben, eine Dar-
stellung, die ich auf anderen Denkmälern
bisher noch nicht angetroffen habe. An sechster
Stelle endlich steht der Tag 1. eb. Man er-
kennt die Hieroglyphe ohne Weiteres an der
durch Strichelung eingefassten Zeichnung in der rechten oberen Ecke.
In der Form, die Landa und die Handschriften diesem Zeichen geben,
ist diese durch Strichelung begrenzte Zeichnung an einem Gesichte ange-
bracht, das nur in ganz vager, wenn auch immerhin kenntlicher Weise,
Seier, Gesammelte Abhandlungen I. 53
Abb. 195.
Hieroglyphen-Seite
der Nephrit-Platte
des Leidener Museums.
834
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
an das des Todesgottes ^) erinnert (vgl. oben S. 741, Abb. 159, 160). Auf
den Monumenten ist sie (vgl. oben S. 742, Abb. 161) in der Schläfen-Gegend
eines Todten-Schädels zu sehen. Auf der Nephrit-Platte ist aber hier der
Todton-Schädel nur durch einen fleischlosen Unterkiefer markirt. Und es
erinnert nun diese Kombination eines fleischlosen Unterkiefers mit der
durch Strichelung eingefassten Zeichnung in auffälligster Weise an gewisse
Formen des mexikanischen Zeichens malinalli (vgl. Abb. 196), dem das
Maya-Tageszeichen eb ja entspricht.
Abb. 196. Das zwölfte Tageszeichen ^nalinalli.
Nach dem Codex Borgia, Codex Vaticanus B, Codex Bologna.
Die Initial Series dieser Platte ist demnach so zu lesen:
8 X 20 X 20 X 360
14x20x360
3 X 360
IX 20
12X 1
1. eb.
Die Summirung ergibt die Zahl 1 253 912. Das sind 4822 Tonalamatl
und 192 Tage, oder 3435 Sonnenjahre und 137 Tage. Das ist der Abstand
des Tages 1. eb, 20. ccul von dem Anfangs- und Normal-Datum 4. ahau,
8. cumku.
Interessant ist hierbei insbesondere das verhältnissmässig hohe Alter,
das sich darnach für dieses Stück ergibt. Es gehört, nach dieser Initial
Series, schon dem neunten Zyklus an und liegt sechs ganze Katun und
über sechzehn Tun (genauer 135 Jahre und 13 Tage) vor dem ältesten,
durch ein Datum bezeichneten Monument, der Stele C von Quirigua. Und
1) Ich habe, eben dieser Unbestimmtheit halber, in früheren Mittheilungen die
Merkmale des Todesgottes in dem Zeichen eh irriger Weise für solche eines alten
Gesichts angesehen.
22. Einiges mehr über die Monumente von Copan und Quiriguä. 835
zwischen der Leidener Nephrit-Platte und dem jüngsten bisher bekannt
gewordenen Monument, dem Stelen-Bruchstück von Sacchanä, müssten 28
ganze Katun und 7 Tmw, das sind nahezu 560 Sonnenjahre, verflossen sein
— ein ganz respektabler Zeitraum, der weit über die Perioden hinausgeht,
mit denen wir in der beglaubigten mexikanischen Geschichte zu rechnen
im Stande sind.
Freilich, sollen wir Goodman glauben, der die Leidener Platte am
Schlüsse seines Werkes ebenfalls behandelt, so würden nicht bloss 560,
sondern 8383 Jahre zwischen- ihr und dem von ihm als jüngstes angesetzten
(^uiriguä-Monumente verflossen sein, das Stück also ein absolutes Alter
von 10 731 Jahren haben und so das älteste bekannte historische Monument
der Welt sein. Goodman liest nämlich die Hieroglyphen-Gruppe, die am
Schlüsse der Initial Series auf das Datum 1. eh folgt, 5. sac, d. h. er meint,
<lass auf der Platte ein Tag 1. eh angegeben sei, der der fünfte des Uinal's
zac sei, und er setzt darnach die Leidener Platte in die 54. seiner grossen,
je 260 Katune umfassenden Aeren. Sie müsste also nicht bloss einen
Zyklus, sondern eine ganze solche Aera und einen Zyklus, also 14 ganze
Zyklen vor der Hauptreihe der Monumente von Quiriguä liegen. Richtig
ist, dass in der auf das Datum 1. eh folgenden Gruppe eine Fünf erkennbar
ist. Aber es gehört mehr als Intuition dazu, in dem Rest der Gruppe die
Formen des Zeichens zac zu sehen. Das Element kin ist in der Gruppe
deutlich. Aber von dem Elemente cauac^ das den Haupttheil des Zeichens
zac bildet, ist keine Spur vorhanden. Wahrscheinlich haben wir hier
überhaupt kein Uinal-Zeichen vor uns. Freilich fehlt nun auf dem Mo-
numente auch das Datum 20. xul^ das, wenn wir 4. ahau, 8. cumku als
Anfang setzen, sich aus der Rechnung ergibt — es sei denn, dass wir
etwa die zweite Hieroglyphen-Gruppe unter dem 1. eh als zwanzig, die
dritte als xul zu lesen hätten, was immerhin möglich ist, vorläufig aber
<loch noch zu hypothetisch erscheint. Aber wir haben auch unter den
grossen Monumenten verschiedene gefunden, die am Ende der Initial
Series nur den Tag und nicht das Uinal-Datum angeben, wo aber doch
verschiedene Umstände es uns glaublich machten, dass auch bei ihnen der
Anfang der Zählung das Normal-Datum 4. ahau, 8. cumku war. Und wir
werden das Gleiche auch für die Nephrit-Platte des Leidener Museums
annehmen dürfen. Haben wir aber darin Recht, so sind es eben doch
nur 560 Jahre, die diese Platte älter ist als die jüngsten Stelen, die Stelen-
Bruchstücke von Sacchanä. Die gewaltigen von Goodman angenommenen
Zeiträume sind eitel Phantasie.
Was überhaupt das absolute Alter dieser Monumente betrifft, so habe
ich schon in meiner vorigen Abhandlung erwähnt, dass, so sicher die innere
Chronologie der Monumente jetzt erscheint, es leider doch bisher nicht
möglich gewesen ist, sie an die europäische Zeitrechnung anzuschliessen.
Wir sind daher immer noch ausser Stande, eine absolute Zeit für diese
53*
830 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung:.
Monumente anzugeben. Immerhin kann man eine obere Grenze setzen.
Die Gegend, der die Stelen-Bruchstücke aus Sacchanä entstammen, der
Distrikt Nenton an den Grenzen von Guatcniahi und Chiapas, war,
das wissen wir, in den letzten christlichen Jahrhunderten menschenleer
und muss es schon in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts gewesen
sein. Denn die Truppen-Körper, die unter Führung des Lic. Pedro
Ramirez sich im Jahre 1559 in Comitan sammelten, mussten auf ihrem
Wege nach der Laguna del Lacandon diese Gegenden passiren. Hätten
sie hier eine der Fülle der Monumente entsprechende Bevölkerung ge-
funden, wir hätten davon eine Nachricht haben müssen. Somit muss das
älteste Monument, die Nephrit-Platte von Rio Gracioso, mindestens um
560 Jahre älter als der Anfang des 16. Jahrhunderts sein, also spätestens
aus der Mitte des 10. Jahrhunderts stammen; die Hauptreihe der Monu-
mente von Quirigua müsste spätestens Mitte oder Ende des 14. Jahr-
hunderts fallen, könnte natürlich aber auch beträchtlich älter sein. Wie
weit wir eventuell berechtigt wären zurückzugehen, dazu fehlt bislang
jeglicher Anhalt, und es wäre müssig, da eine Schätzung zu versuchen.
Vor der Hand müssen wir uns bescheiden und abwarten, ob vielleicht in
den kommenden Jahren ein glücklicher Zufall oder weitere Entdeckungen
uns einen Schlüssel in die Hand geben. —
23. Die Cedrcla-Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel. 837
23.
Die Cedrela-Holzplatten von Tikal im Museum
zu Basel.
Zeitschrift für Ethnologie XXXII. (1900.) S. 101—126.
In der ersten meiner beiden Mittheilungen über die Monumente von
Copan und Quiriguä*) habe ich (vgl. oben S. 749 — 751) auch die Hiero-
glyphen besprochen, die sich auf der grossen Cedrela- Holzplatte^) von
Tikal befinden, die durch den im Jahre 1878 in San Francisco ver-
storbenen Dr. Bernouilli in das Museum zu Basel gekommen ist. Ich
konnte diese Hieroglyphen heranziehen, da durch Charnay von dieser
Platte ein vorzüglicher Abguss hergestellt worden ist, von dem auch im
Königlichen Museum für Völkerkunde eine Kopie vorhanden ist. Ausser
den fünf Holzstücken, aus denen sich diese grosse Platte zusammensetzt,
besitzt das Basler Museum aber nocli acht andere, aus derselben Lokalität
stammende Stücke, die in ähnlicher Weise mit in kräftigem Relief aus-
geführten Figuren und Hieroglyphen bedeckt sind, die sich aber nicht
zu einer zusammenhangenden Darstellung aneinanderfügen lassen. Diese
letzteren sind bisher nur durch die Photographien bekannt geworden, die
de Rosny im Jahre 1881 aufgenommen und in dem Bericht über seine
Studienreise*) veröffentlicht hat. So schön diese Aufnahmen sind, sind
sie doch zu klein, um die Einzelheiten in den Hierogly])hen zu studiren.
