Skip to main content

Full text of "Gesammelte Aufsätze über Musik"

See other formats


Google 


This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 


Google 


IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 


-HP^r 


f 



©efamtneltc 2(uffä^c 


Über 


a«uftf 


t)0\J 


Otto 3a^n, 


Stoettcr, untocrSnbcrtcr «bbrurf. 


^rwf unb Serloa öou »reittepf unt> gartet. 

1867. 
ht 


t :. 


Lmm OF TH£ 
LELAHD STANFORD IR. UNIVEnSiVf. 


f1 L-Qö 


$)en treuen greunben 


Otubolf ßi))f^i^ 


unb 


3ba 8tDf*ife 


getDtbmet. 


3nMlt 


(grinnerung an @. (5^>r. ^ptl .- 1 

UcBcr gclij 3Rcnbcl8fo]^n «art^olb^'8 Oratorium ^aulu« 13 

. anklang I. 31u8 aÄcnbcIöfo^nö ^Sricfcn 38 

Ucber gclij 3Rcnbcl8fo]^n «artl^orb^'g Oratorium (glia« 40 

2iann]^äu|er, O^er toon Ütid^arb Söagner 64 

3)ic S5erbammni§ bc« gauft i)on $. ©crlioj 87 

©cftor ©erUoj in Sei^jig 95 

?o]^cngrin, O^cr i)on Siid^arb Sßagner 112 

3)a8 2)rciunbbrci6igfic nicbcrr^ieinifd^c SWufilfcft in 2)üffcIborf . ... 165 

25a8 Sierunbbreigigftc nicbcrr^^einifd^e SRuflffefl in 3)üffcIborf . ... 199 

Slnl^ang H. 2(u« bem SSortoort jum XeytBuc^c 224 

SWojart'^arali^omcnon 230 

Sconorc ober gibcUo? 236 

©cct^>otocn im SRalfaftcn 260 

9eetl(^o))en unb bie ^u^gaben [einer Sßerfe 271 


Erinnerung an ®. (E^. 5lpel^ 


®corg e^rtfttan a^er tft ju Jröd^tcfborn tm Pr^ 
ftcntl^um Stfurt bcn 21. 5Wot)cmbcr 1775 geboren. Unter ber 
i^arten ^\i6)t feine« ftrengen SSatera, »eld^er bafelbft SDrgamft unb 
©d^ußel^rer war , tjerlebte ber Änabe eine an grenben nid^t reid^c 
3ugenb. SSon frül^er ^nbl^eit an füttten ntufifalifd^e Uebungen 
unb jal^ßofe JRed^enejem^el ben Xa^ au« ; jebe« ®pie( mit SKter«* 
genoffen toar ftreng unterfagt, unb Io(Jte il^n einmal ber »arme 
©onnenfd^ein in äbwefenl^eit be« SSater« ju ben fid^ auf bem Äird^*» 
i^of tummeinben Snaben l^inau«, fo l^atte er ju gewärtigen, ba| 
ber l^eimlel^renbe ©ater il^n mit Dl^rfeigen unb puffen toieber jur 
arbeit l^inein trieb. @o lonnte er benn fd^on aU Änabe bie Orgel 
fpielen , toSl^renb ber SSater bie fefttagfid^e Sird^enmuftl birigirte, 
aber fctbft bann in fteter ^wxäft t)or tl^ätßd^en äuöbrüd^en feine« 
3orne« aud^ bei geringen 3Serfel^en. 33ie tjiefen JRed^enejem^el, 
mit benen er gequält würbe , mod^ten wol^f ba« 2lugc fd^ärfen für 
ftrenge Sorrectl^eit aud^. bei muftfaüfd^en 9lrbeiten, weld^e il^n f^ä«* 
ter afe ßom))oniff wie ate Seigrer au^jeid^nete. 9iad^bem er im 
Saläre 1 790 ba« öäterßd^e $au« öerlaffen l^attc, um in S r f u r t ba« 
eüangefifd^e ©V^^nafinm ju bejiel^en , wartete feiner wieber unter 
ben neuen Serl^ättniffen eine fd^were, brüdenbe 3eit. Dürftig, wie 
er war, mußte er aufeerorbentfld^e 3lnftrengungen mad^en, um nur 
ba« 5Wot^wenbige ju erwerben; ^riüatftunben waren fd^wer ju 
erlangen unb würben fd^ted^t bejaj&It , mand^e 3laäft »erging mit 


1) Vieler Sßod^enMatt 1841. 


5 Srinncning an ®. dff. Ä^ef. 

5Kotcnabfd^ret6cn ntctftena für bcnttttettc 3D?itfd^ütcr. 5f^cl erinnerte 
fid^ nod^ in f^äten Salären , ba^ er für ben berühmten Drgamfteu 
6 1^ r. $) e t n r. 9i t n I , ber bantate @rf urt bereit« t^erlaffen l^atte, 
Söaäf^ ju iener^rit nod^ ungebrudted »ol^ttettHjerirte« Älaöier- ab* 
gefci^rieben i^atte ; er fürd^tete , übergroße SWübigleit l^abe il^n vooffi 
wandten geinter mad^en laffen. 33ort geno§ er noäf beit Unterrid^t 
be« fester nad^ Serfin t)erfe^ten S e f I e rm a n u , in beffen gami* 
ße gteid^ grühbfid^e« ©tubium ber.*5ß^i(o(ogie unb ber 3KufiI erbfid^ 
geblieben ift unb fid^erfid^ fegte er burd^ gute ©d^ulfenwtniffe l^ier 
ben ®mnb ju ber feinen unb gefd^madtJ>oKen ©ilbung, »etd^e il^n 
öor öiefen feiner Sunftgenoffen , nantentßd^ jener 3^it/ auöjeidi^* 
nete. 2luf bie 2lrt unb JRid^tung berfetten fd^eiut nantentfid^ bic 
3Serbinbung mit beut greimaurerorben , beut er aud^ in festeren 
Salären nod^ mit ©fer juget^an mar, nid^t ol^ne beftimmenbcn 
Sinflu^ gettjcfen ju fein; fie mar eine burd^au^ freie, •rational* 
l^umanc. Siner feiner Siebfing^fd^riftftetter mar unb blieb Berber. . 
©eine mufilaßfd^en ©tubicn mad^te er bei bem SRufilbirector 
SäJ e i m a r unb ßoncertmeifter ^x^ä)ex, t)or aKem aber bei bem 
l^od^angefel^enen Drganiften an ber Siatl^« * unb *5ßrebiger * Sfird^e 
3o^. S^r. bittet (geb. 1732, geft. 1809). Diefer mar einer 
ber f^äteftcn ©d^üfer Sol^. ®eb. Sad^«, ber einjigc, metd^er 
ba« i>origc Sal^rl^unbert überfebt l^at. Srgraut in ber ftrengen 
Seife be« alten ÜWeifter« , ju bem er mit ber größten SSerel^rung 
em^orfa)^*, l^ieft er and) feine ©d^üfer in fd^^arfer ^näft, unb 
mußte in i^nen mit ber ©id^erl^eit unb geftigfeit in ber ^anbl^a* 
bung ber 2^ed(^nil grünbßd^cn Stefpcct öor bem, ma« man ©d^ufe 
nennt, einjuflftßen. 

Wftl mußte burd^ ben angcftrengten el^rfid^^en gfeiß, mit 


1) SBa« ®crbcr {^l ?cj. III @. 58) i>m Stittd crjä^Ct, baß er ein Wci^U 
getroffene« Delgemälbe toonSol^. @eb. ^äf tjerl^üttt über feinÄköier gclj^Sngt 
platte, ba« er feinen ^üittn nnr jur ©elo^nung für befonberö gcJnngene 
2lrbeiten jetgte, ba« \fat mir 3l^el »ieber^iolt erjfib^t. ^on Äimberger« ganj 
Sil^niiö)tx «cre^mng für ein ©ilb @cb. «ati^g beriti^tet äelter eine braftifd^e 
©cfc^id^te («rief», m. ©oct^e V @. 163 f.). 


feinnctting an ®. (£^. %pti. 


.^ 


bem er unter fotd^cr Slnfeitung fein Zaimt au^bilbete , fid^ beii 
©etfaü feine« Seigrer« ju erwerben, ber tl^n aU einen ed^ten ®d^ü^ 
ter anerfannte unb f örberte ; Sittete Snt^fel^fungen l^atte er »efent^ 
lx6f fein gortfommen ju banfen. 3n feinem einunbjmanjigften 
3a]^re »urbe er Drganift an ber 2:]^oma«fird^c ju Erfurt, int 
3a]^re 1801 jnm 3Kufi!te^rer am f atl^otifd^en ®i?mnafinm, imjol^ 
genben aber jum Drganiften an ber Merl^eißgenfird^e ernannt. 

3m Saläre 1804 ujurbe bie ©tctte be« Drganiften an ber 
5ßicofaifird(^e in Siel t)acant. 5Der3«ftanb berüßufif n^ar bamal« 
in jeber ® ejiel^ung, tt)ie 3eitgenoffen berid^ten/toal^rl^aft fabelhaft. 
Um biefem abpl^effen, voax man Dor altem bemüht, bieDrganiften^ 
ftcKe fo iu t)erbeffern , baß man „tjom Slu^Ianb" einen SWann be^ 
rufen fönnte, ber afe Drgetfpiefer unb aJhififer gfeid^ auögejeid^net, 
bie mufifalifd^e ©itbung ber ©tabt ttjal^r^aft ju f ftrbern im ®tanbe 
fein n)ürbe. Um einen fofc^en SKann ju flnben, tt>anbte man fid^ 
an Mittel, ber befonber« in l^iefigen Sanben große« Slnfel^en genoß, 
ba man il^n bei einem längeren Slufentl^att in 5l(tona ate t)orjüg* 
lid^en Drgetf))ieler unb grünbftd^en 3Kupfer l^atte fennen fernen. 
®ai)on mar bie näci^fte golge, baß il^m berSluftrag juJE^eit tourbe, 
ju bcm fd^te«tt)ig * ^olfteinifd^en ®ef angbud^ ein neue« ßl^oralbud^ 
ju bearbeiten, tt>eld^e« imSal^r 1803 erfd^ienen mar. S« lag nal^e, 
einem feiner ©d^üfer ba« 3lmt ju übergeben , »eld^e« il^n in ben 
@tanb fefete, ba« i>on bem Seigrer begrünbete 9Berf aufjunel^men 
unb frud^tbar ju mad^en. Mittel em^)fa^( al« einen öorjüglid^ be*» 
tätigten unfern WftL ,,9lid^t immer", l^örten »ir §arm« an fei* 
nem ®rabe fagen, ,,tDerbe gerufen, ber ba berufen fei, unb nneber* 
um, nid^t immer fei berufen, ber ba gerufen »erbe."- §ier tuurbe 
ber S3eruf ene aud^ gerufen ; am @nbe be« 3a^re« 1 804 jog %pd 
in Äiet ein unb fanb batb al« au«gejeid^neter Drgelf))ieler, at« ge^ 
fd^madEDotter ®änger jur ©uitarre unb jum ÄfaDier, at« tüd^tiger 
Seigrer bie Derbiente 2lner!ennung. 

SBerfen tovc einen SdM auf bie §au))tmomente feine« nad^ 
außen toenig bettjegten geben«, um un« bann ju ber SSetrad^tung fei* 

ne« mufifattfd^en S33irfen« gu tpenben. ®nige Saläre nad^ feiner Sin* 

1* 


3tt^alt 


®eite 

(Srinnerung an @. (£^r. Sl^cl .- l 

UcBcr gelij SWcnbefefo^n S3art^oIb^'8 Oratorium ^aulu« 13 

. ftn^ang I. 2lu8 3RcnbcIöfo^nö ^Sricfcn 38 

Ucber gclqr SWcnbctdfo^n 55art^otbt?'« Oratorium (glia« 40 

I^nnl^aufcr, O^cr toon SRi^arb Söagncr 64 

2)ie S5erbammni§ bc8 gauft i)ou $. ©crlio^ 87 

^tor ©erlioj in Sci^jig 95 

?o](^cngrin, O^cr i)on ^Rid^arb Sßagncr 112 

3)a«2)rciunbbrei6igftcnicbcrr](>eimWe3RuftIfeftin2)üffcIb0rf. ... 165 

25a8 »icrunbbrcigigjie niebcrr^^cinifd^c 3Ru|«fcfl in 3)üffcIborf . ... 199 

Slnl^ang H. 2(u8 bcm 3Sortt)ort jum Xcjtlbuc^c 224 

iWojart'^arali^omenon 230 

Seonorc ober gibclio? 236 

©cct^ioöen im 3RaI!aflcn 260 

©eet^^oöcn unb bie ?[u«0aben feiner SBcrIc 271 


drinnerung an ®. ^. ^ipd\ 


®cotg S^riftian 2[^)ct ift p Jröd^tcfbotn im gür^ 
ftcut^um grfutt bcn 21. 5ßoi)cmbcr 1775 geboten; Unter ber 
l^attcn 3ud^t feine« ftrengen 3Sater«, ttjetd^er bafefbft Dtgantft unb 
©d^itttel^rct xoax , ijettebte bet ÄnaBe eine an ijteuben nid^t teid^c 
Sitgenb. 9Son früher Äinbl^eit an fußten mufilafifd^e Uebungen 
unb jal^ttofe 9ted^enefenH)et ben 2^ag au«; jebe« ©pief mit älter«* 
genoffen toar ftreng unterfagt, unb totfte l^n einmal ber toarme 
©onnenfd^ein in äbioefenl^eit be«9Sater« ju ben fid^ auf bemÄird^«» 
I)of tummeinben Änaben l^inau« , f o i^atte n ju geioärtigen , ba^ 
ber l^eimlel^renbe 3Sater il^n mit Dl^rfeigen unb puffen toieber jur 
arbeit l^inein trieb. ®o lonnte er benn fd^on at« Änabe bie Drgel 
f pieten , toäl^renb ber 3Sater bie f efttagßd^e Sird^enmupf birigirte, 
aber fclbft bann in fteter i$urd^t i)or t^ätfid^en 9lu«brüd^en feine« 
3orne« aud^ bei geringen 3Serfei^en. !Die ijieten 9ied^encjem^)et, 
mit benen er gequält tourbe , mod^ten tool^I ba« 5luge fd^ärfen für 
ftrenge ßorrectl^eit aud^. bei muftfaftfd^en Slrbeiten, toetd^e il^n f})ä* 
ter al« Som^)onift" toie at« Seigrer au«jeid^nete. 5ßad^bem er im 
Saläre 1 790 ba« Däterfid^e ^au« Derlaffen l^atte, um in S r f u r t ba« 
eoangcfifd^e ©^mnaftum ju bejiei^en , »artete feiner loieber unter 
ben neuen 35er]^ältniffen eine fd^ioere, brüc(enbe3rit. S)ürftig, n)ie 
er loar, mußte er au^erorbentlid^e änftrengungcn mad^en, um nur 
ba« 9?ot]^n)cnbige ju ertoerben; ^riüatftunben »aren fd^ioer ju 
erlangen unb n>urben f d^Ied^t bejal^It , mand^e 9lad^t t>erging mit 


1) Vieler SBoii^enMatt 1841. 


5 feinncrung an ®. (£^. ^ä. 

yiokm^äfxexUn mctftcn^ für bemittelte SRitfd^üIet. 2lj>et erinnerte 
[xä) ttpd^ in f})äten Salären , bag er für ben berül^mten Organiften 
ßl^r. $einr. SRinl. ber bamafö ßrfurt bereit« i^ertaffen l^atte, 
S5ad^« ju jener 3^it noä) ungebrudte« mopem^^erirte« Älabier ab* 
gef d^rieben l^atte ; er fürd^tete , übergroße SWübigf eit l^abe il^n tpol^t 
wandten gei^Ier mad^en taffen. ©ort geno^ er nod^ ben Unterrid^t 
be« \patex naäf S5ertin Derfefeten 35 e 1 1 e rm a n n , in beffen ^amu 
tie gCeid^ grühblid^e« ©tubium ber ^l^ilologic unb ber SDhtfi! erbtid^ 
geblieben ift unb fid^erßd^ legte er burd^ gute ©d^ußenntniffe l^ier 
ben ®runb ju ber feinen unb gefd^ntadijoüen Stiftung, »cfd^e il^n 
i)or i)ie(en feiner Äunftgenoff en , nautentßd^ jener ^ext , au« jeid^* 
ncte. 2luf bie 5lrt unb SRid^tung berfelben fd^eint namentßd^ bie 
33erbinbung mit bem greimaurerorben , bem er aud^ in fj)ätcren 
Salären nod^ mit Sifer jugetl^an mar, nid^t ol^ne beftimmenben 
ßinflug gemefen ju fein; fie mar eine burd^au« freie, •rational 
Rumäne, ßiner feiner 8iebting«fd^riftftettcr mar unb blieb ^crber. 
©eine mufilaßfd^en ©tubien mad^te er bei bem SKufifbirector 
a^eimar unb Soncertmeifter Sif^^^t, i)or aüem aber bei bem 
l^od^angefei^enen Drganiften an berSRatl^«* unb 'ißrebiger «= Äird^e 
3o^. e^r. bittet (geb. 1732, geft, 1809), S)iefer mar einer 
ber f^)äteften ©d^üter äoi^. ©eb. S5ad^«, ber einjige, meld^er 
ba« i)orige Qal^rl^unbert überlebt l^at. (Srgraut in ber ftrengen 
SÖcifc bc« alten 5IKeiftcr« , ju bem er mit ber größten SSerel^rung 
emj>orfa]^*, l^iclt er aud^ feine ©d^üter in fd^arfer Si^äfi, unb 
mugte in i^nen mit ber ©id^erl^eit unb geftigfeit in ber ^anbl^a* 
bung ber S^ed^nil grünbßd^en 9ief^)ect t>f>x bem, ma« man ©d^ule 
nennt, einzuflößen. 

3i^)el mußte burd^ ben angeftrengten el^rßd^en gleiß, mit 


1) 2Ba8 ©crtcr [m. ?cjr. III @. 58) öon Äittcr erjäf>(t, baß er ein Woi^U 
getroffene« Delgemälbc tjonäol^. @eb. ^ad^ öcrl^üttt über feiuÄköier gelängt 
^^attc, baö er feinen ^ükm nur jur S3e(o](>nung für bcfonber« gelungene 
^xhtitm jeigtc, baö i^at mir Wpd tuieber^olt ergS^U. ^on Äimberger« ganj 
5^>nU(j^er S5ere^>rung für ein ©itb @eb. S3o(i^« berici^tct 3elter eine broftifci^c 
©cfd^i^tc («riefm. m. ©oet^c V @. 163 f.). 


feinnerung an ®. (S^. %pti % 

bem er unter fotd^er Einleitung fein 2:alent au^bitbete , fid^ ben 
SeifaÖ feine« Seigrer« ju crtDerben, bev il^n afö einen eckten ®d^ü* 
ter anetlannte unb fötbette; ^ttet« ßnn^fel^fungen ^atte et »efent^ 
tid^ fein gortfontnten ^u banfen. 3n feinem einunbjmanjigften 
3a^re mürbe er Drganift an ber 2:^oma«!ird^e ju Srfurt , int 
3a]^re 1801 junt aJiufiHel^rer am lat^olifd^en ©i^mnafium, im, fol* 
genben aber jum ©rganiften an ber Slßerl^eißgenfird^e ernannt. 

3m Sa^re 1804 mürbe bie ©teüe be« Drganiften an ber 
g^icolaifird^e in t i e t ijacant. ÜDer 3iip<^nb ber 5IKufif mar bamafe 
in jeber S3ejie]^ung, mie 3citgenoffen berid^ten/mal^rl^aft fabelhaft. 
Um biefem abjul^elfen, mar man t>ox allem bemül^t, bieDrganiften- 
[teüe f iu ijerbeffern , ba§ man ,,i)om 3lu«Ianb" einen äJiann U^ 
rufen lönnte, ber ate Drgelfpieter unb5IBufi!er gleid^ au^gejeid^net, 
bie mufifalifd^e ©itbung ber ®tabt ma^r^aft ju förbern im ©tanbe 
fein mürbe. Um einen fold^en äJiann ju flnben, manbte man fid^ 
an Sittel, ber befonber« in ^iefigen 8anben große« Slnfel^en genoß, 
ba man ii^n bei einem längeren 5lufent]^alt in Slttona aU borjüg* 
fidlen Drgelfj>ieter unb grünbßd^en aWufijEer l^atte lennen lernen. 
!£)ai)on mar bie näd^fte i$oIge, baß xSfm ber Sluftrag ju SC^eit mürbe, 
ju bem fd^Ic«mig * l^otfteinifd^en ©efangbud^ ein neue« Sl^oralbud^ 
ju bearbeiten, meldte« imSal^r 1803 erfd^ienen mar. @« lag nal^e, 
einem feiner ©d^üfer ba« 5lmt ju übergeben , metd^e« il^n in ben 
(Staub fefete, ba« bon bem Seigrer begrünbete SBerf aufjunel^men 
unb frud^tbar ju mad^en. Mittel em^)fa]^I al« einen i)orjügßd^ be* 
fäl^igten unfern Wfü. ,/9lid^t immer", ]^i5rten mir $arm« an fei-* 
nem ®rabe fagen, „merbe gerufen, ber ba berufen fei, unb mieber«= 
um, nid^t immer fei berufen, ber ba gerufen merbe."- ^icr mürbe 
ber berufene aud^ gerufen; am 6nbe be« Sa^re« 1804 jog 5lj>et 
in Äicl ein unb fanb balb al« au«gejeid^neter Drgelf^)ieler, al« ge* 
fd^madboüer ©önger jur ©uitarre unb jum Staijier, al« tüd^tiger 
Seigrer bie berbiente 3lner!ennung. 

SQBerfen mir einen SSM auf bie ^au})tmomente feine« nad^ 

außen menig bemegten geben«, um un« bann ju ber Setrad^tung fei* 

ne« mufilaßf d^en SBirf en« ju menben. ginige 3a^re nad^ feiner Sin* 

1* 


4 (feiitnerung an &, (tif, %^, 

luHft ^cirafi^cte er bic Sttcftc Zoäfttx be« itx&ffvxttn Surtftcri « n b t. 
Sßitl^. dxamtx, 3Kcta, btc fd^on im Salute 1808 tl^m gcnom* 
mcu toutbc^ ; f^^ätcrl^n ml^citati^ctc er M auf« 5Reue mit SKar« 
garct]^a3orbanau« Hamburg, tt>elci^e ttjenige Saläre tor feinem 
JEobe ftarb. S3Ä feiner au^g^l^^^^*^^ JEüd^tigfett tourben il^m 
nad^ unbnad^ mel^rere äemter fibertragen, er »urbe im Solare 1810 
©tabtcantor, im Saläre 1818 jum SWufilbirector an berUniberfität 
unb im 3a]^re 1821 jum aÄufiKe^rer am ©d^ulte^rerfeminar er* 
nannt, ÜDie eigentl^ümßd^en SSerl^äftniffe biefer SCnftatt liegen fein 
SÖirlen für biefelbe Don leiner lange« !Dauer fein — ol^ne fein 
33erf d^utben ; benn er i)ern)attete feine Slemter mit pnnhixäftt 
^fKd^ttrcue, .unb »ar feinen jal^freid^en ©d^ülern ein ftrenger unb 
geftnffenl^after ße^rer. SSon 9latur mit feiner felfyr frfiftigen ®e* 
funbl^cit begabt , fränielte er in ben testen Salären feine« geben«, 
in benen aud^ eine junel^menbc ©d^ioäd^e be« ©el^ör« i^n beläftigte, 
me^r unb mel^r , unb im legten 3affxt nol^m bie ^auC^it einen 
fd^mer}]^aften unb gef&^rßd^en (S^arafter an. &n lange fel^ntid^ft 
Don i^m gei^egter säjunfd^ , ba§ bie Drget ber Slicolaifird^e burd^ 
eine grünblid^e 9te))aratur in einen n)ürbigen B^f^^^nb gebrad^t 
»erben möge , fd^ien cnbtid^ in ßrffiöung ju gelten. 9lad^ Sefei* 
tigung Dieter ©d^n^ierigleiten U)urbe biefe(be befd^(offen unb Anfang 
be« 3a^re« 1841 bamit begonnen. @eine n>teberl^It au«gef^ro« 

1) (Sramer fagt in feiner $au9 • (S^ront! @. 111 f. ^on ^it]vcX^ttt: 
„3Äeta, geboren 1789 unb gejiorbcn 1808, n)Ar i>er^>eirot(>et an ben Orga* 
niften unb Wluf,h^ixcciox Sl^el, ben, 3^r »igt eö, iäf »egcn feiner nie fcl^l* 
greifcnben ntufltdifd^en S>cc(amation , bie mir U\) feinem S^onfefeer in gleich 
^o^em ^ftbe borgefommen, eben fo l^oäf fiefle, t«ie i^ il^n table, bag er mit 
feinen eigenen (£9m;^ofttiDnen fici^ fo tief fleUt unb mit i^nen fo largt, obtDOlj^l 
fte t>or taufenb (Stp\^tmtttn be« Sage« Dom $er)en lommen unb )nm $er}en 
gelten. @ein gernanbo,fo Dorgetragen, toic er ihn toortrSgt, ifl ein 3Rci« 
flerftüd, unb feine Hoffnung unb (Srinnerung, »em l^at fie nici^t ba« 
©erj betoegt. WIM)U er mir fie beim Uebergange jum Senfeit« öorfmgen ! 
@ein Orgelf^ief jeid^net i^n nebenbei ou«, unb toie fottte e« niij^t? 3fl er bod^ 
ein <^>dß\tt Dpn ^ i 1 1 e l unb biefer Don <^ebafttan3ad^, unb mel^t brauet 
man eben nixi^t gu tt>iffen/' 


(Srinneriing an (^. di^. ^tt 5 

ifftm fC^nung , ba| et bic neue Dtgcl nic^t mcl^r 6crfil^ten wevbc, 
tt>«Tbc ttjol^. am 31. äiuguft 1841 toutbc et i)on feinen Seiben 
ettödt unb <an S^age, nad^bem er ba^ingegangen n)at, »erftummte 
aud^ feine OtgeL 

tUn bem i^etnaci^töffigten Bwftonbe bet l^teftgen 3Rttfi! gtünb* 
tx^ aufjn^elf en , mu^te %)fd t>oxm^mixäf atö gelltet »ttfen ; unb 
ixoai iuntetft ate Seigrer im ©efange unb Ätabietf^Jiet , fettencr im 
Orgetfpiel unb in bet SC^eotie. S)od^ werben feine , wenn aud) 
nid^t fel^ ja^treid^en , ©d^üter in' ber S^eorie mit banibarer Sin* 
erfennung an bie eifrige ^El^ilnal^me unb gewiffenl^afte ©orgfÄt 
juritdbenfen, mit weld^er er ii^re ®tubien leitete ünb um ein fid^e* 
rc« unb [tetige^ g^^ttfd^reiten bemül^t war. Sr befolgte bei feinem 
Unterrid^te burd^cma ben ®runbfa^, wetd^en jungft nod^ Sl^erubinl 
an bie ®<)i^e feinet Sontrajjunftötei^re fteüte, ba^ ber ©d^üter an 
bie boüe ©trenge ber SRegetn ju binben fei , bamit er nad^l^er mit 
©ewugtfein äu^ttal^men mad^en fönne. 3)iefe fd^onung^fofe 
Strenge , ber ßrnft , weld^er jeber ä^änbelei unb gtfid^tigMt feinb 
war , unb nid^t nad^ße^ , bi« bem SSertangen bc^ Sel^rer^ ®enüge 
geleiftet war, mod^tc mand^em, bem e« ijornei^mßd^ um ©^5iel unb 
Unterl^aftung ju tSfMn war, l^erbe fd^einen unb ii^h jurädtfd^rcdfen, 
«m \fi m^r, ba bie Oefd^madt^rid^tung %)ftU in eben bem Wlaa^t 
ernft unb würbig war. aSon bem Vorwurfe ber '^banterie , wie 
er fid^ wol^l l^at tjcrnel^men laffen woöen , war 9lpet öottlommen 
frei jtt f^red^en. Sr war au^gejeid^net burd^ feine äf%tifd^e ®it* 
bung , burd^aue fefbftänbig unb frei in feinem Urti^iC , in feiner 
Seife befangen burd^ eine trodtene ©orfiebe für ted^nifd^e i£üd^tig* 
leit, ein warmer SSere^rer ber grofen SWeifter ber SSor jeit, unb bod^ 
mit gleid^r 2:^citna^me ben neueften ©eftrebungen in ber 3ÄufiI 
\iäf ^ngebcnb. aber er ^ielt bie 9»uftl ^od^ ate eine tunft, unb 
ijerad^tete unb i)erf})ottete jebe ßntwürbigung berf eCben, er^woßte 
fie nid^t jur Unterl^attung eine« fd^wafeenben ÜE^eetifd^e« erniebrigt, 
nid^t ate Surrogat einer ftodenben Urtterl^attung angefei^n wiffen, 
unb jebe 3Wufif, bie biefcm B^edte gentigen foüte unb lonnte, war 
i^m i^erjßd^ juwiber. ißeim Unterrid^t fud^te er , au^er ftrenger 


6 (Srinnerung an ®. (£1^. ^pct 

(S.omctffdt auf ttd^tigc Sluffaffung unb »irKid^c^ SSctftänbniß 
bc« icbe^maßgcn aRufüftücfe^ ju ipitfen. ÜDal^er toat beim ®c* 
fange fein f)au^)taugenmer! auf richtige !©ecIamation unb einfad^en, 
magren 33orttag — für beibe^ U)ar er felbft Sßufter — gerid^tet, 
unb man barf geftel^en , ba§ bor biefeiit S3eftreben ba« ber ted^ni^ 
fd^en ©tlmmbitbung i)ietteid^t ju fel^r jurüdttrat. Smmer ttjaren 
aber ©id^erl^ett unb geftigleit in 2:on unb ZaU, nitx^aupt eine att* 
gemeine mufif afifd^e SCüd^tigfeit trefflid^e ^enn jeid^ea ber ät^jeCfd^en 
©d^üte, 3ltlerbing^ fonnte eine gemiffe §eftig!eit unb Sitterleit, 
ttjenn fie aud^ in ber t'ixpzxix^m Di^^)ofition beö 33erftorbenen fo 
mie in bem ©ntDirfen mand^er »ibriger 35erl^äÖniffe t^re dnU 
fd^ulbigung finben, ti)o^l mand^en ©d^üfer jurüdffd^redfcn ; immer 
trägt aber bie ®d^eu üor ber Slutorität be« Seigrer« beffere grüd^tc, 
ate bie ÖJcringfd^afeung eine« fd^tpad^en Seigrer« i)on ©eiten be« 
eingebitbeten ©d^üler«. — ÜDiefeCbe SRid^tung i^ertrat Sl^)el aud^ 
bei ben i>ffentlid^en SKufilaupl^rungen , in benen er burd^ bie 
SBal^t guter aKufifftüdfe ben ©cfd^madt ju bilben fud^te unb bei bc* 
fonbcren ©etegenl^eiten burd^ feine Slu^ma^f feinen S^alt bctoäl^rte. 
%viö) um bie Sludfül^rung, foiDeit e« bie l^iefigen SBittel, um bereu 
gortbitbung er feine geringen aSerbienfte ^at, ertaubten, mSglid^ft 
i)ottfommen ju mad^en, iDurben i)on il^m fo loenig 3^it unb SÄül^e 
ate Soften gefd^eut. I)enn im l^ol^en ÖJrabe uneigennüfeig, licj er 
aße anbern JRüdffid^ten jurüdftreten, fobalb e« bie Sunft galt. ©« 
mirb nod^ in gutem ©ebäd^tnig fein , mit loetd^en 3lufoj>ferungen 
unb Slnftrengungen jeber Slrt er ju öcrfd^iebenen ä^ten große 3Ku* 
fümerfe, toie^anbeffd^e Oratorien, bie ®d^ö^)fung, ba« SBeltgerid^t 
in einer SBeife jur Slu^fül^rung brad^te, bie nad^ aWaaßgabe l^iefigcr 
SSerl^ättniffe too^t an SUiufiffcfte erinnern !onnte, bi« il^n ber 
SJiangel an Unterftüfeung Don berartigen Untcrnel^mungcn jurüdE* 
bringen mußte. 

Sinem loefentlid^en ©ebürfniß unb ^au^^tl^emmniß ber mufi* 
lalifd^en Slu^bilbung fuc^te 2l^)el batb nad^ feiner §erhtnft burd^ 
Einrichtung einer mufifaüfd^en Seii^bibßotl^ef abpfeifen. 35er Don 
i^m entn)orfene ^tan tt)ar Dortreff ttc^, unb mit feiner äÄufilalien*. 


(grinncruttg an @. (5^>. Wptt ^ 

Icnntui^ unb feinem ©cfd^mad ix<i6fk er eine ©ammtung ju 
@tanbe, bie an SSottft&nbigfcit unb Slu^wal^t tl^red ®Ieid^en fud^tc 
unb Don tl^m mit einer fcru})utöfen ©orgfalt in f^ftematifd^e Orb* 
nung gebrad^t »ar. Slöein Sl^jet lonntc biefe (Saöft nur i)om lünft* 
tcrifd^cn ®efid^t^^)unlt aud bel^anbetn , fie ate Kaufmann rein ge== 
fd^äftüd^ ju Betreiben toar ii^m unmögtid^ , unb fo tt>urbe gcrabe 
biefe Untcrnel^mung , i)ie fö geeignet fd^ien, ju feinem unb be« 
publicum« SSeften ju bienen, für il^n eine nid^t auf^Srenbe Oueöe 
öon finanjießen 2Bibcrtt)ärtig!eiten unb unangenel^mcn (Srfal^rungen 
aöer ärt, fo ba§ er fid^ am ßnbc gejnjungen fal^, biefettc faOen 
ju laffcn* Ueber]^au^)t mar eö ber 3ti?ief<)alt feiner burd^ unb burd^ 
lünftterifd^cn Statur mit ben 3lnforberungen be« tägtid^cn geben«, 
i)or aüem bed gefd^äftßd^en 35crlel^r«, totldft ü^n fo mand^c bittere 
@hH)finbung, fo mand^e S^äufd^ung erfal^rcn lu%, bie feine ®tim* 
mung me^r unb mei^r berbüftertcn. äöer i^n lannte, l^at ed oft 
erlebt, tok bie Sefd^aftigung mit ber Äunft feinen ®eift toon 
aüem befreite, \s>a^ x^n brfiden unb tjerteften mod^te. ®o oft id^, 
noc^ in ben legten Seiben^Jal^rcn, tt>o er toenig 3Wenfd^en fal^, ii^n 
ju befud^en lam, burfte ic^ nur bo« @ef^)räd^ auf aÄufil unb 3Jiu* 
filer Icnfen ; id^ war fidler, bafe eö nid^t nur feine Sil^eilnal^me er* 
regte, f onbem il^m balb bie ^eitcrfeit unb greil^eit bed Reifte« gab, 
»eld^e au« innerer SSefriebigung l^erborgel^t. Unb in biefen äugen* 
bfidcn, tt)o feine n^al^re 9?atur fid^ rein unb frei offenbarte, toirb jer 
benen gcgenu^ärtig bleiben, loetd^e il^n toal^rl^aft er!annt l^abcn. 

3m weiteflen Äreife toar Wftl gelaunt unb gefd^äfet »egen 
feine« Orgelf ^)iele«. S« bebarf l^ier am Ort leiner Berufung, um 
JU ertoeifcn, tt)ie meifterl^aft unb au«gejeid^net e« toar, 3ebermann 
»eiß e« ; bod^ mag e« aud^ angeführt werben , mie bie treffßd^ftcn 
SWciftcr, ä. »iomberg, 6. 3R. t). SBeber^ (ber an Wfü einen 


1) Seber, ber. auf einer Steife nad^ ^o^nl^iagen im $erbfl 1820 fidf 
eintge j^age in ^iel auffielt unb in ^e(9 $)aufe gafiUd^e ^ufnal^me fanb, 
fd^reibt an feine %xau (II @. 258) : „'äptl l^attc mir immer toerf^rod^cn, ettoa« 
auf feiner Orgel )>or}uf^ieIen , e9 t)er}ögerte ftd^ aber immer , bid }um letzten 
^[ugenbUäe; nad^bem id^ alfo k>onenb0 einge^adt ^tte, gingen tQxx mit nod^ 


g (Srinnerung an @. (£fy, ^et 

©d^üfet t)erö>ic«, »cld^cn er ffcftft nid^t anncl^mcn lonnte) , ßlafing, 
SSct^fc, Äw^tau u. ai., ä)n fd^ä^ten unb anerlanntcn* ä[^5cte®tre:^ 
bcn »ar nici^t auf laute« 8ob gettd^tct , unb tt)tberu)ärtig toax üfm 
atted cittc asirtuofentj^um med^anif d^er ^ngcrfertiglcit unb erbetene 
Sobl^ubclei. (£t fud^te auc^ in feinet SBeife pd^ ate Dtgelf<)ieler 
einen 5Ramen ju mad^en, ti)ie er e« fel^r »ol^t tjermod^t ^ätte ; außer 
fcen nül^er gelegenen ©täbten, Hamburg, fiübed, So^)en]^agen, be^ 
fud^te er nur ©darneben auf einer Äunftreife, u>o benn bie berbiente 
änerlennung nid^t ausblieb. ÜDie 3Birffam!eit, tt>eld^e er ate Dr* 
gonift in ber l^intifd^en ©emeinbe f anb , gab i^nt bie größte S3c* 
friebigung; bie Doöe Srffittung ber ^fßd^ten feine« 8lmte«, bie 
tt)ärbige geitung ber Wbx\\l beim ®otte«bienft, na^ni il^n ganj in 
8lnf^)rud^ unb erfüllte il^n ganj. ©ewiß war Wpzi in ted^nifd^er 
f)inf{d^t ben bebeutenben Drgetf|)ielern beijujäl^ten. (Sr bezauberte 
meifteri^aft fein Snftrument, beffen Sau er ftubirt ^atte, »ie U)c* 
nige, aber J)or fel^r bieten jeid^nete il^n ber ®inn an^, mit wetd^cm 
er ba« l^enßd^fte alter Snftrumcnte betrad^tete unb bd^anbette. 
„®pxti ift ®j)iet" i^at Semanb- bom Drgelf^jifl gcfagt. dagegen 
feften »ir ben 8lu«f^)rud^ eine« ftrengen Sttd^ter« , ber bon unferm 
Wfti fagte , Jifm fei fein ®})ie( fein ®pkl gemefen , fonbern einen 
l^ol^n, l^cißgen ©ruft l^abe er in baffetbe gelegt." 5Rur SSJfirbigem, 
^oi^em , ^eiligem foüte bie Orgel 8lu«brud teilten , fern foUte il^r 
a^t^ geid^tfertige, XSnbelnbe bleiben, auä) bie (grinnerung fearan 
tt)otlte er nid^t bulben. ©o gemattete er einem fremben Drgetf^)icler 
nid^t, ein 2^ma au« einer tt>eltlid^cn äÄufif ju bel^anbeln. Slber 
nid^t nur äußerlid^ eierte er bie ^dfft äöürbe feine« 3nftrument«, 
fonbern mit tiefem ©efüi^l unb feinem ®inn ftrebte er unabtäffig, 
U)ie er am beften ber änbad^t bleue. @« »ar ii^m ein ernfte« ©tu* 
bium , ganj in ben @cift ber iebe«maligen ©cfänge einzubringen. 


einigen grcnnbcn in bie Äirci^e. 3«^^ fann 2)tr gar ni^t fagcn tote feicrliti^ 
ba« xoax. 2)ic f(|8nc gotl^if^c Äirci^c mit bem SJottmonb burci^ bie ^^iihtn 
uttb bie einfamcn Std^ter an bem Orget^or. 2)te ernjlcrt SÖeifcn bie er f^ieltc 
über ben S^orat: ^efleljjl bn beine ^egc, ba« aUe« griff fo ineinanbcr, baß 
^i$ mt(^ fe^r \}t><if f^omtte/' 


dxmntmnq an &. (Sl^. Wßd. 9 

fic fo in \iäf ouf juncl^en , ba^ er in 25or ^ unb ^t0x\6)tn\)fAzUn 
xSfX^m SviffaÜ üottercitcnb, ijcrmtttcfob unb mcitcrfül^rcnb fid^ an* 
f d^mtegtc unb auf geift * unb gentfit^i)0Üc SBctfe bic fd^önfte auf* 
gäbe be^ SDtgetf^icter^ tennern unb 8aien jur Srbauung fö«te. 
35oci^ »oju bebarf e« bcr SÖorte, um ba« ju fd^ilbern , »a« 3eber 
üon un^ erfal^rcn l^ot unb tt>ei§ ! 

ate ßom^jonift ift Wftl im weiteren Äreife »enig belannt ge* 
»orbcn. 3n feinen Slnforberungen an fid^ ftrengcr nod^ ate gegen 
änbcre, unemiubßd^ im ®effern unb Sludfcilen, fal^ er nid^t leidet 
eine 5lrbett für Doßcnbet an unb übergab nur ungern feine Som^)o* 
fitiouen bem öffentßd^cn Urtl^ciL 9lud^ für bie Drgel t)at er »enig* 
ftcn« nid^t« btudcn toffen ; feiner ©tarle im .^l^antafiren , »ofür 
er ein bebeutenbed, treffüd^ au^gcbitbete« lafent befa^ , meiftt er 
lieber vertrauen unb burd^ bie freie ®d^ö|)fung be« Slugenbßd « ent* 
Juden, a(^ bieipenig banibare äKül^e bed ^uffd^reibend übernel^men. 

äßit aSorßebe com^)ontrte er nur für ®efang* Eine gro|e 
%nia^ gieber, einftimmigc »ie mel^rftimmige , mit unb ol^nc 
Begleitung, jum sil^eit für ben ©ebraud^ beim Unterrid^t be* 
ftimmt , xoaxm bie grud^t feiner 5Rcbeuftunben ; Don il^uen finb 
nur tt>enigc befannt geworben, ©efunbe unb »al^re äuffaffung 
im Slügemeinen, ftrenge S)edamation , (ginfad^l^eit unb ©angbar* 
feit finb bie ßigenfd^aftcn , toüäft fie audjeid^ncn. Sitte« ^afd^en 
nad^effect, aße« Ueberf d^tt>angßd^e toar il^m burd^au« fremb, toa« 
in il^m lebte einfad^ unb njal^r au«juf|)red^en »ar ba« innere Söt* 
bürfnift, bem er ju genügen ftrebter ©einer gangen SRid^tung unb 
©teüung gemäß raubte er fid^ Dorgug^toeife ber geiftßd^en 5KufiI 
JU. 3nbeffen verfolgte er l^ier leinedtoeg^ eine SKd^tung auf ftrenge 
gormenunb contraj>unItif d^e Sunft, »ieman bie« Don einem ßnlel* 
fd^üler ©eb. Söaäf^ enoarten fönnte. S« fd^eint, at« tt>enn er aud^ 
in tittete ©d^ule nur bie grof en Drget * unb ÄtabierJoerte be« 
aßeifier« l^abe lennen lernen , bie großen ®efang«com^)ofitionen 
ujaren il^m unbelannt geblieben. @r tDar auf biefem ®ebiet Diel* 
mel^r ^if. (Sman. Sdaäf jugetl^an, ber ja im®cgenfa^ gegen feinen 
^ater ben Soutra^sunlt au« ber Sird^e Dcrbannt miffen »oUtc* 


1 Srtnncning an ^. <£^. Sl^d. 

Slu^ Sl})el fud^tc burci^ ßinfa(I;]^ctt uub Älatl^cit bct SWelobic bcn 
mufüaUfd^cn Slu^brutf bc« rcügiöfen ®efül^te ju eincnt leidet fa§* 
tici^cn ®cmctugitt ju rnad^cu, gcuml^ttc, aber nie gcfud^te ^atmonic 
foüte bcn ginbrucf i^erftärfeii uub cr^ö^cn. Mtx Äünftcici feinb, 
ftrebtc er löor allem mä) JReiu^eit unb ebler 3Öürbe unb üerfd^mäi^te 
jebeu ©d^ntucf , mitunter J)tetteid^t ju ftreng. Uebrigen^ n)aren 
^a^bn , aWojart ^ unb ber Scetl^oijen ber erften ^txt bie SWetfter, 
bte il^n fünftlerifd^ eigenttid^ angeregt l^atten. ©aüon tx>ax aüer* 
bingi^ lein birecter Sinfluß auf bie ©attung ber 9Kufi! ju f^)üren, 
toetd^er er fid^ mit befonberer SSortiebe unb unau^gefe^ter 2]^ätig:= 
feit juiDenbete. ÜDieö tt>ar ber ßl^orat, beffcn äu^bitbung unb @nt* 
n>tdfetung er mit großer Sorgfalt ftubirte , toofür aud^ eine fd^öne 
©ammtung ber bal^in einfd^tagenben Sitteratur in feinem Slad^Iag 
jeugt. Sr mußte balb toal^rnel^men, tt)ie »enig audreid^enb bie l^ier 
gebräud^Iid^en ß^oratbüd^er, fetbft bad Äittef f d^e , feien , tt>ie man 
bie alten, fräftigen äJietobien burd^ 3Seränberungen, SJerjierungen, 
Bearbeitungen entfteßt unb i^ertoäffert, anbcre gänjtid^ uniDÜrbige 
aufgenommen , toie man gar feine SRüdffid^t auf Uebereinftimmung 
jmifd^en ben ®efängen uub SUielobien genommen f)attt, S« voax 
bal^er fein eifrige^ öeftreben , biefen Uebclftänben ab jul^elfen ; bie 
alten SÖMobien bon ftörenben B^fäfecn ju reinigen, unb — xoa^ 
bie <S>a6)t feiner geringen SUiül^e unb Slrbeit n^ar — mögßd^ft auf 
bie urf^)rfingttd^e Duette jurüdf jufül^ren , unbraud^bare au^jufd^ei* 
ben, S^crt unb SÄetotien in SinMang ju bringen unb, »o e« 5Rot]^ 
tt)ar, neue 3U componiren, !Ca» SRefuttat langer, gemiffenl^after 3lr* 
bcitn)arba^ünfd^einbareS^oraI*3JieIobieiibud^, ba^ juerftim 
Saläre 1817 erfd^ien unb in ^iefigen 8anben attgemein im ©ebraud^ 
bie J)erbiente 3lner!ennung gefunben l^at. ^ier mag nur barauf 
l^ingebeutet »erben , mt 3l^)ete eigene ß^oratmefobien burd^ Sin:* 
fad^l^eit unb SÖürbe befunben, in loetd^er SBeife er bie SÄelfter bcd 
£ird^engefange6 ftubirte. Slttein nod^ blieb bie l^armonifd^e ©ear* 


1) SGßie no6) Äittel burd^ bo« 9Jcquicm für SKojart gcmonncn tourbc 
l^abc iäf auf Wf^tii ©cloä^r beii(j^tct {iWojart IV ©. 737 f.). 


(Srinnerung an ®. (S^f. ^ä. 1 1 

bcttung ber SWetobieu jurfid, foöte bic SEBürbc bc« Ätrc^cngcfangc« 
i)ct ungcfd^td tcr Sel^oubtuug gcfd^üfet fein. SKtt ungtauMid^er @otg* 
falt mtb Ireue arbeitete Sl^eCfein Dierftimmige^ e^otatbud^ 
au^S , tuetci^e« föt beu ß^otgefang fottJol^C ate für bte Segfeitung 
fcet Drget eingetid^tet ift. SBemi man ewägt, »a« e« fagen mitt, 
bei einem fold^cn SÖerl in ber Mrffid^t auf bie Dcrfd^iebenattigften 
gotbetungen be$ ^Jtaltifd^en ©ebraud^^ nid^t ju ermüben , einfad^ 
ju fein ol^ue ©nförmigleit , ernft o^ne Itoden^eit, »irb man bic* 
fem SäJerf bie ijerbiente änerlennung öot ben mciften äl^nüd^en 
nic^t Derfagen lönnen^ 3SieIe Saffxz ^inburd^ arbeitete ^pel an 
bem ßl^oratbud^ al« an einer ber lpou|)taufgaben feine« geben«, 
unb n)urbe be« SSeffern« unb geiten« nid^t mfibe. @rft im Solare 
1 832 l^atte er bie greube , bic ber ^erau«gabe entgegenfte^criben 
^inbcrniffe befeitigt , fein SBer! gebrudtt unb balb im Sanbe Der* 
breitet p feigen. 

@ine anbere grud^t biefer ©efd^äftigungen »ar fein im Solare 
1824^ieraufgefü]^rte«Dratorium(Si^riftu«. ©« mar biefe« ein 
eigentpmtid^er unb intereffantcr SSerfud^, eine mal^ri^aft pxote\tan^ 
tifd^e Sird^enmufil l^erbor jubringen, ©ein ßl^riftu« bel^anbclt in 
üier äbt^eüungcn (Sl^rifti ®eburt, gel^ramt, geibcn unb 2:ob, Stuf* 
crfte^ung unb ^immelfal^rt f o , ba§ ber lej t au« einer ^Mrooiffi 
ber bcbeutfamften S3ibcIftcKcn gcbitbet ift, »etd^c mit j>affcnbcn 
Sl^orälen abmed^feln , burd^ metd^e bie mefeutlid^en SOlomentc jur 
anfd^auüd^eu SÜarl^eit gebrad^t mcrben. SBenn l^ierin eine gemiffe 
äcl^ntid^Ieit mit bem 9Kef fia« erfd^einen lann, fo ift bie mufüati* 
f d^c Sel^anbCung bagegen eine ganj Derfd^iebene. "äptl moüte nur bie 
ßtemeute bc« ®otte«bicnfte«, mie er l^icr gebräud^Iid^ ift, ju l^Sl^e* 
rer SSotttommcnl^eit fortgebitbct in Slnmenbung bringen , unb e« 
foßte bie« Dratorium ganj unb gar in bem retigiöfen SetDußtfein 
ber ©emeinbe tourjelnb, baffetbe aud^ in ber gebräud^tid(;en ^^oxm 
au«f^)red^en. ÜDcr mufilalifd^e 2^eil be« ®otte«bicnfte« foßte i^ier 
in mögüd^ftcr 3[u«bilbung erfd^einen , bie ^vdfix^x foKten an bem*- 


1) Sintcrfelb, 3ar ®t\(ifiäfU ^eiliger Sonfunjl I 6. 371 ff. 


12 erinnerung an (S. S^; 3(^d. 

fctbcn einen tt)a]^r]^aft tcügiöfen Slnt^eit nel^mcn , e« f oöte eine 
l^anblung bet ®cmetnbe fein. 3« biefem ^t\>td bebicnte er fid^ 
bet alten Sl^oralmelobien , «nb Bel^anbette au^erbem aütn ©efang, 
bet Sinjctncn toit bc« (^ox^ , auf bie fd^mucfiofefte , cinfad^ftc 
SBcife, m<i) äßaaßgaBe ber l^ier übUd^en öturgifd^en i$ormen , ju* 
mcift al6 3lnttt>]^onicn, inbem er babet alte burd^ langen ©ebraud^ 
gc^eißgte SBeifcn tjielfad^ benufete. Sluf jebe lunftDoöerc gorm ber* 
jtd^tete er ; ebenfo auf beu <B^mnd ber 3nftrumenta(mufif ; nur 
bie Drget, ate ba6 3nftrument ber Äird^e, fanb Slnn^enbung; ju ber 
an wenigen ®teßen nod^ ^ofaunen i^injutraten. ' 35a« Oratorium 
mdd^te bei feiner Sluffül^rung tiefen ©nbrud, n)oju 5lpete meifter* 
l^afte« Drgelf^)iet nici^t »cnig beitragen mod^te , u»b e« ift ju be* 
baucrn, ba^ ed nid^t größere iöclanntfd^aft erreid^t l^at , aüein er 
tt>ar f^)äterl^in mit bemfcfbcn nid^t mcl^r ganj jufrieben , id^ fonnte 
il^n nid^t bett)egen , e« mir mitjutl^eiten , uiib bor feinem S^obe l^at 
er e« Jjernid^tet. 

9iac^ 3Soßenbung feine« ©l^oralbud^e« toar bie Sludbifbung 
unb 3SerDolttommnung ber beim ®otte«bienfte gebräud^ßd^en änti* 
p^onxtn feine §au|>taufgabe. ©in XJ)txi berfetben ift ^ier unb'an 
anbern Drten befannt geworben, unb mer ba« 33 at c ru nf er «nb bie 
(iinfc^ung«tt>orte gel^ört l^at, wirb eingeftc^en, ba^ ein tiefe«, 
malere« ©efül^t in feiner 6om^)dfition ftd^ in innig ergreifenber 
2Beife au«f<)rid^t ; bei naiverem ©ngel^en lann man »ol^t erftaunen, 
wie üebebott unb finnreidl^ ber ÄünftCer in ba« Sinjetnfte ftd^ Der* 
fenft i^af . (gine reid^e ©ammlung bon ^nti^jl^onien l^at er com^)o* 
nirt unb mit ber umfid^tigften ©orgfalt bearbeitet , fo ba| überaß 
aud^ auf fd^mäd^ere Srafte fowc^l be« Sl^or« afe ber Drganiften 
5RfidEfic^t genommen ift. S« war fein fel^nlid^fter Söunfd^ , biefe« 
ffierl gebrudft ju feigen «nb in il^m ein B^ugnife feine« f ünftferif d^eft 
ffiirf en« ju l^intertaffen , Dielfad^e ^emmniffc l^aben e« berl^inbert. 
ßrft nad^ feinem lobe l^abe id^ im ^affX 1845 biefe« ,,Sird^Iid^e 
2luti<)]^onarium, entl^. 89 ©efänge für ben *^rebiger omättar unb 
ein ©inged^or mit obligater Orgclbegleitung"' ]^erau«geben !önnen. 


Uetcr 


^. ORenbelgfo^n 33art^olb^'« Oratorium 

^aulu«\ 


üRcnbct«[o^n^'^auIu^ tft f o oft auffleffl^t , fo t>i^U 
fad^ U^pxoiftn »otfccn , ba| c« fd^tt)ct fein nnitbe , 9?cuc« übet 
benfclben ju fagcn. 5lud^ mfiffen btc nad^ftc^cnbcn Briten aöcr* 
btng^ barauf m'jtd^tcn ,• bcn Äewietn unb ©cfel^rtcn i>om ^aä) 
neue äuffd^tüffe ju gewällten. ^cti>orgcrttfcn butd^ einen i)on 
i)crfd^iebencn ©eiten geänderten SSnnfd^ , bei einer l^ier in ^iet 
bet>orfte]^nbcn Äupi^rnng, über mand^e ^nntte ÄnfftSrnng ju 
erlangen , tt>erben fte inbe§ anci^ in weiterem Äreife tjießeid^t l^ic 
unb ba um fo t^ S^l^eifnal^ntc finben, ate meliere ber in ©etrad^t 
lontmenben g^agen fetbft in muftfafifd^en 3eitf^riften nid^t gel^ö* 
rig in« äuge gefaxt ju fein fd^einen. 6« n>irb aber jnr rid^tigen 
SBürbigung biefe« ©erfe« , befonber« mit ©ejiel^ung auf äl^ntid^e 
(grfd^inungen , t>m 5Wtttjen fein , tttoa^ genauer bcn ©oben ju 
betrad^ten , in iDeCd^em e« tt)urjelt. 

e« ift bcfanntßd^ eine f e^^r alte Sitte , bie '^ a f f i o n n^Sl^* 
renb ber Sl^am^od^e in ber Äird^e muftlatifd^ aufjufül^ren. Die 
SSJeife, in toeld^er biefe« nod^ jcfet burd^ bie ©ijtina in 9iom 
gefd^iel^t , ift n^enn aiiäf nxäft bie urf|)rüngßd^e , f o bod^ eine auf 
unleugbar fel^r alter Ürabition berul^enbe. ©igent^ümtid^ ift ber* 
felben bie SJemtifd^ung be« e^)ifd^en unb eine« bramatifirenben 


1) (Srf^im al9 „eine ^efegen^eitöfd^rtfr' md 1842. 


1 4 äßcnbcfefo^n feart^iolb»?*^ Crotorium $autnd. 

(Stcment^. ÜDcr betteffcnbc Slbfd^nitt bc^ Sijangetiunt tDitb näntttd^ 
fo borgettagcn, ba§ ein ©änger, gleid^fant beu Süangeüften Dor^ 
ftettcub , attc^ xoa^ Srjäl^Iung ift Bi« bal^iu , voo 3cnianb tcbcnb 
eingefül^vt ttjirb/ abfingt, ba bann ein anbetet ©ängct il^n aUh 
fenb biefe JRebe Dotttägt, motauf jenet ben gaben bet Stjä^fung 
tDicbet aufnimmt. ÜDiefcsf ^tincip ift abet ^lic^t in bet aiu^bcl^* 
nung befolgt , ba^ füt jebe tebenbe ^etfon ein beftimmtct ©änget 
einttete, fonbetn bie ^oi)l betfelben ift auf btei befd^tänft in 
einet SBeife, bie beutßci^ etfennen fä|t , nad^ wetd^en Mdfid^ten 
man fo »etfal^ten fei. Sßot aüem fd^ien e« angemeffen, bie SReben 
be6 ^eitanbe« au« jujeid^nen , unb e« ift ballet ein ©änget be^* 
ftimmt, bet aßein ba« üotttägt, tt>a« Si^tiftu« fptid^t. Da auf 
biefe SBeife ein btamatifd^e« Stement in bie !Datfteüung gelommen 
n>at, fo fanb man e« junäd^ft <)affenb, bag bie SDiogb butd^ bie 
l^Sl^et Kingcnbe ©timmc eine« Knaben obet (Safttaten l^etiootge^o* 
hj^n n)etbe, aüein um einet gat ju gto^en SKannigf aöigf eit ein 3tet . 
ju f efeen , übetttug man biefet- (gefd^fed^t«tofen) ©timme jugteid^, 
alle übtigen SÖotte tebenb eingefü^ttet ^etfonen , tt)a« bie beab* 
fid^tigte- SÖithmg bie einjefnen ^etfonen ju inbibibuafifiten aßet* 
bing« fo jicmßd^ loiebet aufhob. 3nbe^ -bejeugt bet Sßame ancilla 
(bie 5IKagb) , toctd^ct nod^ jefet biefem btitten ©äuget gegeben ibitb, 
ba§ biefe« in bet 5El^at bie utf})tünglid^e SSotfteüung gewefen fei. 
3u biefen gefeßt fid^ enbfid^ bet ßl^ot, njeCd^et ba« SSot! (turba) 
batfteßt, fo oft boffeCbe tebenb eingefiil^tt loitb. 35on biefen Diet 
2:]^eitne]^metn an bet !Ddtfteßung l^at nun jebct eine beftimmtc 
gotmet , nad^ tt>e(d^et et aße«, toa« il^m julommt , Dotttägt. 6« 
ift bie« natütßd^ eine fel^t einfädle ^jfatmobitenbe SÖeife , bem gtö«' 
|eten Seftanbt^eiCe nad^, eintönig tedtitenb, nut gegen ba« 6nbe 
ju einet beftimmten, me^t metobiöfen Sabenj fid^ eti^ebenb. !J)em 
butd^ fefte 2:tabitton geleiteten, ©äuget ift e« anl^eimgegeben , bie* 
felbe jnjedtmä^ig auf ben t)otjuttagenben Slbfd^nitt ju Dettl^eiten, 
ba bet tecitatitjmägige S^ataftet betfelben geftattet , fie nad^ Söt^ 
bütfniß au«3Ube]^nen unb ju mHltjen. Slud^ bie t)on belta 
SBittotia (1585) cottt|)onittcn ßi^otfäfee finb !uti unb tmpp ge* 


iDtenbetöf o^n i^rt^otbi^'d Öratortutn ^anm. 1 5 

i^atten uub bctcal^rcn bcnfcttcn t^^Jtfd^cn ßi^arafter. f)tcburd^ 
mxt bcgtcifßd^cr SBcifc Jcbc inbtt>ibucßc Sl^araftcrifti! aufgeboten, 
unb icne SSereintgung berfd^iebencr 'perfonen tu bcr ancilla njirb 
baburd^ t>ict bebcutfaiucr, atö c« bet fclo^c Ätang ber ©tintme er* 
fd^etucn ße^e. Da« bramatifd^e Stement tritt aU ein äu^erfid^e«- 
uub faum l^alb eutwtdtette« »icbcr jurüdt ; bie 35arfteßer mit t^rcm 
t^^jifd^en Straftet crfd^etucn ntel^r ate ©^ntbotc^ @« tft'etu* 
[eud^teub , ujetd^e uutergeorbuetc ®teße bic 3Kufi! l^ier einnimmt, 
noie fie mcl^r nur bem SJortc S'iac^brudt unb Slang ju geben be* 
ftimmt fd^eiut , aU bafe fie bie Xicfe unb 3Bärme bc« ©efül^t« ju 
erfd^tie^cn bermöd^tc. Unb bod^ fd^eint c« unjmeifeti^aft , bafe mv 
l^ier bie Queße ju fud^cn l^aben, au« tt>e(d^er bie ticfften unb 
bebeutenbften äBerte ber geiftlid^en beutfd^en SOtofif entf^)rungen 
ftnb2. 

!iDic ^)rotcftantifd^e Sirene bel^iett bie Slup^rung ber 
^affion in ber Sird^e bei. ®o grofee« 3ntereffe e« l^aben »ürbe 
im ©injetnen nad^jumeifen, »ie jene gorm fid^ aßmäßg umgebilbet 
^abe , fo finb bod^ teiber bie baju erforberlid^en ©^jeciatunterfud^* 
ungen nod^ nid^t angefteflt. %&x -biefen ^totd genügt bie ©etrad^* 
tung ber 'paff ion«mufiI bon ©ebaftian S9ad^, in tt>e(d^er 
bie gro^artigfte, boßeubetfte 3lu«bitbung jener Seime, uub ba« 
<>roteftantifd^e ^rinci^), »eld^e« fie ganj unb gar burd^brungeu l^at. 
Mar l^ertoortritt, 2Bir feigen l^ier »ieberum ben betreffenben Slbfd^uitt 
be« Sijangeßum unJ>eränbert ju ®ruube gelegt , bic ©timme bed 
ßöangeliften tragt refitatiöifd^ bie @r jäl^Iung öor , bie rebenb ein* 
geffil^rten ^erfonen fo tt)ie ber 6^or treten fetbftänbig ein. 3lßein 
erftßd^ ift jene SJefd^ränlung auf brei ©änger toeggefaßen , afie 
^erfonen finb felbftänbig öon einanber gefd^ieben ; fobann , xoa^ 
ungleid^ toid^ßger , ift bie geffel jener ftarren , t^^>ifd^en t5orm ge* 
brod^en. 3Rit ßefem ©emfitl^ uub ber tebenbigften Snergie finb bie 


1} «crgt. ®oetH Brief», m. Setter I @. 71 ff. - 
2) (gg »irb t)on 3ntcrcffc fein aut^ ^ier {^n^ng I) ju (efen, toie 9Wen« 
bel^fol^n felbft über eine jolc^e ^uffül^mng an Setter berid^tete. 


1 6 ^mhti»\üi)n ^oxti^tlhtf^^ Oratortunt $au(ul 

Sorte bed @)»angeßum aufgefaßt , unb titd^t geBunben butd^ eine 
i^ergefcrad^te, ftete ftd^ »ieberl^olenbe Sotm, bcfttcbt ftd^ bcr 9Reiftcr 
mit einer, burd^ ba« groge äBerl l^in nid^t ermfibenben, fiebeöotten 
©orgfatt, nid^t nnr bie 3nbit>ibuofitäten fd^arf jn d^araftcriftrcn, 
n)ie bie« jumal in ben Sl^&ren mit gewaltiger ^aft ]^crJ>ortritt, 
fcnbern ber gefammten (ärjäl^tung in atten il^ren Stnjel^eiten ben 
treffcnbften, bejeid^nenbften Slu^brucf ju gelten, unb biefc« mit einer 
äßal^l^eit unb Snnigleit berßm^jflnbung, »etd^e bie ergreif enbfte 
SaSirfung l^erborbringen. ©ie äRufif, toetd^e bort ein äußere« 
SDüttet toat , erfd^cint l^ier in ii^rer ganjen, »ai^ren SBebeutung ; 
tt)ir l^aben ein Sunfttoerf i>or un«, gonj unb innerlid^ft burd^brun^ 
gen unb belebt burd^ bie SDZufif . ©d^on l^ierin feigen »ir atfo bie 
aiuöbilbung jener Seime ; e« ift nun aber nod^ ein neue« Stement, 
ein t^rifd^e« l^injugetrcten. 35er in fold^er äBeife burd^gebilbete 
äJortrag be« Sbangelium n)irb nämßd^ an ben geeigneten ®teßen 
burd^ ben äu^brud ber burd^ ba« JBort be« Stjangetium J^ert)or^ 
gerufenen ßm^^finbung ober SSetrad^tung unterbro^en , entn)eber 
fo , bafe bie burd^ bie vernommene 9iebe erzeugte ©timmuiig be« 
©emotive« feftge^alten unb in längerer 3lu«fül^rung au^gef^jrod^en 
»erbe , ober inbem ber öetrad^tung eine »eitere Slnwenbung unb 
3lu«bitbung gegeben toirb. 3e naÄbem e« erforbertid^ , gcfd^iel^t 
bie« burd^ ben @efang ©njetner ober ben Si^or, unb jtoar, tt>ie e« 
ber ]^&]^e^d^tt)ung ber (gnH)finbung bertangt, erl^ebt fid^ aud^ ber 
mufüalifc^e äu«brudt in biefen ©äfeen über ba« gew&i^nfid^e Wlaa% 
bie aJiufil tt)irb feuriger, maffenl^after, breiter, unb in il^ncn jeigt 
fid^ ganj befonber« bie tiefe Äunft be« SReifter«. $ier tritt nun bie 
55orm be« Si^orat« in ben äJorbergrunb , »eld^er un« boltenb« 
über bie tclft ^>roteftantifd^e Statur biefe« neuen SIement« aufftärt, 
toie e« fid^ benn al« fotd^e« eben aud^ burd^ biefe gorm anfüubigt. 
ÜDenti e« ift Kar, bafe biefe ärien unb ß^örc auf einem ganj anbern 
^riuci^) berul^en , at« fene bramatifd^en ©eftanbtl^eile be« Si>an«= 
getienoortrag«, bafe fie ber 3lu«brud ber Snn>finbung unb SReflefion 
ber @emeinbe finb , bereu !E^eiInal^me beim @otte«bienft ber ^o* 
teftanti«mu« verfangt, »etd^e bal^ oud^ auf bem ©ebiete ber Sunft 


SÄcnbcWf o^n Sart^olb^*« Oratorium «ßautud.i 1 i 

^xtn tbccöcn SSerttctcr finbcn mu^tc. Slm beutßd^ftcit ift bte^, ipic 
gefagt, ba, »o bev Sl^orat eintritt, ba bicfe« bic gorm ift, in »d* 
d^cr bic ©emcinbc i^rc ®efüi^Ic unb ©ctrad^tungen au^f^)rid^t, 
attciu ntd^t ntinbcr eintcud^tcnb ift cd aud^ ba, »o eine anbete 
gorm ben ©ebingungen ber tnnft gemäg toar. Sd ift bied etmaö 
bem antöen Sl^or analoge«, ber cfcenfaßd ba« audf^jril^t, toa« im 
attgemeincn ©emu^tfein fett unb baffclbe vertritt. üDafe ober bic* 
jetben SDtittet ber Darftetlung für biefe ücrfd^icbcncn Sfemente an* 
gemcnbet »erben, liegt notl^menbig in ber %oxm ber mufifaßfd^en 
^unftmerfe, »cfd^e ba« t^rifd^e , bramattfd^e unb e^>ifd^e Slcmcnt 
neben einanber in fid^ fd^tiefeert , obgteid^ biefe« bie SSerantaffung 
ju ntand^en 50H^öerftänbniffen gemorben ift, inbem man ba« SBe* 
fen über bem Slcu^erßd^en nid^t bead^tete. 

SU« bie Sitte biefer ^affion«aup]^rungen immer me^r »er* 

« 

nad^Iäffigt »urbe unb atfo ber ®inn für bie ©ebeutung berfctbcn 
jugteid^ abnahm , mugte aud^ eine äl^ntid^e 2luffaffung geiftfid^cr 
3Kufif fid^ verlieren , unb bie SBad^'fd^cn SBcrfe felbft geriet^en in 
SSergcff en^cit , ber fie ja üor nid^t gar langer ^ext erft toieber cnt^ 
jogen finb. ^Dagegen »urbe für geiftßd^e SKufif bie gorm, tt>efd^e 
§ ä n b e I bem Oratorium gegeben l^attc, fo jiemßd^ bie aügcmcine. 
2)iefe ift i)on ber bef^>rod^cnen n)efentßd^ J>erfd^ieben , tt)ie fie benn 
aud^ auf einer ganj anberen ®runblage berul^t. $änbet »anbte fid^, 
nad^bcm er eine tauge Steige öon S^pzxn gefd^rieben l^atte , ba bie 
33er]^ältniffe il^m bie SSül^ne öerfd^toffcn , bem Oratorium ju. dt 
ging babei öon ber gorm be« Oratorium« au« , xoddift baffetbe in 
3taßen al« ein ^Rebenjtoeig ber 0^)er — azione sacra im®egen* 
f aft ber azione teatrale — crl^alten l^atte , jur Slupi^rung bei 
lird^ßd^en »ie jene bei ipettßd^en geften befßmmt. aber er burd^* 
brang fie mit ber gewaißgen Sraft feine« männßd^en ©eifte« unb 
fd^uf ein i^m ganjeigentl^ümßd^^Beue«. Sr erfaßte biebon il^m ge* 
»äfften ernften SSorrpürfe in i^rer für bie aKenfd^^eit im ^öd^ften 
©inne gefd^id^tßd^en ©ebeutung, unb inbem er ben 6^or jum 
§au^>tträger ber mufif aßfd^en Darftettung mad^te, gen)ann er nid^t 
oüein für bie ^öd^ften tunftformen ein ergiebige« ge(b , fonbern 

3al?n,«uffä^eübeta)lufTf. 2 


1 § i0tenbe][$fi>t»n ^art^olb^'d Öratertmn $au(u^. 

für ben 8(«^bnt(f bc« ©ro^arttgen unb jtal^rl^ft g3ofl^tti&§igcn 
btc unerfd^ö^jfßd^cn SWtttct. ®ie gorm , in toetd^ct er meift aß« 
tcftatnentanf d^c Stoff c bearbeitete, »ar in f o ipeit bramatifti^ , al« 
bei bem 2Äanget »irfßd^er 35arfteßung biefe burd^ breitere Sf^jo* 
fition erfefet t»erben fann. |)ier l^ören »hc feine Srifi^tung , aße 
^erfonen trtten fetbft rebenb auf ; bem 3tt>e(fe gema§ ift atterbing« 
t>on eigcntßd^er ^anbfung nur f o i^iel ba ate nBti^ig ift, um ©itua* 
tienen l^erbeijufül^ren, »etd^e jur audfül^rfid^en Darfteßung öer^ 
f(i^iebener ßm^ftnbungen unb Seibcnfd^aften, »ie e^ bie SJJufif er*» 
forbcrt, 35eranlaffung geben. 3Ran mu§ geftel^en, bafe bie gemäht* 
tcn ©egenftänbe, xovt Sofua, ©amfon, 3ubaö SRacca* 
bau« u. a. bagu l^iid^ft geeignet finb, um fo mel^r, ba bie teiben^ 
fd^aftßd^en Sleu^erungen oft rafd^ med^fetnber Sm^^finbungen bei 
ben S^racßten, in Siebe unb ^a% in entl^ufiafßfd^em ©ottt^ertrauen 
unb muti^tofer Sliebergefd^tageni^it , in greube unb jrauer fel^r 
banfbar für ben mufilaßfd^en äu^brud finb. Die Bearbeitung 
be« ©toff« ift eine ganj freie , bie fid^ nur in ben augern Um* 
riffen an bie l^eiL Schrift l^äö, n)o e« nöti^ig fd^eint, abfürjt, au«* 
fül^rt, auc^tt)o]^t, um ba« Sntereffe ju erl^öl^en, toiej. 33. im 3of ua, 
eine 8iebe«e^>if obe einfd^aftet. Demgemäß ftrebt aud^ bie mufüaßfd^e 
3(u«brud«n)eife nad^ bramaßfd^cr ß^arafterifti! ; nur ift ber SSor* 
t^eit, »eCd^er baburd^, ba| feine äcßon ba toar, für ben Som^jo* 
niften entftanb, im geft^alten unb breiteren 3lu«bru(f ber (Sm<)fin* 
bung, worin ba« eigentfid^e SBefen ber SfÄufil befielet, i)oße greü^it 
ju ^aben, »>ie fid^ benfen tagt, im tjoßen ^m^ genügt. 3n biefer 
ärt ift bie SÄe^rja^t ber ^nbef fd^en Oratorien befd^affen ; gang 
dnber« freifid^ ber SÄeffia«. 3n biefem ift gar fein bramaßfd^e« 
®ement, unb eben fo toenig fann man ii^n e^)ifd^ nennen, laum bag 
^xt unb ba ein gaben fid^ jeigt, ber ba« (S^anjt äugerßd^ jufammen* 
pit, baÄ.bief mel^r auf ber in]^alt«fd^tt)eren Äraft feine« ®runbge* 
banfen« bofirt, al« in l^iftorifd^er gorm enttoidteß ift. @« ift biefe« 
cotoffate SBerf am el^ften ber SSeri^enßd^ung be« ^eitanbe« burc^ 
einen ©cl^er ju tjcrgleid^en, öor beffen al^nenbem Sßdt bie Reiten 
fid^ öermifd^en, unb ber in grogartigen, fül^nen SSifbern ©efd^el^ene« 


^enbetefol^n ^rtl^Dtbt^'d Orolcrium fanlm, 19 

Ulli ^ebad^ted gu ß l u c m i)ertuut)ft. @o ftc^t btefc« in (Sonce^^tion 
itnb Slu^fül^rung gteid^ bemunbern^njürbtge 2ßcr!, ba« anä) tu 
feiner gorm ein auBerorbentlid^e^ uub ifoUrt pel^enbc^ ift, burd^au« 
auf bem inbiüibuefleu ®tanb))un!t be« große» 3Jianneö , nid^t auf 
beut SSoben beö fird^ßd^en ®otte«bienfte«. 

3ene bramatifirenbe gorm ber Oratorien ober lourbe in f^jä-- 
terer ^tit, toie gejagt, faft allgemein ate SJhtfter angefel^euv ®o 
toie für §ättbe( au|er bem il^m angebornen Srnft aud^ bie Steigung 
ber Snglänber für Hbüfd^e ®toffe beftimmenb getoefen fein mod^te, 
fo fd^eint auf ber anbern Seite ba^ ßrlatten bed ürd^tid^en ®inn^ 
unb ein öerflad^enber a^iationaß^mu^ ju ber aflgemeinen SSerbrei«» 
tung berfetben beigetragen ju l^aben. 2)enn to^getö^t öon aßen 
Elementen be^ fird^fld^en Ootte^bienftc« ^atte fie einen aßgemein 
l^umanen ©tanb<)un!t eingenommen, ttjobei bie SBal^t bibßfd^er 
®toffeettt)a« jufäßiged ift. ©o uuterf d^eibet fid^ aud^ ^anbete 3luf * 
faffutt'g««» unb öe^anblung^meije in biefen Oratorien üon ber ii^m 
fonft eigentpmßd^eu »efentßd^ nur infofern at^ bie 9latur be« 
®toffed unb ber 3Jiufi! ber rid^ßgen bramatifd^en S^arafteriftif 
toegen größeren @rnft unb l^öl^ere SBürbe J>ertangte. Ikbrigen« ift 
e.« bem unbefangenen ^örer nid^t fd^toer ju erlennen> mie mand^eö 
in biefen Oratorien burd^au^ ti?eftßd^ ift unb fein foß, Slber man 
loarb burd^ bie ®röße unb gr^abenl^eit be^ getoalßgen Spanne«, 
burd^ bie gebiegene ^aft, bie Xiefe ber Sm^finbung, burd^ feine 
äJiäßigung unb ed^ten Slbet l^ingeriff en, toenn man für Äennjeid^en 
be^ ^rd^ßd^en l^iett, »a^ ber Slu^brud feiner 3nbit)ibuaßtät mar. 
Da« aiJiißt>erftanbniß ging fo Joeit, baß man fogar feine 2:ed^nif 
a(d bad ÜRufter ber {ird^ßd^en auf fteßte , unb ba t>kk^ , toa« i^ 
ober «feiner ^dt eigen, f^iäter fremb unb l^erbe erfd^ien, e« um be«* 
mißen auäf für ed^t ürd^ßd^ ^ieü. @o ift e« begreifßd^ , baß tro^ 
beiJ öietf a(^en anbaue« biefe (Sattung öou Oratorien , f o tt>ie fie 
ftd^ mit ber Äird^e nie bereinigen tonnte (man mü^tt benn bie Sluf« 
fül^rungen in ber ^ird^e ot« öewei« gelten taffen moflen) , aud^ bie 
aflgemeine Sebeutung nid^t erlangt l^at, toeld^e il^r fonft nid^t l^ätte 
entftei^en !6nnen. Slber aud^ bie beffern unter ben Slad^eifereru 

2* 


20 SWcnbctefol^n ^«rt^otbi?*8 Oratorium $aulud.' 

f)änbet«, mc 39. t fein unb Slaftng, finb nxäft bur%cbrun=' 
gen ; btc metften aber , todäfz bicfc ©al^n gcrpanbett finb , l^aben 
il^rc 3lufgabc immer äugerßd^er erfaßt. 5C^ciI« entbel^rt bie bra* 
matifd^e Sluffaffung -icner ÜÄäfeigung , njctd^e ber ßtnft nnb bie 
äßürbe be« ©egenftanbe« crfotbert, »oburd^ fie bie innere ©d^ranle 
jtt)lfci^cn D^)er unb Oratorium aufhoben ; tl^eitd f^>ri(^t fid^ in il^ncn 
eine SBeid^ßd^Ieit unb B^tfloffenl^eti ber Sm^jftnbung au« , ipetd^e 
ganj jener Äraft unb i^eftigfeit ermangelt, bie öor aütm ^otif tl^ut, 
um einen über ba« SBeftßd^e erl^abenen S^aralter ju geben ; t^eifö 
jeigt fid^ l^anbtperf^mä^ge JRoutine, bie aüe« über ben einmal ge* 
fd^ni^ten ßeiften fd^tägt , unb ben Dratorienftit n)ic eine 3lrt t>m 
!Decoration be^anbett, in il^rer argen ©löfee. 

S« ift begreiffid^, ba§ man bie geiftßd^e OÄufil mieber auf 
ben ©oben ber Sird^e jurüdjufül^ren fud^te , bafe man fie auf ba« 
SBefen be« ©otte^bienfte« begrfinbete, unb inbem man bie ßfemente 
beffetben, f oujeit fie in ba« ©ebiet ber tunft faüen, au^bilbete, ein 
bem reßgiöfenOefü^IunbSSetou^tfein ber®emeiube entf^)red^enbe« 
SBerf ju jd^affen fid^ bemül^te. SKanmu^te atfo juber I?ei(. ©d^rift 
unb bem ß^orat, bem Slu^brud ber reßgiöfen @m^)finbung unb 
9tef(efion ber®emeinbe, afö toefentßd^en ®runbtagen jurüdBel^ren. 
Site ein eigentl^ümßd^er 3Scrfud^ , biefe« l^erjufteßen, ift ba« Dra* 
torium ßl^riftu« tjon ®. 6i^. 3l^)et anjufel^en, aU ein burd^aud 
fetbftänbige« äBer! ju einer ^dt entftanben, too bie ©ad^'f^^" 
^affionen nod^ J>ergeffen lagen /über mlöft^ ®. 11 f. 5Räi^ere« 
gejagt ift, 

SBie fel^r t)erfd^ieben öon bemfetben aud^ SKenbeUfol^n« 
^ a u f u d in t)ieter ^iitfid^t fein mag, f o ift bod^ bie jum ®runbe 
ßegenbc änfid^t J>om SBefen unb ber ©ebeutung ber tird^enmuftl 
biefelbe. äRenbefefol^n »ar ed, ber bie ©ad^'fd^e aKatt]^äu«*=$affion 
am.ll. SWärj 1829 »ieber jur Slupi^rung brad^te unb baburd^ 
ben tebenbigen 3m^)utö ju erneuertem ©tubium ierfelben gab^ toel* 
dj^ed ju ber Jefet allgemein geworbenen tenntnife unb SBürbigung 
geführt ^at Sä^t fid^ atfo fd^on ern)arten , ba§ Sdaö)'^ ^affion«^ 
mufifen auf feine JRid^tung bebeutenben ßinflug l^aben , f o erroei^t 


ÜTlenbel^fo^n ^art^otbl^'d Oratorium ^tt(u9. 21 

• 

fid^ tn bcr 5E]^at i>ai Drotortum $outu« , ju bcffcn näheret ©c«» 
ttad^tung tt)tr un« jc^t mcnbcn, ate tocfcntttd^ auf ba^ oben angc* 
beutete ^rinci^) bcrfelben bafirt^ 

^aulu« tft com^)ontrt nad^ SBorten ber l^etttgcn 
® d^ r i f t, ßiS lonntc l^tcr ntd^t , ujie bei ben ^affion^mufifen, 
etil befttmmter Slbfd^nttt unberäubett ju ®tunbe gefegt iDerben, 
fouberu e« mußten au^ ber Sl^oftefgefd^idbte bie ujtd^tlgftcn 3^8^ 
JU etuetn boßftaubtgen unb Karen SiCbe be« 3l^oftetö au^getefen 
unb jufammeugefteßt tperben. S)a e« barauf anlam , in njenigen, 
gebräugteu (Situationen ba« Sefentüd^e jufammenjufaffen , mar 
e^ uubermeibfic^ , bie älei^enfotge l^ie unb ba ju oeränbern , unb 
ba« ©ebeutfame fo ju bereinigen , bat ^^ S« einem anfd^auüd^en, 
ttjal^ren ©atijen fid^ abfd^ßeße. ©er ben Zt^t be« '?5aulu« mit ber 
Sl^oftefgefd^id^e bergfeid^t, toirb balb loal^rnel^men, nid^t nur, mit 
loie rid^tigem 2:aft für bie ©rforberniffe be^ mufifafifd^eh Sunft* 
loer!«, fonbern aud^ mit loie feiner ©eurtl^eilung be« SSSefentfid^en 
unb ®en)id^tigen biefe burd^au« fd^riftgemäfe Hu^ioai^t unb 3«* 
fammenfteßung gemad^t ift. äu^erbem finb aud^ anbere Sibef* 
fteßen benu^t toorben , um bie Sl^aralteriftil au^jufül^ren unb ju 
bottenben. SBenn in biefer freien* Slnorbnung be^ Zt^ctt^ nad^ ben 
Öebürfniffen be^ Äunfttt)erl« aßerbing^ eine SSerfd^iebenl^eit bon 
ben^affionen l^erb ortritt, fo ift bod^ bie$au^>tfad^e beiben gemein. 


1) Sl^enbetöfol^nd ^ter fd^retBt an ben ©ol^n, toäl^renb biefer mit bem 
^aulu8 bcfij^äftigt toar (©riefe II @. 86) : „Wl^n muß aber bie gtage anber6 
ftetten , unb jtuar niij^t ob $änbcl Ij^eute feine Oratorien com^oniren toürbe, 
wie loor 100 Saljren, fonbern oB er ühtx\)avOßt Oratorien com:|3oniren toürbc. 
5Bo]j>I ft^toerlid^, toenn fle jefet nur fo ju fd^reiben mären, toie in ber ncucfien 
3eit gefii^el^^en ift. ^raud, bag it^ !Dir ba9 fage, fannfl ^u entnel^men, tote 
ertoartung^bottunbjutrauenbid^ bem Uneinigen entgegen fel^e, toe^ed l^offent« 
ü(^ bie Slufgabe ber S3crbinbung alten @inn8 mit neuen SKittetn Wfen toirb, 
fonfi toürbe bie SBirfung tUn fo getoig ausbleiben, al8 bie SKaler be6 19ten 
3alS>rbunbert8 fiij^ nur läd^erlid^ matten mürben, bie bieSRetigiofitSt be« löten 
3»abrbnnbert« mit langen Slrmen unb ^Beinen unb einer auf ben Äo^f geflett- 
ten $crf|>cctiüc toieberl^erfiellcn mottten." 


22 SRenbetofo^n ^rt^ofb^'d Oratorium ^attKud. 

• 

baf er ftreng ixUi\äf tft. 3)te attfere ^el^dnbtungdii^etfe fd^tiegt 
m ferner genau an bte Sad^'fd^e an ; bte einfädle (Srjäl^ung H(* 
bet bte ©runblage be« ®anjcn , unb burd^ fie »erben bie rebenben 
^erfoncn ate ' fotd^e eingeführt. Sine aSeränberung tft l^iebei in* 
f ofern eingetreten, ate bte Srjäl^fung nid^t au^fd^ftcgftd^ bon berf etten 
©timme gefmtgen toirb ; fonbern je nad^ bent Sl^arafter be« aSor* 
jutragenbcn, ob? r urte ^ß bie ntufüaüf d^e ffiirlung erf orbert, tragen 
berfd^iebene Stimmen bie (Srjäl^tung bor. ©ie rebeub eiugefül^rten 
^erf onen aber trrten burd^gel^enb^ , gang abgetönt bon ber @r jä]^*= 
lung, rein bramatifd^ l^erbor, unb nur an njenigen ©teilen ift bo^ 
bon eine Slu^nai^me gemad^t. ©o »erben (5Bo. 6) bie Sorte be^ 
§o^en<)riefter« : „3ft bem a(f o ?" unb ^autu^' 3uruf : ^©te^e auf, 
auf ©eincgü^e!" (9lo. 32) bom ergäl^tenben ©opran gefungen, 
unb ebenfaß^ ftnb bie SBorte bed fterbenben ©te^l^anu^ (5Ro. 9J 
bon ber Srjäl^tung nid^t gcfd^ieben. 3)er®runb bicf er SJBtoeid^ung, 
»elc^c-fid^ S8ad^ nie ertaubt, ift offenbar, bafe fcurd^ ben SBed^fel 
ber ©timmen für »enige SBorte, bie gteid^fam einen 2]^eit ber @r* 
jäl^Iung au^mad^en, bie ©nl^eit nid^t getrübt »erben fott. Slud^ in 
bem legten gaüe l^at ber fo trepd^ gelungene Slu^brudf frommer 
(Ergebung feftgel^aöen unb burd^ iiid^td geftört »erben fotten. äBic 
bei SÖaöf tritt enbfid^ aud^ l^ier jene^ britte ßlement l^inju, ba« id^ 
ate ba^ eigentßd^ ^^roteftantifd^e bejeid^net-l^abe, baö ber Üieflejcion, 
unb g»ar in ber unmittelbaren 5E^eilnal^me ber ©emeinbe, burd^ 
»eld^c ba« äBort ber ©d^rift nid^t afö ein blo§ überlieferte«, fon* 
bem at« ba« jum ©genti^um ber ©laubigen ge»orbene, in tl^nen 
lebenbige fid^ er»ei«t. üDiefe finbet l^ier il^ren Sluöbrudf,. abgefel^en 
bon benS^orälen, »eld^e auf ergreif enbe SBeifc eintreten, ebenfaß« 
nur in ©^jrüd^en ber ©ibel , ol^ne. 3ttJeifel burd^au« angemeffen, 
»äi^renb bie eingelegten ^)oetifd^en Xe^tt bei Saäf jum 2^il nur 
gtt fei^r ben ©tem^>el ii^rer ^txt tragen unb ate bergänglid^ ftd^ be* 
funben. 

!Den tern be« ©anjen bilbet bie ©elel^rnng ^auli, unb 
bie barau« an aße ergei^eube aWal^nung , »eld^e in bemS^oral:, 
^©ac^et auf , ruft euc^ bie ©timme'' au«gef^)rod^en ift , unb biefer 


WimM^\of^n ^ttt^U>p'^ Oratortum $aulud. 23 

Htbet bal^ au(i^ ba^ ^ma bet Out) er tute. SBäi^venb er im 
Dratcrium in totter Äraft uub SKajeftät ate laute älufforberung 
crf(3^>aüt, f er&ff net er a(^ fanf te, innige SÄal^nung bie Einleitung, 
unb menn er iaib ju k>erftummen Id^eint bo,r bem n)e]^müt^iget^, 
6ef orgßci^en gugato beö j^eiten 2]^eife berfcD&cn , unb bem immer 
bemegteren , njad^fenben SRaufd^en unb ©raufen , toxt bie fromme 
aWal^nung gurüdtritt bor bem ©orgen unb üEreiben ber ffieft , f o 
Ißngt er bo^ immer toieber burd^, unb erl^ebt fid^ immer mäd^tiger 
unb l^l^rcr, fci« er inUi^t fiegreid^ aüe^ übertönt. ®ie59ele]^ung, 
»ie gef agt , ift ber eigenttid^e Sern , ju ii^r »erben mir l^ingeffil^rt, 
in ii^ren'SBirlungen erfennen tt)ir ii^re Sraft unb SBai^ri^eit. ^adf 
bem einteitenben aügemciuen S^or : ;,^err , ber SJu bift ber ®ott, 
ber ^immel unb (£rbe unb ba^ äReer gemad^t l^at ! Die f)eiben 
tei^nen fid^ auf , $err , »iber "S^xcSt unb Deinen Sl^rift ! Unb nun 
^err fiei^ an il^r Drol^n , unb gieb Deinen ßned^ten mit aller 
grcubigfeit }u reben Dein ©ort !" m »eld^en fid^ ber Sl^orol : 
JMtxa ©ottin ber ^'äff \tx (Sf)x' !" anfd^Iiett, tijierben »ir eingc* 
fül^rt in bie d^rifttid^e ©emeinbe ; i^r einmütl^ige« ^Vi\ommtri!i)olttn, 
üft fefter ®(oube anäf in ber SSerfoIgung tt>irb un^ gefd^tbert. 
^Dic aWenge ber ©täubigen »ar ein ^erj unb eine ©eefe. ®te* 
^>:^anu« aber ti^at SBunber bor bem SSoB." galfd^e Beugen fteüen 
i^n bor ©erid^t uub erregen ba« aSoÖ toiber i$n : ^Diefer SÄenfd^ 
i^ört nid^t auf ju reben 8äftertt)ortc toiber 3Äofen unb roiber ®ott I"* 
®ttpffam^ beranttportet fid^ ; bie ®pxaift ber innigen , feften 
Ueberjeugung , ber l^cißge ßifer erbittert ba^ SSott nod^ mel^r: 
^ffieg , tt)eg mit bem ! er läftert @ott , unb toer @ott läftert , ber 
foü ftcrbeii !" @r aber im Stngefid^t be« naiven 3:obe^ „fielet ben 
^immel offen uub bed 3Äenf d^en © o^n jur JRed^t^n ®otte^ ftel^n." 
Unb nun tont toit bom ^immet bie »anienbe ©timme : ^3erufa* 
(eml bie bu töbteft bie ^ro)>]^eten !" anäf ie^t bem berblenbeten 
35ott bergeben^. ®ie peinigen il^n, er aber Inieet nieber unb Ukt: 
„f)err begatte il^nen bicfe ®ünbe nid^t ! §err 3efu , nimm meinen 
(Seift auf!" unb entfd^faft. äße ftimmen loir tiefergriffen mit ein, 
»enn nun (eife ber S^orat beginnt : ^Dir , |)err , Dir »itt id^ 


24 SWcttbctefoi^n «art^olb^'« Oratorium ißautu«. 

mtd^ ergeben." ®ottc«fürd^ttge SWänner beftatten ©tc^^l^anitm unb 
Magen um tl^n : „@te^e, tutr greifen fetig, bie erbulbet l^aben ; beun 
ob ber 8eib gteid^ ftirbt, n^irb bod^ bte®ee{e leben/ ©autu« aber, 
ber SBol^tgefaöen an.feinent 5Eobe f)attt, toütifzt gegen bie 3ünger: 
,,3SertUge fie, §err ^ziaotli, njte ®to^)^)eIn t>ox beut geuer!" unb 
ixz^i gen ©ama^Iuö ^u ttjeiterer aSerfotgung. ©el^r rid^tig ift bie 
©d^itberung be,!g üerf olgenben ©autuö mit großer 9Ää^igung ge^ 
l^alten ; nur eine Slrie ift bem Slu^brud biefe« jornigen , Ieiben*= 
f d^af ttid^en Sifer« eingeräumt, unb fie reid^t bafür aM, @^ mürbe 
unfer ®efü^I beleibigen, njenn toxx xf)n, ben t\>\x aU ^au(u^ be* 
tDunbern , in gteid^em ^aa^t ate ®au(uö mit ©d^aubern njütl^en 
feigen müßten , unb e^ ift eine njeife SÄä^igung , bie auf ba^ 9lud^ 
beuten biefe^ ßontrafte^ 3Serji(^t teiftete. ÜDagegen ift bie au«fü^r* 
tic^e ®d^i(berung ber d^riftßd^en ©emeinbe unb be^ 3Äärt^rertobeö 
be^ ©te^l^anu^ bem ^totdt be« ®anjen eben fo üoßf ommen ange^ 
meffen. !Cenn thtn ber feurige unb feftc ©faube, bie treue Siebe, 
»eld^e 9Serf otgung unb quafcoüer Xob nur Iräftigen unb erl^eben 
lann, mußten in il^rer ganzen Äraft unb ©tärle anfd^autid^ gemalt 
»erben ; in il^nen ftnb bie SKomente entsaften, toetd^c ^auti Sdt-^ 
fel^rung erllären ; ba^ mäd^tige aBalten ®otte« in ber d^riftßd^en 
©emeinbe mußte bor aüem l^ertjortreten , iDäl^renb e« genügte, 
@autu^' SBütl^en nur anjubeuten^ — auf bem 9Bege nad^ !Ca^ 
. ma«Iu« erfd^eint i^m ber f)err,^ fd^tägt i^n mit ©tinb^eit unb ge* 
beut il^m, in ber ©tabt feiner SBeifung ju Ivanen, Unb nun ift bie 


1) SKcubctefol^n ©riefe II @. 74: ,^ag $autu8 bei ber Steinigung 
be«@tc^l^anu8 nid^t fd^on auftritt, ift atterbing« ein ^iad^t^jeit unb it^ fßnntc 
bie Stelle an unb für [lä) leitet änbern ; aber id^ \)abt burd^au« nod^ feine Wct 
gefunben, il^n babci auftreten gu laffcn, — feine Söorte, bie er ber biblifd^en 
©rgäl^Iung gemäß If^ätte fagen fßnnen, unb mir fdfiien e3 be«^alb teid^tcr, ber 
biblifd^en (Srjä^tang ju folgen unb ben Ste^^anu« nur für fid^ ^^injuflettcn. 
— 2)er anbere ^^bet aber, glaube id^, toirb burd^ bie 3Kufif ge^^oben, inbem 
ba« 9iecitatito be8@te^]^anu8, obtool^I in benSöorten lang, l^öd^penö ein^aar 
SRinuten bauern trirb , — mit allen (Stören babei bi« ju feinem Xobe etnja 
eine 35iertetftunbe, toäljirenb e« fid^ nad;^er, bei unb nad^ ber Söef e]()rung, an^- 
breitet, obglcid^ c^ treniger SBorte finb."' 


iWenbcföfo^itt «artlfiolb^'« Oratorium fanM, 25 

üRal^nung an tl^n ergangen, an il^n, mie fie an aßc etgel^t. JSfta^fft 
Dtc!^ auf, n)erbe Steigt!" ruft ber S^or im feurtgften ®d^iT)ungc 
freubtger ©egeiftcrung, „h,tm 2)etn ixäft f ontmt. !Dena fiel^c gtn* 
fternife bcbedct bie Srbe unb 'Duufel bie aSößer. Slber über J)tr 
geltet auf berf)crr, unb feine ^errfid^Ictt erfd^einet über ©ir." 
Unb mit gteid^er WlacSft unb ©tärle ruft un« ber fotgenbe ß^orat 
fein l^el^re^ ,,SEBad^et auf !" ju, ba« ipie mit ben ^ofaunen be« ®e* 
rid^t^ in unfer Dl^r unb §erj brSl^nt. "^^autu^ aber bemfitl^igt fid^ 
bor bem §errn unb tl^ut ©u^e : „§err, fei mir gnäbig nac^ ^Deiner 
®üte unb tilge meine ®finbe ! @in geängftete^ unb jerfd^fagened 
iperj mrft !Du ®ott nid^t t^erad^ten." „2)enn id^ toxü bie Ueber* 
treter 'Seine äBege feieren, bag fid^ bie ©ünber ju ©ir bef eieren !" 
fügt er fräftigen ©iune« l^inju unb fielet bann toieberum bemütl^ig : 
,^en uxxoxx^ mid^ nid^t !" Slnania« em^^fängt nun ben ©cfel^C 
be^ f)errn , t>on ^aulu« bie ©tinbi^eit ju nel^men ; allein e^e bied 
nod^ an il^m erfüßt ift, fül^tt fid^ fd^on ^aulu^ ber ®nabe be« 
^errn, tor bem er aufrid^tig SSu^e getl^an, gen?i^, er l^at bad S3e* 
»u^tfein feiner ©ünben unb ii^rer 3Sergebung. „S6f ban!e 13ir 
f)err, mein ®ott", fingt er, „benn Deine ®ütc ift gro§ über mid^ 
unb l^äft meine ©eete errettet au^ ber tiefen $öße/' Unb bie 
SBal^rl^it beftäftigenb , f^jrid^t ber Sl^or ben fd^&nen S^roft au« : 
„35er ^err n)irb bie 5C^ränen abtpifd^en i)on aßen Slngefid^tern, 
benn ber ^err ^at e« gefagt." ÜDarauf lömmt Slnania« ju il^m 
unb legt bie §änbe auf ii^n , bag er »ieber fel^enb »erbe ; ^aulu« 
lägt fid^ taufen unb ^)rebigt Sl^riftum in ben ©d^ulen. 3Bir aber 
rufen beujunbernb mit bem 6^or : ,,SD »etd^* eine ©cfe be« 9teid^* 
tl^um«, ber SBei^&eit unb Srlenntnit ©otted! 2Bie gar unbe* 
greiflid^ ftnb feine ©crid^te unb unerforfd^Iid^ feine 3Bege. 3i^m fei 
ei^rc in ßwigfeit, 3lmen !" 

35er &)ox eröffnet loieberum ben jtoeiten ZffÄl : „©er (£rb^ 
frei« ift nun bc« §errn unb feine« Sl^rift« ! benn aße Reiben tt>er* 
ben lommen unb anbeten bor 35ir, benn Steine $errlid^leit ift 
offenbar geworben." gr jeigt un« ^aulu« in ber Äraft feine« 
©tauben«, ^jrebigenb unb (el^renb unter Suben unb Reiben, nid^t 


26 ^enbeldfo^n ^act^olb)^'« Oratorium $aultt9. 

aäfttnt ber SSctfotgung, ntd^t uxlodt tiutäf aisjitü^t SScrO^ruiig, 
unb cnbfid^ bcm 2^obc mit fcftcm ®mn cntgegcngc^cnb, „um be^ 
9iamen^ iptttcn beö ^crtn Se^n/' "^anlM uub S3arnaba^ jte^cn 
au^, bie ©otfd^aftct anS^rtfti®tatt, burd^ mläft®ott bermol^net, 
uub bcr &fex tä^t baju fid^ bcracl^men: ,,3Bte ßcMtd^ finb bie 
Sotcn, bie f^rtebeu berlüabtgca." ^Die 3uben ober, bie ha fallen, 
tt)ie ba« SSoB jufammcn!am , um ^aulu« ju l^öten , »urbcii öoß 
5Reib uub riefen : „®o f^jrid^t ber |)err : 3d^ bin ber f)crr , uub 
ift aufeer mir lein ^eitanb!" unb i^ieöen einen 9iat^, ba§ fie il^n 
tftbteten , unb f^>raci^en unter einanber : ^3ft baö nid^t ber ju Se^» 
rufafem berftftrte atle, bie biefen 5Bamcn anrufen ? SSerftummen 
mfiffen uße 8ügner ! äBeg , tt>eg mit i^m !" 35erfö]^nenb ruft un« 
bagegen ber (Sfy>x mit bem ßi^orat ju: ^D 3efu S^rifte, voafftt^ 
iiöft, erteud^te bie 5Did^ lennen nid^t l"* ^auin^ aber unb SSarna* 
bad öerlünben,, ba^ fie ben Reiben ba^ SBort ®otte« bringen »er* 
ben , miäft^ bie 3uben bon fid^ ftofeen, ^5Denn atfo ^t und ber 
f)err geboten: 3d^ l^abe 5Did^ ben Reiben jum Sic^t gefefeet," Unb 
ju g^ftra l^eilt ißautu^ einen 8al^men, bafe ba« erftaunte 33oß au«* 
ruft : „!Die ®8tter finb ben äßenfd^en gleid^ geworben unb ju un« 
l^ernieber gefommen/' unb ii^nen D<>fcr bringt unb anbetet: ^®eib 
un« gnäbig, l^obe Oötter, fe^t l^erab auf unfer D^)fer!" Da jer* 
reifet ^autu« feine Äteiber, unb f<)ringt unter fie unb f <)rid^t : „bifx 
Scanner, toa^ mad^t il^r ! mx finb fterbßd^e SOieufd^en gteid^ euöf, 
unb ^)rebigen tnäf ba« ßbangefium^ bafe il^r eud^ befel^ren foöt »on 
biefem falfc^en ju bem lebenbigen ®ott, (Sure ®öfeen finb 2:rugerei, 
eitet 9lid^te, aber unfer @ott ift im ^immel, er fdS^aff et aüe«, tt>a« 
er tt)iß." Uni> befräftigenb tpieberl^ott e« nun ber Sl^or : ^^unfer 
©Ott ift im ^immel unb f d^affet alte«, toa« er tt>itt'', unb bamit bereint 
fid^ ber ß:^oraI : „SBir glauben att' an einen ®ott*, unb f^)rid^t 
ed au« , bafe unfer gemorben ift biefe *^rebigt unb biefer ©taube. 
3)a« aSoB aber erl^ebt fi(^ im ©türm loiber bie äljjoftel, 3uben unb 
Reiben : ^ier ift be« ^errn Zmpü ! ^x SÄänner bon 3«rael 
l^etfet ! ©teiniget i^n ! er täftert (Sott ! aber ber ^err ftel^t i^m 
bei. unb errettet i^n: mt feine ma^nenbe ^Serl^eifeung f<)rid^t: 


j 


9Renbe(9fo^tt :6art^oIb)^*d Oratorium ^vCba, 27 

^®ct getreu bt« in ben 2:ob, fo mitt xäf !Ctr bic Ärone be« Seben« 
geben. ^xdfU 35id^ ntc^t, id^ bin bei Dir/ ®o t>crlänbet bcnn 
aud^ $autu« ber (Semeiube jn (gjjl^efu^, »ic bcr ®eift il^n l^^e 
\xöf öon il^nen auf eU)ig ju trennen, unb Xrübfal unb Sanbe, bie 
feiner l^arren, gu ertragen um 3efu toitten. Sergeben« fud^en fie 
in treuer Siebe il^n jurüdjul^atten : „®d^one bo^ Deinei: felbft ! 
fca« tüiberfal^re Dir nur nid^t!" Denn er bcrtoeifet ii^nen i^re 
(Böfto&öfe : ,,3Ba« mad^et il^r, ba^ il^r »einet unb bred^ct mir ba« 
§cr j ? benn id^ bin bereit ju fterben um be« 5Bamen« »iüen be« 
|)errn 3efu/ Dann betete er mit il^nen, fie geleiteten il^n in ba« 
©d^iff unb fallen fein Slngefid^t nid^t mel^r. SBir aber erfennen e« 
mit bem S^or : „®tiftt, »etd^' eine Siebe l^at un« bcr SSoter erjei* 
get, bafe »ir foüen ®otte« Äiuber ^ei^en/ "ändf un« ift je^t 
^autü« entrüdtt , tovt erfahren feine Seiben unb feinen 5Eob nid^t 
mel^r, aber »ir i^aben il^n erlannt alö ben ÜÄann bc«i feften ®Iau* 
ben« , ben er mit freubigem 6if er , mit unbcfiegbarem üßut^ , mit 
geujattigcr Äraft erlennt unb ^jrebigt; unb »ir »iffen e«, ba§ 
„wenn er gleid^ geo^)fert »irb über bcm 0^)fer unfered ®lauben«, 
f f)at er einen guten ^am^f gel&m^ft , er l^at stauben gehalten ; 
l^infort ift iJ^m beigelegt bie Srone ber ©ered^tigleit, bie il^m ber 
§err an jenem Jage, ber geredete 5Rid^ter geben »irb/ ^5Rid^t 
aber il^m aßein'', fo fd^Kefet ber Si^or, Jonbern aüen, bie feine ßr* 
fd^inung lieben. Der f)err benft an mx^ unb fegnet un«. Sobe ben 
^errn meine ©eete unb »a« in mir ift , feinen l^eitigen 5Ramen 1 
3f)X feine ßngel tobt ben f)errn !" 

g« toirb au« bicfer 3i^f^tt^w^cnfteüung bie änorbnuug bc« 
a^cfte« Kar l^eröortreten , namenttid^ aud^ba« SSerl^ättnife ber 'otx-- 
fd^iebenartigen Stemente ju einanber. Dod^ mag ^ier, meit in 
biefer ©ejicl^ung me^rfad^e SÄifetjerftänbuiffe taut geworben finb, 
nod^ einmal barauf aufmerifam gemad^t toerben , mie ba« reflec« 
tirenbe (SIement , toenn e« gteid^ burd^ feiefelben 3ßittel jur.Dar* 
fteUung gelangt, mie ba« bramatifd^e, bod^ ein bon bemfetben n)e« 
fenttid^ berfd^iebene«, rein ibeeße« ift. S« ift bal^r ganj berfel^It, 
bie ^4eu|erungen beffelbeu al« einen S^l^eil ber @r}&^(ung anjufel^en. 