Es war mir daher erst durch ein Paar in grösserem Massstabe aufge-
nommene Photographien, die Herr Dr. Fritz Sarrasin die grosse Liebens-
würdigkeit hatte für mich anzufertigen, möglich, die Hieroglyphen-Reihen
auch dieser anderen Tikal-Bruchstücke einer Analyse zu unterwerfen.
1) Zeitschrift für Ethnologie, XXXI (1899), S. (670) — (738). Oben S. 706—791.
2) In meiner Abhandlung habe ich, der üblichen Bezeichnung folgend, „Ceder-
Holzplatte" für „Cedrela-Holzplatte" gesagt. Auch die letztere Bezeichnung, die
ich indes beibehalten zu müssen glaubte, beruht auf einer etwas zweifelhaften
Bestimmung des Holzes durch einen Basler Naturforscher, auf die de Rosny in
seiner Mittheilung über diese Hieroglyphen-Platten (Memoires de la Societe d'Ethno-
graphie, Nr. 3, p. 97, Anm.) Bezug nimmt.
3) „Les Documents ecrits de l'Antiquite Americaine'' (Memoires de la Societe
d'Ethnographie, Nr. 3, Paris 1882).
838
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzififernng'.
Die Schnitzereien auf diesen Holzplatten gehören zu dem Vollendetsten,
was die Maya- Kunst geschaffen hat. Die grosse Platte zeigt unten einen
in drei Stufen aufsteigenden Bau. eine richtige Stufen-Pyramide, die links
und rechts durch eine auf der Unterlage festgebundene, im Querschnitt
sichtbare Stange begrenzt ist. Diese Stangen deuten vielleicht an, dass
der ganze Treppenbau. mit allem was darauf ist, tragbar sein, in Prozession
vom Tempel oder zum Tempel oder durch die Strassen des Orts getragen
werden sollte. AVährend die unterste und die zweite Stufe frei nach aussen
vorspringen, reicht bis an den äusseren Raml der dritten Stufe ein Relief,
das die Vorderseite des Treppenaufbaus in seiner ganzen Höhe bedeckt,
leider aber nur an der einen Seite einigermassen erhalten ist. Die Seiten-
theile dieses Reliefs bilden zwei übereinander angebrachte, nach aussen ge-
richtete phantastische Thierrachen, oder vielmehr nur die Oberkiefer von
solchen, die an der rechten Seite (zur Linken vom Beschauer) mit in
üblicher Weise gezeichneten Augen dargestellt sind, an der linken Seite
Abb. 1.
aber (zur Rechten vom Beschauer) statt des Auges ein aus der Zeichnung
hervorragendes ganzes menschliches Profilgesicht aufweisen (Abb. 1). In
der Mitte dieses die Vorderseite des Treppenaufbaus bedeckenden Reliefs
scheint links und rechts je ein mit dem Gesicht nach innen gerichtetes
sitzendes Skelet dargestellt gewesen zu sein, von denen aber nur auf der
einen Seite deutlich erkennbare Reste noch vorhanden sind. Zwischen
ihnen befand sich zweifelsohne noch ein Symbol, von dem es sich aber nicht
mehr feststellen lässt, was es war. da das Holz hier abgebrochen ist.
Auf diesem Aufbau steht oder sitzt eine menschliche Figur, in en-face
Stellung mit auswärts gesetzten Füssen, gleich den Figuren der Stelen
von Copan und Quiriguä, aber mit nach rechts (nach links vom Beschauer)
gewandtem, also in Profil dargestelltem Gesicht (Abb. 2). Vorn fällt bis
zu den Füssen eine kostbare, in eigenthümlicher Weise gemusterte und
mit Fransenborte versehene Decke herab. Darüber bedeckt die Schultern
ein aus aneinandergereihten Steinperlen gefertigter Halskragen von der Art,
die die Mexikaner chalchiuh-cozca-yetlatl nannten, mit einem Fransen- und
23. Die Cedrela- Holzplatten vou Tikal im Museum zu Basel.
839
Schellenbesatz und einem Mittelstück oder Bnistschmuck, der ein phan-
tastisches en face -Gesicht, das, wie es scheint, das eines Jaguars sein soll,
und fünf von ihm nach unten hangende Riemen mit Schellen am Ende zeigt.
Die rechte Hand hält einen Stab, der mit Federn und Rosetten geschmückt
ist und augenscheinlich keine Waffe ist, sondern vielleicht eher dem
^ift^<J^^*cn.M^K
k\)h.
chicauaztU, dem Rasselstab der mexikanischen Erd-, Mais- und Wasser-
Gottheiten, zu vergleichen ist. Am linken Arm hängt ein Rundschild von
merkwürdig kleinem Durchmesser, der auf seiner Fläche ein von breiten
Streifen gebildetes Kreuz zeigt und auf dem senkrechten der beiden sich
kreuzenden Streifen — mit gekreuzter Strichelung ausgefüllt, daher schwarz
"■emalt gedacht — eine Form des Zeichens cwii „Tod^^ trägt, die ohne Zweifel
{^40 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entziffernnj:.
wohl aus gekreuzten Todtenbeinen entstanden ist, und die wir ganz allgemein
auf den Monumenten auf Armen, Beinen oder dem Gesichte solcher Götter
anffeo^eben finden, die wir aus verschiedenen Gründen berechtigt sind als
Todes - Gottheiten anzusehen ^).
Das Auffälligste aber an der Erscheinung dieser Hauptfigur (Abb. 2)
der Holzplatte von Tikal ist, dass das Gesicht aus dem geöffneten zähne-
starreuden Eachen eines Ungeheuers hervorsieht, das eine schuppige oder wie
mit Mosaik inkrustirte Haut aufweist, sowie ein grosses, stark hervortretendes
Auge, und dessen Schnauzen-Ende in eigenthümlicher Weise winklig nach
oben umgebogen ist. Hätte ich eine mexikanische Figur vor mir, so
würde ich dies als .nuh-cova-naualh\ als „Türkisschlangen -Verkleidung"
bezeichnen. Denn das mit diesem Namen genannte eigenthümliche Abzeichen
des mexikanischen Feuergottes, das in gleicher Weise auch bei TJitzilopochtli
uud bei Tezcatlipoca angetroffen wird, und das zweifelsohne auch schon
von dem Quetzalcouatl von Tollan getragen wurde, zeichnete sich, wie das
selbst in späten Darstelluugen noch hervorti'itt , durch ein in ähnlicher
Weise nach oben umgebogenes Schnauzen-Ende aus (vgl. Abb. 3).\ In der
That gehört auch zu dem mit Schuppen- oder mit Türkis-Mosaik bedeckten
Ungeheuerkopf,' der die Helm-Maske der Hauptfigur unserer Tikal -Platte
bildet, ganz wie zu dem Drachenkopf, den der mexikanische Feuergott
hinten am Nacken als seine Devise trägt, eine Art Schlangenleib, der als
verhältnissmässig winziges Anhängsel hinter dem Kopfe der Figur sichtbar
wird. Er ist, wie die grosse Schlange, die wir gleich zu besprechen haben
werden, mit „Spiegeln" — Scheiben, die einen Kern in der Mitte haben —
gezeichnet uud endet in eine als Gesicht ausgebildete oder mit einem
Gesicht verzierte Federquaste. Der kanimärtige Federschmuck, der hinter
dem Kopfe der Figur bis zu dem Schulterkragen herabreicht, gehört vielleicht
als Federkamm zu dem Kopf dieser Türkisschiauge. Bedeutsam endlich
tritt au der Schläfe dieser Türkisschlangen-A'erkleiduug dem Beschauer
bei unserer Tikal-Figur das Symbol entgegeu. das Forste mann uns
als die Hieroglyphe des Planeten Venus kennen gelehrt hat. Es
ist, wie alles übrige an dieser Helm -Maske, wie mit Mosaik inkrustirt
gezeichnet.
Die ganze Figur, die ich in Obigem näher beschrieben habe, hebt
sich, wie das auch in Abb. 2 wiedergegeben ist, von einer Platte ab, die
die Gestalt eines Quadrats mit abgerundeten Ecken hat und die wohl die
Rückenlehne eines Stuhls darstellt, dessen Seitentheile weiter unten zu
Seiten der Kniee sichtbar werden. Die Rückenplatte dieses Stuhls zeigt in
der rechten (für den Beschauer linken) oberen Ecke — trotz des durch-
gehenden Risses der Holzplatte deutlich sichtbar — das Zeichen des Todes,
zwei gekreuzte Todtenbeine. Die nach vorn vorspringenden Seiten-
1) Vgl. oben S. 805, Abb. .57— (iü und S. 807, Abb. 64.
23. Die Ccdrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel,
841
Abb. o. Xiiih-i-oii((-i>(iu((Ui „Tüi'kisschlangen -Verkleidung":
a des Feuergotts (Xii(hteciitJI). Codex Telleriano-Reniensis 24.
b .. ,. ,. Ms. Bibl. Nazionalo Florenz. 77.
(■ ^ > „ Codex Borbonicus 20.
rf „ „ „ Aubin'sches Toiialaniatl 9.
p ^ y, ,. Codex Borbonicus 9.
f „ ,. „ Sabagun-Ms. Bibl. del Palacio.
g üitzilopochtlPs. Sahagun-Ms. Bibl. del Palacio.
h Tezcatlipoca^s. Codex Borbonicus 22.
842
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
begrenzuiigen des eigeutlichen Sitzes tragen auf der Vorderseite eine eigen-
thümliche Ornamentation, auf der man, wiederum wie in 3[osaik-Inkrustation
ausgefülirt, einen aufrechten Todtenknochen. darüber einen gleichen in
querer Lage und darüber endlich, ebenfalls in Mosaik -Inkrustation, die
untere Hälfte eines nach links (rechts YOin Beschauer) gewandten Todten-
schädels erkennen kann.
Abb. 4.
Dieser Sitz und die auf ihm thronende reich geschmückte Gestalt
erheben sich über dem — tragbaren — dreistufigen Unterbau, den ich im
Eingang näher beschrieben habe. Derselbe Unterbau dient aber noch als
Träger für eine zweite Figur. Auf ihm ruhen, zur Rechten und zm' Linken
der Hauptfigur, der Kopf- und das Schwänzende einer mächtigen Schlange,
deren dicker Leib, einen Bogen oder eine Art Hufeisen bildend, hinten
und zu Seiten der Mittel- und Hauptfigur zu seilen ist. Der innere Saum
dieses Hufeisens wird von der Reihe der Bauchschuppen gebildet. Der
übrige Theil des Schlangenleibes ist theils mit ovalen Scheiben, die einen
23. Die Cedrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel.
843
doppelt kontourirten Kern in der Mitte haben. — tezcati „Spiegel" würden
die Mexikaner solclie Figuren nennen — , theils mit grossen breiten
schwarzen Flecken, die von kleineren schwarzen Flecken umsäumt sind —
das Schwarz ist hier, wie gewöhnlich in den Reliefs, durch gekreuzte
Streifung zum Ausdruck gebracht — in seiner ganzen Länge bedeckt.
Der Kopf dieser Schlange ist nach rechts (links vom Beschauer) gewendet.
Der Rachen ist weit geöffnet, und aus ihm kommt der Kopf und der Arm
einer Gottheit hervor (Abb. 4), die durch eine nach oben gebogene, oft
ganz und gar in Schnörkel auseinandergehende Nase gekennzeichnet ist,
und die der Ah boloii tz'acab^ der „Herr der neun Medizinen" oder „Herr
Abb. 5.
der neun Generationen", die Wasser-Gottheit, ist. Das Schwanzende der
Schlange, das links (zur Rechten vom Beschauer) liegt, ist ebenfalls als
Kopf ausgebildet, der in den allgemeinen Linien auch die Gestalt des
Kopfes der Wasser-Gottheit wiedergibt, aber als todter Wassergott, mit
einem fleischlosen Unterkiefer, dargestellt ist (Abb. 5). Dieser Kopf ist
nicht nach hinten, sondern nach oben gerichtet, und er ist, mit Beziehung
auf den Schlangenleib, verkehrt orientirt. Seine Kinn- oder Bauch-
seite fällt mit der Rückenlinie des Schlangenleibes zusammen. Seine
Stirnseite ist der. Bauchseite der Schlange zugekehrt.
Die obere Wölbung des von dieser Schlange gebildeten Hufeisens ist
von einem Federkamm umsäumt, und auf deni Scheitel des Hufeisens ist
344 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzififerung.
ein Busch sichtbar, von dein auf beiden Seiten eine Fülle von Quetzal
Federn herunterfällt. Ueber dem Scheitel aber thront das en-face-Gesicht
eines Vogels (Abb. 6), von den beiden Flügeln eingefasst, die, wie das
bei den Vogel-Figuren der Maya-Deukmäler ziemlieh allgemein beobachtet
wird^), in die Gestalt eines Reptilrachens umgebildet sind, wobei der Flügel-
bug die das Auge tragende Oberseite dieses Rachens darstellt.
Die Vereinigung des Vogels, der Quetzal-Federn und der Schlange, und
vielleicht mehr noch das Aufti-eten der Hieroglyphe des Planeten Venus
an der Schläfe der Türkisschlange, die die Helm -Maske dieser Figur
bildet, erwecken die Vermuthung, dass die Hauptfigur dieser Holzplatte
von Tikal den Gott Quetzalcouatl-Kuhulcan zur Anschauung bringen soll.
Das Zeichen cimi aber, dass wir auf seinem Schilde fanden, und die ge-
kreuzten Todtenbeine, mit denen die Lehne und die Seitentheile seines
Stuhles verziert sind, deuten darauf hin. dass er als der zu den Todten
hinabgehende oder über die Todten herrschende, oder als der westliche,
der Abendstern, dargestellt werden sollte.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf eine parallele Darstellung
hinweisen, die auf den nördlichen und den anstossenden östlichen und
westlichen Wänden des Ost -Korridors des Palastes E von Palenque in
Stuckrelief ausgeführt ist^), und die ich nach der von Maudslay gegebeneu
Abbildung in Abb. 7 wiedergebe. Wie man sieht, haben wir auch hier
in der Mitte oder dem Scheitel des Ganzen das en-face -Vogelgesicht, von
den beiden Flügeln eingefasst. die auch hier in einen Reptilrachen um-
gewandelt sind. Wir haben zur Rechten (links vom Beschauer) deu Kopf
der Schlange, die aber hier den Rachen nicht aufgesperrt hat und keine
Figm* aus ihm hervorkommend zeigt. Wir haben aber zur Linken (rechts
vom Beschauer) denselben Kopf der todten Wasser- Gottheit und in der-
selben verkehrten Orientirung. Die Hieroglyphe des Planeten Venus, die
auf der Holzplatte von Tikal an der Schläfe der Türkisschlangen- Maske
der Mittelfigur zu sehen ist, ist hier an der Schläfe des das rechte Ende
bildenden Schlangenkopfes angegeben, der dieselbe Hieroglyphe auch in
seinem Auge erkennen lässt. Statt des Schlangenleibes ist aber hier ein
starrer Streifen angegeben, der mit den Symbolen von Gestirnen be-
deckt ist, gleich den sogenannten Himmelsschildern, die wir aus den Maya-
Handschriften ken neu. DerVergleich mit dieser Palenque -Skulptur lehrt
uns daher, dass die Federschlange, der Quetzalcouatl-Kukukan, in der Auf-
fassung dieser Maya-Stämme das Himmelsgewölbe veranschaulichen soll.
Und das erklärt die eigenthümliche bogen- imd hufeisenförmige Gestalt,
die dem Leibe der Schlange auf unserer Holzplatte von Tikal gegeben ist.
1) Vgl. Zeitschrift für Ethnologie XXXII (19eK)), VerhandU S. (193), Abb. 39.
2) Maudsl ay. Bioloffia Centrah-americana. IV. PI. 43.
23. Die Cedrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel.
845
t:^
^fc
•-e^
(^^-^ i,;:
346 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Es ist bemerkenswerth, dass von den drei Darstellungen der Feder-
schlange, die sich unter den Monumenten von Copan befinden, den Skulpturen
G,, G„ O Maudslay'scher Bezeichnung, die eine, die Skulptur Gg, den
Leib der Schlange, der auch hier theils mit Spiegeln, theils mit breiten,
drei- oder viereckigen schwarzen Flecken gezeichnet und auf der Rücken-
linie mit einem Federkamm versehen ist, in derselben eigenthümlichen
hufeisenförmigen Aufwölbung darstellt, wie wir das auf der Holzplatte von
Tikal sehen. Es ist das ein Beweis, dass auch in Copan sich mit dem Bilde
dieses Fabelthiers die Vorstellung des Himmelsgewölbes verknüpfte.
Die Federschlange Gj von Copan zeigt, wie die unserer Holzplatte
von Tikal. an dem Kopfende den Kopf der Schlange mit aufgesperrtem
Rachen, aus dem der Kopf und der Arm einer Gottheit hervorkommen, die
aber hier nicht mit deformirter Nase, sondern mit einfachen menschlichen
Zügen dargestellt ist. Wie bei dem Stuckrelief von Palenque (Abb. 7),
ist die Hieroglyphe des Planeten Yeuus sowohl auf einer über der Schläfe
emporragenden Arabeske, wie auf dem Lide des Auges der Schlange an-
gegeben. Das Schwanzende der Skulptur Gj von Copan ist, wie das der
Schlange unseres Tikal-Reliefs und das des Stuckreliefs von Palenque, als
Kopf der Wasser -Gottheit, aber mit fleischlosem, aus Todtenknochen ge-
bildetem Unterkiefer dargestellt. Auch die zugehörigen Arme sind als
Skelettarme, aus Knochen gebildet, gezeichnet. Der Kopf hat aber hier
nicht die verkehrte Orientirung, die wir sowohl auf der Holzplatte von
Tikal, wie an dem Stuckrelief von Palenque beobachteten. Das Augenlid
dieses Kopfes ist durch Ausfüllung mit gekreuzter Strichelung als dunkles,
schwarzes, nächtiges gekennzeichnet.