28 ißf^enbetefo^n ^ort^clb^'d Oratorium $auto«. 

naäf iffxtt bramattfd^cn $Rcd^tf crtigitng ju fud^cn , ju fragen (man 
^at aber fo gefragt) , mie nnb t)on n>em ntan fid; benn bte« ober 
jene^ bamafe gefnngen bcnfen foße. 9Kan l^at l^ter, mie fd^on gejagt, 
nur ben Stn^brnd ber aßgemetucn @nn)finbung , be« ©cfü^te unb 
bcr 9?efIeinon ber ®emetnbe jn feigen , beren ibeetter JRc^jräfentant 
ber ©änger ober ber ß^or ift, ber ^ier aüe ^erfönßci^feit abftreift, 
unb mit ber ^anblung in feinem anbern 3wfammen]^ange, ate bem 
Innern be« ©ebanfen« ftel^t, !Dte^ tritt metftenö fo flar l^eröor, 
baß man fid^ tounbern mu|/ n)ie e^ l^at J>erfannt ujerben tonnen. 
@o toenn nad^ ber Steinigung be^ ®te^)]^anud ber ß^oral einfaßt : 
,,S)ir , ^err , !Cir mU id) mxäf ergeben", unterf d^ieben i)on bem 
Älaggef ang ber ßl^riftcn um @te^>]^anu^ ; ober »enn nad^ bem tei* 
benfd^aftUd^en , ^aß unb SSerfotgung atl^menben 6l^or ber Suben 
(9?o. 29) : ,,3ft ba« ni^t, ber jü 3erufatem öerftörte?" unmittet 
bar ber ßl^orat beginnt : ,^err Sefu Sl^rifte, »al^red 8id^t, erteud^te 
bie 3)id^ fennen nid^t , unb bringe fic ju Deiner ^eerb*, ba^ i^rc 
©eet' aud^ feßg »erb'." Unb l^ier jeigt e^ fd^on ber Sl^orat, ba^ 
bie aügemeine d^riftßd^e ßm^)finbung auögej'^)rod^en n>erben fott. 
5Rid^t minber Kar ift e« aber aud^ bei ben übrigen Sl^Bren biefer 
äirt, n)ie tocnn, nad^em ber $err ^auluö erfd^ienen ift, ber ßl^or 
aufruft : „9Äad^e ÜDid^ auf, ttjerbe Sid^t, benn ©ein ?id^t lommt, 
unb bie $errfid^!eit be^ ^enn geltet auf über !iDir. 5Denn fiel^e, 
ginfternig bebedtet ba« Srbreid^ unb !iDunIeI bie 33ößcr ! aber über 
Dir gel^t auf ber ^err unb feine ^errßd^Ieit, erfd^cint über Dir !" 
SBa« ift bied anber« ate ber Sludbrudf ber frcubigen ©ctoi^l^eit, 
ba^ ber 9?uf be^ §errn ergangen ift unb ergel^t an aße, bie il^m 
bienen f oßen , unb baß er il^nen fein 8id^t unb feine ^crrßd^leit 
offenbart. Dber, toa« bie einfädle ßrgä^Iung in fid^ einfd^ße^t, 
o^^ne e« näi^er au^juf^^red^en , ba« brüdtt t)er S^or ate bie barin 
rui^enbe aßgemeine, afö unfere (Sm^^finbung aud, tt)ie in ben SBor* 
ten : „®e:^et, toetd^' eine 8iebe l^at un^ ber SSater ergciget, bat tt>te 
foßen @otte« ^nber l^ei^en", nad^bem ^aulud bon bannen ge* 
fd^ieben. gerner, mnn ber Sl^or fid^ anfd^ße^t an ba^, »a« im 
SSertaufe ber @r jäi^tung au^^ef^^roc^en ift , unb baburd^ , ü)a^ ate 


btc 9icbc bc^ ßinxclnen fid^ hinb t^at , jur aßgemcinen, objcctibcn 
SÖal^rl^cit erliefet unb afö fold^c in »eiteret Sludfül^rung bcftätigl 
itnb bcfräftigt. ®o ipenn $aulu^ unb SSarnaba^ erMäteu : „®o 
finb tt>ir nun ©otfd^aftet an Sl^rifti ®tatt , benn (Sott öemol^net 
burd^ un^", unb bcrSl^or baju tritt: „SBiefiebtid^ finb bte©oten, 
bie bcn gneben öerfünbigcu ; in atle Sanbe ift ausgegangen ber 
®d^aü unb in aöe äBett il^re SBorte" ; ober toenn berfelbe $aulu« 
©orte aufnimmt : „Slber unfer (Sott ift im ^immcl , >er fd^affet 
alle«, n)as er loiß," (äbenfo njenn Lantus fingt: „S6f banle i)ir 
$err , mein (Sott ! !Cu l^aft meine ®eele errettet aus ber tiefen 
|)5Ue", unb ber (Si^oV bagu ausf^>rid^t : ,,2)er ^err »irb bie Z^xä-^ 
nen abtoifd^en bon aßen älngefid^tern ; benn ber^err l^at es gefagt"; 
unb baburd^ bas fubiectiöe ®efü^t beS 9?ebenbcn jum objectitjen 
erliefet , bas l^iftorifd^e als baS in uns ftets forttebenbe bejeid^net. 
^ier finb bie »erfd^iebenartigen (Stemente am näd^ften mit einanber 
uerbunben, ol^ne eine anbere ©ered^tigung, ats bie innere ber Sbee. 
Unb burc^aus ma^r ift biefe S3erlnüt)fung , »eit in ber 2:^ot, mie 
fd^on gefagt, baS SSerl^atten ber d^riftfid^en (Semeinbe gu bem burd^ 
bie l^eif. ©d^rift Ueberßeferten ift, ba^ biefes nid&t nur ein äufeer* 
lid^cs, einmal gefd^el^eneS, f onbern in bem (Semfit^e ber ©täubigen 
f ortfebenbes , ftets fid^ erneueritbeS ift. 

gaffen wir je^t bie mufifatifd^e äuffaffung unb öel^anblung 
biefer J>erfd^iebenen SIemente etn)as näl^er ins Sluge. !Cie @ r j ä t>^ 
lung ift, toie fd^on bemerlt, burd^aus recitatit)ifd^, mit ab* 
»ed^felnben ©timmen, übrigens in ber einfad^ften 3Beife, unb 
burd^gel^enbs nur mit Begleitung ber ©aiteninftrumente , »eld^e 
nur fetten über bie SSeftimmung , bem recitatiüifd^en SSortrag bie 
l^armonifd^e ©afis ju geben, l^inaustritt, $ier jetgt fid^ nun überaß 
baS iBeftreben mit rid^tiger, genauer Dectamation ben einfad^ften, 
angemeffenften SluSbntrf ju berbinben , ber inbem er baS ßinjetne 
bead^tet unb toürbigt , fern ift i>on ber SKonotonie geiftloS ba^in 
eKenber JRecitatiöe , unb eben fo toenig burd^ ein gu ängftüd^eS 
^erborl^eben jebes ßinjelnen gerftüdeft unb ben (Sinbrudf bes (San* 
gen aufgebt, ©urd^ bie toa^re unb tiefe Sm))finbung , toetd^e fid^ 


30 . 9)icnbetöfo](^n iBart](^o(bt^*« Otatormm $ad]i^. 

in Jcbcm »iccitottö au^f^i^rtd^t , ftcl^t aud^ ein jcbc« fclbftänbig unb 
ctgentl^ümtid^ ba , toäl^renb btc fd^mudtofc ©nfad^l^cit baffcCbc nie 
feinen Sl^atafter »ertäugnen tagt, an benjemgcn ©teöen, »o bie 
©rjä^tung ben gctpöl^nüd^en, einfad^en ®ang öerläft nnb ben 3lu«* 
brurf l^öl^etct Sm^jfinbung erl^eifd^t, geftaftet fid^ ba« JRecitotib swt 
Sarttilene, unb mel^rete biefcr ©teilen finb unbebenfßci^ gu ben 
fd^önften unb ergreif enbftcn be« Oratorium« ju jäl^ten. ©ann 
nimmt aud^ bic Begleitung meift einen tttoa^ bcränbcrtcn Sl^aralter 
an. 3nbe§ finb bie« ftct« nur öorüberge^enbe SDiomente , mläft 
nid^t burd^ ben au^gefttl^rten 9[u«brudf einer feftge^ltenen @tim* 
mung ben ®ang ber (Srjäl^Iung unterbred^en-. 

©ei ber Darftettung be« b r am a ti f d^ e n Stement« tft natür* 
Ixäf ba« ttjefentüd^e (£rf orbemi^ bie »al^re , energifd^e Sluffaffung 
ber ®^müt]^«ftimmung ber JRebenben , unb ber lebenbtge dj^orafte* 
riftifd^e 2lu«brudf berfclben. oben fo toenig a{« bie fd^ioad^tid^e 
äWonotonie, bie ftet« unb in aßen nur benSCbbrudf einer "^erfön* 
Ud^Ieit n)ieber]^ott, barf l^ierbicflad^eS^arafteriftif, toeld^enurburd^ 
äu^erßd^e SD'Jittet ju mirten n>ei^, fid^ gettenb mad^en. 93on innen 
l^rau« mu^ ba« S^argufteltenbe erfaßt beerben , uyenn e« al« ein 
»al^re« erfd^einen foU; bann ift anäf niäft gu befürd^ten, ba| 
e« , tt)ie man xoofjt gefagt l^at , für ba« Oratorium ju bramatifd^ 
toerben möge, tt)a« fo nur auf einem 2Wi6i>erftänbni§ berul^en lann. 
35enn bie rid^tigeäuffaffung fann nid^t ettoa gu »al^r, gu lebenbig 
fein, fie bebingt aud^ bie aJiä§igung, xt>tiäft bie Slatur eine« fotd^en 
©toffe« at« not]^n)enbig erforbert, an unb für fid^. 3ene äugertid^e 
äuffaffung bqgegen , mldfz 6f)m SEiefe ber (£nq)ftnbung unb @r* 
lenntnift nad^ äußern SÖlittetn greift, d^orafterifirt nid^t etwa gu 
fcl^r, fonbern fatfd^. gür bie üDarfteltung !ommen aöe formen, 
ba« 9tecttatii>, ber ein*» unb mel^rftimmige ©ologefang, ber S^or^ 
gefang gur Slntoenbung. J)a« 9iecitatri>, ba« fid^ fd^on burd^ 
bie äbtped^fetung ber Stimmen bor ber ßrgä^fung au«geid^net, er* 
J^ebt fid^, ba e« afe Siebe ber unmittelbare 9lu«brudf ber inbibibuettcn 
Stimmung ober ßeibenfd^aft ift , über ben ruhigen ß^aralter be« 
blo^ grgäl^lenben. ß« ift bal^er meiften« bcmegter , d^arafterifirt 


3ßenbefef0^>n Öart^otb^*« Oratoriitm $aute«. 31 

fc^ätfcr bad tnbtütbucüc ©cfül^t unb ^tU ba« ßinjcine ftätfcr l^r^» 
au^, c« tritt initljin ba^ ßauttfcncnartigc mc^ ]^crt)or «nb fd^Kcft 
fic^ jur getunbctcn gotm burd^ Sßcfobte unblalt ab. 3n bctfcttcn 
SJetfe änbert fid^ aud^ bcr S^araftcr bet ©cgtcttung , fic tutrb bc? 
beutfamcr unb tritt fclbftänbigcr l^eröor, beutet in aSor^ unb 3tt>i* 
fci^cnf^>ielen bie@timmung nä^er an unb fü^rt fie meiter au«, unb 
jpitb meift aud^ burd^ l^ingutrctenbe ^la^inftrumentc fräftiger unb 
au^btudE^öoöer. 3lte50iufter nenne id^ l^ier nur bie 9tecitatit)e be« . 
®tc^)^nu« (5Wo. 6) unb beö ^aulu« (5Ro: 36)'. 3n Jbeibcn tft bie 
gemeinfame ,®ruubftimntung ber unerfd^üttertid^en Ucbcrjeugung, 
be« frommen Sifer« für bie l^eilige ®acift, burd^ ba« fd^5nfte 5Biaa§ 
ber fitttid^eu traft gehalten, fräftig au^gef^^rod^en. 5Rid^t minber 
ift bie SSerfd^iebenl^it ber 3nbii>ibuaßtät bcutüd^ au«ge|)rägt; l^ier 
bie iDcid^e SÄilbe, jur 33egeifterung erl^oben burd^ bie ä^nung bed 
nai^n 5Eobe« unb gefräftigt burd^ bie fromme grgebung in ben 
göttftd^en SÖitten , bort bie feurige Äraft burd^ ©d^merj unb Un* 
mitten über bie fünbtid^e SScrbtenbuug tief erregt, ß« mürbe ju 
»eit fül^ren, uad^ jumeifen , mic fein bie« in bie öerfd^iebenften 
giüanceu be« einen ©runbgebanfett«, mit meCd^cr Steigerung, mit 
ti)ie toal^rl^aftcm geben au^gefül^rt ift, unb »ie barin ber Unterfd^ieb 
t)on ber objectttjen 9tu^e be« erjäl^tenben 9iecitatii>« ^ert)ortritt. 
Diefem atecitatit) aU bem einfad^ften äu^brudt ber ©ebanfen unb 
ßmpfinbungen be« (Sinjetnen junäd^ft ftel^t bie ärie, in toetd^er 
eine i^öl^ere Stimmung, nid^t nur eine öorübergel^enbe ßrregung, 
toetd^cr ber augenbßtfüd^e äu^brudt be« SBort« genügt , fonbern 
eine tiefe, nad^l^aüige, bie gange @eete bemegenbe unb beftimmenbe 
em^jfinbung, ate fotd^e i^ren ä[u«brudE in einer angemeffenen, feft 
begränjten gDrm finbet. (ä« ift bal^er bor attem erforberftd^ , ba§ 
biefe ©eetenftimmung in i^rer toal^rcn ©ebeutung aufgefaßt, unb 
auf eine beji Si^arafter be« 3nbii>ibuum« bejeid^nenbe SBeife au«* - 
gebrürft »erbe. 3n unferm Oratorium ftnb t)ier 3lrien biefer 9lrt, 
aüe getreu bem ^autu« an, ber feinen ©eelenjuftanb auf biefe 
©eife in ben entfd^eibenben äRomenten au«f^>rid^t. 9»an betrad^te 
biefefben, um ju feigen, »ic betDunbern«Toürbig fic ba« teiften, toa« 


32 ittenbefefoli^n j^artli^olbt^'d Oratorium $au(u6. 

fo eben »erlangt »urbe. Die meid^e unb bod^ IrSftige ©ttmmung, 
bie me^mütl^ige gteube be« bußfertigen ^aulu« {3lo. 18. 20) be«= 
bürfen »oi^t laum eine^ »eiteren gingericigd , e^ ift ba^ ein ®e* 
müti^^juftanb , »ie il^n ieber erfal^ren l^at. aber auäf bie beiben 
anberen 5lrien , toetd^e beu eifernben fd^ilbern , finb nid^t minber 
»al^r unb ergreif enb. ^an i>erg(eid^e beu l^eftigen, leibenfd^aft* 
ßd^en, bie JRad^e be« §errn 3ebaot^ auf feine geinbe l^erabruf enben 
©au(u6 (9Jo. 12) mit bem nid^t minber feurigen "ißaulü« , ber bie 
Srrenben jum maleren ©tauben befei^ren toxU (9?o. 36) , unb man 
tt>irb inne njerben, toie fd^ön unb »al^r beibe d^arafterifirt finb. 
5»ic^t toefentüd^ tjerfd^ieben/toieiool^I fd^wäd^er imäudbrudfe, finb 
bie beiben Duett« (9io. 25. 31), in toefd^eu 'ißaufu« unbSSamaba« 
bie beiben in gteid^er SBeife intool^nenbe @m<>finbung auf bie ein* 
fad^fte SSäeife gemÄnfam au^fpred^en. SKit ber größten Sraft aber 
fj>rid^t fid^ natürßd^ im Sl^or bie ©timmung ber 3Kenge au«, unb 
er^eifd^t ben bebeutenbften, ftärfften 3lu«brudE. Die ®egenfäfee ber 
Suben, Reiben unb S^riften boten l^ier für eine fd^arfe S^aralteri^ 
fti! bie fd^ßnfte , öom Som|)oniften l^enßd^ benufete 3SeranIaffung. 
Der ^a^ xxaäf bie bcbeutenbften finb bie S^öre ber 3 u b e n , in 
aüen \pxxä)t fid^ bie leibenfd^aftßd^e Erbitterung, ber glü^enbe^aß, 
bie aSerfoIgungöwut^ in il^rer gangen ©tärle unb mit einer l^öd^ft 
bcgeid^nenben l^eftigen ^afßgfeit an^. 9Kan bead^te außer bem ge* 
»atßgen ,,<Steiniget i^n!" namentßd^ ben S^^or (9Jo. 29) : „3ft 
ba« nid^t, ber ju 3erufalem tjerftörte?" »ie fid^ ber t)er^attene 
@rimm im l^aftigen, pfternben gtagcn fetbft ftad^ett jur taut auf* 
fd^reienben SÖutl^ : ,,S3erftummen muffen alle Sügner!" Dagegen 
ipieberum bie fefte Bw^^^fic^^t auf ben (Stauben i^rer 35äter in bem 
für gen (S^or (910. 28) : ^®o f^>rid^t ber $err: 3d^ bin ber §err, 
unb ift außer mir fein ^eilanb !" 3Öie öerfd^icben ift t)on biefem 
- »itben rStux ber 3lu«brudf in ben Sl^ören ber Reiben! »eld^c 
Ätarl^eit , njelc^e ^eiterf eit , njetd^e lebenbi^e grifd^e ! 3Bie fd^ön 
ber'e^or (5Ro. 3^) : ^®eib und^gnäbi^, w^e ©ötter!'' unb mie 
anmutl^ig ; fie freuen fid^ ja , baß bie ©ötter ben 3Äenfd^en gleid& 
ju »erben unb ju i:^nen l^erabjufteigen nid^t Derfd^mä^en. älber 


SKcnbel^fo^tt ©art^olb^*« Oratorium $auluö. 33 

tt>tc fern ift et auäf öon aücr grit)oßtat , tpic anbäd^tig unb »ie 
fromm ^ nwc fcdixäf in einer ganj anberen 3Beife (unb bie^ jcugt . 
für bie fd^öne, trcffenbe S^arafteriftif) , aU in ben beiben S^i5ren 
bcrSi^riftcn (5Ko. .11. 42). öeiie finb ber Situation gem&g 
tt)e^müt^igen 3n]^a(td , aber bie Sirauer ift gemäßigt burd^ ben 
©tauben, ber bie Siobten fetig pxti^t, ^benn ob ber 8eib gleid^ 
ftirbt, tt)irb bod^ bie ©eele leben." Unb fo jeigt aud^ bie SBel^mut^ 
um ben fd^eibenben "ißautu^ ba^ fd^önfte ^aa% ; unb eben biefe 
©el^altenl^it geid^net biefe S^öre Dor ben übrigen fcl^r au^. — 
3n ber Äürje mag nod^ barauf l^ingebeutet njcrben, tt)te trefftid^ bie 
©ei^anblung be« Drd^efter« ju biefer Sl^araf teriftif mittt)irft ; bie« 
gei^t burd^ ba« gange SÖerl unb lann l^ier im Sinjetnen nid^t 
nad^gett)iefen toerben. ?Kur beif^jietemeife bemerle id^ , tpic in ben 
Sporen ber.3uben fd^arfe, fd^neibenbe 3nftrumente benufet toorben 
finb, Oboen unb SSted^inftrumente, fo aud^ in ber erften ärie be« 
$au(ud (5yio. 12), njo bann ber ©egenfafe »ieinSio. 29 be« totxd) 
unb milbe inftrumentirten S^oral«, ober ber 5lrie 9io. 7, eine 
n)unberbare SBir!ung tl^ut. 2Bie fd^ön fd^ilbert bie murmetnbe öe^ 
gteitung ber SSioloncett« unb 3SioIen ju ben Sorten ber falfd^en 
3eugcn ba« un^eimßd^e, ängftfid^e ©efül^I, mit bem fic i:^r fa(* 
fd^e« 3^wgni§ ablegen. ®anj eigentl^ümßd^ ift bagcgen »iebcr bie 
3nftrumentirung ber §eibend^8re, unb namentfid^ mad^t bei bem 
Dpferd^or bie auffattenbe Slntoenbung ber gtöte, fo tt)ie ba« bi« 
bai^in laum gebraud^te pizzicato ber ©aiteninftrumente einen 
ungemeinen ©nbrudt. Unb ^ier tt)äre nod^ fo t)iete« mit gfeid^em 
Siedete iu ermäl^nen. 

Die fd^toierigfte aufgäbe toar für ben Som^^oniften offenbar 
in ber (Srfd^einung, xt>üä)t bem *ipaulu« \>cx J)ama«Iu« toirb , ge* 
ftettt. Sine l^immlifd^e ©timme fj^rid^t Dernel^mlid^ ju il^m, .unb 
e« rnn^t alfo ber ®nbrud t)on ettt)ad Slufeergetoöi^nfid^em, Ueber* 
natürlid^em, burd^ bie gett)ö]^n(id^en 3Äitte( l^ertjorgebrad^t »erben, 
(Sine, gumat männßd^e, ©ßmme burfte biefe SBorte nid^t fingen, 
bamit nid^t bie SSorfteBung auffommen fönne , e« foße ba« bie 
mirfßd^e, lörjjerßd^e ©timme S^rifß fein , mctd^e ftd^ tjerne^men 

5al^n,9luffä)jeüber9WuHf. ' 3 


I 


34 i0{eirbefefo^n ^rt^o(b)^-$ Oratorium $atttu6. 

ücße. 35et t)oöc ßl^or lonntc ntd^t rooffi 6enufet »erben, »eil ^äf 
. bann biefcSBorte nid^t t>ox aöent übrigen au^gejcid^net, fici^ nid^t 
atö bie ©tintme t>cn oben bargeftettt l^ätten. !&er @0nq>onift l^ieU 
fiöf an ben aQgenteinen @inbnt(f ber ©teOe: ,,ba umteud^tete ii^ 
<)l8^Iid^ ein Öid^t öom- ^imntcl unb l^örete eine ©timme'', unb lieg 
biefe SBorte »on einem S^or t)on gtauenftimmen fingen ^ Unb in 
ber Xl^at maci^en bie i^rauenftintmen aUetn einen fo au^orben^ 
(ic^en Sinbrud Don ^(arl^eit , ^aben eine f o eigentl^üntKd^e ^aft, 
in il^rem fifange liegt etioa« fo Seibenfd^aft^Iofe^, Ueberirbifci^e^, 
ba^ f d^toertid^ eine geiftooüere, »irif amere Sluff affnng mögtid^ »äre. 
5Diefer ©nbrucf »irb nun burd^ bie cigentl^ümßd^e äntoenbung ber 
©la^inftrnmente nod^ fel^r er^iJl^et , »ä^enb bie ba« SRedtatib be* 
gleitenben @aiteninftmntente ba^ 6ntf e^en audbrflden , ba^ biefe 
örfd^einung l^erborbtingcn mu^te, ÜDer Sl^or aber ift an fid^ burd^* 
au« ol^ne ^erfiJnfid^Ieit unb @ef d^ted^t , rein ibeett , unb ift eben 
bedl^atb für ben ^udbr^dt ber i^intmlifd^en ®tiinnte burd^aud ^aff enb ; 
baf »ir mel^rerc ©ingenbe , unb jtoor iJrauen. feigen , fonmit babei 
gar irid^t in SJetrad^t , fonbern nur , ob bied üJöttel geeignet ift, 
ben angemeff enen SinbrudE l^rbotjubringen, f otoeit bie« im S3erei(^ 
ber Äunft ftegt. @o liegt ntd^t« Siberf^^red^enbe« barin , bafe ber 
Auftrag, n>e(d^en Snania« bnrd^ eine (Srfd^einung erl^ält, nid^t 
ebenfaü« üom grauend^or , fonbern Don einer ® opranftimme ge* 
fungen wirb, »ä^renb bie öladinftrnmente in äl^fid^er SÖeife be* 
l^anbett l^injutreten, um bie ä(rt unb Seife bed Sluftrag« näl^r p 
bcjeid^nen. ÜDenn, »ie gefagt, ob eine ©timme ober meliere, ift an 
fid^ ganj gleid^bebeutenb, unb e« fragt fid^ nur , ob e« angemeffen 
ift, ben beabjtd^tigten SinbrudE ftärler ober fd^»äd^er l^erbotiubrin* 
gen. S« ift aber (eid^t einpfel^en, bag bie @rfd^inung , »etd^e 
^au(u« ^atte, Dor aßem in ben ä3orbergrunb treten unb fene an« 
bere bagegen jurüdEftel^n mn^. 


1) @^)o^ir tl^cUtc mir cinmöl im ®t]pxaäft mit, er »iirbc c« Dorgcjögctt 
^aBcu, bie Sorte ber (Srfd^ciriung Den einem ftarfcn SWännerd^or frngen s« 
ia^m, um ba« (Setoalttge, (ix^äßnemU au9}ubrü(ten. 


SÄenbetefol^n 8art]^o(bi?'8 Öratorinm Hantel 55 

©tc aögcmctnc Smj)finbitng \t>\xh üotncl^ntßd^ bitrd^ bcu 6 1^ c t 
au^ge^roci^cn,bcffcnun^3crfönfi(^et,tbccncrSl^ataftet]^crtt)tcbctitm 
rcc^t htutlxä) i^ettjorttttt, 3lnx einige 2Rat tft bafür bte %oxm fcer 
ätic getoäl^ft, tpoju bie SJetantaffung jum 2]^et{ in bet i^orm 
be^ Xticte^ tag, j. ®. too er eine Sluffotbernng (9lo. 27) , -ober 
3Ser]^et^ung (5Ro, 40) entl^ätt. ©efonber^ in ber eigent^üntfid^ 
fc^önen 5lrie (5Ko. 7): „3etnfalem! Sentfalem! bie bu tiJbteft 
bie ^xopiftttn !" tönt nn^ gleid^fam bie betflärte ©timnte be^^ro* 
<>l^eten entgegen unb ft^rid^t bie rfii^tcnbe SBarnnng an«. 3mnter 
aber ift e« bie i^eniger intenfit)e @nH)finbnng, »eld^e [x^ m i^nen 
än^rt ; biefe f^^tid^t ftd^ in il^tet t)oHen 3Rad^t nnb Btccctt in bett 
Stören an«, njte fid^ in biefen bann »iebetum bie ijoöfte Staff unb 
^errfid^Ieit ber Sunft offenbart. f)ier l^Brt natürftd^ bie inbiüibnelte 
Si^araf teriftil auf, ba fte ber Sln^brudf ber aßgemetnen @ntt)finbuhg 
ftnb, miäfz fte in il^rer ganjen 5Eicfe nnb Slttfeitigfeit jn etgtünben 
unb ju erfd^ö<>fen ftreben. 3n il^nen jeigt fid^ bie größte ©efe ber 
Huffaff ung , ber feierfid^fte ©d^ipung, ba« ebeffte geuer, bie ^Bd^ftc 
SBürbc unb Srl^abenl^eit , l^ier entf aüet fid^ bie ganjc tunft in ge* 
biegener pöe ber breiteften, maffenl^aften ttu^ful^rnng. 5Dte 8ei* 
benfd^aft ftnbet l^ier feinen a[n«brüdt me^r, aße« 2lett^erlid|e, ^z\U 
li^e terfd^toinbet , ba« religißf e geben be« Sl^ften aüein f^^rid^t 
fid^ in benfetben on«, in feinet firaft, tn feiner l^eißgen SRul^e. 
SBie in jenen bromatifd^en Stören ba« fd^arfe §ert>orl^eben ber 
d^arafterifttfd^en 3üge in gebrängter Mrje bnrd^ ben rafd&en %tytU 
fd^ritt ber ^anblung bebingt toirb, fo ifl e« l^ier bie Slufgabe, bie 
aögemeine@mt)ftnbung in i^rerüliefe, il^rentSieid^tl^untjncrf äffen, 
nod^ aßen ©eiten l^ln an«jubilben unb ju erfd^ö^fen. üDabürd^ ift 
eine toefentftd^ tjerfd^iebene Sluffaffung« ^ unb ®e:^anbtung«t0eifc 
Ottd^ in JRüdtfid^f beräJHttel bebingt, unb fo unterfd^eiben pd^ biefe 
g^Brc fe^r beutfid^. §ier tft ber n^al^rcOrt für bie contra^)unItifd^e 
Sirbett, toeld^e, üon SÄand^en a(« Sünftelet »erfd^rieen , ^er i^rd 
®cred^tigung finbet. J)enn ba« berf etben ftct« irm ®runb* liegenbe 
^mdp ift, au« einem ©runbgebanfen in ftrenger ^S^i^t bte in tl^nt 
ßegenben SÄontente ju enttüidtetn , bie größte ÜRannigfattigfeit in 

3* 


36 3»cnbcUfo^n ^art^olbi?'« Oratorium $autud. 

ftctct55cjic]^un8jubcm©ncn, bcm fic cntftJtungentftju entfalten, 
Slttetbing« mu^ btef er ©runbgebanle einen tnten[i))en (§>tf)'aü l^aben ; 
tt>cnn nid^t ein b(o^e^ ®pxü mit gomen getrieben tt)crben fott, 
m«6 ^^t 3Äeifter bi^ jn bem ®runb l^inabftcigen , an^ bcnt , tpie 
aud einem J?erborgenen Seim, bie SÄannigfattigleit ber Srfd^einun^ 
gen ]^ert)crf|)rie6t. §ier aber, n>o e$ gi(t, ben Sluöbrud be^. g(äu< 
bigen ©emütl^« in einem inl^alt^fd^toeren ®j)rud^ feiner innerften 
S9ebeutung nad^ jn erfaffen , Don allen ©eiten gn betrad^ten , in 
feiner mannigfad^en ©ejiel^ung au^jwf^>red&en , l^ier ift bie contra* 
<)unftifd^e Bearbeitung bie »al^re unb natürßd^e gorm. Sd ituctfttt 
bie^ in mand^en göKen fetbft für eine äu^erftd^e Setrad^tung ein, 
tt)ie toenn in bem ©d^Iufed^or bc^ erften XiftxU eine ©timme nad^ 
ber anbern, f ortbrängenb ol^ne JRaft, an^ruft : „£) n>e(c^' eine Xiefc 
beß ateid^tl^um« ! " ober n>enn im erften Sl^or t>ou allen ©eiten 
ftet« öon 5Kcnem ber JRuf an'^ Dl^r bringt : ^i)ie Reiben tei^nen ftc^ 
anf !" SBie fd^ßn nnb »iewal^r ift bie 35erbinbung jweier S^emata : 
„ber ^err wirb bie Sil^ränen abn^ifd^en", nnb : ,,benn ber ^err l^at 
e^ gefagt." ÜDenn »a^ bem SBorte tjerfagt ift, bad tjermag bie 
SWufit, jene gtt)ieträd^tige @intrad^t ber Sm^jfinbnngen in 
ber menfd^üd^en ©eele barjufteßen. greiUd^ mn^ ber 3Äeifter bie 
Sintrad^t aud^ in ber 3toietrad^t erf ennen ; toie benn üitxifCLVOft am 
tt)enigften bie SDiuftf tt)ä]^nen barf , burd^ bie gorm ol^ne (Sei^alt, 
unb »erbe fie nod^ f o meifter^aft geübt \ eine »a^re äßirfung ^er* 
t)orbringen ju fönnen. 55a^er betrad^ten tt)ir benn ate ben griSfeten 
unb ttjefentlid^ften 3}or jug be^ *^aulu6 nid^t bie tjottenbete ^errfd^aft 
über bie Sied^nif , obmol^t aud^ biefe bem äJieiftertoerf nid^t fehlen 
burfte,- nid^t bie jai^lreid^en 3üge feiner unb geifttjoüer Slufifaffung, 
fonbern ben Srnft ber Sm^)finbung , toeld^e über bie ©ubjectibität 
be^ 3nbibibuum« ftd^ ju eri^eben , ba^ Mgemeine ju erfaffen unb 
mit ber 3Beifterf c^af t be« Sünftter« jur ßrfd^einung ^u bringen be* 
ftrebt ift, looburd^ aöein ein Äunfttoerf toal^r unb ewig ift. 55amit 
l^aud^t er feinen ®ebitben baö toal^re Seben ein, ba§ e^ unö ge*' 
mal^nt, toenn fie Dor mi^ treten , ate l^abe er nur unfer innerften 
©efül^l au^gefj)rod^en, aU l^aben bie 2:öne, bie jefet an unfer Di^r 


SÄcnbctefo^in S3art]j^orbi?'8 Oratorium $aulu8. 37 

fd^tageu, nur in nn^ gefd^tuntmctt, @« tft bamtt fd^on gcfagt, ba| 
bcr mufilalifd^e äu^brud ftetö ctnfad^ unb cbd fei , unb eben in 
bcr ^lMfxf)dt unb Stnfad^^cit ber ©lemcntc, au6 bcncn bcr SJiciftcr 
feine Sunfttcerfe erbaut, ßegt bcr aßgemeinc ©nbrud unb ba« Hare 
9Serftanbni§ berfetten. S« ift anöf ba^ bantit gugteid^ gegeben, ba^ 
awd) ba^ ©injelne eigentl^ümlid^ unb frifd^ fei , »eil e« mäft md} 
einem gormular jugefd^nitten, fonbern in feinem SBefen erfaßt unb 
bemgemäß audgebilbet ift. Unb aud^ ba« tt)irb , l^offe id^ , erfannt 
»erben, ba§ ber ®eift, in bem bie^ 333erl gefd^affen tft, ein ed;t pxo^ 
teftantifd^er ift, unb barum in biefer ^oxm fid^ au^gef^rod^cn l^at, 
unb bie große ©ebeutung, »etd^e aDien-beUfcl^n^^auIu^für 
unfere 3^it ^at, ßegt nid^t jum geringften SC^eil barin, baß er fid^ 
bie Sluf gäbe geftettt ^at , au^ ben Stementen bcö ))rcteftantif d^en 
(Sotte^bienfte^ ein mufilaßfd^e^ Äunfttt)erf p bitten ^ 

1) 3Jlcnbetefo^>n «riefe II @. 75 f : „eine iDirfü^e Äir^cnmuri!, b. ^. 
für ben eöangcüfd^en®ottc«btenfl, bie toälfirenb ber fird^Uc^engcier ü^rcn^ta^ 
fänbc, fd^cint mir unmiJglid^, unb gttar nid^t Mog, tt)cit iö) burd^au« nid^t 
?c^>c, axttotl6ftv @tcttc bcg®ottc8bicnflc8 bicSWuflf eingreifen fotttc, fonbern 
tüeil id^ mir ühtxi}au}pt biefe ©teile gar nid^t benfcn fann. SSielleid^t l^aft 
jDh mir etloaö ju fagcn, ba« mid^ barüber fiarer mad^t, aber bi« iefettoeiß id^ 
nid^t — avL(if loenn id^ ii>on ber ^reugifd^cn Siturgie abfe^>c, bie al)(e82)erartigc 
abfd^neibet, unb too^>t nid^t bteibenb ober gar tt)citerge](>enb fein loirb, — tt)ic 
cö ju mad^en fein fottte, baß bei un8 bie 9J2ufif ein integrirenber Z\)til beö 
©ottesbienfle«, unb nid^t bloß ein (Soncert toerbc, ba« me^r ober tocniger jur 
3(nbad^t anrege. @o ift aud^ bie 53ad^'fd^e ^afflon gctoefcn ; — fte ift afe ein 
fcIbftanbigesSWufifftüdt gur(grbauung in bcrÄird^e gefungcn »orben; •— bon 
eigentlich f irdf^lid(>er , ober toenn 2)u toittft gotteöbienftlid^er SWufil Icnne id^ 
nur bie alt- itaßcnif dben ^aci)tn für bie |)abftlid^e ^aptüt, n)o aber toieber bie 
aJlufif nur begleitenb ift , unb ftd^ ber gunction untcrorbnct unb mittoirft, 
loie bie Äerjen, bcr 2öei^>raud^ u. f. tt). 3Rcinft 2)u nun biefe S(rt firc^lid^cr 
iDhtft!, fo fel^^U mir, t^ie gefagt, ber ^n!nü))fung9^un!t, bon bem au9 iäf fle 
mir mögßd^ beuten fiJnnte. gür ein Oratorium aber müßte ein ©au^tfloff, 
cingortfd^ritt an beftimmten^erfonen gegeben fein, fonft loäre ber(Segenftanb 
ju unbeflimmt ; benn ttenn Sitte« nur betrad^tenb , mit ber ©inloeifung auf 
bie(Srfd^einung(£^rifti feinfottte, fotoäre bie2(ufgabeim$änberfd^en3Keffia8 
bereit« fd^ön unb größer gelöst, inbem er öon 3cfaia« anfängt unb , bie ©e* 
burt ate SRittcl^unlt betrad^tenb , mit bcr Slufcrflc^ung fc^licßt. 


38 Stni^attg L 


Sln^ang I. 9Äenbctöfo^n8 gictfcbrtcfc ©• 176 ff. 

Jäm gtettag ftü:^, gur äßcffe, tft btc gaujcSo^ette ol^iic ©d^mud ; 
bcr 3lttat entblößt ; ^abft unb (Sarbiiiätc in S^rauer. 3l\m »ntbc 
bic 'ißaffion sec. Johannem gefangen , Don 35ittoria conH)omrt. 
5lbet nur bte.SBorte be^ aSoÖö im Si^or ftnb t)on il^m, ba« 
Uebtige »itb fd^ematifd^ abgefangen, tt)OJ)on nad^l^er. @« lom mir 
jutoeileji benn bod^ gar ju Iteinßd^ unb einförmig üor , mir »urbc 
fe^r iH ju aWutl^e , unb eigenttid^ l^at mir auc^ bie ganjc ©ad^c 
migfaßen. 35enn ein« t)on beiben mu|te fein : Die 'ißaffion muß 
un« enttpeber t>oxa ^riefter rul^ig erjä^Ienb vorgetragen tt)erbcn, 
n>ie pe und ber 3o]^anned erjä^Ü; bann braud^t fein S^or einju* 
faöen : Crucifige eum, unb feine Slltftimme ben ^ilatu«. Dorju^ 
fteüen, Dber fie muß mir kjergegenn^ärtigt »erben, baß mir ju 
ajiut^ ü)irb , at« fei id^ babei unb fäl^e Sitte«" mit an. Dann muß 
^ifatu« fingen, tpie er mag gef<>rod^en ]^aben;,ber S^or muß 
fd^reicn: Crucifigß, unb bad freißd^ nid^t im Äird^enton. aber 
bann tft e« fd^on burd^ bie innerfteSBal^ri^ett unb burd^ ben ®egen* 
ftanb, ben e« Dorftcttt, Äird^cnmufif. !Dannbraud^e id^ leine ,,9?e* 
beng^banlen" bei ber SKufil ; bann ift mir bie aRufil ni(^t „amttet, 
um jur 5lnbad^t gu erl^eben", tpie fie e« l^ier motten, fonbern bann 
ift fie eine ®pxa^e, bie ju mir rcbet, unb ber ®inn ift eben burd^ 
bie SBorte nur au«gebrü(ft , — nur in il^nen enthalten. @o ift 
eben ©eb, Söacff^ ^affion; aber toie fie e« l^ier fingen, ba ift e« 
nur toa« §atbc« , »eber einfädle (Sr jäl^Iung , nod^ große , brama»» 
tifd^e , ernfti^afte SBal^rl^eit. 35er ßl^or fingt »Barrabam« in eben 
f l^eißgen 5lccorben , Xoie »et in terra paxa ; ber ^ilatu« f^jrid^t 
nid^t auf anberc 3Beife , ate ber Söangeßft ; unb »enn nun ber 
3efu« immer piano eintritt, um bod^ eine 3lu«jeid^nung ju l^aben, 
unb toenn ber S^or red^t tüd^tig lodfd^reit mit feinen Sürd^en« 
accorben, fo loeiß man nid^t, »a« ba« Sitte« f ott. SJerjei^en fie bie 


Sln^ang I. 


39 


Scmctfungcn, td^ mü nun glcid^ »teber l^iftorifd^ Bcrid^ten. üDer 
©jangefift atf o ift ein Ztnox , .unb bte 2ltt bc« JRccitttcn« tft , xoxt 
Bei ben Sectionen : für Somnta, Srage, "ißunft eigene ©d^lu^fätte. 
35er Sbangelift redtirt auf d , unb mad^t auf einem "ißunlt f o : 


|32E^ 


± 


t=t=t 



3=i 


— bei einem Äomma : 


^=P =^^^p^ r f unb am gnbe , tpenn eine anbere ^erfon 


eintritt , fo : 


• 11 


scs: 


cfc 


'----K-f 


S 


??:: 


!Cer e^rtfttt« tft ein 


: -Tr r r xrc. 


./CS 


S9a6 unb fängt immer fo an 

E - - - - go 
1)0« ©d^ema l^aBe id^ nid^t l^crau^Iriegen lönnen, tbrotHjl id^ 
mel^rcre ©teilen nad^gefd^rieben l^aBe, bie id^ Sinnen jeigen fann p 
unter anbern bie SBorte am Äreujc. Sitte anberen ^erfonen nun : 
'^itatu« , ^etru^, bie 3Äagb unb ber 5)ol^e^)riefter finb ein ält auf 


G mit bief em Jone : 



Die ©orte be« 


aSoK« fingt ber 6:^or i)on oben ^erab , »fil^renb aüe« Slnbere am 
Slltar gelungen »irb. 2)er aRerlmürbigleit toegen mu^ id^ Ol^nen 
bad Crucifige l^erf efeen, loie id^ e« mir nad^gcfd^rieben : 


AJlegro. I j 
^J \ L, I L_ __^i._||___^ — J- __^ 



Tol-le ! Tol-le ! Cru - ci - fc - ge 


e 


um. 



3lud^ bad »Barrabam« ift merhoürbig; ^e6 finb (auter jal^me 
3uben." 


UcBer 


gelix a}?tni)el«fo^n »art^olbt)'« Oratorium 


SBenn c^ übcrl^au<>t feine tetd^te SlufgaBe tft, ein nmfaffenbe« 
SBetI cine^ großen Äüuftter^ fofott feiner ganzen Sebeutung nad^ 
gu »ürbtgen, fo »trb biefelbe bei bet Seuttl^eitung be« glia6 in 
.eigcntpmKd^et ©eife erfd^ttjert. 9iod^ ift ba« ®rab jn frifd^, ba« 
ben ftül^ tjottenbeten 3Äeifter beöt, um nid^t ben reinen ©enuß an 
feinem SBerfe burd^ bieXraner über feinen SSerluft gu' trüben. 5Da« 
ift leine ©timmnng für eine unbefangene Seurtl^eitung, tpenn nid^t 
bie (Erinnerung an fein tt)a^xf)a^k€, unermübete« ©treben nad^ bem 
§öd^ften in ber S!unft e$ jut WW i^ad^te, in biefem ©inne fein 
ajerf ju betrad^ten. ÜDem 3üngtinge lege man ben 8orbeer!ranj 
auf ben ©arg im 5lngebenfen beff en, xoa^ er ux^pxaä) ; ber gereifte 
SKeifter tt)irb nur burd^ bie Sld^tung unb ben ßrnft geeiert/ mit 
tt)eld^em toxx feine ©d^&))fungen »al^ri^aft ju Derftel^en beftrebt finb, 
benn in biefem SSerftänbniß aöein liegt bie ©efäl^igung , ju beur* 
tl^eilen, toa« er gett)ottt unb geteiftet l^abe. 

2Ba« femer bie Seurtl^citung in mand^er f)inftd^t erfd^n^ert, 
ift bie 3ebem fid^ aufbrängenbe 3Sergteid^ung mit bem $autu^. 
Da erfd^eint benn bet @ßa«*fogteid^ in bem 5iad^t^eite be^ f|)äter 
gelommenen. ÜDet ^aulu6 l^at butd^ feine Slüffaffung unb Sßt^ 
l^anbtung^toeife einen »efentßd^en ?5ortfdbritt in ber geifttid^en 


1) aagcm. mnl ^tg. 1848 @. 113 ff. 137 ff. 


aWcnbefefo^^n ©art^olbi?'« Oratorium diiai. 41 

5D?ufiI bcgrünbct unb auf ö^nßd^c ©cftrcBungcu unfcrcr ^üt einen 
entfd^iebenen ©nflu§ an^geübt. ©er t>om Sßa« erwartet, ba| er 
toteberujfi ein neue^ ©ebiet erfd^ße^e , n^irb \\äf getänfd^t finbcn. 
3lüein ju btefer Sr^artung [inb toxx uid^t bered^ßgt. B^^agen »ir 
aber , ob tt)tr ben 2Keifter in bief em 9Ber!e auf bem SJege , ben er 
geöffnet , in rüfßger , frifd^er Staft , mit bemfetben feinen ©inne 
für ba^ Sble nnb SBal^re fortfd^reiteub jinben, fo antworte id^ an^ 
Doßer Ueberjcugung : 3a. 3ä) vermag, ttjenn id^ ba^ Oratorium 
im ®anjen betrad^te, leinen Slbfaü p eutbcdten, e^ f^^rid^t bie Sxu 
biöibuaßtät SKenbel^fol^nd ftar unb beftimmt au«. 3n ber Sluf* 
f äff ung unb ßrflnbung , toie in ber ©el^anblung unb Slu^fül^rung, 
getoal^ren toir rieben bem eigentl^fimfid^ ©d^Bnen feine« ©fite aßer* 
bing« aud^ bie ©d^ioäd^en feiner 3D?anier. 

5Rad^ einer anbern ©eite im ^iad^tl^eite fd^eint ba« neue Dra* 
torium burd^ bie ©a^I feine« ®egenftanbe« ju fein : @ßa« gegen 
^autu«, toie Diel geringer ift ba« 3ntereffe, ba« n)ir für ben ßßa« 
mitbringen ! !Darin ßegt ettoa« ©a^re«, nur fott man fid^ im 3n* 
tcreffe ber Sunft pten, e« ju übertreiben. Diefe« größere Sntereffe 
bebingt l^au^Jtfäd^ßd^ ber d^riftßd^e ©tanb^)unft , auf loetd^em mir 
un« befinben, unb ben 9?{emanb, mag aud^ bie reßgiöfe änfid^t ber 
Sin jelnen nod^ fo berfd^ieben fein , berteugncn fann. 9?un ift e« 
gett)i§ ein großer ©etoinn für ben Sünftter, loenn ber (Segen* 
ftanb, ben er bel^anbett, bem ©oben unb ber 3lt!^moft)!^äre ber aU^ 
gemeinen @m))finbung unb 5lnfd^auung in einer SBeife angel^ört, 
ba§ i^m ba« allgemeine Sntereffe auf l^albem SBege entgegenfommt, 
toie bie« l^ier in reßgiiJfer öegiel^ung ber gaß ift ; attein ber eigent* 
ßd^e ©d^tt)er))unft ber fünftlerifd^en SBürbigung ßegt nid^t l^ier. 
3ebe« Äunfttoerl n^itt bor allem al« Sunftwcrf toirfen, nid^f burd^ 
ba«, toa« ber ®cgenftanb, ben e« bel^anbelt, an fid^ ift, fonbern 
burd^ bie lünftlerifd^e ©eftattung beffetben, e« loenbet fid^ junäd^ft 
unb ]^aut)tfäd^fid^ an bie @m^)fängßd^Ieit unb bie ©ilbung für ba« . 
Sünftterifd^e. Sin rein ftopd^e« 3ntereffe ju erregen , toare e« 
aud^ ba« reßgiSfe , ift eben f o wenig feine äbfid^t , at« bem bf og 
finnßd^en ®enuffe ju fröl^nen , ber auf ber Oberfläd^e bleibt. S« 


42 mmhtU]o^n ^rtl^olbi^'g Oratorium (SUo«. 

Imttntt ioif&c bei bcr Sb^xtiftilm^ be« ©egeuftanbe« eine« 8uuft=' 
werfe« nur in Sättxaäft, ob er überl^au^t unfcre Sl^eilual^me, tciu 
menfd^Kd^ gefaxt, in 3lnfrrud^ nehmen unb »ürbig befd^äftigen 
fönnc, .unb bot altem, ob er für bie füufitferifd^t 5Darftettung ge* 
eignet fei, fo baß bte in il^nt tiegenben bebeutenben Elemente auf 
eine ber eigentl^ümftci^en ^Jatuv biefer ober jener Snnft angemeffene 
SBeife aufgefaßt unb bargeftellttt>erben. ©ie attgemeine S^eitnal^me, 
toeld^e mit für bcn ©egenftanb emj)finben, ju berjenigen eigent^üm* 
,Ii(^en auöpbilben , meldte eine jcbe fünft il^rem SBefen nad^ be« 
bingt, ba^ ift bie eigentßd^e Slufgabe bed Äünftier^, Dl^nc einen, 
folgen Sern unb Seim allgemeiner ©ebeutfamfeit in feinem ©toffe 
wirb bcrfetbe fid^ freifid^ bergebüd^ abmül^en unb und feinen ®e»= 
genftanb nur äußerlid^ nal^e bringen, allein biefer liegt feinedioeg« 
allein im Greife unfeter jetzigen Silbung, fonbern weit tiefer im 
©efen ber menfd^lid^en ^Katur. ©er »al^re Sünftter , ber einen 
iübifd^en ober l^eibnif d^en Stoff bel^anbett , mutl^et un« nid^t etxoa 
ju, und jtt 3uben ober Reiben ju tjerleugnen, fonbern erfaßt bad 
rein äßenfd^fid^e beffelben, unb inbem er, ein Sinb feiner ^dt, il^n 
burc^ freie geiftige 2]^ätigfeit neu rejjrobucirt unb ben ctoigen ®e* 
fe^en feiner Sunft gemäß geftaltet , mad^t er il^n jum Sigentl^um 
aller 3^iten, bie für Sunft em^^fänglid^ finb. ©ad gilt toie für 
atte Äünfte, fo auc^ für bie aRufif. 

©ad Oratorium ift feiner ?iatur unb ©efd^id^tc nad^ nid^t 
notl^ttjenbig d^rifttid^ ober ürd^lid^. ©egenftänbe bed alten S^efta* 
mentd finb fogar Don § ä n b e l bid in bie neuefte ^txt mit 3Sor* 
liebe bel^anbelt »orben, unb man !ann boji il^nen im allgemeinen 
ge»iß nid^t fagen , baß fie und fremb toären. S5ir befinbcn und 
auf einem ®ebiete, bad nad^ bem @tanb^)unfte ber d^riftlic^en 
Silbung nid^t nur allgemein bclannt , fonbern oon l^Bl^erer Se* 
beutung, burd^ bie 35orbereitung auf bad (S^rtftentl^um f^mbo^ 
tifd^ ift, unb jDem Äünftler ben SSortl^eil einer fidleren ©runblage 
bietet, auf toeld^er er fein SBerf aufrid^tcn lann. ©iefed f^mbolifd^e 
ßlement , ta^ für bie d^riftlid^e SSetrad^tung im alten S^eftamente 
liegt , tritt auäf im Sliad burd^gängig i^erbor , tl^eild im SSerlauf 


WtmiiU\o^ ^axtl^olW^ Oratorium (SUa0. 43 

bc^ Dtfttoriumd in ben @äfeen, mi^t nü^t fomöl^t bie §anb(ung 
f pttfü:^reii , ate ben tbccüen Sni^att beffcn, toa^ fonft afe äußere 
^egebenl^ctt erfd^cint, in einet attgemcinen ©ettad^tung xufammen* 
faffcn, tl^eite ganj entfci^ieben am ©d^Iuffe, too bie ^intoeifung 
auf ben, bet fommen toitb, audgcfprod^en ift. aWenbetefol^n l^atte 
neben bem (Süa^ ein j»eite^ Oratorium Sl^riftu« begonnen, ba^ 
un^pttenbet geblieben ift. So ift mögßd^ , ba§ beibe in einem ge* 
»iffen 3ufammen:^ange ftanbcn , baß in einer beftimmten Slbfic^t 
ber "ißrojji^et be^ alten S3unbeö S^riftu« Dorangel^en fottte ; inbeffen 
gen>iß nid^t in einer Seife, baß ber tStiad nid^t ald ein fe(bftänbige^ 
©er! gebadet unb ju üerftel^en fei. 

ÜDer Xtp, ift au« ben SBorten ber l^eiftgen ©d^rift unb jtoar 
bcd aßen Jeftament« jufamn^engefe^t, fie finb aber freieif bei^anbcü 
aU im "ißaulud, inbem fie nid^t nur abgefürjt unb nad^ SJebürfniß 
in anberer Orbnung jufammengeftetti , fonbcrn aud^ inf o»?eit i>er* 
änbert finb, baß bie ©ibetoorte nur bie ©runblage be« au« i^nen 
gebifteten 2;ejrte« abgeben. Die« ift jum 2^ei( burd^ eine loefeht«' 
lid^e SSerfd^iebenl^eit in ber Som))ofition be« Sejte« i^erbeigefül^rt, 
e« ift nämtid^ ba« epifd^e Clement ber Srjäl^tung, »jeld^e im "^au^ 
tu« ben forttaufenbcn gaben be« Oratorium« bitbet , ganj au«ge* 
fd^ieben , bie l^anbelnben ^erfonen »erben oi^ne SBeitcre« rebenb 
eingefül^rt. ÜDaburd^ tritt ber ®ia« in ber gorm ben ^änbeffd^en 
Oratorien näl^er, »on benen er fid^ inbeff^p burd^ ba« fd^on angc* 
beutete f^mboßfd^e Clement in mand^en Sl^ören unb @o(ogefangen 
toicberum merfßd^ unterfd^eibct. J)iefe SSeränberung fd^eint gum 
SC^eil barin begrünbet ju fein , baß bie SJeibe^altung ber bibßfd^en 
Srjäl^tung bei biefem ©egenftanbe al« einem altteftamentßc^en 
nid^t'not^wenbtg erfd^ien, loä^renb fie mitunter in @d^tt)ierigfeiten 
t)ertt)idteln »ürbe, titelte au« ber 3lnfid^t ]^crt>orgegangen , baß auf 
biefe SBeife ba« Oratorium an ©nl^eit gewinne unb ftd^ rein bra« 
matifd^ geftaßen taffe^ 

1) WlmM9\o^n »riefe II @. 186 : „iWit bem bramatifd^en (gtcmcnt 
fc^cint mir nodf^ irgenb ein 2)iffcrcnä^un!t jtt)ifd^cn un3 ju fein ; bei einem 
{old^en (^e^enfiaube ti>ie (Sliad, eigentli^ n)ie jieber an^ bem alten S^eflamente, 


/ 


44 iWcnbctefol^it SBart^olbJ;'« Oratoriitm @lia«. 

3Ätt ift fcl^r stDCtfcI^aft , ob l^tet ntd^t ein 3rrt^unt oBwaltc, 
ob mm utd^t mit beut SlufgeBcn bc^ bcm 3Bcfcn be^ Dratomm« 
ganj cutf^)tcd^cnben c^)ifd^cn @{ctnent6 einen n^al^ren SSottl^eil für 
bie fünfttetifd^e ®eftaltung au^ ben §änben laffe, um einem cin^^ 
gebilbcten nad^jugel^en, ÜDa^ Dratorium ift einer n^al^rl^aft bra« 
matifd^en 3lu«BiIbitng nid^t fällig. SBa^ man getDö^ntid^ ate bra* 
matifd^e >Darftettttng fcegeid^riet, ift bie« im eigenttid^eu unb »al^ten 
®inne gar nid^t , fonbern nu; d^araltcriftifd^e "Darftcüung. 35a^ 
bie l^anbetnben ^erfonen rebenb eingeffil^rt ujerben , ift nod^ nid;t« 
eigentlid^ ÜDramatifd^e« , fonbern nur ein 3KitteI (ebentiger J)ar* 
fteöung, »eld^e bie Situation ate eine unmittelbar gegenwärtige 
erfaßt , beffen jtd^ aud^ ba« @t)o« ftet« bebient. Unb nid^t anber« 
ijerl^äü e^'fid^ mit allen anberen 3JJitteIn einer leben^Dotten Sl^a* 
rafteriftil, toetd^e un« in ben bargeftettten ®egenftanb fo unmittel« 
bar l^ineinfül^ren , ba^ mx baran "^txi ju nel^men glauben , tt)a« 
benn xo^^ ju bem 3nt!^um Derfül^rt, afö feilte jum loal^ren ÜDrama 
nur bie ©cenerie , bemfelben Srrtl^um , ber au« trepd^en grjai^^ 
tungen fd^ted^te Dramen mad^t. ÜDenn bei genauerer Prüfung 
wirb fid^ ergeben, ba^ in fold^en gätten ber Äünftter biefe SBirfung 
nur erreid^t, inbem er ftd^ ber feiner Gattung eigientl^ümfid^en 
Sßtttef meifterl^aft bebient , unb ba^ gerabe ba« , »a« fd^einbar 
bramattfd^ ift, in« 35rama tjer^jflanjt ol^ne SJirfung bleiben toürbe. 
@« fep aber jum !Drama bie §aut)tfad^e, ^anblung. !Denn ba« 
SBefen be« 35rama berul^t in ber ftetig fortfd^reitenben f)anblung, 
in bercn Sutwidtetung ein 3Koment ba« anbere notl^ioenbig bebingt, 
motiöirt burd^ bie Sigentl^ümtid^feit "ber Sl^araftere , njcld^e bie 
^anbtung tragen. !Da« Oratorium aber toie ba« @|)o« lommt 
über bie >Darfteßung ber S3egeben!^eit in d^araftcrtftifd^en ©itua* 
tionen nid^t l^inau«. Darin liegt e« , ba^ biefe ©attung für bie 

außer ettwa bem SKofe« , muß bag 2)ramatifd^e tortt)aItcn, xok mir fd^cint — 
bie Seutc Icbenbig rebenb unb ^^anbefnb eingeführt twerbcn, nid^t aber, um 
@ottc«tt>itten, ein ^ongemäibc barau« entfielen, fonbern eine red^t anfd^auUc^c 
SBeit, TOie fic im oXim jleftamente in jebem ^Ci\iM jtc^t — unb baö S3cfd^au» 
Uc^e, SRü^renbc, nad^ bem 2)u toerkngjt, müßte eben atte« burd^ ben $Kunb 
unb bie (Stimmung ber l^anbetnbcn ^erfonen auf un« übergeben." 


4 

9Henbeföfo^n Sartl^forbv'd Oratorium ffiUad. 45 

« 

mufilaltfd^c ÜDarftcttung fo geeignet tft, benn fie trifft l^ier mit 
einer »efentfid^en ©runbeigenfd^aft ber 3ÄufiI jufammen. !Die 
ftetige Bewegung ber ^anblung ift nid^t im SBefen ber 3ÄufiI, bief e 
brüdft öietmel^r bie ©timmung, bie innere ©runblage ber §anblung 
auö, fie ift il^rer 9ktur md) bel^arrenb, unb ftrefct notl^menbig nad^ 
einem feften .fünfte , öon »0 au^ fie mit einer gemiffen ©reite 
nad^ atten Seiten l^in il^ren SSorwnrf erfütten liJnne. ^ier aber 
befifet fie eine Xiefe unb gütle , einen unerfd^i5f flid^en Öteid^tl^um 
ber feinften 5Kuancirung , toie leine anbere Äunft. ß^ lägt fid^ 
nac^weifen , bag in allen formen , »eld^e bie JÖiufif felbftänbig 
gcbilbet ^at, biefe^ "ißrincip fic^ aU ba^ fd^ö<)ferifd^e bemäl^rt. 

Die bid^terifd^e Se^anblung eine^ ©egcnftanbe^ , mlä)t ben 
gortfd^ritt ber ^anbfung me^r äu|erßd^ erjal^It unb afö bie SSer* 
anlaffung bel^anbelt , in ben Situationen , toeld^e fie l^erbeifü^rt, 
Stimmung unb ßm<)finbung ber t^ötigen ^erfonen ju fd^ilbern, 
ift bal^er für bie mufüaKfd^e 2)arfteüung bie geeignetfte — unb 
bie« ift bie SBeife be« Oratorium«. 3e mel^r baffetbe fid^ aber 
äugerfid^ bem üDrama ju näl^ern fud^t , um f fül^tbarer mirb e« 
tt>erben , ba| il^m ba« Söefenttid^fte baju abgel^t. üDa e« ju einer 
tt)irHid^en ^anblung nid^t gelangen, ben f orttoufenben gaben einer 
©egebenl^eit aber nid^t entbel^ren fann , fo n>irb man gu mand^eu 
Sünfteleien gejtoungen, n?enn man bie natürüd^e gorm ber ßrjäl^* 
lung öermeiben n>itt, unb eine t>otlfommene Starl^eit unblDeutUc^« 
feit bod^ nid^t leidet erreid^en. 2)ie rul^igere (Srjäl^tung, für n?eld^e 
ba« SRecitatiö eine f öortreffttd^e gorm ift, n?eit e« innerhalb feine« 
einfad^en , faft t^^ifd^en ßl^arafter« mit ber gri5|ten Siegfamkit 
ber feinften Siuancirung be« 3lu«bru(J« ju folgen fällig ift , bilbet 
einen ®runb, auf toeld^em bie d^arafteriftifd^ au^gefül^rten ,®itua* 
tionen hervortreten. Dagegen , tt>enn 2llle« ben l^anbetnben ^er* 
fönen al« f etbftänbige 9tebe in ben 3Kimb gelegt ift, n?irb eine fort* 
u>ä^renbe gefteigerte Sl^arafteriftif erforbert, bie leidet mit bem 
©egenftanb in äBiberf^)rud^ gerät^ ober in ßinjelnl^eiten jerfältt 
unb ermübet. 3fn n)ie weit ba« erjäl^lenbe Clement l^ertjortreten 
muffe, ba« l^augt allerbing« »on bem getoäl^lten Stoffe ab, unb e« 


46 3Rcnbctef<^]^n »art^otb^*« £)ratörmm Sriaö. 

* 

fd^ctnt faft , aU ob bte ganj ttd^ttgc SBal^tncl^mung , ba| e« beim 
@tia^ fc^t»ciugcr@rga]^Iung bebütfe, ba6 Seftreben l^cröorgmtfcn 
l^abe, fie ganj jU bcfdtigcn. ®ic« tfi tnbcffen ntd^t ol^nc nad^tl^ct* 
ligen einflug geblieben. , 

(Sine etgentfld^e^anblnng, bie fid^ ftetig enttt)t(f ett, finben n)ir 
and^ int@üa« nid^t, fonbern eineJRetl^e i)on ©ituartonen, in benen 
SKö^ ben 3ÄttteI|)unf t bitbet, bie i)on berfd^iebenen Seiten l^er feine 
gigentl^ümfid^fett barftetten; in biefer ©ejiel^ung auf il^n liegt bie 
©inl^eit be« Äunfttoetl^. ©icfe einjetnen ©cenen aber mußten nun 
aud^ äußetßd^ mit einanbet t^etbunben metben ; ba ba6 elnfad^fte 
SWittet ber (Srjäl^fung öetfd^mä^t »orben ift , f o ift eine gcmiffe 
äbgetiffenl^eit bie geige getocfen, »efd^e mitunter bi« pr Unbeut* 
ßd^feit gel^t , tnbem man untjorbereitet mitten in eine Situation 
geffil^rt mirb, btemon erft im SSertctufe berfelben aßmäl^ftd^ öerftel^t. 
©ajtt f ommt , ba| bte SKnfil ber inbitjibueüen ß^aralterifttf nur 
bte ju einem gctriffen @rabe, unb ber l^iftorifd^en innerhalb tl^rer 
eignen ©ranjen gar nid^t fällig ift. SB3a# ffir aRittel fte aud^ an^ 
iDenben ma ] — unb e« ift l^er mit feT^ ötel geinl^eit unb ®efd^id( 
gef d^el^en — SBed^f et ber ©timme^ ber Snftrumente u . f . to . , ee reid^t 
nid^ au« , ein« beftimmte ^erfon t)on bom l^erein p bejeid^nett, 
bie mufifaßfd^e ©l^aralteriftü beginnt erft unter btefer SSorau«* 
fe^ung. 5Dic« trifft bor aßem bie 5Rebenj3erfonen , bte nid^t fefb* 
ftänbig, fonbern nurate §ebet loirlen bie ^anbfong inöetoegung 
ju erlitten , fie gelatigen ju feiner inbibtbueöen ©eftaltung , finb 
ba^er antS) erft im ^wf^^nmenl^ange ber ©egebenl^eit erfennbor ; 
fo ber Sänig , bie ftSnigin, aud^ Dbabja ; nur bie SBittme tritt in 
fd^rferen Umriffcn l^eroor. 5Die« toirb aber gu einem aWangef 
burd^ bic3lnfage, »etd^e fie um afe felbftänbige ^erfonen bor* 
fül^rt , bie nad^ i^er 3nbibikuaßtät erf annt fein f oöen , bomit bie 
©ituatton fogleid^ ftar werbe; au6 ber f ortlauf enben (grjäl^tung 
würben fie fofort befßmmt lenntßd^ l^erbortreten. 

Um biefe gu bertneiben , ift bef onber« ba« 2lu«f unft^mittet 
getroffen toorben, ba« »a« gefd^iei^t, gngeln at« ©efe^f be« §erm 
an ®ia« ober afe SSorl^berfünbigung in ben 3Wunb gu legen. 


. 


99t€nbefefo^it ißart^olb^'d Oratorium (§1ta$. 47 

Unleugbar gel^öttc bicfc unmtttetbarc 3lä^ ®otte«, bcffcn <^ttmmc 
on ®ßa« etgel^t , n>cf cntßci^ jttt ßl^ataltetiftil , mt bte ©ngelftim* 
men finb an tncl^reten ®tcßen äu^erft n>lrffam angcnjenbct n^otben, 
tt)ic ba^ ,^eUtg" bei bct Srfd^cinung (Sottet , obet bct ®cfang 
ü6cr bem in bet äBüftc fd^tummctnbcn @ßa«. !Cenn l^tct toitb 
ein bebcutenbe^ SIRoment in bcr Situation, ba^ bie gtjä^Iung nur 
anbeutcn Knute, in ber boöften Sfarl^eit »nb Snetgie but^ fic jur 
teifcl^aften Slnfd^aunng gebtod^t. Slltein tt>enn fie nnt in einet löer* 
önberten ^oxm bet SRebe ben Oxi^kx tjettreten, fo tnft bie^ eine 
um f J^iel fci^Iintmere 3Wonotonie l^etbot, ate fie eine fünftßci^ l^r* 
betgefül^rte ift, momit bann ber jmeitc Uebetftanb not^ttjenbig bct* 
bunben ift , ba§ bie (Sl^ataftetiftil fid^ nid^t butd^ge^enb^ auf bet 
^Üft et^tten !ann , mläft n>it bei bet Sinfül^tung ^m Sngetn 
etn)attcn. !Cie« ttitt j. 83. im etften JEl^eile ]^eti>ot, n>o batgefteöt 
»etbeu fott , ba^ @lia^ tpä^tenb bct aflgemeinen ^unget^notl^ auf 
tounbetbate SBeife etl^atten »itb. ©et Sngel gebietet il^m: „@t^ 
tt^eg bon l^iet nnb tpenbe S)id^ gen 9Rotgen unb betbitg !Did^ 
am S3ad^e ßtitl^ ! J)u foöft bojn ©ad^e ttinlen unb bie 9iaben 
»erben ©ir 39rob bringen bedSWorgen« unb be^Sbcnb^ nad^ bem 
SBorte ÜDeine* @otte«/ 35atan fd^üeßt fi«i^ ba^ !B0^)<>elquartett : 
„®enn et ^t feinen (Sngeln befohlen über 5Dir , • bafi fie SJid^ ht^ 
ffütm attf äffen !X)einen Segen, ba§ fie S)id^ auf ben ^^änben tra« 
gen, unb ÜDu^Betnen gn^ ^^^^ <^^ ^^^^ ®tctn fto^eft," Unb 
unmittetboEr fä^rt bann ber Snget fort : ,>9Zun aud^ bet Sdadf bet* 
ttodtnet ift, mad^e üDid^ auf, gel^ gen B^xpaÜf unb bleibe bafelbft'' 
u. f. tt). §iet ift e« ju einet eigentfid^en Situation g^t nid^t ge* 
!ommen, mm ift nwt übet ein gacfum \^^^ ^u^arnmenffün^^ »egen 
untetrid^tct »otben, bie Srfd^einnng ber (Sngef ift reine SWafd^ine, 
SSBie ju ermatten, ift ba« aud^ auf bie mufifaßfd^e ©eftaftung nid^t 
ol^ne Sinflul gebßeben , man bermi§t i^ier ben pi^eten ®d(^»ung. 
Offenbar »äre bie einfädle grjäl^ung l^ier bo^ Siedete gemcfen, 

3d^ gel^e nad^ biefen aögemeinen Semerfungen jn einer nä^e* 
reu ßl^arafterifßf über. 


48 WtmhtUioifn ^art<>otei?'« Oratorium ffiüad. 

S)a« Dratorium fängt unmittcttar mit bcr ^ro^l^ejetung 
be« (Slia^ an , ber joi^rcfangc Düne öcrl^et^t , ein SRecitatiD öon 
:33ta^inftrumenten begleitet , mit bem Dottrefflid^ gelungenen 9lu«* 
brucfe be« feiertid^en ßrnfte^. !Caran fd^Iie^t fid^ bie Duüerture, 
bie atfo nid^t jum ©anjen bie Einleitung 6i(bet, fonbern ju ber 
nun folgenben Situation — ber g(ud^ gel^t in Srfüüung. Sie 
©äffe beginnen mit bem S^l^ema , ba^ eine fd^mere , bumf fe ®e^ 
brücftl^eit au^f^rid^t, baiufiagenbeX8nen?enigerSIa«inftrumente. 
1)iefer ®eban!e ift bie ©runblage be^ meifterl^aft burd^gearbeitcten 
©afee^, er öerfd^toinbet nie, in ben Jjerfd^iebenften SSJenbungen unb 
in fortmäi^renber Steigerung fül^rt er burd^ bie Stufenleiter ber 
ßm<)finbungen bei ber fd^redEßd^ften "SltotS) , Slfagen , SKurren bi^ 
gur SSerjmeiflung unb @m<)örung, ®o leitet bie Dut>erture in ben 
dffox über : „^iff ^err ! »ißft !Cu un« benn gar vertilgen !" in 
bem ber Kammer be^ Derfd^mad^tenben 35ofl^ nad^ §ü(fe fd^reit. 
SBäl^renb jmei njeibßd^e Stimmen Hagen : „3^«^^ f^^*^ %^ ^änbe 
au^, unb ba ift Siiemanb, ber fie tri5fte", fingt ber Sl^or, obmed^* 
fetub bie grauen^ unb 2Äännerftimmen , unisono : ,^err , l^öre 
unfer®ebet!" in einer unöeränbert njieberlel^rcnben SSJeife , n)o^ 
burd^ biefer Sa^ ettpa^ Duftere^ , jugkid^ aber einen eigentl^üm* 
ßd^en fiturgifd^en (S^aralter befommt, 35a ruft Dbabja (Xenor) 
bem 35oÖe ju : ;,3^rrei6et eure ^erjen upb nid^t eure SIeiber", 
unb in einer einfad^en Slrie J)on »eid^em ©efül^föau^brudE : ,,So 
i^r mid^ Don ganjem ^erjen fud^et, \o mü id^ mid^ finben laffen, 
f<>rid^t unfer ®ott." 3Son großer SBirfung ift bann ber ßi^or, ber 
ftürmifd^ einfättt : ,,3lber ber $en fielet e^ nid^t, er f<)ottet unfer !" 
unb mit benfelbcn JEönen, mit toeld^en Sßa^ ben gfud^ au6f^)rad^ : 
„ber gfud^ ift über un6 gelommen , er toirb un^ verfolgen bi« er 
un^ tobtet." !Cie l^efttge geibenfd^aft mxt gu fd^ioerem ©.ruft bei 
bem ©ebanlen an ben räd^enben ®ott : ,,®enn id^, ber $err Dein 
®ott, bin ein eifriger ®ott, ber ba l^eimfud^et ber 35äter SÄiffetl^at 
an ben Sinbern bi^ in^ britte unb t)ierte ®ßeb berer , bie mid^ 
i^affen", ber mit ben SBorten : ,,unb tl^ue Sarml^erjigfeit an tjielen 
2:aufenben , bie mid^ ßeb l^aben unb meine (Sebote ^Üen", fid^ 


SD^enbetöfo^n ^art^olb^'S Oratorium (SUad. 49 

lo^Ttnat i)on bem trüben "Jbxnd unb immer ^fjcx unb mäd^ttger 
gu frcubtgem 3Sertrauen em^5or»fid^dt. 

!J)iefc ganje gufatnmenl^ängenbe ©cene iftim ®anjcn xok im 
Sinjelnen mcipcrl^aft ju nennen ; fic ift an^ einem ®u^ unb einer 
Stimmung , bie in t>erf(^iebenen 5ßttancirungen gefd^itbert n)irb, 
im tid^tigen ®Ield^gen)id[^te ber einzelnen ÜJiotibe , mit einer fort* 
XDöl^rertben ©teigemng t)on ber tiefften SSJal^rl^eit ; fte ift fein an* 
gelegt unb gro§ an^gefül^rt. SSJir ]^i5ren ben ^inä) auef^)red^en, 
tt>tr feigen ii^n in Erfüllung gelten, mx füllen tu bem Kammer beö 
35ott^ aud^ feine ©d^ufb , unb ba§ ber §err , ber biefe 9?ot^ über 
fie gefanbt, fie aud^ mieber bon il^nen nel^men n)irb. 3!)aburd^ ift 
man barauf borbereitet, bafe nun @ßa^, ber tt)ie eine bunlte SBetter* 
tootfe gel^eimni^bott erfd^ienen loar , toieber l^erbor trete unb ben 
gtttd^ (ijfe. 

3unäd^ft »erben »ir aber mit @lia« in bie SQSufte unb bann 
ju ber äßittmc gefül^rt, bereu Sinb er »ieber in6 Seben ruft, ßine 
äirie brüdt bie ©eelenangft ber 3Dlutter um ben ®o^n au^ , ber 
öor i^ren 2(ugcn ftirbt , fie Pel^t ßlia^ um §ütfe an , an beren 
ÜR*gßd^leit (ie felbft berjn?eifelt. ©ein ®ebet giebt bem*Snaben 
ba^ Seben »ieber , ba erlennt fie in il^m ben ^ro^^l^eten ®otte^ 
unb ruft mit il^m: „&o^ bem, ber ben §errn fürd^tet!" n?a^ ber 
Sl^or aufnimmt unb au^fül^rt. 

3Han »irb »ol^t nid^t fel^Igreifen , menn man ben ®runb, 
»e^l^atb biefe ßi[>if obe l^ier eingefd^oben ift , ]^au^)tfad^Iid^ in bem 
SJeftreben fud^t, einen ®egenfa|j gegen bie maffenl^afte, breite Se* 
l^anblung ber erften ©cene ju erlangen , ber aud^ bem maa folgt, 
tt)o tt)ieber eine äl^nfid^e ÜDarfteßung^weifc notl^iDcnbig mar , bie 
frifd^e Söirlung fid^ern foü. §ier aber ^ätte biefe JRüdtfid^t bor 
l^öl^eren ©rünben jurüdtreten foüen. ÜDie (g^)ifobe fd^mäd^t biet 
mel^r ben (Sinbrud beffen, toa^ boranging, unb fd^abet bem golgen* 
ben. Die allgemeine 5Rot^ ift un6 in fo möd^tigen ^ü^tn bor bie 
©eete geführt, bafe bie au^gebe^nte ©d^ilbcrung be« 3ammer6 
einer ©njetnen not^n)enbig bagegen abfällt. SEBir finb burd^ bie 
©teigerung ber (gm^)finbungen bereite auf ben ^unlt l^ingefül^rt, 

3 fl ^ u , ?lufi"ätkc über 5Wuftt. 4 


50 9ftenb((«fo^n $art^o(bi^'6 Oratorium Mai, 

n)o eine SBcnbuiig g^f^cl^» inu§ ; ba§ nun crft etoo^ ainbcre« 
eintritt, ftört bin ®ang unferet fim<)finbungeii, »it »erben er!äl* 
tet, Uttt ipenn tcne ffienbung nad^l^cr tioräliäf erfolgt , fo crfd^etnt 
fie unfercm ©cfül^Ie nid^t mel^r nctl^Äcnbig motibirt , e^ »irb ein 
neuer änfafe getttad^t. 5Ramcnttid^ burfte 6üa^ mä} Jener grot* 
artigen "^ro^l^ejeiung unö nid^t jucrft in biefer ©eifc erfd^etnen, 
er mu|te gleid^ mäd^tig lieber auftreten ; bad SSJunber, bo«* er l^ier 
tl^ut , tritt ju fcl^r gegen iencl^ jurüdt , eö lann nid^t einmal aU 
3SorBereitung barauf gelten. 6^ lommen nod^ einige ©ebenfen 
l^inju, bie in ber S^)ifobe felbft liegen, ©ie ift jn lang au^gcf<)on* 
nen , m ber ©d^überung beö 3ammcre ber SBitttDC , »ic in ber 
Darfteßung be« SBunber^ felbft. ÜDie^ Berul^t in bem an pd^ rid^* 
tigen 35ertangert be^ 2Äufifer«, eine breite ®runbIoge ju gewinnen, 
um ben 2lu(<brüdE ber Stimmung burd^ mannigfa^e 5Ruancirung, 
burd^ ©egenfäfee reid^ unb Dott ju mad^en unb forttoä^renb ju 
fteigern. Slüein l^ier »ar für eine breite äudfül^rung nid^t ber 
Ort, unb bie ganje 'Partie »äre be«l^atb beffcr fortgeblieben. Da* 
JU fommt, ba^ ber lang au«gef<)onnene 3ammcr berSDlutter etioa« 
^einüd^« für ba^ ©efü^I ^at. X)ie Äraft beö ©unber« aber »trb : 
gefd^tt)äd^t baburd^ , ba^ @fiad breimat fein @ebet »ieberl^ott , tSfe 
e« Srl^örung finbet. Die mufifatifd^e Steigerung , burd^ bie (Sin* 
reben ber ungläubigen 2öitttt)e erl^öl^t, ift bortrefffid^ , aber im 
3ufammen]^ange beö Oanjen ift fie l^ier nid^t »ol^I angcbrad^t ; 
um f »eniger , totnn man erlägt , ba^ fid^ biefefbe Steigerung 
eine^ breimaligen ®ebetö »ieberl^ott, afe @tiad regnen tä|t. Dort 
ift fie in ber Situation begrünbet unb bon ber größten SBirlung, 
um bie allgemeine, ungel^ure S<)annung au« jubrüdteu ; l^ier burfte 
fie nid^t einer untergeorbneten äBirlung i^alber born^eggenommen 
»erben. Dicfe Sd^mäd^en jeigen fid^ aud^ in ber mufilaüfd^en 
Sel^anblung , unb id^ geftel^ , ba^ mir biefe ganjc Partie ate bie 
am »enigften gelungene erfd^eint. ©ngelne 3üge finb fein unb 
fd^ön, im ®anjen aber finbe id^ l^ier mel^r äugerlid^e äuffaffung 
einer unrul^igen Seibenfd^aftlid^Icit , afe innere SEiefe unb ©arme, 
bie aWotibe finb nid^t grog unb bebeutenb , bie ganje Darftellung 


SWenbeföfol^n ©art^olbv*« Oratorium Slia«. 51 

ettDa« l^afttg. ^an toirb , n)ctl äc^nfid^e« fid^ in £)^)ern nid^t 
feiten flnbet, Dieüetd^t geneigt fein, bicfe Söeife brantattfd^ ju nennen, 
n>ic man ba« SBott oft entfd^ulbtgenb obev tabelnb gebrandet ; mit 
bemfetben SRed^te n)ürbe man ©ecoration^malerel bte bramatifd^e 
nennen. @rft in bem &fox tritt »ieber ber ebtc Si^araftet unge«^ 
ttnit l^rtjor , bie Unrul^e bet öotl^ergegqngenen ©cene Hingt nnt 
in bet bemegten ^gat ber ©aiteninftrumente nod^ bnrd^ unb »irb 
bon einem fd^önen ©efül^fe frommer greubigfeit bel^errfd^t unb 
t)erfö]^nt. 

5Wun erft Derfünbet gfia^, ba§ er fid^ bem Könige jeigen xooiU, 
unb ber §)err regnen laffen »erbe auf Srben. T)a^ SRedtatit) ent* 
^pnäft ber Eröffnung , fel^r fd^ön ift bie Söenbung , mit toeld^er 
au^gebrfidtt toirb, ba^ ie^t ber gtud^ gelöst loerbe. Sfia^ tritt Dor 
ben Sönig unb in febl^aft betoegter Siebe, an ber baö aSoß in lur« 
jen ©äfeen Xl^eil nimmt , f orbert er bie ^riefter S3aate l^erau^ : 
;,tt>effen ®ott mit geuer antn>orten toirb , ber fei ®ott." Unb nun 
folgt in ftetig f ortfd^reitenber (SnttoidEelung biö jum* ©d^tuffe be^ 
erften ÜE^eitd eine ©cene öolt ^aft unb geben. 

3n einem lebl^aft betoegten (Sebet, anfangt jtt>eid^öttg , nur 
t)on aSta^inftrumenten begleitet , bann ju einer raufd^enben ©e* 
gteitung bon ©aiteninftrumenten meift unisono fingenb , rufen 
bie Saat«^)riefter ju il^rem ®ott um geuer. auf ben ^ö^nenben 
3uruf be^ @tia^ »ieberl^olen fie ungebutbig mit erl^öl^cter Scbl^af* 
tigfeit il^ren SRuf, ber fid^, ate mieberum ßßa« fie Derl^ö^nt, toeil 
er erfolglos bleibt , ju einem mai^ren ©türme fteigcrt. 2ß« aber 
ber toieberl^otte Sluffd^rei : „®ieb un« 2(ntu?ort !" Don ©eneral* 
<)aufen unterbrod^en, feine SBtrfung l^at, bafj)rid^tgtia^: „fiommt 
l^er aße^ 3Soß ju mir !" Diefe Si^ore finb r>x^Mä)t etwa« ju toeit 
au^gefül^rt , jibrigen^ t)on großer grifd^e unb 8ebenbig!eit , unb 
erinnern im Slttgemeinen an bie ßl^öre be* Reiben im ^aulu^ unb 
an einige in ber Slntigone, ol^ne beftimmte äinHänge im Sinjelnen. 
3n alten l^crrfd^t ein eigeut^ümtid^er Slu^brudt einer entl^ufiaftifd^ 
erregten ©innlid^fcit , bie aber t>on äöeid^Iid^feit unb Ue^)^5igleit 
entfernt , burd^au^ ernft , {a ntitunter el^er l^erbe erfd^eint. 35on 

4* 


52 3Wenbel8fü]^n «ort^o(bi?*e Oratorium ©üa«. 

großer SBltlung tft fcct fid^ ftcigetnbc gortfd^titt in ben btct Sl^ö* 
rcn i)on bcm feinet ®icgc6 gcöjtffen , ja übcrmütl^tgcn SScrtraui^n, 
ba« in fröl^Iid^er ^eiterfeit bic ®Btter anruft, jur ungcftümen, lei* 
bcnfd^af tlid^en §erau^f orbcrung, unb enbftd^ bi^ jur Set jtociflung, 
bie fid^ m il^tcr SButl^' gegen bte ®Mtx fetbft mcnbct, üDagegen 
bilbt^ ik l^öl^uenben SReben be« Stiad, unb jute^jt bte einfädle 
SBürbe, mu ter er tai SSoÖ ju fid^ ruft, einen »ortrepd^en ®egen* 
fafe. 9fhtn n>enbet et ^c^ im ®eBet ju (Sott, ba^ er fid^ i^m unb 
attem 3Sofl offenbare , mit eint;r 2lu«brudEe innigfter grSmmiglcit 
unb feften 33ertrauen^ , ber nid^t trtjjöd^er gelungen fein, lönnte. 
Sin ©oloquartett, ba6 faft ganj ol^ne 55e^itung gefungen »irb : 
^SBirf 3!)eiu Slnßegen auf ben |)errn , ber mirb 35id^ »erf orgen", 
objectiöirt geti)iffermaa§en bief e ©eetenftimmung be« (ilia^ unb giebt 
il^r eine l^öl^ere Beglaubigung ; l^öd^ft einfad^ unb Mar , unb eben 
fo innig im Slu^brudE, ift e^ ganj ^oratartig gel^atten. !Cenn beö 
eigent^id^en Sl^orat« l^at fid^ 9Kenbetefol^n im Slia« aud^ bei S9e^ 
trad^tungen 'aßgemeinen ©el^att^ entl^aüen , unb nur einigemal 
auf bie gorm be^ ßl^oral^ mt. l^ingebeutet. D^ue ^rod^zl ift 
bie^ gefd^el^en, um nid^t in ben attteftamentarifd^en ©toff ein 
(Slement l^ineinjutragen , ba^ feiner ganjen gorm nad^ bemfetben 
frembartig ift ; unb atlerbing^ ^ätte bie ganje Slnfage bed Drato* 
rium^ entfd^iebener f^mboKfd^ fein muffen, um baffefbe jujutaffen. 
aSietteid^t toürbe eine rücffid^t^Io^ ftrengc ^tif fid^ felbft gegen 
biefeö Quartett feieren, mnn fie nid^t burd^ bie einfad^ fd^SneSBir* 
fung beffelben , bie ctxi>a^ njal^rl^aft reinigenbea l^at , entwaffnet 
ȟrbe. 

5luf 6ßa«' Sitte, bie einen eigentpmlid^ feierßd^en, ber 
angfttid^en ®^)annung entfj>red^enben Slu^brudE l^at, fällt baö 
geuer l^erab. SWit bem !Donnerfd^fage , ber c^ begleitet, ruft ba« 
3Sotf an^ : ,,Da^ geuer fiel l^erab ! bic gfamme fra^ ba6 S3ranb* 
o^jfer !" unb beugt fid^ öor bcm §errn , bem einigen ®ott. ©er 
ßl^or ift 5lnfang« fel^r tebl^aft bett>egt, unb erinnert in ben 55iguren 
ber ©ingftimmeh an bie äöeife ^anbete; er fd^ße^t mit einem 
eritften ®rat)e. 2lnf Qiia^' Sefel^l ujerben bie '^rieftet Saat^ ge* 


äÄcnbeföfo^n ©artlS^otbij'8 Oratorium @Iia«. 53 

fc^Cad^tct , unb nun jctgt er fid^ mit ber ?)efttglcit einc^ glfi^cnbcn 
eiferet^ : ,,3ft nid^t bc« §crrn SBort n?tc ein i^euer , unb n)ic ein 
Rammet, ber gclf^n jetfci^Iägt?^ 35ieSltie ift r>oü (eibenfd^aft:' 
liäftx Erregung unb ^oxn , in ungeftümer , raftlofer ©emegung, 
fie i^etlangt einen ©ängcr i)on eben fo häftiger ate au^gebitbeter 
©tintme. ©el^r fd^ön »irb bann biefer jorntgc ©fet burd^ ein 
3Utf olo gemäßigt, in bem fid^ in tül^renbet ßinfad^l^eit ber ©d^merj 
üba bie Slbtrünnigen au^f^jrid^t : ,ßlßtff il^nen , baß fie Don mir 
toeid^en ! fie muffen berftoßen u^erbcn !" »oburd^ auf bie @nabe 
beffen, ber ben ^Reuigen berjeil^t, ]^ingett>iefen »irb. 

9?un menbet fid^ Dbabia an @üa^ , baß er bon ®ott Stegen 
erflel^e , unb biefer betet mit bem SSotfe ju i^m. !Cann fd^idt^er 
ben Snaben au^ , baß er nad^ Siegen fc^aue. „^6f fel^c nid^t« ! 
ber ^immet ift eifern über meinem |)au^)te." Unb »ieberum betet 
Slia^ mit bem SSotfe jum §enn, biefetbe 3(ntn)ort, unb jum brit- 
ten 3ßale biefetbe Slntwort. ©a ruft ßtia^ in ber l^ftd^ften Segei* 
fterung inbrünftigen ® ebet^ : v ^©ebenle §err an Steine Sarm^ 
l^erjigfeit !" unb ber Snabe antwortet: „d^ geltet eine Heine Soße 
auf au^ bem 3Keere mie eine^ SÄanne^ §anb. 35er ^immel n)irb 
fd^mari ^^^ SBoßen unb SSSinb, e^ raufd^t ftärfer unb ftärfer!" 
3ubelnb ruft ba« 3Sott bem ftrftmenben JRegen entgegen : »^'Danlet 
bem ^errn, benn er ift freunbUd^/' ÜDie mufifaßfd^e Darftettung 
biefer ©cene ift bortreffüc^ gelungen unb bon größter SSSirfung. 
Die ©pannung, meiere turdb bie nneberfel^renbe , monotone 9lnt* 
toort be^ Suaben mit bem ^artnädtigen c ber Dboe erregt mirb, 
bie Steigerung in bem fle^enben ®ebete , bie fid^ bid jum l^öc^ften 
©c^umng »erl^ebt, ber nal^enbe Stegen, unb enbßd^ ber überrafd^enb 
einfaüenbe , fräftige Danfe^ruf beö S^or« finb au^ einem großen 
®uffe , unb burd^ meife^ abwägen ber 3Dlittef tt)irb in burd^aud 
einfad^er Söeife eine außerorbenttid^c SBirfung erreicht. ' 

33ic fd^tt>ungboße ©timmung n)irb in bem ©d^Iußd^ore , ber 
fid^ an Sßa^' ©orte : ^^Danfet bem ^errn, benn er ift freunblid^, 
unb feine ®üte tt)ä]^ret etoigßd^!'' unmittelbar auf d^ßeßt , feftge« 


54 ä)^cnbeUfo^n ^artl^olb)?'« Oratorium (Süa». 

Italien unfe gefteigctt. Obiool^I aügemctn gel^attcu , bcfommt er 
bod^ burd^ bte SScraiUaffung, au^ »efd^et er l^eröorgcl^t, eine eigen* 
tl^mfid^c garbung , bie namentfid^ in ber rctd^en uiib öotlcu S3e« 
gtettung i^ertjottrttt. ^n bem etnfad^eti : „T)an! fei ©ir ®ott, !t)u 
träuleft baö biirff ge 8anb", baö immer lieber mäd^tig burd^tßnt, 
tritt bö« raufd^eub bemegte : ,,3)ie 3Saf[erftrö|tte erl^cben fid^ , fie 
crl^ebeu ii^r SSraiifcn , bie Söaffertoogen finb gro§ mib braufcn ge* 
n?attig'' l^inju , ba6 feinen (Si^fet in ben SBorten erreid^t : ,^o6f 
ber f)err ift nod^ gröfe^r in ber ^öi^e." Sie übertafd^enbe §ar* 
monie , bie fid^ l^ier aufbaut unb in brcimafiger SBieber^otung fid^ 
fteigert , ift i)on mal^rl^aft großartiger Segeifterung unb ^it bie* 
fen ßl^or auf eine ntd^t gemö^ntid^e ^iJl^e. 

35er jmeite 2^eil beginnt mit einer ®o^)ranarie. 35ie fanft 
mal^nenbe gfage : ^i5re 3^rael , l^ßre fce^ §errn ©timme ! 2ld^, 
ba§ 'Du merlteft auf fein ®ebot !" toirb jum feurigen 9lufrufe : 
„3d^, id^ bin euer Jröfter. SBei^e nid^t, benn id^ bin ÜDein (Sott, 
ic^ ftärfe !Did^ !" Sin lebhafter ß^or , frif^ unb !räfrtg, fättt un* 
mittelbar ein unb fül^rt bie ©timmung fort : „i^ürd^te 35id^ nic^t, 
f)>rid^t unfer (Sott , fürd^teDic^ nid^t, id^ bin mit Dir/ (5« ift 
eine fd^Bne Steigerung in biefen ©ä^en , bie fid^ üortrepd^ ju 
einer (Sinl^eit abfc^tießen ; n?ie bie ©timmung Iräfttger , fd^tpung* 
öoßer n?irb, tpöd^j^t bie ©emegung, bie 3D?otiöe u?erben größer, bie 
Se^anblung breiter, maffenl^after , toa^ namentftd^ auc^ i)on ber 
Snftrumentatton gitt , bie Slnfang^ fein unb jart gu gtänjenber 
^rad^t gefteigert toirb. Uebrigen^ tragen fie einen ganj f^jecififd^ 
Üßenbetefo^n*fd^en (Sifaxaltzx , namentfid^ ber Sl^or , in bem mit* 
unter JReminifcenjen an grül^ere^ Dorlommen, toie j. 58. bie Xrom* 
^jeteneinföfee , obmol^f feine genaue Uebereinftimmung *bor^anben 
ift , mit ber SBeife , toie fie im ^aulu« in bem ßl^orc : ^3D?ad^e 
Did^ auf, toerbe öid^t!" angemanbt »erben, fel^r k)ertt)anbt finb. 
• SBir finb burd^ biefe (Einleitung in bie ©timmung tjerfe^jt, 
auf »eld^er ba« nun folgenbe 9iecitatit> be^ ßüa^ berul^t, ber ol^ne 
ÜJienfd^cufurd^t im 95ertrauen auf (Sott bor ben Äönig tritt unb 
i^Ot bie ©träfe i?evfünbigt , bie il^u unb fein SSott treffen »irb. 


SÄenbefefol^n ^artlfiorbi?'« Oratorium <§lk9, 55 

©geutl^umtici^ , cmft unb fefi unb juglctd^ gc]^ciinm|bott ift bic 
SScrIünbtgung .gei^aCten : ,/^tnn bct §ctr toirb 3dr(te( fd^tagcn, 
toic ein dtdffx int Söaffct beiücgt »irb , nnb »itb 3«racl übergeben 
um cur^t ©ünbe »itten." Unntittetbar batan fdj^ßcgt \\6) eine 
lebl^ft bewegte ©cene, »orin bic Königin bad SSoCf aufregt gegen 
@ßa« , baö nad^ einigen ©ed^felreben , in einem fturmifd^en ©^or 
— bet übrigen^ in ber gonjen ®e^anbfung^tt>eife on äl^nßd^e im 
^aulu« erinnert — ben lob be^ (gfia^ t^erfaugt. ß« ift biei^ eine 
ton ben ©cenen, »eld^e ben ©d^ein bed ISramaßfd^cn l^aben, U)ä^* 
renb fie in ber Il^at ganj unbramatifd^ finb ; ble 6V^<»^^^^if*W 
berfetben ift atterbing« febi^aft , unb berul^t l^au^itfäd^fid^ auf ber 
gefd^idten Senufeung geioiffer 2Äomente ber Situation, toetd^e il^re 
SBirhtng nid^t leidet oerfel^ten ; fo ber rafd^e SBed^fel lurjer SReben 
ber Königin unb be^ S5oß^, bie i>erfd^iebene öetonung ber aufrufe 
in ben öerfd^iebenen®ttmmen u. bgl, m., loa« benSlu^brudt teiben* 
fd^afttid^er Srregung begünfrigt. S« ift bal^er begrrifßd^ . ba^ ber 
Äünftler biefe banTCbare Situation benu^te, um fo mel^r, af« burd^ 
bie lebenbige ©d^ifberung ber brol^enben ©efal^r bie folgenbe ©cenc, 
tt)o ®iad fid^ oor berfetben in bie SBüfte jurüdtjiel^t , erft gel^iJrig 
motibirt erfd^einen lann. 

Unb bennod^ glaube id^ , bafe nad^ ber ganjen Slntage be« 
Oratorium« biefe ©cene unberl^ättni^mä^ig au^gcfül^rt ift. ©ie 
eigentpmlid^e ©tettung, loeld^e Slia« bem Äi5nige gegenüber ein* 
nimmt , ber l^aujjtfäd^Ud^ burd^ ben ©nflu^ ber SiJnigin fid^ ber 
Slbgötterei jugeioenbet l^at , unb njefd^e bie fortwäl^renfcen Ääm^jfe 
unb SScrfotgungen l^eroorruft, in benen ba« ganje geben be« @(ia« 
fid^ bewegt, f o wie bie Äraft feine« ß^araf ter« fid^ in il^nen bewährt, 
ift nid^t bie ©runbfagc be« Oratorium«. Man fielet, bag bie 
©runbjüge einer wal^rl^aft bramatifd^en ©eftattung unbenufet ge^ 
bßeben finb , unb bie SJurjet ber ^aubtung , ber ßonfßft oerfd^ic* 
bener, beftimmt au«ge^)rägter ^l^araltere, ift bamit abgefd^nitten. 
2ln unb für fid^ ift ba« oottfommen gerechtfertigt , allein wenn 
biefe« SSerl^ältni^ gleid^wol^t borau«gefefet unb an einzelnen SJio* 
menten ber (Sntwidteluug be« Oratorium« al« ein fetbftänbige« 


56 3«ettbcfefo^n ^art^olb^*« Oratorium Süa«. 

(gtcment* ctngeffil^rt ttjtrb , fo l^at ba« etoa^ @tötenbe« unb Sc^ 
frcmbcnbe«, man »ctg nic^t, »o^in man e^ p bringen l^at. 3501 
iptr bic l^tftorifd^e Scnntni^ btcfcr SSerl^ättniffe , bic un« frcUici^ 
fd^ncü ortcntitt , mit l^injubringcn , lann man natütßd^ f o xocnig 
gcitcnb mad^cn , al6 eine SScweifung auf ba^ Xcjtbud^ , ba« über 
%\k^ belcl^rt — ba« ßunftttjerf f ott in fid^ unb burd^ ftd^ t>erftänb* 
üd^ fein. @^ jeigt fid^ aber, ba§ aud^ l^ier, toais not^wenbig »ar, 
um ben äußeren B^fammenl^ang l^erjüfteßen, ber einmal gcmäl^Iten 
gorm tpegen mel^r afe bittig au^gefül^rt tforben ift ; bie einfache 
ßrjäl^'fung l^ätte ba« rein gaftifd^e in ber augemeffenen tfirje be* 
rül^rt unb baburd^ ber au^fül^rßd^en ©arftettung be^ S,efenttid^cn 
ben ®runb bereitet. Sbenfo unberfennbar ift e^, baj3 aud^ bic 
mufifatifd^e ©el^anblung an benjenigen ©tetten, n)eld^e nid^t notl^* 
»enbig au^ ber ©runbtage be« (Sauien l^cröorgegangen finb , tt)e* 
niger tief unb bebeutenb ift, f onbern fid^ mit einer me^r äu^erftd^en 
ß^aralteriftif begnügt. 

!Die folgenbe ®ccne ift bagegen in il^rer ebten (Sinfad^l^eit 
eine ber fd^önften be^ Oratorium« ; fie l^äü fid^ ganj in ber ©p^re 
be« gart Slnmutl^igen , n)eld^e 3Renbefefo]^n« Sünftlematur i)or* 
jug^meife günftig ift. Sluf bie SRal^nung be« Dbabja, ber bro^en* 
ben ©efal^r au^junjeid^en , jiei^t Sfia« in bie SBüfte; in tiefem 
®d;meräe , ba^ fein SBirlen Dcrgeblid^ gen)efen , n)ünfd^t er feinen 
2:0b l^erbei : ,,@6 ift • genug ! ©0 nimm nun f)err meine ©eele", 
in einer einfad^ fd^önen Santitene mit obligatem SSiotoncett. Dann 
in (ebl^afterem Unmutig : ,,3d^ l^abe geeifert um ben f)ertn ; — 
benn bie Sinber 3«raete l^aben ÜDeine ^ro^^l^eten mit bem ©d^toerte 
eriüfirgt", ber burd^ ben fd^mergftd^en ßrnft : ,,Unb id^ bin attein 
übrig geblieben", toieber jur njel^mütl^igen {Refignation gemäßigt 
n)irb : „@« ift genug , fo nimm nun ^err meine ©eele." 5Der 
©d^merj uub ber DrudE , ber auf ber ©eele be« fräfttgen SWanne« 
rul^t , ber fein (Jnbe feine« bergebti^en Samj^fe« fielet, ift bei rid^-^ 
tigcm SSortrag ol^ne SBeid^tid^Ieit, fd^Bn unb ebel au«gebrüd!t. Uub 
bem jum !£obe Ermatteten ift l^immlifd^er' !£roft fial^e ; »ie er 
fd^läft unter bem SKJad^l^oIber in ber ©üfte, lagern fid^ um i^n bic 


SMcnbcIdfoljjtt ©art^iolb^'« Oratorium (glias. 


57 


ßnget bc^ ^crtn , unb e6 ctWnt ein S^crjctt t)on gtauenftintmen 
ol^nc Begleitung : ,,§eBe ©eine Slugen auf ju ben ©crgea , Don 
totläfm 35ir f)ütfc !ommt!" ein ®a|j bon ungemein fieBfi(i^em 
SBol^ttaute, jatt unb einfad^, ber Slu«brucf be^ teinften i^ebena. 
Sin bie testen SScrte bcffetben : ,T)er Dic^ beptet, fd^täft ni^f . 
f (^lie^t fii ber S^or an : ,,@ie^e , ber f)üter 3«taefe fd^Iäft nod^ 
fd^tummert nid^t ; n>enn 15u mitten in älngft toanbctft, fo etquicft 
er 35id^/ lud^ l^ier ift biefette rul^ig l^eitere ©timmung feftge* 
l^aften unb auf anmut^ige SBeife , au^gebrüdtt ; ber ®egenfa|: 
„SBenn 3Du mitten in ängft n?anbctft" giebt nur eine leife ©d^atti^ 
rung, tpetd^e ben Ion be^ innigen 9Sertraucn6 nod^ l^ebt. Mar unb 
burd^ftd^tig fliegt ber ß^or bal^in unb giebt biefer ganjen Situation 
einen iDol^Itl^uenben Slbfd^Iuß. 