Bei der Skulptur Gg von Copan fehlt das Kopfende der Schlange.
Das Schwanzende ist ähnlich dem der Skulptur Gj gebildet. TJ
Die Skulptur O von Copan zeigt einen abweichenden Charakter. Es
ist ein etwas unregelmässiger, sich nach oben keilförmig zuschärfender
Block, der in der Mitte seiner oberen Kante eine tiefe rechtwinklige
Ausarbeitung, wie für die Aufnahme eines anderen Werkstückes, zeigt.
Auf der einen Seite dieses Blocks sieht man ein Reptil, dessen Kopf die
konventionelle phantastische Form eines weit aufklappenden Schlangen-
rachens hat, und dessen schuppiger, auf der Fläche mit Spiegeln, die einen
schwarzen Kern umschliessen, gezeichneter Leib längs des ganzen Rückens
mit einem Federkamm besetzt ist und am Schwanzende sich spiral ein-
rollt. Die andere Seite des Blocks dagegen zeigt links und rechts je einen
Schlangenrachen der gleichen phantastischen Gestalt, zu denen je ein
dünner, in eine mit einem Gesicht verzierte Federquaste endender Schlangeu-
leib gehört, die aber sich verschlingend einen viereckigen Raum um-
schliessen, mit einem etwas an manche Formen des mexikanischen Zeichens
acatl erinnernden Symbol, das bisher noch nicht gedeutet worden ist. Auf
23. Die Cediela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel.
847
den Schmalseiten des keilförmigen Blocks endlich sieht man Wasserthiere
Fische und eine Kröte, und zwei menschliche Figuren.
Zu derselben Klasse von Monumenten scheint auch noch ein vier-
eckiges postamentartiges Stück zu gehören, das an dem Fuss der Treppe,
die zu dem Tempel 11 von Copan hinaufführt, gefunden worden ist. Auf
der einen der beiden längeren Seiten dieses Stückes ist das merkwürdige
Thier abgebildet, das ich in Abb. 8 wiedergegeben habe. Wie man sieht,
zeigt auch hier das Ko])fende des Thieres einen weit aufklappenden
Abb. (S. Skulpturstück am Fuss von Tempel 11. Copan.
phantastischen Schlangenrachen, aus dem der Kopf eines Gottes hervorsieht;
das Schwanzende dagegen zeigt den Kopf der Wasser- Gottheit, aber mit
fleischlosem Todtenknochen am Unterkiefer. Das Thier ist indes hier
keine Federschlange, sondern eine Art Reptil. Seine besondere Natur aber
ist durch das Symbol zum Ausdruck gebracht, das man unterhalb seines
Rückens sieht, das die wesentlichen Elemente des Zeichens cauac wieder-
gibt, — des Zeichens, das dem mexikaniscken Zeichen quiauiü „Regen"
entspricht, das in manchen Listen auch ayoü „Schildkröte" genannt wird,
und das ohne Zweifel den Gewittersturm, Donner und Blitz, und den mit
Wolken überzogenen Himmel diesen alten Stämmen veranschaulichte.
Das Stuckrelief von Palenque und die Skulptur 0 von Copan sind von
keinen Hieroglyphen begleitet. Auf den beiden Seiten der Skulptur G^
ist eine Doppelreihe von Hiero-
glyphen vorhanden, die aber noch
der Deutung harren. Auf der
Skulptm- G2 von Copan dagegen,
derselben, die, gleich unserer
Holzplatte von Tikal, die Feder-
schlange mit hufeisenförmig auf-
gewölbtem Leibe vorführt, sehen
wir in dem Hohlraum der Wölbung eine Gruppe von vier Hieroglyphen,
deren erste beiden das Datum 4 ahau 18 yaoo darstellen. Es scheint das
ein für Copan besonders wichtiges Datum gewesen zu sein, eines, mit dem
eine Aera grossartiger Bauwerke begann. 200 Tage vor dieses Datum
fällt die Stela A von Copan. Und auf dieses Datum selbst der Altar S
von Copan und die merkwürdige Stele B, die eine Verkörperung der Gottheit
Abb. 9.
848
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
des Zeichens cauac uud der Schildkröte darzustellen scheint. (Vgl. Abb. !•,
S. 847.) Den Kopf der Schildkröte sieht man in einem der offenen Räume
der Hinterseite dieser Stele in Hieroglyphe wiedergegeben.
Das Datum 4 ahau. 18 ya.v bezeichnet den Anfang eines ganzen Katun.
oder eines ersten Katun -Viertels'). Auf den Anfang des darauf fol-
genden zweiten Viertels dieses selben Katun. den Tag 10 ahau,
8 cKen, fällt dann die Stele D von Copau. die merkwürdigste aller Copan-
Stelen, die auf der Hinterseite eine Doppelreihe von durchweg in ganziMi
Figuren ausgeführten Hieroglyphen ti'ägt. auf der Vorderseite die Figur
einer mit einer Maske vor dem Gresicht dargestellten Gottheit zeigt, und
im üebrigen die Verkörperung der Wasser-Gottheit, des Ah bolon tz'acab,^
des „Herrn der neun Medizinen oder der neun Generationen'' ist, dessen
Kopf denn auch in der auf der einen der beiden Seiten der Stele angegebenen
Hieroglyphe Abb. 10. rechts zu sehen ist, gegenüber dem durch die Zahl
Sieben gekennzeichneten Gotte, den ich in meinem Buche über Chaculä ')
als Uuc ekel ahau bestimmt habe.
Abb. lu.
Der Anfang des dritten Viertels dieses selbeu Katuü"s endlich,
der Tag 3 ahau^ 3 mol. ist es, der an den Kopf der Hieroglyphen-Reihen
der grossen Cedrela-Holzplatte von Tikal gesetzt ist, und der ohne Zweifel
wohl den Tag der Errichtung dieses Monumentes, den Tag, für den dieses
Monument bezeichnend sein sollte, angibt. Ich habe oben S. 749 dieses
Anfangs-Datum und die Hieroglyphen der Zahlen, die von ihm zu anderen
Daten führen, abgebildet. Es sind keine grossen Zeiträume, die hier dar-
gestellt sind. Von dem Aufangs-Datum führt ein Zeitraum von 2 Tunen oder
"^X360 und 42 Tagen zu dem Datum 11 ik\ 15 ch'en (vgl. Abb. 11). Dann
folgen in der unteren Hälfte der Kolumnen A. B und der oberen Hälfte der
Kolumnen C, D eine Anzahl Hieroglyphen, die noch uueutziffert sind.
In der vierten und fünften Zeile der Kolumnen C, D folgen darauf die
3 Hieroglyphen Abb. 12, von denen die erste eine interessante Variaute
1) Vgl. die Tabelle der Tun-Änfiinge in meiner Abhandlung über die Monu-
mente von Gepan und Quiriguä. Oben S. 8oO, 831.
2) „Die ahen Ansiedlungen von Chaculä im Distrikte Xenton des Departements
Huehuetenango der Repubhk Guatemala.'' Berlin (Dietrich Reimer) 1901. S. 94—1)6.
23. Die Cedrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel.
849
des Zeichens für einen Tag- {hun kin), die beiden anderen das Datum
12 akbal, 16 ch'en darstellen, das in der That den auf 11 ik, 15 ch'en
folgenden Tag, das um einen Tag von ihm abstehende Datum, bezeichnet.
Nach weiteren sechs un entzifferten Hieroglyphen folgen endlich in den ersten
beiden Zeilen der Kolumnen E, F die drei Hieroglyphen Abb. 13, die den
Zeitraum von 3 Tun, oder 3 X 360 Tagen, und das Datum 13 akbal, 1 ch'en,
das um den genannten Zeitraum von dem vorhergehenden Datum, dem
Datum 12 akbal, 16 ch'en, absteht, zur Anschauung bringen.
^Abb. 11
Abb. 13.
Das Datum 13 akbal, 1 ch'en ist das letzte der auf der grossen Hiero-
glyphen-Platte von Tikal genannten Daten. Es steht, wie man sieht, von
dem Anfangs-Datura 3 ahau, 3 mol um 5 Tun (5 X 360 Tage) und 43 Tage
ab. Es gehört nicht mehr dem mit 3 ahau, 3 mol beginnenden dritten,
sondern dem folgenden vierten Katun -Viertel an, dessen Anfangstag der
Tag 9 ahau, 18 arul ist, und bezeichnet in diesem Katun -Viertel den ersten
Tag des ersten in dieses Viertel fallenden Uinals (sogenannten Monats)
ch'en. Es hat gewiss seine Bedenken, das, was uns die späteren Historiker
aus Yucatan oder Chiapas berichten, ohne Weiteres zur Erklärung des
auf den zentral- amerikanischen Monumenten Dargestellten zu benutzen.
Süler, Gesammelte Abhandlungen I. 54.
850
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
Aber ich kauu mich doch nicht enthalten darauf hinzuweisen, dass der
Uinal cÄ'en, der auf der grossen Tikal-Platte so bedeutsam hervortritt, aucli
in dem yukatekischen Fest-Kalender eine besondere Rolle spielt. In ihn
fiel nach Landa das Fest Ocna, das Fest der Erneuerung des Tempels.
Es wurde, nach ihm, den C'/mc, den Göttern des Feldbaus, — oder richtiger
den Göttern der vier "Winde, den Regengöttern — zu Ehren gefeiert. Man
erforschte an ihm das, was nach den herrschenden Zeichen von dem Jahre
zu erwarten war, und man erneuerte die Idole, die Räuchergefässe, man
baute, wenn es nöthig war, den Tempel neu oder erneuerte ihn, — y ponian
en la pared la memoria destas cosas con sus caracteres = „und man schrieb
auf die Wand in Hieroglyphen einen Bericht über diese Vorgänge".
Was nun die anderen Bruchstücke von Tikal betrifft, die sich nicht
zu einer einheitlichen Darstellung aneinanderfügen, so sind auf denen,
die de Rosny in seiner oben genannten Mittheilung mit den Buch-
staben d, e, f bezeichnet, nur noch
unzusammenhangende und schwer
deutbare Reste von Figuren und Sym-
bolen sichtbar. Dagegen sind auf den
Platten g und h de Rosny 's — ich
will sie als Hieroglyphen-Platte II be-
zeichnen — und auf der Platte i de
Rosny 's — ich bezeichne sie ent-
sprechend als Hieroglyphen-Platte HI
— neben Figuren -Resten noch zu-
sammenhangende Reihen von Hiero-
glyphen erhalten.
Auf der Platte II von Tikal
scheint eine Profil -Figur dargestellt
gewesen zu sein, deren Kopf die Züge
/iSü^.:;^^;^^ "^' tier Gottheit der Zahl „Sieben« *) auf-
I V j«*i^,'jr'T~2^A 1 weist, und die als Schmuck auf der
Brust oder am Gürtel einen Kopf
trägt, der von ansehnlichen Dimen-
sionen und noch wohl erhalten ist.
Vor dieser Figur sieht man eine
Doppelreihe von 17 Paaren gut er-
haltener Hieroglyphen, und über ihr ist daneben eine zweite Doppelreihe
von vier Paaren von Hieroglyphen wenigstens noch in Resten vorhanden.
Die erste Doppelreihe, die Reihe von 17 Hieroglyphen-Paaren, beginnt
mit demselben Datum wie die in dem Vorhergehenden besprochene Haupt-
platte (I) von Tikal. Es ist 3 ahau^ 3 viol, der Anfang des dritten Viertels
Abb. 14.
1) Vgl. oben S. 804, Abb. 5b— 56.
2;i. Die Cedrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel.
851
des Katun 4 ahau^ 13 yax^ — der bedeutsamen Zeitperiode, die durch
die Stele B und die Federschiauge G, von Copan bezeichnet wird, und in
deren zweites Viertel die Stele D von Copan fällt. Wie auf der Haupt-
platte (I) von Tikal folgt dann auf dieses Anfangs- Datum eine Anzahl
Hieroglyphen, die Zahlen bezeichnen, und danach ein zweites Datum, das
eben um den Betrag dieser Zahlen von dem Anfangs-Datum 3 ahau^ 3 mol
absteht. Die zahlbezeichnenden Hieroglyphen sind durchaus analog denen
der Hauptplatte (1) von Tikal. Aber ihre Summe ist eine andere, und
dementsprechend ist auch das zweite Datum, auf das sie hinführen, ein
anderes. Ich gebe in Abb. 14 die sieben ersten Hieroglyphen dieser Hiero-
glyphen-Platte II von Tikal wieder. Sie sind in folgender Weise zu lesen:
3 ahau
3 mol
Kein Cyklus
12 (kin) + 11 Uinal
(0 X 20 X 20 X 360)
a2xl +11x20)
2 Tun
(2x360)
6 eb
Vorabend
pop
In der That, suramirt mau diese Zahlen, so erhält mau 12 -j- 220 -|- 720
= 952. Das sind drei Tönalaviatl und 172 Tage, oder zwei Sonnenjahre
und 222 Tage. Und das ist genau der Abstand des Tages, der den Namen
6 eb trägt, und der der Tag vor Pop^ oder der letzte der 5 xma kaha ist,
von dem Anfangs -Datum 3 ahau^ 3 mol.
Das Resultat ist interessant, weil sich aus ihm ergibt, dass das
Element, das hier mit der Hieroglyphe des Festes Pop verbunden ist, und
das ich in Abb. 15 noch einmal besonders wiedergebe, das
Zeichen für „Vorabend" ist. Ich habe danach allerdings
eine Richtigstellung vorzunehmen. Was ich in einer meiner
frühesten Abhandlungen^) auf Grund gewisser Stellen der
Dresdener Handschrift als Zeichen für die Zahl „Zwanzig"
feststellen zu müssen geglaubt habe, und was ich, mit diesem
W^erth, auch noch in " den Zusammenstellungen der zahl-
bezeichnenden Hieroglyphen in meinen Mittheiluugen über
die Monumente von Copan und Quiriguä aufgeführt hatte ^), ist in Wahrheit
nicht ein Zeichen für die Zahl 20, sondern eben diese Hieroglyphe für
Abb. 15.
1) „Ueber die Bedeutung des Zahlzeichens '20 in der Maya-Schrift". Zeitschrift
für Ethnologie XIX (1887), Verband). S. (237) — (240). Vgl. oben S. 400—40(3.
2) Zeitschrift für Ethnologie XXXI (1899), Verband). S. (724), Abb. 225. —
XXXII (1900;, Verband). S. (22(»), Abb. 193—197.
54*
852
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
den Vorabend. Dass sich dies in der That so verhält, werde ich weiter
unten noch näher begründen.
Auf die sieben in Abb. 14 wiedergegebenen Hieroglyphen folgen dann
auf der Hieroglyphen-Platte H von Tikal sieben andere Hieroglyphen, deren
Bedeutung noch nicht festgestellt werden konnte. Und danach die drei, die
icli in Abb. 16 wiedergebe. Hier haben wii- in der ersten Hieroglyphe
wieder die Ziffer 1 und das merkwürdige Zeichen für kin „Tag", das wir
schon auf der grossen Hieroglyphen-Platte I von Tikal angetroffen haben
(vgl. oben Abb. 12), und das die Sonnenscheibe zeigt wie aus einem Spalt
zwischen der Hieroglyphe des Himmels und der Hieroglyphe der Erde
hervorkommend'). Die beiden anderen Hieroglyphen geben das Datum
7 been^ 1 pop, das in der That den auf 6 eb, 5 xma kaba kin folgenden
Tag, das von ihm um einen Tag abstehende Datum, bezeichnet.
^^f^A
Abb. 16.
"Wieder folgen Hieroglyphen, deren Bedeutung noch nicht festgestellt
ist. Aber am Schluss dieser ersten Doppelreihe stehen die zwei Hieroglyphen-
Paare, die ich in Abb. 17 wiedergebe. Und diese bezeichnen wieder einige
Zahlen:
7 Einzeltage, 2 Uinal (= 2 X 20), 3 Tun (= 3 X 360),
deren Summe die Zahl 1127 ergibt, und darauf folgt das Datum 3 ahau,
13 tw), das in der That um 7 -f 2 X 20 -j- 3 X 360 oder 1 127 Tage von dem
vorher aufgeführten Datum 7 been^ 1 pop absteht.
In der zweiten auf dieser Platte H von Tikal noch erkennbaren Doppel-
reihe von Hieroglyphen sind keine Zahlen und keine Daten angegeben.
Ob nun auf den Platten, die sich hier angeschlossen haben, die wir nicht
haben, nicht doch noch weitere Zahlen und weitere Daten genannt gewesen
sind, darüber lässt sich natürlich eine Yermuthung nicht äussern. Jeden-
falls sind wir schon mit dem Datum 3 ahau^ 13 wo, das den Schluss der
1) Vgl. oben S. 731.
23. Die Cedrela-Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel.
853
ersten Doppelreihe der Platte 11 bildet, über das mit 3 ahau, 3 mol be-
ginnende dritte Viertel hinaus in den Anfang des vierten Viertels des
Katuns 4 ahau, 13 yax gelangt.
Die Hieroglyphen-Platte III von Tikal („panneau i" Leon de Rosny's)
enthält zunächst sehr benierkenswerthe figürliche Reste. Man sieht eine
nach links (rechts vom Beschauer) gewandte männliche Gestalt, in reicher
Tracht, mit einer Helm-Maske, die die Gesichtszüge des Sonnengottes auf-
weist, auf einem in sehr eigenthümlicher Weise verzierten Lehnstuhl sitzen.
Darüber wird der prächtig gezeichnete Kopf und die vorgestreckte Pranke
eines Jaguars sichtbar. Davor befanden sich andere Figuren oder Sym-
bole, die aber nach den wenigen erhaltenen Resten nicht zu bestimmen
sind. Vor dem Jaguarkopf und über der Pranke sind zwei Doppelreihen von
je sechs Hieroglyphen-Paaren noch wohl erhalten. Weitere Reihen, die sogar
mehr als sechs Hieroglyphen bezw.
Hieroglyphen-Paare enthalten haben
müssen, schliessen sich an. Von
ihnen ist aber gerade nur noch
der vordere Rand der ersten Reihe
vorhanden.