3tm ergel^t an Sßa^ ber S9efe:^I , ftd^ auf ben Serg §oreb 
ju begeben ; er aber, unmutl^ig unb ermfibet über fein bergeblid^e« 
' JEl^un, l^offt nid^t mel^r mit feiner Sraft ^tma^ au^jurid^ten': „%(Sf, 
ba^ !Du ben §immet jerriffeft unb fü^reft l^erab ! — Söarum läff eft 
35u fie irren bon Steinen SBegen unb il^r ^erj berftodfen , ba| fie 
2)id^ nid^t fürd^ten? O ba^ meine ©eele ftürbe!" ©a ergebt an 
ben ©erjagten bie SRal^nung : ;,@ei ftiüe bem f)errn unb marte 
auf il^n , ber n)irb ©ir geben , xt>a^ !Dein f)erg »ünfd^t. ©efiel^t 
il^m i)eine SBegc unb l^offe auf il^n , ftel^e ab bom ^otn unb ta| 
ben (Srimm." 3n einem aittfolo »erben biefe SBortc einfad^ unb 
innig , tt)ie eine l^erjtid^e , fattfte ßrma^nung vorgetragen , benen 
bann ber Sl^or bie Selräftigung l^injufe^t : ,,3Ber bi« an ba« ßnbe 
bel^arret, ber mirb feiig/' Der i^riebe eine^ in feftem ©ottvertrauen 
rul^ig unb f(ar getDorbenen (Semütl^e« ift in biefem Sl^or innig unb 
»al^r au«gef^)rod^en.> unb e« mag SBenigen gelingen , eine @tim* 
mung , bie o^ne aUe geibenfd^aft unb ieber äuj^ertid^en ßl^arafteri* 
ftB unfSl^ig ift, fo tief unb »al^r aufjufaffen, ba^ fie einen bei ber 
fefteften JRul^e bon innerem geben erbarmten fünftlerifd^en 3l*u^* 
brudt getoinnt. @o ift ber SiMbrudf ein ttjal^rl^aft reinigenber unb 
im ebetftcn ©inne rfil^renb, 2)ie mufilalifd^e ©eftattung entf^jrid^t 
DiJÜig ber ©timmung, oue bem einfad^en, gleid^ 5lnfang« ftar unb 


58 3Renbe(9fo]^n 8art^o(bt^*« Oratorium (iüa9. 

tooßftanbtfl avi^i^pxo<fftnm ©runbgcbanfcn toäti^et btc tDeiteteäu^* 
fül^rung in fcftcr ©efd^Ioffcnl^eit ol^nc irjcnb einen frembcn ©d^mud 
otganifd^ l^evbor, 

I)iefe teiben ©cenen taffen bie ©orjfige ber freien , f^mbolt'' 
fd^en Som<)ofition Hat erfenneu. aSon einer beftimmten f)anbtun8 
ift l^ier ^ax niöft bie JRebe , e6 ift nur 2)arfteöung be« inneren 
©emütl^^juftanbe« bee düa^ , ben aber nid^t er fetbft allein tjor 
un« att«f^)rid^t ; bietmel^r finbet aud^ ba^, n>a« Derborgen im 3n* 
nern be^ SKenfd^en ii^m felbft unbewußt xoaütt, l^ier einen obfecti« 
Den äu^brud unb bamit ben Sl^aralter l^öl^crer, über ba« Snbim* 
buum ]^inaudrei(i^enber SBal^rl^eit. J)aburd^ , ba§ biefer äu^brud 
be« aHtgemcincn burd^ bie !Darftettunß be^ Snbitjibueüen l^rtjor* 
gerufen »irb, fid^ auf biefeö bejiel^t unb baffelbe öerHärt, crfd^int 
e« nid^t ate ein äbftracted, fonbcrn innerfid^ notl^toenbig unb 
»al^rl^aft tebenbig, unb bottenbet fo bie lünftferifd^e Darftettung. 

3e^t enn)finben »ir , bag ßfia« »ürbig ift , m^ feiner SSer* 
jagü^eit burd^ bie (Srfd^einung bed f)errn aufgerid^tet ju werben, 
unb fo gebietet il^m ber Sngel, fein 3lnt(i^ bor bem Stallen (8otte« 
}U DerpIIen. 

Die ßrfd^einung be« ^errn felbft »ar ol^ne 3^^if?f ^"^ ^^ 
größten unb fd^mierigften aufgaben , obujol^I bie potü\^t ©d^ilbe* 
rung in ber l^eitigen ©d^rift aud^ für bie mufifatifd^c !Darfteüung 
bortreffßd^e aWotibe barbot. ßine anberc Darftettungötoeife aU 
bie erjäl^tenbe toar l^ier gar nid^t mSgtid^ , unb fie ift bal^er aud^ 
ittoSffit aber fd^on bie gorm , in ber fie auftritt , inbem fie bem 
ßl^or in ben 3Wunb gelegt ift jeigt, ba§ e^ l^ier auf mel^r al« eine 
bto^e (£r}al^(ung abgefel^en ift, bag bielmel^r bie im^ofonte (^eioatt 
ber 5Raturerfd^einungen unb bie tieffte Erregung be« ©emütl^« bor 
bem ^eißgftcn unb (Sröfeten ii^ren gemeinfamen, einigen Sluij^brndt 
finben fotten. 35aju .finb alte Gräfte ber ©ingftimmen unb bc« 
Ord^efterd aufgeboten ; allein l^ier, »o ba« Ungcm&l^ntid^fte barju^^ 
fteUen toar , fül^t man fid^ gett>iffßrmaaten überrafd^t burd^ bie 
Strenge ber gorm, mlä^t man in ber allgemeinen Slnlage, »ie im 
<ginielnen loai^mimmt. Da^ jeugt bon ber fid^ren ^aub be^ 


SWcnbetefo^n 8art^oIbi>'8 Oratorium <gtla«. 59 

SWcifter^, ttx anöf ^tt wW Mtt bad 50iaa§ l^tnau^gmg, unb 
gicbt bem ^anjen, fo belegt unb etgcutl^ümRd^ c« gcl^atten ift, eine 
grof c geftigfctt unb ^lax^dt Da« gmeimaf mteberfcl^rcnbc : ,,!iDct 
§ert ging öotübcr !" unb ba« hn Slu^btude fo tjcrfd^tcbcnc, cban* 
faß« fid^ totcbcrl^otcubc : JHUx bct §ert tpar ntd^t im ©turmiütnb 
(imßrbbeben, im geucr)" mad^en ganj beftimmtc r^^t^mifd^c 2lb* 
f^ntttc unb faffen bte belegten ©d^ilberungcn be« ©tumtoinbe«, 
©rbbebcn« unb i^cucr« mtc in einen Sial^men ein, gut biefc felbft 
ift l^öd^ft gßld ßd^ bic canonifd^e gotm getoal^ft , toeld^e , tpfil^tenb 
fie mit einem ftarfen öanbe, Joie butd^ eine Ißaturnotl^toenbigfeit, 
gejügeft fd^eint, juglcid^ etoa« unauf^altfam Slreibenbe« unb 
©röngenbe« ^at , ba« ben ^viS)ixex in ber gef^)annteften äufmerf* 
famfeit erhält. J)ie6 ipirb burd^ bie ©egteitung.gefteigcrt, miäf^ 
.tl^citoeifc in tafd^et S3ett)egung fotttteibt, t^eite in fd^tt>eren 3)?affen 
l^ineinfd^Iägt, befonber« aber burd^ bie etgentl^ümlid^e ^el^anblung 
ber ©äffe, tpefd^e meiften« lange auf einem 2:one rul^en. ©a aber 
über bemfetben bie Harmonien in rafd^er golge toed^fetn , fo ge= 
tocL^xt bie« Sel^arren-auf einem S^one, ber nur ijorübergei^cnb ate 
loal^rer (Srunbton erfd^eint , feine 33eru]^igung , fonbern treibt nur 
nod^ mel^r öorn?ärt«. 9?ad^bem in ben SBorten : ,,3lber ber §err 
tt>ar nid^t im geuer'' bie l^öd^fte traft concentrirt ift , tritt bann 
bie ©efriebigung ein : „Unb nad^ bem geuer !am ein ftitte«, fanf«^ 
te« Saufen", bie f)armonte mirb einfad^ unb Kar unb ftrebt fd^neß 
bem reinen X)reiHange ju , auf bem fie lange unbetocgßd^ rul^t. 
Dann tritt mit ben SBortcn : „Unb in bem ©äufeln nal^te fid^ ber 
§crr" eine (eife Sen^egung ein , metobifd^ mi ^armonifd^ fel^r ge^ 
mä^gt\ unb fü^rt in breiter aiu^fü^rung bie loo^tt^ätige ©eru^i-^ 
gung nad^ fo l^eftiger Slufregung l^erbei. ©ue eigentfid^e muftia* 
lifd^e ajiafcrei ift babei nid^t angenjenbet , ber (Som^onift i^at nid^t 
etioa öerfud^t , bie Slaturerfd^einung mufilatifd^ nad^juai^men ober 
unmittelbar barjufteßen , n>o^I aber l^at er Don ber greil^eit mit 
rid^tigem Salt ®ebraud^ ju gemad^t, mo ein mufüalifd^e« gtement 
in ber toirftid^en 5Katur l^erDortritt , biefe« ju bcnufeen, inbem er 
c« ju einem fnnftterifd^en 3Kotiüe feiner Darfteüung erl^ebt unb 


52 2RenbcI«fo^>n SBart^oIbi?'« oWium ^Ua«. 

großer SBitlung ift bct ftd^ ftetgernbe gortfd^tttt tn ben btel Si^iJ* 
Ten i)on bem feinet ©lege« getotffcn , ja übcmüt^igcn SScrttaucn, 
ba« in ftöl^tidiicr f)cttcrlctt bie ®ötter anruft, jur ungeftümen, fei«' 
benfd|iaftßc^en§eran«forberung, unb enblid^ bid jurSJerjmeiflung, 
bie \xäf m i^rcr Sutl^' gegen bie ®öttet fetbft n?cnbet. ÜDagegen 
bitten, bie l^öl^nenben Sieben be« Stia«, unb jukfet bie einfädle 
SBürbe, mit bet er baö SSoIf ju ftd|i ruft, einen bortrepd^en ®egen« 
fafe. 3iun »enbet er fid^ im ®ebet ju ®ott, ba§ er fid^i il^m unb 
allem SSoH offenbare , mit einem Slu^brud e innigfter grßmmigfeit 
unb feften SSertrauen« , ber ntd^it treffßd^er gelungen fein, lönnte, 
(gin @oIoquartett, ba« faft ganj ol^ne ©egfeitung gefungen »irb : 
^SBirf ÜDein Slnfiegen auf ben |)errn , ber »irb ©id^ i)erf orgen", 
vbiectii>irt getoiffermaa^en biefe (geefenftimmung be^ Stia« unb giebt 
ivr eine l^öl^ere Beglaubigung ; l^öd^ft einfach unb !£ar , unb eben 
fo innig im Sluöbrud, ift e^ ganj d^oratartig gel^alten. X)enn be^ 
eigen ''i^id^en S^oraf« l^at fid^ SKenbetefol^n im ßlia^ aud^ bei S5e^ 
trad^ttxigen lißgemeinen ®el^alt« entl^alten , unb nur einigemal 
auf bie'gorm be^ S^orate mie. l^ingebeutet. O^ne ^roex^d ift 
bie« geft'^el^en , um nid^t in ben altteftamentarifd^en ©toff ein 
(glcment |ineinjutragen , ba« feiner ganjen gorm nad^ bemfelben 
frembartig ift ; unb allerbing« l^ätte bie ganje Einlage be« Drato* 
riumd entfd^iebener f^mbolifd^ fein muffen, um baffelbe jujulaffen. 
SSietteid^t »ürbe eine rüdffid^t^lo« ftrenge tritt! fid^ felbft gegen 
tiefeci Quartett feieren, menn fie nid^it burd^ bie einfad^ fd^ßneSBir* 
f ung beffelben , bie tto)a^ mal^rl^aft reinigenbe« l^at , entnjaff net 
ȟrbe. 

auf Slia«' Sitte, bie einen eigentl^ümlid^ feierlid^en, ber 
ängftlid^en @t>annung entf^red^enben SludbrudE l^at, faßt ba« 
geuer l^erab. 3ßit bem 3)onnerf daläge , ber ed begleitet , ruft ba« 
35oß an^ : „I)a« geuer fiel l^erab ! bie glamme fra| ba« S3ranb* 
o^)fer !" unb beugt fid^ i>or bem f)errn , bem einigen ®ott. 3Der 
S^or ift äinfang« fel^r lebl^aft bemcgt, unb erinnert in ben J^igwreu 
ber ©ingftimmeh an bie SBeife ^anbete ; er fd^lie^t mit einem 
eritften ®raDe. auf @tia«' öefel^l njerben bie ^rieftet Saal« ge« 


3»ettbct«fo]^n ©artl^olbi^'ö Oratorium (5Ua8. 53 

fd^tad^tct , unb nun jeigt et fic^ mit bcr ^cftigfctt eine« glfil^nben 
eifetev« : „3ft uid^t bc« §errn SBort »ie ein treuer , unb »ic ein 
Jammer, bergelfen jetf dalägt?" Die SIrie ift i>oß leibenf d^aft* 
fidler Sttegung unb 3"^^! , in ungeftümer , taftCofer ©emegung, 
fie t^etlangt einen ©änger öon eben fo fräftiger ate au^gebifbeter 
©timme. ©el^r fd^Bn »itb bann biefer jornige ßifer butd^ ein 
2l(tf olo gemäßigt, in beut fid^ in tül^renber 6inf ad^l^eit ber ©dornet j 
nba bie abtrünnigen au«f^)tid^t : „3Be]^ il^ncn , ba^ fie t}on ntir 
tt>eid^en ! fie muffen i)erftogen u>erben !" u?oburd^ auf bie ®nabc 
beffen, ber ben 9ieuigen t^erjeil^t, l^ingetmefen »irb. 

9?un »enbet fid^ Dbabja an @ßa« , bag er öon ®ott Stegen 
erflel^e, unb biefer betet mit bem 3SotIe ju il^m. 35ann fd^idft er 
ben Knaben au« , baß er nad^ Siegen fc^aue. „3d^ fel^e nid^t« ! 
ber §immet ift eifern über meinem ^anptt/' Unb ujicberum betet 
Sfia« mit bem SSoße jum §errn, biefetbe 2(ntmort, unb jum brit^» 
ten 3ÄaIe biefetbe SKntmort. 35a ruft ßlia« in ber l^öd^ftcn Segei* 
fterung inbrünftigen ®ebet« : v „®ebeufe f)err an S)eine 33arm* 
^erjigfeit!" unb ber Änabe autujortet: „g« geltet eine Heine ffiotfe 
auf au« bem Speere tpie eine« 3Kanne« §anb. 35er ^immel »irb 
*fd^tt?arj i)on SBoÖen uubSBiub, e« raufd^t ftärfer unb ftärfer !" 
Subetnb ruft ba« SSoß bem ftrömenben 5Regen entgegen : „kaufet 
bem §errn, bcnn er ift freunbtid^." 35ie mufifatifd^e 35arftettung 
biefer ©cene ift i)ortreff{id^ gelungen unb i)on größter S33ir!ung. 
I)ie ©pannung, n>eld;e rurdb bie mieberf el^renbe , monotone 3lnt* 
njort be« Äiiabcn mit bem l^artnadigen c ber Oboe erregt »irb, 
bie ©teigerung in bem flel^enben ®ebete , bie fid^ bi« jum l^öd^iften 
©c^mung »ergebt, ber na^enbe Siegen, unb eubßd^ ber überrafd^enb 
einfattenbe , ftäftige 35anfe«ruf be« S^or« fiub au« einem großen 
®uffe , unb burd^ »eife« Slbmägen ber SÄittet tt?irb in burd^au« 
einfad^cr SBeife eine außerorbentßd^e SBirlung erreid^t. ' 

!Die fd^n)ungi)otte ©timmung tt>irb in bem ©d^tußd^ore , ber 
fid^ an ßßa«' ©orte : „35anfet bem §)errn, benn er ift freunbßd^, 
unb feine ®üte U)ä]^rct eioigßd^!" unmittelbar auf d^ßeßt , feftge^* 


62 3Renbe(d{o^n Sart^olbv*^ Oratorium Q^üa«. 

tl^n erl^ört , tpenn er ju x^vx betet ; in biefem- SSertraucn , ba« jut 
innigen ©egeifterung tt)itb, tl^ut er äSunber, erntol^nt er mit ßrnft 
unb SSfirbe; augcnbßdtid^ njattt aud^ leibenfd^aftlid^er '^tftn in 
il^m auf , aber Sifer nnb §ärte finb nic^t bie ©mnbjüge feine« 
6]^aralter6. (£r ift »eid^ unb mitleibig, tiefer ^mmer*fa§t i^n, 
ba^ man feiner SGBarnung nid^t ad^tet , unb nur bie ßrfd^einung 
®otte« rid^tet il^n »ieber auf. S^al^er finb alle 3üge eine« tparmen 
unb tiefen ®efü^te , eine« innigen unb fräftigen ©emfitl^e« mit 
SSorliebe l^ert^orgel^oben unb in ber^arftettung bcfonber« geCungen; 
SKa« erfd^eint jujar nirgenb« fd^ipäd^ßd^ unb f entimental, i>ielme]^r 
ftet« in ebter uub Iräftiger SBürbe, allein ber ®ia«, ben ber ßl^or 
fd^itbert : „(gein äBort brannte tt?ie eine gadfet, er l^at ftolje Könige 
geftürjt, er l^at auf bem S3erg ®inai gel^ört bie jufünftige ©träfe 
unb in §oreb bie ^aifz'*, ift nid^t ber Stia« be« Oratorium«. 

auf bie f)immelfal^rt folgt ein atigemeiner @d^Cu§ , ber auf 
ben l^tnbeutet , ber nad^ Sfia« lommen toirb , bem ©runbgebanf en 
nad^ öiJlüg angemeffen , nur ju toeit au«gef^)onnen. ÜDa« gteid^ 
folgenbe Sienorfoto : „i)ann »erben bie ©ered^ten Ceud^ten, n>ie bie 
©onne", fd^iße^t fid^ feinem Snl^atte nad^ nid^it red^t ^)räci« an 
unb ift aud^ in ßrfinbung unb äu«fül^rung , nid^it btofe auf ben 
tjorl^ergel^enben fräftigen ßl^or , ettoa« matt unb ioeid^. S)agegen 
finb ba« bann foCgenbe 9iecitatib unb ber ßl^or : ,,äber einer er* 
road^t bon 3Äitternad^t" ernft unb gro§ , unb öon einer gemiffen 
geiertid^ifeit , bie bem f i^mbolifd^en Sl^arafter berfelben DortreffCid^ 
entfprid^t. 8eiber tt>irb biefer Sinbrudf burd^ ba« Quartett : ,,2Bol^Ian, 
atte bie i^r burftig feib, fommt l^er jum Saffer, f ommt i^er ju x^m** 
einigermaa^en gefd^ujäd^t, ba« ber Steigerung nid^t entf^jrid^t, bie 
namentßd^ am@d^fuffe geforbert toirb. 35er CetjtcS^or gel^t bann 
nad^ einer breiten Einleitung in eine lebl^afte guge : „§crr unfer 
^errfd^er, toie l^errüd^ ift Dein 9lame" über, bie in übüd^er SBeife 
bem Oratorium einen fräftigen unb gtänjenben @d^Iu§ giebt. 

3d^ l^abe in biefen Semerfungen ben @nttt)idEefung«gang be« 
Oratorium« , loie id^ il^n gCaubc aufraffen ju muffen „ barjutegen 
gefud^t. gin naivere« ©ngel^en auf Sinjelnl^eiten, namentßdj^ äna* 


2»enbcl8fo^n Öart^olb^'« Oratorium @Ua«. 63 

(^fen fo Dieter fd^öncr unb fetner 309^ / ^^^^ i<^ ^^^ tjerfagt ; mit 
einer bCofeen öefd^reibung tt)irb meiften« nic^t SSiel erreid^t , unb 
ba^ rein S^ed^uifd^e überlaffe id^ Beffer ben aWännern i)om gad^e, 
mir fam e« aufbie attgemeine äfti^etifd^e SBürbigung an. SBo 
id^ bal^er mit ben Sntentionen be« SReifter^ nid^ übereinftimmen 
lonnte, l^abe id^ meine abn>eid^enbe 2Keinung ju begrünben gefud^t, 
toie id^ e« il^m gegenüber getl^an l^ben »firbe , n)enn mir biefe 
greube befd^ieben gen)efen n)äre. ®o l^abe id^ e^ für eine 'ißflid^t 
ber ^ietät gel^atten, mit rebßd^em ©emül^en foDiel an mir ift 
bal^in ju ftreben; bag ba« SBerf, ba« er nn« l^interCaffen l^at, un« 
aud^ ma^ri^aft förberßd^ roerbe. 


^ I 


Jamil)au[er, 


©et bem Sntcteffc, tocld^cd man gcgcimärttg l^lcr in Seij>ätg 
an äBagncr« Zann^a\t\tx nimmt, ober, mie ©nige »otlen, 
bei bev lunft^iftorifd^en Sebeutung be« greigniffed, ba^ biefe D^^er 
in furjer 3^^^ breimat bei mägig gefütttem §aufe aufgefül^tt U)or^ 
ben ift, geftatten ®te xoo^ auä} einer Slnfid^t ©el^Br , bie mit bem 
in ben ®ren jboten bereite gegebenen ©eric^t Jeinegmeg« ganj über^ 
einftimmt unb mit bem in unfern 2^age«blättern ge^^rebigten Sban* 
getium in ftarfem SBiberf^^rud^ fielet. 

SSerübetn ®ie mir e« nid^t, n^enn iä) gleid^ an bem 2^itel ber 
Dper Slnftog nel^men mng : ,, Jannl^äufer unb ber ©ängerlrieg auf 
SBartburg." unb? ftnb benn ba^ j^ei ©egenftänbe , bie nur fo 
Xufätfig mit cinanber in öerül^rung gebrad^t finb ? ober ^t nid^t 
ber ©angerWeg erft baburd^ feine SSebeutung , ba§ er ber SBenbc* 
^unft in Xannl^äuferd ®efd^idE totrb ? ©d^on l^ier an ber ©d^mette 
tritt un^ bie Unflar^eit entgegen, an ber SBagner ber Äritifer, ber 
©id^ter unb SÄufiler gteid^mägig leibet, ©etrad^ten toir juerft ben 
Did^ter tttoa^ näl^er. 

SBotlen ®ie ba« 3i^9^ftänbni6 au^gefprod^en l^aben , bad id^ 
bereitmittig mad^e, fein Xejt fei um 3SieIe^ beffer, ate bie geujöl^n* 
fidlen Dperutejte? 3d^ meine, biefe^ toürbe SSSagner felbft am 
entfd^iebenften fid^ tjerbitten. @r giebt feine Dpernbid^tungen für 
Srjeugniffe eine^ fetbftänbig fd^affenben 35td^tergeifte^ , bie jmar 

1) ©rcnjboten 1853 I @. 327 ff. 


SagncrS S^annl^aufcr. ^ 65 

fo geartet fein fottca, ba^ fie erft tu bet organtfd^cn I)ittd^briuguug 
mit ber SJJufif %e SSotteubung ertetd^en , allein um baju fällig p 
fein, an unb für fid^ ^)oettfd^ aufgefaßt , motit^irt unb burd^gebitbet 
fein muffen. 3ft e« nun SBagner gelungen, bie @age i)om Xann* 
l^äufer f ju geftalten, bag bie tragifd^e 3bee , »eld^e er in btefetbe 
l^ineingeCegt ober ^w^ berfetben l^erau^gejogen l^at, ate eine ^oetifd^ 
tDal^re fid^ un« Mar au^geVrägt barftettt , ba§ bie i^aubetnben "^Jer^ 
fönen, bie 2^räger biefer 3bee, in ber burd^ biefetbe bebingten ßi^a«» 
rafteriftif ate Ieben^i>otte 3nbü)ibuen, bie entfd^eibenben aJZomente 
ber §anblung ate mit einer innern ^Rotl^ujenbigfeit au« ienen SSor- 
auöfefeungen l^ertjorgel^enb erfd^einen ? SBir muffen bieö auf« be^^ 
ftimmtefte uxmxmxi. 

"Die Srage, in bereu ©eantroortung fid^ Sitte« coucentrirt, ift 
bie, »ie »eit bem 35id^ter bie Sluffaffung unb ©eftaltung be« 
Siannl^äufer« felbft gelungen fei. @in überreid^ begabter ©id;* 
ter , ftotj im ©effil^le feiner Äraft bi« jur Ueberi^ebung unb tUn 
feiner ^)oetifd^en ©egabung megen finntid^ ftar! erregbar , ergicbt 
fid^ bem finnlid^en ®enu6 unb »irb i)on ber bämonifd^ feffetuben 
®ett)alt beffelben bergeftalt beftridft , ba^ er fie Jjergeben« ju bc^ 
lämpfen fud^t. 3^^^ ^^ff^ ^^ f^ ^^ ^^^^^ SRegung fittlid^er Straft 
unb religiöfeu ©lauben« auf , bie befeligenbe 3it^^tfid^t einer rci»* 
neu Siebe erl^öl^t feinen aJZut^, tiefe 9?eue ergreift il^n — umfonft : 
in {ebem entfd^eibenben 3Roment erfaßt il^n ber um]^eimlid;c ^h 
mon, er ftirbt eublid^ ol^ne bie ©emi^i^eit berSntfül^nung. ®emi§ 
liegen l^ierin bie Slemente einer <)oetifd^en, »al^ri^aft tragifd^en 
S)arftettung , attein ©agner l^at in feinem Xanui^äufer nur ba« 
ÜRoment ber ©innlid^feit entfd^ieben d^arafterifirt , bie bemfelben 
gegenüberftei^enben Gräfte ber fittlid^en 5Ratur finb ungemiß unb 
fd^n>anfenb bel^aubelt. 35a]^er ift Xannpufer ju feiner lebeubigen 
3nbii>ibualität gemorben, ber Äam^jf ber toiberftrebenben Slemente, 
auf tt)eld^em ba« tragifd^e Sntereffe berul^t , fann pd^ nid^t ent* 
n?icfeln unb bem gcmä^ aud^ eine 8öfung unb ©ül^nung nid^t ein* 
treten. 
- S83ir finben lannl^äufcr im 9?eid^ ber 95enu« , u^eld^e bicfcn 


66 £[^agnerd ^annl^Sufet. 

m 

fcämonifd^ feffcinbcn SReij atU^ rein ©mntuj^en — notürßd^ nid^ 
im gemciueu ©iun aufgefaßt — tcjjtäfcntttt. Slbet fd^on f)at iSfn 
Ucberbtufe au beut ©ncrCei be^ ®enie§cn« erfaßt. i)a^ in bct 
mcnfci^Iid^en SRatur begtünbete ©ebürfnig uad^ einem SBed^fct bet 
aud^ ba$ Seiben jum ®enug mad^en lonu, betd^em al$ ettoa^ SSer» 
toanbte« bann bie ®cl^nfud|it nad^ Steilheit jugeotbnet »irb , bie 
aber l^iet feine^ioeg^ ate eine fittlid^e erfd^eint , — biefe aWotiöe 
treiben il^n i)on ber SSenu^ »iebet in bie aKenfd^en^ett. 333enn er 
bann fd^Iiegfid^ ber grau 3Senu« juruft: ^aWeiu ^i{ rul^t in 
äJiaria ! " fo ift ba« burd^ bie bid bal^in gegebene Si^arafteriftil 
Xannpufer^ eben fa menig ^jfi^d^ologifd^ uiottDirt , ate e« f)>äter 
gered^tfertigt »irb, unb bag i^n biefer Sluffd^rei in ber Jl^ot pUi^idf 
i>on il^r befreit, ift ein t^eatraßfd^er ©ffect, aber fein bramatifdj^er. 
3)a6 nid^t ein religiöfer ©taube , ber tief in il^m gefd^Iummert unb 
nun neu enoeid^t fei , bcn innern 333enbe|)unf t bilbe , jeigt ' fid^ im 
gotgenben. Slnfangd erl^äft freißd^ ber ®efang ber nad^ SRom voaU-- 
fal^rtenbcn ^ilger bie retigiöfc Stimmung" in il^m nod^ lebenbig : 
allein fobatb bie ritterlid^en ©änger erfd^einen unb il^n jum Söku 
ben aufforbem, tritt ein ganj anbered Sßotiö entfd^eibenb ein, bad 
aber i>om Did^ter eben \o »ittfürüd^ eing^fül^rt unb eben fo un* 
fidler bel^nbett ift , afe bad erfte. ätle feine Öuggebanfen finb 
t)erfd^tt>unben , aU x^m SBoIfram t>on (Sfd^enbad^ mitt^eitt , bat 
Slifabetl^ i^m in jungfräutid^er Siebe jugetl^an fei ; er bleibt , nal^t 
fid^ il^r , em|)fängt mit Sntgüden ba« ©eftanbnig i^rer Steigung 
unb fül^ft fid^ in biefer reinen Siebe befcügt. Xannl^äufer« Siebe 
ju (Slifabetl^ fällt l^ier ganj unmotii>irt l^inein ; nad^ ber äBeife, 
»ie fd^on il^r '?ftamt auf i^n tt>irft, mut man bod^ annel^men, bat 
fie il^n nid^t jefet erft übcrfommt , unb ber Did^ter l^at nid^t nur 
ein <)f^d^oIogifc^e« 9Koment au§er Sld^t gelaffen , ba^ , rid^tig iz^ 
nufet , ben 3lbf aö Slanni^äufer« ju grau SSenu« mottJ)irt i^ätte, 
fonbern e« ift gerabeju unnatürlid^ , bat er , »öl^renb er fid^ im 
aSenu*&erg nad^ alten mögfid^en Dingen fel^nt, an ßlifabetl^ aüein 
nid^t benft. Snbeffcn ift nun in ber fül^nenben Äraft »ai^rer Siebe, 
in ber Eingebung einer reinen toeibfid^en @eele ein neue^ 3D?otii> 


gegeben , ben '^mltx be^ BIo^ \\xmXx6f feffelnben Sßenu^bcrgc^ ju 
bannen ; ainfgak bc^ üDt^tcr^ tft c^ , baffefte mit beut fd^on ein* 
geführten teügiöfen in ©nllang p bringen, beibe ju erl^ijl^ter 
SBirtfamfeit ju Detfd^meljen unb ate an« einem unb bemfeCben tie^ 
fen Qnett l^erftammenb in il^rer »efentftd^en ßinl^eit barjupeMen, 
(Statt beffen aber f ommt fein« betfelben jn DoHIommen flater ^nU 
njidelung unt? fc^ße^fid^ bleiben beibe untpirtfam. 

Der Äam^}f ber ®änget , bei toeld^em JCannl^äufer burd^ ein 
8ieb jum ^tei« ber toal^ren Siebe Sßfabeti^ gctpinnen foö , mirb 
fein Serberben, ^^xm faum ift biefe ®aite berül^rt, fo faßt il^n 
ber bämonifd^e B^wber, ber il^n bie Siebe nur ate ©enuß, ate flnn» 
fidlen @ennB begreifen tö§t , unb bie ßrinnerung an grau SSenu« 
bemäd^tigt fid^ feiner mit untoiberftel^fid^ ®etpaft. ^ierin ßegt 
uni>erlennbar eine ^)f^oIogifd^e äBol^rl^eit , ein tragifc^e« aWoßt), 
ba« aber bann ben Untergang S^annl^äufer« mit Slotl^menbigfeit be* 
bingt. SBenn er, nad^bem er fid^ burd^ feinen ®£auben an 2Raria, 
tt)ie xoxx ffiagner glauben fotten , au« ben armen ber grau SSenu« 
Io«geriffen unb nad^bem er bann in ßßfabetl^ ba« SBefen ber 
maleren unb reinen Siebe erfannt ^i , bod^ in feinem Snnerften 
nur t)on ber grau S3enu« bei^errfd^t tt>irb , fo ift eben ber Äam^)f 
ber in il^m ftreitenben SCemente feiner finnßd^en unb fittßd^en 5Wa* 
tur bannt entfd^ieben. !Da§ in SQäal^rl^eit biefer Sam^)f in jebem 
SWenfd^n ftd^ pet« lieber erneuem fann unb mit neuer Äraft 
burd^jnbringen ift , gitt natürßd^ nid^t für ben bramaßfd^en 35id^* 
ter, beffen Aufgabe e« ift, biefen S<xm^)f ju einem entfd^eibenben 
aÄoment ju concenftiren. 5Rad^ anttfer aiuffaffung mugte -J^ann* 
l^äufer burd^ biefe fittßd^e 9Hebertage aud^ ^^^Pfd^ untergel^en, 
nad^ mitteCatterßd^er brennt emig in ber $ötte , »er im 35enu«^ 
berg gemeitt l^at; mem nad^ jefeiger Slnfd^auung«tt)eife S3eibe« 
ju l^erbe ift, ber mu^ ber fittfid^en traft im 3Äenfd^en freien ®^)iet* 
räum geben jum SSm^)fen unb ©iegen. 2Ba« SBagner »eiter für 
lannl^äufer« ©ül^nung gefd^el^n föfet, ift rein äugerfid^ unb ol^ne 
^jf^d^otogifd^e ©egrünbung, aud^ ftel^en beibe ijon.il^m angefd^lage* 
nen SWotiDe einanber im SBege. (gr jie^t ^(b auf öefel^t , ^i^ 

5* 


68 Sagnerd %ann\)&n\ct, 

üM eigenem 2lutttefr mit ben ^ifgetn no^ 9tom , um Dom ^ap\i 
äbfoCutiou ju erlangen. Unb nun toitb e^ etft ted^t Kar, toie übet 
bcreci^net e« toar , biefe^ SÄotit) fd^on frül^cr ju bcnutjen , bann 
f atten ju taffen , — tt)ie ein ungefci^idEter Slrjt nad^ einem neuen 
SDWtteC greift, el^e ba« erfte »irfen fonnte — unb f^ater ganj in 
berfelben SBeife toieber aufjunel^men. 35a§ Xannl^äufer t)on 5Rom 
un»>enid^teter ©ad^e l^eimfel^ren tpirb , n)ci§ man Dorl^ ; au« ber 
©efd^reibung, bie er XBoffram t)on feiner 'ißilgerfal^rt mad^t , gel^t 
f (ar iiftx'oox , ba^ feine fanatifd^e SReue nur eine anbere Sleu^erung 
bcrfetten finntid^en 5Watur ift, tt)ie feine Siebe, ät« il^m ber ^a^jft 
leine 2lbfotution giebt, ift cd aud^ mit feiner 9teue vorbei , unb er 
»ei^ aud^ jetjt feine anbere ^Vi^\xiii, ate jur gtau SSenud — unb 
bal^in gel^Brt er aüd^. !Da§ nad^ attem bicfem aber bod^ nod^ bie 
Siebe fül^nenb eintreten fotl, ift gänjtid^ i>ergriffen. (Sßfabet^ , bei 
ber i>on eigcntüd^er Siebe faum mcl^r bie SRebe fein lann , betet, 
leibet unb ftirbt feinetttjegen ; aHein bafe biefer 2^ob eine fül^nenbe 
Sraft l^abe , n^eld^e bie Siebe ber Sebenben nid^t bewäl^ren lonute, 
ba« l^at eben fo toenig ^joetifd^e SBal^rl^eit , ate bi« nad^träglid^e 
erjäl^Iung .Don bem äBunber , an bad ber ^a^)ft bie SKögtid^Ieit 
ber Srtöfung gebunben l^atte. Dl^ne ^v^t\\t{ fann ber !Did^tcr fei* 
nem publicum jumutl^en , fid^ in bie 3(nfd^auungdtt)eife einer t)er< 
gangenen ^t\i ober eine« fremben SSoÖe« ju »erfefeen , tt>enn er 
biefetbe rein unb fd^arf barjufteKcn »crmag , aßein ein 3Rann, ber 
f entf d^ieben ber ©egenmart angel^Sren »iü , toic SJagner , toirb 
felbft nid^t in Slbrebe ftetten, bafe, um eine Derffungene ©age <)oe* 
tifd^ neu ju beleben unb ju geftalten^ ber T)id^ter il^re 3)?otit)irung 
burd^au« nur auf bie allgemein gültigen ®efe^e fünftlerifd^er!Dar' 
ftellung begrünben ntug unb nid^t im 5Rot]^fatt aud^ ba« benufeen 
barf, toa« nur ber vergangenen 3cit angel^ört unb leine altgemeine 
<)oetifd^e ©al^rl^eit l^at. 

SBenn e« SBagner nid^t gelungen ift, bie tragifd^e 3bee feine« 
©toffe« flar aufjufaffen unb in il^ren SKotiöen burd^jubilbcn , fo 
fann notl^ioenbig aud^ toeber bie Sntioidfelung ber ^anblung, nod^ 
bie ß^araf teriftif ber^erfonen geredeten änforberungenentf^^red^en. 


Sagnerd Xanttl^Sufer. 69 

SSom lannl^äufer feud^tct baö fd^on au^ fccni DBtgcn ein, e« tritt 
ahtx bei feiner Sl^arafteriftif nod^ ein anderer SÖiangeC l^cri^or, ber 
fein SSerl^tnit ju ben beiben toeibüd^en S33efen ganj im Unflaren 
lägt. 9ltö ber begeifterte 3)id;ter ber Siebe fott er nn« erfd^einen, 
benn burd^ feine Siebe^gebid^te fjat er fid^ bie ®unft be« SSenu« 
nnb bie Siebe ber (Stifabetl^ gett?onnen. 3Bie ift ba« mijgßd^? fragt 
man erftaunt. 3Bie lonnte ber Sln^brudf finnfid^er ®fut]^ ba« ^erj 
ber leufd^en 3ungfrau feffeln? »ie fonnten reiite aWinneüeber i^m 
bie §uCb be^ SSenn« ptoenben ? äBir fotten bie Urfad[;e glauben, 
mit iuir bie SBirfung auf ber SänS)m feigen , aßein jur ^oetifd^en 
ated^tfertigung genügt biefer Slugenfd^ein nid^t, nnb »enn ba« i)i*= 
lemma ettoa babnrd^ gelöst fein f ott, ba^ Jannl^äufer, inbem er bor 
gran aSenu^ bie Siebe befingt, il^r felbft abfagt, i>or (SKfabetl^ aber 
grau 3Senu^ ^)rei$t , fo genügt bie^ i)ottenb^ ganj unb gar nid^t. 
Slbgefel^en bai)on, ba^ SBagner lein ÜDid^ter ift, ber einen T>\(i}tex in 
feiner fiegreid^en 3Sla6)t über aße §erjen barftetten fßnnte, fo tritt 
aud^ l^ier ber bereite bemerlte 3Wanget l^ertjor. @^ ift ganj unbe* 
greipid^ , toie t e r S^annl^äufer , ben und SBagner jeigt , ein über* 
mütl^iger nnb glül^enb ftnnßd^er 3Rann , bie Siebe ber (gßfabetl^ 
getotnnen lonute, unb bie notl^menbige golge ift, ba^ anä} bie.(5^a== 
raftcriftil biefer unbebeutenb mirb, ba bie toefentßd^e (Srunbbebin* 
gung il^rer ^joeßfd^en S^ftenj, il^re Siebe ju 2^ann^ufer, nid^t flar 
gemad^t ift. 

3n bad SSerl^äÜni^ ber ^xm 3Senu« ju Xannl^äufer l^at atter* 
bing« ©agner ein eignet 3Koßt) l^ineingebrad^t , ba« man . aber 
nid^t gCüdßd^ nennen lann. Urf^)rüngßd^ ift fie nid^t« , ate ber 
jum üDämon tjerör^iertc finnßd^e Siebedreij in feiner ben SDienfd^en 
»erberbenben ^Watur aufgefaßt , unb bie SKoüDe , tt?eld^e il^r ate 
l^anbelnber ^erfon geßel^en »erben, IBnnen nur and biefem t^rem 
Sefen abgeleitet »erben , 5löed, »ad biefem fremb ift , »irft ftö* 
renb. S)a§ fte für Xannl^äufer eine ^}erfi)nßd^c Siebe em^)finbet, 
ba| biefe auf feine ÜDid^tergaben gegrünbet ift , bag fie au« ^oxn 
unb JCrauer über fein SBeggel^en bem SÄenfd^engefd^Ced^t §a§ 
fd^»9rt, bad Slßed ift gegen bad äBefen ber i5^au SSenud, »eCd^e 


1 


70 Wagner« Xanitl^fer. 

bie ett>ig gCeW^e, ftet« mjcnbe unb kjaitfecrubc ift, Wc nur öct* 
fül^tt, um ju bctfül^tcn— tt>ic e« aud^ bem teufet nur um6^otcn 
ju Üivin tft, ol^ne ba^ er für ba« 3nbtbtbuum ein bcfonbcrc^ 3n* 
tercffc l^ätte. SBagncr lam e« auf einen tl^eotrafifd^ totrifameu 
®egcnf a^ , auf eine leibenfci^aftfid^c @ccne an ; bicfct gorberung 
tft bic »oi^rl^aft ^oettfd^e äuff affung , une fie in bcr ®agc liegt, 
geo^)fert. 

Unter ben übrigen ^erf onen lann l^öci^ften« b^ SSJolfram t)on 
gfd^enbad^ bon einer inbibibueücn S^arafterifttf bie 9tebe fein, 
unb aud^ bei biefem laum, 5Da§ er ate tugenbfc^er, refignirenber 
Siebl^abcr, greunb unb ©id^tcr ba« ©egenftüd ju SCannl^äufer bil* 
ben f Ott , ba« fielet ntan freißci^ , ober er ift biet ju bcfd^eiben ,. um 
red^t in bie ^anblung einzugreifen, unb feine (oben«)»ert^n (£igcn^ 
fd^aften finb f o ^jaffitjer 5Ratur , bafe er ed ju einer lebenbigen ®e* 
ftaü , bie einige« Sntereffe barbicten Knute , nid^t bringt. ®ne 
intereffante Stufgabe inbibibueßer Si^aralteriftif bietet atterbing« 
ber SBettftrcit ber ©änger, tt>cnn jieber berfelben aU ctn.S)id^tcr 
öon eigentpmßd^er ©egabung unb 9tiil^tung,.bie im.®eift unb in 
ber gorm ber Don jebem vorgetragenen Sieber fd^arf att«jgcj>ragt 
j^erDortreten mü^k , gefd^itbert »erben f ott — aber freilid^ biefe 
Aufgabe fo gefteöt erforbert einen »ol^rl^aften ÜDid^tcr. Unb ba^ 
SSJagncr biefe« nid^t ift , bebarf totiffl feine« tpeiteren Siad^toeifc« 
mel^r , ber übrigen« au« ber nid^t feiten ungcfd^idtten , nodi^ äftet 
trivialen ©ei^onbtung be« ©njelnen leidet , aber für 5Ricmattb un* 
teri^aöenb ju geben tt>äre. 

5Rid^t feCten l^at fd^on ba« S^afent be« Som^oniften bie ©d^toä^ 
d^en feine« S^e^te« }u berbedCen unb burd^ bie mufilatifd^e^el^anb« 
tung bic SfidEcn beffelben ju ergänjen verftanben. SBo i)id^ter unb 
ßom^jonift in einer "ißerfon bereinigt finb, ift ba« nid^t ju erwarten, 
fonbcrn baß bie ©d^mäd^en ber bid^terifd^en Sonce^)tion fid^ in ber 
mufifaßfd^en toieberfinben merben. ß« ift überl^uj^t eine mifeßd^e 
®ad^e, ö>erin ber Som^)onift fid^ feinen STejrt felbft mad^t. Denn 
e« ift auf leine SBeife ju leugnen, bafe burd^ bie potü\ift ^cftaltung 
unb betaiüirte üDurd^bilbung be« @toffe« bic ^robuctioti«Iraft be« 


SBagnere Xamt^ifittfer. 71 

3Jhtjt!cr« betdW im ajorau« gef^toad^t tocrbc. @t tritt nx<Sft mei^t 
ftifd^ einem ii^m fremben DBjcct gegenfibet, bae et, au« jici^ l^erau« 
ju burd^bringen unb neu ju gepalten l^t , f onbcrn er ^t einen 
guten, üietteid^t ben Beften S^l^cil feiner Äraft fd^n an baffcttc ge* 
fefet, feine mufifafifd^e ©egetfterung für ben @toff ift nur ber 
jtoeite 3lufgut feiner ^oetifd^en. 3e mel^ biefe eine njal^re unb 
innige getoefen ift, um fo mel^r toirb fie ba« muftlattfd^e ßlcment 
in ben f)intergrunb brängcn , unb e6 ift aud^ au^ biefem ®ruube 
begreiflid^, bag Sagner ^nci^)ieü ber 3RufiI eine fecunbäre @teC* 
tung antreibt, loic j« ©. ©oetl^ fid^erCid^ bie ßom^ofitionen ^zh 
ter« aüen übrigen l^au^jtfäd^Cid^ be^l^ffi öorjog , tDeit fie ju feinen 
©ebid^ten fo tt)enig 3Kufif ate mBglid^ l^injuBrad^ten. d^ i^itft 
nid^t«, an ben Äünftler ber ^utnn^t ba« ^cftulat einer Uniterfafi* 
tat genialcr,®d^5<>fungelraft ju fteöen , u>etd^c bie ©efd^ränltl^eit 
ber menfd^fid^en SRatur üittffaupt nid^t julägt. ©enn man öer^ 
U)ed^«le bod^ um ©otte^toiBen bie fd^affenbe Äraft be^ ®enied, 
njetd^c aHein »al^rl^afte Sunfttt>erle l^rtjorjubringcn im ©tanbe ift, 
nid^t mit ©itbung, bie aflcrbing« einer an Unii^erf aßtät grän* 
jenben SJielfeitigWt fS^ig ift. 3n einer 3^t tt>ie bie unfrige, bereu 
geiftigc 3[t^mof^>]^rc mit «itbung^etementen aßer «rt gefättigt ift, 
fann an^ ein mä^ge« I^alent, toenn e« mit einiger öetocgCid^fcit 
unb ©cfiidRid^Ieit mbunben ift, fid^ leidet fo öiel Sft^eüfd^e SdxU 
bung erioerben, baß e^ einem ©toffe jwctifd^e SÄotiije anfielet unb 
ii^n in ber gebitbeten ®pxad}t, „bie für il^n bid^tet unb benff, in 
Ceibfid^en SSerfcn be^nbett. «ud^ bie SIRufil ift burd^ bie geiftun^ 
gen ber großen SWeifter , »cld^e fie mit ftaunen^n?ert]^er ©nergie 
unb ^ße nad^ aßen ©eitcn geiftig unb ted^nifd^ au^gebitbet l^a* 
ben , in einem ®rabe Sigentl^um ber gebßbeten SBelt getoorben, 
baß bie Sfil^igleit, feiner em^)finbuug einen mufüatifd^en 5lu«brudE 
JU geben unb ted^nifd^e (gffecte l^ertjorjubringen, laum t>xd weniger 
verbreitet ift ate bie Steigung , äWufil ju l^rcn unb ju Wtifiren. 
ÜRit einigen ber bilbenben fünfte ift e«*jiem(id^ eben fo »eit ge* 
fommen, unb man betrad^te nur bie gebilbeten ©nttjol^ncr größerer 
©tSbtc, worin fefeen fie il^re Sitbung anber^ afe in bie univerfeße 


72 SBagncc« Xonnl^Sufcr. 

gäl^igleit, 'ißoefie, SDiitfif uufc bitbeubc-tunft ju genießen , ju Dct^ 
fielen uub »eutgftcu« in einigen anä) fetbft gn j)robuciren ? Diefcr 
X>i(ettanti^mui^ , baö ^robuct beröilbnng, ift in feinem ^unb 
nnb SBcfen i>on ber SJunft Jjerfd^ieben , bie nur am bem fd^B^jfeti'^ 
fd^en ®enie l^evöorgel^t , unb toie beac^ten^toertl^ aud^ bie quanti* 
tatiijen Unterfd^iebe bilettantifd^cr SBexfe unter fid^ fein mögen, 
bie »efentßd^e SSerfd^iebenl^eit Dom tx>af)Xtn Äunfttoerf bleibt nn^ 
j)enüdtt biefelbe. ^ 

SBagnet mit feinem i>ietfeitigen 2:atent ffir ^oefie , üRnfif , 
bilbenbe km\t , f otoeit fie bei bem fcenifd^en 5ltrangement in ©e^ 
trad^t f ommt , unb bialef tifirenbe Sritil ift ein 9tej)räfentant be^ 
auf unfetet l^eutigen ^itbung rul^enben ÜDitettanti^mu«, »eun 
man biefen äu^btudf in bem tAtw angebeuteten attgemeinereu 
©inne nimmt. ÜDag e r in biefc uniöerfetle Stiftung ba« wallte 
SBefen ber Äunft fe^t, ift bie natürfid^e golge feiner SDieinung, bag 
er ein »ol^rer unb großer ^nftter fei ; ba eö burd^ nic^t« geboten 
ift , biefen ^oftufat jujugeben , fo tpirb man i)orIäufig aud^ nid^t 
genßtl^igt fein, ben ©egriff ber Sunft Don il^m ju abftral^iren. 

SBagner ftetit an bie D^)ernmufif bie erfte gorberung, ba| fie 
bramatifd^ b. 1^. in iebem SDJomente d^aralteriftifd^ fei. ®o attge* 
mein ift ber ®afe jtoar rid^tig , e^ fommt aber Wt^ barauf m, 
toie er lünftlcrifc^ au^gefül^rt unb Cebenbig geworben ift. 5Kun ift 
be!annt genug , mie l^äufig in ben meiften D^)ern biefe gorberung 
außer äugen gefetjt ift^ unb mau begreift, toie 3emanb, ber gegen 
biefen üRißbraud^ eifert, in feinem ®fer ju toeit ge^t unb aud^ ba^ 
Erlaubte , fetbft ba^ Xrefflid^e l^inau^mei^t. Slber ba^ ift bod^ in 
ber Il^at fel^r bebenfßd^ , baß SBagner gar leine anbere gorberung 
fteüt unb ganj ju »ergeffen fd^eint , baß bramatifd^e 3Äufif juerft 
unb öor attem SÄuftf ift unb bleibt, baß bie 3Kufif tt>ie iebe Sunft 
i^re eigenen unb innerften ®ef efee unb Öebingungen l^at , bie fie, 
tt)o fie mit anbern in SSerbinbung tritt , alfo aud^ im bramatifd^en 
3ntereffe, \s>t>^ mobificiren, aber nie aufgeben fann, »eil auf il^nen 
i^re ßfiftenj berul^t. aSon einer Slu^gteid^ung »erfc^^iebener 3nter* 
cffen unb ßinflüffe l^ören xovt aber nid^t^ , fonbern c^ l^eißt nur : 


Sagtterd Sannl^aufer. 73 

btamatif^ ! Unb tt)ic getoSl^uUd^ m^tfflt ba« ®üiff^ uub ©d^toä* 
»ort feine SKttfung ntd^t, unb ba^ servum pecus j^anbtl^iert ba» 
mit fort. 3nbeffen ba toit un^ l^iet an ben Jannpufcr l^attcn, in 
bem bie Soufeqncngcn biefer gorbetung no(^ nid^t tjoßftaubig bi6 
in« 5lbfMtbe getrieben finb , fo Knn^n mir bie ^rinci^)ieufrage auf 
fid^ fcerul^en laffen. 

3m liannl^äufer finb freüid^ leine ärien, !E)uctt« u. f. tt>. 
ganj in ber fonft übßci^en gorm, aöein e« finben fid^ bod^ äKufü* 
ftüdfe, ein»' unb .mel^rfttmmige, benen eine bleit^nbe Stimmung ju 
©ntnbe liegt , unb bie eine in ä)?eIobie unb dil^^tl^mu^ beftimmt 
au«ge^)rägtc unb in fid^ abgefd^Coffcne gorm anftreBcn. 3u biefen 
©äfeen , bie ber üDid^ter ]&eri>orge]^oben l^t , mü§te aCfo auif ber 
aWufifer fid^ l^erDorragenb 6en)5l^ren. STOein e« jeigt ftd^ in i^nen, 
bag e6 SBagner an »al^rer Srpnbung^Jraft fc^ft , »eit il^m bie 
tiefe , urfj)rüngÜd^ mufilaßfd^e ßm^finbung mangeö ; feine mufi* 
laßfd^e Sluff affung ift nid^t bie ^>rimitiJ)e, foubern burd^ tttoa^ 3ln* 
bere« i)crmittelt, unb jtoar ift bie^ nid^t nur bie ^joetifd^e Slnregung, 
t>ie(me]^r l^äufiger nodb eine Don äugen einbringenbe diefle^on« 
Dal^er fd^afft er nur im Sinjetnen ; l^ier l^at er überrafd^enbe, 
trcffenbe (Snfäße , aßein »o ein Oebanle crf orbert loirb , tief unb 
bebeutenb genug, im au« il^m ein ©anje« ju geftalten, ba fel^ti ed. 
Sr oerftel^t, loie bie meiften heutigen (5omj)oniften , i>orjuberciten, 
überjuteiten , ju f<)annen , mxl bie« burd^ geiftreid^e Sln^enbung 
formaler ®cfc^idHid^!eit ju erreid^cn ift , aßein anftatt bie erregten 
(grn>artungen in ber Xfyd burd^ groge 3been gu befriebigen, muffen 
mufilaüfd^e atcbendarten l^l^alten , bie freitid^ einem ungebitbeten 
publicum gerabe toie in ber '^oefic oft nod^ beffer al« ©ebaulen 
gcfaflen^ Siid^t einmal ba« Slement ber Scibenfd^aft brüdtt er mit 
nad^l^altiger Äraft unbßncrgie au«, »eile« ii^m aud^ l^ier au 2:iefe 
fel^lt ; ftatt ^tm unb SBärme mad^t fid^ tietmel^r ein aufgeregte«, 
bi« jur gieberl^aftigtcit ef altirte« ©efen geltcnb , ba« in entf<)rc* 
d^enber ^eifc toirf t : feine ÜRufil irritirt , aber fie ergreift nid^t, 
3n ber äußern gorm längerer ©äfee, im 3"f^nitt ber SÄetobie, 
in ber ^el^anblung be« Stl^^tl^mu«, namentlid^ in geioiffen äßitteln. 


V 


74 ^a^ner« j^niil^&itfet. 

tl^ eine frif^cre |>ebttng ju geben — toofcei bte Sänger eine ete* 
gant * l^etotfd^e '^ofitut anjunel^nten ^)flcgen — tft ber ©infittB 
ÜKei^erfceer« untjetfennbat, mitunter n>irb man fogar an itaßenifd^e 
aWanier erinnert. 

Snbcffen ben ^vipttoexti) fegt Sagner auf bie fpecififd^*^ra* 
matifd^e aRufif , bie mit t^rer ßl^araf teriftil ben 35ialog SBort für 
®crt unb bie |)anbtung ®<f)xxtt Dor ©ci^ritt begfeitet. I)en 3m^ 
pnU gab l^ier n^ol^l äJEJebcr , ber in feiner @ur^ant^e ba« S5eif^)iet 
einer oft überCabenen ©etaitmaferei gab» !J)en großen SSorjug 
ajeber^, ber' in glücÄid^en SIRomenten burci^ toal^re ©egeifterung 
unb frifd^e Srfinbung l^injureigen i>ermod^te, i>ermiffen tptr bei 
SSagncr, aber feine geinter ftnb forgfSftig cutth&irt. ÜDal^iu xeäfmn 
ts>xx »or aßem bie ^einßci^e, übertriebene S^rafterifirung iebei 
einjelncn ^n^^^ , bie feinen ©nbrud beö ©anjen auffommen tä^t 
unb ben ^n^xtx, inbem forttoäi^renb an ii^m gejerrt n>trb, anfange 
f^jannt, aber botb ermübet. fOlan tjerfud^e biefe 9lrt ber Sl^aratte* 
riftil auf ein anbere« ©ebict ju übertragen ; toir tt)oßen öon ben 
bitbcnben fünften nid^t reben , aüein man beule fid^ eine 35ecla* 
mation in biefem @tnne au^gefnl^rt — lein SKcufd^ toürbe ba« 
au^l^alten. 3n bcrSWufif aber, tooinan nod^ berl^ttni^ä^ig am 
»enigften ®inn unb ©itbung für bae, eigentßd^ Mnftferif d^e flnbet, 
ift biefe SBeife nid^t nur für ben 6om)>oniften bequem , ber mit 
lauter cinjetuen (£infäöen au^reid^t unb nur ju forgenj^at, tt)ie er 
ben legten Sffect burd^ ben näd^ften überbiete , fonbern aud^ für 
ba^'^ubficum. ÜDie fd^tpierige aufgäbe , ein ®anjee ate fold^e« 
aufjufaffen unb i)om 2Kittet))unfte beffelben au« bie einjetnen 
2^fe ju begreifen , bleibt il^m erf<)art ; eben f o toenig n?irb eine 
fortbauernbe , gfeic^magig angeftrengte Slufmerlfamfeit erf orbert, 
benn ba fein organifd^er B^f^ittJWcnl^^'ing ba ift , f ann man i^n 
aud^ nid^t i>erßeren, ba« (Snjetne ftel^t für ftd^, unb ber 6omt>onift 
l^at bafür geforgt, ba^ e« ate fold^e« beutßd^ fei. ©n ^auj^tmittet 
bafür ift ba« Sieberl^ofen , 5Recaj)itußr.en unb Anbeuten frül^erer 
aÄoüDe, tt)oburd^ auf ba« ^ubficum um fo fidlerer gcu>irlt u^irb, 
at« e« nad^ Wkm begierig greift , ba« beim «nl^ören ber 3Rufi! 


feinen Sevftanb in Wafiptuäf nimmt unb i^m jDte 99eru]^tgttng giebt 
ta% ed bie äRufil t) e t ft e 1^ e , benn barauf nnb nid^t anf ba^ fünft- 
tcrifd^e ©enicfeen lontmt e^ ja l^utjutoge bcn SDJeiften an. UeBri* 
gen« ift btcfe 5lrt bcr Sl^otaftcriftil im Slannl^ufer noäf nid^t gut 
))5atgen ^Qeinl^ertfd^aft gelangt , mit nur mitunter toirb e6 bem 
aufmerffanten ^u^ixtx etn>ad langtoeilig, burd^ eine 3ßargina(ni>te 
im Ord&eftet au^brüdfid^ baran erinnert ju toerben ; »arum ed 
fid^ benn eigenttid^ l^anbfe. 

Unter ben rein mufifatifd^en SJütteln ber Sl^arafteriftU ftel^t 
bije 3nftrumentation toeit )>oran nnb bad ^erbienftSognerd, neue 
unb jum ^eil fel^r fd^i^ne 3nftrumentaleffecte gefunben gn l^Ben, 
ift unl^eftritten, übgteid^ and^ nid^t n)enig ergiDungene unb unfd^öne 
ttn6 begegnen. ®o toirb j. Sä, ber l^änfige ©ebrand^ ber l^ol^n 
SiolintSne in langer ^otge leidet ^einlid^, unb )sMt mit bagu, ba| 
ber allgemeine @runbtcn bed Drd^efterd , auf bem bie einjelnen 
grfd^einungen ber Snftrumentation erft l^ertjortreten lännen , »er* 
tt>ifd^t toerbe, tDoburd^ aud^ l^ierSlUe« fid^ iniSinjelni^eiten auft&^t. 
©eftel^en toir il^m aber and^ bereitn^iltig latent unb (Srfinbfam!eit 
auf biefem Gebiete }u, fo nd^men bod^, in l^l^erem ®inne betrad^- 
tet, bie nur auf ben Slang ber 3nftrumente gegrünbeten 993irtungen 
unter ben äRitteln ber lunftterifd^en ^DarfteQung bie le^te <SteQe 
ein , »eil fie rein materieller 9?atur finb. 3^nen »irb boburd^ 
nid^td an il^rem äSertl^ genommen, fofem fie am redeten $Ia^ 
^uiftn, mol^i aber bem Sünftler, rnenn er fie t>cx ben l^öl^eren unb 
ebleren SÖHtteln über anftatt berfeften gebrandet. üDie öonoiegenbe 
9}id^tung auf 3nftrumentaleffecte, metd^ gegenn^artig bie äßufil 
bel^errfd^t , ift uberl^au^^t lein gute^ ®ifmpti>m , benn fie ift nid^t« 
anbere« , afe bie bei ben einjelnen SStctuofen je^t jiemftd^ gering 
gefd^ä^te 93irtuofität auf ein anbered Gebiet angeu^nbt unb eben 
fo flel^anb^abt. Ober tooburd^ unterfd^eiben fid^ biefe au^geffinfteöen, 
mit forgfamer ^öered^nung »ertl^eitten einjefnen Effecte be« Dr* 
d^efter^, bie burd^ bie Sleu^eit be« Stange^ nur ju oft bie aCrmutl^ 
ber (Srfmbung berbcdfen foöen, öon ben Srat)ur<)affagett, mit be* 
nen ber SSirtuofe feinen gebanfenlofen Som^^ofitionen einen tjirnif 


76 Sdgnerd ^amtl^äufec. 

gicbt ? 9Bic gcfunb itnb frei bctpcgt \xä) bagcgen bct tnfttumcntatc 
8cib , mit bcm bic lual^rcn SWciftct il^te fd^öncn unb großen ®c*^ 
baufcn bctteibctcn. Unb bann, toic c^ in iebet 3^tt mit 8icbßug^* 
rid^tungcu gcl^t ^ bic Äuuft gwt ju inftrumcntircn ßcgt jcfet n)ic in 
bcr 8uft, ba^O^r ift batauf gerid^tct bcrglcid^cn l^row^jul^örcn, 
unb bic Steiften l^abcn il^rc 3nftrumcntation längft fertig , tf)t fic 
ncä} ©cbaulcn bafür l^abcn. @« toärc ein tpal^rc« ©tftd, tocnn 
icfet cinSKufilcr fämc, bcr nid^t inftrumcntircn lönntc, abcrSDJufil 
mad^tc. 

®n gcl^Ier äöcberd , bcr pd^ bei SÖagner in unglcid^ pi^crcr 
^otcnj geigt, ift ba^, toa^ man ate SKangel an gogil in bcr Som* 
binotion bcr mclobiöfcn toie l^armonifd^cn ©lemcntc bcjcid^nen 
lann. ©er fe^tenbc ^ufammcnl^ang bei bcr 2lufcinanbcrfoIgc öon 
älccorben , bic nid^t }u cinanbcr gaffen , n)irb ung(eid^ l^ärtcr mäf 
ton einem »cnigcr gcbitbeten Ol^r vernommen , unb gar S5iclcn 
ttiirb cd beim änl^Srcn SBagner'fd^cr SRuftl ^müäf fein, baf, 
toicScmanb fid^ trcffcnb äußerte, immer nur jtoci, fetten aud^ nur 
brei 3[ccor bc juf ammcnl^ängen . Slbcr ^ud^ bic 3Mf ammcnrei^uttg bcr 
cinjdncn 5Eßnc ju einer SÖietobie ftcl^t unter ©efe^cn bcr ^armunie 
unb ©t^mmctric , bic jmar feiten audbrüdöd^ anerfannt unb au«* 
gcf^)rod^en toorben finb , bic aber bcr rid^tig unb fein cm^)finbcnbe 
äünfticr ftiüfd^tDcigcnb antt>enbct. !Dicfe fd^eint SBagner gefliffcnt* 
fid^ JU ignoriren unb, um etn^a« 9lcue«, gra<>^antc« ju geujinncn, 
bad baburd^ ben 2lnfd^ein einer treffenben Sl^araftcriftif crl^ätt, 
unbcbenlßd^ ba« ®runbtt>cfcn bcr mufilaßfd^en S5arftcßung ju 
öcricfeen. &toa^ mcl^r Slcugcrßd^cd , aber bod^ S3cjcid^ncnbcd ift 
c« , bag äBagner bic gett)ö]^nßd^c l^gcbrad^tc g*>tm bc^ ©d^üiffc« 
öcrmeibct ; inbeffen jeigt fid^ aud^ in feiner .SBcifc , ganj ober J)or* 
läufig abjufd^ßeßcn, gro§e SinfSrmigIcit, cd finb menige unb gum- 
5£]^cU fd^on red^t abgenufetc gormctn, bic faft immer U)iebcrfc^ren, 
unb bereu man nod^ cl^cr mübe u?irb, ate bcr alten cl^rßd^cn 
(Sd^lu^cabcng. 

Ucbrtgend fotl Icincdttjcgd geleugnet werben, ba§ in biefcr 
*$farrte bcr O^cr au'd^ au^r fd^Iagcnbcn 3uftrumentatcffcctcn gc* 


SBagner9 ^annl^aufer. 77 

lungcnc 309^ tt>irffamer (S^araltctiftil , fta^)j)mitc ©iifäflc unb 
SBcubungcn nm begegnen , aHein e^ finb eben nur einjefne 3*8^ 
unb Pointen. Die ÜDarfteöung im ®ro§en mugte natätttci^ unter 
btefer ©njetomaterei leiben, unb eine burd^gefül^rte ßl^atalter* 
jeid^nuug ber einjelnen Snbiöibuen ift batüber nid^t ju ©taube ge* 
. fommen. äte ©eif<)iet mag i^tauSSenud bienen. SSJäl^tenb ein 
großer ?luftt)anb gemad^t ift, um bad j)]^antaftifd^*bämonifd^e 2:rei* 
ben im SSenudbcrg aud^ mufif alifd^ gu d^aralterifiten , ift baöon 
auf aSenu« felbft, bie bod^ ber a)KtteI<)un!t ift, in bem fid^ SCßed 
concentrirt , gar ni^t« übergegangen ; fie fingt toie jebe^ leiben* 
fd^afttid^e SBeib , »ie aüe anbern ^erf onen ber 0<)er , unb »eber 
innere nod^ äußere ß^aralteriftif inbiDibuatifirt fie. (&itn fo beut* 
liäf tritt bie« Untjermögen einer »al^ren ®eftattimg anöf in^ ber 
mufifaßfd^en I)arfteüung be« ®äugerfanH)fe« l^eröor , toie mtr e« 
fd^on in ber ^)oetifd^en tpal^rnal^men. ^ier tt>ar eine bebeutenbe 
5luf gäbe aud^ für ben SWufiler gefteöt , bie red^t eigenttid^ im ©e* 
reid^ feiner Äunft Regt , unb an ber Srfinbungdfraft , ©gentl^um* 
lid^feit unb ©ettmnbtl^cit in ber Formgebung unb S^arafteriftil 
eine« SReiftcr« fid^ betoäl^ren lonnten. äHIein bie ©änger finb 
trodfen unb monoton bargeftettt, unb toenn bied tttoa gefd^el^en ift, 
um ba« 3ntereffe auf J^annl^ufer ju concentriren , fo öerrät^ bad 
eben nur bie ©d^toäd^c bed ^robuction^bermögen«. 

äßenn man an ben S^annl^äufer, toie im Obigen gefd^e^en ift, 
ben aWaa^ftab anlegt , ben Söagner felbft gebrandet toiffen »itt, 
mit bem man gro^e Äfinftler unb loal^re Äunftmerle mi^t, f o f ann 
berfetbe, toie toir fa^en, nid^t beftel^en. 3lm menigften fann man 
biefe Oj)er ate ben 3Cu«gangd^>unft einer neuen , ref ormatorifd^en 
JRid^tung in ber 3Wufi! gelten faffen ; biefe ju begrünben erforbert 
t>ox aßem fd^ö<)ferifd^ed ®euie , unb biefe« muß man SBagner aU 
fj>red^en. %näf ift feine^meg« bei biefer Oper Sitte« neu, toa« fid^ 
bafür ausgeben m&d^te, bei toeitem ba« SÄeiftc geminnt biefen %\u 
fd^ein nur burd^ bie einfeitigfte 3lutt)enbung maud^er ti^eifö toal^* 
rcr, aber längft belannter S5eobad^tungeu, bie auf biefe Söeife nur 
tjerjerrt tperben , t^eil« fel^r problematifd^er ^rincipien , bie burd^ 


78 3&«g«cs:« iattw^Äufct. 

Uci^crtrctbuttg noci^ niäft toa^x tt>crbcn ; 9(nbete« tft iratetgcotb=« 
ttcter ?ßator, »win man ta^ ©aujc im äuge ffat 33q6ei lann bte 
D^)et tmme^^i ein Sätmi^ für ba^ etnftc ©treten be« Som^o* 
niften naä) S&a^xffAt fein , unb n>tt gtaul&en feinet SSerfid^erung 
gern ; allein ob er auf bem redeten SBege fei, 06 er fein Biet eneid^t 
^a6e, borübcr ift er nid^t 5Rid^ter, — feber tünftter ffat biefe SKei^ 
Hung t^on fid^, n>enn anäf nid^t alte fie gteid^ unbefangen au^fpre* 
d^en — ; unb toenn \x un« aud^ nod^ fo oft unb nod^ fo taut »er* 
fid^ert , ba§ bem toirltid^ f fei , f fragen mir bod& barnad^ nid^t 
iifn — nod^ »eniger freiltd^ bie ^erolbe , bie in Sei<) jig für il^n in 
bie Äinbertrom^)ete fto§en — , fonbern feine UBerle. 

©el^n tt)ir atfo ab ^m biefen großartigen 35orftettungen, be* 
trad^en bie D^)er toie eine anbere, unb taffen fie in il^ren ©ttjetn* 
i^eiten an un^ öotßbergcl^en. 

S^annl^öuf er l^at nod^ eine D u t) e r t u r e , unb e^ ift un^ mit 
großer (SnH)]^afc terfid^ert Sorben, e« fei bie te^te, bie SBagner ge^ 
fd^rieberi l^abe, 3n ber 5E^at ift äSagner bei altem ®efd^idt , 3n* 
ftrumentaleffecte auf juftnben unb anjumenben , bennod^ fein 3n* 
ftrumentatcom^jonift , tt)ie fid^ bie^ in ber Duoertufe unb allen 
längeren Drd^efterfä^en beuttid^ funb giebt. 35ie Snftrumentat* 
mufil , bie fid^ nid^t an einen 2^ejt anranten unb beffen einjetncn 
®ebanf en unb Sorten folgen lann, muß, toenn t>on totrftid^ lünft* 
lerifd^cr Seiftung bie 9lebe ift, an^ einem inneren Seim il^re 3been 
entioidfetn , bie burd^ il^ren noti^toenbigen organifd^en 3wfammen* 
^ang ein »ol^lgeglieberte^ ®anje bitben. !Cie^ fe^t nid^t aöein bie 
erlernte ©efd^idflid^feit Dorau«, bie gormen ju l^anbl^aben, in benen 
mufifalifd^e SÄotitje bejubelt »erben, fonbern aüem toranftei^enb 
ift bie Äraft ber (grfinbung , mufilalifd^e Sbeen ^ert)or jurufen , bie 
einer altfeltigen ffintmidfelung unb ÜDurd^bifbung toürbig unb fä^ig 
ftnb. ®eibe6 aber gel^t SBagner ab, ©eine üKotiDe fagen Sitte«, 
tt>a6 fie au«brfidten folten, gleid^ unb auf einmal ganj, fie entl^atten 
bai^er nid^t ben Äeim einer gortbit^ung in ftd^ unb finb leiner 
(gnttt)idfelung fällig , fonbern nur ber ©icberi^olung, in xoetd^er fie 
burd^ SSerfd^iebenl^eit be« materiellen tlange« unb al^nlid^e SWittel, 


beren [xäf SBagncr mit ®cfd^d fcebfent, geftetgert, afer nid^t au«* 
gebUbet »ctben. SBtr l^ben fein ^el^I barau« , bat »^ in bicfem 
2Wan9i^l bet lünftlerifti^cn Drgantfatton ©agnct^ bcu njcfenlßd^cn 
@tunb feiner ^>rinci<>ieücn Slbneigung gegen eine öel^anblung ber 
bramatifd^en ©efongi^ntufi!, metd^e auf (äntwidelung mufifalifd^er 
aRotit>e berul^t , finben , obgleid^ »ir »ol^ »tffen , bat ^^^ bet 
5Wot^nageI ber bramatifd^en ß^araltcrifttl »trb l^erl^atten muffen, 
^ei ber 3nftrttmentatmufi! fommt man bamit nid^t »eit, ba« 
gteid^fam l^iftorifd^e Slneinanberreii^en einjelner äßotiöe unb Sffecte 
bringt leinen Sinbrudf l^erbor : 3Kufi! an pd^ erjäl^tt nid^t unb 
i^anbett nid^t. @^äter l^at Wagner be!annt(id^ bie reine 3nfttu« 
mentalmufif gänjßd^ negirt, unb ed ift iebenfaöd bemerfen^tpertl^, 
bat (^^tnai, rx>o er ein neue« 'ißrinct^ auffteOt^ ber entf))red^enbe 
ÜJiangel feiner inbiüibuetten 5Ratur unöerlennbar ift. Dat SBagner 
in ber ^anbl^abung ber mufüafifd^en S^ed^nil, namentßd^ ber con« 
tra^)unf tifc^en , fid^ nid^t gjtt>anbt jcigt , fielet ieber SKufif er leidet 
ein. „dx ttjitt ed niij^t", fagt man un«. üDarauf lom^it aber gar 
nid^t« an , toenn er biefe gormen bod^ gclegcnttid^ anu)enbet, aber 
»ie ein ungeübter ^anbmerf er nad^ bem 9?ad^ften, I^riöialften greift 
unb bie« ungefd^idtt bel^nbett. Ober inirb ein ÜÄupf er in ber ©er«* 
binbung be« mimmernben d^romatifd^en 3)loti)>« in ben ©eigen 
mit bem ^ilgergefang origineOe (Srfinbung eber gefd^idtte S^urd^« 
f ü^rung erleunen ? @inb nid^t bie ®d^almeien:|>affagen ju bemfel« 
ben ^ilgergef ang eben fo bürftig erfunben, al« mfii^fam eingef)att? 
Unb tottenb« bie contta^unftifd^e S5atfigur , mit ber f^)&tcr biefer 
®efang begleitet n>irb, ift \s> fd^üler^oft trb^iat, bat ^^^ ^^ ^^i* 
ner« ©efd^madl irre luirb , ber nid^t füi^Ite, nne fe^r ba« nad^ bem 
(Sjercitium Hingt. Dergteid^en aber mad^t jeber 9Äcnfd^, tt^enn er 
e« über^ut>t mad^t, fo gut al« erlonn. Qrin ä^nttd^er 3ßangel 
ted^nifd^cr Durd^bifbung jeigt fid^ aud^ in ben ©efangftüdfen , na* 
mentßd^ ben mel^rftimmigen ; njal^rfd^einttd^ ift e« »ieber bie bra« 
matifd^e S^arafteriftil , xotiäft fefinbung bilbfamer Sßotiöe , ge* 
fd^idCte 9ln(age )>ot^^^oner®ä^^ gute ©timmful^rung unb SSftAxdfz 
^i^iliftereien verbietet. Snbeffen ganj abgefci^n bon biefen attge* 


80 Sägnet^ Xami^&u\(X, 

meinen SKongeln, ift bte Outjcrture nid^t an il^rem ^la^j. @ic 
mtSfait nur iwet aWotiöc , tm ^Ugcrgefang nnb ben Sßenu^betg, 
bie in ber Dptx fel^r oft bortommen , in gto^et Slu^fül^rfld^feit 
njieberi^ott, ol^ne ba^ il^nen neue Seiten abgeioonnen »erben, nnb 
namentttd^ bo« ift nid^t gefd^idt arrangitt', ba§ bo« ^Jl^antaftifd^c 
Zxnim im 35enu6bcrge bcm ^vif)ixtx unmittettüt leintet einanber 
gmeimal in ganjet ©reite torgefül^rt u>irb. 

aWit bem älufge^en bc« 35orl^augc« feigen mir ba« 3nnerc be« 
SSenudkrge^ in rofenrot^er öeteud^tnng , ^xfxtDfi^n, Sirenen, 
Säacd^anten treiben il^r üp^)ige6 SBefen , meiften« in ^ontomime 
unb ©aßet, mä^renb ba^ Orci^efter ben mufilafifd^en äu^bmd 
übernimmt. Da§ babei fcenifd^ ba« nid^t gang jum SSorfd^ein 
!ommt , toa^ äSJagner fid^ gebadet i^at , nnb toa^ fid^ red^t l^übfd^ 
bei il^m üe^t , liegt tooffl jnm großen Xi^eü an ber l^errfd^enben 
Süi^nentrobition, bie bnrd^an^ abi^angig bom ^arifer ©attct ift 
nnb ju einer lünftlerifd^en , ober aud^ nur originellen , ^>]^antafie* 
rcid^en Söfung einer f old^en ?luf gäbe fid^ nid^t erl^eben fann : i^offen 
»ir auf bie'Sü^nc ber 3ulunft! «ber aud^ bie SKufil erfüßt i^re 
älufgabe nid^t t)oßftanbig , unb toenn fie aud^ bon gemol^nlid^er 
©aßetmufif fel^r berfd^iebcn fd^eint , lann fie il^ren Urf^)rung bod^ 
nid^t gang berleugnen unb Hingt immer nod^ etrna^ nad^ Siricotd 
unb Sntred^atd. üDenn toa^ fie bor afiem au^brfläen foßte , bie 
teibenfd^aftlid^e Olut^ , bie jauberifd^ l^inrei^enbc ©ü^gleit finn* 
tid^er Siebe, ba« ift in i^r nid^t gu finben ; fie ift loo^l lebl^aft unb 
feltfam, aberfalt, ol^neeigenttid^enSleij, unb d^aralterifirt nur ben 
<)]^antaftifd^en ®p\xt ^aä} biefer Seite treten gelungene , ^>ifante 
3üge l^erbor in SWelobie unb Harmonie , mie in ber 3nftrumen* 
totion, bie natürlid^ ben tjon aWenbetefo^n angcfd^tagcnen 2:on für 
berartige ^l^antaftereien im Mgemeinen feftl^ält, im (ginjetnen 
überbietet. Da aber benn bod^ ba« eigentlid^ 3"»^^^"^^ W* > f <> 
gei^t e^ bem Si^ff'^xzx batb mie lann^äufer , er tt>irb biefer rofcn«' 
farbenen ©irt^fd^oft fd^neß überbrü^ig. I)ie folgenbe ©cene gmi* 
f d^en SJenu6 unb Jann^äufer tritt , toie fd^on bemerf t , in i^rer 
görbung ganj and bem 35enu«berg l^erau«, 3:ann^äufer^ 8ieb in 


Sagtterd Xannl^ufet. gl 

btci ®ttDpf}tn ift tu änfoflc unb Sel^anfctung cd^tet aÄe^ctfeecr, 
ajenu« ift aU fold^c nid^t d^aralterifitt ; bie ©ititation ift \o , ba§ 
man !ctn redete« Snbc abfielet , unb mau banft ®ott , tote S^anu* 
l^ättfet cnbfid^ an bic 3ungfrau SWaria benft, ba^ man nur toicbcr 
ha^ gen>&]^nlid^e Sam)>eu(t(i^t fielet. 

Um bcn ®egcnfafe bet »freien 5Katur gegen ba« unnatür(id^e 
rot^e g^uer be^ SSenu^berge^ red^t füi^ffiar ju mad^cn, l^at SÖagner 
einen jungen ^irten eingeführt , ber auf ber ©d^atmei blä^t unb 
fid^ ein Sieb fingt unb jtoar, um e^ red^t natürtid^ ju mad^en, ganj 
platte Drd^efterbegteitung. Diefe (Sinfad^l^eit aber toirb in ber 0<)cr 
immer gefud^t erfd^einen unb in ber 9ieget )fAnlxöf toxxtm ; jumat 
tt>enn , »ie l^ier , baö 8ieb nid^t U)ir!ßd^ ben einfad^en 5Raturlaut 
eine« 35oß«Rebe« miebergiebt, fonbern burd^ 3lbfid^t(id^!eit com^>ft* 
ärt unb affectirt geworben ift. 5ßod^ nid^t jufrieben bamit ia^t 
aber SBagner, um bie Siatur nod^ natürßd^er ju mad^en, ju biefcm 
8ieb forttoäl^renb l^inter ber ®cene mit Sul^gtodten !ßngetn. 35a^ 
ift ein SinfaÜ, um ben SDJei^erbeer il^n beneiben f Bnnte : ®o|>ran« 
f olc mit ^ul^glodEen ! Söa^ ift ©ratfd^e ober öa^darincttc gegen 
Sul^Iodfen ! 9»an erwartet nun , ba^ bie Sül^e , ttad^bem fie fid^ 
f tdnge i^inter ber ®cene bemerlbar gemad^t l^ben , aud^ »irfCid^ 
auf ber öül^nc erfd^einen, ftatt.beffen aber fünbigt ferner ®efang 
bie l^annäl^enben ^ilger an. S)er ß^or berfetbcn, ber ft)äter nod^ 
oft wieberl^ott wirb, ift jtoar nid^t tief unb warm em^)funben, aber 
mit Slu^na^me einiger fel^r wiberl^aarigcr l^armonifd^er gärten 
woi^tttingenb , beftimmt audge^>ragt unb befonber« für ben Effect 
bc« ^eranlommeu^ an^ ber gerne unb bc^ aSer!lingend gut bered^* 
net , bal^ aud^ t>on guter äBirlung. ffid ift ©d^abe, bag äöagner 
biefe burd^ ungelehrige äutl^aten mei^rmate fd^wädj^t, fo im änfaitg 
burd^ bie Äu^glodEen nebft ©d^atmei , weld^c fid^ auf eine muft^ 
fatifd^ unb äftl^etifd^ gteid^ unbefriebigenbe SBeife l^ineinmifd^en, 
^patzx burd^ bie unglüdElid^e ©afebegtcitung , julefet burd^ bie- an* 
l^ltenben ^aulenwirbcl , atö foüte bie 9ifidtfe^r ber "ißiCger mit 
iöößerfd^üffen gefeiert werben. Die ^itger oerlaffen enbUd^, oom 
®eläute ber Äirc^engtodfen begleitet, bieöül^ne. Sagbfanfaren er* 


S2 Sßagnci« ^nn^iifer. 

tönen, bct Sanbgtaf mit bcn rittctl^en ©ängctn tritt auf, pc et* 
fenncn iCannl^ttf er , bringen in ii^n ju bfetfcen , tt)a« er , »on (gß* 
fafcetl^ Siebe in ftenntni^ gefegt, pfagt; bie aflgemeine ©efriebi* 
gung f^ric^t fid^ im (Sd^tu^e^tett au^ , to&l^renb bie ^l^ne fid^ 
mit 38gern füüt. !iDiefe ganje ©cene gel^ört ju bcnen , tretd^ bie 
frifd^efte nnb anf^)re(i^enbfte SBirfung mad^en, bie $*mer ftnb 
gefd^idEt t^enoenbet nnb ber ®d^tu^a| ift f o angelegt, ba| man ba^ 
©effi^I einer beftimmten f^orm be^lt, nnb ttingt red^t fd^iJn. 

SKan fielet atfo , biefer erfte Slct bietet eine JRcil^e Don ©ffec* 
ten , bie j»ar melft materieOer 5Ratnr , aber Don' unjweifell^after 
SBirInng finb , mit gefd^idfter $anb fo jnfammengeftettt , boig fie* 
neben nnb bnrd^ einanber nrn fo frfiftiger tt>ir!en. 3wctft ber feen* 
l^fte , ^l^antaftifd^e äSenndberg mit 9iofenIici^t nnb hattet , bann 
im Sontraft bajn bie SBartbnrg im ließen ©onnenfd^ein , ber §ir* 
tenlnabe. mit ©d^otmei nnb @(odten , ber ^ilgerd^or , enbtid^ bie 
35ger — über ber reid^en Slbmed^^lnng fann man »ol^l bie STOän* 
get nnb ?üdfcn ber ^^oetifd^en (8eftattung überfeinen, nnb flberl^ren, 
ba^ ber4Defentßd^e (Sl^arafter ber SDinftl bod^ nnr bem ber !Deco* 
rationdma(erei entf)>ri(int , bie and^ il^reSffecte l^at, nitr ba| e« 
nid^t bie l^öd^ften, nid^t bie cigentfid^ ffinfttertfd^en finb. 3nbeffen 
mad^t biefer SReid^^^nm be^ erften.9(cte^.einigermaa^en für bie fot' 
genben bef orgt : n>erben bief e 3Kitte( audreid^n ? finb anbere ju 
cm>arten? 

ODer fo(genbe 9(ct fteOt jnn&^ft bad Siebe«Der^(tni^ {»ifd^en 
(Sßfabet^ nnb Siannl^ufer bar, nnb l^ier finb einfädle ©itnationen 
gegeben , bie bem D^rifd^ (Sl^oratter ber SRnflt gang entf^red^en 
nnb bem (Som^oniften (Selegeni^eit gegeben l^atten, jn geigen , n>a^ 
er mit ben in ber äKnfif fefbft ßegenben Säften p erreid^n ^tt^ 
mag. <Sr l^at fte nid^t benn^t. (Sine ©eeienftimmung einfaci^ unb 
n>al^r anfjnfaffen nnb n>ieber)ngeben vermag er nid^t, n>eit il^ bie 
2:iefe nnb Urf)>rängßdnieit ber (Sm^finbung abgel^ ; n>o er nid^t 
einzelne SRomente ftar! betonen nnb babnrc^ d^oralteriftren tann, 
tt>irb er nnbebentenb. "ho&fix ift i^m ber (S^ratter ber (Sßfabetl^ 
ganj mi^glfidtt nnb nitr an einjebien mel^r (eibenfd^aftßd^ ben>egten 


@tet(en Ibetommt fie etn>a^ Selben. 3)ad 'X)nttt mit Zannff&vi^tx 

ttingt an ©^ontiut'fd^ äBeife an, tft ol^ne bebeutenben Sn^aÜ unb 

ber t^orm nod^ mit feinen banalen S^etgenfiguten nnb ben lummer^ 

li^n 3mitation^nfä^en f o tri))ial , ba§ man \i^ bod^ n)unbem 

mn^ , n>ie SBagner bied SD^nfilftttd feine eigene .^itil l^t ^affiten 

laffen Iftnnen. 5Dat et, bamit man e« lein üDuett in iMi^nix^tx 

saSeife nennen Knne , SBoIfram auäf mit einigen SBorten batan 

2:1^0 nel^men ta§t, alterirt ben S^atalter nid^t, aber e^ ift bta* 

matifd^ nid^t mol^t eingerid^tet , ba§ biefe Sleu^erung SBotframd, 

bie für feine (Sl^aralteriftit Bebentenb ift , fo untergefteät toxxt, bag 

fie fo gnt toie t>ertoren gel^t. 9lttn fo(gt bie SSorbereitnng }um 

©ängerlam^f , unb l^ier bemäl^rt fid^ Wagner n>ieber ate borjügli« 

d^eriDecorationdmufüer. ^ie t^üringifd^en ®xo^tn erfd^einen bon 

^erolben unb ^agen eingefül^rt, Zxompcttx auf ber Su^ne, S:rom* 

ptttt im-Ord^efter, jtoifd^en i^nen ein [tarier S^or, — e^ mu|te 

einer fd^on red^t ungefd^idCt fein , ber bamit nid^t einigen (£inbrud( 

l^borbr&d^te. 3n ber S^i^at ift biefer ; nur etmad lang andge^ 

f))onnene, marfd^artige ®a^ briUant, nid^t ol^ne eine getoiffe 

d^ebalere^fe (Sleganj unb in mand^en Partien ))on angenel^mem 

^tüßant Sol^renb beffeCBen n>erben bie eblen Ferren unb ^auen 

^ntcmimifd^ mit ber feierlid^en äludfüj^rlid^Ieit bed Seremoniete 

em)>fangen unb ju ii^ren ®i^en ge(eitet, ba^ IBagner am ^ofe be^ 

Sonbgraf en ^erman torau^sufe^en ftc^ bered^tigt l^It , loobei id^ 

jebod^ bemerfen mu§ , ba§ id^ bie feineren Unterfd^iebe ber SSer* 

toanbtfd^aft unb t^reunbf d^aft , tüttäfc femanb im ftummen ®)>iel 

mel^r l^ertwrgei^oben toünfd^te, in Sagner« fonft fo fd^orf d^aralteri* 

firenber änufil nid^t l^aBe auffinben lönnen. .9lad^bem bie ®&ngfX, 

ebenfoK« bon ben ^agen geleitet, aufgetreten finb, ieber mit feiner 

^rfe, fingt ber Sanbgraf eine geftrebe, bie, n)ie bißtg, ettt>a« taug* 

»eiCig ift , »orauf bie ^agen bie @änger lofen laffen — in ber 

Zifcd, biefe artigen tnaben mad^en fid^ fo oft bemeidCbar , ba^ fie 

e^ toDffl k^erbienen auf bem 5£^ater)ettel namentlid^ aufgeführt ju 

»erben, U)enn fie aud^ nur bier SBorte gu fingen l^aben. Ueb^r ben 

®ängcrlami>f ift fd^on bemerlt, ba^ er tt>eber bid^terifd^ nod^ mufi* 

0* 


g4 Sagnetd %ann\fin^tx. ^ 

Mx\äf genfige , et ^U bitrd^au^ xAäft , n>a^ bie )>om)>l^fte (Sinlei« 
tuug )>erf)>rtd^t , ffittt ^xAmäft entfd^leben gegen btefeObe ab. %m 
bcften ift , n>te m erwarten lägt, bie junel^mcnbe fleberl^aftc auf«' 
tegung Xannl^äufetd äu^gebtüdtt , aber innere SBäme fe^tt and^ 
l^ier unb bie Sl^atafterifti! bleibt »efenttid^ eine öuterUd^e. 3n bem 
©tntnte , ber Über il^n lodbrid^t , ate er tjerratl^en , ba§ er im SJe* 
nndberg geiDcfen fei, tritt glijabet^ , bie n>ie eine umgefel^rte 6u* 
r^ant^e attein unter ben 9R&nnern bleibt , Dortl^Il^aft ]^ert)or nnb 
namenttid^ einige ©teöcn finb bectomatorifd^ tool^I gelungen , m 
(äanjen aber ift biefcr ßnfembtefa^ nid^t fo Har unb jufammen»' 
Ißngenb n)ie ber ©d^Iu^fa^ be« erften ginate* 5Wad^bem Jannl^äu* 
fer bie Söeifung erl^dten ^i gum ^cn>ft ju »attfa^rten, ertönt gur 
redeten 3^it ber n>o]^Ibefannte ®efang ber borbeijiel^nben ^itger. 
SBorum l^at SBagncr burd^ ben ©dj^rei ^nad^ SRom !* ber grell/ 
foft rol^ l^ineinf &]^rt , feine »ol^ttl^ätige SBirlung geft5rt? — ©ei* 
läufig gejagt , ^ätte ber Unterf^ieb ber älteren ^itger , bie früher 
abgelten unb frül^er »ieber !ommen , ^on ben jüngeren , bie f^päter 
nad^jiel^en unb erft julefet n>icber eintreffen, bei ber SBid^tigleit für 
We §anblung, fd^on früher, »enn aud^ nid^t motiöirt, bod^ twU 
ffl^ieben l^ert^orgel^oben »erben muffen ; ber ^vS^ixvt, ber lein S^ejrt- 
bud^ bei fld^ ^i, belommt fo gar gu fe^r ben (Sinbrudt eine« deus 
ex maphina. 

3m festen Slct, ber ungteid^ bürftiger unb monotoner ift att 
bie erften , pnben xoxx Sfifabet^ im ®ebet für Sannl^ufer ; ©otf ^ 
ram, ber mit feiner ^arfe im SBatbe f<>agieren gegangen ift — n>ie 
bie Sönige im SDiärd^en mit ber Ärone gu ©ett gel^n — tritt gu 
ii^r , ba f ommcn bie älteren ^ilger ol^ne iannl^ufer gurfldf , SRun 
fielet (Stifabet^, bie fein ©d^icffal entfd^ieben glaubt, in brunftigem 
®ebet gur Jungfrau ÜÄaria , fie afe gürbitterin für S^annl^äufer 
aufgunel^men , unb entfernt fid^ , inbem fie , toie Ottilie in ben 
SBal^lbertt>anbtfd^aften auf bie @<)rad^e bergid^tcnb , ton SBolfram 
t>urd^ ©eberben Slbfd^ieb nimmt. 6« ti^ut un« loal^rl^ft leib , bafe 
biefe iäfi muftlalifd^e Situation , bie eine tiefe unb fd^öne Sm^fin« 
bung auigfj)rid^t, i^ren entf^)red^enben äudbrud nid^t gefunben i^t; 


Sagtterd S^ann^Sttfer. g5 

mit muffen m^ mit bem Sinbrud begnügen , ben ber SBol^ant 
geft^trft comWnittcr ©la^tnftrumcnte l^öorbringt. 9lo<i^ »eniger 
feiftet bie fotgenbe ©ccne. S« ift fd^Sn gebaci^t, ba§ ber (Stnbmd, 
ben ba« eben Stiebte unb bet l^einbte^enbe äbenb auf SBoIftam 
ben IDid^tet unb (Sänget mad^en , fiöf in il^m }u einem Siebe ge« 
ftaftet , abet leibet mfiffen »it mit bicfet 3ntention öotfieb nel^* 
men : ba^ ©ebid^t ift f(^n>ad^ unb bie ßom^cfition mit obligatem 
SSioloncett fo ttiöial fentimental, ba§ man fle oi^ne ®eben!en ^c^ 
jttfci^teiben lönnte. ÜDag abet ju biefem Siebe an ben 3ibenbftctn 
bet obßgateSbenbftetn, natütttd^ ®oto, am JC^eatet^immet etfd^ei* 
nen n\u% bad ift eine ^(attitube, bie man bem^efd^mad ^agnetd 
nid^t guttauen fottte. 2Rit bem äuftteten Siaunl^äufet^ beginnt 
hiebet bie üDatfteüung^toeife , bie SSBagnet^ Statut am gemäM*^» 
ift , unb in bem ^etid^t übet feine $i(getfa^tt , in u>eld^em aud^ 
mel^t muftfafifd^e3RotitHtungJ^ett)otttitt, finb gelungene unb bta* 
ftifd^c SJlomente. ßnbfid^ tuft et gtau 35enu^, fie etfd^eint, abet 
nut nebelhaft leintet einem glot , unb inbem fie il^n ju fid^ tuft, 
SBoIftam il^n ttjatnenb jutüdS^ätt, bilbet fid^ eine bem ©d^Iuß ton 
{Robctt bem SIeufel analoge ®cene , bie aöetbing« muftfaßfd^ fel^t 
öetfd^ieben , abet nid^t fei^t toitifam bel^anbett ift. (Slifabetl^^ 34)b 
ijetf d^eud^t bie gtau 3Senu« ; im offenen ®atg toitb fie t)on einem 
ÜEtauetjuge auf bie ®ü]^ne geleitet , Siannl^äufet ftitbt mit bem 
au^tufe : Zeitige ©ifabetl^ , bitte füt mid^ !" inbem bie iüngcten 
tilget l^eimf elften unb feine Sntfül^nung öetlünbigen. ®o fd^fie^t 
bie D^>et glänjenb , abet unbeftiebigenb. 

gaffen »it ba« ©efammtutt^eU übet biefctbe jufammen, fo 
etfd^eiut fie in il^tem ®tunbtt>efen bet au« ^ati« ftammenben I)e^ 
cotation6o<)et, toie fie öou SÄe^tbeet jttjat nid^t etfunben — benn 
loa« l^ätte bet tt)a^t^aft etfunben? — abet bod^ l^au^tfäd^Iid^ au«^ 
gebiCbet unb bei un« in Sut« gebtac^t ift , t)9öig ijettoanbt , in* 
bem bie SÖitlung auf ba« publicum l^au^)tfäd^ßd^ butd^ findete, 
matetiette aDWttcI etteid^t U)itb, fo jttjat, ba§ in 3tt>eifetefäüen ba« 
fünfttetifd^e , hamentlid^ mufifalifd^e 3nteteffe jutfldfftd^t. Dag 
©agnet felbft l^eftig gegen ben aRet^etbeett«mu« ^olemifitt, beweist 


g6 Wi^mx» Xamt^&ttfer. 

an fxäf nid^tt batt>ibcr, ba| er fcfi&ft bemfcttcn y>erf atteu fct ; e« tft 
eine Befannte Srfoi^rung, bat ^<^n an ghcemben bte eigenen (B<tftt>iL* 
äftn am unangene^mften em)>finbet unb am fd^Stfften tabett. Dl^ne 
atte t^age ffat 9Bagnet me^t ®inn für ba6 ^oetifd^e unb mel^t 
geinl^eit be« ©efd^matf« ate STOei^etbeer, er toäl^ft ba^er feine ©toffe 
Keffer unb bte einjelnen Sffecte , bie bei jenem »ie aufgenagett auf 
eine glcid^gfiftige Unterlage erfd^einen, wei^ er gefd^idtter aM feinem 
®toffe l^juteiten ; aud^ in ber 3nftrumentation ift er il^m baburd^ 
überlegen , ba§ er Wiener unb freier in^ SSoÖe greift unb nid^t fo 
gar ängftlid^ tt>ie SDte^erbeer mofaicirt. älber aQe^ biefed unb m^ 
man l^ier nod^ 93em)anbted l^rborl^ben mSd^te finb bcd^ nur ^Ber« 
fd^iebenl^eiten bem @rabe nad^, unb geben u>ir bereitn>iUig ju, ba§ 
im ©njetnen in braftifd^er (Sl^aralterifti! 9$ie(ed gemagt unb @ini« 
ge6 gelungen fei, fo ift aud biefen Elementen bod^ nimmermei^r 
ein ^nftmert }u geftaften, bag ben 9(nforberung^ aud^ nur ber 
@egenu)art genüge. 




§. ©ctlio j l^at »lebet einmal eine mufüaßfd^e Steife naäf, 
J)eutfd^Ianb angetreten unb fül^rt au§er anbeten 6om^)ofttionen 
aud^ ^ttd^ftäde feinet ^anit bem beutfd^en ^ul&Kcum tot. & 
\äfmt für benfetten bcfonbete Sl^eitnal^me in ÜDentfd^Ianb jn et^ 
xoaxttn , toÄl bcr ©oetl^e'fci^e ganft bte ©tunbtage bilbet , nnb ed 
ift bo^er W^^ t>er Äritil ein etnfte« Urteil über biefe franjöfi^ 
fd^ a^ran«fcri^)tion bc« gauft abgngeben, um fo mcl^r, afe ©erfioj 
getDol^nt ift bte @rf o(ge , n>e(d^e beutfd^e ®utmütl^igleit unb $)öf ^ 
fici^Ieit — n>enn nid^t fd^timmere Sinflüffe ttjirifam finb — i^m 
ju3ugefte^en )>f[egt, in ^otid old goße }u benu^en, um. bort mnt 
@rfo{ge }tt erlangen. 

JDer 5Eitet ^bie Serbommnig be« gauff njei^t freUid^ auf 
eine »enigften^ im 'Böfhx^ Don ber Ooetl^e'fd^cn Derfd^iebene 3luf* 
faffung i^in, aOein n>a6 an^ ben erften %cttn belannt getoorben ift, 
ftimmt unangenel^m mit ^oet^e überein. Serßog nennt ba6@an}e 
eine Segenbe. Db bamit bie geiftige äuffaffung ober bie mufilaß* 
fd^ gönn bejeid^net fein foQ , mJd^te fd^iuer ju fagen fein. ®ie 
gorm entfj>rtd^t — foioeit man bei Öcrßoj t>on befWmmt au^ge«» 
px'a%Ux unb burd^gefül^rter gorm reben lann — f o xiemßd^ ber be6 
Oratorium ; e^ finb einjetne breit audgefül^rte (Situationen an^ 


l)Orcnaboten 1853 IV e. 121 f|. 


etnanbcr gcretl^t, tocbti ber ©d^tlbctung burd^ bfo§c Snftrumcntat* 
mufi! aöetbtng« ein au^gcbel^ntctcr 9taum, ate frül^cr fibttd^ »at, 
eingeräumt tootben ift. ÜDa^ SRecitattü, butd^ xodäft^ ber gaben 
bed ©uiet« fottgefül^rt n>irb, ift in ber ]^an^)tfad^ßd^ burd^ aÄe^cr«' 
beer fijitten 335eife be^ mobernen O^jcrwrccitattto^ bel^anbctt , ftar! 
nuandrt im Slu^brud , oft in bic ßontticne ]^ineinfj>ietenb unb ftet^ 
t>om t)oßen Drd^efter nid^t fo fel^r unterftü^t , ate in ben ^inter* 
grunb gebrängt, 2luf biefem ®runbe lieben fid^ bann einjetne 
gl^öre , ® otogefänge unb gnfembte« ab , bie in il^rer Slntage unb 
aSerbinbung mit bem ©anjen nid^t^ Ungett>B]^nUd^c« l^aben. J)ie 
ganje Sluffaffung unb ©e^anbtung aber ift üon bem, tt>a^n)ir 
unter tegenbenartig »erftcl^en »ürben , fo tjerfd^ieben , atd fd^üd^te 
©nfatt unb frommer (Staube t)on bijarrer ©rubelet unb ^^rctentiS* 
fer Sffectl^afd^erei. 

©erlioj :^at ben ©oetl^'fd^en f^^wft übcrfefet ober pd^ über* 
fe^en taffen ; natürtid^ pa^t feine Somjjofition nid^t auf bie urf<)rüng«' 
tiefen SBorte, allein e« ift nid^t gefd^idtt, baf er für feine SCup^* 
rungen einen rüdtüberfefeten beutfd^en 2:ejt l^at unterlegen taffen. 
3Äan fann il^m freitid^ nid^t jumutl^en , ju em^)finben , tt>ie einem 
X)eutfd^en gu SKut^e ift bei biefer fortgefefeten SSerbattl^ornifirung, 
burd^ ttjetd^e man immer nod^ bie disiecti membra poetae er«= 
lennt unb bie fetbft eine fel^r tjor jügtid^e SÖiufil nid^t u>ürbc jur 
®ettung lommen taffen. SSiel beffer ttjäre ber franjöfifd^e I^ejt ; 
n?er il^n nid^t öerftel^t , ben ftört er bod^ nid^t »ie ber beutfd^e. 

3)od^ bie^ ift ein äufeertid^er aWi^griff, ber teid^t bcfcittgt 
loerben fann , aber ioal^r^aft entfe^tid^ ift bie SBeife , toie ^öerttoj 
fid^ au« ben Stementen be« ©octl^e'fd^en ©ebid^t« feinen ZtjA 
arrangirt l^at. (Sr- i^at nid^t ettpa nur einjetne ©cencn »jerfe^t, 
f onbern ba« @anje au« feinen gugen getönt unb jebe einjetne ^ar* 
tilet at« gute^rife angebrad^t, mo er glaubte, ba§ fie Effect mad^en 
f i5nnte , unb mit ben ^eterogenftcn !Dingen öermifd^t. ©ei einem 
fo totaten 5WangeI an ®inn unb SSerftänbni^ für ein tunftwerl 
al« ®anje« ift natürtid^ an eine fünftterifd^e äuffaffung unb ein=» 
l^eittid^c ©eftaltung bei ber mufifatifd^en SRe^robuction nid^t ju 


3)ic 3Jerbammni6 bc« gauft tocn ^. löctUoj. 89 

beulen uub man tefignirt fid^ öon öornl^ercin auf Stttjetnl^itcn, 
btc etoa gelungen fein möd^ten. 

Unter ben „Söxttmx be« erften 5lct«" tft ba« etfte fpigenber* 
ma^en tm Programm Bejetd^net : 

ß^it ®6encn öon Ungarn, ^^öuft beim Slufgang bcr ®onne. 
3^9 fcc^ Sanbteute. S^or. JRedtatit) unb ungarifd^er 
aWarfd^." 