Diese Hieroglyphen-Gruppen der
Platte in von Tikal beginnen eben-
falls mit einem Datum, das aber
nicht, wie auf den Platten I und II
von Tikal, das Datum 3 ahau^ 3 mol,
der Anfang des dritten Viertels des
Katuns 4 ahau, 13 yax, sondern
das Datum 9 ahau, 13 pop ist. Es
ist das ein Tag, der um genau
20 Tage vor dem Datum liegt, das
den Schluss der ersten Doppelreihe
der Hieroglyphen -Platte II von Tikal bildet. Er steht also um 5 Tun
(5 \ 360) und 260 Tage von dem Anfangs -Datum der anderen beiden
Platten, dem Tage 3 ahau, 3 mol, ab und fällt in den Anfang des vierten
Viertels des Katuns 4 ahau, 13 yax. Aber nicht genau auf den Anfang dieses
mit 9 ahau, 18 xul beginnenden Viertels, sondern 260 Tage später, auf
das erste Fest Pop, das in diesem Katun -Viertel gefeiert wurde.
Ich gebe in Abb. 18 die ersten sechs Hieroglyphen der Platte HI von
Tikal wieder. Sie sind fol^endermaassen zu lesen:
Abb. IJ
9 ahau
13 pop
Kein Zyklus (0 x 20 x 20 x 3G0)
11 e'tznab
18 [kin] (18 X 1) + 7 Uinal (7 x 20)
11 ch'en
854
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
18 X 1 -f- 7 X '20 sind 158 Tage, und das ist genau der Abstand des Tages
11 e'tznab, 11 ch'eii von dem Tage 9 ahau^ 13 pop. Wie auf den Platten I
und n folgt also auch hier auf das Anfangs-Datum eine Differenzzahl und
dann ein durch diese Differenzzahl bestimmtes zweites" Datum. Dieses
zweite Datum ist hier wiederum, wie auf der Platte I, ein Tag, der dem
Uiual dien angehört. Ausser dem Anfangs- und diesem zweiten Datum
wird auf der Platte III nur noch ein Datum gefunden. Es steht in der
ersten Zeile der zweiten Doppelreihe von Hieroglyjihen (Abb. 19) und
bezeichnet den Tag 12 e'tznab^ 11 zac^ der um genau 40 Tage von dem
zuvor genannten Datum absteht.
Es gehen demnach die sämmtlichen Daten dieser Hieroglyphen-Platten-
Bruchstücke von Tikal auf 3 ahau, 3 mol zurück, den Anfang des dritten
Viertels des Katuns 4 ahau^ 13 yaa;, der bedeutsamen Zeitperiode, deren
Anfang oder erstes Viertel durch die Stele B und die Federschlange Gg
von Copan bezeichnet wird. Die Daten führen aber von diesem Anfange
3 ahau^ 3 mol fort bis in den Anfang des vierten Viertels dieses selben
Abb. 19.
Katun's. Sie fallen theils in den Uinal cKen^ den Uinal des Festes Ocna,
des Festes der Erneuerung des Tempels, theils in den Uinal Pop^ die
Periode, in der in späterer Zeit in Yucatan das Neujahr gefeiert
wurde. Der Uinal cKen entspricht unseren Monaten Dezember und Januar,
der Uinal Pop dem Monat August. Nur in einem dieser Daten ist der auf
Pop folgende Uinal Uo genannt.
Die Hieroglyphen haben auf allen drei Platten eine durchaus gleich-
artige, übereinstimmende Gestalt. Die Sicherheit der Linienführung und
ein künstlerischer Zug in der Zeichnung sind unverkennbar. Ueber die
eigenartige Gestalt, in der die Hieroglyphe des Uinals cNen hier erscheint,
habe ich in einer meiner vorigen Mittheilungen schon gesprochen^). Die
Hieroglyphe des Zeichens ahau (vgl. Abb. 11, 14, 17, 18) ist deutlicher,
als es sonst der Fall zu sein pflegt, als ein männliches en-face-Gesicht zu
erkennen, indem die Nase deutlich als solche und mit einem Stab in der
durchbohrten Scheidewand gezeichnet ist, und in dem Munde die winklig
1) Vgl. oben S. 750.
23. Die Cedrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel. 855
ausgefeilten Zähne des Sonnengottes angegeben sind^). Das Zeichen akbal
(vgl. Abb. 12, 13) ist ebenfalls deutlicher, als wohl sonst die Regel ist, als
ein verdunkeltes, maskirtes en- face -Gesicht zu erkennen, und auch das
Zeichen ik (vgl. Abb. 11) ist charakteristischer als auf anderen Monumenten
und als in den Handschriften gezeichnet.
Was die Hieroglyphen der Zeitperioden, der Multiplikanden in den
hieroglyphischen Zahlenausdrücken, betrifft, so kommt das Zeichen kin
„Tag" auf diesen Platten nicht vor. Die Einer sind immer nur durch
ihre Stellung neben den Zwanzigern gekennzeichnet. — Die Uinal, die
Zwanziger, kommen bald in der Form des Zeichens chuen vor (Abb. 18),
bald als der Reptilkopf (Iguana?) mit den kurzen dreieckigen Zähnen,
dem seitlich heraushangenden, langen, gekrümmten Eckzahn und der
Schläfen-Platte mit den drei dunklen Flecken"). — Eigenartig ist die Form
des Zeichens tun^ des Zeitraums von 360 Tagen. Man sieht hier das
Element tun „Stein'' als Stirn-Platte eines phantastischen Yogelkopfes, der
vielleicht allgemein den Begriff „Zeitraum'^ zur Anschauung bringt. Es
ist das eine Gestalt, die an sich schon auf den anderen Monumenten selten
vorkommt. Ich habe sie auf dem Altar K von Copan, auf der Palast-
treppe von Palenque-') und in dem Inschriften-Tempel von Palenque an-
getroffen. Auf den Hieroglyphen -Platten von Tikal ist aber ausserdem
noch die Besonderheit zu bemerken, dass dem Vogelkopfe der Unter-
schnabel fehlt, und dafür eine Art von Wurm oderTausendfuss zu sehen ist, mit
einem umgekehrten a^aw-Zeichen als Kopf und zwei fühlerartigen Schwanz-
Anhängseln. — Ein Zeichen für die nächst höheren Zeitperioden, die Katun
oder Zeiträume von 20 X 360 Tagen, kommt auf den Hieroglyphen-Bruch-
stücken von Tikal nicht vor. Dagegen ist merkwürdigerweise auf sämmt-
lichen drei Platten, jedesmal nach dem Anfangs - Datum, angegeben, dass
keine Zyklen, keine höchsten Zeitperioden von 20x20x360 Tagen, zu
zählen sind. Die Form der Hieroglyphen dieser Zyklen ist im übrigen
die gleiche wie auf den anderen Monumenten: bald (Abb. 18) ein cauac-
Paar*), bald der phantastische Yogelkopf mit der Zeichnung einer mensch-
lichen Hand am Unterkiefer*).
Eigenartig ist auch die Gestalt des Zeichens Null, das neben diesen
Hieroglyphen der Zyklen steht (vgl. Abb. 11, 14, 18). Das in der dritten
Hieroglyphen-Gruppe der Platte HI, Abb. 18, scheint die Form zu haben.
1) Vgl. meine Abhandlung über „Alterthümer aus Guatemala'' in Veröffentl.
a. d. Königl. Museum f. Völkerkunde IV, Heft 1, S. 37; und Zeitschrift f. Ethnologie
XXXI (1899), Verhandl. S. (686). Oben S. 729, 730.
2) Vgl. oben S. 733, Abb. 81—100.
3) Oben S. 735, Abb. 105, 106.
4) Oben S. 739, Abb. 142—145.
5) Oben S. 739, Abb. 146—158.
856 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
die man auf den von mir mitgebrachten Stelen-Bruchstücken von Sacchaua
sieht ^).
Ich komme nun noch einmal auf das Zeichen zurück, das in der
siebenten Hieroglyphen -Gruppe der Platte H (vgl. oben Abb. 14 und 15)
mit dem Zeichen des Uinals Pop verbunden vorkommt, und das, wie aus
dieser Stelle hervorgeht, das Zeichen für den Vorabend oder den Tag
vor dem Eintritt eines Festes oder Uinals ist. Ich sagte oben schon, dass
dieses Zeichen auch in der Dresdener Handschrift und auf anderen Monu-
menten vorkommt, dass ich es aber früher fälschlich als Bezeichnung der
Zahl „zwanzig" angesehen habe.