35ie @benen t)on Ungarn netft bem ©onnenaufgang »erben 
in einer 3nftrumenta( * (Sinteitung gefd^itbert ; bie f olgenbe ©itua* 
tion ift ungefäl^r bie be« ©^a^iergange^ mit 3Bagner. „©efreit 
t)om (Sid finb ©trem unb ©öd^e" fängt gauft« 9?ecitatit) an unb 
ber ßi^or ber Sanbteute ift ba^ 8ieb : ,,I)er ©d^äfer ^)Ufete fid^ jum 
Zanf — Mt^ in Ungarn. SBarum ? — SBarum nid^t? SBoju 
l^at gauft feinen ^axxitmanUi, mnn x^n ©ertioj nid^t aud^ nad^ 
Ungarn üerfe^en foöte , tt>enn e^ il^m gerabe pa^fi Unb e^ pa^t 
xffxn, toeil ber SRagocjimarfd^ ein ungarifd^er SWarfd^ ift, üon gro« 
Ber ©irfung unb burd^ 8if jt ^o^jutär gemad^t. 9lber Sifjt l^at bod^ 
nur iel^n ginger ju feiner !Di«^)ofition unb S3ertioj ba^ ganje Dr* 
d^efter , alfo muß gauft ben SRagocjimarfd^ in Ungarn l^Sren , um 
bann ju erMären, ba^ aud^ biefe Wegerifd^en 5Eßne il^n feinem 
Irübfinn nid^t entreißen Bnnen. 2ltterbing« bewäl^rt fid^ ba^ 5Ea* 
tent SSerßoj', ju fremben ©ebanlen ü?irlfame Drd^eftereffecte ju 
finben, aud^ l^ier unb ber reid^ unb originell inftrumentirte SKarf d^ 
Hingt fel^r gut , aber ift e^ eine^ Äünftter« noürbig um eine« fo 
au^erlid^en Sffect« bitten ein ÄunfttDerf ju jerftoren ? SBo ju l^aben 
mir benn ®ad^^>araben ? SWinbeften« f oüte man ertoarten, bag ber 
nattonate Sion aud^ in ber ganjen ®cene feftgel^alten toerbe, aber 
ba« lann man freitid^ nid^t mit ber Snftrumentation allein. SSiet« 
leidet gelingt e« anbeten, in ber 3ntrobuction bie S^orogra^)^ie ber 
ungarifd^en gbenen nad^jumeifen , bie Sanbteute fingen nid^t tt>ie 
Ungarn, greilid^ ift in bem ©oetl^e'fd^en Siebe gar nid^t« SÄag^a* 
rifc^e« JU finben, e« ift tt>ie billig ed^t beutfd^ , aber ba« ift bie 
Som^jofition tro^ alle« 3ud^^ei ! SuäfffA ! bod^ aud^ nic^t , üiel* 
me^r erinnert bie gSrbung berfelben e^er m itatienifd^e 35ot!«tt)eife, 


7- man benle [xäf ben SDöfd^mafd^ ! Uebtigend nta^t ftd^ fd^on 
l^icr fül^tbar , toa^ bei bcn fjjätcrcn ßicbctn ftetßd^ nod^ J)icl ärger 
l^bortritt , baB ba« S3efttekn , ettoa« botl^mä^tg (Sinfad^e« gu 
fd^aff en , jur baareti S^rimafität gefül^rt l^at ; um biefer* etoa« 
Si^roltertftifd^e« jü geben, finb bann bie forctrteften Sffecte burd^ 
l^armonifd^ unb rl^^tl^mifdbe SSerrenfungen unb fraj)j)ante 3u[tru«= 
mentation l^tnjugefügt ; burd^ aöe« ba« aber toirb bie urfj)rüngßd^e 
!£rtbiaßtät nur nod^ auffaUenber unb fatater. 

Unter ben ^Söitbern be« jtoeiten äct«" geigt un« ba« crfte 
^gauft in feinem ©tubirjimmer. SRedtatiö gu einer 3n[trumental* 
fuge." 2Ran totx% toxt ©ertiog über bie guge benft, ba| er i^rcm 
(Srfinber bie ett)ige ^erbammni^ gemünfd^t l^t ; man mx% ba| er 
einft @]^erubini offen erHarte : je n'aime pas la fugue , unb bie^ 
fer il^m eben f o offen ern>iberte : et la fugue ne vous aime pas^ 
— man fragt bal^er mit geredeter 3Serti)unberung: toie lommtSaut 
unter bie ^ro^)]^eten ? Snbeffen fiberjeugt man fid^ batb, bagSSer* 
üoj lein ^autu« ber guge getoorben ift. ÜDie ©nfeitung ju bem 
erften 2RonoIoge gauftd: ,^abe nun ad^! Surifterei" beginnen 
bie ©äffe mit einem Inurrenben, fortfd^Ieid^enben jl^ema, bad ben 
unbe^agßd^en S^P^^b eine« an Unöerbaußd^Ieit Seibenben uid^t 
übel au^brücft, bie öratfd^en nel^men e« auf — e« Hingt »al^r* 
l^fttg f nod^ einer guge ; aber nur eine ©eile , bann tritt ein 
anbered , fel^r abfted^enbe« !£l^ema ]^rt)or — ein Sontrafubject ! 
I)od^ nein , ed lommt ein anbered unb tt>ieber ein anbere^ gum 
Sorfd^ein — Dor ben Sontrafubiecten ift ba« ©ubject unb bie 
t$uge abj^anben gelommen. Unb nun mertt man , bag bied lauter 
übern>unbene <Stanb^unIte gauftd an^ aUen gacußäten n^aren, bie 
bal^er biißg a(d unt)erbaute ©roden , bie er fid^ nid^t affimißren 
fonnte, ol^ne B^fammenl^ang neben einanber ftel^en, unb ba^ bie 
fd^eitibare f$uge gar nid^td bebeutet, aU bie übe(angett>anbten ®tu« 
bicn gauft«, bie il^n in fo fd^ted^te Stimmung Derfc^en. üDiefer 
mufitaßfd^e ^umor, ber bie Sangtoeißgleit ber t>kx gacuttäten 
burd^ bie guge unb vice versa ber guge burd^ bie gacuttäten trifft, 
täufd^t ben 'SvSfixtt in ber 2:i^t, mon l^ört doU 9?eugierbe auf bie 


-» ■> 


Die SJcrbammniß bc« gaiip öon ^. 8crliog. 91 

SJcrßoi^fd^c t^gc unb »irb batüJct ntd^t in bcm @tabc gelang* 
»eilt, ate nt(m foßtc. 

3)a« britte Sdxlt entpt ,,be« Oftermotgen« §^mne. Hnftritt 
be« SD?c^)]^ifto))]^Ic«/ üDiefc <Sccne ift bie am toenigften l^ertjor* 
tretenbe. üDer ®efang in bct Äird^c ift an fici^ ntd^t bebeutenb unb 
ber ©ituatiotr fo »entg cntf^jred^enb ate bie SRabjiujitt'fd^e Som* 
!|)ofition beffetten; ®ic ntfi^te ber cinfad^fte unb innigfte Slu^btud 
frommen ©tauben« fein , um bie ®ett>alt , »eld^e fie auf gauft 
ausübt , au6f über ben ^\ä)ixzx ju geipinnen , aber fie lä^t jjoÜ* 
ftänbig laß. Unmittelbar barauf tritt Wtp^i^top^tU» auf , man 
»ci^ tiid^t toofftx unb toe^l^alb, aöein f^^uft erlennt il^n gleid^ unb 
mit ber S3elanntf(i^aft ift aud^ ol^ne Diet Umftänbe bie greunbfd^aft 
gefci^toffen. ®o unmotiDirt unb lal^I bie ©el^anblung ber Situation, 
lo bürftig ift anö) bie mufilatifd^e Slu^fü^rung. @« ift merftoürbig, 
tt)ie n>enig Begabung für bie ^taftifd^e ÜDarfteüung einer beftimmt 
au«ge^)rägten 3nbii>ibuatität ©erlioj jeigt, toeber t^auft nod^ ÜKe* 
^)l^iftot)]^Ie« bringen e« ju einer fotd^en. ©eibe treten aud^ mufi* 
faßfd^ toenig l^eröor , fie fingen mit 5lu^al^me be« gtopebe« nur 
atecttatiJ) , e« bleibt ba^er bei Dereinjelten S^izn , unb man lann 
l^ier red^t crfennen , )m eine SReil^c ©njelnl^eiten , loenn fie aud^ 
nod^ f berb unb beutßd^ aufgetragen finb, bod^ lein (San je« bitbet. 
«eigauft ift (Sentimentalität ijorl^errfd^enb , bei SIÄe^jl^ifto^jl^ete« 
foll e« ber §umor fein, aöein grabe biefe ©eite ift öoöftänbig 
»ergriffen, ^xzvxtvif aöe mufilaßfd^en Si^eufel neuerer ^6i Ißnnen 
il^ren Urf^jrung öon ©amiel nid^t Derteugnen , inbc^ l^at ber ©er* 
ßoj'fd^e 3Ke^)]^ifto^)]^Ie« nod^ me^r aiel^nßd^Ieit mit -SWe^erbeer« 
®ertram, unb f^jrid^t ioic jener faft nur mit ^ofaunen in ijermin* 
bcrtenäccorben, aufer ba^ ein »unberßd^ jerl^adtter 9i^^t^mu« ben 
§umor baju tl^un f ott : im ®anjen ift e« ein trauriger ®efeB, ber 
»eber unterlaß nod^ bange mad^t. Diefer erfünftette ^umor^ ber 
fid^ öor ben @j)iegel fteöt unb ©efid^ter fd^neibet , errcid^t feine 
^% im britten »itbc ,,auerbad^« Seßer/' S«ad^ einem toüften 
€]^or i3on beraufd^ten ^t^txn fingt ©ranber ba« ßieb öon ber 
gfJatte. X)ic (5omt)oflrton beffelben ift nid^t bie 1)arfteßung ber 


g2 ^sner« ^nnl^nfer. 


/ 


tSncn, bcr Sanbfltaf mit ben ttttcrt^cn ©ängcru tritt auf, fie et< 
fcntten Siannl^ufcr , bringen in ii^n ju bleiben , t»a« er , Don @ß* 
fabetl^ Siebe in Senntnig gefegt, jufagt; bie attgenteine SBefriebi* 
gung f^rici^t fiif im ®d^{u^ej:tett aud , n)S]^renb bie ^l^ne fid^ 
mit Sägern füöt. üDiefe ganje @cene gel^ört ju benen , mi^ bie 
frifd^efte unb anfpred^enbfte aBirhtng mad^en, bie ^rner finb 
gefd^ictt Dern^enbet unb ber ©d^Iu^a^ ift fo angelegt, baf man bad 
®efü]^t einer beftimmtcn g^rm bel^ätt, unb Wingt red^t fd^iJn. 

SWan fielet alfo , biefer erfte Slct bietet eine JReil^e Don Sffec^ 
ten , bie jujar meift materictter 5Ratur , aber Don' unjttjeifeC^after 
SBirlung finb , mit gefd^idfter §anb fo jufammengefteßt , boig fte- 
neben unb bnrd^ einanber uni fo Irfiftiger toirfen. ^nex^ ber feen* 
i^fte , ^l^antaftifd^e 93enudberg mit 9iofen{id^t unb hattet , bann 
im ßontraft baju bie ©artburg im ließen ©onnenfd^ein , ber $ir* 
tentnabe. mit ©d^otmei unb (Dioden , ber ^ilgerd^or , enbUd^ bie 
SSger — über bcr reid^en Slbtoed^dlung !ann man tocffl bie 3Ään* 
gel unb Südkn ber ^)oetifd^en ©eftaltung überfe^en, unb überl^ren, 
ba§ ber^oefentfid^e (Sl^arafter ber äWufil bod^ nur bcm ber ^Ceco*» 
ration^malerei entf^rid^t , bie aud^ ii^re Effecte l^at, nur ba^ e^ 
nid^t bie l^Sd^ften, nid^t bie eigentlid^ {ünfttertfd^en finb. dnbeffen 
mad^t biefer Sft^d^fi^um be^ erften.3lcteö-einigcrmaa|en für bie fol* 
genben bef orgt : merben biefe SOKttet au^reid^n ? finb anbere }tt 
ertoarten? 

^er fotgenbe ^ct fteOt junäd^ft ba« 8tebedDer^(tni§ jtoifd^en 
(Sßfabetl^ unb S^annl^ufer bar, unb l^ier finb einfädle (Situationen 
gegeben , bie bem {^rifd^n (Sftaxaittx ber äKuft! ganj entf^red^en 
unb bem Som^oniften ©etegenl^t gegeben l^Stten, ju jeigen , tt>a^ 
er mit ben in ber iotufit fetbft ßegenben Säften ju erreid^en Der« 
mag. <Sr l^at fie nid^t benu^. (Sine ®ee(enftimmung einfad^ unb 
mal^r auf}ufaffen unb n>ieber)ugeben Dermag er nid^t toeit il^m bie 
Xiefe unb Urf^rüngtid^Ieit ber (Sm^finbung abgel^ ; n>o er nid^t 
einzelne 9)iomente ftarl betonen unb baburd^ d^oratterifiren tann, 
»irb er unbebeutenb. Dal^er ift il^m ber ß^ralter ber (£(ifabeti^ 
gauj mi|gCüd(t unb nur an einjetnen mel^r teibenfd^aftlid^ bett)egten 


©teOen Mommt fie etoad geben. !Dad Duett mit Zamffan^tx 
Itingt an @^)onttnt*fd^t äBeifc an, tft cl^ne Jebentenben Snl^tt unb 
ber gDtnt nad^ mit feinen banalen Sierjenfigureu unb ben Ifimmer* 
tid^n Smitationdanfä^en fo tribiat , ba^ man fid^ bod^ n>unbem 
mu^, tt>ie SBagner bie^ äKufilftüd feine eigene .^itil ffat ^affiten 
teffen Wnnen. ÜDafe et, bomit man e« lein ÜDuett in geujöl^nßd^er 
SBeife nennen fönne , SBoIfram aud^ mit einigen ^otttn batan 
2]^U nel^men Iä|t, ottertrt ben (S^aratter nid^t, aber e^ ift bra^ 
mattfd^ nid^t t&oSfi eingerid^tet , ta% biefe äleu^etung Solframd, 
bie für feine ß^atalteriftil bebeutenb ift , fo untetgeftedt t n>irb, ba§ 
fie fo gut u>ie betloten gel^t. 9iun foCgt bie SSotbeteitung jum 
©ängetlam^f , unb l^iet bem&l^tt ftd^ Sagnet toiebet ate bot^ügli« 
d^etiDecotationdmufilet. ÜDie t^tingifd^en ®to|en etfd^einen bon 
^etolben unb ^agen eingefül^tt, S^tompetet auf bet SSüi^ne, S:tom* 
pzUx im-Otd^eftet, jtoifd^en il^nen ein ftatlet S^ot, — e^ mu|te 
einet fd^on ted^t ungefd^idft fein , bet bamit nid^t einigen Sinbtudf 
l^öotbtäd^te. 3n bet S^at ift biefet , nut tta>a^ lang audge^ 
f|>onnene, marfd^attige ©a^ btiQant, nid^t ol^ne eine gett>iffe 
d^ebalete^Ie Sleganj unb in mand^en ^attien bon ongenel^mem 
SBoPaut. SBoi^tenb bcffelben toetben bie ebten fetten unb gtaum 
:|>antomimifd^ mit bet feietCid^en äludfäl^tlid^Ieit bed (Setemonietö 
enn>fangen unb ju il^ten ©ifeen geleitet, ba« 333agnet am ^ofe bc« 
Sonbgtaf en ^etman t>otaUd}ufe^en fid^ beted^tigt mt , )9obei id^ 
iebod^ bemetfen muf , bat ^ kic feineten Untetfd^iebe bet SSet* 
tt)anbtf d^aft unb t^eunbfd^aft , n)e(d^e iemanb im ftummen ®pvd 
mtifX l^etbotgel^oben tt>ünfd^te, in Sagnet^ fonft fo fd^atf d^atolteti*^ 
fitenbet iDhtfi! nid^t l^be auffinben I&nnen. .9lad^bem bie ®anget, 
ebenfaö« bon ben ^agen gefeitet, aufgetteten finb, Jebet mit feinet 
^atfe, fingt bet Sanbgtaf eine i$efttebe, bie, n>ie btQig, etn^a^ (ang^ 
tt>ei(ig ift , tootauf bie ^gen bie ©änget lofen laffen — in bet 
2]^at, biefe attigen Knaben mad^en fid^ fo oft bemetJEbat , ba§ fie 
e^ n>ol^t betbienen auf bem "SJftat^tißtUi namentfid^ aufgefü^tt in 
tt>etben, tt>enn fie audi^ nut biet SBotte )U fingen l^aben. liebst ben 
@&ngetlam^f ift fd^on bemettt, ba§ et n>ebet bid^tetifd^ nod^ mufi* 


94 ^te $erb<uninittg M gait^ toon ^. ^erUoj. 

inftrumentafe Sff cctc f ettft bcn mcrtericöcn SBol^tMang nur fetten 
unb öorüfierge^cnb erteid^t. Uuöerlennbar tft fein ©efttebeu im 
©egenfa^ gegüi frül^ctc (Sonnjofittonen Marer unb faf fidler ju 
fd^teiben. ^um SC^ett bebtngt bie« fd^on ba^ 333ort be« S^ejted, 
töeld^e^ mel^r ^tädfiou unb fd^ärfcre ©egtänjung ijcriangt ate bie 
reine Snftrumentatntufif ; babonji&gefel^en l^at {ened ©eftreben afeer 
nur bol^tn geführt, ba^ beut 3lbfurbcn, 3Sertt)orrenen , Ungemeg* 
baren ie^jt ba^ ®ettJö^nUdl5>e unb 5£rtbtale unmittelbar beigemifd^t 
ift, tt?etd^ed mitunter in eine fo banale ^l^rafenmad^erei aMaxkU 
bafe man fid^ barüber beiS5erfiojtt)unbern mu|. ®n fo gänjßd^e« 
gel^Ifd^Iagen bei gro^n änftrengitngcn unb Slnf^jrfid^cn ift ftet« 
nicberfd^lagenb ; toir üDeutfd^en aber l^aben biefem SBcrfe gegenüber 
eine eigentpmßd^e ©teßung. 9Äan l^at gefeiten , mt ber tief em* 
^)funbene Organi^mu« be« (Soet^e'fd^en ©ebid^t^ mit glcid^guttigen 
§änben jerriffen unb bie jer^)ffil<ften ©lieber ju ben aßcräu^erßd^* 
ften Effecten finn* unb bebeutungdio« Jjerbraud^t »orben finb. ©ei 
einem fold^en SBanget an SSerftänbniß lann natüröd^ i>on Hinft* 
terifd^er Sluffaff ung unb ÜDarfteüung bct (Situationen uub S^araf * 
tere fo »enig ate ber einjelnen SKomente bie JRcbe fein. 3Bir 
©eutfd^e l^aben nid^t nur ba^ Siedet, fonban bie ^flid^t, gegen 
eine f otd^e fd^mad^bollc SSerftürnmeluug unb fra^enl^aftcgntfteüung 
eine^ SEBerle«, ba« ber Station tl^uer unb »ertl^ ift iu ^)rotcftiren, 
3ft ein foJd^e« Wfpxttixtn beffelben ben granjofen gernä^ , fönnen 
fie e« in bief er ®e[taf t genießen, fo mißgönnen »ir e^ il^nen nid^t; 
für un« ©cutfd^e ift unb bleibt e« ein SBed^f etbalg , ben un« feine 
Sääid^tetmanud^en ind ^m^ tragen foöen. 


^ector ©erlioj tu ßei^jift^ 


,,©cnn ^aßufil öonSRcxart ^ixt\ fagt^. ©ctitoj 
im Sournal be« 5De6at^, „fo fcrüdt miäf immer ein ffctncr 31I(>, 
menn id^ aBcr SWufif i)on § a ^ b n l^örc , fo brüdt mici^ immer ein 
großer at<>'/ Daig Ucbettefinben, toeld^c« ben 3«^örer ki ber aWu* 
fi! ijon ® erlio j befäöt, ^atnod^ leinen Flamen erhalten, an^bfei* 
Jen totrb e« ft^erßd^ nid^t. 3n ber 2:^at, ba bad, »a« in ber SÄnfil 
Jener 3Äeif*er un« gej^öl^nUd^e Sßenfd^en entjücft — (S^inSftit, 
^ofßaut , Storl^eit , xotiift auf ber tnnern Harmonie beff en »aö 
fie gemoüt, unb ber 3»tttet burd^ bie fte e« erreid^t l^aben, berulfyen 
— öerfioj fc nnangenel^m bcrül^rt, fo fann e« laum anber« fein, 
ate ba§ ba^ unau^gefe^te^erioürfni^ Xioifd^en SBoKen unb Ä6nnen 
in feiner 5Btuftf , bie beftätibigc SSerfd^toenbung eine« ^jretentiöfen 
ä^)^)arat« äußerer 3WitteI bei innertid^er üDürftigfett , im '^u^xn 
eine SSerftimmung erregen , bie \t nad^ Umftänben unb 2^enH)era* 
ment mel^r in Unmiöen ober in ^eiterfeit fid^ aufßfen fann , aber 
lebenfaH« einen ftarfen öeifa^ ber Sangcnfoeite l^'aben ttjirb, »eld^e 
®ertioj l^öftid^ genug nur mebicinifd^ benennt. gragen-U)ir etn>a« 
genauer nad^, »orauf berui^t bcnn bi< ©röfe bicfer SWeifter? 33or 
aöem unb toefentfid^ barauf, ba| fie nid^t bto« Ifinftterifd^e, 
fonbern mufilalifd^^fünftfertfd^e Staturen finb, unb loie ber 
!Did^er ^oettfd^, ber SRaler materifd^ em^jfinbet, ebcnfo 


1) Orenjbotcn 1853 IV @. 481 ff. 


96 ^' ^erliog in Sci^gig. 

unmittctbar muftfaltfd^ cm^)ftnbcn uub au6 biefctitt* 
fprünaßd^ ntuftfafifd^cn Slnrcgung crfinben unb fd^affcn. ©obann 
tft in il^ncn btcfc Sfntage fünftferif d^ entn>t(f cß unb audgebttbet , f o 
bat fcic ta bcr Statur unb bcm 333cfcn il^rcr Sunft bcgrfinbctcn ®c* 
f e^c für fic ntd^t (äftlgc ©d^tanlcn fiub , bic man um jebcn ^rei« 
burd^brcd^en unb übctfj)ringcn muff c , f onbcrn bic notl^tocnbigcn 
S3cbtngungcn fünfttcrifd^er ©eftaltitng ; unb bicfc auf bcr I)urci^* 
bringung ffinfttcrtfd^cr ©cgabung unb ©itbung bcrul^cnbc grci^cit 
bcd lünftlcrifd^cn ©d^affcn« ift tocfcntßci^ i)crfd^icbcn ton bcr ©c»* 
fd^irfßd^Icit l^crgcbrad^tc gormcn ju l^anbl^abcn, »cld^c nur am 
f)anbtt)crlcr ober am ©d^üfer ju toben ift bic inbcffcn mand^e Sri«; 
tilcr »ol^toottcnb genug finb icncnSßciftcrnnod^.jujugcftcl^n. 3n* 
beffen ben gcfd^idttcn ^anbtoerler mu^ man ad^tcn , unb au« bcm 
®öfvkx lann ein SReifter werben , aDein u>enn iemanb mit ben 
9(nf^räd^en eine« t)oIIenbeten Sünft(erd auftritt, bem e« am (Srften 
imb »eften fc^It, fo ift e« ^flid^t, über i^n bic Doüc ©a^r^eit 
cl^ne aifidf^alt ju fagcn. SBertioj ift aber totrffid^ bcr öottftfinbige 
®cgenfa|} Jener SKciftcr bic il^n Cangnjeüen, unb öor attem burd^ fei* 
neu aWangel an urf<)rüngCid^ mufifalifd^er ^robuction«Iraft. (Sx ift 
ein geiftreid^cr, ein gebilbcter 3Äann, bafe tt>eit ieber, bcr nur ein« 
feiner i^euideton« ge(efen l^at , fo gut a(« er fclbft e« toeit , er l^at 
aud^ über äßufil treffenbe ©ebanlen unb (SinfäOe, aber ))on ba ift 
e« nod^ toeit jum mufifatifd^en ©d^affen. ÜDiefe« ift bei il^m nid^t 
urf^>rfinglid^ unb unmittelbar, fonbem ftet« fecunbär. @r ^t bic 
beu>u§te älbfid^t , feiner SRufi! einen beftimmten gcbanlenmatigen 
3n^att ju geben , erft ujenn et biefen burd^ Sieffejcion öoöftänbig 
^)ra|>arirt l^at , fud^t er ben mufilatifd^en 5lu«brudt bafür ; feine 
3ntentionen finb tooJttommen f etbftänbig" au«gcbitbet , cl^e fic eine 
mufilaßfd^e ®eftaü befommen; er fd^afft alfo nid^t SWufil d« 
f old^e, au« einer innern Siotl^menbigleit , fonbem er fe^t feine ®c* 
banlen unb (ginfälle, anftatt fic gu einer Sioöeßc ober einem ijeuitte* 
tonartild ju verarbeiten, nadi^trägfid^ in Sßufil. 3)ic 5lufgabe be« 
3u]^6rer« mirb e« bann , nid^t 2RufiI ju genießen unb auf fid^ 
toirlen ju laffen, fonbern forttt)ö]^rcnb ju errati^en, toa« bcr (5om* 


$. «crltoa in Sci^jtg. 97 

)>ontft fi6f Bei bcr SRufil gebadet l^bcn mJgc. 3u bem tld^ttgcn 
®^^, bag bad rein ©ebantenmügige barjufteKen bod^ nici^t 
eigentfid^ ©aci^c bcr SKufi! fei , f ud^t SSerßog ben 3«^^^^^ *>wd^ 
^rctogc unb ^rogtaiume auf bic rid^tige gäl^rte ju bringen , unb 
niand^er , ber fid^ fonft bei üKufif nid^td ju benfen loei^ unb bod^ 
Slnftonb« l^olber in« Soncert gel^t, vergnügt ftd^ onbiefemjeu 
d'esprit unb ift froi^ , »enn er burd^ einen ftäftigen öed ^nfd^tag, 
ein Inartcnbe^ gagott ober fonft eine inftrumcntafe äbfonberlid^Ieit 
erinnert toirb , ba§ er i^ier aud^ ettoa« 2lbf onbertid^cd ju benfen 
l^obe. !Da^ nennt man ^ann gern geiftreid^e äJZufil, ba bod^ ein 
gute« S^eil biefe« 8obed auf ben S^nffixtx jurüdff äöt , unb meift 
uüt fo lieber , Je »eniger ber Sobenbe auf eigene f)anb unb oljne 
3RufiIbegIeitung geiftreld^ ju fein ^)fiegt. 3) a ^ fäüt freitid^ ben 
mciften, bie mit biefem 8ob fo freigebig finb, nid^t ein, bag, n>eun 
ber Somj)onift anö) toirlßd^ öor unb neben feiner Som^jofition 
geiftreid^e ®ebanlen l^at , bie äßufi! barum bad ^rabicat nod^ 
nid^t Derbient, fonbern nur bann, loenn er. in ber ©el^anbluug be^ 
rein äßuftfalifd^en , in (Srfinbung unb Sed^nit fid^ ald geiftreid^en 
^nft(er jeigt, toa^ nid^t fo (eid^t ju beurt^eiten fein bfirfte. Um 
bie 5RebengebanIen aber , fotoeit fie ettoa« »ert^ finb , ift ed nur 
©d^abe, toenn fie in aWufif gefegt finb, benn ba« fortbauernbe 
©er^fd^.lä^t bod^ !ein red^e« 9tad^benten auflommen. 

6« tiegt in ber 5Katur ber ®ad^e, ba| Sbeen, bie nid^t ur^ 
f)>rüngrtd^ unb naturgemäß erzeugt finb , aud^ nid^t u>ie burd^ ein 
natürtid^e« SBad^dti^um organifd^ entmdtett unb audgebUbet n>erf 
ben I5nnen, berfelbe ^t&m^ muß fid^ aud^ in ber t$ormgebung 
jeigen. SBenn öerßoi eine Abneigung gegen bie fugirte unb imi* 
tatorifd^e ©d^reibart l^at, fo toirb man fid^ freitid^ tomibern, baf 
ein benlenber Äünftler in ber Strenge biefer gorm nur ba« S5e» 
fd^ränfenbe toal^rnimmt ünb nid^t erfennt, baß biemoberne2Rufif, 
foxoeit fie organifd^ geftattet ift, aud^ in il^rer freieftcn ünttoidt^ 
lung , auf jenem ^rinci^ berul^t , ba« man nid^t öcrtoerf en !ann 
o:^ne aud^ feine Sonfequenjen ju tertoerfen. äüein ba e« nid^t 
bie einjig not^toenbige gorm mufilaßfd^er ^robucßon ift , f o lann 

3 a !; n , «uffäj^e üb» 9Ruftf . 7 


08 $. «erliog in ^m^ 

man blefe (Stnfettigtett l^tng^n laffen, u>enn manbon anberer 
(Seite baffir entf(i^&btgt iptrb. 9[bet bebenKU^ tottb ed, xi»mn mm, 
n>o biefe formen bennod^ angemanbt finb , geuml^r tt)trb , ba^ bet 
itt(e (Stfolg äBtrlung ber Ungefd^idac^teit tft mit bet jle b^anbät 
u>erbea. Sd tft eine fd^ßmme ®ad^ mit benÜDingen, bie gtünbßd^ 
ertetttt unb geübt fein tootkn ; u>enn bied t)etf&nmt tt)itb , {ömten 
»eber ®rift nod^ ®enie fie für bcn atugeiibticf erj^ingen» 9fd^ tcbe 
ie|t »id^t t)on bem nttgtüdtid^eti ©nfati , bie Buge aU SRittel ber 
3ronie unb ®atire ju gebraud^en , ipie im f^auft ; bie (Eintötung 
lur f$(ud^tnad^ 9Ceg^)3ten U)i(Ifugirter ®ti(feiu. SRan barf 
bei bem tünftlerifd^eu 9iigori«mud , iDeld^en J8tr% ^roclcmdrt, 
nid^t t^orau^fe^en, ba^ bie^ eine^onceffiou gegen bie im ^uMionit 
i^errfd^enbe SorfteQung t)on ^rd^muftt fei, e6en fo Joenig ionn 
l^ier t)on einer l^ifbrif d^en ober (oca(en S&rbung bie 9lebe fein , ba 
bie ®cene in ^aföftina im dolore t nad^ S^rifti ®el6urt ift ; \m^ 
bern Serlioj mu§ einen fugirten Onftrumentalfal für ben onge«» 
meffenften ^u^md ber etnfad^en re(tgi5fen ®timmuit^ ge^(ten 
i^aben, xotldfz \iSf in ben btorouf fotgenben 2:ej:te<^tt>orten beftimm«' 
ter audf^md^t. ä&ir i^ren aud^ ein X^ema , bem man nid^td an^ 
i^&rt a(9 bie üBefttmmung fngirt }u »werben, bann bie fibßd^enSin^ 
tritte, }u unferer ^rtDunberung fd^ßef t bte ^riobe fogar mit bem 
el^emafö (anbübttd^en XriUer , ben man nad^gerabe atd .odtmobifd^ 
ju betrachten geiDbl^nt loar. SSer nun nad^ biefer fcrmdim Sin« 
tfinbigung eine ^Durd^ffil^rung enoartet, in tt>etd^er ftd^ nid^t nur 
ber grüttbßd^e, fonbern aud^ ber geiftreid^e äRuftler htmSffxm lam, 
ber tmrb getäufd^. ^m&äf^t n>irb berfelbe ^a^ t)on ben SÖia»'^ 
inftrumenlm n)ieber^oft, bann tt)irb ein neuer 3lnfa| mit tem 
^tma gemad^t, ber ju nid^td fäl^rt, ncd^ einer, ber ftd^ im ®anbe 
»erläuft — bie Dumturc ift ou^. SDKr fiel baiei bie ©cfd^id^te 
)oon bem Seigrer ein , ber feinen ©d^ülem einen (ogifd^m ©o^ !(ar 
mad^en ifooQte. ^!DenIt eud^ ein gro^e^* ^ud unb baneben einen 
großen SBaum — nein, fo gel^t e« nid^t ! — beult eud^ ei« Heine« 
$aud unb baneben einen Keinen ^aum — nein, fo gd^t t^ aud^ 
nid^t ! — beult cud^ eine ^üttt unb baneben einen »nfd^ — nein. 


c« gel^t gar nid^t!" @o ift e^ aud^ nttt ber gugc: ei^ gel^t gat 
m<Sft Unb c^ muß »ol^I feinen ©runb l^aten , baß fo oft bie ate 
grifttetd^ ge^Jtiefenen Sout^oniften, n>enn fk fid^ jum fugtrten @ttt 
l^erabtaffen, fo gar trioiat unb getftlo« xoetbcn. 

öetftoj ift a6et, toenn aud^ lein greunb bed fugitten ©titi, 
bod^ bem contr(H)unftifd^en entfd^ieben jugetl^an. 3)a« *SBefen ber 
contra^>unf tif d^n ©d^reibart beftel^t , um e^ lurj anjugeBen , be* 
fanntttd^ barin, baß t>erfd^iebene SDlelobien jugleid^ fettftonbig fort«' 
gefül^rt unb ju einem i^armonifd^n ®anjen bereinigt n>erben, toa^ 
in ben berfd^iebcnften tjormen gcfd^en fann unb bei ftreugfter 
©efefemS^gleit bie größte f^rcil^eit jufitßt. 9Son bicfen n>efcntlid^en 
(Srforberniffen ^Ü ©erßoj faft nur ba« eine f eft , baß bon beu 
berfd^iebenen Stimmen, »ett^e er jufammenbringt, jebe felbftänfcig 
il^rcn SBeg gel^c , loie fte ftd^ mitcinanber »ertragen , ba« flimmert 
ifjn ungleid^ »jeniger. S^ ift , ate ob er eine älnja^I bon — toie 
f age id^ nur ? 3)ietobie , 2^^ema , 3Kotib , 3bee im getoSi^nßd^n 
©inn :|>aßt in ber 9iegef nid^t ganj — bou 9lotencomj)Iejen mit 
boüen §anben über« Drd^efter berftreue : ieber fud^t feineu I^eiC 
jtt erttjtfd^en, einige l^olten bel^rrlid^ ba« ©tfidt f eft, ba« fic eiumat 
erfaßt l^ben, unb toiebcri^oten e« uubcrbroffen , aU flrd^teten fte, 
e6 lännte abhüben lommen ; anbere l^afd^n leid^tfertig botb nad^. 
bicfem, baft nad^ bem, berfud^en ftd^ l^ier unb ba, bi^ ein attgemeiuc« 
bellum onmium contra omnes entbrennt, in bem jebcr fid^ toel^rt, 
fo gut er lann. äßit einemmal fd^ioetgen oße, ate fürd^teten fie 
ftd^ i)or il^rem eigenen <Bpzttaid, ober »erben toie befd^ämt unb 
bertegen gang leifc, aber balb ßegen fie fid^ unebcr in ben §aareu, 
unb too (eber tl^ut, ma^ er tt)iQ , l^t ber eingelne aud^ gar {einen 
®runb, f^ ju geniren : atk^ tobt fid^ au« nad^ ^erjen^Iuft, »ic 
bie lertianer, toenn ber Seigrer nid^t ba ift. ^efen, ©efen feid 
genjefen!" feuft ber unglüdtßd^ ^vifixex, über beffen Ol^ren e« 
l^rgel^t, einmal über ba« anbere SD?aI , bergeben« — unerbittfid^ 
fd^mingt in toeiten Greifen ber äÄeifter feinen ^^^uberftab bom 
Dirigentenjjuft, beffen l^o^ßSniger t^wßboben, mit SJoß gu reben, 
oft Sieutingen gum ©d^redf unter gornigem ®etram^>el borniert, 

7* 


100 ^. ^ttliei in ßet^jig. 

ttnb jagt feine Dtd^eftetjjl^atcmy burd^ aüc Soutrafte ber jf unb pp, 
f Ott geirrt int ©turmfd^titt, jieber benit nur an fid^ , SWcmanb an 
feinen 9iad^Bat unb ben amcn3w^örer, Unbtoa^cntfd^utbigtman 
nid^t tei aögemeinem äufrul^r unb SanH)f! aber gar ju curio« 
Kingt e«, ti>enn bei öerpßnigmä^ig rul^igen unb fricbßci^cn ®tel* 
ten irgenb eine ntißbcrgnfigte 9Äittetftimme ptifjü^ Derfud^t , toa« 
fie auf eigene $anb ri^üren lann , unb i^rer 3Serbriepd^feit 8nft 
mad^t <>ber ein paox einjetne Snftrumente mit bo^l^after 3Serftodtt* 
^eit bie ©ebulb be« ^örer« anf bie ^robe fteöen, mic j. 8J. in 
ber ^atolbf^nij) Ironie gßJte unb f)orn fid^ mit einem (gigen^ 
finn um ben legten 2:on janlen , ber um f o unbcgreifßdf^er ift , ba 
bad §orn J)on öornl^erein fo entfd^ieben im Unred^t ift. (£« gel^ört 
bie (Sngetegebutb einer gföte baju, um ba« au^jul^alten , unb ein 
publicum, bad ben ^af)i\px\x6f res severa est verum gaudium 
fd^on lange be^erjigt, um nid^t am @nbe in eine unl^öflid^e f)eiter* 
feit ju geratl^en. 

ÜDicfc eigentl^fimfid^c ©el^anblung^tocife gel^t in il^rem testen 
®runbc »ieber barauf jurfidf , bafe e« nid^t bie äbfid^t be« Som* 
:|)oniften ift ein rein mufilatifd^e« fiunftioerf gu geftatten, fonbern 
bag bie Sräftc, toetd^e er in öctoegung fe^t, zt\r>a^ Slnbere« au«* 
brüdten foöen, ate ma« in ii^rem äBefen liegt, unb nur bie 2:räger 
aufermufiMifd^er ®ebanlen finb. ÜDal^er ift ed benn aud^ nid^t gu 
öertounbern, vomn fie ganj anbcren ©efeften ate ben mufilalifd^en 
untettoorfen mcrben, um fid^ ju einem ©anjen gu geftatten. SRod^ 
ungteid^ mel^r (Sinflu^ aber l^aben bie Intentionen be« (£om)>oniften 
natürßd^ auf bie Formation feiner Äunfttoerle im ©rofeen. !Da« 
fd^tagenbfte ®eif)>iet gu toeld^en ^onftrofitäten aud^ ein benlenber 
äKann gelangen lann , mnn er bon einer ^unft ergn^ingen loitt, 
u>a« i^rcr 3iatur gutoiber ift , unb ber fid^erfte S9e»ei« , ba^ ii^r 
eigentßdf^e« ©ef en i^m t)erfd^toffen blieb, ift bie bramatifd^e ®^m* 
|)]^onie JRomcounbSuIie. ÜDer 3Serfud^, ben ßinbrucf eine« 
©rama« mufifaßfd^ loiebergugeben, ift nid^t neu, aud^ Icine«tt)eg« 
fd^Ied^tl^in DerU)crfKd^, toenn bie SUhtfil fid^ innerl^alb il^rer ®rän* 
gen mt unb fid^ begnügt, bie allgemeine ))oetifd^e Stimmung au«^ 


^. öcrUoj in Sct^jig. 101 

jubtfl(fett , jit »cld^er ba« SSJctI fcc« SJid^tet:« Mc Stntegung bot. 
Snbcffen ^at c« md^t an (5om^)ont[ttn gefel^ft, totläft, bct etgcnca 
Staft nitgttaucnb , bcn ^oettfd^cu 3n]^att für tl^te 3nfttumcntat 
mitfil gtabcju bom ©td^tcr gtauBtcn Botgen ju lönncn , Inbcm fte 
t^n ©d^rttt J)or ©d^tttt Begleiteten. 3n ä^nttd^er SBcife ^at »er* 
ßoj ®]^a!efj3catc'0 9iomeo unb^Sufie fo in äWfcfil umgefe^jt, ba^ 
er an ben ©teüen ber §anblung, toetd^e für eine muftfaßfd^e 5)ar* 
[tettung SSeranlaffnng in Bieten fd^ienen, §att ntad^t für einen 
f^nq^l^onifd^en ®a%. ÜDa| Bei einer fold^en 9lntage lein S^onftüdf 
entftel^en lann , mi^t^ bic ©untme be« ^)oetif d^en 3nl^att« jene« 
ÜDrama« mnfilaßfd^ re^^robucirt , leud^tet ein. f)an:|)tmontente ber 
brantatifd^en ®eftaitung finb mufilaßfd^ tl^eite aBfoIut nid^t ti)ie* 
berpgeBen , tl^eite werben fle burd^ ba« geft^atten an ber au«^ 
gefül^rten ntufilaßfd^en ©el^anblung ii^rer Joal^ren ®ebentnng cnt* 
Meibet, »äl^renb bagegen 5ReBenbinge burd^ beninfäöigenUmftanb, 
ba^ fic für aRufil qnaßficirt finb , ju §an^)tbarfteüungcn erl^oBeh 
toerben. ®o l^at g. ®. gteid^ anfangt bieS3aöfcenc Bio« ber SCanj* 
mufil ju 8ieBe eine Sn^fü^rßd^Iett erl^attcn, »etd^e ii^r im ^n^am^ 
ntenl^ange be« ©anjen nid^t jufommt. (gBenfo ift bie ÜDarfteöung 
ber t^ee 3WaB in einem langen ©d^erjo , bie an fid^ nid^t ju mif * 
Bitttgen wäre, für einen integrirenben S^^eU Don 9iomeo nnb 3ufie 
f nngeBül^rßd^ ausgeweitet, ba^ fie gar nid^t mel^r in ben Sial^men 
pol^t J)aS®anje Bitbet fd^fiegßd^ eine Steige t)on mufilaftfd^ aM^ 
gefül^rten Situationen ber Si^ragöbie, aBer nid^t mit innerer 'Stoüf^ 
wenbigleit au« bem Seim berfelBen l^erau« gegßebert, fonbern nad^ 
unwefentßd^en ÜKerftnafen l^crau« gegriffen , i)erfd^oBen unb Der* 
renit, wie wenn ein !J)ecIamator in einem ©atje, ben er nid^t öer* 
ftel^t, bieSörter falfd^ DerBinbet unb Betont. 9lod^ nid^t jufrieben 
mit aW bieferSÄufil unb Beforgt um ÜDeutßd^Ieit unb SSerftänbniß, 
l^at SSerßoj ben 3n[trumentatfäfeen aud^ nod^ ©efang^jartien l^in* 
gugefügt , in benen nun jum 23^eit wenigften« ba« gefungen wirb, 
toa^ man ol^ne SBorte gar nid^t Dcrftcl^en lönnte. ®n Äarer 3^* 
fammenl^ang unb eine fortfd^reitenbc SntwidCelung ift burd^ biefe 
SSermifd^ung ^terogcner demente , bon benen feine« an feinem 


1 


102 ^. öcrttoj in ?eH>ii9. 

"ißlo^ ift, notfirl^ bod^ ntd^t erregt ; auöf tritt l^et 'mAmm 
berfeCbe Uelbetftanb ]^ert)ot , baf aud^ bte ®efang^)>attien meiften6 
xAäft bet f)oettfd^en ^ebeutung bet ®ituatton, fonbern bem ^u^aU 
eine« mufilaßfd^ barfteßbaren 3Äotlip« i^te ®teöe öerbanlen unb 
ba« SnigDetl^&Itni^ bet einlebten X^eite gum Onanien nnx noäf ftei«» 
gem. Um aber, Mnn mäf ntd^t ben 3ufammen]^ang, tpentgftene 
ben 3nl^aft begrcipid^ ju irrad^en, toirb bte ®^mj)]^onte burd^ 
einen Prolog eröffnet, ber einen lurjen 2lbri| ber f)anblung öor* 
trägt, unlemtifd^t mit Weflejionen , »ie: ^®tft bu ntd^t fetbft 
öieöeid^t bem armen (Srbenfol^n Jene ^oefie , o Siebe , bie bem 
@:^alef|>eare aUein t>zxlkff bie SBetl^, nnb mit i^m gnrüd gen 
f)tmmet fio^?" !Da« fehlte noc^ , bag bie aRnfil ju aüen übrigen 
äßagbbienften aud^ nod^ äftl^etifd^e Äritt! ijerrid^ten mufe ! Unb 
fogar bie f^ee 9Rab tt)irb un« l^ier fd^on in einem S3oca(«®d^er}ino 
au^ffil^rfid^ gefd^itbert, bamit e« 3eber merlen lönne, loie arm bte 
mufilatif d^e ^l^antafie ift , bie felbft einen l^eitern ©d^erg nid^t er« 
finben tann , tt>enn ti^r ba« äJhtfter nid^t t>orgejeid^net ift. 3d^ 
jöjeiffe nid^t , ba^ öerßoj ein 33en>unberer ®]^alef<)eare*d ift unb 
für bie ©d^önl^eiten feiner S^ragöbie fd^ujärmt, aber inbem er fle 
auf bem ^rolrufte^bett feiner ©^mpl^onie Derftümmette, l^at er ben 
^etpei« gefül^rt, bag er n>eber mufilaßfd^ em^)finbet, nod^ Don bem 
SBefen eine« ^nfüoerled einen begriff l^at. 3^^ Ueberflu^ l^at 
er biefe« SKcnftrum eine bramatifd^e®^mj)^onie benannt, 
an ber — babei foö ber bod^ fidler l^öd^ften« e^Jtfd^e ^rotog nid^t 
einmal jäl^ten — nid^t« Dramatifd^e« ift, al« baß ein 3)rama jum 
©runbe liegt , Dem bei bem Umgießen in bie inufilofifd^e gorm 
Mz^ genommen ift, toa« ein !Drama au«mad^t. 

S)urd^ toeld^e SSorjüge im einjetnen mü^te biefe« SBerl fid^ 
au^jeid^nen, um fo coCoffafeSÄif griffe, toenn aud^ nid^t öergeffen, 
bod^ für ben 9(ugenb(id( }urädEtreten ju mad^en 1 3)ie« ift aber nid^t 
ber gaß ; ed ift rcid^ an SSijarrerien , an fettfamen Effecten , ober 
arm an ©d^önl^eiten. 9latfirßd^ , benn ber SWanget an urf<)rüng* 
ßd^ muftfaßfd^er (Sm^ftnbung unb (Srftnbung, an ®inn für SKaa^ 
unb fttorl^eit, mad^t fid^ am unmittelbarften bei ben einjeßten 


ättotiben mit) 3Re(obten geftenb. 3)tefe finb mit \tSfX fettenen^u^« 
nai^nten büYftig unb troden, enthebet müi^fam {ufammeugefe^t 
unb in eine auffaöenbe gotm ger^nlt, ober gtabcju öHbial. ÜD abei 
l^at benn fveifid^ ©eriiog ben SSortl^eü , ba^ unter f o t>idm Ungc* 
nieparen unb Slbf urben ba^ S^rtDtale einen 5luft>rud^ auf aSerbienft 
Beim $i;((icum getpinnt , toöi e^ \\äf babei jured^tftnbet unb , ba 
ed il^m mit einem fold^eit Slufmanb äußerer Sßittcl in« Ol^r ge* 
braci^t u>irb, fici^ gern überreben läßt, ed muffe bod^ tool^t etwpad 
n>ert^ fein , »ofür man fi^ fo in Unloften \t^U Sin noäf fci^nm* 
mere« ^(A^m ift e^ , baß ba , too in ber 5Kat»r ber Aufgabe ein 
geioiffer finnßd^er JReij liegt, ber abfctut leine abftrufen ®eban!en 
iutäßt, ein grober Sßateriaß^mud ju Sage lommt. Ser fann bei 
bem (Sffox ber .nad^ ^auf e taumeinben @a))u(etö , bei bem ipüften 
!£an2getage, bad In einen n^al^ren ^ePubenfcanbal aufwartet, .fid^ 
nod^ öorfteöen, ba§ er, iäf fage nid^t in tornel^mer, baß er in gu* 
tcr ©efeüfd^aft fei? Slud^ in äuerbad^e Seßer, U)o ©oet^e und iU 
einer ^ttifi luftiger ®ef eilen fül^rt , bringt m^ Äerlioj in eine ge* 
meine tneit>e. 3lnbercd ift bann loiebcr burd^ bie äuicrfte ÜDürre 
abftofeenb, »ie j. ©. ber Prolog. SBeiß ber §immel toa« für 
eine ©arbenreminifcenj biefe^ einti5nige, balb ein* balb mel^r« 
ftimmige Siecitiren be^ Sl^ore^ mit f^>arfamer ^arfenbegteitunj 
barfteltcn foH , aber e« ift fo langtoeilig ate ber ©efd^id^t^abriß, 
ber vorgetragen tt)irb. Sluf biefem. grauen ©runbe foH bad öilb 
ber Königin 2R a b nun um fo fd^ärfer fid^ ^eben; aber »ie fel^r 
ba^ @e<)la^)|>er ber bielen furjen/ rafd^au«gefj)rod^enen ©ilben 
aud^ gegen ba^ trifte ^fatmobiren abftid^t, l^umoriftifd^ unb ^)]^an* 
taftifd^ loirb bie ÜDarfteüung bod^ nid^t. Unb biefen ffiinbrudt mad^t 
aud^ ba« i>iclgej)riefene ^nftrumentalfd^erjo nid^t , ba« toeber in 
Slnlage nod^ Srfinbung roirllid^ neu ift. ^« ift burd^au« ber bon 
SKenbeldfol^n angefd^lagene (Slfenton,. ber l^ier nad^geol^mt unb 
nid^t qualitatto audgebilbet, fonbern nur quantitatiowränberttoirb, 
nid^t ju feinem SSortl^eit. ÜDenn mit foöiel curiofen unb abfonber* 
lid^cn einfallen bied ©d^er jo aud^ gcf J)idft ift ; fo berbanlen biefe 
nid^t einer reid^ftrömenben Srfinbungdfraft , nid^t einmal einem 


l04 ^' «ertiog in^ei^jjtg. 

fifcctf^)r«belnbcn SBt^ tl^ren Utf^Jtung , fonbctn nfld^ternct Sctcd^* 
nung unb crjtpungcncr @j)a|ntad^ctct. 2]^ette gctoal^tt man aviäf 
fixet nur ein mufllatifd^c« 3öiimtniren bcr 'oom !J)id^tcr gelieferten 
3eid^nungen, nnb Begreift nun »cnn man bie gro§e Sirommet l^ört, 
loarum ber Prolog i>on ;,2:rommeIfd^aü, SBfid^fenfnaÖ" erjäl^It l^at, 
bamtt man .lotffe t^a« man ftd^ ju beulen l^aBc ; tl^eite finb e^ ein* 
jelne 3nftrumentaleffectc , bie fctool^I \vixä) lünftCid^ l&ered^nete 
gomMnatton ate fordrtc ßontrafte eine lebigtid^ materielle SBir* 
lung l^eröorbringen. Da|. biefeö aüe« eigentßd^ ^)oetifd^e 2luffaf* 
fung unb fd^S^ferifd^e ^l^antafie nid^t bebinge, fielet 3eber bon 
öornl^erein unb toer bie gee Wlai gel^ört l^at , tx>tx^ e« avi^ Srf al^ 
rung. SD?an lann aud^ , u>enn man bad ^uMicum ber SRufif t>on 
S3erßoj gegenüber beoBad^tet, leidet toal^rnel^men, m^ bat)on unb in 
»etd^et 333eife e« »irft. 9Äan ge^al^rt nid^t bie ftiüe gefj>annte 
äfefmerifamfeit , mit ber man ben fein gegßeberten Drgani^mu^ 
eine« Sunfttoerl« ju i>erfoIgen unb in fid^ aufjunel^men fud^t, nid^t 
bie innere Srregtl^it, toeld^e eine geniale ^robuction unmittelbar 
unb unmiölfirlid^ l^erborruf t, nid^t einmal bie augenblidKid^e greube 
über einen jünbenben SDloment , f onbern eine Slrt t)on SSertounbe»» 
rung , bie fxäf fetbft nid^t red^t txamt , mm e« gar f o nmnberßd^ 
unb ungettjol^nt im Ord^efter Hingt , mo man bann auf ben über* 
rafd^ten ©efid^tern bie ftiüe grage ße«t: SBie mad^t er bad tooffU 
©iefer erfolg , für einen S^afd^enf^jieler ber ertoünfd^te, foöte er 
aud^ für einen Äünftter ber redete fein ? 

5Ricmanb lann ©erfioj ba« Serbienft abf^^red^en bie 3nftru* 
meute grünbßd^ ftubirt unb neue unb überrafd^enbe , jum ^üfdl ' 
anä) fd^öneSffecte il^nen abgetoonnen ju l^aben. Slöcin nid^t nad^« 
brfldtß(^ genug fann man gegen ba« je^t l^errfd^enbe 9Ki|Derftänb* 
nig }>roteftiren, ipetd^e« einer abetracten ßunft ber Snftrumcntatton 
ein fetbftänbige« SSerbienft an fid^ juerlennen tt)iö. 3n ber SRate* 
rei ipirb ein bloßer Sotorift mit SRed^t nid^t fel^r l^od^ geftettt , unb 
bod^ lann man Icine^toeg« ßotorit unb 3nftrumentaßon fd^ted^tl^in 
mit einanber »ergleid^en, ba jene« gorm unb B^^^^ng notl^toenbig 
i)orau«fe^t. Sinen 3Rater, ber»b(o« eine fd^Sne ober gar nur 


$. «ctno§ In 8ei^35ig. 105 

fr<H)^)antc 3«fö«iwenftc0wng öongarkn auf btcSctntoanbBringen 
unb baju in einem ^togramm audemanberfefeen tooöte , ö>a^ er 
ftd^ babei gebadet l^aBe, toütbe aöe SBcft ou^Iad^en. SBenn aber 
ein Somiponift eine 9tei]^e öon Ätangeffecten comWnirt , biefen nid^t 
bie ®efe^e ber mufilalifd^en Drganifation , fonbern au^ermufila* 
fifd^e ®ebanlen ju ®ntnbe tegt , fo glanbt man fagen ju bflrfen, 
baB er ein geiftreid^er SonH)onift ift , ber |)r5d^tig inftrumentirt. 
35aB bie Snftrumentation nur ben ^tDed l^aben lönne, mufilafifd^en 
3been ben angemeffenen Slu^brud ju geben , ba§ bal^er t>or aöem 
mufilaßfd^e 3been tjorl^anben fein muffen , el^e man Don Snftru*' 
mentation reben lann, ba« ift fo einfad^, ba§ man eö öießcid^t nur 
beöl^alb nid^t me^r bead^tet. Sben fo einleud^tenb ift e« aud^ , ba§ 
einjetne aneinanber gel^ängte Effecte nie ein organifd^e^Äunfttoerl 
büben/unb ba^ man, jemel^r e« an ben ©ebingungen für ein fol* 
d^c^ fel^It, umfomcl^r ba^ ®njelne auf Soften be^ (Sanjen ju über* 
treiben geneigt ö>irb, »a« bann bei ber Snftrumentation jute^t auf 
bie rein med^anifd^c SlangiDirlung l^inaurtöuft. 35a^ ift aud^ bei 
SJerßoj in ber Xl^at ber r5aö, ja e« ift f ogar ba^ -nod^ tiefer ftel^enbe 
©eftreben beftimmte Slangeffecte nad^jual^men , U)a^ aöju l^äufig 
bei ii^m l^crbortritt. %x fold^en 3ö8^n ift bcfonber« ba« ©d^crjo 
ber ?jee WtcÜb reid^ ; bie lomifd^fte SBir!ung aber mad^t e« , ti?enn 
mit einem au§erorbentRd^en?(ufnjanb unb ber feinften ©erec^nung 
ber amttel ba« Äod^en eine^ J^eeleffefe bargefteßt toirb. e« ift 
toal^r, man l^iJrt e«> »ie ba^ SBaffer anfängt fid^ ju regen, Olafen 
toirft, faufet, jifd^t unb jufe^t ju fingen anfangt — aber fo Jjiel 
8ärm , nid^t einmal um eine Omelette ? Unb ift e^ benn beff er, 
wenn (äd^atmei, !DubeIfadt, ^iffero mit tauf d^enberSBal^rl^it nad^* 
gebitbet »erben, bamit ujer nid^t in stallen gctoefen ift, bod^ loei^ 
wie bie ^ifferari btafen, i)on benen er fo t)iel gelefen l^at, tocnn ed 
nur bei ber äußeren 35ecoration bleibt? Äein irgenb gebitbeterSÄ* 
fd^auer täf t fid^ bei einem S5ifbe burd^ ba« too^tau^gefül^rte Softum 
über ben STOanget an jjoetifd^er äuffajfung unb mderifd^er Som* 
^)ofition tättfd^en ; ti>enn ba^ muftlafifd^e ^ubficum toeniger ftrenge 


t06 $. «eriioi i» Sciftta. 

9nf)>tflci^e )tt maöfm fti^int, f o fiegt bad fi^rßd^ ni^t im 'Sefen 
bcr Ättnft. 

SBir l^aben Sdttüoi l^iet in Set)>)ig in jmei Spncetten gel^irt. 
!Die ÜDirection ber ®ett>anb]^udconcette l^otte bem SSiTtuofen bed 
Dtrd^efterd ben jmeiten 2]^eil bed Soncertö am 1 . S>ecsmfeer fax 
feine @omf)c{ttionen }u fteiet SSetfügung gefteQt. (S^ )i>at eint feine 
Sttfmerifamleit gegen ^erlio} unb ba^ ^uBKcum , bat f^^^ ^^^ 
etften S^^it ^eet^ot)en^ ad^te <St;m)>l^onie in F imSSß mar, 
einmal tpeit fie bie tütsefte ift , unb bann n^eil fie ald bie <S^m« 
"^^l^onie, in meld^ Jl^eetl^Dend {)ttmoY am freieften.unb nnbe« 
fd^tanltefien fid^ avi^\pxi<fft, geeignet mar, ba^ SD^oment )u ^xah 
teriftren, metd^ed ^erlioj ald ben Xu^gangd^nnlt feiner mufilaß« 
fd^en'Siid^tung anjufel^en Hebt, unb fo bem ^ubticum einen Slnl^alt 
{u bieten, um fid^ }u orientiren, mie meit ed im Sßeitergel^n m^i 
einen gortfd^ritt anerlennen m9ge. 

^erßoi bot un^ barauf in biefem Soncert : 

!X)ie i^Iud^t nad^ 9[eg^))ten, bibßfd^e Segenbe für Xenor» 
fo(o, (SSpx unb Drd^efter. 

^arotb in Italien, ®))m))]^onie mit obligater ^ratfd^e: 

1 . {)aro(b im (Gebirge , ©cenen be« S^rubfinnd unb ber 
greubc ; 

2. mox\äf ber $i(ger , bad ^(benbgebet ftngenb \ 

3. @erenabe eined Sergbemol^ner« in ben 9(bru2ien. 
®er iungeS3retagner@d^äfer, 5Romanje für !£enor. 
!iDieSee3ßab, ©d^erjo aM ber ©^m))]^ome {Romeo unb 

3uße. 
@cenenau^0auft, 9{edtattt), 9lrie be« a}{et)]^iftli))]^eled, 

S^or unb %ani ber ®\fiflfitn. 

Ouoerture )um rimifd^en (£arne)}at. 

* Sünoal^r, bie gemöi^nßd^en $oncert)>rogrammQ nad^ ber 

©d^ablone (pflegen burd^ Ueberl^ufung mit bi«))araten aßufil« 

ftudCen unferer aft^tifd^en ^Ubung {ein günftige^ B^^gnif au^}»^ 

fteden, aber mie unfd^ulbig finb fte gegen biefed Sltterlei ! (E^ ift un« 


©. ©ettioj in SciMtg. 107 

itgctifixä) , tt)te ein Wlam bon (Sefd^mad Hefe Derf^tebenartigen. 
Som<>ofitioncn, jum Sil^ejt nur SStud^ftüde, abfid^tßd^ in ßonitaft 
ju einanber gefegt, bem ^uWicum Dortcgcn ntoii^tc, »ic ein 5EaBu* 
(etlr&mer feine (unten groben an^l^it , um bod^ Don iebem ein 
©tüdd^en ju jeigeu ; unbegretfTtd^, n>ie et bem "ißuMicum pmut^en 
lonnte , t)on bief et ftatigetoütjten S33aate fo i>iel auf einmal unb 
butd^einanbet ju fid^ )tt nel^men , unb ettt>atten , ba§ e^ füt ben 
i^enu^ em)>fSngIid^ unb juitt Utt^etl faltig bleiben löune. 

!£)ie ^lud^t nad^ ^egt^^ten u>at aQetbingd ipol^t getofil^It; nm 
* ba^ publicum ju übettafd^en , ba« in jebet SSejiel^ung bad (Sjctta«» 
Dagantefte etu>attete unb bad Siaetgetoöl^nßd^fte ju l^öten belom. 
^Diefe (SnttSufd^ung tpittte günftig auf bie @timtnung ; toa^ man 
bei eine^ S(nfänger l^öd^ften^ mit ®ebutb aufgenommen unb oiet« 
leidet langtoeifig gefunben l^Stte , tnt\pxaä) bct SSotftcBung , bie 
man fic^ t>on ©etßoj' SKufil gemad^t l^atte , f o gat nid^t , bat c« 
baburd^ ben 9leii Don ettoa^ tlufetotbentCtd^em belam , ben e^ an 
fid^ nid^t l^atte. @d mad^t leinen Sfttm unb ift einfad^ , abet biefe 
(Sinfad^l^eit ift leine natfltßd^c , fonbctn eine teflectitte ; toote fic 
aue einet innetfid^ einfad^en ©timmung l^etDotgegangen, l^ätte bet 
l^atte Uebetgang , bet am @nbe iebed 93etfe^ gan} unmotiDirt fid^ 
l^ineinbt^ngt , tt>o]^I eben fo loenig $ta^ gefunben ate ba^ lolette 
©fielen mit ben @d^abneien , ba^ butd^ feine ^(bfid^ttid^Ieit bie 
Stimmung ftött, ol^nc eine d^ataftetiftifd^e gfttbung l^tDotjubtin* 
gen. S3on bet Oubettute ift fd^on gef))tod^en , bet &fox beftel^t 
au^ einem Sieb oon btei S5ctfen , bie nut in bet Begleitung oet* 
fd^ieben gel^alten finb. ÜDief e SJel^anblung ift l^iet ganj angemeffen, 
allein bemetlendmetl^ ift e^ , ba§ Betßo} in feinen ©efang^com« 
<>ofittonen, fmocit fie eine gefd^Ioffene %oxm l^aben , übet bie ein* 
fad^fte unb Heinfte be« Siebe« nici^t l^inau^Iommt ; menn. et biefe 
Detl&^t, etfd^einen nut 9{]^at>fobien lofe aneinanbet geteü^tet iSin« 

• 

jelnl^eiten, bie fo menig eine lünftletifd^e gotm in bct 3Kufil bat* 
fteßen lönnen , ate etioa bie ©ttedtDetfe in bet $oefle. @o Det* 
^&U e« fid^ gteid^ mit bem 2^enotfo(o bet f^tud^t ; bet %t;A ift ^ifd^ 


108 ©. 33crao8 in Sei^jtg. 

bcfd^teiBenb unb btc SRufil gcl^t mit tl^m fort, Beibe ftöten ctnanbct 
ntd^t unb bcn ^lüfixtx aud^ ntd^t, ö>aö biefet ©erßoj gegenüber 
ate ©efrtcbigung anfielet. Unb bod^ l^Sttc ein ungefd^id ter SÖ^eater« 
covip am ®äfhx^ Bemalte btc "^dlm^mt be« ^itMtcumö Dcrö>trlt» 
"Slaä) bem ©d^Iu^ ber ® efd^reiBung : ;,bee ^ttnmete Sngletn f nie* 
tcn runb «ml^er , anbetenb tei« ben SefuInaBen "*', fättt ber Sl^or 
mit ^attetuial^ ein. ^crttoj Begel^t bie unbegreifüid^e ^tottitube, 
biefe wenigen älccorbe auferl^att bed ©date^ fingen ju laffcn. SBa« 
im S:^eater am ^ta^ fein lann , ift c^ bod^ im ©oncertfaate nid^t, 
«nb l^ier toax e« nid^t einmal burd^ ben Ztjd irgenb inbicirt. 35a* • 
gegen »irb bie Sntuntition ber ©ingftimmen baburd^ nnfid^er unb 
ber Älang berfetten nid^t bto^, »ie Bei 3nftrumcnten , benen man 
Däm^jfer auffegt, tjeränbert, fonbern öerfd^Ied^tert ; unb aöe biefe 
toef entßd^en Jöebenlen finb bem ßffect einer Rnbifd^cn Ueberrafd^ung 
geo^)fert, 

5Diefem SKufüftüdf fte^t am nad^ften bie « om a n j c. ©ie ift 
einfad^, meift tool^IKingenb , aBer l^erjiid^ unBebeutenb , unb man* 
d^e^, ti?ie bie §)ornBegfeitttng, Jogar txxt^xai. SBie fatal bie Srinne* 
rung an ^rod^'fd^e gabaifen auf un^ toirlt , lann ©erßoj freißd^ 
nid^t toiff en , aBer e« BleiBt immer fd^ßmm , ba^ man baran erin* 
nert »irb. UeBrigcn« toirb fid^Serßoj fd^werßd^ fei^r gefd^meid^ett 
füllten, ba^ grabe biefe ©ad^en ben meiften unb ungetl^eiöen Sei* 
faß fanben; .»enigften^ d^aralterifirte er frül^er 3Kenbetefo]^n« 
©tcÖung ju il^m ironifd^ burd^ bie SBorte : Mendelssohn a tou- 
jours eu une grande estime pour mes — chansonettes. 2)a^ 

^l^uBßcum fd^eint i^ter nod^ immer SJßenbetefoi^n« SWeinung ju 
fein, id^ lann fie nic^t ganj tl^eiten — in Sejiel^ung auf bie chan- 
sonettes. 

Die brei®äfee ber §<*totb*@^m^) Ironie — ba^ {Räu* 
Ber*®acd^anale be^ testen @afee« »arb un^ gefd^enlt — »aren 
ganj geeignet , bie 35orftettungen öom jal^men SJerßoj ju recßfici* 
ren. !Die ©^nq^i^onie ift in ber Slntage nid^t fo monftro« »ie 
JRomeo unb 3uße, fie i^ätt fid^ innerl^atB ber ®ranjen ber gewol^n* 


$. ^erlto) in Sei^^ig. 109 

tcn gorm , bte fie nur tnfofcrn erweitert, oll fie oMigatc ©ratfdi^c 
unb §arfe mit antocnbct. Ob bte; SSratfd^e etn)a ba« btamatifd^e 
Stement re:(3räfcnttrcn unb bic 3nbit)tbuaßtat §arotbd ber Siatut 
Italien« unb feinet Sömoffmx gegenüber jur ®eltung bringen 
folle , tt)age td^ nid^t gu bcfttmmen, gen^i^ tft aber, ba^ ba^ ®oIo* 
inftrument in einer SBeife t)irtuofen]^aft :^ert)ortritt tt)etd^e jeitU)eife 
ganj unb gar in^ ßoncertntä^tge übergel^t unb jtoar in ber -aöer^ 
gett)ol^nßd^ften 9D?anier, g. ®. in enbtofen §ar:(3eggten * Stuben, 
tt)oburdb bie ®ebutb be^ §Brer^ um fo em^>finbfid^er ge^)rüft tpirb, 
ba c« ber 3lntagc unb gärbung ber ®'c)mp^onxz burd^au^ ntd^t 
entf^)rtd^t. üDenn bcn eigentßd^en ®tcm<>et erl^attcn biefc in SDZufil 
gefegten impressions de voyage burd^ bie SRemtntfcenjen ttaße* 
nifd^er SSofl^muftl, mit metd^en fie aufge^)ufet ftnb. SlQerbing^ finb 
d^araltertftifd^c 3üge berfelben fein beobad^tet unb gefd^idtt nad^* 
geal^mt , aber e^ finb aud^ l^ier nur ©njclnl^etten tt)tebergegeben, 
unb jtoar mciftcn^ fold^c, bte in trgenb einer SBetfe ate barodf auf« 
fattcn. ©ne freie fünftterifd^e 35arfteüung be« itafienifd^en 9SoI!e6 
in feinem muftfafifd^cn Seben müßte ßefer gelten ate auf äußerfid^c 
©genl^eiten , unb* bod^ u>ürbe aud^ ba« immer n^efentßd^ nur 9te« 
|)robucßon bleiben, eine 3lrt Don ©enrebarfteßung , bte in ber 
Sffhtfil ungtetd^ untcrgeorbneter tft ate in ber SKaterei. ©neu 
ä^nßd^en 2(nf|)rud^ mad^t bie Ouvertüre jum rSmifd^en 
ßarneöat. 2Ba« ben rBmifd^en Sameöal fo untoiberftepd^ rei» 
jenb mad^t , tft bie unmittelbare grtf d^e , bie unt)erfiegbare Äraft 
ber unt)erfätfd^ten SKenfd^ennatur , bte fid^ in au^getaff euer §et* 
terleit unb guftigleit frei gcl^n läßt, ol^ne je tl^reö Slbete, i^rcr 
SBfirbe unb tl^rer ©rajie ju Jjergeffen. 3Ba« am römtfd^cn 6at* 
net)at unau^fte^fid^ ift, bad finb bie grcmben, todd^e meinen, 
fie müßten aud^ t)arforce au^gelaffen ,fein unb tuftigc (^infäüe 
l^aben unb toifeig »erben , unb burd^ bte abgefd^madfteften Ueber» 
tretbungen bte allgemeine grcubc ftSren , baß bte JRämer bcn Stop^ 
fd^üttetn über bie forestieri, bie immer ©arbarcn bleiben unb gor 
nid^t ju ertragen toären, toenn fie nid^t ®elb l^ätten. Da^ trat 


HO $. «crftog in $eti)ji8. 

nnr3»>teb«t xt^t IcB^aft uot fcte ©eele , aU iäf btc Out)erture öon 
»critoj prtc. 

Daö iajiUtxäf öerfammcttc ^uMtcum cinc^ ©ctoanbl^au«^ 
concertc^ berl^icö ftd^ bcr ungetool^nten Srfd^etnung gegenüber mit 
einer tnxä) eine anftänbige ^urüd^attnng gebänn>ften Sleugierbe, 
bie fid^ aud^ ju einer lebl^aften S^eitnal^me nid^t fteigerte. !J)er 
©eifaö ging bon einer Keinen entfd^toffenen ^l^atanj neben bcr 
Il^ür au« , bie fid^ aud^ bon einer tl^eitoeife bernel^mbar »erben* 
ben Dt)^)ofition nid^t beirren ßeg , einjetnc ©raborufe berl^aßten 
im aSurfaal. 

üDa« }meite doncext brad^te bie brei erften ©ä^ ber ®^« 
j>]^onic JRomco unb Snlic, bann ^auf bielfad^e« SSerlangen'' 
Die gtud^t nad^ 9(eg^f)ten, unb enblid^ bie älbtl^eilungen. be« 
gauft, öjctd^c bereit« befj)rod^cn »orben finb. ©a| man bie ben 
}fodttn 2]^cil einleitenbe SnftrumentaCfuge jum größten ^üfdl ge*' 
ftriii^en ^ttt, roax eine unern)artete ^f>f)Wfat , baf man bie einen 
beutfd^n @inn beletbigenbe Ueberfe^ung' gebrudtt bem publicum 
))erl(mfte , bafär lann man ^etßoj ntd^t i^erattüportßd^ onad^n, 
ba er lein ÜDeutfd^ berftel^t , ba« publicum laufte fie unb \as fie 
gebulbig. "^fiUfmö^ mar e« aid^t berfammett, aber* oM begreifltd^en 
@ränben n)aren cd bornel^ßd^ flünfttg geftimmte, U)e{d^e fid^ ein^ 
gefunben litten , bie fid^ mit (SrfoCg bemül^eten , burd^ intenfibe 
®t&r!e be« ^eifatte ju erfe^en^ ma« ü^ «^tenfib abging. 

Uebtigeu« tt)irb ©crßoj mit 8ei^>jig jufriebencr getoefen fein 
dÄ bor jel^n 3al^rcn ; bie ^arfe mufte jwar aniii bie^mal au« 
5Dre«ben berfd^ricben ij>erben , aber mit bem günftigften Srf olg, 
ein engßfd^e« f)om xoax aud^ borl^nben unb bie D^)l^teibe tt)irb 
feinem^ 3bcal tpcnigften« etrna« mel^r entf)>rod^n l^aben. aiud^ 
»irb er i«^t fd^toerfi^ tn SSertegenl^eit fein, auf bie gragen ^eöer«, 
»eW^e er bamafe nid^t beantworten mod^te, offene 9lnttoort ju ge* 
ben. • ®ie börfte für t^ bieöeid^t befriebigenber afö für un« fein, 
Wnttgtcid^ ba« mufilaßfd^e ®tauben«be!enntniB in Sci^jtg nod^ 


5. 8erUoj in Sci^jig. Hl 

ntd^t tautet : g^ glcbt leinen anberu ®ott ate SSerßoj , unb 8if jt 
lftfetn^ro^)^et!* 


1) 3n feinem Snd^e Voya^ musical en'Allemagne et en Italie 
($art9.1S44) fd^Uegt ^erUo) ben an ^tUtt gert(i^teten Sendet über Set^^ig 
(I p. 89 f.) mit me^^reren t^umcrifitfd^en ^agen, bie er }u beantworten ^abe, 
unb unter biefen ifi folgenbe : S'il est vrai, que Tacte de foi de tout ce qui 
pr^tend aimer Tart ^lev^ et s^rieux soit oelui-ci : »II n'y a pas d'autre 
Dieu que Bach, et Mendelssohn est son proph^te«? 


• 


J 


ßo^engtin, 


1, 

Die Drganc bcr Bulunft^mufilct crfinbcn für bie glücfßd&en 
8ci|)iigcr icfet eine muftlafifc^e 5lera naä) bct anbern. Saum ift c« 
ein boSfX, feit bie Slupl^rung lannl^äuferö eine neue 3lera 
für bie £)pn begxünbete, feitbem bxaä} mit §. ©etlioj eine 
neue 3lera für bie ©enjanbl^au^concerte, mit 3 ol^. oralem ^ eine 
neue* 3lera für bie Quartettunterl^attungen an, unb fd^on »ieber 
finb U)ir mit bem 8 1^ e n g r i n in eine neue 3lera eingetreten. $of ^ 
fen ti?ir , ba^ bie muftlaßfd^e B^itted^nung burd^ aüe biefe 5leren 
nid^t aßjufel^r in SSerwirrung gerat^e. 

3n ber XSfat Jjerbient e^ aße änerlennung, ba^ bie JC^eater«* 
birection ben 3luf»anb an 3Äittetn, aße ©etl^eißgten bie D^)fer an 
3eit unb 2Ru]^e nid^t gefd^eut l^aben , um ben Sol^engrin auf bie 
©ül^ne ju bringen, ©aß einem jeben ernftttd^ gemeinten lünftle* 
rifd^en Streben bie 3Rögfid^feit gegeben »erbe, öffentßd^ p tx^xo^ 
ben , tt)ie ujeit e^ Seben^Iraft unb gäl^igleit ju »irlen befifee , ba« 
muffen aud^ bie wünfd^en , »etd^e etwa miHbiefem Streben nidj^t 
eiuDerftanben finb. Unb jnjar fd^on be^l^atb, »eit and) bie Äritil 
fid^ mit grfotg nur an ein publicum n^enben !ann , »etd^e^ mit 
bem Äunftiperl fetbft vertraut ift. SBenn aber, au^ »a« immer für 
Urfad^en , fid^ um ein Äunft^erl ein Slimbu« gebitbet l^at , ate fei 
baffelbe eine ganj außerorbentüd^e, unerl^örte ßrfd^einung, bie au^ 

1) ©rcnjbotcn 1854 I e. 81 ff. 


SSagttcrg Sol^cngrin. 113 

Unijerftanb unb aÄt^gunft bem "^JuMtcum "ooxtntffaltm iDCtbe , fo 
ba§ bicfc^ iu bcm Sicij bcr ^Wcul^ctt nod^ ben bed 3SerBotcncn em* 
|)finbct unb tn eine f^nq>at]^ttf(^c Stufregung für btc t)erlannte 
®rB§e gerätl^, bann tft e« öottenb^ toünfd^cnöipert^, ba^ btc iDttf* ' 
fid^e ^robuctton baö 3nteteffe be^ ^ubUcum« auf ba« tütrlßd^e, 
b. ]^. in ber Seiftung be^ Äünftlet^ begrünbete ajerl^äftnig surüd* 
füi^re. aJHt biefer 9lnerlennung Derbinbct fid^ ber SBunfd^ , bafe 
mit gleid^em gifer aud^ bie SBerfe ernft ftrebenber Sunftiünger auf 
bieSJül^ne gebrad^t tperben mögen, toeld^e nid^t bie*>ßrotectton einer 
einflu^rcid^en Süque unb tooi^torganifirten SIaque, nid^t ben §ci* 
tigenfd^ein be« SKört^rertl^um^ , nid^t bie "ißrätenfion einer au««» 
fc^tDeifenbcn 3Serfd^tt>enbung äußerer aWittel — iDetd^c bei bcm* 
icnigcn Zfftxl bc« publicum« , ba« aud^ in tunftf ad^cn ben SBcrtl^ 
nad^ bcm greife mi^t, ba« rcf^>ccti)ottc ^räjubij erregt, bä«, tt)oran 
man fo t)iel »enbc, muffe bod^ aud^ ettoa^ iDcrtl^ fein — in bie 
SBagfd^ate ju legen ifaUn. 

^ättc man ed mit einer O^Jcr ju tl^un , iDcId^e fid^ mit ben 
genjöl^nüd^cn 3lnf^)rüd^cn ber ©attung genügen Iä§t, fo IBnnteman 
fid^ bcr unbanfbaren äWül^e überleben , ba« D^jcrnbud^ im einjet* 
neu ju anal^fircn ; allein ba baffetbc bie "ißrätenfion mad^t , atö . 
eine felbftanbigc bramatifd^e 35id^tung ju gelten , unb man bie 
©ebeutung ber SKüfil grabe in ber ©gcntl^ümfid^fcit be« Zt)ctt9 
gefud^t l^at, fo toirb cd nBti^ig , biefcn einer genauen ®ctrad^tung 
ju unterwerfen. 

SBagner l^at in bcm tobcn^toertl^cn ©cftreben , feinen 0^)cm 
einen nationalen Sl^aralter ju geben, tt)ie im S^annl^äufcr fo 
aud^ im Sollen gr in ben ©toff ber beutfd^cn ®age entnommen, 
@ic ift in meieren altbeutfd^en ©cbid^ten bcl^anbctt toorben, unb 
SBagner i^at e« Dcrfud^t , am benfelben bie öcrfd^iebcncn aRotttJC 
ju einem ®anjen jufammcnxufefeen. 

35er SJern biefer in gtanbern l^cimifd^en ®agc ift, ba§ ein ' 
9?itter, in einem 5Wad^en, ber t)on einem ©d^toan gejogen toirb, 
an« ßanb gebrad^t , bie Siebe ber Jungfraulid^en Srbin ber Srone 
getoinnt unb fid^ i:^r i>ermä^It. (Sr nimmt ii^r aber ba« 3Serf^>red^en 

5 a ^ n , «uffäfep über SWuftf . 8 


114 ^gncrs Sol^engrm. 

(A , nie m^ feinem 5Ramcn nnb feinet $)cifunft ju fragen , benn 
bann muffe er fie fi^gteiii^ Derlaffeit. ©a fte nnn, nad^bon fie eine 
Zeitlang glütf U(i^ aufammen gelebt, bod^ einftmafe i^rem SSerf)>re(i^en 
nngetren toirb, fo mlä^t er fie unb il^re Sinber »irltid^ anf 
bemfelBen i>om ©d^tpane gezogenen ißad^en, in n>eld^m er ge!om« 
men tt)ar. 

S« ift atfo ba« atte S^l^cma i)on bcr nnbeiäl^mbaren 9ieugierbe 
ber grauen > bie burd^ ein SSerBot nnt nod^ mei^r gereijt bie fd^ön«^ 
ften nnb' ebetften SJeri^ttniffe, toetd^e auf SSertranen unb (Slauben 
bernl^en, gu jerftören im (&tanbe ift, baf in unjal^Ugcn ©ogeu 
aöer ^zitjtxi bei^anbctt aud^ l^ier ju ®runbe liegt, aber in einer 
SBenbung, »eWe für unfere ©efül^te* unb 9(ufd^uu»g^u>eife etma^ 
fel^r ©efrembUd^c« , ja SScrtefeenbeö l^t. 3>enn offenbar berul^ 
ba^ SBefen ber Siebe auf bcm l^ingebenben, jmcifeÖDfen SSertrauen, 
aber bem gegenf citigen, J>or aöcm in bem, ti>a^ baöSSerl^tt* 
ni^ ber giebenben angelet. Sin beabfid^tigte« SSerl^eimßd^en , ein 
aSerbot , baö öerl^eimtid^te ju erfragen t>m bcr einen @eite ift, 
ö>enn e« eine Prüfung fein foü , eine fteblofc Uebcrl^ebung, obet 
n)enn in berZ^at ettt)ad gu ^rfd^meigen ift, ein mtrftid^eräßangcf 
an SSertraaen ; e« ö)äre benn ba| eine jtoingenbe 9ttot^tt>enbigfeit 
bie 93er]^eim(id^ung geböte. ÜDiefe aber vm% aU Am unabioeidttd^ 
anfd^außd^ gcmad^t unb t)or unferem ©efül^t gered^tfertigt »erbe«, 
tt>enn toir ba« SJerbot gol^ngrin^ ate ein ^joetifd^ bered^tigte« an* 
erlennen foüen. 3ft aber biefeö gefd^el^en , fo ertoäd^« bie »weitere 
gorberung, t)f^d^oIogifd^ p red^tfertigcn, ba§ (Stfa trofc il^rer Siebe 
bod^ ii^r 93erf:|>re<^en brid^t unb nad^ i]^re^^mal^tef)ertunftfra^. 

3n ber @age iourbe beiben Dotierungen auf einfod^ Söeife 
entft)rod^en. 5Daö SSerbot Sol^engrin« motibirte fie burd^ ein 
SDa^fterium, ba4i bamaüger 3^^* <>ö^ gegenn>ärtig »ar, burd^ bie 
®age bom ® r a L 35ie^ loar bie au« einem loftboren Sbelpeine 
)>erfertigte @d^ale, wx^ toeld^er (^riftud ba« älbenbmol^t gef:|)enbet 
^tte, in n>eld^er f<>ätcr fein ©tut aufgefangen tt>orben »ar, unb bie 
)>on einem @nge( l^erobgebrad^t in einem Stempel im fernen Often 
aufbe»>a]^rt teurbe, ^ter ti>ar eine ©d^aar erlefener JRitter ycm 


S^aper« So^ettgrin. 115 

X)tenfte be^ ®xaU t>tt\ammAt, bte auf f einen Sefel^ nnb unier fei« 
nentSd^u^ atöSBefen l^öl^erer ^rt l^ülfteid^ ber Unf d^ufo Beiftanben 
unb l^nßd^ ^aten Derrüi^teten. ^ie :83ebinguns il^te^ SSittend 
\x>ax , unerlonnt ju WAta : bad SBunber lonn nur gef^el^en , noo 
il^m ber unBebingte ))oäe G^Iou&e entgegenlommt. Sol^engriit nun 
ift ein 9Ktter be«®ral« unb toirb i)on t^m au^gefenbct; er mu^ 
a(^ foCd^er unerlannt bleiben unb bol^r aud^ ber beliebten ba^ 
SJerfcot auferieg^n, nad^ feiner §£rfunft ju forfd^en, 3n einer 3^it 
n)o ba^ SOl^fterium geglaubt unb alfo t>om iDtd^ter atd ein facti«' 
fd^ed angeu>enbet u>erben lonnte, tt>ar biefe Sßoti^irung botSontmen 
befriebigenb. ü)a| bie ©etiebte benni)^ fragt, u>ar bann k>iel (eid^^ 
ter ju motii>iren, unb bie ®age fä|t fie ganj angenieffen burd^ ge* 
franiten ßl^rgeij unb ®toIg verleitet »erben. 

@^ (endetet ein , ba§ ed ^mit für einen "SMfizt eine ungteid^ 
fd^toercre Siufgabe ift, Sol^engrin« 35erbDt ju motiDiren; benn ba« 
SR^^um Dom@ra( u>irb nid^t me^r geglaubt, e# ift nid^t einntat 
belannt , unb e« ftel^ unfcren SSorfteöungen , fetfcft bem äW^ftici«* 
mud unferer ^Ai, fo fremb gegenüber, ba^ ed a(6 ^oetifd^e« Wi^^ 
ti^ nid^t yx gebraud^en ift, ober l^d^ften^ ald ein äu^erßd^e^, be«» 
coratite^, bem ber!t)id^ter ba^ eigeitttid^ 993irlfame, gett)iff ermaßen 
bie ®?etc, erft tjcrleii^en niu|. ^r bie bramatifd^ SRetiDirung 
reid^t bad l^iftorifd^ gactifd^e fo n)enig au# aW ba« ©ognta. 35a« 
äBefen bed Drama ))er(angt^anblung, bie au« betou^ten fittßd^en 
a)2ott))£n ]^ert)orge]^t, unb tote großen ©Kielraum unr bem 35id^tcr 
in $infid^t *er ©egebenl^eiten aud^ gugeftel^ , bie <>f ^d^otogif d^e 
SSegrünbung lann nur au« ben fittftd^en ®efe^en l^erborgei^, 
x&tiäft unf er ^etDU^tfein ate bie notl^enbigen, unberäu^erßd^en 
crlennt. SBic lebenbig aud^ ber ©id^ter un« vergangene Beiden 
fd^übert , bag »ir un« ganj in fie öerfefet glauben , toir leben unb 
faxten nur mit i^nen, fo lange tt>ir i^reSm<>finbungen unb §anb« 
(ungen al« l^i^orgegangen au« ben ©vunbbebingungen unferer 
eigenen Derftel^n Wunen : ein 3^i^fr ^^ w^* "^W^ M^ augenbtidf * 
lid^ bie bramatifd^ 3öufion auf. (Sin Sonftict, fei er in feinen 
golgen nod^ fo traurig unb ergreifenb, lanu nie tragifd^ fein, toenn 

8* • 


116 ^agnecd Solt^eitgrin. 

feine SSorau^fefeuugcu für um unöerftäubUd^ obct gar abfurb finb ; 
mib toenn burd^ eine läufd^ung unfer 3ntereffc bafür erregt fei« 
foßte, fo ^xt e^ augenbMtid^ auf , foipietoir ber ®rünbe iune 
»erben. SBenn bai^er ein SSere^rer äBagner« meint, eö »äre ^id^t 
gu Dertpunbern , mmx beim Snbe ber S)ptx ein 5li^eil ber S^fföxtx 
(une fraction du pubKc) feft übergeuflt Don ber Sfiftenj be^ 
©rate , feiner ^Ritter unb feiner l^immßfd^en greuben mären , f o 
lä^t fid^ freiCid^ in unferer Beit bc^ Jifc^rütfen« unb ©eifterftoJp^ 
fen^ ba^ credo quia absurdum est nid^t gang leugnen , aHein 
eine gange Partei Don Quijote« be« l^eitigen ©rate — nein, ba« 
!ann man fetbft SBagner^ äWufif, nid^t einmal feinen äJcrel^rern 
gutrauen. 

äBagner, ber ben ßl^arafter unb bie Situation be$ Sol^engrin 
^ate ben X\)\^vl^ beö eigentßdj> eingigen tragifd^en ©toffe^, über* 
^au^>t ber 5lragil be« ßeben^etemente« ber mobernen ©egentoart" 
betrad^tet, l^at aud^ offenbar bie ^Wot^menbigteit cingefel^n, biefen 
®toff in einer bem mobernen ©etoufetfein entfi)red^enben SSJeife gu 
motiijiren. gol^engrin ift il^m ba« ®^mbol be^ SKeufd^en, ber fid^ 
au^ ber 33erberbt]^eit ber mobernen SÖeft gerettet l^at auf bie ^offe 
be« 5Reinen, Seufd^en, in ein !tore^ l^eitigc^ Sletl^eretement, ber uu* 
ter ben »oßüftigen ®dj>auern unb in ber SSergüdEung feiner feßgen 
®nfam!eit eine neue unfägßd^ betoäißgenbe ©e^nfud^t au^ ber 
$ö^e nad^ ber 2^iefe, au^ bem fonnigften ©fange ber feufd^cften 
SReine nad^ bem trauten ©d^attcn ber menfdj^ßd^ften Siebe^um» 
armung em^jfinbet. Sol^engrin fud^t bad äBeib, ba^ an il^n glaubl, 
nid^t fragt mx er fei unb mol^er.er fomme, fonbern i^n unbebingt 
liebt, »ie er ift, meil er fo ift, »ie er il^r erfd^eint. gr mu^ 
beöl^alb fein erl^öl^te^ äBef en verbergen , »eil barin bie eingigc ®e« 
toä^r liegt, ba^ er nid^t um beffenmillen betounbert unb angebetet, 
fonbern geliebt unb burd^ bie 8iebe berftanben toerbe. (Sr toitt mit 
feinen l^ödj^ften ©innen, mit feinem »iffenbften ©ett)U§tfein nidf^t^ 
Slnbere« fein unb merben ate »oller, ganger, »arm emipfinbenber 
unb em:(3funbener 3Kenfd^, ate überl^au<)t 3Äenfd^, ntd^t@ott b. ^, 
abf oluter Äfinftler. ©o erfei^nt er fid^ ba^äßeib, b. ^. l?a« menfc^* 


SBagner« So^engriti. 117 

ü(]^c f)crj, unb ftetgt ff&cai au« feiner toonntgöben ©nfamfett, afö 
er bcn ^ülfentf btcfe« SBeite« , btefe« §erjen« , mitten au« ber 
5Ißcnf(i^i^eit t)erna]^m. Sber an il^m l^aftet unaBftreifbar ber ber* 
rätl^erifti^e f)eitigenfd^ein ber er^l^ten 9?atur ; er fann nid^t anber« 
aU tPttnberBar erfd^einen ; ba« ©taunen ber ©emelnl^eit, ba« ^zu 
fern be« ^Jieibe« »irft feine ©d^atten bi« in ba« ^erj be« fiebenben 
äBcibc« , 3^^M wnb ©f erfud^t bezeugen il^m , ba§ er nid^t öer^ 
ftanben, fonbern nur angebetet tDitrbe, unb entreißen il^nt ba« @e* 
ftänbniB feiner ©öttßd^Ieit, mit bem er bernid^tet in feine ©nfam* 
leit jurüdflel^rt. 

3e meitcr biefe Sluffaffung ber ®age öon bem @inn ab* 
tt)eid^t, ber Ätö ber urf^jrüngtid^e gebadet »erben lann, um fo 
fidlerer bejcugt fie bie öon äSagner em^)funbene 9lot]^tt)enbigIcit, 
bem 8eib ber atten ®age einen neuen ®eift ju berfeii^en. Subcffcn 
geftcl^e id^, ba^ mir in biefer 5lu«einanbcrfe^ung — bic ettoa« ab* 
gelür^t, übrigen« mit SBagner« eigenen Söorten gegeben ift — nid^t 
äöe« Har ift. ®o mu^ id^ befennen, nid^t mit ©id^erl^eit ju Der* 
ftel^en, ob ®ott ber abfotute Äünftter ift ober' ber SRenfd^, unb ob 
gol^engrin abfoluter Äünftter toerben toitt ober nid^t ; gegen beibe« 
pttc id^ meine S3ebenlen. 5lber bööig unbegreiffid^ ift c«, xoie 
Sol^ngrin — id^ beimäße ben f^mboCifd^en 9?amen bei — bei fei* 
ner ©el^nfud^t, in feinem eigenen SBefen geliebt unb t)erftanben ju 
fein, bamit beginnt, bem SBeibe, ba« il^n lieben unb i>erftc^en foü, 
bie beffere §ätfte feine« SBefen« ju üerl^eimtid^cu unb ii^r ju öer* 
bieten, banad^ ju fragen. (Sr beHagt fid^, baf er nur angebetet fei, 
nid^t geliebt ; unb bod^ betet ber 5Kenfd^ nur ba« Unbegreiflid^e, 
Unfaßbare an , unb gol^engrin bertoeigert ber ©eliebtcn , bic il^n 
JU begreifen ftrebt , ju fagen , tooburd^ fie i:^n begreifen , »erftel^en 
unb alfo 'aud^ lieben !8nne. Wlan mu§ bod^ annel^men , ba§ bie 
erl^öl^te 9iatur Soi^engrin« nid^t« Bwfäöig«« ift , ba« er an * unb 
ablegen f 8nnc , ettoa toie man einen gradf anjiel^t , toenn man in 
öome^me ©efcUfd^aft ge^t , fonbern i:^m unt)eräuf erltd^ eigett ift. 
SBie lann man i^n benn i)crfte]^en unb lieben, al« eben inbem man 
biefe erl^öl^te 5Ratur in il^er ganjen rjülle öerftcl^t unb liebt? Äann 


118 S3Bagnet8 Sol^engrin. 

er fid^ berfettcn ntd^t entäußern, unb wtO fie eben ijct bet ©efleb* 
ten mbtxstn, Dcrlongt aber ioö) Don tl^r, bat P« tl^n ganj tjerftel^t 
unb liebt, fo tft et ein !E^or ober ein Sgoift. 3)ie^ l^at aud^ SJag* 
ner erlannt , iubem er bei tieferem ©nge^en in bie !t)arftettung 
ber (S^a fte fo bered^tigt fanb in bem enbßd^en älu^brud^e il^rer 
Siferfud^t , ba^ er bad rein menf d^ßd^e ©efen ber ?iebe grabe in 
biefcnt äu^brnd^e erft ganj i)erftei^cn lernte. Stfa ift il^m nun „bae 
SBeib , ba« fid^ mit l^eöcm SÖiff en in bie ©emid^tung ftürjt um' 
be« not]^tt)eribigen Sefen6 ber Siebe »itten , bad burd^ bcn %u^^ 
brud^ il^rer Siferfud^t erft aud ber cntjüdttcn Anbetung in ba« botte 
3Befen ber Siebe gerätl^ unb bie« SBefen bem l^ier nod^ Unberftänb^ 
ni^boüen an il^rcm Untergang offenbart , öor bem Sbl^engrin ent* 
fd^toinben mu^ , »eil er e« feiner befonbern 5Watur nad^ nid^t t>er* 
ftel^en fonnte, ba6 (Symbol bc« »al^rl^aft SBeibfid^en , Dor bem ber 
mSnnßd^e ßgoi^mu«, felbft in feiner ebelften ©eftaltung, fld^ fctbft 
oernid^tenb brid^t."— SBagner iprei^t fid^ glüdfßd^, ba§ er fo 
burd^ ßol^engrin , toie burd^ einen verlornen ^f eil , ba« toal^rl^aft 
SBeibßd^e,. ba« il^m unb aßet SBeft (Srtöfung bringen foöe, b. 1^. 
ben ®eift be« 35otfe« fidler erlannt ^ait, SBir tt)ünfd^en t>on 
§er jen (SflM , jnnäd^ft aber l^aben ttir ju fragen , injoietteit l^er* 
burd^ bie bramatifd^e ©eftaltung ber ®age geförbert toorben fei. 

ftiJnig § e i n r i d^ ber ©ogler ift nac^ ©rabant gelommen, um 
ben 5)cerbattn gegen bie Ungarn ju entbieten unb flnbet ba« 8anb 
in ^\m\^a\i unb 3Sermirrung. 2Der §)erjog ift gcftorben unb l^at 
feine Sinber „(gtf a bie Sungfrau unb ® ottf rieb ben Änaben'' ber 
Obl^ut g r i e b r i d^ « t>on iCelramunb anbertraut. Sine« S^age« 
ift ©ottfrieb bcrfd^wunben unb griebrid^ befd^utbigt Clfa , il^ren 
©ruber getßbtet ju l^aben, um einem i^eimßd^en SSul^ten jum ©efi| 
be« Sanbe« ju oerl^clfen ; er felbft l^abe be^l^alb ii^rer ^anb , auf 
bie er ein JRed^t gehabt, entfagt unb Ortrub be« 55tiefenfttrften 
ÜEod^ter jur ©emal^ßn ertoSi^tt. 5Wun Äagt er 6tfa be« ©ruber* 
morb« unb gel^eimer ©ul^Ifd^aft an unb nimmt ba« 8anb ate 
näd^fter ©tut«oertt)anbter bee §)crjog« in Slnfprud^. ©ag ®fa 
einen ©ruber l^at, ben fie getSbtet l^aben foO, ift ber So^engrinfage 


^agnerd Sol^engcin. 1 19 

fxtn^ unt bad 3Rotit> baju m^ ber ®age t^om ©d^toanentitter 
entnommen. 3n biefe , beren Sctu bie ©ejaubetung be« Övubct« 
in einen ©d^man ift , tft f^ätet bie bem Soi^ngrtn nad^gebi(bete 
@^>ifobe Mo« »egeu be« ättgetß<i^en 3ufammeutreffen« , ba§ beibe 
i>on einem ©d^man g^Xogen loetben , eingetegt ti>otben , ol^ne ba§ 
fie ben inneren Buf^mmenl^ng betül^rtc. ©ogncr f^at nmgelel^tt 
an€ bem ©d^toauenrittet ba« SKotiö in ben 8ol^engrin eingefd^o« 
Ben , ebenfomenig jum SSottl^eif ber ©age. Denn ftatt be* ein== 
fad^en 3)iotiö« öon S^etramunb« ß^rgeij ift ein com^>ßcirte« ein* 
gefiil^rt, bad feiner 9latur nad^ bebenltid^ ift , inbem e« ben (Stau* 
ben an 3^uberei Dorau^fe^t unb il^re SSirtlid^^Ieit l^anbgreiflid^ }u 
mad^en nöt^igt, unb unbramatifd^, n>eit e« eiivber^au^>t]^anbtung 
frcmbe« Sntereffe l^iueinbriugt. 5Der eigentßd^e @runb , baffetbc 
einjttfül^en, ßegt aud^ nid^t in bem ©ebürfni§ be« !j)ramad, fon* 
bcrn ber 0<>er. J)iefe tyertangt einen jtoeiten ©o<>ran, eine ti>eib=» 
ii6)t ©timme, koeld^e ben ®egenfa^ }u @(fa bUbet, au« mufiloß« 
fd^en ©rünben , meiere burd^au« bered^ßgt unb trifttg finb , nur 
bat fic ^W jw abfotut bramatifd^en ©efe^en geftenqjett »erben 
bfirfen. (Sine ber (Slfa ä^nßd^e , nur fd^mäc^ere gigur, eine ©ou* 
Brette , eine l^alblomifd^e 3ofe toäre ^ier nid^t an il^rem ^Ia| : bie 
9iatur be« ©toffe« »erlangt eine grau, meldte 2:etramunb jur 
©eitc ftcl^t. Um biefe ganj in bie ^anblung ju »erfledj^ten unb ein 
Obiect für il^re B^uberlünfte ju gewinnen , ift nun (Sottfrieb l^in* 
eingebrad^t. Sir toerben auf Ortrub jurüdBommen; t>or(äufig 
teud^tet ein , ba§ burd^ il^re (Einführung ber Si^aralterifßl Züxa^ 
munb« Slbbrud^ gefd^ie^t. 3n ber ^at ift er ooßftänbig t)erfe]^a, 
er ift nid^t nur fd^ioad^ unb furjfid^ßg, er ift in fid^ unmal^r. ©er 
Ä8nig unb fein 8anb lennen i^n ate ,,aöer S^ugenb ^ei«", er 
fetber rül^mt fid^ , ^ba§ er ju lügen nie vermeint", er betet ; „S(Sf 
ge^' in ireu' öor SDein ©crid^t ; ^crr ®ott »erlag mein' (g^re 
nid^t!'' er glaubt feft an bie SBal^r^eit be« ®otte«gerid^tcd unb 
gel^t be^l^alb »oQ ^n'otx^iäft l^inein , er ift nad^l^er f o untri^ftlid^ 
über ben SSerluft feiner ®^re, bag er einen bauern lönnte, — »enn 
er un« nid^t felbft Derratl^en l^&tte, bag er miffentlid^ gelogen. 


120 Sagnerd Sol^engrtn. 

!Da^ et fid^ toeigert, ein B^^^^B^i^ 9^9^» ^i\^ t)or2ubrtngen unb ftd^ 
auf fein ®(fftottt beruft, lä^t, »ie er fagt, fein ®toIj uid^t anbcr« 
jtt, aber tiefer ©tolj erl^ält eine rigeue Seimifd^ung, »enn man 
erfäl^rt, baß e« ba« 3^ugni§ Drtrub« ift, bic er barauf gcl^eiratl^et 
f)at , auf »eld^ed er ft^ öor ©erid^t nid^t berufen mag. Slüein 
gang }U Siage ßegt bie Siige, u^enn er audfagt : 

(Sd fagte mtci^ (Sntfe^en t)or ber 3Ragb, 

bem 9te(i^t auf tlj^re $anb, bont $ater mir 

toerliel^en, entfagt' t(i^ toinig ba unb gern, 

unb nad^l^er in ber $ifee fid^ terratl^ : 

£) $err, trauntfeltg tfl bie eitle SD^agb, 

bte metne$anb boU^oci^ntut]!; t>on [td^ pieß, 

»a« freitid^ ber ju ©erid^t fifeenbe Äönig überl^ört, ber über* 
l^au^Jt, mit feinem 5)eerbann befd^äftigt, nid^t fonbertid^ Sld^t giebt. 
äüerbing« »erfd^mäl^t in ber alten ®age ©Ifa bie ^xinb Xetra* 
munb«, unb bied ift ber ®runb feine« §affe«, aber, bort ift ba« 
ajiotit) ate ba« einjige , mit bem fid^ leine anberen freujcn , an 
feinem Ort. SBenn gtiebrid^ at« ber ®ctäufd;te , f elbft im guten 
©tauben 5)önbelnbe gelten foßte, burfte er nid^t aud^ nod^ ate ber 
öerfd^mol^te giebl^aber bargefteßt »erben. ®))äter tt)irft er fogar 
no^ Ortrub »or , ba§ fie il^n burd^ il^re SBeiff agung , JRabbob« 
alter gürftenftamm »erbe i>ou neuem in Trabant l^errfd^en , toer* 
fül^rt l^abe, öon Slfa« ^anb, ber reinen, abpftel^en! greißd^ 
giebt e« 3nbit)ibuen , bie bei mäßigen SSerftanbe«fräften wx^ in 
eine fittßd^e Sonfufion gerat^en , aber für f ott^e intereffirt man 
fid^ nid^t , »enn fie einem im Seben begegnen unb nod^ toiel »eni* 
ger, »enn fie für bramatifd^e ipelben gelten foCen. (£« »unbert 
un« ba^er aud^ nid^t fel^r , »enn »ir unter Ortrub« Leitung ,,ben 
$rei« aüer 2^ugenb unb ©l^re" bie bummften unb miferabelften 
©treidle untern^men feigen, aber e« »anbelt un« nid^t einmal ein 
aßitleiben mel^r mit i^m an, 

Sil« 2:elramunb feine tlage förmlid^ angebrad^t l^at, »irb 
ba« ®erid;t eröffnet unb ßtfa öorgelaben , bie ^in einem »ei^en 
fel^r einfad^en ©ewanbe", "am i^ren grauen, bie aud^ ^^^r einfad^ 


Sagnerd Sol^engtin. 12t 

tt)Ct^ gleftclbct finb'', geleitet auftritt. SBotläufig Befliiügt flc ftd^, 
auf bte i>om ÄiJntg tl^r torgetegteu gragcu burd^ Pantomimen ju 
antö^orten. SBäl^renb ber 3wf*öuer nid^f teci^t tpei^ , tt)ic er pd^ 
bied ®tä(f d^en ®tumme t>o\\ ^ortici ju beuten l^abe , finbet man 
bad auf ber Sül^ne .ganj in ber Drbnung , unb ber SBnig fal^rt 
nid^t btod ungeftört mit gtagen fort, ate toäre biefe einfeitigeSScr* 
ftänbigung ber legitime usus fbrensis ^ f onbern fagt enbfld^ mit 
gutmüt^iger 5Raii>etät jtt il^r : ,,®ag' Slfa ! »a« l^aft S)u mir ju 
i>ertrauen ?" 35icfe 3wwtut^ung in ©cgenioatt be« terfammeßeu 
©erid^t« ift aüerbingd ettoa« ftarl, unb nun offenfcart fie , ba& fic 
fomnambut fei. ©ie fie inbrünftig betete, fagt fie, 

2)a brang aud meinem @t5^nen 

ein Saut fo Hagetootl, ^ 

ber SU getoaU'gem XHmn 

toett in bie Süfte ]ö)mU : 

ici^ I^Srt' i^n fernl^tn l^^allen, 

bi« faum mein DlS^r er traf, 

mein ^ug* ifl zugefallen, 

ici^ fanf in fügen ©ci^Iaf. 

!Da6 toiM nun aud^ ber Äönig nid^t ate aSertl^eibigung gelten toff en, 
iubeffen fie erjäl^lt toeiter, »ie in leidster SBaffcn <Sd^eine ein 
^Ritter il^r erf^ien, fo jugenblid^er Steine fie leinen nod^ erfa:^, 
unb U)ie ber ^tdt totxtf) mit jüd^tigem ©ebaren i^r Siröftung 
eingab, 

bed 9titterd toiä iö) toal^ren, 

er fott mein Streiter fein ! 

• 

3Kan foüte nun beulen , ba§ auf eine Umgebung , in »eld^er ber 
(Staube an -^öuberei lebenbig ift , ein f o abnormer ä^f*^«^ ^^^^^ 
®nbru(f mad^en mü^te^ ber ben ©tauben an bie ©efd^utbigungen 
Setramunb^ nur befeftigen fönnte , allein im ©egentl^eit atte finb 
fel^r gerfil^rt unb jn^eif et^aft , unb letramunb mug erft bie SRittcr 
an feiner (SffXt ^rei«, ben Sßnig an bie ©ienfte , bie er i^m ge* 
teiftet l^abe (»ie unebel !) , erinnern, fo ba| biefer fid^ entfd^utbigt 
unb ba^ ©otte^gerid^t beginnen läßt. 


1 22 SBagncr« So^^ngrin . 

!Den öotl^vöerlünbenbcn Zxanm fennt auci^ btc alte ®agc, 
aber bte SlattDoi^ance uetöenfd^maci^er grauen natfirßd^ utd^t. 3^ 
fürd^te fel^r, ^icr fjat ba« Seftrcbeu, im mobcrncn ©tun ju ntott« 
öircn, bem ©td^ter einen (Streid^ gcfrtelt , inbem er ben ©tauben 
an ba« mtttelalterlid^e äß^fterium bc^ ®rafe -burd^ ba« mobernc 
3»i^ftertttm be« ®ontnambuIt«mu« ftü|en toxU. Slßein biedmal ift 
©atan burd^ ©eeljcBub aufgetrieben, ©nmat ift bie SSJal^rl^t 
be« t^ierifd^en SKagneti^mu^ bod^ l^eutptage lein ®Iauben«arti!et, 
n?ie bantat^ bie be^ ®rate , ba§ man ol^ne »eitere« barauf ^>roi>o* 
ciren bürfte »ie auf eine allgemeine Ucberjeugung ; im ©egcntl^il 
ftel^t ber magnetlfd^e 9ta^>^>ort in einem jiemlid^ jmeibcutigcn JRuf. 
©obann aber, U)ad i>iel »id^tiger ift , f oü ba« Iranfl^afte 5lbnorme 
ber menfd^tid^en 5Ratur nod^ Diel u^eniger afe bad äBunberbare ate 
)>oetifd^e« SÄotit) Dermanbt »erben : e« »erlebt unmittelbar ba« 
gefunbe ©efül^I, unb ba« ^jatl^ologifd^e Sntercffe , »eld^e« »ir an 
einer f old^en ßrf d^einung nel^men lönnen , barf nid^t mit bem pot^ 
tifd^en ibentificirt »erben. 2Bie »ol^ttl^uenb gefunb ift in ber alten 
Sage ba« Silb , bie fälfd^lid^ ©eltagte , »eld^e im öemufetfein 
ii^rer Unfd^utb rul^ig unb Har bem SSerleumber gegenüberftel^t, unb 
burd^ ben JRettung »erl^ei^enben S^raum geft&rlt unb- gelräf tigt nur 
um fo fefter in il^rem (Sottoertrauen »irb!. 5Dafür ift anä) in 
ba« 8iebc6i>eTpÖni§ ju gol^engrin , baö fd^on burd^ feine f)atb* 
gott^natur jmeifeC^aft unb unnatürtid^ »irb, burd^ bie öerl^im* 
metnbe ßlairbo^ance @Ifa« , bie an bie finntid^ füfeßd^ @d^»är=^ 
merei l^errnl^utl^ifd^er Sieber erinnert , ein neue« Clement gcbrad^t, 
»oburd^ e« »oücnb« j^itterl^aft »irb. 5lud^ bie SarfteMung ber 
g(airt)oi^ance fclbft ift fd^löernb unb fd^tpanlenb. (gin eigenttid^r 
magnetifd^cr ®d^taf ift c« nid^t, in bem @Ifa fid^ beftnbet , »enig* 
ftcn« ertoad^t pe nid^t au^ bemfetben, unb bod^ \pxxdft fie ju 3«teu 
ganj öerftänbig unb ber Situation angemeffen, fd^on cl^ gol^grin 
erfd^ienen ift , fo ba^ dViäf ber unbefangene ^nffüxn niäft xtdft 
ttug barau« »irb , wie »eit ii^re !£raumfeligfeit untDiöfüTtid^ ift 
ober nid^t. 

(SSft ba« ®otte«gerid^t angefagt »irb , t)erf^)rid^t gCfa bem 


Sßagnerd {fo^eitgrin. 123 

gottgcfanbtcn Ääm<>en bte ftronc unb tl^tc ^ant , n)a« bie JRittcr 
ju beut Sltt^tuf bctoegt : 

(Sin ^o^cr $rci«, flünb' er in ®cttc« $anb ! 
SBer um i^n flritf, \Qt>^\ \t%i er fci^toere« «Pfanb ! 

tt)okt fic fid^ l^offentltd^ mel^t benleix , ate »tr ju tl^un vermögen, 
«te auf bte crfte auffotberung SWemanb crfd^etnt, bittet etfa Jcl^t 
itnfd^ulbig": 

9Kein licBer Äönig, laß bid^ Bitten, 
Siioci^ einen 9iuf an meinen SRitter ! 
S}0^( tt>ei(t er fern unb l^Brt i^n ntii^t. 

5Dag fte in il^rer ©eeleuaugft ben Äcim nid^t beioal^tt , wirb i^t 
btüig ntd^t l^od^ angcted^net. Sil« abet aud^ auf ben jtpeiten Wuf 
5ßtemanb lommt unb aüc fie J^erurtl^eiten , fällt fie in brünftigem 
®cbct auf bie Änie , unb »äl^tenb il^red ®ebet^ lommt auf bem 
gtu§ bom ®d^U)an gcjogen ein {Ritter, toie fie il^n befd^rieben l^atte. 
Die tiefbewegte SRengc, erftaunt unb gerül^rt butd^ ba« 
3Bunter , jaud^jt bem ®ottgefanbten ju. gol^engrin berabfd^iebet 
ben ®d^n)an unb giebt fid^ ate ben öon l^öl^eter SDiad^t ®efcnbcten 
baburd^ !unb, bag er ®fa unb il^te Stotl^ bereit« fennt. ffir toenbet 
fid^ fofcrt an @Ifa unb fragt, ob fie fid^ il^m anvertrauen »oüe, 
unb ate fie J)on toonnigem Oefül^Ce fiberroäßigt i^m ju gügen pnft 
unb pd^ il^m gang ergiebt , fragt et »eiter , ob fie il^n , »enn et 
fiege, jum ®atten tooöe, tootauf fie bie 3Botte etwibett : 

Sie i^ gu beinen gügen liege, 
geb' i^'bir «eib unb @eele frei, 

beten ®inn leid^tet ju ettatl^en ate nad^jutoeifen ift. Unb nun 
f otbett et öon il^t, toenn et t^t ®atte fein unb ba« 8anb befd^ü^en 
foQe, ba« ©elfibbe : 

9'iie fotljl bn micJ^ befragen, 
nod^ Söiffen« @orge tragen, 
)))o]^er id^ lam ber %Q^xi, 
Vit^ mie mein i^am* unb ^rt. 

®le t)etf|>tld^t e« unb ate et nad^btüdtßd^ fein ®ebot toiebetl^olt, 
anttt)ottet fie auf feine ungefüge 9febe : 


1 24 Sagnec« Sclj^engnit. 

Sie gSb' c6 3n>eifcte @^ulb, bie gtSgcr, 
atö bie an bi(^ ben Glauben raubt? 

tt)a« fic ftd^ \ä)tottli6) Hat gemad^t l^at. Sol^ngrtn aber l^cbt et«» 
griffen unb entjficft ßlfa an feine Sruft unb ruft : ;,(Stfa, id^ ticbc 
bid^ !" tD'obei man unioitßüriic^ an bie naiöe ^ttnjefftn ^untfla 
im Üßarionettenf<3ieI erinnert tpirb. 3Jiänncr unt) grauen, bie eine 
fold^e 8iebe«fcene in aüer 5Ratürßci^feit iox i>erfammeltem S5ott 
fd^tperfid^ ertebt l^aben, füllten ba^ $er je ftd^ bergel^en, toie fic ben 
»cnnigßd^en 9Rann fd^auen. 

9Ba« l^ierbei außer ber großen 5RatfirIid^feit befrembenb auf* 
faßt, ift bie ärt, »ie Sol^engrin bcn Slfa B^f^fl^ ^nb ®etübbe al« 
©ebingung feiner ^ütfe i>crtangt, unb i^r biefe wie feine Siebe erft 
getpäl^rt , nad^bem fte fid^ il^m g&njßd^ ergeben l^at , tt>ad u>eber 
ebel, nod^ rittertid^ , nod^ mSnntid^ ift. 3n ber einfad^ften gorm 
ber @age im ^ar jiüal erttart bie^erjogin öonIBrabant, metd^ 
t)on 8anb unb geuten gebrängt ti>irb fid^ ju DermS^ten , fie »erbe 
nur ben jum ©emal^t enoäl^Ien , ben ii^r ® ott fenbe ; Sol^cftgrin 
erfd^eint, unb ba fie il^n ate ben öon ®ott ©efanbten erlennt, legt 
er il^r ba« ®etübbe auf. SBie aber bie ©age bal^in erweitert mirb, 
baß gol^eugrin bie ffilfd^fid^ ängcHagte rettet, ift biefe ^Rettung 
burd^ bett Sam^)f ftet« t)on bem ß]^et)erf<>red^en unb bem bamit ju* 
fammenl^ängenben ©etübbe gefd^ieben, beibe« erfd^eint fo aU bie- 
freie 2^at ber (größten, nid^t at« bie abgenötl^igte B^fage ber IBe* 
flagten. !Dem ftam|)f eine fotd^e SSer^anblung öorau^jufd^idten 
jicmte ftd^ für feinen Äitter, am »enigften für einen JRitter bc« 
®rate , ber feine gelben nid^t au^fd^idtte , bamit fie l^ciratl^eten, 
fonbcrn baß fie bie Unfd^utb fd^inntcn. 2Wan fielet aud^ nirgenb« 
einen ®runb, marum 9ßagner ton ber naturgemäßen SlZotiüirung 
abgetoid^en ift. 

9(ud^ bad mirb lool^I mand^en auffaUen , baß ton ber ganjen 
SJerfammtung 5Kiemanb baran benltt , toie bie tounberbare Srfd^ei* 
nung be« JRitter« , fein ©enel^men mit ®fa ben 5lnltagen 2:elra* 
munb« ein bebeutenbe« ©cioid^t berleil^t, baß felbft biefer unb 
Ortrub nid^t burd^ ba« toieber^oltc SSerbot Hgol^ngrin« gemal^nt 


SBagncr« Sol^cngtin. 125 

tDerben, tDtc :^icr ntd^t Äße« mit redeten Singen jugcl^c, unb barauf 
bcftel^en , ba| ber Unbcfannte fid^ ate ebenbürtig unb fannjffä^ig 
audtoetfe, e:^e ber 3tt>etfamt)f beginnt, tpa« ätüe« ft)äter jur Unjeit 
grtebrtd^ ate Derfäumt einfaßt. Sie SRitter / »eld^e anfangt ganj 
ju griebrtd^ ftanben , bann burd^ (£Ifa gerül^rt fie für unfd^ufbig 
l^teßen, bann ate lein SfittH)e fam an il^rer Unfd^ulb jioeifeften, 
bann mit öegeifterung ben gottgefanbten gelben )>riefen , ratl^en 
griebrid^ fogar ab Dom Äam^^f. 

. ^it\f ^^ ! toxi ma^fnen bid^ in %xm' ! 
2)cin l^arrct Unflcg , bittre SRcu' ! 

ü>a« aßerbing« eine ftarle, loenn (xwif lool^Igemeinte , SSeleibtgnng 
ift. Ser gute Äönig ift aud^ fo gerührt über ba« l^olbe SBunber, 
>a6 er an nid^t« weiter beult , unb bem 3ufd^auer bleibt nid^t« 
übrig ate fid^ ju fügen. Ser Sam^)f beginnt, nad^bem afle jU®ott 
um geredeten ®ieg gefielet, fio^engrin fiegt unb ber aßgemeine 
Subel erftidft bie 35erjn)eiftuug 2:elramunb« unb ben ®rimm 
Drtrub«. 

3m jtoetten 3lct feigen xoxx griebrid^ unb Ortrub auf beu 
©tufen ber Äird^e bem ^alaft gegenüger , in bem bie 3Sorfcier ber 
^od^jeit begangen tt)irb. griebrid^ ergiebt fid^ bem »ilbeften 
©d^merj über feine i>erCorene @^re unb Itagt mit "S&ViÜf Drtrub 
ate bie Urheberin feiner ©d^mad^ ^w , ba fie i^n burd^ fatfd^e« 
3eugiii§ unb erlogene SBeiffagungen »erfüi^rt l^abe. S« bcbarf 
einiger 3«t ^^e Drtrub , bie biefc fleinfid^e Statur n)ie bißig Der* 
ad^tet, mit ii^rem lalten ^ol^u fo i>iel SKad^t über il^n geminnt, ba^ 
fie tl^n für il^rcn 9iad^et)tan em^>fangBd^ vxa6:it ®ie überrebet i^u, 
in gel^eimen fünften tt)o^l erfal^ren, ba| Sol^engrin burd^ 3^^^^^^'^^ 
gcfiegt l^abe , unb.bafe man ii^n euttari>en lönne , inbem man S(fa 
verleite bie verbotene grage an tl^n ju t^un, toa« ben '^^yxltx bre^ 
d^en tDürbe. Die« tt)oße fie »erfud^en ; griebrid^ foßc gol^engrin 
ber 3ÄUberei anMagen , unb »enn bie« mißlinge , trad^ten ii^m ein 
®fteb feine« ßeibe« ju entreißen , »oburd^ ebenfaß« ber 3^^^^^ 
ijcrnid^tet ujürbc. 2luf Slßc« gel^t ber armfetige 3J?enfd^ ein , er, 
ber fo eben fid^ be« i>erberbßd^cn ©nfluffe« , ben SDrtrub auf i^n 


1 26 Sagner^ ^ol^mgrin. 

l^attc , leR^af t criunert l^at , bcn ftc nun in btc finfterc liefe i^er 

un|cimßd^cn 5Ratap l^at t>fiden laffeu , uub ber , afe Drtrub mü 

bcm gcmeinften öettug bie arglofc ßlfa ükriiftet l^at, fid^ mit be« 

äöorten bctttj^igt : 

I^ottfüfire^ Seib, tDad beute £iß erfonnen, 
bein Serf )tt l^emnun fül^r id^ feine ^a^t! 
3)a$ Unl^eil l^at mit meinem gaü begomten, — 
nun pürjet aucJ^, bic mici^ \>ai)'m QthxadfV, 
9'hir eine« je^ id^ mal^nenb öor mir, jlel^i'n : 
bcr 8iäubcr meiner (S^xt fott i>ergcyn. 

SBäl^tenb bic Beiben il^re SRad^e^^Iäue b^ten , tritt (Slfa auf ben 
©bUet unb f^tid^t ben 8üften i^r ®Iü(f a\x^. S^rtrub fcenuljtbie 
®etegeni^eit unb n>eig mit tjerfteöter T)em\iÜ) uiib ^Cage ©Ifa fo 
ju betüd en , ba§ fie berf<>rid^t , fle bei fid^ aufiunel^men unb fefbft 
ju Idolen. 3n »itber Segeifterung ruft bann Drtrub au^ : 

(SnttDei^te @ötter ! l^elft iejjt meiner ^a(i}t ! 
^cftraf t bie ^(S)maä) , bie l^ier tnd) angetl^ian ! 
@tär!t mi(i^ im 3)ienjle eurer Ij^eiligcn @ad^c, 
Serni(^tet ber abtrünnigen f^nBben SBal^in ! 
S^oban ! ^i(i^ etarfen rufe id^ ! 
^eia ! (SrlJKibne l^öre mi(i^ ! 
Segnet mir Srug unb ^tuäfdü, 
2)ag ^lUdliä) meine dtad^e [ei ! 

^an fällt ani ben SBoßen , toenn man biefe unetn^artete (S^^to^ 
fiou eine« ^eibentl^mnd ^ixt , öon bcm man gar uid^t begreift, 
ti)o]^er cd lommt unb n>ad ea foK. ^i^i^er ift Drtrub nur ate eine 
c^rgeijige, rad^füd^tige g^au erfci^ienen, unb in einem fotd^en 
&)axöitex liegen aOe äKoth)e , bie bcr S^id^ter gebrandet, bo« l^cib« 
nifd^c glement ift ein ftßrenbe« , bad bie Sl^araWcrjeid^nung fd^ef 
unb fd^ietenb mad^t. 3n bcr 2:^ fann bod^ Örtrub , unb ipenn 
fie nod^ f o fanatifd^ ift , nxäft ttjäl^ncn , bag fie ben ®icg be« ^ei* 
benti^um« l^erbeifül^ren tt>erbc , »enn fie Öol^engrin unb ßtfa un* 
glädftid^ ntad^en I5nne. !Dantit ein fold^er ©ebanle nur auffommen 
!6nnte , müßte bad i^eibnif d^e SSefen in gmi anbercr 3lu«bc]^nung 
unb ©reite aU ein toxxlüäf ijorl&anbette« unb tefen^fröftige« nM 


Sagner« Sol^engrin. 127 

öcrgcgentoättigt tt>orben fein, afe iux^ eine J^crctnjett ftel^enfcc* 
ßicfd^cinung , btc übrigen« nirgenbd l^etbnifd^en ©inn unb ®eift 
t>exxaäf , f onbern nur jufättig einmal einen l^ibnifd^n Slu^tnf 
tl^ut. Unb bann, tpeld^e Untool^fci^einli^Ieit, bag ber (ralbantifd^e 
®raf eine offeninnbigc ^cibin — benn @Ifa toünfd^t i^r , ba^ fie 
fid^ juift ©tauten befel^ren ntSge — , bic übrigen« mit in bic Äirie 
gel^t , i^eirat^et unb fie ate eine gteid^bereci^tigte anerlannt ti>irb ! 
Unb n>arum benn ? t^aft fd^eint e« , at« fette baburd^ ^(aufiibel ge^ 
mad^t werben , ba§ Drtrub jaubern !ann ; allein be^l^alb brandete 
man SBobau unb f^reia nid^t gu bemül^en, l^aben bod^ bie (Si^riften 
il^re eigenen ^ejcen i>erbrannt. 

5Rad^bem (Slfa erfd^ienen ift , fud^t Drtrub mit erl^eud^eltcr 
grcuttblid^Ieit il^r SSertrauen ju gett)innen , unb al« fie fid^ beffen 
fidler glaubt, tt>arnt fie glfa, t^rem ®lüdE ju fei^r ju trauen, 
benn ii^r ©cliebter lönne fie , n>ie er burd^ ^^ViUx ge!ommcn fei, 
ebcnfo aud^ tcrlaffen. 2)a« ift benn bod^ gar gu ^)lumt) mit ber 
Xl^ür in« $Kiu« gefalleu unb mad^t be«]^alb aud^ auf @lfa leinen 
@inbrud( ; aber aud^ argn>dl^nifd^ gegen bie 9tat^geberin n>irb fie 
nid^t, ÜDa fie ol^ne ^alfd^ koie bie Stauben , aber !eine«meg« Hug 
n>ie bie ®d^langen ift , nimmt fie bie SSerrat^rin felbft mt fid^ 
in« $au«. 

9iad^ ©onnenaufgaug t^erfammelt fi(^ ba« aSoQ, bem ber 
^eenufer t^ertünbigt, bafe griebrid^ Sielramunb in ©ann unb 3ld^t 
erHärt unb Sol^engrin mit 8anb unb Srone J>ott SSrabant belel^nt 
fei, unb ba^ biefer auf ben folgenben ^ag bie äJ^^nnen berufe, xm 
fie in ben Äricg ju füj^ren, !Da bie« ®ebot bei einigen Unjufrie* 
benl^it enegt , gefeilt fid^ griebrid^ ju i^ncn , ben fte mit Wüfi 
auf bie ©eite bringen. 3nbem nal^t Slfa mit gal^treid^en grauen, 
unter il^nen Drtrub, um in bie ^rd^e gu giel^n. ^lo^lid^ vertritt 
i]^r Drtrub ben SBeg unb »erlangt ben SSortritt t^or i^r unter ben 
^eftigften ©d^m&l^ngen , ba i^r ©emai^t , U)enn aud^ k>erbannt, 
bod^ abeliger ^crfunft fei , Ȋl^renb gol^engrin fremb , unbefannt 
unb getoi^ ein arg« B^uberer fei, SSormürfe, gegen »jeld^e bie be^ 
troff ene (Slfe nid^t i^iel aufzubringen \ot\^. ^n fid^ mad^t biefe 


1 28 SBagncrö Öol^cngrin. 

3anfj'cenc bcr grauen einen tt)tbcrti>Srtigen ©nbrud , lyib ntan Bc* 
greift nid^t , »ie Slfa auf offener ©tra^e , Dor ber Sird^e , mitten 
unter ii^ren getreuen lörabantcm , bon ber grau be^ (Seäd^teten 
auf« grSbfid^ftc infuttirt toerben fann , ol^ne ba^ aud^ nur einer 
aßiene mad^t, fie ju fd^ü^en. 3^^^ fd^elten ftc aüe mit, ba^ ber 
8arm immer ärger »irb , aBer feiner regt eine $anb , unb nid^t 
einmal bie 9Karfd^5Me, bie »ir mit il^ren golbenen ©tSben feiertid^ 
Doranjiel^n fallen, finb Je^t, n)o eö gilt einem ®tra§enflanbat ju 
fteuern , jur ©tette. 

!J)aö ©runbmotib ift alterbing« in ber ®age gegeben , aber 
bort eben fo einfad^ afe loirlfam angen^enbet. 5Rad^bem 8oI?engrin 
geraume B^t berl^eiratl^et getoef en ift , ftid^t er im Xurnier ben 
^erjog bon Siebe öom ^ferb , »orüber beffen ©emai^ßn neibifd^ 
gu Stfa fagt : ^ein lül^ner §elb ift Sol^engrin unb ß^riftengfauben 
mag er l^ben ; ©d^abe , ba^ 5lbete l^alber fein SRu^m gering ift, 
ba 9?iemanb tt)ei§, öon »annen er an« Sanb gefd^njommen ift." 
15a« bo«]^afte ©ort fäMt gtfa in bie ©eete unb verleitet fce enblid^ 
ju ber i>erbotenen grage. $ier ift Urfad^e unb SBirlung mit feiner 
2»enfd^enfenntni§ in ba« redete SBerl^fiÖni^ gefegt. Slßein ba§ 
Drtrub am $od^xeit«morgen, amXage, nad^bemßlfa burd^ Sollen« 
grin gerettet ift , ba fie f o &t\\ fid^ burd^ erl^eud^ette greunbfd^aft 
in i]^r SSertrauen gu fd^meid^cln gcfud^t l^at , ^)C6^ßd^ Slfa mit ben 
leibenfd^aftßd^ften Seteibigungen fiberl^äuft , ol^ne ju füllten , ba§ 
fie fid^ fetbft baburd^ um atten ®Iauben bringt, ba« ift für Drtrub« 
bi«]^rige« Sene^men biet gu bumm , unb bafe bte« tt)iberftnnige 
®eba:^ren ber töbtßd^en geinbin auf @Ifa ©nbrudt mad^t , ba« ift 
aud^ für Slfa gu einf&tttg. Unb n>a« foü man bon ber Srfinbüng 
SBagner« fagen, ber für bie« mifebilbete unb übet angetoanbte 
aWotii) leine anbere (ginlleibung finben !onnte , at« bie ^Begegnung 
©runl^itb« unb Sl^rieml^itb« beim Äird^gang in ben 9Hbetungen, 
bon ber tt)ir l^ier einen fd^ted^t gerat^en äbHaffd^ feigen. 

®lü(ftid^ertt)eife fommt ber ftönig mit Sol^engrin, meld^er 
Drtrub forttt)ei«t unb @tfa fragt, ob ba« ®ift in il^r §)erj gebrun* 
gen fei. !Cie«mat ge^t e« mitX^räncn ab, unb fie fd^iden fid^ aße 


an, in bte ^rd^e ju gelten, ba tritt gricbrid^ tl^ncn entgegen. SH^ 
man i^n ergreifen »iß , erfd^red en bie 3D?annen „t>ox feiner Don 
l^öd^fter Äraft ber aSerjmeiflung erteknben ©timme" nnb laffen 
i^n reben. @r Bellagt fid^ nun, ba^ ntan So^engrin nid^t löor bem 
3tpeitam)pf um ©tanb unb Slamen gefragt l^abe , ba e« mit bem 
nid^t geheuer fein IBnne , ber fid^ t)on einem ©d^tpan fal^ren taffe, 
unb löertangt, man fotle biefe grage je^jt nad^trägfid^ tl^un. >Dic^ 
ift eine ftarle SScrleljung ber SSorau^fejäungen, auf benen bie ganje 
^aM ru^t. Sei einem ©otte^gerid^t gab e^ feine greif^jred^ung 
Don ber 3nftanj unb ttjer untertag , tpar Derurtl^eift für immer ; 
löoltenb« aber fonnte feiner, ber in Sann unb 2ld^t ftanb , e« tt)a=* 
gen / Slngefid^t« f Bnigtid^er äJJaieftat n)ie ein greicr ju rebcn unb 
Siedet ju l^eifd^en. 3)tan foKte nun benfen , ba^ ber SBnig burdf; 
feine JKannenr — benn ber ©d^redE über i^riebrid^« ©timme muß 
bod^ einmat ein (Snbe l^aben — bie Sld^t an il^m Doßjiel^en läßt ; 
nein , er ift betroffen toie alte übrigen , unb fagt mit il^nen : 

SBcId^' ](>arte Mage ! toa« tuirb er entgegnen? 

J)arum ift nun Sol^engrin aöerbing^ nid^t Derfegen , fonbern ent* 
gegnet furj unb gut, Saß er bem ©ead^teten getoiß nid^t, aber and; 
bem Sönig unb ben gürften nid^t , fonbern attein Sffa $Rebe ju 
fte^en l^abe, 3« feinem Srftaunen fielet er, ba§ fie in großer Sluf* 
regung unb in i^eftigem innern ^am)pf baftel^t, unb toirfBnnen 
bie« Srftaunen nur tl^eifen ; benn toenn ba«, toa« am 2:age Dorl^er 
il^r bie ftd^erfte ©etoäl^r für So^engrin« göttßd^e ©enbung ttjar, 
i^r fftnk ein ®runb toirb an il^m ju jtoeifetn, ttjenn bie "ißerfonen, 
Don benen fie i^re g^re , il^re ©jiftenj angegriffen unb gefäl^rbet 
tt)eiß , Don benen fie mit ©d^mal^ungen unb ©eteibigungen über* 
l^äuft morben ift , Sol^engrin gegenüber ®nfluß über fie gewinnen 
fSnnen, fo jeigt fie pd^ aud^ l^ier ö)ieber nur aU ein neroenfd^^a- 
d^e« aßäbd^en, beffen Urt^eitefraft unb fittfid^e« ®efü^t burd^ jebe 
heftige Erregung Derbunfett unb mad^tlo« toirb. 2lltein e« fommt 
no^ ärger. SBä^renb bie JWänner Soi^engrin il^rer 2^rcue Der^ 
fidlem unb Slfa nod^ mit fid^ fäm^^ft, .nal^t fid^ i:^r griebrid^ 
l^eimtid^ : er ujotte il^r ®etoiß]^eit fd^affen ; ba« ©el^eimniß ttjerbe 


130 SBagnerö Soj^engrin. 

fd^tDinben , tt)enn er Sol^ciigrin nur ba« Metnfte ®ficb entreiße» 
fßmtc, 

v^ bin bir nal^ jut 9iaci^t — 

nifjl bu, ol^n' ©d^aben i|l e« fd^ncH toottbrad^t. 

ÜDtcfe 3umut]^ung , bie befrembenbftc , btc ttjol^t Je au eine 53raut 
am ^od^jetWtag gcmad^t tporbeu ift , bringt gifa p fid^ , fie finft 
Soi^engrtn ju^^en unb ijerfid^ert tl^m enbßd^, ba^ tl^re Siebe l^od; 
über aöe« 3^eifet« '^'^xinfi ftel^e. !Da| fie [id^ biefe SSerfid^erung 
erft ab!ättH)fen mu^, ift freißd^ eine fidlere ©etüäl^r, ba^ i^r 33cr* 
trauen ju il^m fd^on erfd^üttert ift , unb Ortrub ^at ^tii/i , t^r 
l^ö^nenb ju breiten. Der gute Sönig aber , atte SÄäuner unb 
grauen finb »ie getpß^nßd^ in begciftertcr SRül^rung, unb barüber 
ipirb »ieber Jjergeffen an griebrid^ unb Drtrub bie 2ld^t gu t>oH^ , 
jiel^en , tt>ad nad^ aßem , tt)a^ i>orgegangen ift , unbegreifßd^ fein 
würbe, menn fie nid^t nod^ im lefeten 2lct auftreten müßten. 

!Die6 unglüdHid^e SKottb i>om ©ßebabfd^neiben ift ttjieberum 
einer anberen ®age entnommen unb ungefd^idEt t>crtt)enbet. 3m 
2:ituret Dermäp ftd^ Sol^ngrin, nad^bem er Slfa ijerlaffen 
Ijat , mit ber fd^&nen Selai^e öon 8uf emburg , bie il^n fo järtßd^ 
X\M , ba| fie il^n nimmer t)on fid^ taffen mag unb fid^ in @e:^n* 
fud^t ijerjel^rt, loenn er nur auf bie 3agb gegangen ift. !Da ertl^eilt 
ii^ren 3Sertt)anbten, bie bie« für bie Sirlung eine« Siebe« jaub^r« 
^Iten ; eint SJammerfrau ben falfd^en SRatl^ , ujeld^en S3ela^e ber* 
fd^mäl^t l^atte , i^m ein ©tuet gleifd^ abpfd^neibeu , ba« S3eta^c 
effen muffe, um ben Sauber ju IBfen. ©ie überfaßen ben bon ber 
3agb ermübeten Sol^engrin, er fefet fid^ jur SBel^r, erpü aber eine 
SBunbe, an ber er ftirbt. SKan fielet, l^cr ift bcd^ ^^fammenl^ang, 
tt)ä]^renb ba« Io«geßfte SRotib in ber O^er al« ein frembarßge« 
@(ement erfd^eint , ba« in leiner organifd^en SSerbinbung mit bem 
®anjen ftel^t. 

3m brittcn 2lct werben Sol^engrin unb Slfa feiertid^ in« 
Örautgemad^ geleitet. Dort fid^ fetbft übertaffen taufd^en fie bie 
aSerfid^erungen il^rer Siebe unb i^re« ®lüdf«. Slßein balb entbel^rt 
S(fa e« fd^merjßd^ , ben (Seßebten nid^t beim 5Kamen nennen ju 


SßagnerS Sol^engrin. J 3 1 

Knneu* bcu fic nitt in ber Siufamfcit, Beim trautcftcit gtebe^lofcn 
au^juft^rcd^en toünfd^t, dx tröftct fic : toic man balfamifd^c ÜDilfte 
gern cinotl^ntc, ol^ne ju fragen, tcoi/ex fic lämen, fo tpirfc aud^ bie 
Siebe nantento^ il^rcn ^auUx, SScgrciffid^ertPcifc fül^tt fie fid^ 
burd^ bicö ^Mjctifd^e ©Icid^nig nid^t bcrul^igt , fie Ragt, ba§ fie fid^ 
nm il^n lein SSerbienft ermerben !önne , n)ie tx e6 um fie l^abc , fie 
n)ünfd^t , ba| fein ®c]^cimni§ gefal^rbringenb für ii^n fein möge, 
unb ba| fie e^ n>iffc , bamit fic burd^ ®d^n)cigen fein SSertrauen 
ted^tfertigcn fönnc.. @r fud^t fie Don neuem ju berul^igcn , ba§ er 
i^r ia fein SSertrauen gegeigt i^abe , unb um tl^r bie traft feiner 
Siebe ju betpäl^ren , beutet er il^r an , bafe n (Stüdf unb ®Canj um 
i^rettt)itfen t>ertaffen l^abe.' Slllein ba^ regt fie nur nod^ mel^r auf, 
fie fürd^tet , er »erbe fid^ nad^ bem früheren ®tüdt fel^ncn unb fie 
tocrlaffen, ba fie tl^n nid^t feffeln fönne ; fic befommt tt>ieber nerbbfe 
3ttfäße , fic glaubt bcn ®d^tt)an fd^on ju feigen , ber i^n ablädt, 
ba^ ein jige SÄittel, il^r bie JRul^e t»iebcrjugcben, fei fein 9iamc — 
fo tl^ut fic bie unjleßgett rJragcn an i^n. @egcn bie 9'lcrt>en l^itft 
leine Sogil , fonft fielet man aöerbing^ nid^t ein , tote fic glauben 
!ann , bcn ®etiebten baburd^ an fid^ ju fcffeln, bai fie feinen ?ta^ 
men unb 9lrt mx^. Uebcr]|^aut)t toirb tDol^t 9iiemanb ba^ lange 
bage §tn* unb ^crrcbcn, ba6 menig S^f^tumcnl^ang l^at, für eine 
:|3fi^d^otogifd^c 9Kotit)irung löon ®fa6 Sßcrgcl^en anfel^n, 3l^rc fitt^ 
lid^e SBürbe ift bereit« gebrod^en, unb l^icr jeigt fic nur 5Weugierbc, 
toeld^ fie burd^ ftet« neue 25ortt)änbc ju befd^önigen fud^t ; ba« 
U)a« tioal^r^aftc (Settung l^at, ba§ bte Siebe i^rem SBcfcn nad^ 
unbebingte« SSertrauen forbern muf , mad^t fie nie mit fittli^r 
Energie gcöcnb, Slud^ Sol^ngrin toeid^t nur au« , f^^iett SSerftedt 
mit i^r unb geigt ebcnfotocnig, ba^ fein (Sel^ciml^atten eine fittlid^c 
©cred^tigung l^abc. ÜDai^cr benn aud^ ber Btä)ixtx nid^t ju ber 
(Sm^ifinbung einer toal^rl^aft tragif d^en Situation gelangt , f onbcrn 
l^öd^ftcn« neugierig ift , »ie tauge ba« ©^^iel bauern mag , beff cn 
Snbc er mit ©id^crl^cit Jjorau« tt>eife. 

SBic einfad^ unb menfd^Iid^ ift bagegen bie ®agc, IRid^t in 
ber Sdxantnadft , fonbern nad^bem fic Saläre lang in Streue xffx 


132 ^agnerd Solifettgrin. 

®elübbe gel^aßen uub mit gol^cugttu tu gtüiltd^cr ®^c gelebt ffat, 
fättt fcie l^amtfd^e Siebe bet neibtfd^ea grau (Stfa auf bie ©ecle. 
Daju mu^ man \iä) bie SJegtiffe teuer ^txt Don ©tanbe^e^re öer=* 
gegentoärtigeu, »a^ e« fageu toottte, ol^ne 5Rameu unb ©efd^Ied^t, 
unbefanuter 5)wlunft ju fein , um ju begreifen , mie ba« ©ort an 
il^rem ^erjen nagt , bid bie unglüdfid^e grage über il^re i\if)pta 
lommt, bie bann il^r fd^öne^ ®IM unmieberbringßd^ jerftört. d^ 
ift ein gel^ttritt , aber ein menfd^ßd^ begreifßd^cr , ben bie l^artc 
Suge fül^nt. 3m SBagner'fci^en ßol^engrin lönneu n?ir und Stfai^ 
grage nur burd^ il^re fci^ioad^e Souftitution einigermaßen begreif* 
liäf mad^en, gefd^meige baß man Don einer tragifd^en 5Rotl^n)enbig»' 
leit f^jred^en bürfte. SBenn bal^er SBagner und erjäi^tt , baß er 
,,tt)irliid^en , tiefen , oft in i^eißcn S^ränen i^m entftrßmenbßu 
Sammer'' gelitten ^abe, aU er bie tragifd^e S'loti^iDenbigfeit ber 
Irennung , ber 3Sernid^tung ber Siebenben emt)funben , f o laffen 
\m bad jmar ate einen fd^&nen 3ug feinem Sl^arafterd gelten, aber 
für bie bid^terifd^e ©eftaüung ift ed inete^ant. . 

Saum ^t Stfa bie grage getl^an , fo ftürit JEetramunb ind 
®emad^ , man n)eiß nid^t , ob er gol^engrin tobten ober i^m nur 
ein ®ticb abfd^neiben loitt. 6tfa fie^t bie ©efal^r unb reid^t golden* 
grin fd^nett fein ©d^toert , mit toeld^em er griebrid^ nieberftredtt. 
Die Situation ift ber @ur^ antike nad^gebitbet , »etd^e in bem 
Slugenbßdt , aU Slbotar fie tobten mü , fid^ einer ©d^Iange entge* 
genmirft, um il^n ju retten. !Dort aber ift e« ber SBenbe^^unft ber 
^anblung , auf ßur^ant^ed ßebenbcr ^^ingebung berul^t bie 88* 
fung bed Snotend ; tt>ad fie l^ier foQ, fie^t man nid^t ein. Senn 
baburd^ Mar gemad^t toerben fott, baß 6Ifa troft ii^rer ©d^toad^^eit 
gol^ngrin ßebt, fo ift bad, ba ed ol^ne SBirfung auf bie ^anblung 
bleibt, eine teere ©emonftratton ol^ne bramatifd^e Sebeutung. 

Sol^engrin befiel^lt bie Seid^e 2^etramuubd Dor ben Äönig ju 
bringen, avitf) (£tfa foC il^n bort erwarten. 35er Sßnig l^at ben 
Heerbann um fid^ Derfammett uub aöe l^arreu ßo^ngriud. @r er^ 
fd^eint um il^nen ju erMären , baß er fie nid^t ind gelb führen 
merbe ; er red^tfertigt Sietramuubd Üöbtung, flogt @lfa bed gebro«» 


SBagitcr« Sol^cngriti. 1 33 

dienen ©elüBbei^ au unb t>crf^)rid^t tl^tc ^agc ju Bcanteottcn. 3n 
langet JRcbc [e^t et audetnanbet , xoa^ e« mit bem ®tal fü't eine 
33cn)anbmg l^abe , ba^ ^atjitoat bet Sönig be^ (State unb et fein 
@ol^u Sol^engtin fei. 2llte etftaunen unb finb fie je „in feiig fü^em 
©tauen" getül^tt gemefen, fo „entbtennt je^t i^t Hug' in l^cifgen 
aSonnejäl^ten/' 50?an l^Sttc nun tt)ol^( ®tunb ju ftagen, n?a^ biefe 
tauge 5lu^einanbetfe|ung im >Dtama — nid^t füt ben 3ufc^ciuet — 
füt eine SSebeutung l^abe , benn ÄBnig §eintid^ unb feine Seute 
bebutften bod^ übet b^n ®tal leinet Untettoetfung ; inbeffen fteuen 
mx un^ fd^U)eig.enb bet empfangenen ©ele^tung. 35etgebfid^ fud^en 
i^n aße jutüdEgul^atten, bem $Rufe be^ ®xaU batf et nid^t ungel^ot^ 
fam fein , abet et ^)to^]^cseit Sönig §eintid^ @ieg, Unb afe nun 
bet ©d^toan lommt ii^n ju Idolen , ba etllätt et (Slfa , ba^ in 3a]^* 
te^ftift bet tobtgett)äl^nte Stubet »iebetlommen njetbe , füt ben et 
il^t $otn unb $Ring übetgiebt ; wa^ jiemfid^ ungefd^ictt an^ bet 
®age l^etübetgenommen ift , »o gol^engtin fie feinen ^nbctn ate 
3lngebenlen l^intetlS^t. I)a ttitt unetmattet Dtttub auf unb tl^ut 
ba6 ebenfo unettpattete ®eftanbni| — man fielet nid^t ein »atum, 
abet e« ift gut, ba^ fie e« nod^ ju ted^tet ^zit t^nt — bet ©d^toan 
fei bet i>on il^t Detjaubette SStubet Slfa^, ©ottftieb, ben gol^engtin 
cttö«t l^aben tDütbe , »enn et geblieben roäte ; toa^ triebet fel^t an 
bie ßonfeffionen Sglantine« in bet Sut^antl^e etinnett. 2ltö idi)m^ 
gtin ba^ l^ött , betet et inbtünftig , eine ttjeifee ZavAe fenft fid^ 
niebet , fteubig IHt et bem ©d^toan bie tettc ; bet tavaifi untet 
unb ftatt feinet f ommt ©ottftieb Don ©tabant l^etauf , bet feine 
©d^ujeftet fteubig begtü^t. ßlfa abet , aU fie gol^engtin im 5Ka* 
d^en fid^ entfetnen fielet , ftnit entfeelt ju ©oben, Dtttub ift -fd^on 
Dotl^et mit einem ©d^tei ju ©oben geftütjt, fo bleibt nut bet gute 
Sönig ^eintid^ mit bem getül^tten ßl^ot ptüdf . 

Die ginmifd^ung ®ottftieb« , bie fd^on im gingange ftUtenb 
ift , mitb e« nod^ öiet mel^t am ©d^Iuf , bet anftatt eine 88fung 
übet ©ül^ne be^ ttagifd^en Sonflict« ju bringen, unfet 3nteteffc 
auf einen ©egenftanb tid^tet , toetd^et bet eigentUd^cn ^anbtung 
ftemb ift. SBa« ge§t ben ^Vi\ä)antt , meldten Stfa unb ßol^engrin 


.134 Sögncr« Sol^cngrin. 

befi^äfttgcn , bte ©ucccffton in StaBant an ? Unb nun gar bet 
flanjc 3öwbcr * unb 3Scttt)<inbIung6cH)^)arttt , tote au« bcv latema 
magica — ti)ic iptbemärtig finbifd^ fd^Kc^t er ein ^Croma, ba^ 
bie ^tätenfion mad^t, )>oettfd^c SlufgaBen ^joctifd^ ju löfcn ! 

3Btr i^afcen krettd gefeiten, ba^ tocbcr Sictramunb, nod^ Dr* 
trüb, noc^etfa afe Jr&ger fittßd^er 3becn unb fcttftönbtgc, in 
fid^ einige , feft au^ge^>ragte ©eftalten Slnfrrud^ auf bramatifd^e 
©ettung l^aBen. 3Son gol^engrin tä§t fid^ nid^t t>iet fagen. Sin 
3tt)eilam^f auf bem 2:^eater l^at nid^t Jjict p bebeuten, unb ba^ ift 
ba^ einzige »a^ er tl^ut , f onft feigen tt?ir il^n immer nur , mie er 
(Slfa DerBietet il^n ju fragen, ober fie auf irgenb eine SBeife kptet, 
ba§ fie fein ®ebet nid^t übertrete , fcttft bie giebe^unterl^attung 
gcl^t fel^r ktb bicfcn traurigen SBeg. 3n feinen legten Sieben aber 
ergel^t er fid^ in einer fotd^en ©atbung unb Dcrfiert fid^ jute^t in 
eine fo breitoeid^e ©cntimentaßtät , ba§ t>om 9?itter unb ^Iben 
aud^ gar nid^t« übrig bleibt. Slber nid|t nur @^a , fonbern ber 
Sl^or Derfid^ert bei jeber ©cfegeni^eit, bo^ il^nen baö ^erj tcrge^c, 
toenn fie ben fü^en »onnigfid^en SDiann nur fd^ai;en, ba^ ein »un* 
berbar feiig fü|e« ©rauÄi feine göttßd^e ©enbung offenbare — 
unb totr ftnb tjer^jfßd^tet, il^ncn ju glauben, 

!Den König unb ben ^eerrufer toirb 9?iematib oI« bromatifd^e 
©eftalten anf)e>red^en, ßd ift freilid^ übel, bag ber Sönig grabe 
|)einrid^ ber SSogler l^eißt, mit bem toir ben begriff Don tfid^tiger 
^raft unb (Sinfidl^t ijerbinben, i>on benen ber gute Wut, ber :^ier 
einen ^oeiten 3JianteI unb eine Srone trägt , feine ®t)ur »crrätl^ ; 
aöein man barf nid^t unbittig fein, ber "^^mt gel^t l^ier bod^ eigent« 
ßd^ nur ba« ßoftum unb nid^t bie ^erfon an, 

9lm übelften ftel^t e^ mit ben ©l^iJren, bie aud^ nid^t bad ©e- 
ringfte ijon bramaßfd^er Snbimbuaßtät an fid^ l^ben , benn man 
toirb c^ bod^ nid^t 3nbimbuafifiren nennen, »enn eine Snjal^t 
einjetnn ©öfee , bie atte einer 3Sorftettung angel^ören , unter ein* 
jetnc ^erfonen ijertl^eift loerben , tt>ie j. ö. bei ber änfunft be« 
©d^toan^. Uebrigeu« l^at ber ßl^or gar leine 2Ä e i n u n g , !aum 
eine eigene ® t immun g, baJ)on abgefe^en, baf er immer bereit 


SS^gmr« Söl^cjtgritt. 135 

ift äfccr So^engriji gcrül^rt ju »erben ; fouft ift er ba^* getreue ^ä}0 
bcffen , »a« er pfc^ gel^t l^at unb fül^t ftet^ einen trtt)tafen 
©emeinpla^ im OJhmbe. ®n getel^rter Etiler l^at tüngft entbecft, 
bafe ber Sl^or int Sol^ngrin bem „ß^oro^" ber gried^fd^n 5Era* 
gobte »er^onbt fei ; fööte il^n boju ber Umftanb öeranla^t l^aben, 
baf ber Sl^or im gol^engrin (m ber ^anblung feinen 2^eit nimmt 
nnb faft überatt ebenfo gut l^ter ben ßoußffen fingen lönntc , f o 
bürfte bicfcr geleierte JE^ebaner bod^ bei genaucrem @tubium ber 
gried^ifti^eu %xa%xUx no6^ mt^x ©ifferenj^unfte ate Ueberetnftim* 
mi(ng finben. 

SBir rootkn nun nid^t fragen , toiett>eit bie ^^rätetitiöfe ®^m* 
botü, ttjctd^e SBagner in feinem ©toff gcfunbeu l^t, im brama* 
tifd^en ©ebid^t reatifirt »orben fei ; benn fetbft menn bte$ gelungen 
ttväre, fo »äre ed ein l^ßd^ft jmeifel^after SJemei^ bafür,. ba§ ba^ 
!Drama ate fotd^^ gelungen fei. 3[u« ber obigen Slnaß^fe' gel^t 
l^röor , ba§ gol^ngrin n)eber in ber 3Äotii)irung ber ^aublung, 
nod^ in ber ßl^ralteriftil ber ^rfonen ben Slnforberungen genügt, 
»eli^c man an ein ÜDrama ju ftcüen l^at ; »ir bemerlten fogar in 
ben Sßctiwn nid^t aßein ben Sßanget an eigener Srfinbung , f on* 
bern in bem ungefd^idften ^ufammenfittcn einanber urf)?rüngßd^ 
frembcr , au« tjerfd^iebcnen ® agcn entfel^nter einjelner 3ü8^ «^^w 
nod^ öid bebenfüd^cren 3ÄangeI an 3SerftänbniB für ba-d ^oetifd^ 
^ebculfößie unb für :|>oetifd^en ^ufammenl^ang. 

Dagegen ift öiet gleif unb Sorgfalt barauf i^erjüanbt , ba« 
äußere Softum getreu ju tDoifXtn unb un« burd^ biefe äußerlid^cn 
Sßittel in ba« geben unb ben ®eift ber ^txt ju J^erfefeen ; bei aßen 
äußeren 5Dingen, beim §eerbann, beim ®ottc«gerid^t, beim S!ird^* 
gang u. f. U). xoixh ba« Seremonict ftreng beobod^tet. 5lte unter* 
georbnete« 2JKttet ber ÜDarfteßung ift aud^ ba« nid^t ju öerfd^mäe. 
l^en , nur barf e« fid^ nid^t mit ber ainmafung breit mad^en , afe 
fei e« ba« SJefcnttid^c für bie ^joetifd^e !DarfteflunB. Da« gemal^nt 
öietmel^r an bie SRitterromane , loo c« nid^t genug ebte 9iedfen 
unb blafcnbe J]^urmtt)ärtel unb ^ateberge itnb ^untpcn u. f. U). 
geben lann , um ba« gemeine ^ad ju »erftedten , ba« barin fein 


} 


136 Sagners Sol^engrin. 

Sefeu treibt. 35a« gebilbete publicum fic^t bcvgtctci^cn ntd^t müft 
unb tä^t fid^ bieltcid^t um f o tcid^tcr batübcr täufd^cn , ba^ btcfc 
inH)onircnbcn frembarttgcn äeugcrfid^feitcn aud^ kt SBagucr nur 
bicjcttc fltobc Decorotion^arbcit finb , bie nid^t bafüt cntfd^äbigen 
fann, ba§ ed mit bcr pott\\d)tn ©eftoltung fo mi^id^ beftettt ift. 

ÜDiefelbc JRid^tung geigt fid^ aiid^ in bcr Säcl^anblung ber 
®^)rad^c , unb ba un« bicfc afe ein SKufter ^)oetifd^et 5Darftcüung 
fogar franjöfid^ ge^jricfcn »irb , bürfen »tt aud^ l^ier »ol^t etwa« 
genauer gufel^en , tok c« ftd^ mit ber „öeränbcrten ©teüuug ber 
gactoren bc« bi«]^erigen o^jerf^^rad^ßd^en Slu^brudf«" berl^atte. Um 
biefem ftjrad^ßd^en 2lu«brudt eine etwa« oltertl^ümüd^e gätbung ju 
geben, »eld^e mit ben ßoftumen unb iöecorationen l^rmonite, 
]^t SBagner einzelne äu«brüdte unb SBenbungen tl^eil« au« bem 
Sßtbeutfd^enentlel^nt, t^eil« analog gu bilben gefud^t, ein "SScrf ol^« 
ren, ba« eben aud^ nur äugertid^ »trlen lann unb barum aud^ bon 
wal^ren ÜDid^tern nur feiten unb mit ber äugerften SSorfid^t angc* 
wanbt toorben ift. SBenn äßagner feine ^erfonen fagen läßt, id^ 
Pflög, id^ frug, in grül^'n, wetd^' ^aubtxn, ber 
§etbe mein, berJRedte wertl^, il^r äntti^ trfib unb 
bleid^e, l^ab Sol^n für fo biet ®üte, wenn fie in Irene 
Sam^)fe«^)fUd^t geioal^ren, jur ^utunft fd^auen, in 
@ott jurÄird^e gelten, nie be«Unl^eiI« genefen, in 
Unwert)^ bergel^en u. f. m., fo finb ba« Heine grommatifd^e 
^ledtereien, bie 5Riemanb irren werben, aüein 2lu«brüdte wie 

bcin l^anct Unficg, bittre ditvC; 

offen bc« gc^>cimen ©u?>lcn Pflegen; 

t]{^m eined Ringers @Iieb entfd^tagen; 

ben fortritt fottfi bu überall mir fd^ulben ; 

\eläf' fü]{^n beginnen feKt* i^m ntd^t gebüren; 

tt)em [otd^e 3anbert]{^iere frommen, 

bed' Seeinl^eit acj^te iä) für Sal^n ; 

laß bir ein Wlittd ^>ei§en ; 

be« 9eitter« bmm fottt gtoeifet i\)x nitifi ?>egen ; ' 

wod riffefl bu mir mein ®e]{^eimntg ein; 

nü^t barffi bu meiner bittern 9ieu' entrinnen 


^agneire Sol^engrin. ) 37 

finb nxäfi bto« läd^crßd^ ^^rätcntt8«, fonbcrn abfutb. ©onft jcid^* 
nct jtc^ bie @^^rad^c bce Sol^cngtin nur ait^ burd^ ba« ftatfe äuf^ 
tragen bcr garbcn, befoubcr« wcid^fid^ fü^ßd^cr, bic Häufung m^' 
• iDanbtcr Slu^btüdc, (feligfüg) ober ®|>ielen mit Soutraften 
(u n f c U g 1^ tb) unb al^nßd^c abgegriffene 2JHtteI einer unfid^er . 
taftenben ^anb , bie nid^t mit feftem ®riff ba^ SBal^rc ju f äffen 
toeig. @d lägt fid^ banad^ fd^on mit ©id^crl^eit fd^ßeßen, ba§' 
überl^au^pt bie ^)oettfd^e 5Eed^nif nur fd^ülerl^aft gel^anbl^abt ift. 
3d^ »erbe nid^t i)on ber ®aIo^>^^erie be^atl^^tj^mu«, bie fed^«fü§ige 
3amben unter bie fünpgigen taufen tagt , »o e« il^r ^a^t , nxäft 
loon bem üßipraud^ bcr SBortumftettung 

ju grcubcn »eiVn cu(^> toir; 

fo ^c^irer ^rt boc^ ifl bc8 ®rak« SBcfcn 

be^ 2H>oftro^)]^« — griebrid^ fagt nie anber« ate mein gl^r* — 
ber gßdtoorte, »ie bod^, nod^, nun, bie grabeju unfinnig ein* 
gefd^oben werben, van nur ben 3Ser« ju ©taube ju Bringen , nid^t 
j>on SSerfen fo au^gefud^ten aRipiange« toie: burd^ b eine 9i ein 
a n e in ; man l^öre ®fa^ Subelgefang : 

O fSnb' iäf 3ubcl»ctfen, 
bie beinern 9{tt^me gUi(3^, 
bie, toürbig bid^ ju greifen, 
an tiöd^flem ?obe reid^ ! 
3n bir muß id^ tjergc^^cn, 
t)or bir fd^toinb' id^ ba^>in ! 
SoU id^ mid^ [e(ig feigen, 
nimm aUed »ad id^ bin ! 


ober ben &)ox : 


(Srtönc, @iege«tt>eifc, 

3)em gelben laut jum greife I 

3lu]^mbcittcr ga^irt! 

$rei« beinern Äommen ! 

^eil beiner 3lrt, 

@d^üfeer ber grommen ! 

2)i(^ nur befmgen toir, 

bir jd^aKen uufre lieber ! 


t38 Sagner« iüo^engtm. 


ober: 


ober: 


92te feiert ein ^tb glet(3^ btt 
in biefe Sanbe tDiebec! 

@o toift'd ber ^üi^ toon Trabant: 
tt>er biefet tfl, macj^t er belamtt. 

SßkUif' Uner^Srtes mug t(j^ nun erfal^en ! 
O f ifnnt' er bie er^ung'ne fonbe f^^oren ! 


35ae xft mäft ^oefle, aud^ ntd^t ^)oettfd^c, fd^önc ®<>ra<j^c, f onbern 
bte gememfte l^audbodene $rofa^ mit ftmttmer unb 92ot^ eteitb 
gereimt, xoeläft auä) bie Keinen Slnfang^bud^ftalben ber 93erfe, bie 
ein ^^Jatron SBagner« ate 3nfj5iration be« mittetotterfid^en (Seifte« 
3Bagner*fd^er "?ßoefie ge))riefen l^at , nid^t t>or bem 35oItaire*fd^eu 
2Bort fd^üfeen I8nnen: ce qui serait trop sot, pour ^tre dit, on 
le chante. 

©0 ftel^t e« um gol^ngrin afe bramatifd^e« ©ebtd^t. gragt man 
bagegen, ob bd« Sönäf afe Ztjc&n^ vm SKuftl barauf ju mad^en 
angemeffen fei, f Joirb man anerlennett , baß ed eine änjal^ oon 
Situationen barbietet, meldte für mupfattfd^e 33arfteOung banfBar 
fmb, baß für Slbmed^^tang , für Sontrafte, für ein fcenifd^e« 
Arrangement geforgt ift, toetd^d mond^criei mufilafifd^e Sffectc 
begünftigt. Slßein biefe SSorgüge Befd^ränfen [\ä) auf bie aßgemeine 
ainorbnung, unb e« iff leicht eingufel^en , baß SBagner grabe burd^ 
bie Slnftrengungen , »etd^e er mod^t , ftott eine« 2^ef tbud^e« ein 
!iDrama ju bid^ten, bie ber 3ßufil gän^gen 3)2omente fd^n^äd^t 
ober aufl^ebt : ja, e« ift fafl lomifd^ ju feigen, »ie f aft nur ba, U)o • 
er ; oi^ne baran ju beulen , feinem äJorfa^ untreu toixt unb ben 
Zt]ct nid^t bramatifd^, fonbern o^erul^aft bel^nbelt, ettoa« mufila^' 
lifd^ JU ©tanbe lommt. 3n ber 33)^ ffat SSJagner ben ^)raftifd^en 
S3en)ei« öoüftänbig geliefert, baß fein ^arabofon, S)ptx unb 
©rama feien ibentifd^ unb muffen in einanber aufgel^n , bamit 
ba« tool^re ^nftu)crl entftel^e , fatfd^ fei , benn ba« mufilalifd^e 
Stement unb bie *ißrätenfion be« abfolut bramatifd^en fte^en ein* 
anber im SJege unb bringen fid^ gegenfeitig ju %aU. 


SBagncr« Sol^cngrm.' 139 

3unäd^ft tt>ttb e« nun unfcre SlufgaBc fein , bic mufilaßfd^e 
Sel^anbtung be^ %^piH6:|^^ utifcrer S3ctrad^tung ju mtterjicl^cn. ' 


SBcIanntß^ tft cö ein f)au:(>t^5rinci(> Sagnct« , ba^ bte bra* 
matif^e SRufif in bcm ©tnite btamattj^ fein foöe, bafe fic bie 
unaufl^altfam fortfd^teitenbe (£ntn)i(iclung bcr ^anblung in iebem 
3Koment rej)räfcntire unb ntit betfetten in f ottbaucrnbcr ©etüe* 
gung bliebe. @r verfangt ballet eine Sl^aralteriftil be« Sßontent^, 
fo f^atf unb ^jtägnant al6 mi>gß(^ ; er l^ebt be^i^att nid^t aüein 
bie übßd^e gom bet einjelncn ÜBufifftütfe in bet D))er auf, »etd^e 
auf bem entgegengefefeten '^rind^) be« 3SetU)eiten« in einer burd^ 
bic |)anbtung l^cri&org^ufenen Stimmung berul^et , f onbern er toiß 
im einjetnften eine onbcrc ^orm für ben mufüaßfc|cn 2lu«bru(f 
ber (Smpfinbung ate ba^, ioa^ er D^)ermefobte nennt-, ol^ne e« 
jebod^ feinem SJefen nad^ nSl^er ju Beftimmen. .®ner unferer 
5rageelrittlcr meinte , gol^engrin Öfe aüerbing« ba^ SBagner'f d^e 
*ißrobtem: er fei melobifd^ oi^ne SWetobie, 35a^ Ifii^ne 
SBort , xotwn man e« auf bie gitteratur anjcenben barf , ift tool^t 
geeignet un^ über bie geiftungen mocaiin ©d^riftfteüer aufjuftä^ 
ren , n)el(^e fid^ beftreben ba« ^^blem ju löfen , frißfd^ gu fein 
ol^ne Sritil, i)erftänbig unb gebitbet o^ne SSerftanb unb Sitbung: 
für bie SJfirbigung ber T)^)er reid^t ed nid^t oxi^, 

3n ber ÜE^at U5enn e^ benibar »äre , bag 3emönb eine £)!(jer 
f d^riebe in ftrengef Slu^fül^ruug iene^ ^rinci^)^ , f o iöürbe man 
burd^ ba^ banbujurmartige Slbf^jinnen ber J^erfd^iebenarßgcn , mu* 
fifafifd^ nur aneinanber gercii^ten SWotiüe — benn bie ®efefee ber 
mufifaiifd^en(Sntn)id(cfatng finb nid^t fd^ted^tl^in ibenßfd^ mit benen 


1) ©renjlbotm 1854 I e. 121 ff. 


1 


140 SBflgncrö So^>cngritt. 

bcr ^)oettfci^cn — gtateju U^ jur 95crKti)cifIung ge^)cinigt werben. 
3nbcffcn bic in ber "Katur bct Äuuft bcgrfinbcten ®cfefec taffeti ftd^ 
bei bcr 3lu«übung t)ielfad^ übertreten , grabcju aufgeben lann ftc 
'91icntanb , unb fie tt^erben fid^ immer tt?ieber n)irffam enoeifen. 
®o ift e« anäf SBagner ergangen ; an meieren ©teüen bed Sol^en^ 
grin ift er tt)ie inftinctmä^ig gein)ungen »orben §aft jn mad^cn, 
o^ne ba^ e« ba^ abfolut bramatifd^e 3ntcreffe fo »erlangte , unb 
bann l^at aud^ ber mufilafifd^e 5lu«bru(f eine abgefd^toffene gorm 
genjonnen. ®o im jn^eiten 3lct, nad^bem Drtrub il^ren yiaä)tplan 
gricbrid^ mitgetl^eiü l^at, fingen beibe unisono : 

!Der ^a6ft Serf fei nun kfd^tooren 
an9 meinet Rufend mUber 9^ad^t. 
3)ic i^^r in füßem @d^laf t)crIorcn, 
töißt, bag für cu^ ba« Un^ieil toad^t ! 

äbfolut bramatifd^ ift bie« gemeinfame 9ieca))itnfiren gen^ig nid^t, 
i)ielme:^r red^t o^)ern^aft , aber l^ier ganj am ^la^ , unb ba^ lur je 
35uett »ürbc U)irffam fein, »enn nid^t in ber öor^ergel^eriben lan* 
gen ©cene aüe Sm<)finbungen be« ^affed unb ber 9iad^e fo im 
3)etait mit ben lebl^afteften gerben au^gefül^rt toären, ba| für ben 
testen §au<>tfd^Iag bie SWittet ber Steigerung ausgegangen finb. 

^lad^ ©onnenaufgang terfammetn fid^ bie Sblen unb SKan^ 
nen mit bem Sl^or: 

3n grü^n tocrfammelt um hzt SRuf, 
gar biet i^erl^eiget tool ber ^ag. 
!S)er ^ier fe l^el^re ^unber fd^uf, 
mand^ neue ^l^iat t)pQ6ringen maQ. 

2ln fid^ ift gar fein ®runb ba, bicfe triöiaten (Sebanlen au^pfj^rc^ 
d^en unb im 3)rama »ürben fie läd^erlid^ fein ; l^ier breiten fie fid^ 
in einem taugen 6^or au«, bcr nur barin (Am 9ied^tfertigung 
finben lann , »enn er gut Hingt. 5Rid^t anber« ift e« mit bem 
Srautticb , beffen »eite 3luSfü^rung aud^ ber S^pex aßein juge* 
ftanbcn toerben Idnn, im ÜDrama aber ungel^örig fein »ürbe. 
©anj befonber« tritt bie« in aüen ©nfemblefäfeen ]^eri)or; ber 
gteid^jcitige SluSbrudt ber i?erfd^iebenartigen Sm^pfinbungen , nid^t 


SBagncr« So^cngriit. 141 

in einem bto^en 5rtebcneinanber, fonbetn in i^rer SSercinigung ju 
einem lünftferifd^en ©anjen ift fo toefentlid^ mufilatifd^ , ba§ bie 
(Sefefee biefer Äunft fid^ mit 9iot]^n)enbigIeit gcitenb mad^en unb 
ein Sel^atren in ber ©ituation beujirlen , metd^e^ ber bramatifd^ 
bewegten ^anbtnng an ftd^ fremb, ober nid^t notl^njenbig eigen ift. 
®o finb benn aud^ Sßagnet« Snfembtefd^e befd^affen; ate aJhtftei' 
lann ba^ <§>zlti im* erften 3lct gelten, »etd^ed ein fo öoüftänbig, 
aud^ äu^erßd^ abgerunbeter ®afe ift, ba§ man i^n ol^nc S9efd^tt)er, 
tt)ie er ba ift, l^eran^tofen lann. S^aratteriftifd^ ift e^ oXiii, ba^ 
SBagner, ber fonft bie lejte^tDorte nie »ieber^ott, in ben Sn* 
fembtefäfeen »ie in ben fetbftänbig au^gefül^rten ßl^ören, bieSBorte 
tpieberl^olt , au^einanberjiel^t, öcrfefet, tpie e^ il^m für bie mufila^ 
tifd^e ©tructur ^ja^t, fe^r oft ol^ne aüe biüige SRüdEfid^t anf feine 
eigene *ißoefie ; »a^ nad^ feinem ^rinci^) eine rein SuBcrüd^e 6on^ 
ceffion gegen ba^ Djjernl^afte, b. -I^, Unbramatifd^e ift. 

SSerfud^t man jnnäd^ft an biefen <S>ii%t\\ , metd^e in ber "S^ai 
mufilafifd^e finb, über 3Bagner^ mnfifaßfd^e Seiftnng fid^ ju 
Orientiren , f o finbet man f (iige ©ered^nnng gen)iffcr Sff ecte unb 
gcfd^idtte ^anbl^abung gemiffer 9JiitteI, aber feine^tt)eg« l^eröor'* 
ragenbe ßrfinbung, nid^t einmal unbebingte ©etbftänbigleit. ÜDa^ 
ermäl^nte Duett ift fd^arf d^arafterifirt, in teibenfd^aftfi^en älccen^ 
ten, ol^ne ben SBol^ttaut grabeju ju Derle^en, aber ba^ SDZobeß ba* 
für U)ie für bie ganjc @cenc ift fo fid^tbar 3Beberd Suri^antl^e, 
ba| man ol^ne beftimmten nad^tt)ei«baren Slnllang bod^ fortipäl^renb 
an biefelbe erinnert tt)irb ; bie 3mpulfe finb bal^er genommen unb 
nur bie Steigerung ber ÜKittet ift neu. 3lte ßuf^antl^e juerft 
crf d^ien , nal^m man befonberd an biefer ©cene jn)ifd^en S^fiart 
unb ggtantine Slnftofe unb fanb fie bi^ jur Ungenie^barfeit ftarl 
gen)ürät ; unb »a^ finb Jene SBürjen gegen biefe äf afocttba ! 3ener 
3D?änuerd^or l^at ctiDa« Don ber franiöfirenbfen SBeife bie 9Jiän* 
uerftimmen jn be^anbeln , toie toir fie namentßd^ aud^ bei 3J?ctjer^ 
beer finben , toctd^e bem giebertafetd^araf ter , ben bergteid^en ©äfee 
leidet l^aben, etwa« feineren "^Jarfum giebt, ol^ne il^n auf eine ^öl^ere 
lünftlerifd^e ©tufe ju lieben, ©onft mtrb bei ben 3Kännerd^5ren, 


142 Sagnei^ l^o^engrtn. 

»0 fic nväft vctn l^rmonifd^ gel^altcn finb , tote burtä^gcl^enb^ btc 
ber Sur^antl^c, mcl^r ber ©nflu^ SD&nbctefol^n^ , aber mäf 
ÜRarfd^ner« ftd^tbar. Dad «rautßeb tft gefäßig utib ^ü6fd^, 
ol^ne eben ortgiueü gu fein, unb toürbe in icber franjöfifij^en Dptx 
einen e]^teni)oüen ^tal5 fitibcn. S)a^ ®ebet aber ift in merlmürbiger 
2Bcife ganj 3Äenbetef ol^nifd^ , im Slu^bmcf ber gtBmmigMt, in 
ber Sü^rung ber Söielobie , in ben l^amiouif d^en SÖenbnngen unb 
Uebergärigen — mit äuönal^mc einiger f d^ncibenben ^Srten , bie 
SÖienbetefol^n überl^aitpt nid^t jugetaffcn l^ätte, urib l^ier getoi^ 
nid^t, toeil fie ganj unuiotiDirt finb — in ber Slrt, »ie S^enor uub 
©aB unisono bie 9Rctobie übemcl^men , in ber SSertängerung bc« 
©d^Ittffe^, furj fo öoflftänbig, bafe man l^ier faft Don ber ©d^ablone 
\puä)zn limxtt. @^ fd^abet ber SBirfung nid^t ; aber »ie lommt 
Sagner fcaju? unb ^xoie lommen begeifterte SBagnerioner boju, 
grabe bief en @afe lebi^aft ju bellatfd^en ? 

3nbeffen fagt man i^ieüeid^t , hierin fei 333agner« eigentfid^e^ 
SBefen nid^t p finben, ed feien bad nod^ bie festen 9iinge b^Äette, 
bie ber ®eniu^ gef<)rengt l^abe , gtänjenbe geinter unb @d^n>äd^n 
bed JRcformatord. ®U(^en tt>xx ii)n alfo auf feinem ®ebiet, bem 
ber bramatifd^en Sl^aralteriftil im oben angebeutcten ©inn. !Da 
e^ l^icr bie Sluf gäbe ber SWufif »irb , nid^t nur bem ®angc ber 
^anbtung ju folgen , fonberu bie einzelnen <>f^d^ifc^en ^Regungen 
au« jubrüdfen , metd^ bie §aublung motiöiren , f o »irb eine f ort«^ 
lawfenbe Steige üon eingetnen 5IRotit)cn gefponnen, bie fid^ gwar 
eine« öou bem anbern unterfd^eibcn, aber o^ne bem ©efcfee einer 
^S^rcn Drgoiiifation unterworfen ju fein :, e« entfte^t eine 35ar* 
ftcttungÄtoeife, tocld^e SRecitatib unb ßantilene mit einanber ju 
))erbinben fud^t, batb ba« eine Clement, batb ba« anbere t)orn)iegen 
läpt , ol^ne eine« öoöftänbig feiner Statur gemä^ ju entmidfetn. 
ätterbing« toirb bie Sl^araltcriftif unb ba« SSerftänbni^ berfetben 
baburd^ äugerfid^ erfeid^tcrt, loeil e« hierbei nur barauf anlomrat, 
für ein ©nj^ne« ben 5lu«brttdt ju finben unb aufjufaffen ; fd^»ie* 
riger ift e« freißd^ ba« (Sinjelne al« tntcgrirenben 2:]^eil eine« 
ülnftterifd^en ®anjen barguftetkn unb ju begreifen. Uebrigen« ift 


SBagncr« Sol^cngrin. ' 143 

bici5 !etnc«ti>cg« neu. 3>ic fogcnamite ©ccna, n)ctd^c einer 
aitic, einem Duett u. f. f. ijorauögel^t, eine »eitere 3lu«Hftung 
beö inftrumentirten 9iecitatit>« , ift au8 bcmfepben ^rinci^) l^r* 
vorgegangen. ®ie foö buid^ ben crl^öl^eten äu^brucf einer leb* 
l^aft belegten ^onblung (ober aud^ nur 3lction) VDr bem ÜDiatog 
au^geieid^nct toerben unb in ben äuöbrudE bcr auf eine n ^unf t 
concentrirten Seibenfd^aft l^inüberteiten , unb t^erlangt eben il^rer 
Energie njegen eine breiter ou^gefül^rte Xiorfteflung , loie fie 
nur in einer fünft&rifi^ gegliebertcu gorni göf^e^n lann. SBe* 
ber l^at biefelbe mit aSorfiebe bel^anbelt unb il^ finb anbere, 
namentüd^ 30? a r f d^ n e r , gefolgt , toetd^er ber ®cena eine gro^e 
Sludbcl^nung gegeben, benSl^or mit l^ineingejogen unb aud^ bie 
S3e]^anblung ber Siuale^ ber ber ©cena genäl^rt l^at ; aud^ ift ber 
Sinflug Sßarfd^ner^ auf SÖagner felbft in 3tcu|erßd^!eiten , unb 
nid^t immer in lobendn^ertl^en , ganj unverfennbar. SBeber ^oX 
bann — er mel^r ate ®^)o]^r — bie SRecitatiöe in ber ßur^antl^e 
burd^gel^enb« in äl^nüd^er Seife bel^anbett, unb 90? ererbe er l^at 
ba« mit oßem {Raffinement äu^erttd^er ÜDarfteüungdmittet unb 
j5ointirten Sf^jrit i)oüftänbig burd^gefül^rt. Wk biefc 6om<)oniften 
aber l^aben bie in beftimmter 55orm au^gefül^rten ©äfee nid^t nur 
unberül^rt gelaffen , fonbern fie ate bie $(au^)tmomente ber D^^er 
anerf annt unb }ene fcenenartige SDarfteüung^ioeife nur afe bie ux^- 
binbenbe, Dorbereitenbe angeioenbet. 9?eu ift alfo bei S38agncr — 
micttjo^t il^m fd^^n ®^)o]^r in feinen ÄreujfaJ^rern in mcl^r« 
fad^er Sejiel^ung vorangegangen ift — nur, bag er biefe f ogenannte 
bramatifd^ * mupfatifd^ ©arftettung ate bie aHeinbered^tigte aner* 
!ennt unb organifd^ gegtieberte ©äfee tM>n größerer Slu^bel^nung 
au^fd^ße^t — fotoeit er lann , benn ba^ fie bod^ toiber feinen 
SBitten ju ©tanbe .fommen , l^aben »ir fd^on gcfe^n, 5Da| nun 
bie^ fein gortfd^ritt, fonbern nut eine Uebertreibung fei, ift teid^t 
nad^jumeifen. 

©a^äBefen berSßufil liegt in bemäu^brudf ber Sm^ifinbung, 
unb fie fann biefette in einer Unmittelbarleit, SReinl^eit, mit einem 
uncrfd^ö^flid^en Sleid^tl^um ber feinften 9?uan.cirung , mit einer 


144' ^agncrd iOol^engrin. 

2!icfe ber Sluffaffmig batftcöcn, ba^ fiefogat bie coutraftitcnbcn 
Smijfinbungcn , tt>tc fie au^ einer gemcinfameu 3Bur jel l^etDorgc* 
gangen finb, totcbcrum ju einer lünftterifd^en ©nl^eit ju J)crfd^mel* 
jcn vermag. 3n biefcr tt)unberbaren Ma6:ii ber aJlufil liegt and^ 
i^re ®efd^ränlung : fie ift unfäl^ig, ben äu^brncf ber @nn>finbun* 
gen bi^ ju beftimmten SSorfteünngcn ju fifircn unb ju inbii)ibuaß* 
firen, fie vermag bal^er nid^t ^anblungen ate fold^c au^gubrüden, 
fie vermag ntd^t einutat bie ^jf^d^ologifd^e 3Jiotii>irung ber §anb* 
tungin il^ren 'ein jetnen SKomenten »ieber jugeben , »eit l^ier nid^t 
blo« (Snnjfinbungen toaßen ; f onbern ba« ©ebanlenmä^ige tt?enig* 
ftend in gteid^cm SDZa^e beftimmenb ift, toctd^e^ ber 9JiufiI an fid^ 
fremb ift. SBenn fid^ nun bie ÜBufif um biefer il^rer ®efd^ran* 
!ung mitten mit ber ^ocfie bcrbinbet , fo lann biefe 3Serbinbung 
eine^ gegenfeitigcn ®ebend unb 5Re]^menö nur barauf berul^en, bat 
icbe Sunft, weit beibe gemeinfam yi^if einem l^öl^ercn ©anjcn 
ftreben , fid^ ben ®efc^en biefer l^öl^eren ßini^eit füge unb fid^ in 
il^rem SBefen befd^ränfe , um fid^ mit ber anberu einig ju burd^* 
bringen, ättein niemal« !ann il^nen jugemutl^ct werben, bie 
©runbgefc^e il^re« eigenen SBefcn^ ju verleugnen ; ben 33ifferenj* 
^)unlt JU finben, in wcld^cm beibe fid^ vereinigen, ift ba^ Sßerf be^ 
®enic«. ®emi§ aber ift e« eine SScrffinbigung an bem innerften 
äöef en ber 3ßufif , wenn man forbert, ba|& fie aufgeben fott, wonad; 
fie il^rer 9iatur nad^ ftreben mu^ , bie au^fül^rßd^e reid^e ©arftet*' 
lung ber @m^)finbung in il^rem SäCeiben unb' ©el^arren, für meldte 
fie , eben weit fie eine Sunft ift, aud^ eine nad^ ®efefeen , bie nur 
aud ii^rem SBefen entfj)ringen, begränjte unb gegtiebcrte gorm fid^ 
mit Sßotl^wenbigfeit bitbet, 6« ift naturgemäß, ba| nid^t bto6 
einjetne Sm<>finbungen f^jrungfoeife angebeutet werben, fonbem 
auf biefe fortwäl^renb erneuerte ^>arttette 3lnf^)annung eine totale 
in^enfive Sefriebigung , ein Slu^trömen ber erregten Sm^)finbung 
erfolge, wetd^e^ not^wenbig fid^ ausbreiten muß. Seiber ift eS 
übcraü bie SBeife ber mobcrncn Äunft, vietfeitig anjuregen oi^ne 
abjufd;tießen , öorjubereiten ol^ne auf jutöfen , auf jüregen ol^ne ju 
beruhigen, ju martern oi^ne jit ertöfen, furj viel ju verff redten 


Sagner« Solf^eitgrin. 145 

unb toenig ober ntd^tö ju galten, unb barin fiegt jum großen 
Z^txi bicfittUd^e @utn?ürbigung unfercr Äunft, Sit l^abcn fd^on 
oben gefeiten, ba| S33agncr trofe feine« ^^irinci^« ju eigentüd^en 
Dj)ernfafecn gebrängt »irb ; ein anbere« Setf^iel fann — bon bem 
®o(o 5Eetramunb« im jn)eiten3lct jn fd^meigen, ba| einer Sa^arie 
fo äl^nfid^ ate nnr mögßd^ ift — bet ©d^tn^fafe be« erften 5lct« 
bieten. ®anj rid^tig ^atSBagner gefül^It, bat ^i^ ^^8^ 3^** ^i^" 
bnrd^ in aüer SBeife angef^anriten Sm^finbnngen an^ ju freiem 
@rgu§ (o«getaffen »erben utüffen. Slttein id^ n)ütte in bcr 2^i^at 
nid^t JU fagen , tooburd^ biefer ©afe fid^ t)on einem raufd^enben 
ginalfafe einer beliebigen D^)er nad^ getoöl^nlid^em B^f^i^^ unter^» 
fd^iebe, nid^t burd^ bie ^joetifd^e Slntage, nid^t bnrd^ ben Ztict, ber 
oben mitgetl^eilt ift , nid^t burd^ bie mufüatifd^e gorm unb teiber 
aud^ nid^t burd^ bie Srfinbung. S)a6 ^au^Jtmotiö @(fa« ift un^ 
fangbar , fd^tȟ(ftig , m^ einjcfnen ^i^rafen xufammengefefet unb 
tro^bem, bafe e« mit ungetoBl^nüd^en ^armonief olgen l^erauöge^^ufet 
ift, getoöl^ntid^ : ed erinnert anSÄarfd^nerin feinen fd^tt)äd^ften 
©tunben. 

S« gel^t aud bem Slngeffil^rten l^erbor, ba§ bie Slufgabe, loetd^e 
3Bagner in bem größeren STi^eil ber S)ptx ber 9)?ufil jugetoiefen 
l^at, in feinem ®inne bramatifd^ ju d^arafterifiren, nid^t genügenb 
ge(ö«t »erben fann. So ber S^arafter mel^r e|>ifd^ ift, toic in ben 
9Jeben be«Ä8nig«, be« ^eerruf er« , S:etramunb« im erften Slct, 
l^at bie 3Wufif eine befd^eibene ®teßung, fie barf nid^t biet mel^r 
Ate ben ®rünbton ber allgemeinen Stimmung anfd^lagen unb feft* 
l^alten; fon)ie fie ju inbiüibualifiren berfud^t , toirb fie berberben, 
»eil biemufifaü^d^en 3lccente ju fd^arf unb gemid^tig finb, ünb 
ben einzelnen Sßomenten ein ^atl^o« berleil^en , »eld^e« ben 3«* 
f ammeni^ang jerftiJrt , »ie »enn ein ©d^aufjjieler im Siecitiren bie 
(ginjelnl^eiten übermäßig betont. §ier ^t nun SBagner be« ®uten 
JU t^iel getl^on. SBenn ber S5nig unb ber ^eerrufer faft nur unter 
Siccorben bon SSled^inftrumenten fingen, fo ift bamit ber allgemeine 
2^on fd^on i^iel ju fd^mer unb j)at^etifd^ genommen ; allein »enn 
nid^t nur ber Äönig , bem ein billige« 9)?aa§ ijon JR^etorif juge* 

3a^n,«auffo^eMber2Huitf. • 10 


1 46 Sagncre So^engrm. 

ftanbcn metbea hm , fonbetn ^Mi) bet ^emufet feine frttti^ 
Sntrüftung, feine aiüi^ntng uub anbete Mn<)affenbe ©emüt^betpc* 
gungen )>at]^etifd^ ändert, fo ift bem Stuietnen jU Siebe bie Sßai^r« 
]^it unb Gattung bed (Sanken geopfert. Seit bebenlU^et ol&et 
toirb bie ntufilaßfci^e ß^atalteififti! ba, too fie einer f i>ttf^teitenben 
^f^otogifd^en SKotbirung bienen foQ, koie int Anfang be^ in>etten 
unb be^ btitten 9lct«. ÜDenn ba fie bet aömäi^ttd^ fortfd^reitenben 
tattoneUen (Sntmtdelung nici^t gleid^mägig folgen f ann , f onbem 
nur einjetne ®<)it}en , in bcnen bie gm^^finbung ]^et\>orttitt , blefe 
aber um fo f^i^ärfer l^rtjorl^bt , f o toirb eine foid^e ß^arafteriftil 
not^tt>enbig Ifidcn^aft, meiftend fd^icf, iebenfaß« ungenügenb »er* 
ben, ©er 3w^örer n>irb burd^ raf^ aufeinanber fotgenbe fra^j^^ante 
(Stuielnl^eiten anfangt gereijt unb gef^annt , auf bie Sänge akr^ 
tt>eil ol^ne gtei(i^mä|tge Kontinuität aud^ lein toal^re^ SSerftänbnig 
benibar ift, ermübet unb abgef^>annt »erben, ©er Som)?onift »irb ' 
ju beiben Sjtremen gebrängt , fotoo^t bie ber mufifaßfd^en Dar* 
[teßung günfttgen SRomeute ju übertreiben , al^ au^ bad an fid^ 
ber 3Rüfif ntd^t B^^f^genbe burd^ SRittel ju erjtt)ingen, »eld^ att|er 
i^rer ®))]^äre ßegen. S3eibed ift aud^ bei 9{kgner eingetreten. 
Uebertrieben ift fd^on feine !E)edamation , bie , obgleid^ int tUtge* 
meinen (oben^mertl^ genau unb fd^rf , bod^ fe^r läufig auf bie 
®t>tfec getrieben ift, ti>a« ein muftfaßfd^ gebilbete^ D^r ebenfo 
t>erlefet/ xok »enn ein ©d^uf^ieler jtoar rid^tig redtirt, aber im 
©etonen unb Slrticußren übertreibt, gernen ift er in feinet S)ecta* 
marton mel^r rl^etorijd^ ate mufilaßfd^, unb entfd^eibet fid^, anftatt 
in 3tt)eifetefätten au^jugteid^en , ftet^ gegen ba« muflfaßfd^e @te* 
ment. ^er aud^ me(ebifd^ unb l^armonifd^ übertrieben ift 
bi« jur unfd^önften SSerjerrung ein großer Üi^eil ber d^ralterifi* 
renben 3^8? / womit bie ^rtie ber Drtrub reid^fid^ bebad^t ift ; 
in entgegengefe^ter 9iid^tung So^engtin« ®teüe : ^ätl^meft bu 
nid^t mit mir biefü^en ©üfte", tt>o man bnrd^ einen 
fügßd^n ®d^mu(ft l^aarfträubenber Harmonie ^inburd^ge^einigt 
tt)irb, fi> tt)ibcrnatürßd^ unb uuttjal^r , ate bie romantifc^e $R^etoriI 
ber 3;e|te«n>orte. 


SBagncr« ^o^jcngrin. 1 47 

Da« ©cftreBcn , fibcraQ bic Sl^araftcrtftif ju f orcttcn , l^at 
SBagncr nod^ anf ein anbete« ^rincij) gcfül^rt, . Um bem mufüa* 
ßfd^cn «n^brutf ber ©ttnarton eine 95erftänblid^leit unb ©euttic^^ 
lett ju geben, wetd^e gewiff ermaßen l^anbgreiflid^ unb unjtoeifet^aft 
tt)äre , ^ai tt für bte toefentltd^en ©lemente ber ^anbtung , mSgen 
pc bic ^crfonen ober bie ©ituattonen angeben , beftimmte d^atal* 
tetiftifd^SRotiije angemenbet, toeld^e er überaö ba ganj ober tl^eif* 
iDetfe »ieberl^olt ober auci^nur anitingen läßt, too er tmBufd^auer 
bte »orftcCtang em^ed en xoxVi, »efd^e ba« aJiotit) au«brü(!t © olci^e 
aWotiije, toetd^e fid^ i)orio5rt« unb rüdtoärt« beutenb burd^ bie 
ganjc Djjer jie^en , ftnb bte SKetobte , xot^t ba« aot^fterium be« 
®rat« au«brndK, ba« SKottt), mit toeld^em ßol^engrin al« ritterßd^er 
C)e(b d^arafteriftrt »irb , bie 51»e(obtc feine« 93erbote« an (gtfa, 
femer ein ober cigentUd^' jtoet SKotiijc , ttjeld^e bie 93erberben brü* 
tenbeOrtrub btjetd^nen, nnbenbfid^ ba«2Wotit) be« ®otte«gerid^t« ; 
ein paar anbere, bte aud|^ mel^rmal« n)ieberle]^ren, xoxt bieSWetobie 
bei ®fa« Srfd^einen , ber 3lnfang be« 8iebe«buette« ftnb n^euiger 
t^id^tig. !E)ie ©ad^e ift tt)ieberum nid^t neu ; öiele ßonn^oniften 
l^aben gciftreidB ober )fi\xvx^ ^jrägnante SWelobten toieber anttingen 
taffen , um eine beftimmte 35orfteüung im '^vAfixtx l^ertjorjnruf en, 
unb Seif^)ie(e ftnb febem gegenwärtig. . 2lüein fie l^aben bie« nur 
im 35oruberge]^en gcti^an unb ntd^t fo, baß bie muftlattfd^eSl^araf^. 
teriftif auf biefem t)flff«mittel berul^t, SBagner eigentl^ümtid^ ift 
bte Uebertreibung , ba« , tta« an einem beftimmten ^ta^ geiftreid^ 
angen)enbet gutgeheißen »erben fann , jur JRegel , yxm ©i^ftem ju 
eri^eben. 35enn fo ift e« : fo oft eine ber obengenannten 35orftet* 
fungen enttoeber in Slction tritt , ober einem ber ©arftetfenben in 
ben ®intt lommt, ober in ber ©tiüe fonft fid^ toirifam ertt)ei«t/ 
tritt unerbittlid^ ba« entf<>red^enbe SKoäi), meift im Drd^efter, ein, 
unb einige, n)ie ßol^engrin« ©erbot unb bie „corroftDe" äßelobie 
Ortrub«, Hegen einem fortwäl^renb in ben Dl^ren. Sür ben 3«^ 
l^ärer mirb e« förmttd^ eine neue ÜRnemoted^nil, too er ftd^ 9Keto<« 
bien merlt ftatt ber SBörter , unb er muß immer Äd^t ^eben , baß 
t^ nid^t ein SKotit) entgeht, momit er nad^i^er o^)eriren foü, S3?er 

10* 


1 48 Sag»er0 Jol^cngrin. 

im ©tanbc ift , fcftftänbig bcm ®angc cmc6 ©tüde^ ju folgen, 
fül^It fid^ je länger ie mei^r befäfttgt, tt^enn il^n ba^ Dni^eftcr fort^ 
tpäl^tenb , tote bic audgcftrcäte §anb in ben Sntcttigenxbiättern, 
anf ba« l^intt)ei«t , »a« er bcad^ten f oüe unb \m er ed ju üerftel^en 
l^abe. 3- ®» ö)eftn im ©ingange be^ xnjeiten Slcte« , »o Drtrnb 
anf 9?ad5>c finnt, mitten in bie „corrofii^e" gignr bad 5Kotit) ,,9lie 
foüft bn mid^ befragen" l^ineinfd^tägt , fo Derftel^t man fretlid^ 
gfeid^, ba§ il^r bie^ Sterbet im ©inne liegt , ate ber $nnft , öon 
bem il^re 9?ad^e auögei^en Jbirb ; ober toenn am ©d^Iu^ beffetben 
acte«, »0 Drtrnb eifa brol^cnb anfielt, baffelbe aRotiö ertönt, fo 
n)ei§ man gleid^, ba§ man benlen foü, ba^ fie benft ; bie »irb il^n 
fragen. 3d^ l^abe nid^t etwa bie l^anbgreiflid^ften gatte an^gefnd^t; 
nnb nnn frage ici^ , ob man für Sente, bie einen fttücn 2^rinm|)]^ 
feiern, ba§ fie biefe SSöinle i^erftel^en, ober bic e« nöt^ig l^aben, 
ba^ ii^nen für ba« , »a« anf ber Sül^ne gefd^ie^t , nod^ obenein 
bie aut^entifd^e Interpretation im Drd^efter gegeben »erbe , ein 
Snnfttt)erl fd^afft. Denn ba^ biefe« ganje 3Serfa^ren nid^t« ift 
al« eine änßerlid^e ÜDecIaration bnrd^ ein SDiittet, n^efd^e« mit bem 
SBefen ber aÄnfif nid^t« p fd^affen ^^i, ift \x fiar. 5Rid^t bnrd^ 
bie tebenbige ß^arafteriftil be« 9Äoment« wirb biefe« SSerftänbnife 
betoirft, fonbern burd^ bie Sl^^^eüation an ba« ®ebäd^tni| be« 3^^' 
l^örer«, toeld^e feine 35erftanbe«Iräfte ju einer, »enn and^ immerl^in 
[ einfad^en ßombination in Semegnng fcfet, anf ber ba« 3Ser«' 
\ ftänbni^ beml^t ; ba« ift aber fein mnfifalifd^e«, SBie fd^on gefagt, 
ba« 35erfa]^ren ift nid^t Dertoerfltd^ , loenn e« mit ®eift unb in ber 
Säefd^ranfnng angetoenbet »irb, loetd^e einem entfernten unb fd^on 
be«]^a(b imtcrgeorbneten ^unftmittel julommt , aüeiu jum Softem 
^ gemad^t i^at e« bie golge, ba§ bie innere 3WotiDirtmg ber ^anblung 
! (xvA ben §anbe(nben ]^erau«gejogen unb i)on il^nen Io«getö«t »irb, 
fo ba^ fie ju SRarionetten n^erben , n)ärrenb ein anberer , ba« Dr^ 
d^efter, für fie, au« il^rer ©eefe ^erau« fj)rtd^t. ® obann muffen bie 
ftei^enben aJiotii^e , mit benen oj)erirt loirb , ju gormein erftarren 
/ unb JU einer 9lrt i)on älgebra fül^ren, tt>orin fie, »ie bie S3ud^* 
\ ftaben, nid^t an ftd^ geften, fonbern tttoa« anbere« bebeuten. Sine 


SSßagncr« Sol^cngrin. 149 

einfädle Sctrad^tung feiert, b*og btcfe 9Scru)cnbung ftetcot^^)cr ÜWo^ 
ti'ot nur ein ganj med^antfd^e^ SJctfal^tcn ift. SBttb bod^ bicfctte 
®runbi)orftcÖung ober ®runbettH)finbitng, n)cnn fie in t)crfd^tcbe* 
ncn aWomcnten ber §anbtung 6cfttntntcnb emtütrft, burd^ bte 
i)eränberten SSerl^ättniffc in bcr ©eelc ttjie im SJhtnbe berfcttcn 
^crfonen, unb nun gar bei Derfd^iebenen ^erfonen, fid^ auf« 
mannigfattigfte mobificiren , »ie lann benn ber ntufilatifd^e Slu«* 
brudt unt)cranbcrt bcrfclbe Meiben ? Unb öon ber^rein ntupfalif d^en 
®eite l^er fül^rt eine J)ern)anbte SJeobad^tung auf benfetben 'ißunlt. 
35er mufilaüfd^e 3lu«brudt teber Situation nimmt eine beftimmte 
gorm an ; »ie frei man fid^ biefetbe aud^ ben!en möge , unmög* 
tid^ fijnnen in biefetbe forttoäl^renb frembe , für fid^ abgefd^foffene 
5Kotit)e l^inetngefd^oben »erben , ol^ne fie ju jerftören , toit tt^enn 
man in eine im glu§ begriffene SDtaffe fd^on fertige ©tüdfe l^lnein* 
»erfen tooüte. ®oß ein lünftterifd^er Drgani^mu« ju ©tanbe 
f ommen, fo muffen bie ju iDieberi^oIenben SDtotiDe nid^t fijc unb fer* 
tig baju getrau , fonbem bon neuem in glufe gebrad^t tcerben , um 
bem Sebürfni^ bcr Sorm gemäß mobificirt , mit ber Umgebung 
»erfd^moljen, lurj i?er arbeitet ju n)erben. Statt einer fold^en Iünft== 
lerifd^en ©eftaltung unb ÜDurd^bilbung ju n)a^rer ßl^aralteriftif 
finben »ir aber nur ben rollen SDiateriali^mu« äußertid^er Äenn* 
jeid^en, ber nod^ baju ^)rätenbirt gciftreid^ ju fein. 

!E)iefer ^)rinci^)ieüe geinter l^at nod^ einen ^)ra!tifd^en Uebelftanb 
jur golge. 5Dte meiften ber fo t)ertt)anbten SDiotiöe finb aüerbing« 
fd^arf l^erbortretenb unb marlirt — ba« ift gut, tdtxl man fie pc^ 
merlen foü, übet, tt^eit man fie f o oft l^ören muß — , aber jte finb 
für ba« Drd^efter gebadet unb erfunben , tt)eit fie biefem meiften« 
jufatfen. 35aburd^ ert»äd^«t ber Slad^tl^eit , baß, toenn bie ®ing=* 
ftimme baju f ommt , biefe in ben ©d^atten gebrängt tt?irb , anftatt 
i^er^orjutretcn. S)enn entmeber bominirt ba« §au^)tmotib, toie^o^t 
e« in ber Segteitimg auftritt, bod^ in ber5^at, toeit bie®ingftim* 
me ein l^atbe« parlando ober eine unbebeutenbe unb gejtoungene 
©egenmelobie l^at ; ober bie ©ingftimme loirb genötl^igt , mit bem 
nid^t für ben®efang bered^neten3Kotibfid^gutoberbö«abjufinben. 


150 Sagtterd Sol^fengrin. 

®o ergei^t ed bet ©ratömetobie, bie }um ®d^(ug, mo fie Sol^engtin^ 
cntjüdtc JRebc tt)ic mit einem 4)eift8ßnf(i^in umftral^ten jott , bcn 
größten Sli^eit il^rer SBirfung einbüßt butd^ bie i^x iiitfaeKebtc 
® ingftimme , für »eld^e fie ni<i^t erfunben toax unb bie )>ergebli(i^ 
gegen ba^ Drci^efter anläm<)ft , »al^renb biefe^ unter Dem ange* 
pngten ©leigetoici^t erlai^mt. Sfliäft anber^ ift e« mit Stfa« ©r* 
jäi^lung, tt)o bie ©ingftimme ebenfaü« ju feiner freien ©elbftänbig* 
feit gelangt. §ier i^ätte aßerbing« tnxäf ©eniatität ber ©riflnbung 
unb aöieifterfd^aft in ber 5£ed^nif öiele^ beffcr gemad^t »erben 
fönnen, allein ber lefete ®runb be« SSerfel^lten liegt in bem »erfe^r« 
ten ^iprincij). 

S)ie^ fül^rt nn^ auf eine öorgeblid^e (Sigentl^ümtici^feit ber 
SSagner'fd^en SDiufU, »etd^e man l^äufig al« einen SSorjug ganj 
befonberer SSorne^ml^eit rüi^men l^ört: ^fie l^abe feine aWelobien, 
bie man fetbftättbig anff äffen unb mit nad^ §aufe ncl&men fönne, 
unb ebenfotoenig einjelne -abgefd^loffene ®ä^e , bie man l^erau«* 
trennen ISnne für bie ^iano^ ber Dilettanten." Da« teftte l^at 
fd^on 2ifjt factifc^ ö)iberlegt, ber mei^rere einjelne ®tü(fe für ^ia* 
nof orte trandf cribirt l^at , unb unfere ©artenconcerte tl^un e^ fort* 
iDäl^renb. Die erfte S3e^au))tung lann too^l nur auf einem iD!iß< 
Derftänbniß berul^en. 333agner fetbft fagt nur, er »olle leine 
D<)emmelobien , ma« benn t>on ben 5ßad^betcrn ungefd^id t öeraß* 
gemeinert ift. 2Ba« er unter D^)ernmelobien meint, giebt er nid^t 
an unb id^ getraue mir nid^t ed audjulegen. Slber eine »unberlid^e 
Kategorie ift jiebenfalld bie ber nad^ ^aufe ju bringenben Sßelobien, 
»enn bamit Sob ober 2iabel audgef))rod^en »erben foll ; e^ lommt 
babei auf bod SnbiDibuum an : ben einen erfreuet »ad er nad^ 
§aufe bringt , unb ein anberer »äre baffelbe i^erjlid^ gern lo«. 
Uebrigenö müßte einer taub fein , »enn er bie ftel^enben SWotioe 
im So^engrin nid^t bel^alten follte. . Unb eben biefe ftel^enben 
3Jlotik)e , bie überaQ eingefd^oben »erben , finb bod^ »ol^l ^e»eid 
genug für bie ©elbftänbigfeit Sßagncr'fd^er SKelobien? S5ei ftreug 
tl^ematifd^er Sel^anblung , »ie bei SBad^ , bei organifd^em Durc^ 
bilben unb 35er»ad^fen, »ie bei ©eeti^oöen, ift allerbingd ein 


§craitdIBfcn bet ctnxdncn 23^tfe faft unmögtid^, tt>cit ba« ©tiiclne 
nur im ©atijcn ©ebeutung ^at ; attein »o nur ein Slncinanbcr«» 
rcil^en bcr einzelnen SIRomcntc ftattfinbet, gicbt fi(3t bic 5CrennBarIcit 
öon fctbft. äßan ntu§ frcllid^ nid^t jcbcn fctbcnf(i^aftli(^cn äccent 
einer recitatiüifd^en ©teöe ate fcttftänbigeö ©anje auffaffen unb 
mit nad^ $aufe nci^men tooücn — aber mx njtrb au^ f o nnnatür* 
ix6ft ®elüfte i^aben ! Sa« bie aWcIobienbifbung anlangt , f o ift 
bic« too^ bcr ^unft , ujc bcr tnbiDibucöe ©efd^macf am cntfd^ie* 
bcnftcn [id^ geöcnb mad^t. SWeinc« grad^ten« jcigt SBagner ^ter 
leine groge unb namentlid^ leine freie Srflnbung , ba« ©eftreben 
d^raftcriftifd^ ju fein tagt leinen rul^igen ging unb leine ^armo^' 
nifd^e 2lu«bilbung ju. 3Die t^rifd^en ©teßen bcr (Slfa jeid^nen fid^ 
uDd^ am meiften au« , aber fie ftnb ju tt)eid^üd^ , ti>ic j. 33. bcr 
d^romatifd^e Kammer bei ben SBorten ,,mein 3lug' ift jugefatten'^ ; 
bic breiter angelegte SÖictobic im ©uett mit Drtrub i^at leinen 
rechten f)alt unb gel^t au«cinanbcr ; »o pe (eibenfd^aftlid^ tpirb ift 
bie ^rtie faft überaß unebd. ^ SBirlßd^ fd^öne Büge finb meift 
üorübergei^cnb, tpie g. ®. bcr ®eginn be« 8iebe«bnctt« ; bie fatfd^c 
SBorftcüung J)om' ßi^araftcriftifc^en lagt lein geft^tten unb gort^* 
fül^ren ju* Dagegen finben ftd^ nld^t fetten ÜJictobien, bie t)oüftan=' 
big Jjcrfd^robcn finb , bamtt fie nur ctma« ju bebeuten fd^einen, 
unb ba^crDcöftänbig unfangbar »erben , g;®. ba« »iberwärtige 
SWotiö JU ben «Borten Icframunb« „®tm^xt, ob id^ fie fälfd^Ud^ 
fd^att" , ba« nad^l^er »icbcri^oft tt)irb ; ober in bcr Anleitung jum 
jweiten Slct bcr ®ang bcr SJiolonceße in öcrminberten 3ntert>aöen 
unb fVnco|)irten JRl^^tl^mcn jum ^aufenmirbet auf Fis , mo bie 
S3o«:^cit freittd^ mit bem aRaurer^infcl gematt , aber »cnig SMufil 
iu finben ift. J)od^ e« fann nid^t« nüfecn l^icr einjetne ©cif^jicle 
gu l^äufcn. 

9Rerftoürbig ift bcr SWangcl an (Srfinbung im JRl^^tl^mifd^en. 
SSa«ftd^ ^icr eigent^ümlid^e« finbet, befd^ranft fid^ faft ganj 
auf (Sinjelnl^eiten. 9luff äßtg- ift mand^e, meift burd^ bie j)eclama* 
tion l^erDorgcrufenc , »?unbcrbarc 9iüdEung unb @^nco^>irung, 
j.S, in S^clramunb« Slric, ober bei ben SBorten Drtrub« ,,©oöid^ 


1 52 SSögner^ Sol^cngrin. 

inOnabcn Bei bir t^o^nen", »o bie©ratfd^entitS3iertctn, SSiertcC* 
fcjtoten, 5ld^tclf ejtotcn tped^felt, tok ein ficbetl^af t uurul^tgct ^«fe ; 
attcin einen otigineüen fttfd^en JRl^^ti^ntn« t>on langem 3^8 ' ^^^ 
ein SKnfüftüd »itfüd^ neu belebte, totrb man bergebltc^ jud^cn. 
Dagegen finbet \x6f leiber bet öewünfd^te jet^acftc JRl^^tl^mn^, 
befonbet^ in S3a^motit>en , j. 58. tijiebet^olt bei ben t>ctf(i^iebencn 
^l^tafen , bie ba« ® otte^etid^t angelten , toeld^em 3Jiet^etbeer jn 
Slnfel^en t>et]^olfcn ^at unb bet, id^ toei^ ntd^t n)ie, Äraft nnb 
saSürbe an^brüden fotl, ba bod^ bieg Linien nnb §nmi>eln ba^ 
©egentl^eil t>om f^ften männtid^en Slnftreten ift. 