In der Dresdener Handschrift finden wir dieses Zeichen — aller-
dings in sehr vereinfachter, kursiverer Form (Abb. 20) — auf den merk-
würdigen Blättern 46 — 50, auf denen 13x5 Venus -Umläufe dargestellt
sind, ein Zeitraum, der bekanntlich 2 X 52 Sonnenjahren entspricht. Jeder
Venus-Umlauf (von 584 Tagen) ist dabei in Abschnitte
^ ^ ^ von 90 + 250 -f- 8 4- 236 Tagen getheilt, und diese 13 X
K ^ ^ ^ 5 X (90 + 250 + 8 ^- 236) Tage sind durch die nach
dem Tonalamatl- System ihnen zukommenden Namen
„. ■ ," ■ der Anfangstage auf diesen Blättern zur Anschauung ge-
Hierogljphe Vor- ■, l -, i ^^
abend Dresdener hraclit. Ausserdem aber sind die Anfangstage der ersten
Handschrift. fünf dieser (90 4- 250 4 8 4- 236) Tage durch die Angabe
ihrer Stellung im Jahr bezeichnet, d. h. durch die An-
gabe, in welchen der 18Uinal oder zwanzigtägigen Zeiträume, die das Jahr
enthält, und auf den wievielten dieser sogenannten Monate sie fallen. Wir
haben daher auf diesen fünf Blättern der Dresdener Handschrift eine Reihe
von 5X4 genau bestimmten Uinal- (oder sogenannten Monats-) Daten. Und
mehr noch. Zwei andere, in gleichen Distanzen fortschreitende Reihen von
Uinal- (oder sog. Monats-) Daten sind unterhalb der ersten noch angegeben,
die ich zum Unterschiede von der ersten (A) mit B und C bezeichnen
will, deren Ausgangspunkt gegenüber dem der ersten eine Verschiebung
von 85, bezw. 85 4-1^0 Tagen aufweist. Damit erhöht sich die Anzahl
der auf diesen fünf Blättern der Dresdener Handschrift angegebenen Uinal-
Daten auf 15x4 oder 60. Unter diesen 60 Uinal -Daten finden sich nun
einige, die den zwanzigsten Tag des betrefPenden Uinals bezeichnen. Hier
ist ganz allgemein die Zahl zwanzig nicht durch vier senkrechte oder
horizontale Striche (= 4 X 5), sondern durch das Zeichen ausgedrückt, dessen
verschiedene Formen, wie sie auf diesen fünf Blättern der Dresdener Hand-
schrift vorkommen, ich in der Abb. 20 wiedergegeben habe. Man sielit
auf den ersten Blick, dass das nur eine vereinfachte, kursivere Form der
1) Vgl. oben S. 814, Abb. 89. Vgl. Sei er, Die alten Ansiedelungen von
Chaculä, im Distrikte Nenton des Departements Huehuetenango der Republik
Guatemala, Berlin (Dietrich Reimer) 1901, S. 17.
23. Die Cedrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel.
857
Hieroglyphe sein kann, die wir auf der Hieroglyphen -Platte H von Tikal
als Ausdruck für Yorabend angetroffen haben, und die ich oben in
Abb. 15 besonders gezeichnet habe. In der That sehen wir — allerdings
mit einer Ausnahme — auch auf diesen Blättern das Zeichen, Abb. 20,
nicht mit der Hieroglyphe des Uinals, dessen zwanzigster Tag angegeben
werden soll, sondern mit der des folgenden Uinals verbunden, so dass es
klar ist, dass auch diese kursive Form der Ausdruck für Vorabend ist.
Ich schreibe in Folgendem die Reihen dieser in Distanzen von 90,
250, 8 und 236 Tagen fortschreitenden Daten, wie sie auf den Blättern
46 — 50 der Dresdener Handschrift vorkommen, nieder: —
Reihe A.
H(^^-
4 yaxkin
14 zac
19 tzec
7
xul
(Blatt 46)
3 cumku
8 zo'tz '
18 pax
6
kayab
( « 47)
17 yax
7 moan
12 ch'en
V
orabend
yax
= 20 cÄ'ew
( « 48)
11 zif
1 mol
6 uo
14
MO
( . 49)
10 kankin
Vorabend
xma kaba
= 20 cumku
3 mac
Reihe B.
13
mac
( „ 50)
9 zac
19 moan
4 yax
12
yax
(Blatt 46)
3 zoHz
13 mol
18 uo
6
zip
( » 47)
2 moan
7 pop
17 mac
5
kankin
( « 48)
16 yaxkin
6 ceh
11 xul
19
xul
( „ 49)
15 cumku
Vorabend
tzec
= 20 zo'tz
10 kayab
Reihe C.
18
kayab
( „ 50)
19 kayab
4 tzec
14 pax
2
kayab
(Blatt 46)
13 yax
3 moan
8 ch'en
16
ch'en
( « 47)
7 zip
17 yaxkin
2 uo
10
uo
( „ 48)
6 kankin
16 cumku
1 mac
9
m,ac
. ( „ 49)
Vorabend xul
10 rac
15 tzec
3
xul
( . 50)
[falsch für Vor-
tcy'X'^ir^ ■-«-«-*■>'
abend yaxkin]
= 20 xul
In der Reihe C hat, wie man sieht, der Schreiber der Handschrift sich
verschrieben. Um 20 xul zu bezeichnen, hat er, statt Vorabend yaxkin^
Vorabend xul geschrieben. Es ist dies Verschreiben der Hauptgrund
gewesen, dass ich seiner Zeit das Zeichen Abb. 20 fälschlich als Zeichen
858 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
für „zwanzig" angesehen habe. Die drei anderen Vorkommnisse in den
ersten beiden Reihen bestätigen dagegen durchaus meine obige Fest-
stellung. Von besonderem Interesse ist daneben noch, dass damit nunmehr
auch in der Dresdener Handschrift das Vorkommen eines Zeichens für die
amia kaba kin, die fünf über die 18 X 20 überschüssigen Tage des Jahres,
nachgewiesen ist. Es ist das Zeichen, das in der Reihe A auf Blatt 50
an zweiter Stelle vorkommt, und das ich in Abb. 21 wiedergebe. Es
stimmt mit der Form der Hieroglyphe j;ma kaba kin, die auf den Monu-
menten nachgewiesen ist (Abb. 22), in durchaus befriedigender Weise überein.
In gleicher Weise bestätigen mir aber auch weitere Vorkommnisse auf
den Monumenten, dass das Zeichen Abb. 15 der Ausdruck für Vorabend ist.
Hier kommt besonders in Betracht die Altar -Platte des Kreuz -Tempels
Nr. I von Palenque. Ich habe in meiner ersten Mit-
theilung über die Monumente von Copan und Quirigua
die Initial Series dieser Altar-Platte besprochen. Es
Abb. '21. war die einzige Initial Series, deren Deutung nicht voll-
Hieroglyphe .nua kommen gelang. Ich glaubte einen Fehler annehmen
Aaba kin. Dresdener ,. , „,. , iT-m,
Handschrift '^^ müssen und wies daraui hin, dass auch die im lext
angegebenen chronologischen Fixa durch die dazwischen
verzeichneten Distanzen nicht immer gut begründet
sind, dass mehrfach die Distanzen nur für die Tages-
zeichen-Namen, nicht für die der Uinal-Daten richtig
sind. Es ist nun aber doch zu bemerken, dass ein Theil
dieser anscheinenden Ungenauigkeiten bei Einsetzung
Abb. 22. des Werthes „Vorabend" für das Zeichen Abb. 15,
Hieroglyphe xma ^^^ j^^j Anbringung einer einzigen kleinen Korrektur,
kaba kin. Palenque.
schwindet.
Auf die Initial Series folgt in der vorletzten Zeile der Kolumnen A
7 und B das Datum 1 ahau, 18 2;o'fe, das 20 Tage vor dem End-Datura der
' Initial Series, dem Tage 8 ahau, 18 tzec, liegt. Dem folgen in den ersten
beiden Zeilen der Kolumnen C, D die Zahlen: 0x1, 5X20, 8X360,
deren Summe 2980 ist. Die Bedeutung dieser Summe ist aber noch nicht
klar. Fassen wir sie als Distanzzahl auf, die zu einem weiteren Datum
hinleitet, so würden wir das Datum 4 ahau., 18 yaxkin erhalten, das aber
hier nicht angeführt ist. Es folgt vielmehr in Zeile 3 und 4 das Normal-
und Anfangs-Datum 4 aÄaw, 8 cumku. Von diesem an aber sind die Zahlen
und die Daten nunmehr in Ordnung.
Auf 4 ahau, 8 cumku folgt zunächst in Kolumne C, D, Zeile 4, 5 ein
Zeichen, das vielleicht „Anfang" bedeutet, und danach die Hieroglyphe
des Zyklus mit der Ziffer 13 verbunden, was zusammen vielleicht: —
„4 ahau., 8 cumku ist der Ausgangspunkt der 13 Zyklen" — heissen soll.
Danach folgen die Zahlen 2x1, 9X20, 1X360, die die Summe 542 er-
geben. Das führt von dem Tage 4 ahau., 8 cumku zu dem Tag* 13 ik^
23. Die Cedrela -Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel.
859
20 mol, der in der That unmittelbar darauf in der Zeile 9 der Columnen C,
D verzeichnet ist (Abb. 23), Wir haben hier, wie ich auch schon in
meiner vorigen Abhandhing hervorgehoben habe^),
mit der Hieroglyphe mol verbunden ein wirkliches
Zeichen für die Zahl zwanzig. Und zwar fungirt
als solches das Element tun „Stein", ^Abschnitt",
hier allerdings noch mit einem akzessorischen
Element verbunden. 4 Zeilen weiter unten kommt
dann wieder ein Zahlausdruck. Hier nun schon
eine arrössere Zahl:
Abb. 23.
13 ik, 20 »/»o/, Palenque.
Kreuz-Tempel I, C, D, 9.