©ei meitem mcl^t eigent^ümlid^e SBirfungen etslett SSBagnet 
butd^ bie Harmonie al« bnrd^ 5Kelobie nnb JR^^t^mn«. TOetbing« 
finb mäf bief e aWittel il^rer 5ßatnt nad^ maff en^aftet , btaftif d^er, 
atf in feinem ® inn d^araftettftif d^er, nnb bann ift auf bem ®ebiet 
be« ^atmonifd^en ber SWangel an originaler ©rfinbnng burd^ @r* 
flnbfamMt, Sombination^gabe nnb (Sefd^icflid^feit weit el^er jn tcr* 
bedfcn. Sßal^rl^aft neue ®(i^ö^>fungen, ober and^ nur geniale ©lifee, 
njeld^e einen Slidt in früi^er nid^t geal^nte ^Regionen ber §armont« 
eröffnen, offenbaren fid^ nn^ nid^t ; eö jeigt fid^ and^ l^icr nur 
bie Uebertreibung in änwenbung be^ fd^on ÜDagetoefenen , tt)eld^e 
freilid^ überrafd^enbe 933irfungen l^ert^orbringt. 5lber nur fiber* 
rafd^en ift leine Sunft. SBenn Semanb , ber in gutfer (Sefeüfd^aft 
ju fein glaubt, <)l8felid^ öon feinem 3lad^bar eineOl^rfeige befommt, 
fo toirb baö ol^ne 3^eifel einen überrafd^enben (Sffect auf i^n ma^» 
d^en , unb fold^e ^armonifd^e , ober öielmel^r unl^armonifd^e Dl^r* 
feigen erhält man im Sol^engrin {eben Slugenblicf , mitunter l^agelt 
eö orbentlid^ ?üffe. 5Der (Srunb liegt aud^ ^ier »ieber in bem 
©eftreben , bie S^arafteriftil eineö jeben cinjelnen 5Koment^ auf 
bie ®^)ifee ju treiben, ©al^er junäd^ft ein SSermeiben bcffen , »ad 
nid^t nur ba^ ©etoö^nlid^e , f onbem aud^ ba« 5Raturgemä|e toäre, 
unb ein ^er^orfud^en ber »eniger nal^e liegenben ^armonifd^en 
SBenbungen, j. ©. fra^)^)ante ©d^lüffc an^ 9Rotl in 5Dur, ober 
tt)o man nad^ ber Sionica bie Dominante erwartet , ber Uebergang 
tu bie Durtonart ber ^Terj unb tjiele« äel^nlid^e , ba« an feinem 


Sagner« So^fcngrin. 153 

Ort bottrcff tid^ toirlt , - aber »enn c« abgcbtaud^t tottb , feinen 
ß^araftet einbüßt. SDal&in gel^iJtt bet ©tä^tng mit ber bont Quart* 
fejtenaccorb Dorgel^öftenen ©ejte jum angefd^tagenen ®e^)timen^ 
accorb, ber einen toeid^üd^ fentimentaten äuÄrudE giebt, unb nad^* 
bem i^n ©eber unb ÜRenbetef ol^n ftarl t>ernufet l^aben, im Sol^engrin 
fo burd^au^ ftereot^^) in ber Santitene ift , bag man Don bief er 
SBenbung iebcömal einen fidleren JRücffd^Iul auf bie Intention 
einer Santitene mad^en fann. SBenn bagegen ber gemöl^nlid^e 
'Dominantenfd^Iu^ fxd^ mitunter breiter mad^t ate nötl^ig u>äre, 
l^icr unb ba (toie beim ©d^Iufe ber 3lrie Sieframunb^) ncd^ mit 
ettt)a« ®en)ürj t>erfefet, fo (ä^t man fi^ ba^ t>\zi ei^cr gefaöen ; n)ie 
benn fiber]^au\)t burd^baöfortgefefete$eröorjie]^enbe«gra^>\)irenben 
ba^ cigenttid^ Siriöiate fo yx Si^ren lommt , bafe e« mand^mat u>ie 
originell Hingt. 

3Me fd^Iimmfte golge be« ßl^aralterifiren« im ©njelften ift, 
ba^ nun aud^ in ber Harmonie 5lüe« ol^ne inneren 3ufammen^ng 
t>ercinxett toirb. ÜDal^er mit SSorliebe Sccorbe unmittelbar jufam* 
mcngeftettt »erben , bie enttt)ebcr nur entfernt ober gar nid^t öer* 
»anbt finb, unb für bie ba« Dl^r eine aSerbinbung entfd^ieben 
forbert , ein SSerfal^ren , bad ju einer öoüftänbigen 5Regation ber 
®efc<äe ber Jonatität füi^rt. 3d^ rebe nid^t Don ben grammatifd^en 
Kegeln, verbotenen Ouerftanben unb bergleid^en ^Triöialitäten. 
Der ®a^ , ba^ ba« ®enie bie 9iegei fibertreten bürfc , »enn ein 
l^öl^ere« ®efefe bie« verlangt, ift l^eutjutage f o allgemein anerfannt, 
ba^ bie, »et^e fid^®enie« ju feinbünlen, vietmel^r glauben fragen 
ju mflffen, tt)ann fie bieSRegel beobad^ten bürfen. ÜDiel^armonifd^e 
SBcl^anblung ift bei SQSagner enttt)eber trivial , ober burd^ ©erein* 
jelung fo ujittfürlid^, ba^ e« fd^cint, at« l^abe er von ben 5lccorben, 
bie auf einen 2!on gebaut »werben lönnen , einen beliebigen l^erau«* 
geriffen , ol^ne JRüdtfid^t auf ba« , toa« vorangel^t ober loa« folgt. 
aSon einer »irllic^en äccorbf olge , von 3wf^wtmen^ang ber S^on* 
arten lann bal^er oft gar nid^ mel^r bie {Webe fein. SBenn man 
feine SSel^anblung ber ©äffe verfolgt , bie befanntlid^ ein« ber d^a* 
rafteriftifd^ften SWomcnte ffir bie SBeurt^eilung einer Som|)ofttion 


154 Söagttcr« £o<^engritt. 

tft, tt)irb man ba« bcuttid^ get^al^rcn. §ict nur ein ®ctf^5ict. g^c 
bet ^ccttnfct ba^ ®ottc«gctid^t »jertönbct , Btafcn btc 2:tont^>cten 
einen Aufruf : anf ben gebrochenen C dur*5lccorb folgt ein mtebex* 
l^ott angegebene^ G , baö man nur ate bie ^Dominante tjon C d^ir 
em^)finben lann unb ba^et Gdur im SDtfx ^at; aüein o^ne »cite* 
tc« fiä^lagt ba« Drd^efter G moll , nnb batanf D moU an. "^oäf 
ätget ! S)et Slnfrnf »itb f^>ater tt)ieber^ott , nnb tt>iebemm erfolgt 
DmoU — baranf toar man nun borbereitet — unb EsmolL 
Sßenn ba« feine mufttatifci^c Dl^rfcige ift, fo giebt e^ !eine. ©iel^t 
man nun t>otIenbö , ba§ l^icr in ber Situation gar fein ®runb für. 
irgenbmetd^e l^armonifd^e Sjtratjaganj ticgt toa« fann man ertoar* 
ten, tt)o biey6m<)|inbungen in ber "S^ot gcfteigert finb ! f)ier finb 
e« einfad^ nebeneinanber gefteßte äccorbe ; ba^ bie 3Birfung nid^t 
t>crbe[fert toerben fann, tt)enn fie äu^crlid^ in SSerbinbung gebraci^t 
toerben, teud^tet eiru SBai^renb (im erften äct) bie ©äffe unb ga* 
gott^ ben Äam^^f ^)tafe abftotpem , f dalagen %xom\itttn , ^ofauncn 
unb 5ruba äccorbc baju an — aW u>are um bie SConarten gettjürfctt 
Sin entfefeüd^e^ Sdü\pxtl, »o eine 9ieil^c inm Zfftxl ganj frembcr 
äccorbe auf einen liegenbletbenben ®runbba| »ie angenagelt toirb, 
ift im jweiten 3lct bei ben ©orten „bu toitbe ©el^crin'' , »o ju 
berfelben 5lccorbfotge , atö toäre ba^ ganj einerlei , erft Fis , bann 
eis einen DrgeCpunft bilbet. ^cä) ^)ein(id^er ift e« , »enn mit fo 
ungufammcnl^ängenbenäccorben, unb jtoarDortoiegenb d^romattfd^, 
Jortmobuttrt toirb, toeil babei ber 3Biberf^3rud^ ber äufeerlid^en 6on* 
tinuität mit ber inneren 3ncongruenj ft(^ um f o t>ul ftSrfer gettenb 
mad^t. 9loc^ baju toehbet SBagner fe^r oft ba« med^anifd^e 35er* 
fal^ren an, einen ^armoniencom^jtej mel^rmate l^tntereinanber einen 
2;on ober eine lerj l^inaufjufd^leben unb baburd^ ju fteigem. Sttoa« 
Slel^ntfd^e« ift t», n^enn berSWarfd^ im brittenäct, anftatt i^n ein* 
fad^ ju toieb^l^olen , iebe^mal in eine rnnt Zi>mxt tumuttuarifd^ 
gebrängt40irb (Es , F , C) , »oburd^ bie ßrttjartung rege gemad^t 
wirb , aU tarnt nun ettoa« 9ieuea , unb in SBa^rl^eit feine Steige* 
rung, fonbem SSenoirrung l&erborgebrad^t u>irb* 

(S^ ia^t fid^ benfen , ta^ bei biefem SSerfa^ren ba« enl^armo* 


Sagnerd Sol^ttgtitt. 1 55 

nifd^e SBcfcn eine gtogc SRoüe ^Jfitlt SBer aud^ nur tinmi butd^ 
eine mufiiaüfd^c ^6ft gelaufen tft, »ci§, ba§ ntd^t cBen iiel baju 
gei^ött, f^ mit ben cn^otmontfd^enSSewed^fctungenfoiocitbcfannt 
yamaäftn, um bamtt obenl^in ju l^anbt^tcten. Slbet e« crforbctt 
ben feinften unb gebitbeteftcn ©tun für bo« innere SSerl^ättnil ber 
Zim jtt einanbet, um fic fo ja tjcwenben, bag ber jatte Otgani«* 
mvi^ niäft mx nxäft uxki^ ^erbe , f onbetn ba^ bad an^ einem 
inneren. ®efe^ mit 5Rot^U)enbigIeit ^ctt>orge]^e , »a« Bei ffii^ttofer 
^el^anbtong ju einem äu^erlici^en dieij ]^era6geu)utbigt koirb. 
SSJagner gei^t mit ben enl^armonifd^en 5Rü(ftingen um , ate ob er 
bem ' ,,®i>ftem ber leeren Sö^^fc" l^utbigte, toetc^ed neulid^ öon 
ämerifo l^er un^ betei^ren »cüte, e« gebe nur toei^e unb fd^^arje 
9loten, unb aße en^armonif(i^en Jonbifferenjen rebuctrten fid^ auf 
eine läftige Orti^ogra^jl^ie. Slud^ l^ier nur ein ©eif})ieL 3)a^ 
S3rautlieb fd^tteft in B dur unb jtpar mit einem öoüen, gefättigten 
©d^lug. 9iad^ einer hirjen $aufc — um l^ineinjufeiten in bad 
8icbe«gef<)rad^ ber aßein gebliebenen Brautleute — fd^lagen bic 
©aiteninftrumcnte ben B diir«'3lccorb mit obenliegenbcr J^erj toon 
neuem an unb unmittelbar barauf ben ®e<)timenaccürb auf Fis, 
fo bag ba^ obenticgenbe D jur beliebten fiberl^ängenben Ileinen 
©cjte tt)irb. Da^ fd^eint ganj etnfad^ : D bleibt liegen , B toirb 
cnl^armonifd^ mit^Ais tjertoed^felt, F gel^t nad^ E, B na^ Fis — 
ba« ejem^jel ift rid^tig. 3a , auf bem ^pm , ba« gebulbiger ift, 
ate bie D^ren , bie fid^ barüber nid^t täufd^en laffen , bafe D in 
i)erfd^iebenen iEonarten nic^t ol^ne weitere« berfelbe Jon ift. ®er* 
gleid^en ift med^anifd^ gemad^t, unb nid^t innerlid^ em)>funben unb 
gcl^ört. 3nbeffen ^ier l^errfd^en ^ji^ijfüalifd^e ©efefee, »eld^e fid^ 
immer toieber Geltung t>erfd^affen muffen unb toerben , tocrni aud^ 
jeittoeifc ba« ©e^^ör oerberbt fein foütc. 

3Benu ber bori^crrfd^enben Ueberreijung unb Ueberlabung 

mit i^armonifd^en Effecten anberc SKale bic größte Sinfad^l^eit ge* 

genübertritt, fo ift aud^ baö nur ein ebenfo äugerlid^er Sffect burd^ 

- ben Sontraft. ^a6f ber lebhaften geräufd^ooUeu Aufregung , mit 

ber Soi^engrin em^pfangen tt>irb, giebt e« für ii^n feine beffere Sortita, 


156 Sagner« So^^engritt. 

atö eilten ganj rinfad^cn (Scfong ol^ne SScgIcttang. Mein bonttt 
tft c^ ein eigene^ Ding ; l^aben f old^e äWetobien ol^ne ©egteitung 
nid^t toixtlxä) bie grifd^e unb Kraft eine« untijitßüttid^ au« freiet 
Stuft queöenben ©efange«, f o t>etftintmt bie beabfic^tigte ®nfad^* 
l^eit um fo mel^t. Die \)tätcntiö« auf menige Slßne befd^tänfte, in 
i^ten SBenbungen einfötmige SÖielobie Sol^engtin« l^at ctma« ent* 
fd^ieben 5lad^ttt)äd^tet^afte«, ba« burc^ bie wenigen äccotbe einet 
jtt)ittet]^aften ^atmonic nut nod^ auffaßenbet ujirb ; e« fc^tt nur, 
ba^ er tt)ie in ber @age fein §orn nimmt unb tutet. Slnbercr 2lrt 
ift bie ©cene im jmeiten äct , ujo bie S^l^ürmer ba« 5Korgenlieb 
Mafen , ba« auf nid^t eben geiftreid^e ärt mit 5Conica unb ÜDomt* 
nante toed^feft ; nad^bem ba« 28 Statte gebauert l^at , muffen toir 
un« nod^ 28 Spalte taug mit bem gebro^enen D dur * Slccorb im 
Drd^efter itnterl^alten, Da« ift nid^t cinf ad^ , fonbcrn tangtoeiüg ; 
unb toenn e« bann mit einem SÖiate au« bem öoflen D dur in ba« 
öoße Cdur red^t eigentlid^ ^inein^)Ium<)t, fo ift bie« ©turjbab 
eine fd^ted^te ©ntfd^äbigung für bie lange Dürre. @in begeifterter 
35ere:^rer SBagner« giebt aöerbing«'xu, ujenn l^ier nid^t eine brit* 
laute ©cenerie eine 3lrt t>on reatiftifd^er 3öufion l^ertjcrbräd^te, 
weld^e bie Singen be«3w^örer« fo toeit feffeüe, ba| er auf bie9ßufi! 
nur l^atb l^ören fönne, fo fei biefe ©cene ermübenb. SBa« für eine 
SSorftettung t>on mufilalifd^er ßl^arafteriftil , bie etft bann il^te 
Sithing tl^ut, loenn man anbertoeitig f o befd^äftigt ift , ba^ man 
nid^t genau jul^ören lann ! 

Slber teiber ftel&t e« fo unb tt)ir finben toieberum, bag bie 
mufifatifd^e (Sl^arafteriftif i^rem größten I^eil nac^ ebenfo au|er* 
tid^ becoratim 5ßatur ift, U)ie bie ^joetifd^e , unb ganj befonber« 
bie inftrumentate. Unleugbar ift bie« ber STl^eit berSTed^nif , totU 
d^en SBagner mit ber größten SSirtuofttät au«übt , aßein biefe mie 
jebe anbere 35irtuofltät ert^ält il^ren SBertl^ erft burd^ ben lünftte* 
rifc^en ®eift, bem fie bient. SßJagner ^t bie ^äftc be« Drd^efter« 
quaUtatiö unb quantitatit) ungtaubtid^ gesteigert unb nimmt fie 
rüdtfid^t«lo« in änf|)rud^. SBenn er baburd^ ungemSi^nüd^e SBir« 
f ungen erreid^t, fo ift ba« an fid^ ebenfomenig ein unbebingte« 8ob, 


SBagncr« So^fcngnn. 1 57 

ate c« unBcbingt ju tabctn tft , toen« et uugctoöl^nUd^c SWittd in 
Slnf^)rud^ nimmt. SBenn man l^cutjutagc bcn @afe aufftcüt , ba§ 
bad SSSefen ber ^nft im ^aa% (erul^e , nnb ba§ e^ bie Aufgabe 
bc« Sünfttet« fei , mit mBgtid^ft tt)enifl aJiitteln möglid^ft i)ict j« 
teiften, fo toirb man fd^toctlid^ (Sel^Br finben ; aber 9iiemanb toirb 
bod^ Ufiawpkn, ba| Unmägigleit ba« ^rinci^) ber Sunft fei, nnb 
bag ber Äünftter mit ben größten aWittetn ba^ OJeringfte jn leiften 
i^abe. Da| ein SSetl^ättnife fein muffe jtoifci^en ben SDÜtteln nnb 
bem ^totd, ba^ giebt l^offentüc^ iebet jn, 8Benn 3emanb ftd^ in 
©ammet f leibet, ber fein leinene^ $emb l^at, ober ein tteib öon 
©acfletneipanb mit ©rittanten Befefet , f »irb man ii^n für einen 
eitfen 9iarren erKären , nnb 9iiemanb tüirb feinen ©efd^mad (0* 
ben. S33enn aber ein Äünftler bie äWittet feiner finnft bajn miß* 
brandet, tribiale SMnge, bie an [x6f feinen SQSertl^ l^aben, bamit 
aufJn^)n^en nnb ba^ ^nblicnm bnrd^ raffinirten ©innenfiftet jn 
t)erf ül^ren fie für fünftterifd^ bebentenb ju Ratten , f ift er ni^t 
b(o^ ein ©etrüger, ber fein glittergofe für ed^'ie« anjnbringen fnd^t, 
fonbern er l^anbelt Dom ©tanb^jnnfte ber fnnftterifd^en ©ittlid^feit 
betraci^tet nid^t beffer, ate »er fein ®etb in Snjrn^ bertl^nt, anftatt 
feine ©ci^ntben ju bejahten. ®enn bt« SÄittet, toetci^e er abnnfct, 
finbnid^t fein, fie gei^ören ber Snnft, nnb and^ ba« publicum, 
beffen ©efd^mad er i)erbirbt, ift il^m nid^t leibeigen. 

Da^ ^rinci|), iebcn SKoment anf« fd^arffte ju bejeid^nen nnb 
bafür ftet« aüe benfbaren* SKittet anf jnbieten , fül^rt and^ in ber 
3nftrnmentation nnr jn bem 9iebeneinanberfteßen einjefhcr ßffecte, 
oon benen einer ben anbern jn überbieten fndj^t ; baruber aber gei^t 
bie §a(tnng be« ©anjen, ber aßgemeine (Srnnb, anf roetd^em ba« 
ßinjelne erft l^eroortreten fann, berforen. grül^er bitbeten bie 
©aiteninftrnmente »efenttid^ biefen ®rnnb, mel^r nnb mei^r l^aben 
fid^ bie ©la^inftrnmente oorgejc^oben , bie bei SBagner f o»ol^t in 
ben $olj* aW SBIed^inftrumenten fo reid^ an^geftattet finb — er 
gebrandet regelmäßig 3 gliJten, 2 Dboen nnb engtifd() ^orn, 
2 Starinetten nnb SSaßclarinette , 3 gagott« , femer 3 Zxom\izUn, 
4 §Brner, 3 "^ofaunen nnb S9a§tnba — nnb in ben berfd^iebenar» 


1 58 Äogncre ^o^engtin. 

tigftcn Scmbinatloncn unb 9?üancitunften fo fltemicgcnb f/tx^ox^ 
treten, ba^ pe beti f)o«^)td^ata!ter ber mfttumcntalen ffiivhtng Be* 
ftinttnen. Um tl^nen gcgenüBet fid^ gettenb ju mad^en, »etben nttn 
anöf bte ^aitenmftrumente etgentpmnd^ (el^anbelt, läufig im 
Unif ono möffenl^aft , bann toiebet in aöen ©timmcn ijielf a^ ge«' 
ti^ilt, nm bcn ianitn Tonumfang nur mit bem Ätcmg ber ©aiten^^ 
inftrnmente au^jiifüKen, oft mit 3^äm^)fern , mit SBorliebe iDerben 
bie lüften unb bte tiefften 9agen ber ©eigen tennfet , furj ba^ 
^eriMjrgcftt^t , n>a« einen itngenjjl^nfid^en Si^oraftef ffctt ßtnen 
längeren @a^ , ber ben eigentlidf^n natntgemägcn ßl^arafter be« 
©aitenquartett« rc|>raf entirt , ttjtrb mön faum im Sol^engrin 
finben. Stte« , toa« ^ier tmgef ü^rt ift, ge^Jrt einer ©e^nblung 
ber Snftrumente an , toeld^e m9gli(i(^ft bie 9?ert)en ju rcijen fttii^t 
unb ba^er gonj tjorjug^weifc aufjnregen geeignet ift ; baju »irlt 
bann aiaäf ba^ Ircmolo ber ©aiteninftrumente, tt>ek!^e« fo j)rabo* 
minirenb tft, bag, menn anäf bie ©ta^inftrumente in biefe jittcrnbe 
Bewegung verfallen, man benft, ba^ gonje Or(3^fter Befomme ba« 
delirium tremens, ©et biefen t)ielfad^en änftrengungen jhib 
mand^e intercffante, aud^ einige fd^Sne unb reijenbe 3nftrumenta{* 
effccte. gewonnen , ba« fott nid^ geleugnet »erben; attein (Sinjetn* 
l^eiten ber älrt Wnnen nid^t für bie De^organifatlon M Drd^fter^ 
entfd^abigen. 3)iefe, id^ »ieberl^ote e«, Jerul^t nid^t in ber StuÄe]^' 
nung ber 9Ritte( an fid^, fonbem in ber ©erfd^toenbung unb ber 
unuatärtid^ gelünftetten ©ertoenbung bei:fe(6en, n>e(d^ an ben ®ut' 
fd^medfer erinnert , ber, att il^m eine a<)felj>aftetc Dortrefflid^ ge* 
Id^medEt ^tte unb er auf SBcfragen erful^r , ba| einige Quitten, 
bojugetl^an feten , fid^ bann eine 9[)>fe{)>a{tete Don (auter Quitten 
au^bat. 

Cineif SBeioei^ l^ierfflr Bietet bie 3nftrumenta(ein(eitmig jur 
ID)>er. S6 würbe mit großem ®erSu[d^ t)ertunbet , bag fein gebif« 
betet SKnfiler mei^r eine Dui^erturc fd^reiben Bnne, baß ®agner^ 
DuDerture jum S^annl^äufer ein 9Reift|moerI, aber ein berfel^lte^ fei, 
e* würbe ate ein angerorbenttid^er gortfd^ritt ge\)ricfen, ba§ Sollen* 
grin feine Dimerture f^nbern nur eine einfeititng l^abe. (Sine 


Sagnerd So^Qtgrtn. 1 59 

Ottt>cttittc lann — mmt man nid^t batuntct tote bic 3tatienct: ein 
jttfäöigc« ©erättf d^ Dcrftcl^t , »äl^tenb be^ bte ^u^äfaixn \i6f i>0r 
bem ©eginu bet Di^er noäf tcd^t au^fd^toaften Knnen — bo^ nur 
ein frfbftänbige« , oBgcfd^Ioff enc« 3nfttumentat « aKufifftfid fein, 
votiöft^ In ©timramig nnb ®etft bet D)|>et einleiten foß. tAt^ 
lann gcfd^e^en , ijibcm man einjclne , bet Qpn entlehnte SHotiDc 
}U einem ©anjen ijetatteitet , \oa9 SSSebet mit (Seift , anbete toie 
bie gßcffd^neibet gcmad^t ^6en , obet ein obet mel^tete aWotioe in 
eine SSetatbeitung felbftänbiget. 3Rotit)e l^ineinJlingen täft, ober 
enbtid^ inbem man ganj anf Sieminifcenjen ^ttixöfkt nnb DoUIom« 
men ftei in einet ncnen ©d^ö^jfnng bie ®tunbftimmnng bet D^^et 
tc^)täfentitt, moöon bie nnfibetttoffenen äRnftet aKojatt« , S^etn* 
bini'« nnb ©eetl^oi^ea^ aßen befannt finb. SSon Idnem iBefang 
fann ed feitt , ob biefe^ aßufilftüct an^ btei ©ä^jen l^efte^t , n>ie 
ftfii^et nUxäf toat, obet an« jtoeien, obet «nd einem; and^ foüte 
c*, benfc xäf, ebenfotoenlg einen loefenttidjicn Untetfd^ieb-mod^en, 
ob biefet @afe langfam obet fd^nett gel^t , nnb f d^tiefüd^ toitb bie 
eile and^ nid^t entfd^ciben- 35ann abet bin id^ in bet "JCffoX uetle* 
gen, tocd^atb 2oi^engtin feine Ouöettntc , f onbetn eine (ginleitnng 
^aben foBte; benn biefe iwttftänbig abgcfd^loffene Sufttnraental* 
mnfil ^(d jut etften @cene mebet ön^tßd^ nod^ innetlid^ eine na« 
Ijtetc SS^jicl^nng nnb foö offenbat in bte ganje D^pet einfüllten, in* 
bem pc einen $anj)tgebanlen betfetben an^fö^tlid^ batfteöt. IDie^ 
ift bte tonnbetJoitfcnbe Datniebetlmift be« ®tal« im (Sdeite bet 
Sngelfd^aat^^ie 95ifion eine« wtjüditen ©d^toätmet«. ©otueit l^iet 
bie €»H3finJD»ng ootl^ettf^t, ift e« aöctbing« ein mnfüalifd^ct @e* 
genftanb ; inf of ctn c« c^t gtabe bcn ®tal batfteöen foü , tie be«' 
ßimmte l^tftotifd^e ®e{la(tnng einet m)^ftifd^en SSotftetbtng , teid^t 
natätlid^ bie mnfitaitfd^e S^ataltetiftil nid^ ou«. X)ie föitlmig 
biefe« ®a^« betnl^t tehigtid^ anf bem matetidfen SinbtndC bet 
3ttfttiimetttatcombinatbn. 35ie SSrfobie ift an fid^ nnbebentenb. 
nnb tl^^tl^mtfd^ bntd^ ^ifttcopm nnb ^itiolen nntnl^ig nnb nn« 
g(eid^m&|ig getootben, bie ^atmonie ift gejtonngen nnb bc»d^ bfitf « 
tig , fo baf ba« ®anje , toeld^e« fid^ ol^ne beftimmte dinfii^nitte ] 


1 60 Sagnpr« fiol^engrin. 

f ortitci^t, einen bcunrul^tgenbeit ©tnbrud bc« .Uniufammcni^ängen* 
ben unb, wenn man ba« SBott »jon ber 9WufiI gelten tagt, be« Un* 
Iogif(3^en mad^t. aber eigcnt^mtid^ ift bie Slangfatbe unb bie 
Steigerung, »elc^c baburd^ l^eti^orgebtad^t »itb , ba§ ju ben ®ei* 
gen in l^iJd^fter Sage intmer mei^t unb immer tiefere 3nftrumente 
^injutreten, fo ba| bie 2;onmaffe \\ii ju öerbid^ten f(i^eint, bi^ fie 
aOmä^fid^ u?ieber mjd^toinbet. !E)tefer Sffect ift mit groger ®e* 
fd^id (ici^Ieit audgefül^rt unb man toürte ii^n a(« Stangeffect fd^6n 
nennen fönnen , »enn ni(i^t bie :^jol^e ©eigenfage ettoa« ®ereixtc^ 
unb Ueberfpanntc« i^fitte , »eld^e« bie 5ßeri)en ftarl afficirt , aber 
nid^t für fdffSn gelten lann. 

!i)iefe Sinteitung ift jugleid^ d^arafteriftifc]^ für Sagnerd <jc* 
I^<)^onif(3^e ©d^reibart. Sr bcfd^äftigt gern i)iele Stimmen ju* 
gicid^, aüein ©l^ne bie einjetnen in bem ©inne fetbftärtbig ju ffil^* 
rcn , »ie biefe Sejcid^ung fonft in ber ßt)m^)ofition gültig ift, 
' t?ietmel^r> au^ bem ©ebürfniß , in iebem äugenblid Stimmen jur 
33erfügung ju ^aben. 9lad^ augenblicHid^er Suft unb Saune, n>enn 
tl^m ein Sinfaü !ommt, lägt er eine Stimme für fic^ gelten , aber 
ol^ne beftimmte Sonfequenj , unb man toirb nid^t (eid^t fagen fön« 
neu, toieöielftimmig ein Safe fei. SDüt ben ßl^Srcn ift c^ ebenfo. 
®eti)J^nlid^ gebrandet er 8 SWännerftimmen , aüein bie SWänner* 
d^i^re ftnb meit entfernt ad^tftimmig )u fein , aud^ in ben (^ören 
be^ X»cttcn 5lct^ ntd^t, toeld^e eine beftimmtere gorm l^aben 
unb }um S^^eil fogar einen 9(n(auf ju imitatorifd^er Sd^reibart 
nel&men. §ier, too man e^ am leid^teften beobad^ten lann, ift bie 
Imitation faft immer nur jn^eiftimmig unb bie übrigen Stimmen 
finb nteiften« nur gfitt*, oft nur glidtftimmen, bie l^ier unb ba ei* 
neu melobifd^en ®ang l^aben, aber nid^t fetbftänbig toerben. oben* 
foti^enig lann man bie^ )>on ben (Sl^orfafeen fagen, in benen, yxm ein 
(ebenbiged S3i(b einer ben^egten äRaffe }U geben , t)iete Stimmen 
angett)anbt unb eine ^^rafe in Meinen ^artiletn unter fie öcrtl^cift 
tt)irb, Äuri überaü ift biefe ^oÖ>^)]^onie nid^t bie gotge be^ 9ieid^* 
tl^um^ an 3been unb ber ®efd^icKid^Ieit in confequcnter ©earbei* 
tung unb fünftlerifd^er 3)arfteöung , f onbern »teberum nur eine 


Y 


Söagncr« Sol^cngrin. 161 

aScrfd^wcnbung ber äußeren äWittct, unb Dcrfd^wenbcn fann aud^ 
bic 5ltmut^. 

• S:c^tcn tt)it iu bcr rem inftrumcntalcn S^aroftcrtftil jurüd, 
fo finbcn wir l^ict toieberum bicfclbc äu^crtidj^c Dccotationdarbeit, 
n)ic u?ir fic nac^ anbeten JRid^tungcn fa^en. (5« fel^It ntd^t öiel, 
baS bte ©tereot^<)ie ber SUJotiüe aud^ l^ter in einer ®tereot^j>ie ber 
3nftrumentation fid{^ lüieccrl^oöe. ©ewiffe Snftrumente l^aben faft 
fci^on eine fidlere Sebeutung, j. ©. ^ofaunen, f)örner unb 5Crom* 
)>eten Bebeuten fönigüd^e SBürbe , tiefe StarinettSne tüd ifd^e So«* 
l^eit; »0 an Srieg, Äam^>f, SRitter erinnert »irb, fommen irgenb^* 
tt>ic 2ironH)eten jum SSorfd^eih, gemiffe Snftrumentalcombinationen ( 1 1 
d^arafterifircn Slfa , So^engrin u. \. ». @^ iftate fottten toir iu 
ber ^nftftufe jurüdSe^ren, n>o bie aWater *^ren ^erfonen Bettel 
b.eif d^rieben unb fid^ x>er jdj^iebener garben bebientcn , um t>erfd^ie* 
bene ^erfoneu ju d^arofterifiren. 5Da^ i^abel^aftefte in. biefer 2lrt 
Don Sl^aralteriftif finb bie Dier S^rom^jeter', »cld^e ben Äönig Be* 
gleiten, unb fo oft er fommt unb ijerl^anbelt, ober in feinem 9iamen 
ber ^eerrufer, eine unb biefelbe ganfare blafcn, Unb jwar btafen 
fic immer in C dur ; fobatb biefe \m JRotl^röcfe fommen, toei^ man 
fidler, ba^ e^ nad^ C dur gel^t. 3n bie atterentfegenften 2!onarten 
f aüen fie l^inein , u?ic ein unerbittüd^e^ gatum ; mitunter ^aben 
fie fd^on angefefet, toenn n^ir nod^ weit oon C dur'finb, — ba gel^t 
c^ benn aud^ curio^ l^er, bi« man ^ineinlommt. 5Rod^ baju ift bie« 
)>rabeftinirte C dur nur eine Sa^^rice, benn S33agner gebraud^t fonft f^^^^- 
9Sentiltrom<)eten. 

aRan fielet , biefe S^aralteriftif ift gauj in bemfelben ®inn 
becoratio, »ie bie ©age unb bie @<)rad^e bel^anbett »orben ift. 
@o toerben aud^ Heerbann unb ©ottedgerid^t in aUem einjefoen 
®etaif |)ebantifd^ au^gefül^rt unb ausgemalt, n)a« aber fo wenig ju 
dner lebl^aften Slnfd^auung ber^ilft, ate »enn ^$atta«, Äcmenate" 
unb aubere mittetalterfid^e 9lu«brüdfe angewanbt werben. 5Denn 
nid^t ba« ^oetifd^e wirb l^ier bargeftefit , fonbern immer nur ba« 
S3eiwer! be« ßoftum«, unb fogar biefe au«fü]^r(idbfen mufilatifd^en 
©d^itberungen erinnern an bie fd()led^ten 9titterromane mit il^ren 

3 a ^ n , 9(uf (ä^e über SRufif . 1 1 


:^^ -''^y- 


162 SBagnere So^möritt. 

langtöctttgcn ©cf(i^tcibitngcn. 3Wan ncl^mc fcen 3tt>ctfauH)f . Un^ 
mimüriid^ bcnft man on bcn 3tt>^W^»il^f to üDon 3itan ; tote ein* 
fad^ tft bort butd^ ba« nad^ftßcgcnbc aWotto bct Smitatton in ®cige 
unb ©a§ eine kxäftt, öofllommcn genügcnbe Slnbeutung gegeben, 
^iet lännjfcn bie betben ®egner aud^ lanontfd^ im Drd^eftet, aber 
toie maftig e(e^)]^antenlätbctl^aft treten fie mit ^ofannen, Znia, 
gagott, ^5mem unb 5E:rom^^eten gerfiftet ouf; baju ein furtofe« 
SKotii) in ben ©eigen unb Slccorbe ber übrigen ©laänftrumente 
— gegen biefe unerl^iJrte Äraftanftrengung im Drd^efter fann bie 
auf ber Sü^ne nur ein tinberf^)iel fein. SSietteid^t foü man, um 
in ber 3IIufion ju bleiben , l^icr nur mit falbem äuge feigen , um 
beffer pren ju fSnnen. 

®ani anberer Urt ift bie fd^on berül^rte ©cenc im ätt>eiten 
Act, tt)o ber äWorgen bömmert. 6^ ift eine <)oetifd^e JReminifccnj, 
ba^ man fid^ in ber frif d^en SKorgenfrüi^e, toenn bie 2:i^ürmer i)on 
i^ren i)om erften ©onnenftral^t getroffenen ^inmn grügenb fid^ 
jubtafen, eigentl^ümüd^ angeregt fü^It; aber e^ ift cin3Ki§i)erftänb^ 
nig , »enn man glaubt , biefe (Stimmung baburd^ re^)robuciren ju 
tonnen, ba§ man auf ber ©ü^ne Dom 3:^urm l^crab eintriöiale^ 
5lrom|)eterftüc{ btefen lägt, »ie eö in SBirfßd^Ieit geblafen »erben 
mag. 3)enn bie ^)oetifd^e ©timmung beruhte auf einem S^f^*"* 
mentoirlen ber 'i)erfd^iebenartigften Umftänbe , bon benen auf ber 
JBü^ne nid^td bleibt atö bie ZxonOftttn unb bie Siribialität. 3n 
bergleid^en 3ögcu uxt'iü) fid^ ber 33ilettant , ber aüenfall« eine 
^)oetifd^e Stimmung beobad^ten lann , aber fie ntd^t burd^ feine 
Darfteöung »ieber l^eröorjurufen Dermag. 9iein becorati») ift bie 
bonn folgcnbe SWufif, »etd^e baö SBefcn unb 2^reiben im Surgl^of 
fd^ilbert , »ad ganj unmufüalifd^ ift , toedl^alb toir aud^ ben diaü) 
erhalten i^aben , nid^t i^injul^Bren. 9lad^bem »i.r an^ ber ©ei^tta 
bed enblofen D dur in bie Sl^arijbbi« ber C ÜErom^^eten gefallen 
finb, gel^t »ieber bie SRufil ju einer ftummen ©cene an : bie Sb* 
ten unb ©tobtbetool^ner ijerfammeln fid^ — - eö ift ate ob man in 
einen ©udßaften fäl^e. 3)iefe fcenifd^en ärrangementd, »eld^e t>iel^ 
leidet auf fe^r großen ®ü^nen etne 2lrt bon realiftifd^er Sllufion 


äßagner^ Soljicngtm. 


163 


]^crt)orBringcn fonncti, oBglcid^ fic bic ^l^antafic eine« gcbtibeten 
ÜWcnfci^en fo wenig atö bcn SnH)iri«ntu« eine« ungcHIbeten ganj 
ju befriebigen t>erm8gen, l^aben für ba« bid^terifd^e Sunftwerl feine 
Sebeutung nnb bie 9JJufiI berfetten ttenftbar ju ntad^en ift un* 
ttjürbig. 

SSießetd^t ba« Slergfte ber 3lrt ift ber SKarfd^ im britten M, 
ttjol^tenb bcffen bie biet ^eerl^anfen ber SSrabanter einjiei^en. ÜDer 
eigentlid^e SÖZatfd^ njirb i)on ben SSläfem be« Ord^efter« Doräetra* 
gen, bie ©aittninftrumente fd^itbern mit einet «nermüblid^en 
Iriofcnfigur ba« !Etam<)eln ber ^ferbe nnb ben Jnmntt ber l^er* 
anjiel^enben f)eer^anfen , x>on benen ieber jtt)ei Jromj>eten in ei* 
gener Sionart jnr S3erfügnng fiat, miä)t eine lange ganfare in bem 
einförmigen, ettDa« rollen 5rrom^)cterftit btafen. Die in Es fangen 
an , tooranf ber SKarfd^ in berfetben 2^onart gef^Jtett n>irb ; ate 
bcrf elbe eine ffienbung nad^ D m'ad^t , fallen bie D Zxomptttn ein 
unb »ir bleiben in D dur l^angen; biefe n^erben bon ben FIrom* 
!(>eten überrafd^t nnb nad^bem biefe fid^ au^geblafen l^aben , gel^t 
ber Sßarfd^ »ieber in F an ; bei ber nämlid^en ©enbung ber ^ar* 
monie — f o genau ift ba« Sjercitinm — fallen bie E 3;rom|)eten 
ein. Sinn benit man, e« fönnte genug fein mit 8 Jrompeten nnb 
4 S^onarten , ba fällt man burdj^ einen 2!rngfd^lu^ in C dur l^in* 
ein, bie ber^ängnigiJolle ganfare ertönt, ber Sönig fommt mit fei* 
neu unbermeiblid^en ©tabötromjjetern unb xoix l^ören ben SUJarfd^ 
enblid^ jum legten 3Kal in C dur — man glaubt in einer IBerei^ 
terbube ju fifeen. Slad^bem man bie« ÜDufeenb Zxompzttn al« 3«* 
gäbe eine« tüol^lbefefeten SDrd^efter« l^at ^innel^men muffen, ift 
man allerbing« jiemlid^ bombenfeft Jetoorben , unb tpenn ber So« 
nig barauf mit ^Begleitung aller Sled^inftrumente fingt, fo ge* 
ma^nt er bod^ nur an.3cttel, ber brüllen n)ollte, tüie eine faugenbe 
SRaäfüQaü. Slber u?a« für eine Sunft ift ba«, ujeld^e fold^e SKittel 
in 5lnfj)rud^ nimmt , um eint ßjercier<)lat5*3llufion jur Unterbai* 
tung ber ©trubel* unb ^rubetoifee ju realifiren? 

3lu« unferen IBetrad^tungen gel^t f)mox , ba^ n)enn Söagner 
gleid^ gefd^idtter ift in ber §anbl^abung ber mufitalifd^en al« ber 

11* 


164 , Sagtter9 So^engtin^ 

^^oettfd^cn Icd^nil, boc^ öpu einem ® t i l feiner SKnjif nid^t bie 9iebe 
fein lann. !Die erfte SBebtngung beö ©titö ift Sigentl^ümüd^feit 
ber ^tobttctiondlraf t , toetd^e man einem SRanne nid^t jnf d^reiben 
lann , bei bem man nid^t nur bie Sinflüffe SBeber« , ÜÄarfd^ner«, 
ÜÄenbetefoi^n^, äWeijerbecrd u. 31. im ©anjen nnb ©injetnen nad^* 
tocifen fann, fonbem beffen Kinftlerifd^e Sigentl^ümlid^Ieit 'tt)efent* 
üd^ barin befielt , ba| eint Slnjal^t l^eterogener ©ifonng^etemcnte 
nnferer 3eit bei i^m in bebenllid^^c Sonfufion geratl^en finb. ger* 
ner ift ®til bebingt burd^ bie gäl^igleit be« Sünftfer« , ben fünft* 
lertfd^en ©toff in ber innerften 2^icfe feiner 9latur ju erfaffen nnb 
f JU gcftalten , ba§ baö ©ubjectibc nnb Obiectit>e im Sunftmerf 
fid^ burd^bringe, unb enbUd^ , um biefe tunft(erifd^e ®d^ö))fung jn 
t)oüiie]^en , (£infid()t in bie gorm unb S^ed^nil unb 9ßeifterfc^aft 
in ber ©cl^anbtung berfelben alö Knftlerifd^er SKittel ju einem 
ffinftlerifd^en 3tt>^df • ®ii^ ^u« SWifebcrftänbnig unb Uebertreibuug 
hervorgegangene mitnürlid^e Zi^eorie bei mangeinbem @inn für 
aWotibirung unb ©eftaltung au« bem ©anjen , unb eine einfeitigc 
SSirtuofität , bie nur äußertid^e ÜÄittel für augerftd^e '^zi,t ju 
i)ertt)enben ge{d(fidtt ift, fül^ren notl^menbig jur SWanier, bie 
be^^atb aUein eine '^t\\im^ täufd^en unb blenben lann , u>ei( fie 
ben Seglern unb ©d^wäd^en il^rer '^t^i entgegenlommt. 


^a^ breiunbbrei§igjle nieberr^einifc^e OKufttfejl 

in J)äjfelborf 

. bcn27,, 28. unb 29. SDtot 1855 1. 


®ie t^etnifd^cn ÜJhJpIfcftc [teilen in bcm guten $Ruf , ba^ fie 
ii^tcm yiamm fotool^t tnxä) btc SWupI, afö burd^ bic gcftfic^Icit 
&)Xt mad^cn: ba« btc^iä^rtgc 3Kufilfcft in 'Cüffctborf vcd^tfcr* 
tigtc btcfcn SRuf. 

a5tc mujtlaüf d^cn Sctftungcn eine« SWupffefte« Berufen toefcnt* 
Ixöf auf ber ©runbtoge eine« ftatlen unb trotten ßl^ot«, bc« ctnjlgen 
mujilaitfd^en Stement« , ba« »al^rl^aft berufen ift maffenl^aft. in 
tt)trlen ; unb bet ß^otgefang ift bte ©tärle ber JRl^einlanbe. © d^8ne, 
fftngenbe ©ttmmen pnb bort l^äufig, eine frtfd^e, fröl^Ud^e 8uft om 
©tngen ift aügemcin berbreitet, unb feit Salären toirb aüentl^alben, 
fctbft in Keinen Orten, burd^ ©efangbereine ber ßl^orgefang geübt 
unb gejjflegt. Diefe günftige S)i«})ofition mag tool^t baju beigctra* 
gen l^aben , bie SKufilfefte in« Seben ju rufen unb ju erhalten, 
aücin nid^t geringer ift gemi^ aud^ ber Sinflu§ , ben tl^re reget* 
mäßige SBieberlel^r — feit bem Saläre 1 820 ift e« nur breimat 
auögefcfet »orben — auf bie gebeil^Iid^e SBirffamIcit ber ®efang* 
berctne gefibt l^at, SBenn aüe Saläre jwei burd^ Umfang unb ®el^a(t 
mäd^tige äßeifterwerle mit ben i^rer ©rogartigleit entfpred^enben 

1) ©rcnjboten 1855 111®. 1 ff. 


1 66 2)rcmnbbrci6i9Pe« nicbcnl^cm. SDlufiffcfl in 2)üpborf . 

Äraftcn aufgcfül^rt »erben , f o lann \6)m bte ffiirlung auf ba« 
l^örenbe publicum, auf feinen ®inn für ba« ®ro§e unb SBebeutente 
ntd^t ausbleiben. 2Öie ijiet ntel^r tft bieS bei bcn äJlitoirlenben bcr 
gaß, bie burd^ forgfame« Sinftubiren ein ganj anbereS S5erftänbni§ 
unb 3ntereffe für bie ßonH)ofttton ermerben, ,ate es beim btogen 
$3ren möglid^ ift, unb ba^er , aud^ »o ber ®^orn beS SÖetteiferS 
toegfaflt , ber in einer fold^en ßoüectiijaup^rung (iegt , x^xt S?^ 
ftrebungen immer mel^r auf baS 3:üd^tige unb grnfte rid^ten unb 
in bicfem ibre »al^re SBefriebigung finben »erben. 3c me^r biefcr 
©inn befejtigt unb attgenjein toirb, um fo me^r »erben bie 5B?ufiI* 
fefte nid^t ju bereinjetten IJrunlauSftettungen , bie nur burd^ bie 
SSerftärlung äußerer äJlittel ii^re änjiel^ungSfraft erl^ij^en »otten, 
fonbern ju einer naturgemäßen unb »al^rl^aft fefttid^en 5leu§erung 
beS mufilalifd^en ©tnnS, ber im 35oIf SBurjet gefaßt ^at unb 23(ü* 
ten unb grüd^tc treibt. 

@« tt)ar ein flattßd^eS ßontingent, »etd^eS bie ©efangweine 
öon ©üffetborf, Söln, eiberfelb, aÄüI^eim, 5lad^en, 
SBarmcn, SBonn, trefetb, gilben, (Sffen, äßefcl unb 
nod^ einige Ortfd^aften jur bieSjäl^rigen ?luffü^rung gefteöt l^atten : 
167®oprane, 125 5Hte, 158Xenore, 204 «äffe, in ®umma 
654 ©änger unb ©öngcrinnen. Unb nid^t b(oS gute Stimmen 
l^atten [ie mitgebrad^t unb tüd^tige SSorbcrcitung , fonbern aud^ 
Unbefangenheit unb gteube am ©ingen. SBer bie Saul^eit ber 
ßi^öre in mand^en großen ©tabten fennt, too bie üDamen bor (autcr 
S9etrad^tungen , toiemeit ber änftanb i^nen erlaubt ben SKunb 
aufjutl^un , feinen orbentlid^en 2^on l^erijorbringen , iDÖl^renb bie 
§erren fid^ forttoä^rcnb ju befinnen fd^einen, ob eS aud^ toirfüd^ 
bcr aJiü^e toertl^ ift , baß fie mttfingen — bem mußte baS §eri 
aufgeben bei ber grifd^c unb güttc beS SBol^ttaut« biefer Iräftigen 
unb lebenbigen 2ionmaffen, bie fid^ frei unb freubig betoegtcn. 
Unb »enn Ja einer meinen foßte, bie SBirlung eines fo ffarlen 
(Sl^orS ^ötte nod^ größer fein'lönnen, als fie toirflid^ n^ar, ber möge 
bebenlen — nid^t fotoo^I, baß fetbft in einem rl^einifd^en ßl^or 
immer einige giguranten fid^ finben n^erben, als baß über ein 


2)remnbbrci6ig(lc8 nicberrl^cin. SRufilfcp in SDttffelborf. 167 

• 

gctotffc« 3Moa6 ^tnauö btc SSermcl^tung bcr Sräftc ntd^t eine aScr^ 
ftärfung bcr SBtrfung in glcid^em SSet^ättniß jur Solge ^at, Sa^ 
aber bic §am)tfad^c ift Joaö SSer^äÜniß ber einjrinen®timmen.ju 
einanber , be« g^^i^ii ^^^rö ium Drd^cfter unb jum JRaum mar 
üoülommcn befriebigenb , ber S^or trat überatt in boüer tlar^eit 
unb traft atö baö l^errfd^enbe ßtement i^erijor- 

Srau 3enn^ ®ofbf d^mibt*8tnb i^atte bie ®o|>ranfott 
übernommen unb baburd^ bem geft einen ®Ianj gegeben , ben nur 
fie i^m berlet^en fonnte. SSSer fie jum erften äJiat l^ört, toirb an* 
fang^ fra|>|>trt merben burci^ bie 33erf(^(eierung, meldte namentfid^ 
bie aJÜttettöne etwa« bebedt, allein nur einen Slugenbüd, fo'ift 
man ergriffen unb gefeffelt burd^ bie innere SKad^t biefer ©timme, 
e^ ift einem atö (äutere [ie fid^ im ®ingen J>on biefem ainflugc 
eine« frembartigen Stement«, unb — täufd^e man fid^ barin ober 
ntd^t — man ^ört bann nur me^r einen Ätang , ber bie reinfte 
unb toal^r^aftefte 3SerIörj)erung be« mufifatifd^en gmpfinben« ift. 
SBer grau 3enn^ ©olbfd^mibt bie ijotffommenfte JReinl^eit unb 
©id^er^eit ber Sntonation , bie ftrengfte Sorrectl^eit im SSortrag, 
Deutlid^leit unb Star^eit ber 3lu«f^rad^e (bie nur bei einigen ?au* 
ten einen fcanbinabifd^eu 2lccent l^at),.bie ftaunenööoertl^efte SSir»» 
tuofität in atte^t , loa« bie ©efang^ted^nif angebt , unb tt)ie baö 
9tegifter nod^ »eiter fortgel^en mag, nad^rü^mt, ber toirb bie 
SSorpeüung einer großen ©ängerin l^erborrufen — unb ba« ift fie 
unbeftritten — , allein \^x eigentpmtid^e« SBefen ift barin nid^t 
befd^toffen. ©aö fie ju einer in i^rer 3lrt einzigen ©rfd^einung 
mad^t ift bie geniale ^raft, mit toeld^er fie, toa« fie aud^ immer 
fingt, biö in« geringfte detail au« fid^ l^erau« in einer ©eife be* 
lebt, ba§ e« i^r eigenfte« ©gen mtrb , o^ne baß bem tunftujerl 
etioa« T^tembe« l^injuget^an toirb — ba« ©el^eimniß ber fünftleri* 
fd^en SRejjrobuction in il^rer ^Bd^ften SSolIenbung,'ba« im ©runbe 
ebenfo unbegreiflid^ ift , al« ba« ber ^robuction felbft, unb toomit 
man fid^ burd^ SJejeid^nungen toie geiftreid^e Sluffaffung unb ber* 
gleid^en nid^t abfinben !ann. ©ie S33ir!ung aber ift um fo tiefer, 
al« ba« aßittel biefer 5Rej>robuction ba« geiftigfte, ba« f reifte ift. 


168 2)rctunbbrci6igjlc6 nieberrljicin. ÜRuftffcfl in 2>üf[cIborf. 

in mlöftm bo^ 3nncrc am ticfften unb tcinften fid^ auÄrMt, btc 
©timmc ; unb c« tft nxöft ju fagen , mit tocld^cr Srniigfett unb 
SBal^tl^ctt Stau ©olbfd^mtbt bcn ctnjcincn 2^on ju bejcelcn vermag, 
fo baß bet $Brcr üon icncr Söemegung unb JRfil^tung ergriffen »irb, 
bie allein bie boüenbete ©d^önl^eit in einem em|>fangli^en ®emütl^ 
erjeugt, 3ebem ttjerben gleid^ (Sinjelnl^eiten gegenmärtig {ein, bie 
ii^n befonber^ ergriffen ^aben, ic^ »iß. nur an ein^ erinnern. 
•Die erfte ®opxamxk ber ®d^5pfung fci^fießt befanntftd^ mit ben 
©orten „^xzx fproßt ben SBunben f)eit. " $a^bn l^at l^ier ben 
Söunben burd^ ba^ Ges im SBaß einen ftarl accentuirten 3lu6brud 
be^ ©ci^merje« gegeben , bie »o^ftl^uenbe äuflöfung in ben ÜDur* 
breilfang genügte il^m ba^ §eil ju bejeid^nen. SBäl^renb nun bie 
meiften Sängerinnen fid^ bemükn, ben fd^merjßd^en ?lu6bru(f 
noäf mc^r l^ertoorjul^eben, von^k grau ©olbfd^mibt bem 2^on, mit 
toeld^em fie baö ©ort § eil fang, ol^ne il^n ungebül^rtici^ i^erau«* 
jul^eben, einen ß^rafter ju geben, baß er mie mit einer fül^nenben 
Kraft in bie ©eele be^ $5rerd brang. 

©0 fei(]^t e« ift, grau ©otbfd^mibt ju (oben, fo fci^toer ift c«, 
ben ©angerinnen, »eld^e neben il^r auftraten, ©ered^tigleit »iber* 
fal^ren ju laffen, gräufein5Kat^iIbe.$ artmann au8S)üffeI* 
borf, »elci^e bort unb in ben benachbarten ©tobten einen tx>of)U 
erworbenen 5Ruf ate ßoncertfängertn genießt, l^atte bie ©opranfoti, 
»gräutein ?et«*8eu«ben au« Äötn bie Slltfoü übernommen 
unb einige ©d^ülerinnen ber SBtner aWufiffd^ute traten bei Meinen 
ßnfembtefäfeen mit ein. S« »irb ?Riemanb einfaßen,' rüdfid^tfid^ ber 
©ttmme ober SSirtuofität SJergteid^ungen.anfteßen juttjoßen, bie 
ungered^t unb unbißig »ären , aßein e« ift unmögtid^, neben bem 
®efang ber ©olbfd^mibt 2lße^ , toa« in geiftigcr T)urd^bringung 
unb i)8ßig freier lebenbiger 3^arfteßung jeber aufgäbe l^inter i^r 
jurfidtbleibt, nid^t at« einen abfotuten 5Kanget ju em^)finben. SKan 
mag bie Unbißigleit ber Slnforberung erlennen , fie bleibt nid^t«* 
beftott)eniger unabweisbar. Unb ba bürfen fid^ bie 35amen faum 
beüagen, wenn i^re fel^r anerlennenöwertl^en Seiftungen nid^t ben 
(Sinbrudf mqd^ten, ben fie unter etwa« anbern Umgebungen )U 


3)remnbbtei6igflc8 niebcrrlS>ein. SWufiffefl in 2)üffdborf. 169 

mad^cn nid^t ijctfc^tt l^ättcn , unb tt>cnn fic fid^ mit bcm 8obc bc* 
gnügcn muffen , auf banlcn^ttJettl^c SBctfc bcm Oanjen gcbtent ju 
' l^aben. 

§)cvr ©d^nciber au« Sei^jtg war bcr 5i:enortft bc« SKit^ 
fttfcftc^, unb bag man tl^m nad^^tül^mcn barf , bcn itt)citen ?(afe 
neben ^oxl Ootbfd^mibt mit Sitten eingenommen ju l^aben, fd^tie^t. 
gewi^ lein geringe^ ßob in fid^. @t ift belannt atö ein ©änger 
ton tüd^tiger SBübung, ber e« emft nimmt, bem bie ©ürbe bet 
^nft mel^v gilt , ate ein burd^ einen Kunftgriff leidet errungener 
S5eifatt, unb ^on bem man einen burd^bad^ten SSortrag mit ©id^er* 
^eit erwarten barf, Sr wußte feine fd^Sne unb namenttid^ in ber 
cigcntßd^en 2^enor(age — benn in ben tiefern 2^önen ijerfiert fie 
an Äraft — fe^r wol^tllingcnbe ©timme ijortreffUd^ gettenb ju 
mad^en, unb namentlid^ gelang e^ \^m faft burd^gel^enb^, eine gc* 
miffe Steigung ju weid^er ©entimentalität , öon ber er fid^ fonft 
nid^t immer frei ^Ui , ju befiegen unb feinem ©efange ben 6^a* 
raltcr einer Iräftigen SDiänntid^feit ju geben, !Da6 publicum 
fprad^ feine lebl^afte S9efriebigung burd^ wieber^otten unb tauten 
«eifaüau«. 

Sflid^t gani fo befriebigenb war bie SÖag})artie burd^ iperrn 
SKitterwur^er au«!J)re^ben vertreten, ©eine Stimme ift 
mc^r Sariton afö 93a§ unb in bcr SCiefe beö^alb nid^t au^reid^cnb, 
aud^ l^atte er ba^ Ungliidf nid^.t immer rein ju intoniren. Saum 
geringer war ber Uebelftanb, baß er ba« 5l^eater nid^t^ioergeffcn 
fonnte unb tl^eite im SSortrag gewiffe Unarten , namenttid^ ba« 
Ucberjie^en ber 2:öne unb U^bertreibungen , wie man fie. in ber 
Oper (eiber ju l^ören gewöhnt worben ift, nid^t unterlaffen lonnte, 
tl^eite bie ©efegenl^eit, bie ©tärle feiner materiettcn ©timmmittet 
gettenb ju mad^en, mitunter inbt«cret benufete. Äurj man vermißte 
oft bie (Sinfad^^eit unb SBürbe , burd^ wetd^e fid^ eine wal&r^aft 
lünftterifd^c »ilbung bewährt \ii\Xt, unb §err JÖHtterWurjer ftettte 
fid^ felbft gegen bie anbern ©otiften in ben ©d^atten, 

5Kan war natürtid^ bebad^t gewefcn, ber impofanten ©änger* 
maffe ein entf^>red^enbe« Ord^efter gcgenüberjuftetten! 'Die ©arten* 


170 !J)rcmitbbrci§igftc8 nicbcu-l^cm. äftufiffcp in 3)üffclborf. 

tnfttutttente marcn {o ftarl befefet, ba§ fic gegen bte Sla^inftrumente 
öottftänbig bie Ober^anb bel^atten unb ben Sern be« ®anjen bitben 
fonnten, tüte eö \xä) gel^&rt unb mt mau e^ bod^ Jefet uid^t gar oft * 
l^ört. e« tparen 65 SSioIiuen, 29 SBtatjd^eu, 25 aStoIoncette unb 
14 6ontrabä[fe ; bagegen t)ou ben ^oljbläferu ijict bei iebem 3n* 
fttumente unb bie 33(c^inftrumeute, mit Slu6na^me bet $ovniften, 
beten fed^6 maten, nur einfaci^ befefet. !Cu« Ord^efter toax über* 
megenb au« aKufilerniJon Du ff et b ort, Solu unb eibetfetb 
gebifbet, baö Sontingent , mläft^ anbte r^einifd^e ©täbte gefteüt 
l^atten , trat gegen btefe jurüd , einjetne töaren aud^ au« anbern 
©egenben l^injugefommen. Slfö SSorgeiger-i^atte man §erm Son* 
certmeifter 35 a ö i b au« öeiipjig eingelaben, mit beffen @rfa^* 
rung, ßifer unb 8lu«bauer an biefem ^fatje wenige e« aufnehmen 
mögen. 3n ber Z})at maren aud^ bie Seiftungen ber ©aiteninftru* 
mente burd^au« ganj öortreffüd^ ; ber fefte unb gefunbe ßl^aralter^ 
»eld^en bie Sfangfarbe be« Drd^efter« burd^ bie fräftige Haltung 
ber ©aiteninftrumente erl^ieft , mad^te in feiner Slrt einen tUn f o 
tpol^tf^ätigen ßinbrudt, ate x^n ber S^or mad^te, unb beibe in 
il^rem Buföututeutoirlen waren öon im})ofaftter Sülad^t. Selber lann 
man nid^t üer^el^Cen , baß bie S9(a«inftrumente ben ©aiteninftru* 
menten in leiner SBeife gfcid^ ftanben. X)a§ eine au«gejeid^nctc 
3Sirtuofitat nirgenb« l^ertortrat , »ürbe man nid^t tabetn fönnen, 
attein fie genügten aud^ ben 2lnforberungen nid^t übcraö, tüetd^e 
man bei ^upi^rungen biefer 2lrt an Drd^efterf^ieter ju [teüen 
bered^tigt ift. Slbgefe^en ton einjetnen SSerfel^en, loetd^e, wie bittig 
man aud^ über Unglü(f«fälle beulen mag, fid^ toenigften« nid^t 
toieberl^olen burf ten, toar aud^ im 2lttgemeineu STon unb SSortrag ber 
Släfer nid^t über bem ®eti)ß]^n(id^en, unb ol^ne bie fräftige ©tüfee 
ber ©aiteninftrumente mären (te faum gut burd^gefommen. (5« ift 
eine eigentl^ümtid^e Srfd^einung , bag l^eutjutage mit Sludnal^me 
einiger großer Sa^etten attent^atbcn geftagt wirb , baß bie iSIa«* 
inftrumente immer weniger cuttit)irt werben unb an guten 33laferu 
ber größte SJlanget ift — ju einer ^tit, wo bie Som|>oniften biefe 
Partie be« Ord^efter« mcl^r in Slnf^^rud^ nel^men , ate je, ig« ift 


2>rcmnbbrci6igflc« nicbcrr^cin. 2Äujt!fcfl in 2>üjfcrborf. 171 

ba« aud^ ein S3ctt>ei« bafür , ba§ bic lünftfertfd^c ^robuctton [id^ 
mcl^r unb mt^x i)on bct realen Sebingung einer gebeil^tid^en Wah 
famlett (o^gelß^t l^at, SBer \t%i com|>ontrt , fragt jutefet nad^ ber 
3Ji8g.tici^Ictt ber 5lu6fü^rung unb geiuöl^nt fid^ lieber baran , ben 
SBert^ feiner ©ebanlen naci^ ben üßitteln ju f^äften , bie tt bafür 
in Setpegung fct^t; 3n frül^eren '^ÄXtn maren bic bori^anbenen 
ÜÄittet bem ßomponiften in ber 5ßege( bie gegebene ©ebingung für 
3ln(age unb Umfang ber 5lrbeit, unb bie ^nft l^at fid^ bei biefer 
©efd^ränlung nic^t fd^fed^t bcfunben. 5ltterbing« läßt fid^ bie ju* 
ne^menbe 35ernad^(äffigung ber S5to«inftrumente babei bo;i^ tpol^l 
erllären, grüner gab e« eine 3Kenge Sapetten, »eld^e, »enn ^uif 
nid^t ftarl befetjt unb mäßig befolbet , e^ bod^ ben SDlitgßebern 
möglid^ mad^tcn , fid^ auf il^ren 3nftrumenten unau^gef efet fünft* 
(erifd^ for^ubitDen, unb bie bamafö l^errfd^enbe 35orttebc für $ar* 
moniemufil Ueß auf bie S3to«inftrumente cineu großen SBertl^ legen. 
üßan glaube nid^t , baß bie toeit öorgefd^rittene 9Dli(itärmufif jefet 
eine ä^nlid^cSBirlung übe; fott>enig ate bie einfeitige SluMbung 
be« SDlännergefangd eine gute SSorbereitung für eigentlid^en &fOX^ 
gefang ift , f o »enig uüljt bie Sßilitärmufif ber 3lu«bi(bung be« 
Drd^efter^ ; beibe fd^aben , »eil fie leidet rol^ unb befd^^ränft 
mad^en. 3^ie meiften SDütgtieber öon Drd^eftem ftnb aber ja 
leibcr in bet Sage , baß fie üon bem , uja^ fie in biefer ©tettung 
üerbienen, nid^t (eben lönnen, fonbern mo nur eine ©cfcgen^eit 
fid^ bietet, oft fetbft jum 2;ani, f^i^ten muffen, um nur ju e^iftiren. 
S)a^ berbirbt nid^t aöein attmäl^lid^ 2(nfafe unb S3ortrag ; mand^c 
Onftrumente , bie im Drd^efter unentbe^rtid^ finb , »erben au^ 
bort faft allein gebrandet, j. 33. Oboe, gagott, unb e« erl^eifd^t ^ 
grabeju eti^eblid^e D^>fcr , toenn einer fid^ bie 9Weifterfd^aft auf 
einem Snftrument, ba^i^n nid^t ernähren lann, fortmäl^renD er* 
l^alten foB. SSitl man gute Ord^efter l^aben , fo muß öor allen 
35ingen bal^in geftrebt toerben , baß e« ben SDiitgliebern materiell 
möglid^ »erbe , fid^ !ünftlerifd^e ©ilbung jU tjerfd^affen unb ju 
er'^alten. 3Bie in ben anbern fünften , fo gilt aud^ in ber Sßufif 
bie aWai^nung, nid^t bie einjelne glänjcnbe Seiftung, nid^t bie 


172 2>rciunbbrci6i8jle« nicbcrrl^cm. SDhipffcfl in 2)üf[clborf. 

SSirtuofität bur^ un^ctl^ältntfma^tge SBelol^nungcn au^jujctd^ncn, 
fonbem ba^ §)anbtt)erl ju bilben unb m6f matcticü ju lieben , ia^ 
mit cd frei »erben unb Jl^ett i^aben Bnnc an ber Sunft, für toeld^e 
ed aüetn ben ©oben bitbet , in bem fte tourjeln fann. S)ted ^ui 
f ann aöcrbtngd nid^t burd^ SlÄufüf efte erreid^t »erben , aöein bar* 
auf bütfte man bort tool^f bad 3lugcnmerf me^r rtd^ten , ba§ nid^t 
ein J^eil bed Drd^efterd bem anbem fo merlßd^ nad^ftc^c. äud^ 
bad fd^cint eined SKufilfefte« nid^t ganj tofirbig, baß man bei 
©d^umannö Oratorium bie $arfe gcfpart l^atte. Srcilid^ l^at fie 
unbequem »enig p tl^un ; . allein bei einer f oldben ©efegenl^eit 
foöte voo^ auä) mä) biefer ©eite ^in Slöe« aufgeboten toerbcn, 
bie t>om fiomponiften bcabfid^tigte SBirhtng ju errcid^en. 

@ö ift leine Heine Slufgabe , eine fofd^e SKaffc , »ie fie l^ier 
©änger unb Ord^cfter bilbeten — e« maren im ®anjen 825 SÄit* 
tt>ir!enbe — ju birigiren. Steißd^ finb bie (Sinjcinen bereit« ein* 
geübt ober bod^ belannt mit bem , »o« ju teiften ift — bie« gilt 
öon ben ©ingenben ganj aügemein, öom Drd^efter bod^ ber über* 
»icgenben SDiel^rjal^t nad^ — unb e« lommt a(fo toefenttid^ barauf 
an , aüe bie öerfd^iebenartigen jufammengeftromten @(emente ju 
einer Sinl^eit ju berfd^meljen unb ju beteben. .®rabe bteö aber ift 
unb bleibt bei aüem guten SBiüen unb trofe ber Uebung, »efd^e bie 
lange Steige äl^nttd^er 3wf<^inmenfünfte gebrad^t l^at, eine aufgäbe, 
bie immer »ieber neue ©d^mierigleiten mit fid^ ffil^rt. S^e ber 
Sinxclnc fid^ gcttjöl^nt , fein SBotten unb Sonnen ganj baran ju 
geben an bie Örbre be« $Bd^ftcommanbircnben, bebarf cd getüäl^n* 
tid^ einiget Sämpfe unb trofe aücr 3Sorbereitungen bringen mit^^ 
unter bie erften groben ein S^ao« juttjege, ba« einen ganj anbcrn 
ginbrudt ate ba« §a^bn'fd^c mad^t. gerbinanb^tfter, bem 
bie Leitung biefe« 9Waf übertragen toar, l^at feit ijieten Salären 
unter fo öerfd^iebencn aSerl^ältniffen fid^ ate J>ortreff(id^en Diri* 
genten betDä^rt, baß eö t^m aud^ für außerorbentlid^e ©elegen^ctten 
an Umftd^t, geftigleit unb JRul^e nid^t feilten lann. äugerbem be* 
fi^t er eine reid^e Sebenderfal^rung , getoinnenbe J^ormen im per» 
fftnlid^en 35er!e^r unb bie ®abe üortrefffid^ ju fpred^en , enbüd^ 


2>rcmnbbrct6tgfic8 niebcrrliicin. 2»iift!fcil in 3)üffctborf. 173 

Autorität ate Sünfttcr — lauter Sütgfd^aftcn für einen gün* 
ftigen Stfolg. S)aju tarn, baß et einen »efentlid^en "S^txl ber 
SSorbeteitungen fetbft geleitet l^atte, atö SKufübirector in Ä8(n unb 
früher in ÜDüffetborf mit atten» S3crl^a(tni[fen genau belannt ge* 
n)orbcn mar unb fid^ in ieber S3ejiel^ung ^eimifd^ fül^fen lonnte. 
@r ^attc \iäf U^aVb anä) nid^t auf feine Function atö Dirigent 
bcfd^ränlt, er tüar'üßitgßeb be« geftcomite unb l^atte fid^ um ba^ 
äitftanbefommcn unb bie Sinrid^tung fce« ganjen gefte^ burd^ cif* 
rige unb crfotgreid^e 2;^ätigfeit bie größten SSerbienfte ertoorben. 

S5or aöcn 3^ingen aber bebarf ber 3^irigent an einem SÖiufif* 
feftc einer feften ©efunbl^eit, benn e« ift eine fo unauögcfefetc 
geiftige unb förperlid^e änf^annung , in »etd^er aüe SRittoirfen* 
ben , ber Dirigent atfo in ungteid^ l^öl^erem ®rabe , gehalten »er* 
ben, ba§ man faum begreift, »ie e« au^jui^atten ift. Slm Sreitag, 
ben 25. 9Äai, 5Korgen6 neun Ul^r begann bie erfte ^robe, bie bi^ 
SKittag , 5Wad^mittag« um t)ier bie jmeite , bie bi^ in ben ?lbenb 
baucrte ; am ©onnabenb fing bie ^robe fd^on SÖiorgend um ad^t 
}Xf)X , baf ür benn aud^ 5ßad^mittag« eine ©tunbe früher an , unb 
bauerte bi^ f^ät am 2lbenb. am ©onntag »ar SRofttag unb nur 
be« Slbenb^ Soncert, SWontag unb Dienftag ben ganjcn Vormittag 
^rpbe unb Slbenb^ Soncert. äJlan mut gefte^en, ba« mar eine fo 
fd^arfe Sam^agne, bag e^ aöe änerfennung ijerbient, wenn e« 
»cber Sranfc nod^ üDeferteur« gab. 3m ©egentl&eit würben bie 
groben aud^ t)om ju^örenben publicum jiemUd^ ftarl befud^t, 
aJiand^e mad^tcn fi^ »ol^f bie geringeren Siutritt^preife ju 5Rufee 
uub üerjid^teten nad^^er auf^ Soncert , toenn fie bie ^robc gel^ört 
Ratten. Diefe l^atten benn freilid^ bafür mand^e^ au^jufte^en. 
©er fid^ j. 33. barauf gef»)i^t ^atte , grau ©ofbfd^mibt ate ^eri 
ju ^örcn , ben wod^te e« »o^l berbrie|en , ba§ er jei^n ©rofd^^n 
^atte fparen »oüen, ate fie in ber ^robe nur fo tl^at »ic fingen, 
gür ben, ber fein Soncertbittet in ber 5j;afd^e l^atte, »ar grabe ba« 
intereff ant , toie fie bei bem benlbar geringften Slufwanb öon 2ion 
mit öottfommener ©id^erl^eit bie ©pifeen ber üßelobie ftreifte , f o 
ba§ , »ie in einer flüd^tigen ^d(ifnnni öon SÄeifter^anb entroor* 


174 3)rciunbbrci6igjic8 ntcbcrr^^cm. SÄMftffefl in 3>üf[ctborf. 

fcn , nur btc Umrtffc leidet aber boülommcn liox unb feft l^crauö« 
traten. Uebcrl^aupt berfc^n btc groben bcn etnfad^cn ©cnugmen* 
fd^cn in eine 9lrt ijon JEantafu^fituation. SBenn eben äüe« im 
beften ä^ge tft , IIo^)ft ber ^Dirigent auf — er fielet gar ntd^t ein 
»arum, — bringt mit ÜKül^e aöe jum ©d^toeigen, l^ält eine äfarebc, 
Don ber er im 3w^örerraum nid^t« ijerfte^t ; nun gel^t« toieber üon 
ijorn an , bamit an berfelben ©teüe gteid^ »ieber aufgel^ört wirb. 
Söenn e« bamit gel^t mt im Slnbante ber C moU ©^m^jl^onie, 
tt>o bie ©äffe attein il^re ^affagen f^ieten mußten, ba§ man beulen 
fottte antebituöianifd^e 3»ammut:^« fingen an il^re ©ebeinc in ©e- 
»egung ju fefeen , »irb er fid^ aud^ ^umoriftifd^ angefprod^en fin»» 
ben, aber telber finb c« meiftcn« gar nid^t bie fd^Snftcn ©tettcn, 
bie man gern red^t oft ^ören möd^te, »eld^e fo oft »ieberl^oü tocr* 
ben. Der arme 9Kenfd^ fommt am Snbe in ein fold^e^ 3)W|trauen 
l^inein, bag er fld^ gar nid^t me^r jujul^ören getraut / blo^ tocil er 
fürd^tet, ba| i^n ba« l^eimtücfif^e fiCo})fcn bod^ gteid^ »ieber ftören 
toirb. 3a, e^ fann il^m })affiren, bag toenn brei ober ijier ©teüen 
au« einer Duberture jebe jtoanjigmal gefi)lett finb , ber Dirigent 
bie Partitur jumad^t unb fagt : „3d^ banfe 3^nen, meine ^erren, 
ba« Uebrige gel^t f o ! *' gür ben redeten giebl^aber aber , ber bie 
groben befud^t , um bie SDinfif ftfidte lenncn ju tcmen unb fid^ für 
btc Soncerte borxübereiten , ber feine greube an bem tJortfd^ritt in 
ber äuöfü^rung, an ber immer feineren 5lu^arbcitung be« ©etaite 
:^at, für ben ift iebe®t8rung ber 9lrt eine Sr^Sl^img feine« ®cnuffe« 
unb er fül^It fid^ in feinem ®cti)iffcn bcunrul^igt , wenn e« gar ju 
glatt f ortgel^t. ©lüdfftd^ tft er , »enn er in ber Partitur nad^Iefen 
unb bcn 2)irigenten controüren !ann ; mit bem größten SBel^agcn 
bemerlt er Setter, bon benen Jener leine 5Rotij nimmt, unb »unbert 
fid^, menn Jener auf l^Sren lä^t , too er nid^t« gel^ört l^atte; unb 
toenn Sitte« bortrefflid^ ge^t , f o n>a^rt er »enigftcn« feine ©ctb* 
ftänbigfeit burd^ äBifebittigung berfd^iebener 2;cm^)i. 6« fel^lte nid^t 
an ^)flid^tgctreuen äfiufüfreunben , bie atte groben unb ßoncerte 
bon ä bi« 3 mitmad^ten. S)a« ift toal^rtid^ fel^r biel, benn jebc« 
(Soncert f efetc fd^on eine ftarf e ©enugf äl^igleit borau« ; attein , »ie 


3)t:elunbbrci§i9(lc8 niebcrndein. SÄufiffcfl in SJöffctbcrf. 175 

mand^e Stctjtc fageu , ba^ einet guten ßonftltutton i)on ^txt ju 
3ett ein betbcr ©tätfcl^ler gefunb fei, fo ge^t ee roo^ mit ben mufi* 
laCifd^cn ®cnüffen mäf : man fann in {old^cn ^zittn ungtaubüd^ 
t>icl i^ertragen. 

Ueberl^aupt loerbirbt man fid^ bei einem SDtofilfeft , rok eö 
f d^eint, ben SOiagen tiid^t, 3^a« ®|>ti(^toort fagt : !Die Siebe jel^rt ; 
— ba« mag jttjeifell^aft fein , aücin ganj getoife ift eö , ba§ 9Äufi! 
.;^e^rt» 3Wan ^at längft beobad^tet, bag fici^ bie 3Jiufiter andf burc^ 
il^ten 5l^>j>etit au^jcid^nen — id^ toei^^nid^t, ob biefe 2^atfad^e 
f d^ou ^^^fiotogifd^ untevfitd^t unb aufgelfört ift , bie Sametaüften 
fd^cinen i^r nod^ nid^t bie tt)ünfd^en^n)ert^c S3ead^tung gefd^enft ju 
l^aben, fonft njütben bie 9Kufi!er »ol^t beffet bejal^It — unb fetbft 
bie , »eid^e burd^ ^niiixtn ju ttmpox'dxen SKufilern tt)etben , ^fle* 
gen biefe SBirfung an fid^ ju erfahren- S)a^er fal^ man benn nad^ 
'groben unb ßoncetten bie ©d^aaren ber actiüen unb ^affiben SWu* 
pfcr in befd^Ieunigtem 2:em|>o ben tt)o^tbefe^ten5tafetnberäBitt^^^ 
l^äufcr entgegenhielten. 35enu auffaüenbeweife n^ax im geftlocat 
fclbft leine ©intid^tung ju einer großartigen 3Kittagetafet getroffen. 
Sßa^ Sffcn unb 2;riu!en anlangt ift man belanntftd^ am SR^ein 
too^t aufgehoben unb e^ toar jegtid^e ©etegen^eit geboten, bie 
mufifatifd^c Stimmung ju erl^atten unb ju erl^öl^en. ©aß bie 
SBtrtl^e ii^rerfeit^ ben außerorbentUd^en gw^^^^B ^^^ i5remben 
nid^t unbenuiät ließen , fid^ gteid^fatt« in eine feftlid^e ©timmung 
ju i)erfe^en, fann man fid^ benfen. 3iamentlid^ toer nid^tjurred^- 
tm 3eit burd^ gute greunbe ftd^ Quartier beforgt l^atte , fonnte 
teici^t in bießagc tommen, felbft für toenigentf|>red^enbe Seiftungen 
greife ju jai^ten , bie einer SÖäettftabt toürbig- »aren unb al6 genü* 
genbc aSorbereitung auf bie <)arifer2lu«fteüung gelten lonnten. 3n^ 
beffen fo t)oü e^ toar , tonnte man bod^ mit ber ©etoirti^ung fel^r 
»ol^I jufrieben fein , aud^ gelang e^ faft immer , baß ein Heiner 
Srei^ üon Steunben fid^ ju be^glid^er Unterl^altung pfammen* 
fcfecn lonnte , loa« bei fo mäd^tig einftürmenben ©enüffen bo^j^^eö 
unb breifad^ ju fd^ä^jcn n^ar. Die unfrein)itltge Ül^eilnal^me an 
ben ring^umi^er gefüi^rten ®efpräd^en er^iJi^cte gett)8]^nlid^ bie §ei^ 


176 S)reiunbbrci6igfic« nicbcrrljfcm. SÄuftffcft in 3)üffctbi)rf. 

tcrfeü, inbcffcn »at c« l^öd^ft crftcuUd^ , \xo% fo mand^cn in« ®c* 
lag l^incin gcfd^wafeten Urtl^ctlcn ipa^rjunel^mcn , bag ein rcgeö 
unD mannet 3ntete[fc für bic 3Jlufi! beim 9Kn[iIfeft bntd^an^ öor* 
l^ervfd^tc , unb namenttid^ in tüeld^em ®rabe bie ©d^B^fungen un* 
feter großen 3Jieifter allgemein belanntfinb unb em|>funben werben, 
„SBenn bie ©teile in ber C moU ©^m^l^onie lommt/' fagte ein 
ioijiater 3Kann , ber i)om Sanbe l^ereingef ommen njar , „tpo burd^ 
aü ben Sampf unb 'Drang ba^ fidlere ©efül^l be« naiven ©iege^ 
burci^bringt , bann bin id^ fertig, bann !ann x^ bie 5D^ränen nie 
jurücf^alten." 

%m ©onnabenb ttjaren bie SDiitmirlenben toöftänbig beifam=^ 
men , aud^ bie '^yx^xtx lamcn meift im Saufe be^ S^age^ an unb 
mit bem ® d^lu§ ber 5Rad^mittagöprobe toaren bie ^aujjtüorarbeiten 
beenbigt. ©en Slbenb biefe^ STage« bejeid^nete für bie 3^üffelborfer 
nod^ eine Sunbgebung patriotifd^er SreuDe. "ȧrinj Stiebrid^ , ber 
im 3a]^r 1848 feine langjäl^rige SRefibcnj terlaffen ^atte , feierte 
jum erften aWal lieber afö®aft in 3^üffetborf ein. Die ©trafen, 
meldte bie ganje S^ftielt l^inburd^ mit SUiaienbäumen , ©uirtanben 
unb Staggen gcfd^müdtt waren, ergtänjten in.ftral^lenber Sllumi* 
nation unb ein gadfeljug ^\t% ben ^rinjen willfommen. 

am üßorgen be^ ^fingftfonntag^ war ®eneratpaufe. 2)ie 
burd^ Slrbcit unb ©enüffe ber ijorigen Xage Srfd^ö<)ften foKten ftd^ 
erboten, unb ben ton aKen Seiten herbeigeeilten eine ©elegenl^eit 
geboten werben, fid^. miteinanber ju unterj^alten. 5lte ber iJtafe, 
wo Stile« fid^ t)om früi^en aJiorgen an ijercinigen werbe , war ber 
5lnana«berg beftimmt. Um ganj ungered^tfertigte SSorfteUungen 
öon bem tro|>ifd^en Äfima ober bem ivii^^ ber Düffelborfer p be* 
feltigen , muß bemerlt werben , baß bort weber Slnana« gejogen 
werben, nod^ 5lnana«punfd^ gebrauet wirb. 5Dcr 2lnana«bcrg, ber 
feinen 'iWamen ijöltig wie lucus a non lucendo^at, ift ein 
mäßiger ^n^zi innerhalb ber fd^önen, weiten, burd^ ^errlid^e 
Säume unb ja^llofe 9lad^tigallen au^gejeid^neten ^arlanlagen 
Düffelborf«, bei fd^önem SBetter ein anmutl^igcr ^un!t. Siort 
würbe früi^ Kaffee getrunfen , ber aud^ etwa« weniger f d^tcd^t war 


2)rciunbbret6ig|ie8 ttlcbcrr^cin. aÄuftffcji in 3)ilffcrborf. 177 

ate et in ben r^einijci^cn SÖättt^^^äufcrn gctpöl^ntid^ ift ; natütftd^, 
ba btc iSnglänbcr jitm Stül^ftüö 2;^ee ju trinlen gctpo^nt finb, »irb 
man fid^ bod^ nt(^t für btc ©cutfd^en <infttcngcn ! 'iDag au(^ ber 
äWattranl ntd^t fcl^Öc, t)cvfte^t fid^ ijon fctbft. !Denn dbikxd) bicö 
®eträn! jefet fo jicmlici^ ü6er ganj X)cut{d^Ianb ausgebreitet fein 
mag , fo ift bod^ ber $R^ein(änber f aft f o ftolj auf biefe« l^eimifd^e 
•^robttct atö auf ben Sii^ein , unb ö)irb bctbe mit SBort unb 2:^at 
ju rül^meu ntd^t mübe, 

Ritter ^atte mit bem 9ßotto feiner ©^mp^onie „SS mu^ 
bod^ grüpng toerbcn!'' bas auf unjäl^Ugen 9Waueranf dalägen 
3ebcm in bie Slugen fiel, JRed^t Bel^alten ; trofebem ba^ am ®onn* 
abcnb baS SBetter fcl^r bebenf fld^e Sülienen mad^te , »urben n>ir 
am ©onntag SWorgen mit bem fd^Bnften flarften "»ßfingfttDetter 
übcrrafd^t. 3n ber l^eiterften ©timmung jog man bem ®amme(* 
plali in, tt>o §iöer mit anberen äKitgfiebern beS ßomiteS auf bie 
ItebenStofirbigfte 9lrt ben SBirtl^ mad^te , S3elanntfd^aften toermit* 
telte unb ber ©efeflfd^aft eineu fe^r ertDÜnfd^ten 3D?itte(punIt bot, 
äömäl^ßd^ füllte fid^ ber JRaum mit präfumtiben großen SKufilern, 
unb nun gab eS für 9lfle ©elanutfd^aftcn ju erneuern unb neue ju 
mad^en ; aüein toie eifrig einer aud^ fein mod^te ftd^ öorjuftetten 
unfe öorftetten ju laffen, immer blieben nod^ gro^e Unbelannte ju* 
rüd , unb einige erregten bie allgemeine äufmerlfamleit nur ba^ 
burd^, bag fie Jliemanb lannte. 5lber anii) an allgemein belannten 
unb berühmten Scannern fel;lte eS nid^t, unb wx bie SSebeutung 
eines fold^en gefteS nad^ 5Jiamen abmißt, ber lonnte jufrieben fein, 
©n aSerjeid^nig ber Setebritaten ju geben ift untl^unßd^ : „»er 
f äff et ii^re 3<^^t ?" Vim nur einige ©pifeen ju ftreif en : eS f anben 
pd^ Sritiler jufammen bon S^orte^ aus Scnbon btS^anS«' 
lidf aus SBien, ^ianiften »on ©t. geller aus ^aris bis 
©tein aus JRebal, Sompomften öon ®oub^ bis aSerl^ulft, 
Sa})etlmeifter bon granj Sad^ner bis granj Sifjt, aKufiI== 
birectoren aber gab eS beinal^e nod^ mel^r als ©el^eimrät^e in 
S3erlin. 3n munteren ®t\pxciä)tn trieB ftd^ 5ltleS miteinanber 
^erum, einjelne ®ru^)})en bilbeten ftd^ unb ISSten fid^ auf, ftei^enb, 

3 a f) n , %uffä|(e über ÜRuftf. 1 2 


j 78 Dreiunbbreigigflee nicbcrr^^cin. SÄufiffefl in S)äffctbotf. 

fi^cttb, gel^cnb, Je na<ä^ ©cbürfntg ; »et aümal^fid^ bic 9iunbe mad^te 
unb ^ixtt , tt)ic bic t>erf(i^tcbcnftcn Slnfid^tcn unb ®efi(ä^tt<>ttttltc, 
®\)mpatf)xtn unb Hntt^at^ten fid^ au^fprad^en, mod^te too^i bettten, 
ba| 06eton unb Zittania totebet golbene ^od^jett l^ietteu. 

Slod^bcm ber Vormittag f o mit gfanircn ücvtl^an \oax , jet* 
fttctttc fid^ bic ©cfcttfd^aft , um [id^ am Wtxitagßmaffl ju ftärte«. 
Um 6 Ui^t f oHtc bad Sonccrt beginnen ; ate bic 3cit l^ctannal^cte, 
ti)icfen bic immer bid^tet gcbtängten 3^9^ fe[tli(^ ge^u^tcr 9Rcn* 
fd^en oud^ bcm gtcmbcn bcn 8Beg nad^ bcm ©ci^tcr'fd^en Socat am 
önbc bct ©d^abomfttaßc. ÜDott, in einem l^übfd^en großen ©arten 
ift ber für bic Sluffül^rungcn beftimmtc gro|e @aat an ba^ ©trti^* 
f^aftdgebäube angebaut. @r ift leidet au« ^oCj aufgefül^rt unb »c* 
ber öon Slu^cn nod^ bon Snnen ift für bic ©ccorirung beffet^ 
ben cttoad getrau ; man l^at il^n nur atö ein Sßittcl ym ^md 
be^anbclt, ba« für fic^ nid^t« ju bebeutcn i^at. ÜDcr 3tt^8rcrraum 
bietet auf 93än!cn, bie fid^ me^r burd^ (Sinfad^l^cit atö iBequemtid^^ 
feit au^ieid^nen, über 2000 ®x%pVxlit , unb ba fid^ ungemöl^utid^ 
biet Sß^m angemelbet l^attcn , mar noc^ eine S^ribunt gebaut 
morben , toetd^c einige l^unbert SRenfd^en faf tc ; am britten 2:age 
U)urben aud^ nod^ SiQet« ju ^k^fpiüs^n ausgegeben, ^er 
&}axattzx einer attgemeinen i^eftUd^Icit tourbe bfiburd^ nod^ fei^r 
cr^Sl^ct, bag gegen ein geringe« (£intritt«getb aud^ ber ©arten bera 
publicum ge&ffnct »ar. Sei gflnfttger , rul^iger SÖäitterung lann 
man in einem k^txl be« ©arten« ber SRufil faft ganj folgen ; biete 
lonnten fid^ bcn ®enu| be« ^u^ixtn^ bcrfd^affen , anbcre liefen 
fid^ am ©c^cn genügen« (£« mar fel^r iU)e(bnä|ig , ba^ man ba« 
Soncert burd^ eine beinahe einftünbige ^aufc üntcrbrad^ , f o ba§ 
bie ^vSfixtx in 9tu^c fid^ in bcn ©arten begeben unb bort crl^olcn 
unb erfrifd^en fonnten. 3Wan fann fid^ benfen , »ie belebt e« bort 
voax , unb bod^ loar ber ©arten bon ber SHenfd^enmenge nid^t un* 
bequem überfüöt. Ucbcrl^au^t toarcn bie äußeren Sinrid^tmigen 
faft aüc fel^r gut unb bequem , unb man !onntc lool^t merfen , ba§ 
fd^on eine getoiffe SRoutiftc burd^ bie »ieberl&oltcn SKufiffcftc er* 
(angt fei ; nur ba« loäre ju toünfd^en , ba| ffinfrtg burd^ SSerme^* 


3)rciunbbrei6igj]te« nicbcrrl^cm. SJiuftfJcfl in S)üffdborf . 179 

tung bcr Slu^gängc nid^t nut; für btc SSequcmltd^Ictt, fonbcrn anä) 
für fcic ©id^ctl^eit bet ba« 8ocaI 3Sertaffcnben beffct gcfotgt toctbe. 

3^öö ®ctüft für btc SKufifcr ift an ber einen ©d^malfette 
ann>]^it^eatra(ifd^ aufgeBant. 3^tc torberftcn Stellten mren bom 
©opran unb 5llt bcfe^t, üon ba an aufioärt^ bcgränjten bte SReil^cn 
ber Sl^oriften btc ber 3nftruntentaflften , mläft oben bic ganje 
SSrettq bc« ®erüfte6 etnnal^men itnb in einem fpifeen Seil ^iä) ix^ 
an« ^utt beö 'Dirigenten ^tnabjogen. !£)te Sluffteffung eine« fo 
großen Drd^efter« ffat bebeutenbe ©d^toierigleiten unb icbe, bie 
man »äl^tt, »irb gctüiffc ^a^Ü^tik nid^t üermetben fönncii, Ritter 
l^atte, unb l^ier getoig mitSRcd^t, bcn®efid^t«})unltöortüaItcnIaffcn, 
bte ©aiteninftrumente niiä^t ju trennen , ifonbern ate ben Sern be« 
Drd^efter« ju concentriren, unb be«]^a(b bte ©läfer oben iufammen* 
geftettt. (£« toar ein fd^öner Slnblid , biefc maci^tige, Iam<)fbereite 
unb fiegeögctoiffc ©d^aar, an il^rer ©^^itje beu gtor bcr gefd^müd^^ 
ten ©amen, ju feigen, »ic fic auf ben SinI be« Dirigenten toarte* 
ten , ber toie ein Setbl^err baftanb , tocld^er fein §)eer bor bem ent? 
fd^cibenben 9lugenb(idf mit fidlerem ©tiefe muftert. 

35a filier Jjie oberfte Leitung anbcrtraut toorben mar, l^atte 
mau il^m n)ie bittig bie @^re crtoiefen, mit einer feiner ßomipofi* 
tionen ba« gcft ju eröffnen; e« toar bie ©^mp Ironie mit bem 
3Äotto „(S« mu^ bod^ grü^Iing toerben!" geioäl^Ö, naäf 
bem fibereinftimmenben Ürtl^eit eine« ber getungenften unb bebeu* 
fenbftcn SBerle §)itter«. SBer ettoa eine malcrifd^e j)arftenung be« 
gtül^öng« mitSSogelgcäioitfd^cr unb anberen 5RaturIauten crnjartete, 
mugte pd^ getäufd^t finben ; fic ift ber fel^r emft gel^altenc Slu«brudt 
ber ©timmung , »eld^er iener bic ©ranjc bon SScrjtoeiflung unb 
^Öffnung bejeid^nenbe 5lu«ruf anbeutet. S33er auf bergteid^cn ad^tet, 
lonnte fogar in bem mit fetter ©d^rift auf bem Programm gcbrudt* 
ten b d^ ben §)intt)ei« finben , ba§ c« in ber ©^mj}:^onie ^aupt< 
[aäfixäf auf ba« 8äm^>fen unb ^Ringen abgcfel^cn fei. ©o ift e« 
aud^, unb t>ietteid^t lann man bebauern, bag c«, um im ®(eid^^ 
nig JU bleiben, ju anl^altcnb fd^fed^t ä8cttcr bleibt unb aud^ 
f d^(ie|(id^ ber grül^ttng nid^t in feiner boflen ^citcrleit jum 35urd^* 

12* 


1 80 2>rciunbbrci6igfic8 nicbcrr^cin. 9Ruflffcji in 2>öjfeIborf . 

ixnäf lommt, ba^ bcm aRotto, infofern c« bic ©ciot^l^ctt bct 
»iebcrjugctomncnbcn ftcnbtgcn ©tunntung au^btücft, n^t öoüe 
©crcd^tigfcit »tcbcrfal^rcn fei, Darüber ift nnn nid^t ju- redeten, 
bcr Äünftter ^at bie nnbeftreitbare grcil^eit , toa« er in fid^ erlebt 
nnb burd^gemad^t f^at, fo bargufteöcn, »ie eö für i^n t>oüt ffia^r* 
l^eit ^at, unb teiber liegt e« in unferer ^txt, bag überaü ein (eiben* 
f d^aftüd^c« Streben mel^r l^eröortritt, ate bie rnl^ige ©id^erl^eit t>e^ 
(Srfofge«, SBer bicfe Sered^tigung jugeftel^t ffat bcffenungead(^tet 
feinerfeit« ba« SRed^t baranf l^injutoeifen , »ic bie lünftlerifd^e 
SSoöenbiing erl^eifd^t, baf ©timmungen nnb B^ftänbe, toetd^e nur 
ate öorübcrgel^enbe , ate öorbereitenbe ii^re ©ered^tigung ^aben, 
auc^ mir qte folc^e bargcfteöt »erben, unb ba^ aud^ bie ©d^&^jfung 
be« Äünftfer« erft bann jur »al^ren Sefricbigung unb ^joetifd^cn 
Steinigung erl^ebt, toenn fie un« ba« 3^^^ erreid^en lix% auf »ejd^e« 
aöe icne S&m^)fe unb Scftrebungen i^inbrängen. Unb ©er »ci^ e« 
beffer ate ber SKufiler , ba| er , ie fd^ärfcre Diff ouanjen er an* 
fd^tägt, ie länger er fle feftl^ält, um fo beftimmter unb entfd^iebener 
aud^ bieSluflöfung eintreten unb fo lange audtßngenlaffenutu^, ba^ 
ber §8rer gum Doüftänbigen ©cfüi^l ber neu getponnenen Harmonie 
gelangt. Sine na^liegenbe älnalogie bot grabe ^ier bie C molb 
©^n^jl^onie , biefe mufilatifd^e !J)arfteöung be« fategorifd^cn 3m* 
|)cratit>«, SS^nn ©eet^oöen il^r ein SDiotto l^ätte geben »oKen, 
er l^ätte öietleid^t barfibcr gefdi^rieben : „SBir muffen bod^ frei 
»erben !" SBetd^er Äam^)f gegen ©türm unb Ungcmad^, aber aud^ 
»eld^e ©iege«freube, »etd^er Irium^jl^. SScrgleid^t man bamit bie 
neunte ©^m^jl^onie , fo brüdtt biefe ben 5RiefenIampf einer großen 
©eele gegen bie jur ®elbftt>emid^tung brängenbe SSerjweiflung in 
erfd^üttember ©ro^artigleit auj5., allein bie {Rettung, inbem fte fid^ 
gur ebelften , rcinften Sreube erl^ebt , in ber entf^)red^enben SSJeifc 
barguftetten, ift bem ÜKeifter nid^t gelungen, Sßer feinem Sebcn«* 
gang unb ber baburd^ bebingten (Sntu>idelung dufmerifam folgt, 
wirb fid^ ba« SRefultat berfelben »ol^l erllaren, unb begreifen, baß 
baffelbe tein anbere« fein lonnte ; biefe l^iftorifd^e ffirfenntni^ beein* 
träd^tigt aber ba« äfti^etifd^e Urti^eil über ba« Jhtuftwerf nid^t. 


3)remnbbrct6igflc8 nicbcnl^cin. SRuftlfeji in 2)üffctborf. 1 8 1 

Dod^ bicfc ©ctrad^tung l^at un« ju toctt öon bcr ^iüef^äfm ©^m^ 
j)]^ontc »cggcfül^rt, an »cfi^c ftc angcfnü|)ft rourbe, SBcnn bic[cI6c 
un« aud^ ntd^t ju einer völlig Haren §eitcrfeit fettet, [o »er[enlt fic 
un« aud^ nid^t fo tief in lab^ttntl^ifd^e« ®tübeln unb ©etbftquälen. 
®ic t>crge8entt)ärtigt un« öielmel^r einen tüd^tigcn gefunben 3ß^n* 
fd^cn , bet mit entf d^foff enem ®inn unb frifd^er Sraft fid^ bnrd^« 
Seben fd^(agcn »itt, unb beut man fd^on jutraut, ba^ e« i^m tcieber 
gut ge^en tüitb, »enn man e« aud^ nid^t äfeid^ erlebt. 3Me ®^m*« 
jjl^ome ift breit angelegt unb au^gefül^rt unb ijertrug beöl^alb bie 
maff enl^afte Söefefeung ebenfott)o^l , ate fie burd^ @rnft unb Zn6^^ 
tigleit für ein SWufilfeft geeignet erfd^ien. ©a^ fie forgfältig ein* 
ftubirt toar unb mit geuer unb Seben gef^jielt tourbe , öerftel^t fid^ 
öon felbft ; ben 6omj)oniften unb Dirigenten begrüßte lauter Sei^^ 
faß , in ben aud^ ba« Ord^efter mit einem 2^ufd^ einfiel. 

f)atte un« Ritter ben Srül^ling nur üon ferne gejeigt, fo er* 
blül^te biefer in §a^bn« ®d^iJ.))fung in Dotier ^rati^t. 3)ie 
3KufiIer be« entfd^iebenen gortfd^ritt«, loeld^e mit iöerlioj für ba« 
erfte (Srforberni| jeitgemäger 3KufiI l^alten, baf fie übel ftinge unb 
aßen S3et^eiligten f c^merjlid^e (Sm^jfinbungen bereite , »erben in 
ber WoX)l ber ©d^ö^jfung ein* bellagenötoert^c« ®^m|)tom beö bor* 
nirteu 3o))ftl^um« erlennen. 5Die graction ber muftfalifd^en SBelt, 
meldte in ©üffelborf Derfammelt »ar , fd^ien in einer an Sinftim* 
migfcit gränjcnben 3Kajiorität ber entgegengefefeten Slnfid^t ju fein. 
„Unb ©Ott fa^, baf e« gut »ar." üDa« ift ber ©runbton, 
ber bte ganjc ®d^öj)fung burd^Ilingt, bie ^erjlid^e greube an allem, 
ba^ ein 3>afein l^at, beffen e« frol^ fein fann, bie ftd^ unerfd^ö^^flid^ 
an Jcber neuen Srfd^einung öon neuem beioal^rt. SBenn man e« 
mit ated^t al« einen SUiangel be« lejte« bejeid^net l^at , baf leine 
redete Slbtoed^ötung in ber Stimmung ift , leine beftimmteren ®e* 
genfä^e l^erDortreten unb namentlid^ bie Si^öre unb Snfemble« nur 
8ob unb ^rei« au«brüdfen , fo ift ber ^Reid^tl^um unb bie Stifd^e, 
mit »eld^er §a^bn biefer ©runbftimmung einen ftet« toed^felnben 
äutorudf ju geben ijermag , ber alle ®tufen »on ber fröl^lid^ften 
f)eitcrleit bi« jur ftaunenben SSere^rung burd^louft, um fo bemun* 


182 2)rcmitbbrci6iftPc« mebcrr^^cin. SRufiffefl in 2)üffelborf. 

berung^mfitbtgcr. S)enn »et etoa $)ai^bn nur im f leinen, leidsten 
®cnre gelten taffen mßd^te , ben brandet man nut an ben ®d^Iu§ 
be« etften I^eite jn erinnern, too ftd^ bic SEonmaffen in einex nid^t 
etibenben ©teigetung jnm gtofeartigftcn ©om »ötten, ober an bie 
3Bptte „!Oid^ beten Stb' nnb §immel an", bie öom gel^eimnifeDoüen 
®(^aner be« 5>ciß8^ bnrd^brungen finb , gar nid^t jn reben öon 
bem »unberbaren Ji^ »erbe 8id^t!" !Da§ äüe« mit ben ein*' 
fac^ften Smtteln eneid^t ift, fo ffar nnb bnr#d^tig, ba^eber 
meint , e« milff e nnr f o fein unb er lönne e« aud^ fo , ba« ift ja 
bod^ nnr ein ^en>ei^ bed bett)nnbernngdn>ürbigen ©enie^, ba^ mit 
kleinem ®ro§e^ »irlt , toeil ed Wz^ unb 3eg(id^ed grabe bal^in 
fteöt, »0 e« [teilen foö nnb mn§. ÜKan f^)rid^t fo biet bon ^a^bn^ 
linbtid^er 9Zaiöetat — mit gntem gng , »enn man barunter bie 
unberfiegbare Äraft einer genialen 5Watur berftel^t , ieber Ifinftleri* 
f d^en 3lufgabe fid^ unbefangen l^injugeben , fie il^rem Seim unb 
SBefen nad^ aufjufaff en unb frei mf> ftd^ ju geftalten , »eld^er otte 
Srf al^rung , aüe 3Rü:^e unb Slrbeit eine« unau«gefefet ftrebcnbcn 
geben« jur gefunben 5Ka]^rung unb ßräftigung bient. ^o!isitn öoö* 
enbete bie @d^8^)fung im Saläre 1798, er toar bamate 663a]^r oiir 
unb man barf be^l^atb nod^ mel^r übÄ bie iugenbltd^e grifd^ bcr 
Srfinbung erftannen at« über bie auferorbenttid^e ©eidl^eit in ber 
äntDenbung aöer SKittel einer Äunft, bie i^n unau«gcfe^t befd^äf* 
tigt l^atte. ©a« bie ted^nifd^e Sludfül^rung anlangt, fo bemunbertc 
ttx^Xi feiner 3cit bcfonber« bie gef d^idEte SSel^anbtung be«Drd^eftcr«, 
Dorjugötoeife ber ©Ia«inftrumente. ÜDag l^icrauf SWojart einen 
eutfd^eibenben Sinfluß geübt l^at , ift bei aQer inbibibueüen ©clb* 
ftänbigleit unberlennbar unb ))on $a^bn am bereittoiQigften aner« 
lannt. ßurje '^zxi t)or feinem lobe bellagte er-fid^ gegen einen 
gremben, ber i^n befud^te, bafe ber üRenfd^ fterbeti muffe, »enn er 
laum fo »eit fei, ba« anjmDenben, loa« er gelernt l^abe ; fo glaube 
er ie%t ju berftel^en, toie man bie ©la«inftrumente gebraud^en 
muffe, unb lönne, bem S^obe na^e, fein SBiffen nid^t mcl^r 
nu^en- ®o tool^lti^uenb aud^ ber Ueberreijung ber mobemen 3u* 
ftrumentation gegenüber bie fd^öne unb bei allem SReid^tl^um ftare 


2)rei«nbbrel6i9pc« nlcberc^ein. 3Kufitfefl in 2>üf[clborf. 183: 

SBithing feine« Drd^efter« tft , fo tm^jontrt bie Sel^anblung bct 
©ingftimmen, iDetd^e auf einem grünbttc^cn ©tubium ber ®cfang«* 
fünft berui^t , l^eutjutage noci^ mcl^t. ®er ©efang ift ber SRotut 
ber ©timmen angemeffen , bie 3lu«fü^rung ntad^t bcn ©ingenben 
gteube, bie ®(ä^n)ierig!eiten finb burd^ Uebung fidler ju übertoin* 
ben , unb Mt^ Mingt öoU unb fd^iJn. aöetbing« tft babei auf 
©dnger gered^net, bie tüd^tig gefd^ult finb, unb nid^t, »ic heutigen 
Sag« fo oft, bei einer guten ©timme mit aügemeiner ©Übung ftatt 
®efang6fd^ute au^julommen glauben, ©d^on in ben Sl^Bren mad^t 
c« fid^ oft gcttenb , ba^ in ©efangfd^uten gebitbete Sl^oriften' bot* 
au^gefefet finb, unb bie ©oli finb auf toirttid^e ®efang«!unft 
beted^net. 5Daß mar eine gteubeju i^ören, »ie rein unb fieser, 
mie frifd^ unb tebcnbig bie S^ore gefungen lonrben , baß man in 
ber gefunben unb fräftigen güße be« Sol^ltaute« toie in einem 
Sabc fd^toimmen unb fid^ erfrifd^en lonnte ; unb grau (Solbf d^mibt 
jeigte un«, »a« eine ©otoföngerin fei. 3n fo ijottfommcner ?eiftung 
erlieft aud^ bie SSraour il^r 9ted^t unb ii^re SBebeutung , unb toad 
müi^felig i^erau«gcftümj>ert ober feelento« l^eruritergefungen ate 
mügtge unb ftörenbe 3^t^^t erfd^einen muß , ertoie« fid^ atö ein 
©d^mudf, ber bem ®anjen jiid^t ate ein grembe« angefefet, f onbern 
au« i^m l^erborgetijad^fen ift unb i^m angel^iJrt. üDaö SSertangen 
nad^ einer abfotuten Sinfad^l^eit ber ®efang«metobie berul^t auf 
einer 9ieaction gegen bie maaßlofe Uebertreibung im berjierten ®e* 
fang/ bie toic geioöl^nüd^ fclbft lieber übertreibt; unb menn jene 
au« ber 3Sirtuofität l^eröorgegangen toar, fo ijoi biefe« eine $au<>t^ 
ftiitäe an mangetl^after ®efang«bitbung. 