OX
1
=
0
12X
•20
=
240
3X360
=
1080
18 X
20 X 360
=
129 600
IX
20 X 20 X 360
=
144 000
274 920,
wobei in dem letzten Ausdruck die Zahl „eins" nicht durch eine Ziffer,
sondern durch das Bild des ausgestreckten Fingers^) bezeichnet ist.
274 920 sind 1057 Tonalamatl und 100 Tage, oder 753 Sonnenjahre und
75 Tage, und das ist genau die Zahl der Tage zwischen 13 ik, 20 mol und
dem Tage 9 ik^ 15 ceh, der in der That unmittelbar darauf, in der ersten
Zeile der Kolumnen E, F verzeichnet ist.
Diese beiden Daten, und das was neben ihnen in den Hieroglyphen
vermerkt ist, scheinen gewissermassen eine Parenthese darzustellen. Denn
die Zahlausdrücke und die Daten, die nunmehr folgen, schliessen sich nicht
an sie an, sondern nehmen ihren Ausgangspunkt von dem Datum 4 ahau^
18 zo'tz^ das in der vorletzten Zeile der ersten beiden Kolumnen A, B
steht. Wir finden nämlich zunächst in der fünften und sechsten Zeile
der Kolumnen E, F die Zahlen:
2x 1 = 2
llX 20 = 220
7X360 = 2 520
IX 20X360 = 7 200
2 X 20 X 20 X 360 = 288 000
297 942,
das sind 1145 Tonalamatl und 242 Tage, oder 816 Sonnenjahre und
102 Tage, und das ist die Zeit, die zwischen dem Tage 4 ahau, 18 zo'tz
und dem Tage 9 ik^ 20 cKen verflossen ist. Dieser Tag ist nun allerdings
1) Oben S. 828, Abb. 192.
2) Oben S. 81G, Abb. 109, 110.
860
Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
hier nicht verzeichnet. Der Schreiber, bezw. der Bildhauer, hat sich
wieder einmal verschrieben. Um 20 cKen zu bezeichnen, hätte er Yor-
abend yax schreiben müssen. Er hat, statt dessen, 9 ik. Vorabend zac
geschrieben (Abb. 24), indem er sich in ähnlicher
Weise, wie der Schreiber auf Blatt 50 der Dresdener
Handschrift, um einen Uinal verrechnete. Die
weitere Eechuung beweist aber, dass hier nur ein
Schreibfehler vorliegt, der übrigens in der That
leicht eintreten konnte, da die beiden Uinal yax
und zac einander ähnlich sind, das unterste oder
Hauptelement in ihrer Hieroglyphe gleich haben
und sich nur in dem oberen Theile ihrer Hiero-
glyphen unterscheiden.
Es folgt nämlich hier, unmittelbar auf 9 ih. Vorabend zac (ver-
bessere Vorabend ya.x) die Zahl:
2X 1 = 2
12x 20 = 240
10 X 360 =3 600
6X 20x360 = 43 200
3X 20 X 20 X 360 = 4320£0_
Abb. 24.
9 j^, Vorabend zae.
Palenque. Kreuz-Tempel I
E, F, 9.
479 042,
das sind 1842 Tonalamatl und 122 Tage, oder 1312 Sonnenjahre und
162 Tage, und das ist eine Tie^i. die uns von dem Tage 9 «A-, Vorabend
yax zu dem Tage 1 kan, 2 cumku führt. Dieser Tag ist nun ebenfalls
hier nicht ausgeschrieben. Aber es folgt bald darauf ein zweiter Zahl-
ausdruck:
13 X 1 =13
7X 20 = 140
6x360 =2160
IX 20X360 = 7200
das sind 36 Tonalamatl und 153 Tage, oder 'IQ Sonnenjahre und 23 Tage,
und das ist genau der Abstand, der von dem hier davor einzuschaltenden
Tage 1 kan^ 2 cumku zu dem in den ersten Zeilen der folgenden Kolumnen
— das sind die jenseit der Mitteldarstellung folgenden Kolumnen P, Q —
verzeichneten Datum 11 caban, Vorabend liop (Abb. 25), das ist 11 caban^
5 xma kaba knn, führt. Es ist also die Rechnung in diesem Theile der
Platte durchaus in Ordnung, und die kleine Korrektur, die wir in dem
Datum E, F, Zeile 9 (Abb. 24) vornahmen, wird hierdurch bestätigt.
Wir haben also hier das Zeichen, das wir auf der Hieroglyphen-
Platte H von Tikal (siehe oben Abb. 14, 15) als Ausdruck für Vorabend
23. Die Cedrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel.
861
fanden, in den Hieroglyphen- Gruppen Abb. 24, 25 der Altar-Platte von
Palenque in derselben Bedeutung verwendet. Ich habe, der Deutlichkeit
halber, in Abb. 26 dies Zeichen für „Vorabend" besonders herausgezeichnet
und eine dritte Form hinzugefügt, die in der Kolumne R derselben Altar-
Abb. 25. 11 cuban, Vorabend pop.
Palenque. Kreuztempel I, P, Q.
Abb. 26. Hieroglyphe Vorabend.
Palenque. Kreuz-Tempel I.
Platte vorkommt. Man wird die Identität dieses Zeichens einerseits mit
der Abb. 15, andererseits mit der Figur der Handschriften Abb. 20 nicht
verkennen.
Auf dem Altar U von Copan kommt dieses selbe Zeichen zweimal als
Ordinalzahl eines Uinal-Datums vor. Da es aber hier nicht möglich ist,
die Bedeutung des Zeichens durch die Rechnung zu' prüfen, so unterlasse
ich es, darauf einzugehen.
Zum Schluss erwähne ich noch, dass dasselbe Element auch in einer
Hieroglyphe enthalten ist, von der verschiedene Varianten (vgl. Abb. 27)
auf dem Ost- und dem Westflügel des Inschriften-Tempels von Palenque,
meist unmittelbar hinter einem Zahlausdruck, in einigen Fällen auch un-
Abb. 27. Paleuque. Inschriften -Tempel.
Ostflügel: A. 11. — G. 6. — L. 3. — L. 10. — M. 12. — R. 10.
Westflügel: B. 9. — C. 2. — E. 9. - R. 8. - T. 7.
mittelbar hinter einem Uinal-Datum vorkommen. Die interessanten Hiero-
glyphen, die die umfangreichen Wand-Inschriften dieses Bauwerks zusammen-
setzen, sind leider — abgesehen von den Daten und Zahl-Hieroglyphen —
noch ungedeutet. Denn was Goodman hier versucht, ist nur eine müssige
Stilübung.
Es liegt mir daher auch ferne zu behaupten, dass den Hieroglyphen
Abb. 27, die das Element „Vorabend" als Hauptbestandtheil enthalten,
deswegen auch dieselbe Bedeutung zuzuschreiben ist. Aber ich hielt es
.gß2 Dritter Abschnitt: Kalender und Hieroglyphen-Entzifferung.
für nützlich, ihre Abbildungen hier zu geben, weil hier das Element, das
mit einer Uinal-Hieroglyphe verbunden die Bedeutung „Vorabend" besitzt,
grösser und sorgsamer ausgeführt erscheint und uns wenigstens etwas
deutlicher erkennen lässt, was den kursiven Formen Abb. 20, in denen
ich seinerzeit mit Sicherheit ein Paar menschliclie Augen erkennen zu
können meinte, eigentlich zu Grunde liegt. Jedenfalls nicht ein Paar
menschliche Augen. Der untere, regelmässig mit Kern in der Mitte ge-
zeichnete Kreis bezeichnet wohl einen Handgelenk -Edelstein, wie in der
Hieroglyphe des Tages -Zeichens manik. Und man könnte daher ver-
muthen, dass das ganze Gebilde eine geschlossene Faust darzustellen
bestimmt ist. Der obere Kreis, oder das obere augeuartige Gebilde, ist
aus einem Kopf entstanden, der, wie man in der Abb. 27 sieht, bald als
lebendiger Menschenkopf, bald als Schädel gezeichnet ist, bald auch durch
das Tages-Zeichen cauac ersetzt zu werden scheint. An diesem Kopf ist
das eine Auge heraushangend, also als herausgebohrt, gezeichnet. In den
mexikanischen Bilderschriften ist das ein bekanntes und geläufiges Bild
der Kasteiung. Und das im Haus oder im Kasten Yerschlossensein ein
Sinnbild des Fastens. Es wird wohl nicht zu gewagt erscheinen, das
Gleiche auch für die Symbolik der Maya-Zeichuer anzunehmen. Denn in
all den auf den Kultus bezüglichen Dingen bestand grosse Uebereinstimmung
zwischen den verschiedenen mexikanisch- zenti'alamerikanischen Stämmen.
Demgemäss werden wir uns vorstellen können, dass dieses Zeichen Abb. 15,
20, 26 zum Ausdruck für Vorabend deshalb geworden ist, weil man am
Tage vor dem Feste fastete und sich kasteite. Und es erscheint nicht
unmöglich, dass die ausgeführteren Hieroglyphen Abb. 27 auf den Inschriften
des Inschriften-Tempels von Palenque die Bedeutung Fasttag haben.
-^g-<888>-5^
Druck von Gebr. Unger in Berlin, Bernburger Str. 30.
GETTY RESEARCH INSTITUTE
3 3125 01109 3362
¥^i
.NiJt i*'
.:W'
i #■' -^^
vf^-i
**h i