Uebrigen« ift bie fünftterifd^e @inftd^t §a^bn« in biefem 
SKeiftenoerl biet tiefer ju berfotgen ate in ber gefd^idften §anb* 
l^abung ber äußeren aWittet. ©ie läßt fid^ in ber Anlage ber ein^» 
jelnen SKufifftüdEe unb il^rer ®ru^)^)irung nad^tt)eif en , unb Je un* 
banfbarer unb eintöniger ber SEejt ift , um f o größer ift bie Sunft 
be« ßom^joniften , ber e« Derftanb , burd^ »eife SSert^eitung unb 
Slnorbnung biefe SUiängel ju berbeden unb ba« 3ntereffe gef^)annt 
JU erl^atten. 5>lirgenb« oietteid^t ift bie« ben)unberung«ioürbiger 


1 84 3>rciuttbbrei6tö(lc« ttiebcrrl^ciii. iDUtftffpjl in 2)ftf[eIborf . 

ate im anfange 6t« ju bcn ©orten „& »^rbe iiäfU' Ol^te unge* 
l^eute 3Birfung betul^t ntd^t etoa auf beut ifVi^liäftn ©ntretcn be« 
gortiffimo nad^ bcm lange bauernben ^iantffimo ; Diel bcbeutfamcr 
ift ber Sinttitt be« lange etfel^nten unb immer jurüdgcl^oltenen 
C dur , ba« ben ä^-^^^rer jum erften Wlal frei auf atl^men lä|t* 
SBenn man ben lab^rintl^ifd^en SSerfd^lingungen ber 3nftrumentat« 
cinleitung folgt, too iebe« Snftrument auf eigne §anb fid^_etne 
Sjip^^X l^ erringen fud^t unb bal^er ein« ba« anbere immer ju 
ftftren fd^eint, too in bem forttcäl^renben ©treten nad^ ©eftaltung 
unb SScreinigung burd^ unau«gefe^te ©eitenbetoegungen einzelner 
icbe« f efte 3ufammenfd^lie6en gel^inbert »trb , f o faßt e« auf , ba§ 
bie S^onart, auf bie man gleid^ anfangt l^ingemiefen toirb, C dur, 
hie angef dalagen toirb , fo oft man aud^ auf ftc jugeffil^rt toirb. 
5)ie« Oefül^l »on Unpd^erl^eit bleibt aud^ in bem Slnfang^recitatib 
unb ben erften ©orten be« Si^or«, in benen e« immer um bie 
§aui|>ttonart l^erumgel^t , bi« mit bem SBorte 8 i d^ t bie i|>eintid^e 
@j)annung etn,Snbe nimmt unb bie STonart Cdur erfd^etut, bie 
nun aud^ nid^t 6lo« angefd^lagen, fonbem feft att«ge^>rägt toirb. 

5!Ran fann faum öon ber ©d^8^)fung f^)red^en, ol^ne ber Ion* 
maiereien ju gebenfen , »eld^e bie Äritif §a^bn fo öielfad^ jum 
SSortourf gemad^t l^at unb bie bod^ anäf l^eute nod^ i)on ben meiften 
mit SSel&agen angel^ört »erben, ©ie 5lrt , toie ber SSerfaffer be« 
S^ejte« burd^ fein naturl^iftorifd^e« JRefume ben Som^)oniften itoang 
auf !Detailmalerei einjugel^en, fann 9liemanb gutl^ei^en; »enn 
man ertoägt, xoit §a^bn fid^ au« ber ©ad^e jog, mug man jioifd^en 
ben 3lrien unb 9tecitatit>en unterfd^eiben. 3n ben 3lrien tritt bie 
Tonmalerei in einer Seife auf , gegen bie fid^erlid^ nid^t« einju* 
toenben ift. ®ett)iffe in ber 5Ratur gegebene, burd^ il^ren rl^^tl^mi* 
fd^en ober aud^ melobifd^en Sl^aralter grabeju mufilalifd^ loirlenbe 
©temente, U)ie fie im SRauf.d^en be« SBaffer«, im SSogelgef ang u. bgl. 
entl^alten pnb, »erben nid^t ettoa blo« nai^geal^mt, fonbern geben 
ben Sm^jul« ju Söiotiben, »eld^e lünftlerifd^ concij)irt unb butd^* 
gefül^rt »erben. 35ie« ift an fid^ nid^t nur nid^t t>ertt)erflid^ , fon* 
betn e« ift in ber S^latur begrünbet, unb e« lommt &lfo nur barauf 


2)rcttinbbrei6tgflc« ttlebcn-^ciit. äRufiffcIl itt,S)ü(ldborf. 185 

an, bag e« mit @efd^i(f unb ®t\äfvxdä audgeffil^tt metbe. Stioa^ 
anberd t)eT]^ä(t e^ fi^ mit ben ^ecitati^en. £)eitn l^ier fommt ed 
ntii^t auf bcn Äudbtud bcr ©timmung, auf lünftferifci^c 3lu«fü^* 
tung bcr SKotiDc, fonbcrn nur barauf an, öerfd^iebenc ©rfd^ctnun^ 
gen mit einer mufilaf if d^en S^aralteriftif getoiff ermaßen ju ifluftri* 
ren, n>o(ei oft niii^t einmal ein mufilatifd^ed (Stement in bem 
®egenftanb gegeben ift , fonbern burd^ eine n^i^ige Kombination 
erft ein mufilatifd^ed Slnalogon gefud^t toerben mug. Sie ^a^bn 
fid^ hierbei ju l^elfen loufte, baoon "giebt ba^ berühmte 9iecitatit) 
ein ©eif^)iel , in »etd^em bie Sii^iere ber Srbe gefd^affen »erben. 
!Der brüöenbe ÖBtoe, ber gelenüge 5Eiger , ber fd^neüe $irfd^ , ba^ 
jpringenbe JRo^ lonnten burd^ Ätang unb SRl^^tl^mu« bejeid^net 
»erben, aber »a« »ar mit ben 9itnber* unb ©d^afl^eerben ju 
mad^en? §a^bn greift ber @d^ß|>fung^gefd^id^te t)or, er öerfe^t 
ftc^ nad^ ärlabien unb täfet auf ber Sföte ein ib^ßifd^e^ ^irtenüeb 
btafen. aber »ie loürbe er tad^eln , »enn er l^iJrte , loie fid^ unfrc 
Saffiften abmül^en, bad ganj rul^ig erj&^Ienbe 9iecitatit) ,,Sluf 
grfinen SUiattcn »eibet fd^on ba« JRinb in beerben abgeti^eitt'' im 
järtßd^ften 5Eon loetteifemb mit ber Stöte öorjutragen ! (£« ift 
einleud^tenb , ba^ biefe 5(rt t)on SEonmaterei nur al« ©c^erj 
gelten !ann unb nur bei einer i^umoriftifd^en Sluffaffung am $(a^ 
ift. ®ie toar be^l^alb befonber^ in ber lomifd^en O^jer beliebt unb 
namcntüd^ in ben ©afej>artien , bie öor atten bie eigentßd^ lomi^ 
fd^en »aren , mit SSorßebe angeu>enbet unb audgebi(bet. (Sd ift 
bal^cr tool^t nid^t xufaQig, ba§ aud^ in ber ®d^5^>fung biefe ateci^' 
tätige bem ©a^ jugeioiefen ftnb ; ba« lenorrecitatiö, in bem®onne 
unb Spionb gefd^affen »erben, ift ernfter gei^atten. äud^ bie ©ag* 
arien finb ftärfer aufgetragen, ba« tiefe B ber Sagotte, um bie 
brfidfenbe Saft ju bexeid^ncn, ift grabeju ein lomifc^er ®pa^. 5Dic 
!£rabition flbte l^ier tool^t nod^ einigen Hinflug. äSieUeid^t erl(ärt 
fid^ baraud avid) bie auffattenbe (Srfd^einung, ba^ bie befd^reibenbe 
ÜRufil immer ben SBorten öorangel^t , ba bod^ bie ffiirlung beffer 
erreid^t »ilrbe, »enn man oori^er erfüi^re, »a« bie 5KufiI bebeuten 
foöe. ©enn in ber 0}>er gel^f im bcgieitenben JRecitatiJ) bie SJhifil 


186 3)rclunbbrci6igftc« nicberrJ^cin. SÄufiffcft in Mffclborf. 

bem SBott, mil fte bte ©timmung au^brädt, bem baffetbe ent» 
fprtngt, ate SSorbercitung öoran. — 3Bcm nun bicfc %xt ju fd^etjen 
mit bct SOäürbe be« Oratorium« unb bc« ©cgenftanbc« nid^t »ol^I 
t)erein6ar fc^etnt , bem lann man mMdft ju bebenten geben, ba§ 
* biefe ärt be« Oratorium« feine Strd^enmufil ift*nod^ fein »iU; 
t^ieQeid^t barf man aud^ fragen , ob benn tai :@auermäbd^en aM 
ber SDorfgefd^td^te, ba« auf bie grage be« "ißfarrerd, loie man @ott 
bienen foüe, ^erj^aft antwortete „Suftig!" fo uribebingt Unred^t 
l^abe. ^^bn menigften« n>äre ba« au« ber @eele gef:t>rod^en ge« 
loefen. 

S« »ar tntereffant mit ben fo oft tjornel^m betäd^etten 2^on* 
maiereien §a^bn« bie neuerer Somj)oniften ju öergtetd^en. aßen* 
bet«fol^n« Ouvertüre ÜRe et e«ftitle unb gtüdEtid^e ga^rt 
tft ganj barauf gebauet. S!)te finntid^en (StnbrüdEe , toeld^e ba« fo 
Derfd^iebenatttg mobificirte JRaufd^en öon SBinb unb äßettcn, ba« 
rftl^rige S^reiben auf bem ©d^iff auf ein muftblifd^e« Ol^ mad^en, 
^aben auf bie (Sonce^tion biefe« 3ßufi!ftüdE« minbeften« ebenfo 
großen (Sinfluf gel^abt al« ba« ©oet^e'fd^e ©ebid^t, ba« jia biefelben 
(Srfd^einungen ))oetifd^ aufgefaßt miebergiebt. ^ud^ l^ier ^ben fie 
nur ben 3m))u(« ju ben 3RotiDen l^ergegeben , mi^t ben ©efe^n 
ber Sunft gema^ ju einem ©anjen verarbeitet finb , ba« ber äu«* 
brudC eine« innertid^ @r(ebten, einer ed^ten ©ttmmung ift. ^ie in 
ber 5Ratur gegebenen (Sfemente finb auf eine geiftreid^e SBeife be« 
nufet, unb ebenfotoobt ber finnlid^e Sinbrudf treffenb »iebergegeben 
a(« bie ©timmung il^ren entf))rec^enben ^u«bru(I barin finbet« 
©eibe« ift auf nie fd^önfte SBeife j. Sä, in ber ©teile crreid^t, »o 
burd^ ba« letfe ®e))latfd^er ber Seilen , bie ba« rul^ig ^ingleitenbe 
©d^iff umf^jielen , eine fel^nfüd^tige ÜRelobie l^inburc^bringt : »er 
ie auf ber ©ee geioef en ift , mu§ bie tief j>oettf d^e SQSai^rl^ett im 
3lu«brudt em^)finben. ^Dagegen fällt ber ©dblu§ mit:benÄanpnen* 
fd^üffen ber Rauten unb ber 2^rom))etenfanfare cai^ ber ibealen 
$)attung in bie materietlfte äSirllid^Ieit , unb auf einen ©d^erj ift 
man burd^ nid^t« k)orbereitet. ^üd^ ©d^umann« ^arabie« 
unb ^eri ift reid^ an auiie^enben Tonmalereien. Va^ fie. 


©reiunbbreißigfle» nicbcrr^^cm. SRupffcft in a)üffcIborf. 187 

toäl^enb bie in bet ®d)ip^mi ^^^ ^^ ^iatutgefd^td^te entnommen 
ftnb, me^r ber ®eogra)>]^ie angel^ören , änbert f o menig etn)ad am 
2öcf en betfeften , ate ba§ fie mci^r <>]^antaftif d^ finb , tote ba^ bie 
5Ratur be« Stoffe^ bebtngt. Denn bie (Seiftet be^ 5Rite ^t fteilid^ 
iKiemanb gei^ött, fo menig ate bad Sänten.ber ©l&dd^en an Mal^ 
2;^ton, unb bod^ ift in il^ret IDatfteßung eine fo öoüftänbige Ion* 
materci, toie xoenn in bet ©d^Iad^t ba^ ©d^ioitten bet Pfeile au«* 
gebtfidt ift , unb fettft bet btüd enbe fd^toüte ^eft^aui ift tmxöf 
Xine gematt. !£)ie mobetne 3nfttumentatio'n l^at fon>o^i in bet 
matetieüen Söithtng ate in ben fnblimeten Dbiecten il^tet äWaletei 
mel^t taffinitt, jum 5El^eil mit glikf ßd^em Stf olg, aüein im SBefent^ 
tid^en ift e« immct baffelbc SSetfa^tcn geblieben. 

®ie äupl^tung gelang etfteußd^. J)a| lein ftötenbe« 3)ü6* 
gefd^id einttat, »at ein (Biüä, benn feine ®otgf att lann bie« Det* 
lauten ; ba^ Me^ ftifd^ unb fteubig eingtiff unb tüd^tig {ufornmen« 
^ielt , »at ba« SSctbienft bet SDKüoitlenben. !t)ie äßitlung toat 
aögemein unb gtoß, offenbat mat bad publicum öon betfelben 
Steube butd^btungen »ie bie auf bem Otd^eftet , e« »at eine 
©timmung, ein ©effi^t oon ®IM unb ©eftiebigung, »ie nut ba« 
toal^tl^aft ©d^äne unb 35ottteffIid^e e« l^etDottuft. J)en ^tei« ttug 
natüttid^ Stau ®oIbf d^mibt bat)on, bie beiben Sltien t)on il^t 
ge^&tt ju l^aben toitb iebet bet ^ntoefenben a(d einen bleibenben 
®ett>tnn em|)finben.. 5Rad^bcm bie jtocite Sitte geenbtgt »at, »utbe 
bet 3ubel fo gto|, ba^ aud^ bie üRufifet mitten in bie @d^ß<)fung 
i^inein , an bet (ie bod^ fefbft Il^eit nal^men , einen X\i\6f bliefcn* 
^ettn © d^ n e i b e t tt)Utbe iebenf aUd oetbientet teid^et ®eif ad ju 
X^eit unb aud^ ^ett SDSitt et mutzet ging nid^t leet an^. 

Da« ^ettßd^e SQßettet , mlä)t^ ben etften Sag begünftigte, 
unb ba« ©ettngen be« (Soncett« l^atte eine fo gute ©timmung m^ 
bteitet, ba|, atö ed am SRontag ttübe unb unfteunbKd^ koat, aud^ 
mituntet tegnete , bied t)on feinem üblen Sinfiu^ mel^t )Eoat. ^m 
3Jiotgen toutbe in einet langen ^tobe nod^ Sinmal äße« t)otge* 
nommen , toa^ am 9(benb jut Slup^tt^ng f ommen f oUte ; man 
fonnte betfetten toiebet mit JRul^e entgegenfel^en. 


Igg !S>reiunbbretgigfte6 nteberri^etn. 3^uftffejl in !3)ü{felbotf. 

!S)a^ ^tt>eite Soncert tDurbe eröffnet burci^ Wltnttl^\o^n^ 
fd^on emäl^nte Dut)ertuTe SJJeeredftttte unb glüdüc^e 
gai^rt; afe bic hittantcftc feiner Sonccrtouöerturcn toax fic 
tDol^t ^tet an tl^rem $ta| , obgleid^ fte m<ift bte fd^&nfte tft. @te 
tonrbe pxSid^ imb gut audgefü^rt, nur ^attt man bad rafd^eSient^o 
ju bebauern, bad aUerbtngd bom (Som)>ontften fetbft angegeben 
tft ; ed toar unmdgßd^ bte etnjetoen ^äfUl ju l^ören , aud^ an ben 
©teUen , meldte baburd^ t^ren etgentl^ümKd^en S^aralter belom« 
men. SWun barf gtoar ba« äßegro ben Si^arcdter be« feurigen 'Da* 
l^inftr&mend nid^t berHeren , aMn ed mu^ fid^ ein ySlxM fin* 
ben (äffen, bad beiben i^orberungen genagt, n)enn man nid^t bem 
6om)>ontften ©d^utb geben voxü , bag er fid^ bei ber S(udfä^rung 
feiner Intentionen »ergriffen i^abe. 

!Den $au^t))(a^ biefed Soncertd nal^m ©d^umann^ $a« 
rabie^ unb ^eri ein. 5Da« gange Programm bed SUiufiffeftc« 
geigt, ba^ man ol^ne aUe Xenbengmad^erei unb ol^ne ängfttid^e 
9tädtfld^t nad^ irgenb meld^er @eite bor aßen ÜDingen anerlannt 
gute SRufil aup^ren unb ber ©egentoart toie ber SSergangenl^eit 
geredet toerben n>oQte. äS^enn bai^er ber @d^9)>fung ein äi^nttd^e^ 
äBerf au« neuer 3ßit ^ti bie ©eite gefteüt »erben foBte, fo »ar 
man, abgefel^en bon 9)2enbetefo]^nd oft aufgeführten £)ratorien, 
auf ©d^umann ]^ingett)iefen. !Die ®rünbe , metd^e bie^mat in«« 
befonbere baffir f^)red^en, bem 5Keifter biefe ^utbigung bargubrin* 
gen, finb gu fd^mergtid^, um erörtert gu loerben, man fotgte einem 
natürUd^en unb el^rentoertl^en ©effii^Ie, inbem man fid^ burd^ bie« 
felben beftimmen Ke^. Unb bennod^ fann man bie 3Ba^l biefe^ 
Oratorium« ffir ein SKufiffeft ntd^t bittigen. ÜKufilftüdfe , »eld^e 
bort gur äupi^rung lommen , muffen bon ber ärt fein , ba§ 
fic burd^ bie 3Raffen unb auf bie SWaffen »irlen. S« ift nid^t gc* 
nug, ba| fle eine aöenfaü« fei^r berftärlte Sefe^ung ertragen fön«' 
neu, i^re gange anläge mu§ fo befd^affen fein, bag bie öinfad^l^eit 
unb (SrB^e ber Umriffe unb ber äudfüi^rung burd^ eine maffen« 
l^aftc ©efe^ung erft gur boflen ©eltung !ommt. S)em entf^^red^enb 
muffen fie aud^ auf bie ^nffixtx im ©angen unb ©ro^en toirten. 


2)remnbbi'eigt<)fied nieberr^em. äl^rttfefl in S)fiffeIborf. 189 

@tn f lafflxtiäft^, aud ben t^erfd^tebenarttgften Elementen gemtfii^^ 
te^ publicum miU feft unb fidler ^tpait fein ; ed ift nxäft faltig, 
unau^gef e^t unb mit Snftrengung auf ein im (Sinjetnen feinet unb 
jarte^ ^Detail aufmerifam etnjugei^en unb fid^ au9 fd^&nen QxnnAn* 
l^eitctt ben (Scfammtetnbrud fcttft ju bilben , fonbern c6. toxU x^n 
in mäd^ttger f^Qe fid^ entgegengebtad^t l^aben , ba^ot^ übettt)ä(tigt 
unb l^ingertffen »erben. !Öurd^ bte offene (SrHatung , ba| ®6)n^ 
mann« Oratorium bon biefer 5lrt nid^t fei, ift feinedtocg« einlabel 
gegen baffetbe a(d ^nfttoerl ühttffarxpt audgef^rod^en. Slber e« 
leud^tet ein, baf baffetbe berl^ätoi^mäpg loenige SRomente Hetet, 
tt)o eine maffen^afte SBirlung , namentüd^ burd^ ben Sl^or , mög«» 
lid^ ift , »ie beim auftreten be« (gröberer« , in ben ®dj>Iu^d^5ren 
be« erften unb be« festen Sii^eite. Uebrigen« liegt e« in ber 5Ratur 
bed ©toffed unb be« Sotorttö , toeld^e« ber !J)id^ter il^m. gegeben 
l^at , ba^ ber Si^araöer Dor^errfd^enb toeid^ , jart unb ^>]^antaftifd^ 
ift ; bie« f dgt aud^ ©d^umann« mufilatifd^em (^l^aralter ju , unb 
ba« SBerf ift reid^ an »unberbaren ©d^iJnl^eitcn biefer ärt. 5Die 
trone berfelben ift getoif bad ©d^tummerlieb, »etd^e« ben jtoeijen 
Zffdl befd^tte^t, unb fd^wcrüd^ l^at bie neuere aKufil et»a« aufeu* 
weifen , ba« an liefe ber (gm^>finbung , Jjoetifd^er äuffaffung unb 
m^r^aft jauberifd^em-SOSo^ttaut biefe« ^rad^tftüdf überträfe, !Durd^ 
ben ®efang ber (Sotbfd^mibt unb ben Doüen fd^Bnen 6^or trat e« 
in« gläuienbfte Sid^t unb mad^te tiefen ©nbrud, Unb jmar ftel^t 
e« Ieine«tt)eg« bereinjctt ba , e« finb eine SJlenge fd^öner äßomente 
burd^ ba« ganje Oratorium jerftreut / »enn fie gteid^ nid^t alte 
gleid^ abgerunbet unb ^Jlaftifd^ au«gearbeitet finb. allein fie toir* 
fen eben nur al« ©injetn^eiten, iebe für fid^, \a bie Süüe berfelben 
u>irb gu einem 9lad^tl^eil , n>eil ein« ba« anbere toerbrängt , el^e e« 
in ber ©eele be« 3«^öter« fefte SSJurjet gefd^lagen l^at. SBer ba« 
äBerf !annte, loer mit Eingebung unb Siebe bem ©njelnen ju fot* 
gen im ©taube »ar , i^at bei biefer mit f o reid^n SDKttetn au«ge* 
führten ÜDarfteUung einen erl^öi^ten ®tmi ge^bt, allein ba« 
^Publicum in 9»affe befte^t nid^t au« äßufifern unb äWufif frcunben 
ber ärt. äBenn bal^er teiber bie »irllid^en SSerbienfte biefer Som* 


1 90 2)rcmnbbrci6lgfle« tücberriffcm. SKuftffcjl in 2)üffc(borf. 

^jofttton, bic unstüctfctl^aft ju bcn fd^önften utib bebcutcnbftcn* 
®d^5<)fuugcn bcr neueren SWufll ^t^itt, grabe ^ier nid^t ju red^ter 
©eltung g^I^ngen lonnten , f o ift e« jn begreifen , bag bie ®ä)tD&^ 
äftn bcrfefficn um fo ungünftiger etntotrfen mußten, ©tefe liegen 
jum '^üi int 2!ejrt. ©ettft menn man ben bem®ebid^t xu®mnbe 
tiegenbcn (Sjfbanfen ate fittüd^ nnb j)oetifd^ gered^tfertigt anerlen* i 

nen »oßte, wa« bod^ wol^t fd^tocr l&atten bfirfte, fo Meibt ber i 

gro§e Uebetftanb in ber anläge, ba^ für bie Ifinftterifd^c, nament* 
tid^ mnfifaßfd^e SBel^anblung feine Steigerung ber §au|)tfitttatio^ 
. nen, fonbem eine Slbfd^toäd^ung l^eran^Iommt, bie nanientlid^ ben 
britten 5E^eit finten lägt. Unleugbar ift bie größte Sraft am 
©d^lug be^ erften 2^cite ; »enn man bie »eid^e elegifd^e Haltung 
be^ jmeiten aud^ oi& einen n^irlfamen ®egenfa^ gelten laffen 
!attn , f »ar nun für ben britten 2^eil ein auf fd^toung , ber bie 
^anblung Don neuem unb jnm^Sd^ften fteigerte, burd^au« geboten, 
unb biefer fel^lt ganj unb gar. — ©n j»eiter ÜRangel ift ber toe^ 
fentlid^ be^d^reibenbe (Sl^aralter be^ Siefted. 3m ©ebid^t ti^ bie 
^)oetifd^e Slu^fü^rung e6 el^cr öerjeil^en , bag ba« reid^e Panorama 
be^ Oriente , toetd^e« öor bem Sefer ausgebreitet »irb , mit bem 
eigentlid^cn ©egcnftanb be« ©cbid^td nid^t öiet ju tl^un l^at unb 
ba§ biefe glänjeube Decoration meiftcnd um ii^rer felbft toiUen ba 
ift, 8Benn e« aber ate bie ©mnblage für bie mufüatifd^eiöel^anb* 
tung crfd^eint, fo öermi^ man bie ^jragnante unb ^laftifd^e!Durd^* 
bilbung ber eigentlid^en$au^tfcenen um fo mel^r^ atd bas befd^rei« 
benbe Stement grögtentl^ette öon ber ärt ift , bag e« an fid^ einer 
ÜDarftellung burd^ bie ^nß nid^t fällig ober -berfelben jum min* 
beften nid^t günftig ift. ®rabe l^ter l^at j»ar ©d^umann äu^r* 
orbcntlid^cö geteiftet unb man mufe bic Äraft unb ben SReid^tl^um 
feiner mufilalifd^en ^i^antafie beu)unbern, bie au« einem Z^, 
mläfex bcn SDtefifer meift nur inbirect anregt , eine SReil^e eigen* 
t^fimtid^er , meiften« l&öd^ft onmut^iger unb reijenber , immer fei* 
ner S^ongemälbe l^erborrief , bie nid^t bto« mit SlSngen f<)iclen, 
fonbern ftct« aud^ eine innere ©timmnng au^brudten. 3nbcffen 
mad^t ber fo eben angebeutete ßi^arafter berfelben ed bod^ aud^ be* 


I 


2)reiiinbbrei6igpc« ntebcrr^em. SWuftffcjl in 2>fifferbcrf . 1 91 

gretflici^, ba^ ju tjoöcm ©cnug unb SSevftänbnt^ ein ^uMicum et* 
forbcrt »trb , ba« ben Sntcreffcn einet Detfemctten g^ipiflcn SdiU 
bung nt(i^t ftemb tft. 

§ictjtt lommen befonbct« nod^ jttjci Umftänbe , »eli^e einet 
fci^Iagenben, butd^gteifenben ©ithing biefet aKnfif l^inbetüd^ finb, 
35et eine ift bie ätt , toie bei bet ©catBeitung bed 2;ejted b.ad et* 
jäl^lcnbe unb ba« btamatifd^e (Sfentent gcmifd^t ift» ©enn n>enn 
man aud^ jngiebt , ba^ bem Dtatotinm biefc SDftfd^ung jupel^e — 
. »a« feiuedtoeg« aügemein bet gaü ift — , fo muffen iebenfaUd 
beibc 5Datftettung«tt)€ifen« beftimmt gefd^ieben fein. ÜDie t«^ig 
fottfd^teitenbe Stjäl^Iung unb bie einlebten batau^ fid^ abtöfen* 
ben mit btamatifd^et SebenbigfHt ou^gefül^tten ©cenen mfiffen 
jebe in il^tet 5ltt fd^atf au^ge}>tSgt unb an fid^ fenntlid^ , bie tefe* 
teten namentUc^ mfiffen ju einet ^(aftifd^en ®egenftänb(id^!eit 
au^gcatbeitet fein. !Da« ift l^iet nun nid^t bet gaö, ÜDic ßtgä]^* 
lung ift nid^t einfad^ unb Hat Dotgettagen, fonbetn mit einet güBe 
bon ©efd^teibungen unb ©ettad^tungen betmebt , toeld^e feie S)at* 
fteOnng fd^on in eine ®p^x^ l^inauf^iel^en, baf bie et^Sl^te 
©tinramng bet btamatifd^en ©cenen feinet »efentttd^en ©teige* 
tung ntel^t fällig ift , fonbetn nut ate eine ettoa« mobipcitte gotm 
bet <)oetifd(fen Slu^btudt^toeife etf.d^eint.. Die nSd^fte gotge babon 
ift , baf fte aud^ }u leinet felbftänbigen ©eftattung ]^etau^bi(bet 
flnb, unb ballet ben ®ang bet ©egebenl^iten, anstatt xffn Motet ju 
mad^en , bietmel^t betbunfetn. Dicfet SWanget ift nun aud^ auf 
bie mufifaüfd^e ©el^anbtung nid^t o^ne (ginflug geblieben- Denn 
inbem bet Som^onift ben einjelncn 3*8^ ^^^ ^^^^ au«geftotteten 
Stjäl^Iung nad^ging -unb ieben muftfaüfd^ »iebetjugeben unb and* 
jufül^ten fud^te, entftanb aüetbing« iene gütte bon fd^Bnen ©njetn* 
Reiten , toeld^e übet boiS äßet! bei^ eigent^mtid^en Stei} eined ^oe« 
tifd^n Duft« au^bteiten , aüein fte l^inbctn ben Som^>oniften »ie 
ben ä^^^ötet, bie Ätaft ouf bie §au))t|)unlte , bie btamatifd^cn 
©cenen, ju concenttiten, bie fic^ benn aud^ mufilalifd^ nid^t »efcnt* 
id{^ ben bem Uebtigen untetfd^eiben, Unb l^ietbutd^ ift nun aud^ 
bet jtoeite ttebelftanb l^etbeigefü^tt. Die betoiüitte äudfü^tung 


192 Drciunbbreißigfte« nicbcrrl^ctn. SÄufiffcfl in 3)Üffctborf. 

fccr l^aC&I^tifc^en Srjäl^tung, ba^ älu^malcn icbc^ ctnjetncn 3^8^^ 
bcrfcttcn f^Jtnnt fid^ in einem jufammcn^ngenben Saben fort» 
bet nur fel^r fetten i)oöftanbig abfd^ßegt. i)ie^ ift fd^on j>]^^fioto* 
gifd^ falfd^ ; e^ ift unmSgfic^, mit gteid^ angef^>annter äufmerlfam* 
Ictt ju folgen , bie 5Kenge ber einzelnen ^n^t ftum^>ft ab , einer 
fd^abtt bcm anbem unb für bie ^au^jtmomente ift bie öotte Sl^eif* 
nal^me gefd^ioäd^t; !Die Slnforberungen, »cld^e Dom fönftlerifd^en 
®efid^d))unlt aud an eine gefd^idte ®Ueberung }U fteUen finb, 
muffen bamit übereinftimmen. !Die ©d^ö^jfung jeigte e« red^t ein«» 
briitgtid^ , toetd^er ©ewinn in ber 9lnn>enbnng be« getoöl^nßd^cn 
SRecitatiö^ für bie Srjäl^Iung Uegt. I^eit« tt)irb baburd^ ein alifge«' 
meiner ®mnb gelegt , ber ällled jufammenl^alt unb ben einjetnen 
STOufilftüden jur »irlfamen golie bient, t^eite aber aud^ mit 5Rot]^* 
»enbigfeit barauf l^ingetoief eir , bie ^au^)tmomente fetbftänbig 
l^erDorjul^eben, in ii^nen bie Sraft ju concentriren , unb bie jurfidt* 
gehaltene gefteigerte (gm|)finbung öotl unb breit au^ftrSmen ju 
laffen. 

©d^umqnn« eomj)ofition fielet fid^tlid^ unter bem ®nfluß 
ber in neuerer 3cit Dori^errfd^enben JRid^tung auf 3nftrumentat* 
mupf ; fie ift nid^t, »ie frül^ere SBerle biefer 5lrt, ou« bem ®v 
fange ald bem ÜÄittelj>un!t,l^err)oigegangen, fonbem ber eigeiölid^e 
Sem ift offenbar ba« 3nftrumentale, bem ber ®efang faft nur tt)ic 
ein gteid^bered^tigte« ßlement jugcorbnet ift. 35a« Ord^efter ift 
nid^t attetn, »o e« ate Segleitung auftritt, mit großer Vorliebe in 
betaillirter Äu^ffi^rung bei^anbett , e« übernimmt fel&r oft bie ei* 
gentlid^e 2lu«fü^mng beffen , »a« bie ©ingftimme mel^r nur an* 
beutet , unb l^iJrt nie auf atö felbftänbige SKad^t fid^ geltenb ju 
mad^en. ®ie« ift bem ®efang gegenüber nid^t ba« rid^tige SSer* 
i^altnig , nod^ weniger aber ift e« ju loben , ba| bie ©Ingftimmen 
öielfad^ ate Snftrumente , unb jioar in einer gewiffen abötracten 
SQäeife bel^anbelt ftnb , f o bag fie ungleid^ toeniger in d^arafte« 
riftifd^er 3nbit)ibualität aufgefaßt ftnb ate bie einzelnen Snfttü* 
mente. S)e«^lb finb bie einzelnen* Partien aud^ für ben @5nger 
ntd^tganjgeuel^m, jal^ier tritt felbft bie3ntentton bed ßomponiften 


^etunbbretgigfied tfteberrl^ein. SRuftffefl in 2)fiffe(borf. 


193 


nid^t immer tiox ]^ert)or. ^ud^ bte^ ift ein ®runb, totSlfiatb bied 
Oratorium fid^ für ein ÜÄufiffeft weniger eignet, »eif bie großen 
©efangdiräfte, bie bort ))eretnigt finb, in bemfe(6en nid^t jur ))oUen 
Geltung iommen, unb offenbar totrfte biefer Umftanb ganj befon« 
ber^ aud^ auf bie Bit^^t:er nid^t günftig ein. 

S« fd^ien nid^t fiberflüffig , auf biefe Setrad^tungen etwa« 
n&l^er einjugel^n, n>ei( bie im ©an^en nid^t burd^fd^tagenbe SBir« 
lung auf bad publicum baburd^ begreiflid^ toirb , ol^ne ia% man 
biefem ober ben großen ©d^öni^eiten ber ©om<)ofition ju nai^e tritt, 
^arabie« unb ^eri nimmt unter ben mufilafifd^en Seiftungen ber 
neueren ä^it eine l^erborragenbe ®teüe ein, bie baburd^ nid^t »er* 
flimmert »irb, ba§ e« bon ber SBirlung getoiffer 9iid^tungen unb 
älnfid^ten nid^t frei geblieben ift, bie gegenwärtig burd^gangig ftd^ 
gettenb mad^en, ol^ne bag man fo toie l^ier burd^ fo Diel ®eift unb 
^ocfie , 5Eiefe unb ijeinl^eit ber ßrfinbung unb S(u«f ül^rung ent* 
fd^äbigt unb erfreut toürbe. 

S^ tt)ar auf ba^ fd^wierige ®er! r>xti aWfi^e unb @orgfa(t 
»ertoenbet »orben, unb bie Sluffül^rung tnt\pxaäf berfetben. S3ei 
bem oben angebeuteten (El^aralter ber @ompofttion tä^t fid^ über 
bie Sluffaffung im ©njetnen »ietteid^t redeten, fo »ie e« begreiflid^ 
ift, ba§ öon jo Dielen feinen Intentionen bie eine me]^r,-bie anbere 
»enigcr beuttid^ unb fd^ön l^erDortrat ; aber fd^on ba« xoax fel^r 
anerfennen^toertl^ , ba^ bei fo liefen jum großen Il^eit fd^arf auf 
bie @^ifee geftettten Effecten nid(ft« mißlang , nid^td ftörte. Sin* 
jclncö, tt)ie e« »ol^I gelten lann, gelang in ber ^robe beffer afö in 
ber äupi^rung, j. 33. ber ßl^or ber iWilgeifter, ber an Seid^tigteit 
unb glüd^tigfeit ettoa« eingebüßt ^atte. SBo ber Sl^or fid^ gettenb 
mad^en lonnte, »ar er bon trefftid^er SOBirfung ; ba^ ©d^Iummer* 
lieb , ba^ tounberUeblid^ Kang , ift f d^on ertt)ä^nt , anäf ber (Sin* 
gang^d^or bed britten S]^eite , beffen ©rfinbung fonft weniger ori* 
gineü ift. Mang befonber« burc^ ben jarten SSortrag fel^r gut. J)a^ 
bie großen fr&ftigen ßi^öre tüdl^tig l^erau^traten war nic^t anber« 
ju erwarten, grau (Sotbfc^mibt, bereu SBunfd^ ben äu^fd^Iag 
für bie Äupl^rung biefe« Oratorium« gegeben l^atte, fang bie ^eri, 

3 a M ' ttuffä j^e über aUurtf . 1 3 


1 94 2)remnbbret6tgfke« nteberrlifem. äRufttfefi in l^ftffelborf . 

bie Ux ®timm(age mäf eigentUci^ !eme ^aui günftige ^oirtie füv 
fie toat. älUein tt>enn eine ©angettn, fo xoax fte geeignet, M ®ei« 
ftige unb $oetif<i^e biefet Srfd^einnng ivix ©ettung ju (ringen, uttb 
bag fie füt bte an(i^ tnxäf bie ^&]^e antetorbentUti^ anftrengenbe 
@c^(ug)>artte bte DoQe t^rif (i^e mib ^af t beuHil^rt l^atte, toar ein neuer 
^en>ei^ für i^te gtofe Sunft. £)et £)amen, n>e(d^e neben i^t U)ie 
bte ®terne um ben SOtonb gtaniten, ift fd^on imtiax gebadet noot« 
ben ; f)en; @ d^ n e i b e r i^atte melfad^ mit ber für il^n 6ef onber^ 
ungünftigen tiefen Sage ber 2^enor)>artie )u Iäm)>fen, übrigen^ be^ 
mijxtt er fidj^ anif l^ier atö einen ®änger k>on rici^ttgem ©efül^f 
unb 95erftanbm| für ba^ ^oetifd^e. gür ^mn SüiittertDur jer 
mar bie Partie, bie übrigen^ bie menigft bebeutenbe ift, bequemer 
gelegen, er fonnte ballet aud^ feine ©timmmittet beffer entfatteu unb 
trug mand^e^ fel^r gut bor. 

Den ©d^tufe be« . Soncert« mad^te bie C moU ® ^m^)^onie. 
Senn e« ein Or^efterftüdt gicbt , ba« für ein iJÄufitfeft <>afet, fo 
ift ed biefe ©t^m^l^onte. Wit^ lommt )ufammen , ^aft unb 
Süi^ni^eit , (Sinfad^^eit unb @röge , maffenl^afte Sirlung , um 
®j)ielcr unb 3w^örer f ortjurei^en , unb fo gefd^al^ e« an(Sf l^ier* 
SRan fann bei ber Slupi^rung bon 3nftrumenta(com)>ofitionen auf 
SOtufitfeften einen im (Knjetneu raffinirten unb au^ftubirten SSor* 
trag biüigertpeifc nid^t »erlangen , ba ba^ Drd^efter ftd^ bort crft 
jufdmmenfinbet. 3n biefer C>infid^t i^ätte ber jmeite ©a^ i^ie nni 
ba ju münfd^en übrig gelaffen ; aud^ :t>affirten fonft einige ä^erfel^en. 
3nbeffen tonnten fie ber großartigen Sirhing leineu Qrintrag ti^un, 
unb in ber $auf)tfad^e gelang bie ©^m^l^onie fel^r gut ; bie ^äffe 
h ^* iW^ fi^ ^^ ©d^erjo mit ®(an) a\x9 ber fd^ioierigen %f^ 
faire. ^Jtid^t menig trug ju ber guten Sirtung anä) bad angemef^ 
fene Xempo bei, bad nid^t nur beu feurigen ©^toung, fonbern ^vaif 
bie mannßd^e ^aft unb bie ftolje Sürbe ju boOer ®e(tung ge* 
(angen lieg. 

Der britte S:ag brad^te in bem Äünftterconccrt bormiegenb 
geiftungen ber »irtuofität. grau ® o I b f d^ m i b t fang ftatt ber 
urf^)rünglid^ angcfünbigten Slrie au« ber 3^wberfU te bie U^tt 


^(ütnbbreiStgfied hteberrf^ein. 99htft(fefi in S)üffe(borf. 195 

' atrtc bet ©ttfattne au« beut Stgaro, unb ftatt ber SKajutla 
öott (5]^o^>in ein 8tcb üon 3KcnbeI«fo]^n. 9Rtt ber etften 
äenbetung toax »o^l jcbet juftieben ; benn bicfc ?lrtc öon gtön 
®oftf^mtbt gcfnngen ift eine toal^tc 8Setf9t<>«rung bct ^ocfic hn 
SBBpl^üaut. Sie Sföttfung »at bon ber Strt , ba§ nt^t attetn bo^ 
$tt6ßcum lautlos (anfd^te , f onbem au6f bie beglettenben Zeigen 
in laum nod^ l^örbaren ©eufjem crftarben , »übet bem Drt^efter 
bad So( nid^t t)orent]^a(ten bleiben f oQ, ba| äberl^an^t fel^r bi^cret 
begleitet tonrbc. ©er fi^ ettt>a anf bie Äc^Iferttgfeit beim S3ortrag 
ber SD^ajurta gefreut l^atte, tonnte in ber 9(rte au^ ^ e a t r i c e b t 
S^enba bon 93ettini ftd^ an allen (Sl^tcanen einer fabefl^aften 
SSraöur, »etd^e bie Sängerin bt« in« l^ol^e Es fül^rte, bie fptelcnb 
befiegt »nrben, erfättigen. @e»i§ ftnb bie Seiftungen ber ®irtucfin 
bei »eitern nid^t bie i^&d^ften ber ^ünftlerin , h^ mag man mol^I 
bebenten, ba§ o^ne bie nnbebingte §errfc^aft über aüc SRittet ber 
Sunft iene l^&d^ften l^eiftungen nici^t mifßd) finb. ^al^er i^aben 
anöf gro^e Äfinftler meiften« ni^t berfd^mSl^t, mit biefer ^rrfc^aft 
getegentUd^ einmal ein freie« , [a fibermfitl^iged ®|)icl jn treiben, 
bad man al« fold^ed and^ gelten laffen fann ; nur »o fie mit ber 
^rätenfion auftritt , an ftcä^ fci^on felbft ba« ^iä)^tt ju leiften, 
wirb fie üenoerflic^. 6« mar merfwurbig , att bad Slitometl ber 
^etttni'fcä^en Slrie begann , badete man bor Xrlbialitfit umlommen 
JU muffen ; allein bie botlenbete tunft ber Sängerin berftanb e«, 
aud^ biefer Ärmfeligfeit Seben rnib ©eele ju geben. @o muf te aud^ 
ber SSortrag eine« 8iebe« in biefent Socat unb in biefer Umgebung 
»enig angemeffen erfd^einen, unb nod^ baju ^at ba« Sieb (,,3>ie 
©terne fd^aun in fttüer Slad^t'') eine ftärfere 3)ofi« ©entimentali*? 
tat al« billig ift ; unb bodb, al« e« geenbigt »ar , blieb einem nur 
übrig mit 3^Üer au«jurufen : ^SSiöat @eniu« unb l^ol ber 2;eufct 
bietritil!" !£)a§ ba« (gntjüdfen be« publicum« in ftürmifd^cm 
Söeifaü, 2;ufd^, ©lumen unb ©ebid^ten fid^ äußerte , »or nur in 
ber Orbnung, unb ebenf o, baß Srau ©olbfd^mibt bie ©egel^lid^leit 
ber ^n^ixtt, bie fid^ unter ftet« erneuten ©rabo« berftedtte, igno» 
rirte unb fein jtocite« Sieb fang« ^Reben i^r it^avtptttt anä) bie«* 

• 13* 


196 S)reiunbbrei6i9fled nteberr^ctn. SD^uftffefl in 2)üffeIboTf. 

mal f)CTr @ d^ n c t fc e r d^tenüoü f cttich ^ia^ ; er l^atte fid^ btc Sitte 
aM ber ^anitx\l6tt getoä^tt, bie fetner Stimme burd^aud 
jttfagt unb.bie er in »ürbiger SBeifc tortrng : bcr »erbientc ©eifaü 
tte^ nid^t anf fici^ iparten. ^txx aWittenour jcr fang bic ärie 
be« 5Criftan an^ Seffonba, bic an ii^rem ^(o^ tnberO<)cr 
ijon guter föirfung, aber für ba« Soncert faum geeignet ift ; aud^ 
tt>ar ber 33ortrag nid^t fd^ön unb ni(j^t fein. 

%Ü Snftrumentafcirtuof cn traten ^txx ® o I b f d^ m i b t unb 
f)crr ßoncertmeifter 35 a t) i b auf. !Da§ biefer nad^ ben unauf^&r* 
lid^cn änftrengungcn bcr legten Siage, bie faum auf einem Slnbcrn 
mcl^r gekftet Ratten atö auf i^m , x\o6^ bereit mar ein ®o(o }u 
fpielen unb bie« in einer SBeifc burd^ffil^rte afö »äre c« feine ein* 
jige Sciftung, »erbicntc aüe S9cn>unbcrung. ßr i^atte ba« neue- 
Soncert t)on SRic^ gemault. @o »aren burd^ SKcnbcUf ol^n, 
SRiefe, f)iltcr, ©d^umann bie aßeifter vertreten, meiere in 
!Duffe(borf il^ren ffiirlung^frei« gefunben l^attcn : eine JRci^c öon 
ftünftlern , auf n>etd(^c biefe ©tabt* ftolj fein f ann. §crr ® o I b * 
fd^mibt fpielte SÖcetl^oöen« Scncert in Gdur. !Dic SBal^t 
biefer crnftcn unb bebeutenbcn üWufifftüdtc maö^tt x^xtm lünft«^ 
tcrifd^en ©inn (Sf)Xt, obioo^I fic i^nen in bicfem fangen unb ü6cr* 
reid&en (Soncert bem publicum gegenäber , ba« für längere (Som^ 
)>ofttionen nid^t mel^r bie redete ^ufmertfamleit ju l^aben fd^ien, 
leinen (eid^ten ©tanb mad^ten. ÜDenn beibe (Som^ofttionen finb 
ntd^t t)on ber 9lrt, bag fie ben Sdtx^QÜ ^erau^f orbern, ba« publicum 
mit Scbl^aftigleit jtoingen au« pd^ l^erau^jugel^en, fonbem öielmel^r 
eine getoiff e ©ammlung unb SRul^c üorou^fefeen , bie mit ftiüer 
äd^tfamlüt bem ßomponiftcn folgt. S5er SRuf beiber ^zxxtn at« 
auÄübenber Sünftler ift fo fidler bcgrünbet , bafe er ber erneuten 
änerlennung, »eld^e beibcn in oollem 2Raa§e ju S^eil n>urbe, nid^t 
beburfte. 

9lid^t weniger al« brei Duoerturen brad^te bie« ßoncert. 
!Die Dberonouöcrture oon 3Beber eröffnete baffelbc; fie 
»urbe öortrefflid(^ gefpielt unb eleftrifirtc ba« publicum. 3Kan 


a>rcmnbbrei6t8flc8 nieberr^iein. Stofiffcfl in 2)üffdborf. j 97 

lann an betfe{6en gar mand^ed mit t)oQem 92ed^t au^jufe^en ^(en, 
to6) tft ein gctotffer 3^9 ^^^^in , bcr unwtbcrftel^ßcl^ mit fortreißt 
unb feine SBirfung ntd^t (cid^t tjerfel^lt , »a« bann aud^ ouf^ S)r^ 
d^efter jnrüdmirlt, fo ba§ fie ebtn fo gern gefpielt aU gel^ört »trb, 
£)te frifd^e nnb i^übfd^e Omoerture öon ®abe „3m 5)od^tanb'' 
»urbe in ti^rer SSJtrlung etü)a« keinträd^ttgt burd^ ben SRegen, ber 
aud^ fd^on ben 2iag öcr^cr fid(^ toäl^renb ber $cri gemelbet l^atte, 
Dbgletd^ er nid^t ftarl »ar, fc mad^te er bod^ auf bem fretüegen* 
ben S)ad^ ein fold^e^ Oeräufd^ , bag man nid^t ungeftört l^tJrte, 
um fc weniger ate man fürd^tete, baß, üjenn er ftärler tDürbe, eine 
i>ötttgc Unterbred^ung eintreten müßte. S)ie brittc im ©unbe »ar 
bie große Seonorenouberture: e« toar faft ju üief nad^ attem 
»a« man fd^on gel^ört ^atte ; aber bie ^aft unb iiefe biefe« groß* 
artigen ©eelengemälbe^ ergreift fo mäd^tig , baß fie iebe Slntoanb* 
(ung t)on ®d^tt)äd^e übertoinbet. SBenn man bertd^ten fann, baß 
fcie gefä^rüd^e ®teüe jum Stngang be« "ißrefto fidler unb tabeüo^ 
gelang, fo ift ba« fein geringe« 8ob für ba^Drd^efter, toefd^e« mit 
biefer testen ßeiftung, toal^rüd^ feiner leidsten, einen toürbigen 
®äflVL^ mad^te. 

(5« toare ®d^abe getoefen, »enn ber ßl^or, ben man bei 
einem fotd^en geft xs>o^ a\x6f mit unter bie tünftfer red^nen barf , 
Don bief em Soncert ftd^ jurüdgejogen ptte. Die aßgemeineSreube, 
»eld^e bie ®d^ö<)fung erregt i^atte , »arb bie 3Serantaffung , baß 
man ben- ® d^tußd^or be« erften Il^eite am Snbe ber crften äbtl^ei* 
lung nod^ einmal fang ; ben ®d^Iuß be« Soncert« aber mad^te ba« 
^altelnia au« bem 3Reff ia«. J)a« »ar tenn eine ©elegenl^eit 
für ben Sl^or, feine ganje 5ffiad^t unb ^errtid^Ieit ju entfalten ; bei 
ber gemattigen ®teigerung ,,5>ßn: ber ^errn'' mar e«, at« mottten 
fcie immer mäd^tiger anfd^meßenben lonmaffen ba« 35ad^ ablieben, 
um l^immetan ju ftetgen. — Der ® d^Iuß mit f otd^en SRiefenmerfen, 
berS9eet]^oüen*fd^enDm)ertureunbbem§aüeIuta, gab aud(^ biefem 
ßoncert eine emfte l^o^e Seilte unb ließ ben 3w^Stem einen Sin* 
brudt öon OriJßc unb (ärl^abenl^eit jurüd, mie e« eine« üWufiffefte« 


198 !S)reiunbbreitt9fh^ nteberr^ein. Wta^^ in S>ftffe())otf. 

ȟtbtg tpar , fc taf man aud )>o((ein ^erjen fagen tnod^te : Snbe 
gut, Mt^ gut I 

' 9toc^ k)oaibrad^tet Slrbeit Detetntgte jut tretet bed ®e(tngen^ 
ein fröl^Ud^ed SDta^I eine gto^e ^n^affl ber SDlitmttlenben unb 3»^ 
i^öter, bie bid f))ät in bie 9ia(i^t ober btd jum frühen SOtetgen in 
l^eiterem @ef^täd^ beifamnten blieben unb ftd^ ba« SSott gaben : 
%uf SSteberfei^en beim näii^ften r^einifci^en Sßufitfeft ! 


SDa^ merunbbrci^igfte nicbexr^cinifc^e äRuftffeft 

benlL, 12. unb 13. SWat 1856i. 


^n Dr. 3«nan ©d^mibt. 


®tc tocrbcu, ttcber grcmib unb öcrd^ttcr äicbadcur, tjon mir 
einen ©erid^t übcfba« jnngfte SDinfiffeft in 35üffctborf ettoatten 
nnb id^ l^aBe an^tt bem natütlid^en SBnnfd^ , einmal n>ieber Ibei 
S^nen atö atcfercnt einjntecten, noä) fo mand^e S3eranlaffnng, 
3^rer gnoartnug ju cntf^Jted^cn , 'ba§ id^ bie gebet ergreife , ob^ 
fllcid^ , »ie fie »iffen , meine 3«t für bergteid^n arbeiten nnge* 
mein \napp bcmeflen ift, !Dad »irb mid^ »enigftcn^ in 3l^ren 
fingen entfd^nlbigen , U)enn mein ^erid^t nid^t f o andfit^rltd^ fid^ 
über aöe *^itnfte i)crbretten fotüe, »ie e^ bie ©ebeutnng eine« 
§cfte0 ber ärt Dictteid^t erwarten la^. 

!Die erfrcntid^fte SScraniaffung jn berid^ten ift mir ba« in 
oKen kcefenttid^ fünften t)oQftänbige (gelingen eine« tiefte«, ba« 
gn einem eblen lünftlerifd^en 3^edE t)iele nnb bebentenbe ^&fte in 
einem toeiten Ärcife öon 3JKttt>irtenben nnb ^Jt^örenben angeregt 
nnb angefiponnt l^at, nnb nun burd^ bie ©cfriebigung na<^ fo fd^* 
ncn Slnftrengungen ring^uml^er neuen ©amen an^ftreut unb 8uft 
nnb SBettcifer für fünftlerifd^e »eftrebungcn m<if pit. g« ift 


1) ©rcnsbotcn 1856 II @. 481 ff. 


200 SBierunbbrcißigftc« nicbcrrl^cin. 9Rufiffcji in 2)äffcIborf. 

ct»a« gar Stgne« unb ©cJ^Bne« um ein fold^e« gcft , ba« meistere 
2^agc lang Jaufcnbc bcm gcmöl^ntid^en 2]^un unb treiben entxficft 
unb in einem l^Bl^eren getfttgen Snteteff e vereinigt. Denn, »t^ ijct* 
fd^ieben anäf nad^ ©inn unb ©itbung bte SBeife fein mag, tn »et* 
c^er ber Sinjetne fid^ an bem ®enu6 einer fold^en geier Beti^eitigt, 
fo ift io6f bemußt ober unbewußt bie Äunft ba^ l^öl^ere ©lement, 
toeld^e^ aße burd^bringt unb trägt, fie »irb bie reine, Hare Seben^* 
luft, in toeld^er alte fid^ frei unb i^eiter betoegen. 3Benn toir feine 
oI^m^>tfd^eii[ ®^)iete mel^r l^aben , fo bürfen mr un^ bcd^ biefcr 
SKufiffefte rüi^men , in benen bie Sunft , »etd^e unfrer ^tit unb 
unfrem SSoII bie eigenfte ift , il^re 3Äad^t unb ^errüd^feit ate eine 
ma^rl^aft »olf^ümüd^e offenbart. !Denn c« l^anbelt fic^ l^i.er nid^t 
aßein um SDiufilaupl^rungen , toeld^e burd^ momentane Sonccn* 
tration außerorbentßd^er Gräfte j^eröorjurufen ftnb. 3Ran muß 
ben Sl^or in^ luge faffen , ber au^ äbgeorbneten üon ©efangöer*' 
einen bieter Drtfc^aften gebilbet ift unb eben biefe SSereine , »eld^c 
oft fel^r jufäßig i)ertreten finb, l^inter fid& l^at, fo toie ba^ SDrd^efter, 
ba« auf eine- äi^nlid^e SSJeife gebilbet »irb , im \väfiVi bergegen* 
»artigen , n>eld^e ®umme öon mufilatifd^er Äraft unb iöifcung 
im ä^ß baburd^ re^räfentirt toirb. Unb u>enn man bann roaffx^ 
nimmt , in »etd^er SSBetf e ein Äunftmerl toie ©eet]^oi)en^ neunte 
©^mpl^onie bon einem fold^cn 6^or unb Ord^cftcr au^gefüi^rt, in 
toeld^er ©eife e« bon einem ebenfo gemifd^ten publicum aufgc* 
nommen »irb , f o »irb man inne , baß bie l^Bd^ften Sciftungcn 
unfrer größten Äünftler in äöa^r^eit tiefe ffiurjetn im SSoß ge* 
fd^lagcn l^aben unb ber ^Ration angel^Brcn. Saffen ®ie un^, mein 
t^eurer St^eunb, aud^ an bieferäeußerungeine^ nationalen ©cfül^te 
un^ erfreuen, »enn e^ gleid^ bem ibeatcn ®ebict eine« Kinftlerifd^cn 
Smpfinben« unb SSerftel^en« angehört. ®ar toenige mögen baö 
®efül^( be« (Sinigfeind unb B^fammengel^örend beim xoaffxm @t* 
nu6 beutfd^er 3Jiufif ate ein patriotifd^cd cm^jfinben , befto beffer ! 
um fo unbefangener unb gefunber tt)irb e« ate ein Factor eine« 
lebenbigen ^lationatgcfül^tö über]^au<)t mittoirlen. 

S« mar feine geringe Slufgabe, jmei Saläre i^intereinanber an 


33icrmibbrci6i9(le« nicbcrr^^em. äÄuftffefl in 2>fiffciborf. 201 

bcmfcIBen Ort ein 3Rufif^cft ju ©tanbc ju bringen , mib bcr über*' 
auö gtänjenbe ©rf <>lg be« i)oriö]^rigen gcfte« »ar el^cr geeignet, 
bicfe Slufgabe jn erfc^toeren, ÜDer no6f niäft öoßenbete Slu^bau 
bc« ©firienid^ mad^te c« nnmögtid^ , ba^ geft in t ö In jn feiern ; 
um nici^t etwa gar eine Unterbred^nng eintreten jn taffen, entfd^Io^ 
man fi<ä^ in !D ü f f e l b o r f jn einer SBieberi^oIung , nnb burc^ bie 
ßnergic nnb Umfid^t be« Somit^« gelang c^ batb , bie materießen 
SSorandfe^nngen be« Bufto^belommen« jn fid^ern* an ber S3ereit* 
tcißigleit ber »erfd^iebenen ©efangöereine , jal^treid^ mitäntoirfen, 
»ar nid^t ju jtoeifeln ; ba« SSerjeic^ni^ ber 3KitU)irIenben miU 
bie^mal in aßen ©tintmen grßfewe ä^^ten anf ; im <Sopxan 185 
(ftatt 167) , im ält 140 (ftatt 125) , im Jener 168 (ftatt 158), 
im »a^ 237 (ftatt 204), im ©an^en atfo 780 (S^oriften, toä^rcnb 
im ijorigen 3a^r beren 654 gen^efen »aren. !Da6 biefe numerifd^e 
SSerftärfnng »on feiner großen äöirhmg fein »ürbe , lieg fid^ an* 
nel^mcn. @^ fd^eint aber, ate »enn tjon ben angemetbeten Sl^oriften 
eine beträc^tßd^e Slnjal^l an^geblieben fei , fo bag bie 3^^^ ber 
»irHid^ SKitfingenben meßeid^t geringer »ar ; in bcr 2^l^at f d^ien 
aud^ bie SBirfting be« d^ox^ nid^t ganj üon ber ÜWad^t nnb güfle 
jn fein, »ie im vorigen Sal^r. dtxoa^ mod^te baju »o^I beitragen, 
bag bie ® d^,ö^)fung in fettener SBeife geeignet ift, ben Sl^or anf 
bie mannigfalKgfteSlrt jnr t)oßen®eItnng jn bringen, äßein felbft 
ein f otd^er JRüdtblidt t^at ben Seiftungen be^ Sl^cr« in biefem Sal^r 
feinen eigenttid(^en ©d^aben ; er xoax burd^an^ fräftig , gefunb nnb 
frifd^ nnb l^atte fid^ beffen bemeiftert, »a« er tjorjutragen l^atte. 

S3ei ber ©efe^ung be^ Drd^efter^ »ar man bemiil^t gemefen 
bie SSta^inftrumente, meldte »orige^ 3a^r ben ©aiteninftmmenten 
nid^t ganj ebenbürtig crfd^ienen, ju »erbeffem, aud^ »ar bie« nid^t 
o^ne Srfolg geblieben. !Die ©aiteninftmmente bagegen ftanben 
bie^mat ettoad jnrüdf, tDobei man freilid^ nid^t t^ergeffen barf , bag 
eine fo überaus fd^ftne in ^aft nnb ^axtJ^tit gleid^ »ol^lt^uenbe 
äBirfnng ber ©aiteninftrumente , me man fie i)orige« Sal^r in 
S)üffelborf l^örtc , in aßer S35elt fetten vernommen »irb nnb nur 
unter befonber« günfttgen Umftänben erreid^t »erben fonnte. Die 


202 i^Sterunbbvetgidfled ntebetrl^eiB. Hfluftlfefl in 2)fiffe(bctf. 

^cifi ber ®eigen unb SStatfdben mar etioa^ geringer , bte S^Sffe 
»Ären — \odffl utit {Rurffid^t auf bte @^in^)]&0nic — Derftärft 
(27 »tolonceac «nb 16 eontrabäffc) . 

Siftci^ einem, tote mir f^eint, fel^r rid^gen ®tunbfa^ tDcc^fctt 
man Ibei ben 9)htfilfeften , menn m<f) nt^t regelmäßig , mit bem 
Dirigenten. ®(l^n>er(i^ au^ ber Snfi^t bie bei bem (Engagement 
ber <Sotiften unb 83irtuof en maaßgebenb fein mag, baß neue ^amen 
unb ^erfonen auf ba^ ^ubticnm eine er^&^te Slnjiel^ung^aft 
autöben , fonbem meil bie eigenti^fimtid^e geiftige äinregung unb 
betcbcnbe Äraft, »etd^e bon bem Dirigenten au^el^t, fold^en 
SWaffen gegenüber bon ungemdl^nß^er ^rifd^e unb Energie fein 
muß. ®o U)])]^t^tig , j[a notl^tt>enbig bei mufitaltfd^en Snftituten 
t)on regetmäßig forttauf enbcr ©irffomfeit bie ftetige 2:rabition einer 
einl^itlid^^en Direction fid^ crmcidt , f o i^eilfam ift für eine außer* 
otbentüd^e SScrantaffung, bei ber e« auf eine rafd^ SJerfd^meljung 
großer äRaffcn anfommt, bie frSftigere Anregung, meldte bon 
einem Dirigenten au^gel^t , bem %d^tung unb 93ertrauen ber SDht« 
»irlenben entgegenfommen, ol^ne baß beiberfeitigc ®ett)&]^nung ein 
bequemet ® i^gel^nlaff en jugiebt. Die Sal^t u>ar auf u ( i u ^ 
9lie| gefallen, ber, früher »äl^renb einer 9leil^c bon 3a]^ren 
aKufifbirector in Dfiff etborf , bort unb im 9l^einlanb betonnt unb 
l^eimifd^, ebenfogern bergafttid^enSintabung ju biefem @l^ren))often 
folgte, at^ man il^n bort freubig unb ^erjtid^ emipfing. Daß e^ 
für 3i^ren '9ief erenten eine bef onberc ©enugtl^ung War , ben be* 
freunbeten ÜÄeifler, bcff en fidlere Leitung er fo oft mit Ji^eilnal^me 
unb ©efriebigung beobad^tet Ifoi, einmal »ieber am DirigentenpuCt 
ju feigen, »iffen ®ie, unb in einem ©erid^t, ber jld^ junäd^ft naäf 
8ei|)jig »enbet , ift e« überflüffig fid^ weiter barüber au^utaffen, 
»ie fel^r geeignet SRie^ bitrd^ fein l^erborragenbe« Direction^tatent 
unb feine große Srfal^rung unb ©id^erl^eit für bie Seitung eine6 
SÖhififfefte« fei. (gr l^at fid^ aud^ l^ier bewahrt unb an bem , loa« 
fo erfreuüd^ getang , l^at bie energifd^e Seftig?eit unb bie anregenbe 
t^rifdj^e feiner Direction ben »efcntlic^ften Slnti^eil , »ä^renb ba« 


!3$iecttttbt>teiStgfle9 ttUberr^etn. 99ht{i!feft in 2)ftffefbotf. 203 

metfte üon bem, mad mtnbet befviebtgenb au^fitl, einer ^pffStt 
angel^i^rt, in t»Aäftx fein (Sinflug nid^t maa^gebenb fein lonnte* 

!X)ett seilten ©^tDterigleiten ift immer bad (Engagement ber 
®oßften unterworfen, ^ie 9(nfga6e ®änger unb ©ängerinnen ju 
geioinnen , . bie bnrd^ 9lnf unb Seiftungen ben ^cif gef))annten 
Äräften unb änforberungen eine« fold^en gcfte« genügen , ift oon 
ber 'üxt, ba^ man ftd^ über ieben ®Cü<{«faQ freuen, unb, wa« nid^t 
gelingen miU, mit 9iefigttation ertragen mu^. (Sin ®onneng(an), 
loie i^n Oenn); Sinb über bad t)oriä^rige SRufitfeft ausbreitete, 
ift nur burd^ fle ju erreid^en , unb fie ift (eiber nid^t immer }u 
erreid^en. !Dad §eftcomit6 i^at burd^ bie 99emfung b(m ^L 
Il^ercfe lietjen« au« SBien, tt>eld^ert!rl. 8ouife Z^aUn 
au« ©üffelborf unb gri. 3ba ÜDannemann au« (SCberfelb für 
bie jtt>etten @o^)ran<)artien jur Seite ftonben, unb öon grau 3o* 
l^anna C>off6<^uer^Binborf aud ^alberftabt atö «(tiftin 
gezeigt, ba^ man barauf bebad^t roax, anerlannt tüd^tige jh&fte }u 
gett)innen. Sieben biefen 35amen »ar ^err ®d(^neiber au« 
SciWifl' f ^^^ ^^^^ ^^i^ allgemeinen ®etfaü , ben er Dorige« 3a]^r 
gefunben ^otte, für ba« bie^iä^rige Sßufiffeft beftgnirt; C^err 
I)umont*l5ine« an^ S6fa ift feit Salären ber ©afftft ber 
JR^eintanbe. 35urd^ bie S^l^eitnal^me beS ^zxxn 3 u f i u d @ t o d * 
l^aufcn »ar enbüc^ für bie ®oloborträge ein Sänger gewonnen, 
tocld^er aud^ biefem 5£^ei{ ber Seiftungen be« 9Hufitfefted eine S5e* 
beutung gab , »ie fie attcin eine im l^Bc^ften ©innc fünftlerifd^e 
SSoQenbung ju ber(eil^n im Staube ift. 

Um bem geft ate geft , unb bef onber« ate ^fingftfeft , feinen 
redeten (S^arafter ju geben mu| »or aflem fd^5ne« S35etter fein, 
ttub bafür lann freilid^ ba« (Somit^ beim beften SBiKen nic^t for< 
gen. Da« Jjorige üKupIfeft banfte bem l^errlid^en Setter, woburd^ 
e« begünftigt »urbe , jum guten S^l^eit bie l^eltere , fefttid^e Sttm* 
mung , mit »eld^er man ed fid^ in ber gemeinfamen Slnftrengun^ 
unb bem gemeinfamen ®enug fo u>ol^( fein lie^. Da« unfreunb(id(^e 
SRegenwetter , »etd^e« bie«mat fd^on bor bem ©eginn be« ijefte« 
eintrat, fteüte bemfetben fein günftige« *^rognofti!on , unb einige 


204 ^ierunbbretgigfle« nieberrlj^em. 2Rnftffe{i in 2)fi{fdbovf. 

leere ^läfte auf bem Otci^cftcr unb tm ^wft^Äuenaum »äteu »ol^t 
6efe^t motben , toenn nid^t bte Sßitterung fr&^Itd^e 9{etfegebatden 
bei SSteten niebcrgef dalagen l^attc. SWand^en, bte an SSorbebcu* 
tiingen glauben unb bcdl^att auf bad SRotto bet ^iöcr'fd^en ®^m* 
^)]^onte ^S« m\x% boci^ grül^Ung »erben" groge ®tü<Je 
l^teUen, meinten, bad tDod^en(ange unau^gefe^te 9tufen na(i^ 9tegen 
in aßen groben jum @(ia^ l^abe am (Snbe bod^ feine Sßirlung 
getrau ; ed mad^te tDirllid^ einen tragilomif d^en (Sffect , atö in ber 
^robe mit fteigcnbem Sifer um Stegen geflei^t^ tourbe , Ȋl^rcnb 
biefer l^ßd^ft ungelegen ^>raffetnb auf ba« 'Dad^ ftrömte. 35ie erftcn 
groben tt>aren ba^er wxi^ nur fd^mad^ befud^t ; am iDtorgen be^ 
erften S^fttag^ fa^ man fid^ Dergeben^ nad^ bem feftlid^en ®ebränge 
um, t>a^ im vorigen 3a^r bie ©trafen unb ®^)ajiergänge erfüllte, 
unb ein 3ufammenfein auf bem änanadberg, bei »elc^em fid^ ba* 
mate bie l^eiterfte ©timmung unter allen SSlmpefenben ^verbreitete, 
mie fie gelingen unb ®enu^ t>erbürgt, fanb bie^mal gar nid^t ftatt. 
3nbeffen f lörte fid^ ba« SBetter bi« jum (Soncert fctbft auf , unb 
blieb aud^ in ben f olgenben Ziagen, abgefel^en ^on einigen ©emitter« 
fd^auem, fd^ön. ©elbft biefe rid^teten feinen erheblichen muplali* 
f c^en ©d^aben an ; atö £))>fer fiel nur , mie im ))crigen 3a]^r bie 
©abc'fd^e Ouberture , f o bie«mal ber erfte ®aft bon SSeeti^oöen« 
2^ri^)elconcert , ber bor bem unmibcrfte^lid^en Srcfcenbo eine^ ^ef • 
tigen ^la^regend aUmal^lid^ xMx% berfd^tt)anb, fo bag man bie 
Sünftler beu)unbem vm^t , bie fic^ aud^ burd^ ein fold^ed älccom« 
)>agnement nid^t au^ ber B^^ffung bringen liegen. Uebrigend toat 
ed eine n)a]^re äSol^ltl^at, bag man in ber langen $aufe, meld^ 
fe^r itoeämägig bie langen ^oncerte unterbrid^t, aud ber ©d^müle 
bed @aaled in ben fd^&nen großen ®arten bed Seftlocatö ge^en 
unb frif d^e Suft f d^&))f en f onnte , tpenn gleid^ bie SD^aitranl^con« 
fumtion nid^t böUig fo erl^eblid^ }u fein fd^ien tt)ie boriged 3a^r. 
^m }tt)eiten ^fingfttag tt)urbe bann ^ui^ bie i^eitere SDtorgencom 
feren} auf bem älnana^berg nad^ge^oft, uub bie ®eiftlid(^teit, meldte 
gegen bie frühere ©emol^n^eit e^ burd^gefe^t i^otte , bag bie ®ene« 
ral))robe u^ä^renb ber ^rd^jeit au^gefe^t merben mugte, ^atte 


g^icrttöbtrcifiigfic« niebcrr^icin. 3Äufiffefl in a)üffclborf. 2Ö5 

babur(3^ toefentßd^ bte gute (Stimmung geförbert. & tft I^um 
jtt fagcn , U)tc fcl^r ein uugeitüungened SÖetfammenfcin im greien, 
bet manntgfad^e äudtauf^ ber ©ebanlen unb Snfid^ten, burd^ bte 
»ecj^fclnbe Begegnung ftet« neu angeregt , grabe 6et fo gel^äuftcn 
Ifinfttetif^en (äcnfiffen erfrifd^t unb erl^ebt. Slud^ na^m bic äußere 
unb innere ^etl^Uigung fid^tßd^ }U, tie legten STage maren ungteid^ 
frequcnter unb belebter, ate ber erfte. J)ie3al&l ber annjefenben 
9iobttitäten mar loum fo groß ate im vorigen 3a]^r, allein anäf fo 
toar an ÜRufifbircctorcn lein SKangrf ffii^ftar. 

©tüdtid^enoeife ftnb aQe biefe Umftanbe, menn fie anäf baju 
beitragen ben ßinbrud bc« gefte« mel^r ober »eniger gtänjenb, 
l^etter ober be^agtid^ ju machen , bod^ nid^t ba^ , U)oburd^ SlBefen 
unb Sl^aralter beffdben beftimmt »irb. !Denn julefet tft unb bleibt 
e« ein SWufiffcft, bie SBal^f unb äu^fü^rung ber Sunfttoerfe giebt 
ben 2lu«fd^tag , unb in biefer ^tnfid^t ift ba« SKufiffeft, »ie fd^on 
bemerlt, in allen »efentUd^cn fünften ju i)ötliger SJefriebigung 
gelungen. 

Site bte beiben ©runbpfeiler ber Sluffüi^rungen l^atte man 
SWenbeUfol^n« Slia^unb SSeetl^otjen« neunte ©ijm* 
<) ]^ n i e au^erfe^en , unb mit biefer ©al^l f onnte man t01>^ ju* 
trieben fein, äuffoüenbeweife ift ber Stia^ bi^l^er nod^ auf 
feinem nieberr^cinifd^en 3Kufiffefte gegeben »orben , unb e^ »ar 
bal^er fel^r angemcffen, in bie ol^nel^in befd^ränlte ^a^ großer 
Oratorien, »ctd^e für berartige 2lup]^rungen jur t^tage lommen, 
ein SQäerl aufjune^men , ba« in jeber C)i«P^t geredeten 2lnfprud^ 
auf biefe äbt^jetd^nung l^at. @tne einge^enbe iBetrad^tung bed 
Oratorium« »ürbe ^ier ju »eit fül^ren. Slttetn menn man aud^ 
jugeben loirb, baß im filia« »ie im $autu« bie S^arafteriftif bcd 
Iräger« beiber Äunfttoeric bie 'ganje Äraft unb ©nergic biefer gc»« 
toaltigen ÜWänner, toic bie l^eil. ©d^rift fie barfteßt, ntd^t erreid^t, 
fotjbem ioefentüd^ nur eine ©citc il^re« S33ir!en« , il^re glauben«* 
ftarfe 3M*>^^fi^t ^uf inbrünftige« ®cbet , i^erüorl^ebt ; unb baß im 
^aulu« bic (Sm^>finbung unb Srfinbung ötelleid^t frifd^er unb un» 
mittelbarer ift ate im Slia« : fo fd^licßt biefe« ^^S^ftäubniß einer 


206 Sientttbbcet^tgfie« nteben^ein. aRufiffefl in ^ttffelbovf. 

in t)^ ^am bee ältetfterd (egvünbeten ^efd^tänluns ttt^t bte «tif 
etlennung beffen aM , u>ad er andf i^ier ®ro|ed unb Sebeutenbe^ 
gef^affen i^at. 9Ran tft grgento&tttg )»on matuj^en ©eiten l^er ebett 
f eifrig itvxvi% eine ))oaftänbi8e ^eringfi^^ä^ung gegen SOtenbett« 
fol^nd Seiftungen an ben 3:ag ju (egen , ate man no<S) k>or furjer 
3eit ii^n über aUt ju eri^eben geneigt mar. ^ar biefe ^emnnbernng 
an^ einfettig nnb übertrieben, fo toar fte bo^ erfrenlid^er unb bt* 
greifli^er aU bie forcirte ®ertngfd^ä^nng. SOtetibetöfol^n t>erbanb 
mit bebeutenber mufilalifd^er Begabung unb einem feinen ^cetifd^en 
®inn eine fe(tene!Durci^bi(bung ; er mar nid^^t aUein ein boQtommen 
gefd^utter äRufiler, fonbem ein burc^gebitb^ Wltn^äf, nnb beibed 
ftanb bei il^m nid^t in föiberf^rud^ , fonbem in Harmonie mitein* 
anber, mei( er ben g(üd((id^en S^alt befa^, ber nur mirllid^e ^nft» 
(ematuren audjeid^net , mit ©td^eri^eit ju em)>finben , n>a^ feiner 
9iatur gemä^ fei. S3ar er g(eid^ lein fd^ö^ferifd^ed ®enie in ber 
%xt tt>ie bie großen C)eroen unfrer SRufit, fo bleibt ii^m in ber 
©efd^ld^te ber mobemen 3JiufiI ba« unbeftrittene SSerbienft, bafe er 
ber )>oefte(ofen Stoutine loie bem bilettantifirenben 9tomanttcidmn^ 
entgegentrat unb burd^ bie Sl^at mieber ind ^(are brad^te , bat 
poetifd^e 9(uffaffung unb ^i^enfd^ung ber Sorm in t^rer unjer* 
trennßd^en äJerelnigung ba« SBefen ber Jhtnft au^mad^en. ®affx* 
(i(^ unfere ^txt ffat nid^t Urfad^e, fpt&be gu tl^un gegen !ünftlerif d^e 
Seiftungen, in benen ein burd^au« ebler ®inn, ^>oetifd^e äuffaffung 
unb k)oUIommene ©ic^erl^eit ber 2:ed^nit fid^ au^f^ed^en , felbft 
menn fie barin toefentßd^ bad dlefultot tünft(erifd^er iSSitbung er« 
fennen foQte. !X)enn u>ie biete Sünftler finb benn , bie ed i\& ju 
folc^er ®i(bung, bie e^ nur bid gum (Bt\äfmaA bringen? (Sinem 
Serie k>on fo(d^er 9(ntage, Sludbei^nung unb debeutung gegenüber 
erfennt ieber leidet , miäf ein Unterfd^ieb gmifd^en lünftterifd^en 
Intentionen ober bielme^r ä$et(eitäten unb bem ä3erm9gen beftei^t, 
fertige Kare ®efta(ten audjubifoen , bie ba^ »irfttd^ au^brüdbn, 
u>a^ ber ^ünftter burd^ fie audfpred^en xoiü. @d mar mo^l d^aral* 
teriftifd^ , bai ein ^ünftler , ber mä^renb ber $robe neben mir in 
ber Partitur nad^fo« — er gehört nid^t bem mufifalifd^en ancien 


SJicrunbbrcißigfie« niebcrr^^cm. 2Äufiffc(l in 2)ilf|dboi1. 207 

regime an — mäf bem groSartigcn ®d^Iu§(j^or be« crftcn S^ctl« 
aufrief: ^älc^, mte gut ift'e^, »cnu einer etwa^^Orbentßd^e« ge* 
lernt ^t ; f onft ^ätte er bie ® irlung ntd^t ^erüori&ringcn Knnc» ! " 
®ett)t6 utii^t unb ba^ bicfer &)ox »ie bie ganje ©ci^Iufefcene unb 
über]^au)>t bie ^au))tftüde bed Oratorium^ , bie ©d^ilberung ber 
^oül, ber aOßettftreit mit ben Sdaai»pxxt^tm, ma^ in ber Süfte, 
bie Srfij^einnng auf bem ^oreb anäf auf bad $u(ßcum l^ier mie 
f onft tiefen (Sinbrud maci^ten , betoei^t , ba^ in biefer SOtufit noäf 
zttoa^ mei^ »irifam ift, a(^^ blo^c gormge»anbt^eit. 

3)er Sl^or i^at in biefem Oraterium eine fe^r au^gebel^nte 
3lnn)enbung gefunben unb avid) bedl^alb ift baffetbe für ein SRufitf eft 
burci^au^ angemeffen. ®(i(^abe ift ed , bag äRenbet^fol^n, ber ben* 
feCben fo .gefd^idt unb einfi(i(^tig ju benu^en n>ei§ , mei^rmat^ unb 
namentlidf^ gegen bad @nbe l^in bie Sir!ung beffetben bur^ ju 
ftarte ^nmenbung ber ^(ed^inftrumente beeinträchtigt l^at. SBenn 
man ben mal^r^aft u>o]^(tl^uenben (Sinbrud em))funben i^at , ben f o 
ftarfe unb »o^ßüngenbe S^ormaffen auf ba« Ol^r unb ®efül^C 
^eri>orbrihgen , fo bcbauert man e« , btcfelben »ergeben« gegen bie 
nieberfd^metternbe ÜRaci^t be« ^tönenben Srje«'' anfäm^>fen iu fe^n* 
J)a§ ber ß^or fici^ »ader ^ielt , mit ©id^erl^eit unb Seftigfeit — 
fel^r noenige ©teüen aufgenommen — einfette , frif d^ unb Iräftig 
aud^te(t unb )>rä(i(^tig !{ang, bebarf laum be« au^brüdlid^en B^^S^ 
niffed ; aud^ oom Ord^efter fann man baffelbe fagen. Unb fo mar 
für ba« (Sai^e ein tüd^tiger , f efter ®runb gelegt , ein f oüber unb 
glänjenber 9ia^men für bie Seiftungen ber ®o(ofänger gemonnen. 

%nx bie Partie be« @Iia« mar perr 3uliud @tod(^aufen 
gemonnen. Sfladif ben auferorbenttid^en Erfolgen ^ toe(d^e biefer 
©änger in ber legten ^txi in üDcutfd^lanb errungen J^at, mar man 
anwerft ge{)>annt il^n ju ^i^ren , um f o mei^r , afö bad ®enre be« 
Oratorium«, nad(^ bem, ma« über il^n betannt gemorben mar, i^m 
fremb ju fein fd^ien; benn bag er ben @(ia« bereit« in ©tra^burg 
unb ©afel gefungen ^tt^, mod^ten äöenige miffen. Slüerbing« 
^atte er mit mand^ertei ungünftigen äSer^ältniffen p fäm^fen, 
©eine ©timme ift ein entfd(^iebener Bariton mit bebeutenber |)ö^e ; 


208 ©icrunbbrcigigjlc« ttkbcrr^ein. aRufiffcfl in 2)üffclborf. 

bie Partie be^ &xa^ liegt jmar ntrgenbd f o tief , bag fie ben Um^ 
fang feiner ©timmc übcrfd^ritte, aber fie bcwfcgt fid^ ni(j^t feiten in 
Siontagen nnb t>et(angt in benfe(ben ftvaft unb ^lang , meldte für 
feine ©timnte nid&t bie gnnftigften ftnb. !Cied gilt namentßd^ gteid^ 
t>om erften StecitatiD , bad , um bie redete SBirfung ju tl^un, gegen 
bie mäd^tigen 9lccorbe ber JB(adinftrumente tt>ie mit ^lammenjügen 
bie nnl^eitboQe $ro)>^eieiung ^ertünbigen mu|. !Diefe fßlaäft be^ 
materießen Slanged l^at ©tcdtl^aufen^ Stimme nid^t, am menigften 
in biefer Sage ; baju lam nod^, ba^ er, iuxöf fibermä^igt älnftren«^ 
gung erfd^&^ft unb t&r)>er(id^ untool^l, am erften S^ge unb befonberd 
im ?rften Z^txl beö filia^ nur mit groger änftrengung fang. 6« 
ift bal^er begreiflid^ , ba§ ein 2i^eil be« publicum« , ber fein Ur* 
tl^eil über einen ©änger nad^ bem materiellen Ätang bet Stimme 
ju bemeff en pflegt , fid^ in feinen (Snoartungen getäufd^t fanb ; 
aud^ ift burd^aud nid^t in 9lbrebe ju ftetten , bag für mand^e ^ar^ 
ticn im 6(ia« eine er^&^cte Sraft , ein i)ottcrer Äfang ber ©timme 
erwfinfc^t geioefen märe. 9lirgenb6 aber trat bie^ ato ein üJtangel 
öon fotd^er ärt ^ert>or , bag bad SSerftänbnig unb ber ®enu§ an 
ber lünftterifd^en Seiftung baburd^ ))erlümmert u^crben n)äre. ^enn 
@todt^auf en tft nid^t bto^, mad man f o gemSl^nßd^ fagt, ein ©än^ 
ger mit fd^&ner ©timme unb gutem 93ortrag, f onbem ein ^änftter, 
^ber nid^td »iö al^ ba« Runftmerl rein jur 5Darftettung bringen 
unb bted ^)erfect lann.'' ÜDag ba«®ingen eine Sunft fei, ift frei* 
lx<ff eine SßorfteUung, bie te^t leiber nid^t abein unferm publicum, 
fonbern aud^ unfern ©ängern faft ganj fremb geworben ift. S35ie 
loenige bebenten, bag aud^ bie umf angretd^fte , n)ol^tI(ingenbfte 
Stimme nur ein 3Rateria( ift, ba9 burd^ bie atterftrengfte ®d^u(ung 
bem Iünftlerifd^en®ebraud^gered(^t gemad^t toerbenmug; bag bad, 
toad man gem&l^nßd^ t^^rtigfeit nennt, leinedtoegd bad einzige, nid^t 
einmat ba^ »id^tigfte 9tcfuttat biefer ©d^utung ift, fonbern bag bie 
DoQIommene ^errfd^aft über bie Slonbitbung im U)eiteften Umfang 
ba9 ift,' tt)ad ber ©efangtünftter eneid^enmug, bamit er unter 
ääm Umftänben nid^t allein einen fd^önen 2ion ju bilben, fonbern 
biefcm jiebe^mat bie Älangfarbe ju geben , il^m Den äudbrud ein* 


Sientnbbrcigiglic« nicbcrr^cin. 2Äufiffcfl in S>äffclborf . 209 

gmjtägeii'i)crm8gc, totl^&c crfotbcrüd^ tft, um bad au^jubtüdcn, 
lood bet 6om^)ontft gciooöt l^at. grciüd^ gciDtnnt eine fold^c an 
fidf fd^on be»unbem«U)ett^c ^crrf<i^oft über bic üoülommen aM^ 
gcbttbctc ©tintme etft Scbcn unb ©cbeutung , tocnn ber ©ätiger 
aaä^ bic altgcmctnc mufifatifii^e Silbung bcfifet , um bicf e a»tttct 
bcm ©efcn bcr Sunft gemä§ ju öcrocnbcn , unb pocttfd^en @mu 
unb SSctftänbmfe , um bon innen l^craud feine aufgäbe geifttg ju 
crfaffen unb ju beleben. 5Dte ©eretntgung oücr btefer (Stgenfd^aften 
ift t^, »eld^e ©tocfl^aufen einen foil^ol^en SRang atd ©anger an^ 
toei«t mit il^nen, »ie e^ fi(i^ bei einem »al^ren ftünftter i>on felbft 
Detftel^t , bie unbebingte Eingebung an bie ©ac^e , . bie SBal^tl^it, 
»etd^e feinen Sottrag bi« in« Metnfte Detail burd^bringt. ©al^er 
fann man auci^ faufci fagen , ba§ er in einem ®enre beff er fei atö 
in bem onbcren, 3)ie SSoüenbung ber ted^nifci^en äu^fül^rung, bie 
potti^t SBol^rl^eit bcr 35arfteöung ift ftet« biefetbe, unb »enn bie 
SBirteig eine »erfti^iebene ifi , fc liegt ba« tool^I jum großen 5Cl^cif 
and^ am Sfiifixn, an beffcn Stimmung unb 9lid^tung. ÜDag 
®to(!^aufcn eine fcöene gertigleit befi^t , baß er bie Soloratur, 
foiool^t bie raf<!^ fiießenbe ber mobernen , ate bie genjid^tige ber 
frül^ercn ®ef ang«tt>eif e , 2!riüer , aKanicren aöer ärt unb in ieber 
Sflttoucirung Dottfommen au^gebitbet i^at , ffSxt ieber. Die grei* 
l^eit unb ©id^crl^eit , mit »eld^er er ® d^toieriglciten bie nur ber 
Sunbige toal^mimmt- ju übcminben, überaß ®(eid^mä|igfeit 
unb Uebereinftimmung be« @in}e(nen l^ersufteUen unb Sic^t unb 
©d^atten ju bertl^eilen im ©taube ift, empfinbet in il^rer »ol^ltl^u* 
enben SSKrfung »ol^I aud^ berSaie, red^t »ürbigen fann fie nur ber 
Äunftbcrftanbigc. «el^ntid^ mf)lxlt e« fid^ mit ber Äunft ben Jon 
jU bitoen unb i^m bic tocrfd^icbenartigften Ätangfarben ju geben. 
®cr ent|)fängtid^ für ba« SBa^re unb ©d^ftne ift, ber »irb bon ber 
SBa^l^eit bed Slu^brudE« i meldte ftet« mit boQIommner ©d^önl^eit 
be« Jon« vereint ift, getroffen toerben , oft am meiften bei fotd^en 
©tcücn , mi^t , fd^cinbar an fid^ »enig bebeutenb , eine n>un* 
bcrbare SBir!ung tl^un , — nid^t »eil ber ©anger ct»a« 5fteue« 
unb älnbcred au« i^nen mac^t , f onbem tmü er bad jur ®e(tung 

3 a ^ n , Auffalle üUx aWuftf . 1 4 


210 ^ierunbbrctgigfle« nteberr^ein. aJlujUfe^ in SDüffetborf. 

)u (tingen n>et§, ma^ in ti^nen liegt, ätttein in xoelä^x SBetfe biefe 
ajitfung auf bcm fünftfctijci^cn ©cbrauci^ f ünfttcrifi^er aWtltct 6c* 
xvdit, ba^ »irb »icbcrum nur bex Äunftöctftänbigc ganj ienxüftu 
(en tonnen. iRatütlid^ u>itb bie ifüf^it , bie eigentüd^e äSirtung 
au(^ üon ©todi^aufen nur babutd^ erteici^t , bafe feine nieifterl^afte 
lec^nif attein feiner <)oetifci^en Sluffaffung bienfttat ift. ßr 6efi|t 
eine aufeerotbentUd^e Ätaft unb fiebenbigfeit , ben Sl^atafter einer 
^crfon ober Situation naci^ ben burci^ bie ntufifalifci^e Darftettung 
gegebenen 3J!ontenten in einem ganj beftimntt ausgeprägten ^ta« 
ftifc^en Site aufjufaffen, unb itt)ar »ie ein eci^ter Sünftler ate ein 
®an}eS, fc ba^ Don bem ^ern)>untt berfetben aud aOe (Sinjetni^ei» 
ten il^r n)o^(abgemeffened Sici^t unb bie rid^tige gärbung erhalten« 
Darauf berui^t bie ftets gleici^e ffial^rl^eit feine«^ortragS , bie je* 
beS Sinjelne mit ßiebe bel^anbett , ol^ne eS eines Dorübergei^enbcn 
Effects tt>egen ju bet>or}ugen , bie ^(arl^eit unb ^nfci^außd^feit, bie 
in iebem ^ugenbßd eine gau} beftimmte.Sm^finbung im $@rer 
^eröorruft, o^ne Je aud^ nur im geringften ju übertreiben. ^\^x^ 
f ommt , ba^ mit ber t^eini^eit im ätuffinben ber d^arafteriftifci^en 
3Komente eine natürß^e (Sinfac^l^eit, mit ber Sebl^aftigteit ber 
(Sm^finbung ein tt>a]^rer 9lbe( fici^ aufs gtudUd^fte berfci^meljen unb 
ein fünftlerifcä^eS ©änje öon fettener SSottenbung l^erborbringen. 
2ßer ©tod^aufenS ßliaS aufmerffam gefolgt ift, bem »irb ein 
©ilb bon fd^arf auSge|>ragter 3nbit)ibualität entgegengetreten fein, 
in aden B^ge^i übereinftimmenb unb mai^r. !!)iefer (StiaS mar ber 
3Renbetöf ol^n'fc^e unb bie Organifation beS ®&ngers braci^te eS mit 
fid^, ba§ bie 3^8^/ tt>el(i^e ber Som<>onift mit aSorttcbe auSgebilbet 
i^at , bes frommen inbrünftigen Meters , bes über fein SSoQ trau« 
ernten ©ei^ers, beS unter ber Saft feiner bcrgebtid^en änftrengung 
erliegenben ©reifes, ^wäsf im ä3ortrag mit gleid^er 93or(iebe in 
ben ^orbergrunb geftedt mürben. ä3ie(Iei(i^t tä^t fici^ nod^ eine an« 
bere 9luff affung beulen , bie umgetel^rt i»on ben äßomenten fräf * 
tiger (Snegung ouSgel^enb bie ÜDarftedung ^es Som^oniften ge:' 
miffermagen ju ergänzen unb meiter ju bUben fud^te ; attein an fici^ 
ift gejen eine äuffaffung nici^ts einjumenben , bie fid^ fo auf ben 


Sicruttbbreißiöjlc« nicbcrr<^cin. äÄuflffefi in S>üff€lborf. 2f I 


®tanb^)ttnft cc^ SonH)omftcn ftcttt unb öon ba au^ ein tu fi(i^ 
X)oöenbctc^ (S^ataftcrgemälbc cnttDttft. iS^ »ütbc ju »eit fügten 
bie^ ini(Sinjctnen ju öcrfotgcn. äßein um nurßintgc^ aujufül^ren, 
bet l^crjctgteifcnbe Slu^bruö in ben SBorten ,,®tcl^e ba bctn 
©ol^n lebet!", bcr gd^eimni^öofie ©ci^auct t>öx ber Siäl^e ®o^ 
W bei bcn fficrten „Der bu beine üDienct maäf^t ju 
® e t ft c t n ", bie »unbctbarc SDäjd^ung menfd^Iici^er Zxantx unb 
^3to|>^etifd^er ®rö^e in ben SBorten „Unb betp §c^^ w^i^b 
3fracf f^fagen"; bie betfd^iebene ^Ruanrirung ber Zxantx 
in bcn SBottcn ,,@ie tooUen fid^ ni^t beleihten!'' unb 
„D ba§ meine ©eete ftürbel" — ba« finb üRomente öon 
bet l^öd^ften fünftfetifd^en ©ebeutung unb gett>ife iebem unöerge|* 
Ixä). Unb toä) finb fie fämmttid^ i)on ber ätt, ba§ fie bei einem 
mittelmäßigen ©änger iiemlid^ f^)utto« Dotübergegangen »äten, 
unb lonnten nur ate 309^ ^i"^^' »irlUc^en ©eelengemälbe« fo 
ergreif enb »irfen. Sä) »iü ed bal^er gar nid^t ertoäl^nen, bag 
®to(f^aufen bie 5lric ,, ßö tft genug ! " rül^renb bortrug, benn 
l^ier ^at ber Som^)onift i^m bottftänbig borgearbeitet unb eö ift 
bielmel^r ya rühmen , ba§ er iebe ©entimentalität fem l^iett; ahet 
anä) bie erfte 5lrie ,,f)err @ott äbrai^am«! " tourbe burd^ 
feinen SSortrag ju einem njal^ri^aft eri^benben innigen ©ebete. 

ÜDie loa^rl^aft (ptaftifd^e traft in ©todt^aufen« mufifolifd^em 
SSortrag bemäl^rte fid^ anö} ba , U)o er nur eine einjetne Situation 
barjuftetten ^atte; fo namentUd^ in ber ärie „SBacd^u« eioig 
iung unb fd^ön'' im Slteyanberfeft. ©ic ärt, tote bie 
8uft unb ©etigfeit be« Jrinlen« in berfelben bargefteüt toirb , ift 
bon bem, »a« tt)ir un« unter bacd^ifd^ orgiaftifd^er ©d^märmerei 
im antifen ®inn benfen , ober oon ber SBeife , »ie fid^ ber audge*"" 
laffene 3ubet eine^ Zrinfgelagd l^eutjutage äußert, fo fel^r öcrfd^te* 
ben, baß e« jum redeten ^erftänbniß berfelben gemiffermaßen einer 
Sntcr^retation bebarf . ©torfl^aufen von^tt bie geiertid^Ieit unb ben 
^om<) mit ber un^grünblid^en Jiefe ber 2!rinl(uft ju einem fo 
inbibibueü tebenbigen Silbe ju oerfd^metjen , baß man einen bei? 
aüen Irieg^erfai^men gelbl^erren SKejanber« mit bem Sedier in ber; 

14* 


212 Sieninbbretgigflc« nieberr^etn. äftufltfefl in 2>üffe{berf. 

fKuib t)or fi^ iu feigen g(au6te. Witt betfe(6en ^id^erl^it uttb 
<S(j^tfe jetci^ttete er in ber Srte bed @enef(i^al aud dol^ann 
Don $avid ben frani&fifci^en $)ofmann; nnb ohikiöf bie to« 
niifd^n 'feinten ber %xxt x^t etgenttid^e ^ä^neneffecte finb , fo 
regte er ioöf tnxäf feinen prägnanten äSortrag bie 3magindtton fo 
beftimmt an, bag [xä^^x^i<S), antif votx mit ber ® itnation nid^t naiver 
ktannt tpar, bie fomifci^e äßirtung ganj k>oQ unb r^in em^fnnben 
l^at. ^i Seiftungen ber 3lrt foÜ man eigentlid^ nid^t fragen, 
todffyt beffer fei, benn jebe ift an i^rem Ort unb in il^rer ärt ba^, 
»>ad fte fein fett , vocbtx man gern jugeben lann , bag bem ;einen 
biefe^, bem anbern iened mel^r jufage unb gefaQe. ^äf tann ba^er 
aud^ niii^t fagen , ba| t>on ®tod^aufend Seiftungen ber äJortrag 
ber Sieber ba^ f>öci^te fei. 3d^ witi bamit getoig feinen Siebern 
niii^t }u nal^ treten , iöf ffaht nur t)on 3enn^ Sinb etma« Sel^n« 
Ixäf^ gehört unb münfd^e mir nici^td Seffere^ ; attein idf finbe, 
bag feine ed^t {ünftlerifd^ Begabung unb ®i(bung ^iif anöf auf 
biefem @ebiet nur in berfetfeen 3Beife funb mad^t, mie auf anberen. 
2)ie Ina)>^ere , teid^tei: }u überfel^enbe unb aufpnel^menbe Sorm, 
bie concentrirte .ftraft ber (Sm)>finbung unb bed ^(udbrudd, bie 
freiere JBal^l f ot^er ©tüde , bie feiner ©timjnc befonberd günftig 
finb, erfCären e« »ol^l, ba§*ic SBirfung feiner Sieberüorträge eine 
fd^Iagenbere ift ; für mid^ ift e^ am bemunbem^toert^eften , ba^ er 
biefe aud^ l^ier nur burd^ rein tünftlerif d^e SDtitte( ]^ert)orbringt. 
debed feiner Sieber ift ein ©anje^, Don beftimmter ?$ärbung, unb 
bod^ mit einer ebenfo freien atö feinen 9{uancirung bed (Sinsetnen ; 
ein ^u^rudl, tt>ie er i^n in bie Sorte „unten f ängtd f d^on 
an jtt blühen'' in ®d^umann^ i^rü^üng^nad^t ju 
legen meig , ift aUein ein DoQgiUtiger 93emeid tünftterifd^er Wbu 

S)ie Siä^e fo öoöenbeter Seiftungen l^at tta>a^ DrudCenbe« 
für bie baneben ©tel^enben , benn ber unmittelbare SinbrudC bed 
ijtd^ten unb Sßa^ren ift unmiberftel^üd^ , unb fo geneigt man ift 
bie« l^injuncl^mcn, al« ob eÄ fid^ oon felbft »erfte^e, fo em<)finbUd^ 
mirb man baburd^ gegen boi^ minber ®e(ungene ober tool^i gar 


Sieninbbrcigigfle« ntebcrr^cin. aRjiflffcji in 2)äffeIborf. 213 

SSctfc^Itc. ÜRitiintet f^cintc^ unbegrctfKd^ , toi^ lit^t fd^on ba^ 
Seifpict bc« JRici^tigcn t>on offenbaren 85etft5tcn ahffkü , btc ge«^ 
gen ©edamation «nb Slccentuation , gegen reine unb beutttd^e 
2lu«f|>rad^e unb ^vM^t elementare gorberungen fetber oft genug 
begangen »urben, i)on getftig befeeftem 35ortrag gar nid^t ju re* 
ben ; wenn ntd^t eben bei »irMici^ lünftlerifd^en Seiftungen Slöe* 
eng tniteinanber jufammenl^inge, unb einem großen ^nft(er ettoa^ 
abjulerncn fünftterifd^e !J)ur(i^bifbung »orau^feftte. 

aSerftöge ber ärt treffen natürlich §)rn. ©d^neiber ntd^t, 
toetd^et fid^ aud^ bieömal ate einen gebilbeten Sänger betoäi^rte, 
ber mit S5erftanb unb ©nfid^t feine Partie burd^bad^t i^atte unb in 
i^rem SSortrag <Sinn für ba« ©nfad^e unb (5ble erfreufid^ an ben 
lag legte, äöein neben ©todf^ufen em^)fanb man bod^ , ba§ er 
feine fd^öne Stimme nid^t in bem SDIaa^e au^gebilbet l^at, ba§ fie 
il^m in aßen Sluancen tjötlig bienftbar ift ; unter ber Slnftrengung, 
ioetd^e er mitunter antoenben mu^ unb bie fid^ aud^ in feinem ®e« 
fic^t au^brüdCt, leibet bann aud^ bie ©d^ön^eit beö Ion«, ber i^m 
nid^t mit aßen Slangfarben ju ©ebote ftel^t, um }cber 9tuance be6 
®ef filmte ben bejeid^nenben Sludbrudf ju geben. 3d^ glaube, e« liegt 
nur hieran , toenn feinem S5ortrag , ber ftet« berftänbig überlegt 
unb rid^tig aufgefaßt ift, bod^ mitunter ba« tief ©rgreifenbe unb 
jugfeid^ Seud^tenbe einer <>oetifd^ belebten 'Darftettung fel^tt. 3n» 
beffen glaube id^ bod^ ein ^^aar SDIal bemerft yx i^aben , ba§ f)r. 
©d^neiber ber SBerfud^ung unterlag, um einen toopautenben Ion 
jur ©eltung }U bringen , langer anjul^alten , atö eigentlid^ nötl^ig 
unb jioedhnä^g gemefen »äre; namentlid^ trat im ©eetl^otoen'fd^en 
Sieberfranj ba« unberpltni^mägtge ^^ittn auf ben ©d^lu^tönen 
ate iene nid^t »ol^ltl^uenbe SWanier l^eroor, öor meld^er ein Äünft* 
ter, u>ie §r. ©d^neiber, auf feiner ^wt fein mu§ unb »irb, felbft 
»enn ein großer Il^eil be« publicum« i^m bafür juftatfd^t. ^ 
^tte aud^ gett>ünfd^t, baß er einigen Partien im Stia« ettoa« mel^r 
geftigfeit gegeben ^ätte. ÜÄenbetefo^n ift barin, j. ©. in ber 
erften Icnorarie bi« an bie ©ränje be« ©eid^en gegangen, unb 
e« ift fei^r ju fürd^ten , baß ber äuÄrudt , »enn ber ©äuget 


214 SSicrunbbreigigiie« nicbcrr^cin. 9Äiififfefl in 2)üjfc(borf. 

ber gegebenen SBeifung uad^gtebt, »eiii^üd^ toerte. Ueber]^auj>t 
l^aben tie 2:enorfänger fel^r häufig feft im äuge ju bel^aüen, ba§ 
fie nxäft einfeittg fceu roeid^en unb jartcn ßl^arafter t^rer ©timmc 
au^bitfcen , fonbern aud^ niännttd^e Äraft unb SBfirbe bevfefBen 

§)r. Dumont * gine^, ber bie Sagpattte in ®d^u* 
mann« äbüent^lieb unb in ber neunten ©t^mpl^ome fibernommcn 
l^atte, ift ein SSeteran an^ ber ad^tbaren <S>6faax beutfd^er "XAleU 
tauten , bie mit lebhaftem mufllalifd^en 3ntereffe unb unermiib* 
tid^em Sifer ftefc^ bereit ftub einzutreten unb e^ ju einem ®rab 
üon ©id^er^eit unb gcrtigfeit bringen, bag i^re 9Äitipir!ung , ha 
»0 man nid^t über großartige 3)?ittel ju verfügen f^at , ftet^ ban* 
fendmertl^ ift unb i^nen eine üeroicnte (ocale Slutorität »erfd^afft. 
©en aufgaben unb Slnforberungen eine^ großen äWufiffefte^ ju 
genügen ift er jefet nid^t mel^r im ©taube, unb ein toirltid^ct 
länger fann er nie gen>efen fein, ©eine ©timmmittel l^ätten baju 
toi>t)l au^gereid^t, aber ed fel^tt il^m an fünftferifd^er ©ilbung. 
35a« erfte ßlement eine« guten ®efange«, fd^öne Jonbitbung, 
mangelt ti^m; aixdf ^at er, loie fo mand^e ©itettanten, Uuüoö* 
lommenl^eiten unb ^el^Ier einer ungenügenben ©d^utung mit SSor« 
liebe ate öermeintlid^e 93orjüge ge|>flegt. Dal^in gehört eine eigen* 
tl^ümlid^e ärt öon 3Äartettato , ba« Jeben Jon accentuirt unb im 
JRecitatit) ber neunten ©i^mj)]^onie ben B^^^rer bie einjctnen Zim 
wie ebenfoöiete ©töße einer Socomotibe em<>flnben ließ, ©d^ttmmer 
nod^, ober roenigften« ebenf o fd^^timm ift ber 9Kanget an ®eift unb 
©efd^madt im SSortrage , toie bie« bef onber« in ber 81 r i e an^ ber 
©d^5|>fttng unb ben fiebern ^eroortrat, 

SWel^men @ie e« nid^t ate ÜÄanget an ©alanterie, baß id^ ju* 
tefet bon ben SJamen rebe , aüein leiber »aren bie ©ängerinnen 
bie«mal nid^t bie ©lanj^jartie be« aO^ufiffefte«. i^rf. SEietien« 
jeid^net fid^ burd^ eine fd^öne, ftarfe , leidet anf|>red^enbe, nament* 
lid^ aud^ in ber ^öl^e ungemein too^CMingenbe ©timme au« , fo 
baß bie materielle SBirfung auf« D^r, ba »o fie i^re ©timme frei 
gcbraud^en !onnte, befonber« in ber gtönjenben unb für fie günftig 


95icruttbbrei§igfle« ntebeiT^cm. SRuflffcfl in 3)üffcrborf. 215 

gelegenen großen ärie im Slia« , eine fel^r günfttgc tt)ar. ßcibet 
tt>ar ftc burc^ eine (Srlältung fd^on üon Slnfang an fe^r gel^inbert, 
unb biefe na^m im SSerlauf be« gefte« f o ju , ba§ man nament* 
lid^ am testen 2^age nur bebaucrn fonnte , bag fie i^rer ©timme 
fold^e änftrengungen jumutl^en mn^te, ol^ne ein befriebigenbe^ SRe* 
fultat jn erreichen. S)iefe nngünftigen 35er^{tniffe laffen über i^re 
Slu^bilbung otö ©ängerin öieöeid^t lein ganj ftd^eted Urt^eit ju. 
@d tt>ar auffaüenb , baß fie ben Jon ni^t fetten quetfd^te , baß fie 
i:^n ni^t f eft einfette, f onbern l^inüberjog, baß fie f atfd^ Slt^em l^otte, 
baß fie bie ßoloratnren nid^t frei unb fidler mad^te, f onbern »ern^ifd^te 
unbim!£emi?o jnne^menb befd^lenuigte, baß fie bei fo mand^er?W8* 
tl^igung baju feinen dritter mad^te. 3d^ fürd^te, biefe Slu^ftettun^ 
gen fommen nid^t äffe auf SRed^nung be« Satarrl^ö : eine ma^rl^aft 
funfterifd^ burd^gebilbete ©angerin l^ätte aud^ unter nngünftigen 
Umftänben i^re ^nft unjweif et^af t erlennen taffen. Unijerfennbar 
aber unb nid^t ju entfd^utbigen njar e^, baß grt. Siietjen^ i^re ^ar* 
tien, bie nod^ baju einem ©eure ange^ren, ba^ i^r fremb tft, nid^t 
torl^er mit ber gel^örigen ©orgfaft einftubirt l^atte. äKan fiubet in ber 
9ieget, baßgrünblid^ gebitbete Äünftler mit bem größten gteiß ftubi* 
ren, n)eit fie miffen, nja^ e^ fagen toiff, eine "ißartie ganj unb gar ju 
be'^errfd^en, unb n)ie notl^menbig bie^ ift, um ein fid^ereö ©etingen 
ju i^erbürgeur SÖSer fid^ o^ne 5Roti^ auf bie ©ngebung be^? 3lugen* 
blidfd »erläßt , jeigt baburd^ meiften^ aud^ , baß er in feiner älu^* 
fcitbung nid^t meit genug üorgefd^ritten ift, um bie ©d^mierigfeiten 
ber ©ad^e uno fein eignet Sonnen rid^tig ju ermeffen. SrL 5Ciet' 
jend war in il^ren Partien fo »enig ju §aufe, taß fie in ben ^ro* 
ben nod^ mit bem 5WotenIefen unb bem %Ai red^t ernfttid^ ju tl^un 
l^atte unb erft anfangen mußte ju lernen ; ed berfte^t fid^ bon fetbft, 
baß unter fold^en Umftänben bei ber 3luffül^rung aud^ bon geiftiger 
Sluffaffung unb freier S)arfteffung nid^t bie SRebe fein fonnte, fon* 
bem baß bie ©ad^cn eben nur l^erau^famen. SBcnn aud^ mand^e 
fonbläufige ©ängereffecte üon i^r nid^t »erfel^tt würben unb t^re 
SBirfung beim publicum nid^t »erfe^tten , fo f^)rid^t ba^ immer' 
nur für einen ®rab bon ^Routine , toetc^er einer ©ü^nenfängerin 


2 1 6 ^iertttü^breigigfle« nieberrt^ein. SD^lurttfefi in 2)üfieIborf. 

noä) nici^t ^oä) an^ureci^nen tft. älttem eine \oläft 9tonid^aIance 
jeugt J?on wenig Sld^tung für tie Sunft , für ba^ ^ubticum unb 
bcn eignen SRuf, unfc biefe barf auci^ eine laifcrt. fönigtid^e $of* 
o)>ernfängerin ni(i^t ungeftraft aud ben Singen fetten. 

Sran ^ o f f b a u er l^at eine 3[(tftimme k)on fettener ©d^&nl^ett 
unb namcntlid^ finb bie tiefen löne ber eigenrtid^en ätoegion t>on 
au^erorbentüd^ fd^önem Slang , a\x6f bie ^i^t Hingt gut ; aUeitt 
bie Derfd^iebenen 5Regifter finb fo »erfd^iebenartig im Ion unb ed 
ift ber ©ängerin fo n>enig gelungen fie gegeneinanber au^uglei«« 
d^en unb ju t)erfd^me(ien , ba^ aud^ ber materieüe (SinbrudC lein 
glcid^mägiger »ar unb mon über ben ©cnufe cinjetner ifoürttr 
fd^öner klänge nid^t l^inaudtam. (Sbenfon^enig befi^t fie bie geiftige 
|)errfd^aft über i^re (äefang^mittel unb über bad , »a^ fie mit 
benfelben erreid^en f ott ; fie ujenbet biefelben nur aufeerlid^ , nad^ 
eingelernten t^ormeln an, o^ne felbftänbig, t)on innen l^eraud auf« 
juf äffen unb barjuftetten. 3n ber ®cene ber Äönigin im jtoeiten 
Zi)nl bed (Süa^ , beren ganje Sirtung auf bem SludbrudE ber tei« 
benfd^aftlid^en Aufregung berui^t, bie fo beutlid^ t>om 6om))oniften 
^orgejeid^net ift, n>urbe biefer fee(en(ofe, marionettenartige äSortrag 
im ^o^en ®rabe pmixä) , um fo mel^r , atö er mit ber fd^önen 
©timme fo fe^r im 333iberf^>rud^ ftanb. 

Die übrigen ©oliftcn , ol^ne burd^ i^rc Seiftungen l^eröorju« 
ragen, füllten i^reu ¥la| an^ ; bie Partie bed Knaben im (Sliad 
mürbe xt6ft gut unb tlar t)orgetragen. Die tleinen (Snfemblefa^e 
lommen grabe bei folc^en (äelegenl^eiten oft ju furj, loeil e« im 
©ebrünge ber ßeit nid^t immer möglid^ ift, ©orgfalt auf bie Slu^* 
mal^l fplc^er Stimmen }a menben, bie p einanber )>affen unb burd^ 
i^r 3wfömmenn)irfen erft ben rechten ßffect ^ert)orbringen ; burd^ 
bie Ungleid^artigteit ber Stimmen k)erlor namentlid^ ba^ S^erjett 
für grauenftimmen im ®lia« fel^r an feiner fd^önen SBirfung. 

Die Sl^arafteriftif ber ©änger l^at mtd^ ben l^iftorifd^en®ang 
eine« ©erid^td unterbred^en laff en ; id^ gel^e jum jtoeiten Soncert 
über. Da« ^au^Jtftüdt beffelben , unb in mand^er ©ejie^ung bie 
Ärone be« gefte« »ar bie neunte ®^mpl^onie. Diefe ift an 


Sßicruubbreigigfteg nieberr^ein. Snufiffcft in 2)üffelborf. 217 

bcn t^eitttfc^en SKufiffcften fo oft aufgeführt »otbcn unb anä) 
an^txum, tt>o man über bcbeutenbc Äräfte ju ijerfügen ^at, j. 39. 
in Ä8(n , fo ml ju ®e^ör gcbrac3^t , bag ba« mächtige Sßerf , ba^ 
anber^tt>o nod^ ein ©egenftanb fd^euen Staunend ift, :^icr beiSlu^^ 
fütrenben unb 3w^örern ganj eingebürgert ift. Offenbar mad^te 
aud^ bic ®^Jm^>]^onie bei ber Sluffül^rung ben lebl^afteften unb tief* 
ften Sinbrud auf ba^ publicum, fo mie man aud^ fonft wal^rnel^men 
lonntc, ta^ fie bad 3ntereffe ber ?eute am meifteu befd^äftigtc unb 
ate bie bebeutcnbfte 9^ummer be^ ganjen "ißrogramm^ angefe^en 
tturbe. 5Rur unter biefer SSorau^fe^jung ift eine befriebtgenbe 3luf» 
fü^rung berfctben mit fotd^cn a)taffen bei fo menigen groben beul* 
bar, allein e^ bleibt fein geringe^ 33erbienft be« Dirigenten, bie* 
fetben ju organifiren unb geiftig ya beleben. SBenn id^ ben SBunfd^ 
abred^ne, ba§ ba^ Ztrttpo be^ erften ©afee^ etmad ^ättc ermäßigt 
»erben mögen, um ben.Sl^arafter ber fefteu Sntfd^Ioffenl^eit unb 
energifd^en ©iöendfraft ebenfou)o]^t atö ber jarten , fd^merjUd^en 
SSel^mut:^ Marer unb beftimmter jur ®e(tung ju bringen, fo xoax bie 
Sluffü^rung ber brei erften ®äfee ganj tjortreff (id^ unb t)on tt)unber«' 
barer ©irtung. ^Jamenttid^ ba^ äbagio , biefe ^one beutfd^er 
3nftrumentatmufi!, gelang unübertreff tid^ unb in ber für bie ©ta^^ 
inftrumente gefäl^rlic^^n ®tet(e, toeld^e^ fd^on mand^e^ Drd^efter ju 
galt gebrad^t ^at, übermanb ber ^orntft ^r. Suftu« nid^t allein 
fiegreid^ atte ®d^tt>ierigfeiten, fonbem ba« ®anje tourbe mit einer 
©id^cr^eit, mit einem n^eid^en ®d^me(j jur S)arfteüung gebrad^t, 
ba§ bie ©irfung bejaubemb tt)ar. 'Da^ tooßftänbige ©etingen be^ 
testen ®a^e^ liegt au^er jeber ©ered^nung , eine burd^au« lool^I* 
tl^uenbe ffiirfung tt)irb über^au^>t laum ju erreid^en fein. Die 
©oloftimmen reid^ten nid^t au^, toeber in ^infid^t berStimmmittel 
nod^ ber freien 9luffaffung, unb man mug fie angefid^t« ber uner* 
me^Iid^en ©d^toierigfeiten — obtoo^I biefe aßerbing« ju I&fen finb 
— für entfd^utbigt erMären. 3lud^ ber Sl^or fam trofe feiner großen 
üRaff e nid^t in ber 9lrt jur ©ettung, wie man e« erwarten mod^te ; 
bag bie übertriebene ^wmut^ung, meldte Seet^oben burd^ bie faft 
unau^gefe^t l^ol^e Sage ber ©ingftimmen mad^t , baran ben roid^* 


218 35icrunbbrci§igflcö nkbcrr^^ein. 2Rufiffefl itt 2)üf[cIborf. 

tigften Slnt^cil i^attc , würbe fccfouber« burd^ ble ®tcücn tiax, in 
tpcld^en btc naturgemäße Sage bcii ©ingftimmen geftattetc fi^ ju 
entfalten, bereu 2öirhmg benu aud^ aufeerorbentltci^ fd^ön nx\i groß* 
artig n)ar« 

5Wan \)flegt auf ben iJJiufitfeften ein bebeutenbc« 3GBerf für 
ßl^orgefang ber älteren mit ein^ au^ neuerer 3^iJt aufjuffil^ren. 
iHcben ber neunten ©ijmp^cnie tonnte nur an ein Oratorium Don 
mäßigem Umfang gecad^t loerben unb mau ^atte be^l^alb §än« 
bcC^Sltefanbcrfeft geaäl^lt, ba« um einige airten geffirjt toar ; 
aud^ xoax bie eutfeblid^e 9iam(er*fd^e Uebcrfetjung üfccrarbeitet — 
für bie fi^brc freiüd^ nur im Ztpinä^ , toeif man bie ja^lreid^en 
S^orftimmen nid^t mel^r l^atte i)cr6effern fonnen. ®ie äuffül^rung 
gelang fe^r gut, namentiid^ in ben ßl^Bren ; ben ärien merftc man 
freiließ ml^aä) an , baß fie auf eine SSirtubfität unb eine Slrt be« 
f ünftlerif d^n Sßortrag« bered^net ftnb, joetd^eie^t fetten ju finbenift 
unb o^ne toeld^efic juml^eil unlebenbig unbforme£:^afterfd^einen. 
2)ie beitenöaßarien aber, fo njic ba« „t^bifd^e SSrautlieb'' unb bie 
®o^>ranarie ^33er(affeji an be« ®rabe« 9?anb" finb i)on 
einer unüergönglid^en ^>oetifd^en Sraft , unb bie ß^öre ^aben ben 
mächtigen ©d^ritf , in bcm nod^ 5Wiemanb Raubet nad^gcf ommen 
ift. SBol^ftl^uenb toar e^ aud^ l^ier bie ooüe 2^onmaffe ber @ing* 
ftimmen, burd^ bie einfdd^e SeV«^£wng be« Dr(^efter^ gehoben 
unb nid^t beeinträd^tigt, auf fic^ loirten ju (äffen. 

i8ei ben !Dimenfionen biefcr ßoncerte l^atte man burd^ bie 
3lb!ürgung be^ Sllejanberfefte^ nod^ SRaimt für eine ®cfang^com^ 
pofition gewonnen unb ©d^umann^äboent^lieb gewäl^ft. 
SUiand^e Ratten, wie id^ ^5rte , fein 9teuia:^r^tie^ öorgejogen , ba* 
mir nid^t betannt ift; aüein bie abgeneigten Urtl&eite, wetd)e man 
über ba« 5lbijent«tieb »ernai^m , fd^einen mir nid^t geredet. !E)a^ 
SBerf enthält namentlich in feinem erften5C^eit große ©d^ßn^etten, 
ift innig unb jart, o^nc irgcnb weid^lid^ ju werben, unb öoüf ommen 
Ilar unb leidet faßüd^. ÜDem ©d^tußd^or mßd^te man wo^I mel^r 
ßoncentration unb Steigerung ber Äraft wünfd^n , allein wenn 
bie 2Bir!ung beffelben audt^ ni^t mäd^tig unb überwältigenb ift, fo 


»tcrunbbretgtgflc« nicbcrrf^cin. aRujttfefl in 2)üjferborf. 219 

fd^(te|t er bod^ in ipürbiget SBeife bie ©timmung ab , mlöft fxdf 
bem Sion bed ®an}en gemäl aud^ ^ter nidft )um l^öd^ften ©d^munge 
etl^eben tonnte. 

(Singefettet »utbe bief ed Soncert burd^ S 1^ e r u b i n t*« Duber* 
tute ju ben äbcncetagen. @ic »iffen, mit tt)ctd^er 33irtuofität 
tiefe Oui)ci;ture in 8ei^)iig gef<)ielt tt>urbc unb mit »ie bcfonbcrer 
SSotliebe SRiefe biefetbe, »ie überhaupt bie Sl^etubini'fd^en Ouver- 
türen, bi« iur fauberften geinl^eit bcr äu^füi^rung einftubirt. 
Da« SBagftiid mit einem fo maffen^aftcn Drd^efter baffefbe ju 
ijerfud^en gelang boßftänbig. 3m ra^^ibeften 5Cem^C'tt)urbc bie 
Ouvertüre mit eben f o biet geuer ate geinl^eit vorgetragen , unb 
ba0 lang anl^altenbe ^ianiffimo jener »unberbaren ©teilen , auf 
benen man mte auf einer f<>iegelg(atten (Siöfläd^e f ortgtcitet , übte 
bei ber intenfioen güüe bed Ion« einen jauberl^aften 9ieij aM. 
6« »ar ein SSirtuofenftüd be« Drd^efter« vom erften SRang unb 
befter SBirfung, 5luci^ bie Ouvertüre jur 3 ^ w ^ ^ ^ f I ß * c i^i brit* 
Un Soncerte n>urbe vortrefflid^ auögefül^rt, nur toäre für biefe ein 
tixoa^ mäßigere« 2:em|>o ertoünfci^t genjcfen. @« fam freiließ Slüe« 
l^erau«, auc^ mit ber rici^tigen Betonung unb 9iuancirung, unb bie 
S3rovur be« Ord^efter« betvä^rte fid^ von neuem gtänjenb ; aßein 
ber ßi^aralter bcr SBürbe , ben biefe« njunbervotte äWufifftücJ bei 
aüer l^eiteren Sebcnbigfett t)at , ü>irb boc^ burd^ übergroße ©d^net* 
Itgfeit unfei^tbar beeinträd^tigt unb namentlich mand^e ©teöen ber 
a3Ia«inftrumente verlieren an feiner unb ebler SBirlung. 

®egcn bie ®ett)o]^nl&eit üe^ JRiefe gar leine feiner Som^jofitio* 
neu aufführen , obgleid^ man namcntlid^ feine te^te ©^m^jl^onie, 
bie mit f o großem Seifaü aufgenommen ift , gett>i| gern gel^Brt 
l^ätte, SSermutl^lid^ »ottte er burd^ fein öetf|>iel jeigcn , bafe e« 
nid^t ate eine unabmenbbare 5Rot]^tvenbigfcit gelten bürfc, bei iebem 
SDiufilfefte Som^jofltioncn be« Dirigenten auf jufüi^rcn , unb biefer 
el^rentoertl^en ©efinnung lann Siiemanb feine äd^tung verfagen. 
SSieücid^t ttjore e« nid^t unangemeffen geioefen, tvenn ^err 5Dhtfi^ 
birector lauf d^ fid^ gefagt l^ätte, ba§ nod^ viel weniger SRüdf* 
fid^ten einer localen Sourtoifie auf bte 3öa^t ber aufjufü^renben 


220 Stemnbbrdgiglic« nieben^ein. SRitftffeli in !£)flffe(borf. 

ü»ufitftü(fc (ginflut üben bfitfcn. ©eine Ottt>ctturc in CmoU, 
mit tt)e((i^r bad Soncett eröffnet toutbe , legt i^öci^ften^ Don bem 
©efd^id 3eu9^it§ ab , ein 3D?uftfftü(I ju ©tanbe jn bringen , ba« 
bitrc^ angemeffenednfttuntentationted^t gut Hingt, abeteigentptn» 
üd^e ^tobucticndlraft "omütif fie fo »enig atö geiftreiti^e Sactur. 
dmmeri^in mag fie i^ren $(a$ neben anbeten DuDertuten btffanp^ 
ten , adein bte S[ud)et(i^nung, bei einem tiefte bev Wct mit folci^en 
SDWtteln, bor einem fold^en publicum aufgeführt ju »erben, mfifte 
bittig nur ffierfen oon unjtoeifeti^aft i^eröorragenber öebcutung ju 
I^eit »erben. 

Diefe« britte ober jogenanute Äünftlerconcert ber ÜBufiffeftc 
giebt nbexffavDf^t noäf )u manci^en SSünfd^en 33eran(af[ung , bie 
l^offentüd^ nid^t blod fromme bleiben »erben. Urfprüngßcl^ »urbe 
ed »o^( ate eine 9lrt t>on ^n^aiz ya bem eigentüd^en äRufiffefte 
betrachtet , um bie einmal t)erfammelten ^afte f o t^iel »ie m&glid^ 
in nu^en, »obei benn bie bo)>^ette Mdfid^t eintrat, ba^ bie^ (Eon« 
cert nid^t t>iel 3eit jum ©nftubiren in 8lnf^)rud^ ncl^men burfte, 
bie ben ^auptaupi^rungen nid^t Derlür}t »erben fonnte , unb ta% 
ben SSirtuofen ©etegenl^eit gegeben »erben fottte, fid^ für bie Opfer 
}u entfd^äbigen , »eld^e fie ber daffifd^en SOtufil gebrad^t l^atten. 
@eibe SRüdfid^ten finb nid^f unbered^tigt ; attein ie^t, »o bie Win* 
fiffefte eine fold^e ©ebeutung erlangt l^aben, »äre e« fel^r ber 
SDtü^e »ert^, aud^ ba^ britte Soncert auf eine »ürbigere @tufe }tt 
erl^eben. 33or atten Dingen »irb ed bann nöt^ig fein, bajfette 
nid^t }U fel^r bem B^fatt be« legten älugenblidt^ }u übertaffen, 
fonbem jur redeten S^xt mit öerüd(fic^tigung ber gemonnenen 
Sräfte ein intereffante^ unb bebeutenbed Programm ju ent»erfen, 
für beffen äludfüi^rung bann an<if im ooraud ftubirt unb geübt 
»erben tann. @d fd^eint ferner nid^t n&t^ig , ba^ ieber @änger 
unb jebe Sängerin »om&glid^ {»eimal auftrete , f o »enig aü bat 
jebe^mal mel^rere Snftrumentaliften ftd^ l^ören laffen. hierüber borf 
nur ber Umftanb entfd^eiben , ob ein günftiged ©efd^idE ba^ »al^r* 
^ft Xrefflidl^e unb Slu^gejeid^nete bem publicum borsufül^ren ge« 
ftattet. ©cnn in biefcr ^infid^t eine »eife ®efd^ranlung eintritt. 


öienittbbmgigflc« nicbcrr^cin. SRuftlfe^ in 2)ilffcÖ>orf . " 221 

■ 

fo gemintit man Stamn für bod Sebeutenbe. (Sd ift fe^r ju toün« 
feigen, ba| ein fo üottreffltd^ed Drd^efter nici^t tegetoä^ig auf $u>et 
OttDerturen befd^xänft tvetbe, fonbem n^omi^gß^ eine ®tfXtvpf)om 
yxt ^pl^rung lonune. !Dte meiften ®^m)>]^onien, metd^e fär ein 
fold^e^ S?ft in Stage lommen. ftnb ie^t fo aßg^ntein (etannt io%, 
pmai toenn xed^tjeitig bie aufinful^renben angejeigt toerben , lebe^ 
£)V(i^eftetmitglieb b(unit belannt unb ber 9(np^rung vorgearbeitet 
fein lann. S)aBei »>ärce anci^ ber äSorti^eil erreid^t , bog manci^e 
@^m)>]^onien , nantenttid^ $a)^bn'fd^e unb SOtojart'f^e , bie i^^t 
an^efd^Ioff en finb , toeil fie ju lurj ober ju (eid^t erfci^einen , eben 
biefer (Sigenfd^aften n^egen a(^ t)or}ügti(i^ ^afjenb fid^ enoeifen unb 
eine toilßommene Sereid^emng bed 9le^ertoiri$ abgeben mürben. 
!£)ann loäre ed aud^ mögUd^ , ben l^errßd^en (Sl^or, ben man nid^ 
ol^ne ^ebanem ben ganzen 9lbenb mfigig auf feinen ^tä^en bafi^n 
fielet lieber jn oenoenben. ®d^on ie^t ift ed ®itte , yam ®d^(ng 
einen l^ensorragenben (S^or ou^ einem ber Oratorien ^umieberl^olen. 
%id^t feiten mirb ed fid^ treffen , ba| me^r atö ein Sl^or jn fotd^er 
SBieber^olung geeignet ifi; aud^ ift ed bei ber (Kontinuität ber 
SD^ufilfefte fe^r mol^t benibar, bag gen>iff e bebeutenbe S^dre gemiffer* 
ma^n ftabil , in aßen ©efangoereinen fo belannt unb bnrd^gefibt 
n>erben , ba$ man fte gemeinfam. and^ oi^ne oie( groben nurb 
an^fül^ren fönncn. Um nur ein ©eif^)iel ju nennen , f o ift ba^ 
^aiUln\üf) au^ bem Sßeffia^, mit toetd^em bad borige Wbx* 
fiffeft fo fd^ön fd^tog, toon ber Art, ba| man fiäf immer »icber 
Don neuem freuen mürbe , e^ in granbiofer ^eife auf gefül^rt }tt 
l^iren ; unb fid^erßd^ giebt ed aud^ nod^ anbere Sl^öre, meldte fid^ 
fcajn eignen. S^ mürbe bann immer für bie eigentlid^en @olo* 
Vorträge nod| dtaum genug bleiben , ja fie mürben baburd^ gemin« 
neu, meit eine äbmed^felung f otd^er Art bie äufmerifamfeit frifd^er 
erlitten mürbe , bie burd^ bie SOtonotonie ber jie^t üblid^en $ro« 
gromme bau) abgef)>annt mirb. !Z)ie @o(ooorträge müßten aber 
aud^ mit @orgfaIt gemäl^ß merben , ha% nid^t aßein ba^ 9lid^ttge 
unb Unlfinftlerifd^e fd^Ied^ti^in au«gefd^Ioffen bliebe , f onbern nid^t 
minber atö bie 3ntit>ibuaßtät ber Sünft(er auc^ bie ©gentium« 


222 ^terunbbreigtgfte« niebeaf^ein. SD'lttftffeft in 3)üffeiborf. 

Itd^Ieit eined großen 0efted tnd äluge gefaxt loürbe. S3or oKen 
X)ingen mä^te auci^ l^ter ba^ 3^f^iti^^^^i^I^n f^ (ebeutenber 
Stä^e , tote fic fetten vereint finb , unb fo ölet toie irgcnb m&glid^ 
bie Sluffül^rung gtögeter (SnfemBtefä^e etfttebt tDerben, totl<ifz, 
fd^on an f^ nieiftcrid öcu bebeutenbercm Sunfttoert^ , eine um f o 
fd^Jucrc ^mie biefcr äWufiffeftc audmad^cn »firben, je feüencr 
eine t)on allen leiten gelungene äCu^füi^rung mel^tftunmiger @oIo« 
fä^e }U etteiij^en tft. $iet tft no(i^ ein u>ette^ Selb geöffnet unb 
ein n)ävbige^ ^xti aufgefteät fät bieienigen, toüäft fid^ nm bie 
3Beiter6iIbung ber äWufiffefte ein »al^te« SSetbienft ewerben 
motten . 

SBq« bie 35kii^( ber ©ötoootträge anlangt, fo gaben biefelben, 
n>a^ ii^ren lünftlerif d^en SOSetti^ an fid^ anlangt , feinen ®tnnb ju 
Sludftettungen. 92ur bagegen ntu^ id^ meine Sebenlen audff>red^en, 
ba§ bet Vortrag oon Siebetn fclbft auf ben aWufiffcftcn fiberi^anb 
nel^me, tool^in fie bod^ entfd^ieben nid^t gel^öven. S)iednta( fang 
$ert ©d^eiber ben Sicbctitani oon öeet^ooen, ^err SDumont* 
g i n e ^ jtoei, $err ©todtl^aufen btei Siebet, 2)ic etfte JBebin* 
gung iebex Ifinft(erifd^en Sßirfung ift Ja bod^ , bag jtoifd^en ^md 
unb SDlittel ein vid^tige^ 93erl^ä(tni^ obtt)atte , unb Sieber mit Sta* 
bierbegteitung finb gemig nid^t.nad^ bem ^aa^ftab eined großen 
SIKufiffefte«. S)ie ßieber bon ©todtl^aufen »aren in i^rer ärt 
einzig unb entl^ufia^mirten ba^ publicum mit oottem 9led^t. 
^ennod^ mdd^te id^ um bed ®an}en -mitten mfinfd^en, er ^ätte bort 
feine gefungen^ benn ein einjebier großer ®enu^ tann ben 92ad^t^ei( 
nid^t erf c^n, »ef d^en bie uutoermeiblid^e 5Rad^f ofge berer oerurfad^t, 
meldte nid^t burd^ geniale Seiftungen berufen finb eine äiudnal^me 
oon ber SRegel ju mad^en. grt. Jietiend attein toar ber alim 
®itte treu geblieben unb l^atte imi gro^e Slrien , a\x^ ber (&aU 
fü^rung (,,3Rartcrn alter arten") unb au« gibetto (^äb* 
fd^eulid^cr!") gewä^Ö, eine SBal^l, bie man nur loben fonnte* 

2)ie Ferren 2:auf d^, Saub unb ©rüfemad^er Ratten fid^ 
juSBeetl^ooen« Soncert für ^ianof orte, ajiotine unb S3toloncetto 
bereinigt! 2)ie 333a:^I eine« natürfid^ nur fetten gehörten SSSerfe« 


SBierunbbrcigigjitcg niebcni^cin. SRufiffcfl in 2)üf|c(borf. 223 

ba« für 35ielc neu unb intercffant fein mugte, Ift fcl^t ancrfenncn«* 
ttjertl^, um fo mel^r, at« fic nid^t ol^nc JRefignation bcr audübcnfccn 
Äünfttcr gefd^^c^eu lonntc. ÜDcnn c« iixlt \iä) nid^t leugnen , ba§ 
bie« Soucctt in ben erften beiben ©ät^cn njenig bebcutenb ift unb 
fetten fid^ ju 58eet:^oDen'fc^em ©d^njung erl^ebt, nur bie "ißotonaijc 
— bie axxä) im Dierl^änbigen 3lrrangement fe^r ^)o^)uIär geworben 
ift — jeid^net fid^ burd^ Dtiginatität unb änmut^ an^. !J)aju 
lommt aber , baß bad ganje ßonccrt eigenttid^ für lein^ bcr 3n» 
ftrumente banfbar ift , am toenigften für bie beiben ©aiteninftru« 
mentc, unb namentfid^ ift ba^ SSiottonceü burd^gel^enb« in fo l^o-^er 
8age gel^alten, baß bie ©d^wierigleiten mit bcr SBirfung in umgc* 
Ic^rtem SSer^ältniß ftel^cn ; c« ift unbegrciflid^ , tt)a« für eigen* 
tl^ümlid^c Umftänbe biefe ©d^reibart i)eran(aßt ^aben fönnen. (S^ 
war bal^er namentüd^ i)on §crrn ®rfi^mad^cr eine rül^mcn^* 
ttcrtl^e 5luf o^)ferung , baß er , um ba^ tt>enig gef^>ictte ßoncert ju 
®e]^ör JU bringen , auf cigentl^ümltd^cn Sffcct feine« @|>ietö beim 
publicum ijcrjid^tcte ; er fonnte eö in bcm öett)ußtfein , baß fein 
Slnfcl^cn at« ^irtuo« bei bemfetben feft gegrünbet fei. §err 'iani 
cri^olte fid^ nad^^cr an bcm ßoncert bon aWenbcUfol^n, ba« 
er in jeber §infid^t, »a« Zon, Scrtigfeit, SSortrag anlangte, 
fd^ön unb ebel i)ortrug unb U)ol^tberbienten entl^ufiaftifd^cn ©cifaü 
enang. 

3um Scfd^Iuß tt)urbe, »ie f d^on gefagt , bcr (efete ßl^or . au« 
bem erften Z1i)til be« (ä t i a d »icbcrl^ott. SDaß bcrfelbc nad^ fo 
langer unb bcrfd^icbenartigft Aufregung unb 3lbf^)annung biefe« 
Slbenb« nod^ eine burd^fd^tagenbc SBirfung mad^te , f o baß mau 
ben ooUcn (Sinbrudf bcr ©roßartigleit be« gefte« ]^inn>egna:^m, ba« 
mar ba« befte S^Mfl^iß fö^ fci^ (5om^)ofition unb bie 3lu«fü:^rung. 
Unb tt)tc bißig brad^ bcr 3ubel bcr er^B^eten Stimmung in tauten 
©eifaü an^ , frö^tid^e« 2ufd^btafen unb ein SRcgcn Don Stumen 
gaben SRicfe bcuttid^ ju erfennen, baß man banfbar fül^tte, ipem 
man i)or attem biefen fd^öncn ®enuß ju banicn ^atte. 


224 «nl^ang II. 


Slnl^ang II ^ 

!J)ic nicbcn]^cintf(j^cn ÜJhiftIfcftc tragen in getoiffcm ©innc in 
fcicfcni Saläre burci^ t>ic äupi^rung iJonäRcnbct^foi^n^Stia« 
eine Sl^renfci^ufb ab. 

3m 3a^r 1836 führte SKenbcföfo^n in Duffelborf fci^ 
nen ^anlu« auf, ben et ffir ba^ nieberrl^etnifd^ 3Wuftffeft gc* 
fd^rieben l^atte ; e^ »ar ein (Sreiflntg , ate ba^ SBerf juerft l^ier 
»ernommen. n>urbe , ba^ tt)ie »enige fiompofitionen neuerer ^t\i^ 
ni^t allein entl^ufiaftifd^en ©cifaü fanb , fonbern eine nad^l^aftigc 
®irfung auf aüe J)erfcanbten Äitnftbeftfebungen ausgeübt l^at. 
3e]&n 3a]^re f|)äter fci^rieb ÜÄenbetöfoi^n fein j^eite« große« Dra* 
torium glia«, ba« guerft bei bem großen $0hififfeft in Sirnting* 
l^am jur äupi^rung fam ; im SSaterlanbe erlebte ber üKeiftcr feine 
ber bieten äup^rungen mel^r , »el^e in ben festen Salären faft 
ben ^aufu« gegen ben @Iia« in ben f)intergrunb gefd^oben l^aben- 
aber nod^ ift ber ®ia« an leinem 5Kufiffeft ju Oel^ör gebrad^t 
»orben , unb ie^t , ge^n Saläre naci^ feiner 35ottenbung, toirb 3 u* 
üu« JRieft , 'ber vertraute 3ugcnbfreunb unb Äunftgenoffe 5Ißen* 
betefoi^n« , mie er bor jtoanjig Salären in 15üff etborf ben ^aulu« 
einftubirt unb jur äupl^rung vorbereitet l^at, bie Stupl^rung bc« 
@üa« leiten. / 

Um bieSBa^f be« Slia« ju rechtfertigen bebarf e« fold^er 
©etraci^tungen nt^t. !J)urd^ ben Srnft unb bie ©ebeutung ber 
ffinftlerifci^en Seiftung nimmt auci^ biefe« Dratorium unter allen 
öenoanbten ©eftrebungen ber neueren 3^it einen l^ol^en SRang ein; 
burcä^ Umfang unb (Sewid^tigleit , burd^ bie äJiaffen, njeld^e e« in 
anf^)ru(]^ nimmt, ift e^ befonber« geeignet für ein aWufiffeft , »et* 
d^e« über fo große Äräfte ju berfugen ^t. ©or aflen 35ingen ift 


1) 2(u8 bcm SSomort, »elti^c« i(i^ auf ben SBunf(i^ bc« (Somite ju bcm 
2:c3:tbu(i^c bc« SWufiffefie« fc^ricb. 


bcr (Si)ox, auf tpcld^cn mit SRcd^t bei unfcrcn 9JhtfiIfeftcn bcr 
^au^jtnad^bnjd gelegt tuirb , anö) ber Sern unb ©run.bftod be« 
Sfia«, mläfzm naä) aüen atid^tungen l^in bie Dielfeittgfte SSewen* 
bung ju 2:^eit tuirb. UnjtpeifeC^aft betua^rt fid^ aber ba SKenbeK^ 
joi^n« lünftlerifd^e ^aft am bebeutenbften , »o et ben in feften 
gormen unb mit Dollfommener Senntni^ be« ©efange^ au^gebif* 
beten S^or mit bem Drd^efter , »ie e« burd^ bie großen 3Reifter 
ber 3nftrumentatcom))ofition entn^idelt »orben ift, jufammen 
tt)itlen Ia§t ; in ber Sunft biefe 3D?aff en ju einem ©auien ju Der* 
fci^mefjen , ba§ fte in freier ^Bereinigung in ben mannigfaftigften 
9iuancirungen bie größte SBirfung hervorbringen, ffat e« il^m Sei* 
ner ber bleueren juöorgeti^an. 

Da« Soncert be« jiueiten 2^dge« fteüt eine JReil^e Don 6om^)o* 
fitionen jufammen , ttjetd^e in ^)ragnanten Sbtx\pxtkn öerfd^iebene 
bebeutenbe atid^tungen unb Staturen d^arafterifirt, ttjie fte ba« reid^* 
belegte geben ber neueren 5Dhtfi! aufjuioeifen l^at. 

ßl^erubini*« Ouvertüre ju ben 2lbenceragen — einer 
im Sal^r 1813 com^)onirten , übrigen« faft unbelannt gebliebenen 
Dt>er — ift eine ber reijenbften feiner Ouvertüren , bereu ®tif er 
in einer xiim burd^au« eigent^mUd^en äßeife au«gebitbet l^at. !J)ie 
merhoürbige 3Rifd^ung Don rafd^em geuer unb feinem ®eift , Don 
©rajie unb Strenge, loetd^e biefen genialen SWeifter d^arafterifirt, 
l^at in biefer Som^)ofition, bie burdb bie faubere, ^)ointirte !J)etaiI* 
au^fü^rung ein ^robeftüd für ba« Drd^efter ift , einen ganj be* 
fonber« fieben«toürbigen 2lu«brud belommen. . 

©d^umann l^at ba« 5lbDent«neb Don8tüdert, ba« 
ftro^)]^ifd^ gebid^tet ift, frei in gorm einer Santate mit ®oIo* unb 
ß^orgefängen be^anbelt unb ju einem größeren ®anjen geftaftet. 
Die 6om^)ofition ift ju einer 3eit entftanben, loo aud^ ber ftünft* 
1er fid^ gebrungen fül^Ite ju bitten : 

D $crr Don großer $utb mtb Streue, 
O !ommc bit autif ietjt auf« neue 
3u uns, bie n)ir ftnb fci^toer DerjtSrt ! 
9{ot^ ift e9, bag bu fe(bfl ^ienieben 

5aM. ^tuffa^e übet SWupf. 15 


^^6 SCnljiang 11. 

^ommfl ju mteucrn beincn grieben, 
2)a9cgcn fici^ bic SBcIt empört. 
O (aß bein Sid^t auf (Srbcn ftegcn, 
2)a6 n)ir, bie SSölfct mtb bie S^ronen, 
S3crcint a(8 trüber immer n^o^nen 
3rt bcinc« ö'^^'^ßc« ^atct« §au8J 

5ßtemanb »ttb bcö^alfc l^icr 2;cnbenintufi! iptttem ; »ol^f aber tft 
e^ ein cl^reni)oüc« ä^wÖ'^iB fö^ ^^^ Äünftict, tocnn ba^, toa6 fdne 
3fett beiocgt , aud^ tl^n gu fünftlerifci^cm ©d^affcn anregt. 5Dtefer 
ernfte^tntergrunb, »elc^er ben SBotten be« ®cbid^te6 eine tiefe S5e^ 
bentnng ^txlxtif, ijat ot)m 3^^if^t ^^^ bi« SScrantaffnng ju bct ge^' 
»id^tigen, Brett angelegten uinftlalifd^enSlttöfül^rung gegeben. IDe«»^ 
l^alb eignet fid^ bief e Son^jofition t)orxug«tt)eife für eine jold^e Slnfful^' 
rnng, ttjett fie bei einer ntci^t gar großen än^bel^nung übenoiegenfc 
maffenl^aft bel^anbett tft, nnb \iä) in il^r bnrd^weg ol^ne ftar!e nnb 
'teibenfci^aftUd^c Slufregnng ein tüd^tiger Srnft fräftig au^f<)rid^t, 
©agegen bilben bann einige ipeid^ere Partien, befonbcr^ ber grau* 
enftintmen, einen fd^Snen Sontraft, ber nantenttid^ bei ben SQSorten 
,,Unb too bu lommeft ^ergejogen" t)on jauberifd^er Söirtung ift. 

§ ä n b e I ift eigentüt^ t>or Slßen ber a»eifter für SWufiff efte, 
tDeil er e« toic lein ^nberer i)erfte]^t, ntit etnfad^en, fräftigen ^n^ 
gen jn d^araftcrifiren nnb bie ßi^ortnaffen mit einer grei^eit unb 
©id^crl^eit ju erganifiren , ba§ er fd^einbar ol^ne aßen Sluftoanb 
ftet« bie ui&d^tigfte SBirfttng erreid^t. ©ein äiejfanberfeft ^t 
ein geiöiffe« tocale^ 3ntereffe für un^ , »eit §änbef baffclbe bei 
feinem 9lnfentl^att in ben Säbern bon 9lad^en 1736 com))onirt 
f)at 5Da« ®cbid^t i)on Drüben fteöt bie üßad^t ber SWnftI 
bar, inbem e^ ben ©änger J^imotl^eu« beim geftmal^t, ba^ 
ältcjanbcr nad^ bem ©ieg ftber bie Werfer mit feiner ©etiebten 
2]^ai« feiert , anftreten nnb bie Zim ber i)erfd^iebenften @m^)fin* 
bungen anf dalagen läßt ; ttja^ bann S5erantaffung giebt , bie SJir* 
!ung feinet ©efange« ju fd^itbern, b. 1^. bem Som^joniften ®e{egen* 
l^eit bietet, biefen tSmpfinbungen fetbft einen d^arafteriftif c^en 9lu^* 
brud jn geben. ®o ^)rei«t er ben bnrd^ Siebe unb 9?n^m begtüdten, 
götterentf^)roffenen gelben ; ben ®ott be« äBeine« ; er erregt bie 


äÖcl^mut]^ burd^ bic ©d^iCbetutig be^ fterbcnben "^etfetlöntg« , bte 
Siebe burd^ ein f^bifd^ ©rautücb. — S)er jtDeite Il^eil fteßt \)ax, 
tt)ie 3lte{anber au« feinem ©d^Iutnmer ertDCöt, öon ben rad^ebur^ 
ftenbcn Siegern entflavtmt, ^erfq)oß« jerftört ; ba« 8ob ber !ton«= 
fünft mad^t ben ^efd^lug. — Die traft unb 8ebenbigleit , mit 
tt)eld^et $änbet jebe einjetne ©ituc^tion au^efül^rt l^at , taffen bie 
©d^mäd^en be« ©ebid^t« jnrudCtteten. ®tudf ^atte bie äbfid^t, 
eine neue, mel^r bramatifd^ gcl^aüene Bearbeitung beffetben ju 
com^Jottiren, fül^rte fie aber nid^t au«; äßinter l^at 'f<)äter ben 
ungletd^en Sam<)f mit ^änbel ju feinem ©d^aben unternommen : 
fein Siimotl^eu« ift lange t>ergcffen. ©elanntftd^ l^at 2ßo jart für 
Dan @tpieten/ber ein großer SSerel^rer ernfter ÜÄufi! töar, ba« 
Sltejanberfeft mit mel^rcren anberen §änberfd^en Oratorien für bic 
äuffül^rung in SBien bearbeitet, inbem er namenttid^ bie ©ta«in^ 
ftrumente reid^er unb betaillirter au^fül^rte, ol^ne an bie (Srunbjüge 
^anbete $anb ju Cegen. 3n bicfer Sorm loirb ba« Ätejanberfeft 
iefet geioöl^ntid^ aufgefül^rt, jumal ba in ber 9ieget bie Orgel fe^tt, 
TOetd^e bei ^änbel bie ©teöe einnal^m , bie jefct meift ben ©ta«in* 
ftrumenten angetoiefcn ift. Die fri^l^cr übüd^e Ueberfefcung öon 
JRamter, bie bi« jum Unerträgßd^en fteif unb gefd^madfto« ift, 
bat einer befferen ^ta| gcmad^t, 

Da« bie^iäl^rige aWufüfeft bringt nur eine @tjm<)l^onie, aber 
e« ift © e e t ^ ö e n « neunte ® ^mipl^onie mit Stören über ® d^it* 
ler« Sieb an bie greube. ©eitbem fie im ^affx 1825 juerft 
beim aWufilfeft ju Stadien aufgefül^rt lourbe ift fie burd^ »ie* 
beri^olte äup^rungen bei ben 2lu«fü]^renben unb ben 3w^örern 
n>ie eingebürgert. Da^er taffen fid^ bic ungcl^euren ©d^ttjierigleiten 
übertt)iriben, »etd^e ber äu«fü]^rung be« coloffaten SBerIc« entge* 
genfte^en, ba«, um red^t ju toirfen, auf große SRaffcn unb jugleid^ 
bod^ auf ein au«ftubirte« Detail bered^net ift, ttjie c« nur erreid^t 
»erben fann, »enn bie aWittt)irIenben fid^ miteinanbcr ganj in ba« 
SBerf l^ineinteben. Diefe« tounberbarc SBerf ift in einer ©eife, 
toic fie fetten in bem (gebiete ber Sunft erfd^eint , ber eigcntpm* 
tid^fte au«bru(f ber 3nbiDibuatität be« ßünftter«, unb »eit'ent^ 

15* 


228 3(n^ang II. 

fcrnt, einen JDiaogftab für anbete Sunftfd^5^)fungen atjugeben, 
ftel^t biefe ©^m^jl^onie attetn für \xä) ba unb trägt t^re 5Romi in 
\iä). @te ift ba« 9iefuftat eine« langen ,. Ieibenöi)oüen , in unab* 
laffigem ^Ringen nad^ beyi Sbetften nnb »^Bd^ften l^ingebrad^ten 
geben« ; ganj tjerftel^en »irb fie nur, »er biefe« Seben genau fennt 
unb innerttd^ mit butd^Iebt l^at. Denn toie fid^ unfere JÖemun«' 
berung t)or bem Muftler, ber fein tiefe« 8eib fo ju öerHSren »er* 
mod^te , ba^ er int eigenen tt>ie im fremben ^erjen eine pttlid^e 
Steinigung tjottjog , mit ber 9iü^rung t>ermifd^t , mltSfz un« ber 
' leibenbe STOenfd^ einflößt, fo toirb aud^ ba« nxil^re SSerftänbni^ 
btefe« Sunftmerl« nur mit eigenen fd^toeren ©d^merjen erlauft- 
I)ie ©timmung , au« »eld^er bie ®^m^)]^onie l^erborgegangen ift, 
t)ergegenmärtigt un« jene merhoürbige §erjen«ergie^ung , »etd^e 
©eetl^oöen im 3a]^r 1802 — jmanjig 3a]^re, el^e bic ®^m^)]^onre 
gefd^rieben tt)urbc — an feine ©rfiber rid^tete, al« er bie ®en)i§]^eit 
t)on ber Unl^eilbarleit feiner ZavA^zxt erlangt l^atte ; au« berfefben 
mi5gen l^ier einige bejeid^nenbe ©teüen einen ?tafe flnben. 

,,0 i]^r 5Dienfd^en, bie il^r mid^ für feinbfelig, ftörrifd^ ober 
mif ant]^ro^)ifd^ l^attet , toie Unred^t tl^ut il^r mir ! 3Kein §erx unb 
mein ©inn »aren Don Äinb^eit an für ba« jarte ©cfül^t be« 
©ol^tooUen«. ©elbft grofee §anb(ungen ju Derrid^ten, baju ibar 
id^ immer aufgelegt. aWit einem feurigen, lebl^aften Siem^jerament 
geboren , mufete id^ frü^ mid^ abfonbern , einfam mein Seben gu»^ 
bringen ; toie ein S5erbannter mu& id^ leben. Do^)|)elt m^ tl^ut 
mif mein Unglüdt , inbem id^ babei ijerlannt »erben mu§. @« 
fel^lte toenig, unb id^ enbigte felbft mein Seben. Slur bie Sunft, 
fie l^ielt mid^ prfldt. 2ld^, e« bünite mir unmBglid^, bie SBelt e^er 
ju Derlaff en , bi« id^ ba« ?lüe« l^eröorgebrad^t , ttjoju id^ mid^ auf* 
gelegt fü^le. Unb fo frifte id^ biefe« elenbe Seben. (S e b u l b , fie 
mu§ id^ nun gitr gül^rerin ttjäl^len ! — id^ l^abe e«. , Oottl^eit , bu 
ftei^ft ^erab auf mein 3nnere«, bu fennft e«, bu »ei^t, ba§ Süien«' 
fd^enliebe unb Steigung jum SÖäol^ltl^un barin l^aufen ! D SKen« 
fd^en, toenn il^r biefe« lefet, fo benft, baß i^r mir Unred^t getl^an, 
unb ber Unglfidflid^, er tr&fte fid^ einen feine« ©leid^en ju flnben, 


%ni)an^ II. 229 

fcer ho^ oöcn ^inbcmiffcn bcr Statur bod^ nod^ 5lUc^ 8^*^^^, tua« 
in feinem SSermSgen ftanb , um in bie Sieil^e tpürbiger Sünfttct 
unb ÜWenfd^en aufgenommen ju njerben. — D 9Sorfe1^ung, ta§ 
einmal einen reinen 2^ag bergreube mir erf^einen ! ® o fange 
f(^on ift ber »al^ren greube inniger SBieber^aü mir fremb. SBann, 
n)ann, o ©ottl^eit ! lann id^ im 2^em^)el ber 9latur unb ber 9Wen* 
fd^en x^n »ieber füllten? — 9lie? — Stein, e^ tt)äre gu l^art!" 

!Diefe ^Stimmung, burd^ mannigfad^e Seiben unb f d^ttjere ©e^» 
fd^idte nur nod^ gesteigert, bel^errfd^te fein Seben. 3]^r tieffter unb 
grogartigfter äu^brudt ift bie neunte ®^mpi)om. SBir fe^en il^n, 
»ie er mit aüer ^aft unb Sntfd^toffen^eit eine« energifd^en ^xU 
ten« ben 9iiefen!am^)f gegen bie 35erjitreiflung unternimmt, wie er, 
um fid^ ju retten, jum ^umor ftüd^tet, unb in einer frommen 6r^ 
gebnng unb JRefignation, bie i^n ttjie mit einer ©lorie t)er!Iärt, fid^ 
unter bie l^ßl^ere §anb beugt. 3lber Don neuem ergebt fid^ lauter 
unb getoaltfamer ber ©türm im 3nnern unb »a« il^m STroft ge* 
brad^t Derfd^ttjinbet unter ben anbringenben SBogen ; übermäd^tig 
ringt fid^ bie ©el^nfud^t nad^ i^teube ^eröor, unb toie ba« 3^u* 
bettoort erllingt, ba brauet uiib toogt ber entfeffelte ©trom bai^in, 
enbto«, unaufmtfam. — Unb ^t er fie gefunben, biei^teube? 
2ld^ nein ! ®a« erfüKt un« mit fo tiefer SaSel^mutl^ , ba^ in aKem 
3ubet unb 3aud^jen, in ber er^abenften SSerjüdEung, im au^gelaf := 
fenften 5laume( bie toal^re i^teube bod^ nid^t erfßngt. I)em nal^t fie 
nid^t mel^r,.ber fie fud^en muß. 

Site bie neunte ®^m^)]^onie jum erften SDial in SBien aitfgefül^rt 
ttjar, brad^ ba« gefüllte ^a\x^ in 3ubel au« ; ber SWeifter mer!te e« 
nid^t , benn er l^atte fid^ umgetoenbet unb l^örte öon bem lärmen* 
ben ©eifall nic^t« ; man mußte t^n aufmerifam mad^en, \a^ er fid^ 
umbrel^te unb banite. SBie ein eteftrifd^er <^d^lag traf bie i)on bem 
^unftu)erl begeifterte 5Dienge ber Slnblidt be« Sünftler«, ber i)on fo 
fd^tt)erem Unglüdt l^eimgefud^t toar. SBir feigen fein greife« §auj5t 
nid^t, aber ^eute loie bamal« em^)finbet ber Don ben mäd^tigen 2^on* 
gebilben entjüdtte §Brer tief im ^erjen ben ©d^merj einer mit 
fd^tt)eren Seiben !äm))fenben unb ringenben großen Seele. 


ÜRo jart * ^arali^iomenon \ 


!Oic fd^iöcrftc Slufgabc ertpäd^öt bem Sdiogtapiftn inxö) feine 
^flid^t bie ffial^rl^cit ju fagen, unb jiuot tuie bet gcfd^tüornc B^"9^ 
ntd^t« ate bic SBal^r^cit unb bic ^ottc SBal^ri^eit ju fagen. 3d^ 
l^abc batet m6)t bie ©d^ttjiertgleiten im ©inue, toetd^e ba« tpiffen* 
fd^aftUd^e grforfd^en unb geftfteKen be« gactifd^en barbietet, fon* 
bctn bie StloÜ), in tpeld&e einen geipiffenl^aften S3tograj)]^en bie 
gntfd^eibung tjetfefet, »etd^e er über.ba^ treffen muß, t^a« er mit* 
jutl^eitcn ober ju i)erfd^H)eigen l^at. 6^ !ann nid^t feilten, baß fid^ 
eine SWenge ^Jiotijen anfammeln , bie in il^rer ©efammtl^it un* 
mSgtid^ ju öemjertl^en finb , »o bann bie grage eintritt , tpefd^c 
3fige bic »cfentlid^en finb , bamit ein tpal^re« , unb jttjar ein in 
feiner lünftterifd^en äßirfnng loal^re^ S3ilb ju ©tanbe fomme. ©ic 
Cntfd^eibung »irb namentßd^ erfd^mert, njenn aud^ bie ©i^cretion 
in^ ®|)iel lommt, bie man, toie fie im Sebenööerlel^r unter gebit* 
beten äßenfd^en in ©cjie^nng auf ba« "^Jrteatleben unb mand^e 
(Seiten be^ ßl^arafter« für eine ^flid^t beö 2lnftanb« gilt, fid^ertid^ 
aud^ großen 3Äenfd^en fd^ulbig ift, loenn biefe gteid^ burd^ il^re 
Seiftungen ju bffentßd^en "^ßerfonen geworben finb. üDie grage, 
toeld^e Slad^rid^ten ate folc^e, bie ba« SÖäefen unb bie gntttjidtetunj 
be« ©arjuftettenben tt)irltid^ auffldren unb d^aralterifiren , feft* 
gei^atten »erben muffen, unb toetd^e man afö gleid^gültige ober gar 


1) tlttg. 5Wuf. 319. 1863 @. 171 ff. 


ÜÄojarts^rati^omcttOtt. 231 

bewtttcnbe faüen ju laffcn l^abc, ift oft nx6)t Ictci^t ju entfd^ctbcn. 
®aju fommt, ba^ meiften^ für ben Stogra^)]^cn ntd^t einmal mcl^t 
res integra tft , ba^ et fo t)tet »al^re^ , falfd^c« unb — tt>a« ba« 
äcrgftc ift — l^albtoal^re« ©erebc auf gcfül^rt finbct , ba§ et , um 
reine JÖal^n ju ft^affen unb ein Itarcö, juDerläffige« S5itb ju geben, 
fid^ auf SSicte« cintaff en mu^, toa« am beften gar nid^t jur <Spxaäfe 
gebrad^t »orc. I)a«3ltleö lam bei SKo jart nur ju oft fn Ueber^ 
tegung. SBal^rl^aft beunrul^igt aber l^atmid^ bie tragifd^e ßrx'ä]^* 
turtg i)on bem auf SWojart eif erfüd^tigen Sl^eraann , ber fid^ felbft 
entleibte, nad^bcm er feine grau Deriounbet l^atte. 8ange unb emft* 
lid^ l^abe.id^ gefd^toanlt, ob id^ fie mittl^eiten foüte, unb mid^ 
fd^ßegtid^ baju ber^)flid^tet gel^atten, obtool^t id^ fie nid^t zottig inö 
Slare ju fefeen »ermod^te. SBarum id^ ie^^t ttjieber barauf jurüdf^ 
lomme, »irb fid^ au^ ber nad^ftel^enben furzen (Srörterung er- 
geben. 

3ltö id^ mid^ im Sal^r 1852 mel^rere aWonate in SBicn auf*= 
l^ielt, \pxaä) id^ öfter« bei tart Sjern^ ein, ber mir .in feiner, 
freunbüd^en mittl^eitfamen Seife über ©eetl^oDen au« feinem 
(angiäl^rigen 35er!e]^r mit il^m SSiele« unb Sntereffaute« erjäl^lte. 
ätö er mir eine« 2:ag« über fein ganj au§erorbentßd^e« ^l^anta^» 
firen mand^erlei bcrid^tet l^atte, fügte er l^inju, anä) bie grau 
^ofbemet, bie begeifterte ©d^ülerin unb greunbin SDJojart«, 
l^abe erftärt , nad^bem fie Seetl^oben gel^ört , ba« gel^e benn bod^ 
nod^ über SKojart, (S« l^abe übrigen« SOWil^e gefoftet, bag ii^r 
SBeetl^oöen etioa« i)orgef))ieIt l^abc, ®ie fei nad^ SßJien inm Sefud^ 
geIomm?n unb l^abe bei (Sjem^'« gttern getool^nt, unb at« fie ben 
bringenben SBunfd^ geäußert, ©ectl^oöen ju l^ören, i^abe ber SSatcr 
ben ©ol^n , ber bamate a(« junger SUienf ^ S9eet]^ot)en« Unterrid^t 
gcno^ , JU biefem begleitet unb il^m bie Sitte ber Srau §ofbemet 
mitgef^eitt. „^ofbemet?" l^abe SSeetl^oDen gefragt, „ift ba« nid^t 
bie grau, ml6ft bie ©efd^id^te mit SDlojart gel^abt l^at?'' unb auf 
bie bcial^enbe Intmort runbttjeg erflärt , Dor biefer grau toerbe er 
nid^t f}>ieCcn.; aud^ fei e« erft f^jater bürd^ biele« ^uteben gelungen. 


232 aÄojart'^aralijjomcttCtt, , 

t^n baju ju bringen, b(i| He grau ii^n befuci^cn burfte, »o er bann 
aud^ ))^anta[irt l^abe. 

Sluf meine grage, »aö benn ba« für eine ©efci^ici^tc mit 
5Kojart fei, äußerte 6jem^ fein Srftaunen, ba^ fie mir unbelannt 
geblieben , unb ergäl^Ite mir , .grau § o f b e m e I f ei bic © d^üfertn 
Don ,SIR X a r t getoefen , il^r SDiann fei auf benfelben eif erfüci^tig 
geworben unb l^abe in einem Slnfaü öon 9iaferei feine grau tobten 
tooüen, fie aber nur burd^ ©d^nitte in §ate unb Söruft gefäl^rtid^ 
i)ertpunbet unb bann fid^ felbft entleibt. @r felbft l^abe in feiner 
Sugenb bie grau , bie in ©rünn getDol^nt ^be-, bei ©efud^en in 
feinem eüertid^en $aufe loieberbott gefeiten , unb ba ii^m aufgc* 
faüen , toie fie bie entfteöenben 5Rarben am $atfc burd^ ein auf 
eigene Slrt gebunbene^ SCud^ ju »erbeden gefud^t l^abe, fei il^m t)on 
feinem 3Sater bie Segebenl^eit mitget^eitt loorben. 

Da Sjern^ fai^ , toie biefe Srjäi^tung mid^ ergriff , äußerte 
er in feiner Slengftlid^Ieit ben ffiunfd^ nid^t ate ©etoöl^römann 
berfelben genannt ju toerben , unb öerfic^erte , fie fei in frül^ercn 
Salären in ffiien'ganj belannt getoefen. 3»eine 35erfud^e, bort 
©eftimmtere« über bie entfefeüd^e Segebenl^eit ju erfal^ren, fd^Iu* 
gen freitid^ fel^t, aüein an ber ä^^^^^^affigleit ber Sjem^'fd^en 
Sßittl^eilung ju jtpeifeln fd^ien mir bamate , loie je^t, ganj ungc* 
red^tfertigt. 

• Sine ©eftätigung gab mir 8 e o ^) o t b © d^ e f e r ^ im 2^af d^en^ 
bud^ Or^)]^eu6 für 1841 gebrudfte 9loi)eüe ^SKojart unb 
fcinegreunbin", ber ganj unuerlennbar in aüen toef entüd^en 
STOotiDen unb namentlid^ im SSerlauf ber Srjäl^tung eßfen biefe 
Segebenl^eit ju ®runbe liegt. .2lud^ bemerlt ©d^efer felbft, baß er 
eine toal^re Segebenl^eit benu^t l^abe , bie aud^ burd^ ftffentlid^e 
©tätter bdannt getporben fei. ^ieruon l^abe id^ nun jtoar feine 
©pur auffinben üJnnen unb ic^ bin geneigt , e« für eine 35ern)ed^^ 
feiung mit ben Sendeten Don ber ©efteßung be« 5Requiem« ju 
l^alten, aüein ganj unjtoeifetl^aft bleibt e«, baß ©d^efer biefelbe 
©egebenl^eit erfal^ren l^atte,' njefd^e mir ßjern^ mitgetl^eitt l^at. 
Um gauj fidler ju gelten , \><xi id^ 8eo<)otb ©d^efer felbft um 9lu^* 


9Ro)art«$araIM)omettOtt. 233 

htnft ü6er bie OueQe, aud n)e((i^et er gefd^&^ft ffait, aMn x6) er« 
l^iett Don il^m bie Slntoort , bag er , ber l^od^kjagte @rei^ , Don 
feinem Oebäd^tnife im ®ti^e geloffen , barfiber ni^W mel^r an^ 
geben fönne. 

5ltlein meinem Derel^rten greunb S ö d^ e I gelang e« , nnter*' 
ftüfet Don ben treuen 9Jaci^forfd^ungen be« §errn Stanj 8ein\« 
e g g e r , in ber JRegiftratur be« 8anbe«gcrid^te6 in 333ien ein Sitten* 
ftüdt auöfinbig ju mad^en , au« bem fid^ über biefe Slngelegen^eit 
gotgcnbe« ergiebt. 

granj^ofbemet, Äanjeüift ber I. I. oberften 3uftixfteü, 
l^atte fid^ am 10, üDecember 1791 in feiner ffiol^nung (®tabt, 
®rünangergaffe 1360) in einem Sitter bon 36 Salären felbft ent* 
leibt *) unb ujurbe im allgemeinen Sranlen^aufe gerid^tlid^ befd^aut. 
Offenbar l^ing mit biefem ©elbftmorbe bie SSertounbung feiner 
fd^ttjangeren Stau SUiagbatene^ofbemel, geb. "^olorn^ 
jufammcn, ba eine Quittung ber 1. 1. Dberbereiterin STl^etefe 
933 et^ Dom 'December 1791 über 120 fl. Dorliegt, »eld^e fie ,,sur 
nöt^igen 95er^)flegung ber Dertounbetcn grau ^ofbemetin" au« 
bem 5Wad^laffe granj §ofbemete burd^ bie Srben er^tten ^t. SSon 
ber aBitttt>e felbft tt)arb ein ®efud^ um 1000 fl. gntfd^äbigung für 
bie Soften il^rer C>cto^9 ««b Sntbinbung eingereid^t, ba« mit ben 
©orten beginnt: „S« ift leiber nur atljubetannt , in »a« für 
einen elenben unb iammerDoKen 3wf^<^nb wtid^ mein Sl^egatte §err 
•gt. C).ofbemel , Sanjetaft bei ber ^^d^fttöblid^en oberften Suftij* 
ftette feel. burd^ bie fo Dielfäüige 3erfd^neibung meine« Slngefid^t« 
unb fonftiger Sil^eile meine« Äör^jer«, bie meine Ungefunbl^eit unb 
jtoar Dcrmutl^lid^ für meine ganje nod^ übrige 8cben«jeit nac^ fid^ 
jie^et, Derfefeet, unb ba^ er mid^ in fo einem 3wftanbe al« SWutter 
eine« geborenen unb eine« nod^ ju l^offenben Äinbe« l^intcrlaffen 
l^abe." ®ie erl^ieö im 3»ärj 1792 bie Summe Don 560 fl. , jog 
nad^ ©rfinn unb gebar bort am 10. ÜWai einen Snäben, 30=» 
i^ann Sllejranber granj, ber frül^ geftorben fein muß. ®ie 


1) @o bai(3^tet an(i) bie Wiener äcitung 1791 @. 3225. 


234 iD>{D}att «^^aralt^omenon. 

bei Mjcttctt be« 35atcr6 gcbornc S^e^ter Il^ercftii »ar im 3)e* 
ccmbcr 1791 ein Sa^x ait 

J)a6 SKojatt mit ^ofbemet be!ännt »ar, gel^t au« folgenbem 
Don 31 0^ (aWojam »riefe n. 266) tjetöffentfid^fen «riefe 

Siebfler gteunb ! 

^i) bin fo frei ®ie ol^ne alle Umftänbc um eine Oefattigfeit ju 
bitten ; — lönnten ober tooüten Sie mir bi« 20 be« lünftigen 2Jto* 
nat« 100 fl. Icil^en, toürben ®ie mici^ fel^r uerbinben; am 20 fällt 
mir ba« Duartal meiner ©age ju , too id^ bann meine ©(i^ulb mit 
2)anf tt)ieber jurürferfiatten »erbe. 

<ii) l^abe auf 100 Dufaten (bie läj »om Slu«tanbe ju ertoartcn 
l^abe) mid^ ju fel^r toerlaf[en ; — "ta iä) fie aber bi« jur Stunbe noc^ 
nic!^t erl^alten (fie aber täfllid^ ertoarte) , ^be itl^ mid^ ju fel^r »om 
®elbe entblößt, fo bag id^ äugen blidlid^ ® et b »onnöt^en l^abe, 
unb be«toegen mein SSertrouen ju Sinnen genommen , »eil id^ 3^rer 
greünbfd^aft ganj überjeugt bin. 

9iun »erben toir un« balb mit einem fd^oneren Flamen 
nennen fönnen ! 3^re Q^aift ift bem ®nbe fel^r nal^e ! 

§ofbemet l^alf tl^m au« bet SScrtegen^eit , »ie ber bon 3)to- 
jart au«gefteüte unb gefd^riebenc SJed^fel, cl^emate im 53cfi^ be« 
$errn SUienbl^eimtn ©crtin , beweist , tnxöf ben aud^ bie ^üi 
feftgefteUt toirb. ' 

äBien ben 2ten «priB 789 
ä dato 4 SKonatl^e jal^le id^ 6nbe«gefefeter bie Summe tjon 
100 p. fage ßin $)unbert ©ulben an ^errn »on ^ofbemel ober an 
bef[en Drbre, valuta l^abe baar empfangen, leifle jur SSerfaüjeit rid^- 
tige 3<^^^Jiiig wnb untertoerfe mid^ einem f. f. 9Z. De. SWerfantil* 
unb SBed^felgerid^t. 
Sola an mid^. 

SBolfgang Smabe 2Rojart, 
^apeUmetfler in tDirtlii^en !. t '^ienflen. 


Tlciati '- $arani|)omenott. 235 

iDaß c« ftd^ l^icr rnn eine unb btefetbe ^etfon l^anbeü , tft 
ntd^t ju bexmetfeln. 3ener granj §i>fbeme( l^tnterüe^ ein 9Scr* 
mögen i)on 8937 fl. ; in feinent "^^^W^ tt)ar unter anbern ein 
©U(j^ gefunben „X)ie geierlid^Ieiten ber gcted^ten unb 
öolllommcncn Soge ber Sini^feit i)on granffurt 
a. 3Ä/, et toar atfo offenbar Freimaurer unb auf feinen (Sintritt 
in bcn Orben • bejie^t pd^ unberlennbar ber ©d^tug in 5Diojart« 
©riefe. 

Slltenmaßig feftgefteüt ift a(fo ber ©elbftmorb granj §of* 
bemcte unb bie burd^ il^n gefd^el^ene SSertounbung feiner grau ; ba« 
ÜWotib ber ©f erfud^t unb ba^ bief e SKojart gegolten l^abe , f ommt 
l^ier nici^t jur ®^)rad^e ; baß man bamate »enigften« in getoiffen 
Greifen bie Segebenl^eit fo aufgefaßt unb bef^^rod^en ^abe, ift burc^ 
©d^efer^ unb ßjern^'« 3^8^ife ertoiefen. ättein e^ ift nunmel^r 
aud^ feftgefteüt, baß bie grauenöoüe S^i^at erft fünf 2^age nac^ 
2D?ojart« 2^obe begangen ift, unb baburd^ toirb e« , man 
lann tool^t fagen, jur Unmögftd^feit, baß ber bi« jum S33a]^nfinn 
gefteigerte 2lrgttJo^n be« SDlanne«, toenn er toirHid^ ba^ aWotito ber 
Vc{(x\ U)ar , f oweit er SWöjart betraf , burd^ Si^atfad^en ^er^orge* 
rufen toorben fei. Ueber bie S33a]^rfd^eintid^Ieit eine« ju SKojartö 
Ungunften verbreiteten ©erüd^teö nad^tragtid^ Srörterungen anju* 
fteüen , l^at nunmel^r fein Sntereffe. SDlir tfl e« eine XdoS^xt Sr^^ 
leid^terung, baß bie SSermut^ung, ttjetd^e fid^ mir aufgebrängt 
l^atte, bie ©d^atten biefe« tragifd^en greigniffe« möd^ten 3»ojart« 
lefete Seben^jeit t^erbüftert i^ab'en, fid^ ate ganj ungegrünbet ernjie^ 
fen l^at. 


ßconorc ober ^ibclio? 


Die Stage, ob eine £)ptx, bie ate ^eiftewctl ancrfannt ift, 
früher unter biefem ober jenem 2^itef aufgeffil^rt »orben fei , ift 
fidler eine untoefenttid^e , unb e^ mag laum ber WlH^t mxti) ge* 
ad^tet »erben , auf il^re Seantoortung ^txt unb SDiüi^e ju Der- 
toenben. Slüein bei einer l^iftorifd^en Unterfuc^ung toirb eö ^flid^t, 
toenn auci^ nur ein Slcbenumftanb 3^^if^I wnb Unflc^erl^eit erregt, 
biefelben ju befeitigen unb bie S3Ba]^r]^eit ju ermitteln , ol^ne JRüd^^ 
fid^t auf bie 2lrbeit , toetd^e baran gefefet »erben mug. $ier , »o 
e« einen SDieifter unb eine Oj)er gilt, für mläft ein tebl^afte^, 
aud^ ba^ S)etail erfaffenbe« Sntereffe allgemein verbreitet ift, ver* 
folgt man »ol^l nid^t ungern einmal'aud^ bie Slmeifenioege, loeld^e 
eine getoiffenl^afte gorfd^ung ju gelten nid^t Derfd^mäl^en barf . 3n* 
beffcn toirb bie f otgenbe I)arlegung fid^ begnügen , ben ®ad^t>er* 
l^alt au« ben bemeifenben !J)ocumenten ju ermitteln , ol^ne auf bie 
mannigfad^en frfil^er, aud^ von bem SSerfaffer biefer Seilen began* 
genen Srrt^mer einjugel^en. 

ß« ift bie allgemeine Slrinal^me , bafeSeetl^oven« 0^)er 
bei ben erften 2lup^rungen im 3a]^r 1805», ober bod^ bei ber 


1) SCttg. ÜRuf. Seitung 1863 6. 381 ff. 


Seonotc obet gibdio ? 237 

SBicfcctaufnal^nte im Sal^r 1 806 unter bcnt Xxtti 8 c o n o r e ge< 
geben tootben fei, unb jtpat gegen ©cct^oDen« auÄtüdfici^eu 
SBtUen, ber auf bcm 2^itc( gi b c tt o bcftanben fei , ben man be^* 
l^att auci^ bei ber Umarbeitung im Sal^r 1814 getoäl^It l^abe, 

I)iefe 2lnna^mc grünbete fid^ barauf , ba§ ber t)on Seetl^ot^en 
im 3a]^r. 1810 herausgegebene Slatjierau^jug unter bem 5Eitet 
8 e n r e erfd^ien , »obei bie S5orau«fefcung gereci^tf ertigt voax, 
ba^ bie 0<>er mit ber Benennung gebrudt erfci^ien, mit »etd^er fie 
aufgefül^rt »orben mar. ©öbann legte ein intereffanter , i)on 
©egeter (©iogr. SRotijen.über öeet^oDen ®. 62 ff.) Deröffentlid^- 
ter ©rief @te<)]^. d. ©reuning« Dom 2. 3uni 1806, »efd^er 
über baS ©d^irtfat ber Diper ©ericä^t erftattet, beftimmte« 3^M8"i§ 
bafür ab. Ss ^ei^t l^ier : 

,,®d^on t>or^er ^atte man il^m tjietc ©d^wierigfeiten in ben SBeg 
gelegt unb ber einjige Umftanb mag Sud^ jum Setueif c ber übri* 
gen bienen , bag er bei ber jiueiten Sluffü^rung nid^t einmal er*= 
haften lonnte , bag bie 5ln!ünbigung ber D^)er unter bem Der* 
änberten 2iitel gibelio, ttjie fie aud^ in bem franjöfifd^en 
Driginat l^ei^t unb unter bem fie aud^ nad^ ben gemad^ten äen* 
berungen gebrudtt »orben ift, gefd^al^. ®egen SÖäort unb 95et< 
fpred^en fanb fid^ bei ben SSorfteUungen ber erfte 2;itet Sconore 
auf bem 2lnf d^tagjettet. " 

Slüein gegen bie 9iid^tigfeit biefeS formeßen 3^W8^if^^ ^^* 
^eben ftd^ fofort unabujeistic^c ®ebenfen. Da« franjöfifd^e Drigi* 
nat Don ®. 31. ©ouilt^ unb ?. ©aDeaujc nämtid^, auf toe(* 
d^eS ©reuning fid^ beruft, l^at nid^t ben 2:itet Fidelio, fonbern 
L^onore ou Tamour conjugal. gwner fefet bie JÖejeid^nung 
be« „Deränberten ZM^ gibefio" borau«, ba^ bei ben äuffül^rungen 
be« Sal^reö 1805 ber Üitet ßeonore gebrandet tuorben fei. 9?un 
tautet ber S^^eaterjettel , »eld^er in ber Sammlung ber §ofbibtio* 
ti^ef in SÖäien burd^ §^rrn ©ottl^arb nad^gefel^en toorben ift, 
fofgenberma^en : 


238 


Öeonorc ober Si^rfio? 


it. f. ^rito. <^aufi|)iel]^ait9 an ber ^ien. 
SfJeuc Dper : 
§eutc ÜRittn)0(i^ t)en.20. 5Rot>embcr 1805 
toirt> in t)cm f, aud^ f. f. prit). ©d^aufpiell^aufe an bet SQBien flegcfeen 

gum @rjlenmal 

g i t) c l i 

ober 

!Dtc t\)tü(tft Siebe. 

Sine D^)er in 3 Slften, frc^ naä) tem granjöfifd^en bearbeitet 

tjon 3ofef Sonnleitner, 
3)te SWufif ift toon Snbtoig t)a;t Seetl^otoen. 


$r. SBeinfopf. 

^r. SDteier. 
^r. 3)emmer. 
a)ne. 5Kitber. 
^. Siotl^e. 
3)ae. SKülier. 
§r. ßad^e. 
^r. SKeifter. 


^erfonen. 
©on §ernänt>o, SKinifter ..... 
2)on$isarro. @out>erneur eineö ©taat«- 

gefängniffc« .... 
gtoreftan, ein ©efangener 
Seonore 
SRocco 
SKarjeUine 
daqnino . 
äBa(^e^au))tmann 

Oefdngene u. f. to. 
I)ie $anblnng gel^t in einem ©panifti^en ©taat^gefängnijfe, 
einige SWeilen öon ©ebiüa toor. 
Die 89ü(i^er finb an ber 6af[c für 15 fr. ju ^aben. 

%viäf ba« Zzi^tinä) bicfer crften ©earbeitung in brei Sitten ift 
gebrudt nnter bcm Ülitcl i5 i ^ e U o. 9lnf beut Sf emj)tar , mläf^ 
bor mir liegt, ftel&t xtoar „Sifceüo, eine D|)er in jtpei Slupgen" ; 
allein ber Xe^t felbft ift ber ältefte in brei äufjügen, uub ba bie 
Sal^re^jal^l 1805 angegeben ift, fo ^t ftd^ offenbar ein Drnd^ 
fei^ler in ber 3<i^t eingefd^lid^en. 

5llfo bei ben Slnp^rungen m Sa^re« 1805 führte bieOfcr 


SeoncrcobcrSMio? 239 

ben 3:itel g i b e t i o , «unb mcnn im näci^ften ^af)X eine SSeränbetung 
ftattfinben foüte, fo mu^te bet neue S^itet i)ielntel^r Seonore lan^ 
tcn, aber bic ebenfalls in ber ^ofbtbtiotl^cf t^ori^anbenen S^^eater* 
jettel t>m 29, 3»äTj unb 10, 3l<)r« 1806 geben tpieberum ate 
Stitet :* ^ 

gibcUo 
ober 
3)ie äfdxiit Siebe. 
@ine Dper in jtoet) äften frcif.nad^ bem ijranjöfifd^n bearbeitet 
t>on ©onniettner. 

3)ie 2Rufif ift tjon Subtoig t>an Seetl^oöen. 

3n bem ^erfonent^crjeid^niffe finb nur bie beiben Slenberungen 
eingetreten, ba§ 8 1 o r e ft a n öon $errn SR ö d e l gcfungen tourbe, 
unb ba^ neben 8 e o n o r e ^injugef ügt ift ,,f eine ©emal^tin unter 
bem 9Jamen i5ibetio'\ 

aWitl^in ift mä) im Sial^r 1806 bie D^)er unter bem 5lite( 
Sibelio gegeben ujorben, benne^ iftburd^au« nid^tnjal^rfd^einüd^, 
bag man bei ber britten unb testen 35orfteöung , bereu 5l]^eater* 
gettet nid^t me^r öor^anben ift, ben 5Wamen 8 e o n o r e eingefül^rt 
l^abe. Sine n)eitere S5eftatigung , »enn e« bereu bebürfte , (iegt 
in bem Umftaube, ba^ in aüen fritifd^en JReferaten über beite 
Slufffil^rungen in ber allgemeinen mufifalifd^en 3^i^w^8 (^806 
5Kr. 15. 29), ber 3eitung für bie elegante ©elt 1806, 4, 3an., 
10. 3»ai) , bem greimüt^igen (1806, 4. 3an- , 14. 3uni) , ber 
Sil^eatergeitung (1806, 22. Dct.) bieO^jer nur gibctio genannt 
tpirb. 

"S^amäf brängt fici^ bie unabweisbare 3Ser?t»t]^ung auf, ba§ in 
©reuningS ©riefe bie Sßorte gibeliounbSeonore il^re ^1% 
toertaufcä^t i^aben. Ob es ein SSerfel^en beS ©rieffc^reiberS felbff 
fei — ieber toirb gugeftel^en , ba§ eine berartige SSernjed^Sümg bei 
eifrigem ©d^reiben leid^^t öorf ommen !önne — , ob eS beim 3lb* 
fd^reiben ober erft im S)rudt gefd^e^en fei , (ä§t fid^ nid^t mel^r 
entfd^eiben, ba ©reuningS SSrief , toie $r. ®e:^. SDiebicinafrat^ 


240 feonote ober ^\Mit> 1 

SQScgcIer in Sobtcnj mit mitjut^citcn bic ®fitc l^attc, ni(ä^t mcl^r 

j)ot^anbcn ift. ^tj, ®teuning fd^ricb ober »otttc f (abreiben : 

,, ba| bic änlünbigung bcr D^et unter bcm t)cranberten ZM 

8 e n r e , »ie fie aud^ in bcm franjöfifd^en Original ^ci|t 

unb unter bem fie anäf mä) ben gemad^ten äenberunjen ge* 

brudt »orben ift, gefd^a^, ®egen SÖSort unb 35erf^red^en fanb 

fid^ ki ben SSorfteüungen ber erfte S^itet gibetio auf bem 

Slnfd^Iagiettel. " 

9lun Mären fid^ aud^ j n> e i f onft nid^t begreiflid^e Umftänbe 

auf unb beftätigen baburd^ bie SRid^tigfeit ber fritifd^en Operation. 

Da^ ©ebid^t , »etd^e« SB r e u n i n g bei ber erneucten auf* 

fül^rung ber Oper an ®eet]^oJ)en gerid^tet l^atte unb in ienem 

®riefe für il^ren greunb S33e geler abfd^rieb, ift bcm S^l^eater* 

jettcl i)om 29. aWärj. 1806 öorgebrudEt, ebenfalls nod^ in ber f. f. 

^ofbibliotl^ef öor^nben unb trägt folgenben 2^itct ; 

an ^erni 

SubtoigDanSJectl^oDen 

atö bie 

Don il^m in SKufif gefegte 

unb 
am. 20. 9lot)cmber 1805 

bad 
erflcmal gegebene Oper 

unter ber Dcränberten Benennung 

Sconorc 

toteber 

aufgeführt tourbc, 

®reuning red^nete atfo nad^ ben getroffenen 35erabrebungen 
mit ©id^eri^cit barauf , ba^ ber 2:itet 8 e o n o r e eingefül^rt »ürbe, 
unb mod^te nid^t »enig J)erbriepd^ fein, neben feinem ®ebid^t auf 
bem S^^eaterjettel bod^ gibelio ju finben. 

gemer ift e« nunmel^r ganj rid^ttg , ba| ba« umgearbeitete 
S^ejftbud^ unter bem S^itet 8 e o n o r e gebrudft n^ar . Der Jitet be^ 


&onorc ober gibeUo ? 24 1 

Sjcent^jfar^, mläft^ Dr. j>, ©onnletti^nct mit getDol^ntcr ®e^ 
tcihDiöigfeit mttgetl^eittl^at, lautet : 

Sconorc 

ober 

t)er Sriumpl^ ber el^eüd^en Siebe. 

©ine 

Dper in jtoet) Slufjügen. 

5tei) nad^ t>em granjöfifd^en bearbeitet 

t)on 

3ofep]^ ©onnleitl^ner. 

3n üKufif gefefet 

Don 

Subtöig Dan 33eet]^oDen. 

gür t)a^ f. aud^ I. l. Ül^cater an ber SBien. 

aaSien 1806. 

35ct ©ad^Derl^att tft iti^t ganj f(ar. ©eetl^oDen tooUte feiner 
0^>et ben Siamen Seonore geben, unb toer fid^ betgegenmärtigt, 
n)tc er biefe $etbtn treuer ©attenliebe aufgefof^t l^at, tovth ba6 be«* 
greifttd^ unb tid^tig flnben. Dal^er ftel^t auf einer au^ Seetl^oben^ 
^aäfla^ l^enül^renben Slbfiä^rift ber Partitur biefer jtoeiten ©cat* 
beitung berfefbe S^itel »ie auf bem oben ertoäl^nten Ztpiiviä). Die 
Ditection aber jog ijibelio bor, toal^rfc^einßd^ »eil ^aerö betiebte 
D^>er — bie übrigen^ in ©ien juerft im 3a]^r 1809 gegeben 
würbe — ate 8 e o n o r e belannt »ar. SBe^l^alb fte mit f old^er 
f)artn58ig!ett auf bemfetben beftanb , nad^tem fie Seetl^oben für 
bie erneuete Slupl^rung bie äenberung inSeonore jugeftanben 
l^atte \ ift nid^t ju ermitteln ; ba§ jtDifd^en bem S3fi]^nenj)erf onal 
unb bem Som^)oniften ein gefj)annte6 SSerl^ättni^ beftanb , ift ja 
anäf fonft befannt. SBetd^e 5Rot^ er aud^ mit biefer 2lup!^rung 
l^atte unb »ie toenig er baburd^ befriebigt tourbe, fönnen feine 
im 9ln]^ang mitgetl^eitten SiUet^ an SK ei er ieigen. 

Slud^ ouf anberen SBül^nen n^urbe bie S^ptx bann in ber jtDei* 
ten Bearbeitung unter bem S^itet S i ^ ß I i o gegeben ; ate aber Seet' 

5 a b n , «uffa|jc übet SWufif. 1 


242 Seonorc ober gibelio? 

l^oben fcftftättbtfl bcn ttabtctaudjug unb btc Duijettutc l^crau«* 
gab , bcfttmmtc er au^brfiöKd^ bcn S^itct , »ctd^cn er für ben an* 
gcmeffcncn l^ielt, für 6ctbe: Seonore. 3a, ateim3a]^rl814bie 
D^er toieber anfgenommcn nnb öon tl^m ftcücntoetfe nmgcarbeitet 
tourbe, lam SBectl^oöcn auf ben Sottet 8c onorcjurüd. 3n bcm 
jum ©ebraud^ für btc SBüi^nc Dor bcr erftcn 9luffüi^rung gefd^ric«^ 
bcnen Xcftbud^ fielet auf bcm2:itcl, n^ic mir Dr.^Siottcbol^m 
mittl^ettt , 8 c n r c, aber mif bte^mal fd^ritt btc 2]^eater<>raji^ 
ein, Seonore tft au^geftrtd^cn unb g i b c 1 1 o banebcn gcfd^rie* 
bcn. Unter bicfem Sottet tourbc bic D^)cr gegeben , unb ben neuen 
öoüftänbigen Staöicrau^jug bcr Oi>er Dcröffcntlid^tc ©eetl^oöcn 
fclbft unter beut 2:itet gibetio. 

gür bic leidste unb fidlere Unterfd^'eibung bcr Dcrfd^icbencn 
S3carbcttungcn finb bic Don SBecti^oDcn felbft autorifirten SBcncn^ 
nungen 8conoreunbgibcIio übrigen« nur ertoünf d^t. 

Ueber ba« SSeri^ältniB bcr ^Bearbeitung bon 1806 jur erftcn, 
U)ie jum t$ibetio Don 1814 l^at ba« gebrudtte Xe^tbud^, ba« mir 
früher unbclannt gebtiebenmr, ertoüufd^ten auf fd^tufe gegeben. 
(Stnige fünfte m&gen i^ier eine turje Srdrterung ftnben , für tt>eld^ 
aud^ nod^ einige anbere $ü(f«mittet ju ®cBotc ftanben. ^o« 3n« 
tereffantefte unb Scbcutcnbftc ift o^ne f^age bic ireid^c ®amm(ung 
Don ©liixcnbtattcrn jur erftcn 8conore,- ujctd^c jefet in 
einen ftatiCen 3anb in Ouerfotio iufammengebunben im Sefi^e 
bc« $rn. ^aut ÜJtcnbct^fol^nin ®crßn finb , bcffcn juDor* 
tommenbe ©cfäQigtcit mir ein genaue« @tubium berfetbcn m&gßd^ 
mad^te. ÜDiefe ©lijjcn bejicl^u fid^ faft auf alle 5Rummern ber 
0^>cr , bic ganj ober tl^eitocif c in benfelbcn entworfen ober bear«* 
beitet finb , bie meiften berfclben toieber^ott unb in fel^r abioetd^cn* 
ben älnfä^en. SKan fielet barau« , koie ^eetl^oDcn fid^ mit ben Der« 
fd^icbenen®tüdfen ber Djjcr flfeid^jcitig bcfd^äftigte, benn bie ©Kjjen 
berfclben laufen burd^ cinanbcr. 9lud^ Snttoürfe yx anbcren Som« 
^Optionen finben fid^ jtoifd^en bencn jur D<)er , unb mit nid^t gc* 
ringem Srftaunen fielet man unmittelbar i^inter cinanbcr ©üxjen 
ium jn^citen ginatctcr 8eonore, jum ©d^erjo bc« Quar* 


iOeenprc ober Sii>«'^^'>? 243 

tcttö In Pdur (Op. 59, 1), bcffen iDcfentltd^c 9Wotii)e aßc l^tcr 
notirtfinb, bann totebcr jur Sitte bcr SD?arceIttnc „%ä},tt>&f 
xäf ßtft mit bir vereint", l^ierauf jum testen unb ctftcn ®a| bet 
Älabtetfpnate in FmoU (Op. 57), cnbtid^ jttm Slbagio 
bc« 2: r i ^ c t^S n c c 1 1 « (Op. 56) , beffcn üBrigc ©öfec an anbern 
©tcßen fid^ fRjjitt finben, iDobntd^ mä) bie ßntftcl^ttng^jcit biefc« 
Strlei tcftimmt fif itt rnirb. 5ßckn bieten , jum Il^eil fcl^t? Don 
einanbct abmctd^nbcn SSctfnd^cn einzelner ©teüen be^ jöjeiten 
ginalc« Ucdt man eine icner cigentpmti^n SSemcrlnngen, mläfz 
©ectl^oDcn , Vdk fic il^m einfielen , niebetjnfd^rciben ttefete, afe dh 
er eine Seobad^tung ober SKal^nung baburd^ [xä) felbft erft ganj 
Kar mad^en nnb nad^rüdtid^ ein^>tagen moüe , n)te er e^ Ja mit 
feinen muftlatifd^en Sinfäüen aud^ ju mad^en ^jflegte. ÜDiefe S3e^ 
merfung töntet : 
„am 2. 3uni* ^mU immer \mpkx — aöe Stabiermnfif eben« 
fato — (Sott mi^ e« — »arum anf mid^ immer nod^ meine 
Staöiermnfil immer ben fd^Ied^teften @inbrud( mad^t, befonber^, 
toenn fie fd^ted^t gef^jictt toirb/' 
SBer fcflte benlen , ba| Seet^ot)en bamafö aud^ nnrin2Romen^ 
ten fo jtoeifelmutl^ig über bie SBirfüng feiner Slatiermnftf l^ätte 
fein IBnnen ! 

SDie ®%en ftnb natürtid^ fel^r öerfd^tebener Art. ^nrtt ^zxl 
finb e^ ganjtii^ t)on einanber abt^eid^enbe SScrfnd^e benfelben Zqt 
mufilößfd^ au^jubrüdfen , unb mand^a Stummem , toie bie Strien' 
SKatcettine« nnb ^ijarroö, ba^ ©rabbuett, einjetne l^bortretenbe 
©teßen erfd^ienen anfangt mit ganj anberen 3Kottben atö f^jöter in 
ber £)<)ct. @o ift ber ©d^tugd^or juerft mit biefer SRetobie notirt : 


1^ 


ijc: 


t 


-i — 


-t^+ 


i=r|=f^ 






Jt± 




f=ß:i 


ff=^- 


* 


Ser ein l^oIbeSSSeibersrun^gen, ftimm'in umfern 3u«bet ein. 

Stnberemate pnb ganje ©tüdte in ei^^em 3uge f o l^tngefd^ieben, 
n?ie fie bann im SBefenttid^en geblieben ftnb. !Daneben gel^t bann 
aber biefe unermüblid^e >Detai(arbeit , bie gar ntd^t aitf^ören fann 

16* 


244 &onore ober gibeUo ? 

ntd^t Uo^ emjetne Sliotbe unb SOtelobien , fonbertt' bie Ketnften 
Elemente berfelben i^in unb l^er ju tDeitben unb ju rüden unb aud 
aücn bcnibarcn 3Sariatioucn bic bcftc gönn l^cröorjulodcn. 2ßan 
' ftaunt u6er bteje^ unaufl^Srtid^e 93er{ud^en unb (egteift ntd^t , mt 
an^ t^t^^^ mufifaltfd^en iöc&detmerf ein otgantf^ed ©anje metben 
lönne. 93erg(etd^t man aber ba^ fertige ^nftmert mit bem (Sl^aod 
ber (Sntn)ürf e, fo mirb man immer lieber bon ber tiefften Sbmmu 
bcmng Dor bem fd^ö^ferifd^en ®eift ergriffen , ber bie 3bee feiner 
Slufgabe f Kar angefc^aut, ©runbtage unb Umriß ber äuöffil^rung 
fo feft unb fidler gefaßt l^at , baß unter ade bem ©ud^en unb 93er« 
fuci^en im iSinjetnen bod^ ba$ ©anje and feiner ^ur}e( naturge« 
maß l^erauftpäd^ft unb fid^ entn)idEeU. Unb mad^en biefe ^S^tn 
m(i)t fetten ben (SinbrudE unfid^eren @d^»anlend unb S^aften« , f o 
mäd^^t nad^l^er lieber bie ^emunberung bor ber toal^ri^aft genialen 
®et6ft!ritil , bie , nad^bem fie äüe« geprüft, fd^üeßlid^ mit foube* 
räner ©emißl^eit bad ^efte l&e^ätt. 3d^ i^al^e nid^t wenige ®Iii)en« 
bud^er Seet^oben^ ju f^rüfen ©elegeni^eit gehabt, mir ift aber 
lein gaü belannt, »o man nid^t anerlennen müßte, baß ba«, roa« 
er geU)ä^(t — aud^ mirtUd^ ba6 ©d^önfte fei, ober tt>o man bebau«« 
ern miid^te , baß bad bon il^m SSeru)orfene nid^t jur Slu^fü^rung 
gelommen ift. 

%m meiften 3toÜt fd^eint ii^m f c^on bei ber erften Bearbeitung 

bie äl r i e S ( o r i ft a n d gemad^t }U l^aben ; e^ finben fid^ für bie« 

• fclbe eine ganje 9iei^e fel^r. berfc^iebener aSerfud^e, unb für bie 

(Sefd^id^te berfelben läßt fid^ ein , leiber nur negati)>er , 3(uf fd^tuß 

geioinnen. 

iBelanntttd^ l^Utte SiSdEel, ber bei ber äluffül^rung m dal^r 
1806 bie 9iotte be« gtoreftan übernal^m, unter anberen ÜÄit^^ 
t^eitungen, toeld^e er SRieö über biefe äuffül^rung mad^te, i^m 
aud^ ersä^tt , baß bic Slrie urfprüngßd^ nur au^ bem 9lbagio im 
Dreibicrtettaft beftanben l^abe , an beffen ©d^luß ber ©änger bier 
^alte lang bad l^o^e F au^iu^atten l^atte , iD&^renb bie 3nftru« 
mente fid^ tangfam ber(oren. 3)er I^enorift, ber bad nid^t (eiften 
Ipnnte, b. 1^. alfo ©cmmcr, beffert ©tinime bereite au^gefungen 


?cottotc ober gtbctio? 245 

tt>ar, l^attc SDbänbctung bicfer @tcKc unb §tnj(ufüflimg eine« SWegro 
t)ctlangt, fonft toetbc et niäft auftreten, unb Sectl^otjen l^atte 
nad^gegcfccn. ®o »at bte ^C^eatettrabttion. SRädel befag bie 
©ing^attte biefet Sitte üon SJectl^oDen« §anb gefd^tieben ; leibet 
gtcbt atie« gar nid^t« Släi^eteö ju i^tet ßi^ataltctiftil an, imb mei* 
Tie« SBiffend ift fic nid^t »iebet benu<}t »jotben. Snbeffen lann c« 
laum jwetfdl^aft fein , ba^ SRÖdel bic Sltie f o gefnngcn l^at , toie 
fie im Ätatjietau^jug bct Seonote gebtudt »utbe, übereinftimmenb 
mit bcn ®econbaf(j^enOtd^eftctftimmen. ©ine ©d^toietigfett mad^t 
auf ben ctften SlugcnBlidf ba« STejtbud^ Don 1806. §iet finben 
fid^ nSmtid^ nad^ bcn ©d^lutttotten bc« Adagio „meine ^flid^t 
l^ab* id^ getl^an" nod^ folgenbe 35erfe, bic im ctften STcjrtbud^ 
H)ic im SlaDictaudsug feilten : 

3ld^ ! nur Sconorenö Reiben 
3)rü(fcn mt\)x al6 gcffcin mi(^ ; 
3«, um atte Sebcnefrcubcn 
2:Sitfd^te i(if pe fürd^tcrUd^ ! 
Will blieb hcäf im aJlißgcfc^tde 
8tetd }um Slrofi i\^x l^olbeg ^.Ub, 
Unb aus il^retn ^n^tUUidt 
<Bpxa6f nöd^ Siebe fanft unb mltb ! 

!©ann lommen mit bct ©cmerlung ,,et jiel^t ein SBitbni^ au« bem 
Äufcn'' bic SSetfe, »cld^c bcmättegto, »ie e« gebtudt ift, ju 
©tunbe liegen: 

"ädf, e« ttjaren fdJSne Xage u. f. ttj. 

S)a bei bct ©iebctoufnal^mc bct Optx im 3a]^t 1 806 nut 
gcffitjt, abet nitgenb« cttoeitett n^utbc fo ift biefet Bwf^fe , ber bie 
©ituation etma« bcutßd^et mad^t, tool^t bem ctften lenoriftcn ju 
©unften .eingefd^oben tootben, bet ein gehörige« Slttegto »flnfd^tc, 
unb 1806 bei bet aügemetnen Äütjung bet SKufil »icbet l^ctau«* 
getDotfen. ÜDa§ aber bie erfte Som^ofttion bet Sltie ganj ol^nc 
köegto gctocfcn fei , ift fid^ettid^ eine Ungenauiglcit in SftädJcte 
SJctid^t, bie i)icaeid^t batin i^ten Urf<)tung l^attc, ba^ bo« älflcgto 


246 ?eonore ober gibcUo ? 

jum @(^Iu§ töiefcct tn« Slfcagio üfcctging. Denn tl^ctte fte^n btc 
©orte beffetten \ä)on im erften S^ejttuci^ , t^eite finb in bcn Der* 
\äfkttnm Sntmürfen beibe ®ä<}e ber Sltie ffijjirt. Der Icfete Snt* 
»tttf jeid^nct fid^ baburc^ au« , ba^ er butd^ ba« fceigefd^riebene 
Flauto eine obligate glöte fignatifitt, unb bamit ftimmen bie 
mannigfaltig fKüirten ^affagen übetein. ©aß biefet (Snttourf 
anö) jut Slu^füi^rung gelommen ift , ittotx^t ein geringfügiger, 
aber entfd^eibenber Umftanb. ^of. ©d^inbter tl^eöte mir eine 
alte, bon ©eetl^oben rebibirte 9l6f^rift berSntrobuction jum 
jtpeiten Slft mit gtoreftan« SRecitatib na<Sf ber erften Sear^ 
beitung jur Sinfid^t mit. 5Die Sntrobnction entf^jrid^t ber im §h^ 
bierau^juge ber Seonore gebmöten bi« auf einige bort borgenom* 
mene Äürjungen ; ba« 9iecitatib aber ift mefenttid^ berfd^ieben unb 
in tiefer erften ^Bearbeitung ungteid^ fd^öner unb bebeutenber , ate 
ba« in ber jn^eiten rfidtfid^t^tod berlfirjte , toie bie Beilage jeigt, 
toetd^e bon ber 3ntrobuction mi^ bie leisten ba« SRecitatib unmittet* 
bar einleitenben Statte mittl^eilt. Seiber brid^t bie äbfd^rift nad^ 
bem jtoeite» S^aft ber Slrie ab , aüein bei bem SßJed^fel ber 2^on« 
art ift bie neue SSorjeid^nung nur bei ben önftrumenten angemcrft, 
»etd^e aud^ in ber ärie befd^äftigt finb. (Sie fel^ft be^l^atb bei ben 
Dboen unb ^ofaunen , aüein fie ift außer bei ben ßlarinetten unb 
gagotten aud^ bei ber gföte borgcfd^rieben , bie alfo bertüanbt 
»urbe. 35iefe erfte Bearbeitung fd^eint leiber fj)urlo« berfd^n^un* 
ben.ju fein : bie Serferarie mit obligater gßte toäre atterbing« ein 
intereff anter gunb. 

©ie an^ bem S^cjtbud^e bon 1806 l^erborgel^t, l^atte man bei 
ber Umarbeitung eine Plummer ober bietteid^t jujei gcftrid^en. 3ene 
5Rummer ift 9i o c c o « Sieb „^at man nid^t aud^ ®otb be^neben'' ; 
bie« fel^tt im S^ejctbud^ toie im Älabierau^jug. 2lber ba« Sieb ftel^t 
fd^on im 5lejtbttd^ bon 1805 unb unter ben ©fijgen finben fid^ bie 
Snttpürfe ju bemfetben. 5Rad^bem e« 1806 fortgelaffen »ar, l^atte 
e« anfangt aud^ im gibetio 1814 leine Slufnal^me gefunben, tt)ie 
ba« bereit« crtoä^nte l^anbfd^rifttid^e lejtbud^ au«n)ei«t. 3n biefem 
ift e« erft ff>ater nad^getragen ; ber Snüinbigung nad^, kpeld^e für 


Sconore ober gtbeUo? 247 

• 

öect^ot)en« Scncfljüotftcöung am 18. 3uü gcbrudt »uxbe , tft c« 
crft in bicfer totcbct aufgcnonnttcn. ©8 Ia|t f^ alfo begreifen, bag 
man e^bantatö für eine neue Som^ofition anfal^. 

Die anbete. Stummer, meldte getoi^ f^on in bet äöeften 
Sconote fi(ä^ fanb unb t)tetteid^t in bet jweiten auffiel , ift ba^ 
SWelobtam im jmeiten äft. $Da| e^ bon S5eetl^oben gleid^ an* 
fang« com^>onitt »otben ift , Betoeifen bie ßntoütfe , toeld^e fid^ 
unter ben ©üjjen finben, unb p>ax finb bie 2ln!Ionge an ba« 
SDuett im erften ginate ,,SBir muffen gleid^ jum SBerle fci^reiten" 
l^icr fd^on angewenbet ; bie fd^Bne grinnerung an bie Slrie gtore* 
ftan« bei ben SBorten „nein , nein er fd^täft" lonnte natürüd^ erft 
in ber testen Bearbeitung be« gibetio ^talj finben. S5ag Seet* 
^oDen ben ©ebanfen be« aWetobram« , »enn er i^n einmal gefaxt 
^atte , nid^t unauögefül^rt tief, t^erftel^t fid^ bon fetbft. S« ift ge* 
tt)i^ im Sal^r 1806 geftrid^en iDorbcn, toie fid^ barau« abnel^men 
läft , baf e6 nid^t aßein im Stabierau^juge ' -fonbern aud^ in ben 
©cconba'fd^en Stimmen fel^tt ; au« »etd^en ©rünben ift fteitid^ 
nid^t ciuiufel^en , aöein man »ar bamate f o auf« ©trcid^en ber* 
feffen , fcaf man nad^ ©rünben nid^t biet gefragt ju ^aben fd^int. 

Unb bennod^ toar e« »enigften« nid^t bie äbfid^t , jujei an* 
berc äRufifftfidte ganj ju ftreid^cn , bon benen SRie« erjäl^tt , ba| 
©eeti^oben fie nad^ langem SSBiberftreben *ißrei« gegeben l^abe, 
toorauf man fie l^abe au«f alten taffen, ba« S^erjett jtt)ifd^eu 
SWarcelline, 3aquinc unb SRocco ,,@in SDknn ift batb 
gewonnen" unb ba« Duett jioifd^en ?eonore unb 9Karcet* 
Itnc „Um in ber &ft fco^ ju feben".. 35a« Zticiinö) bon 1806 
jeigt bieünel^r , ba§ man il^nen burd^ bcränbertc f cenifd^e ®nrid^* 
tung nur einen angemeffenen ^ta| geben unb baburd^ befferc aBir=* 
fung fid^ern »joüte. Urf^jrünglid^ geratl^en SÄarcelline unb 
3 a cf u i n gteid^ in ber erften ® cene nad^ bem Duett in 3<inl, 
barfiber lonrntt 5R o c c o ju, tt)ei«t Saquino ab unb nun f d^Iie^t fid^ 
ba« lerjett an. 5Rad^bem f<>äter ^ijarro SRocco bergeben« 
jum SWorbe ju bingen berfud^t l^at , begegnen fid^ 8 e o n o r e unb 
aRarcetline unb in biefer <Scene flnbet ba« Duett jmfd^en 


248 Seonore ober Jftbelio ? 

bcifccn ©tatt; Sconotc Mcibt bann aßctn jutüd unb bereitet 
inxä) einen httjen SÄcnoIogil^re ätie i)ot; 3ti bcr Umarbeitnng 
t)on 1806 fommt nad^ bcm etften Duett jtDifd^en aRatccttine 
unb 3ciquino gteid^ 9{occo l^eraud unb leitet mit wenigen 
SBotten ba^ auftreten gib c Ho« ein; bie 3<*uffcene unb ba« 
STerjett fmb i^ier tt^eggef alten, aber im golgenben f d^Uefet fid^ 
an ba^ÜDuett jujif d^en ^ i j a r r o unbSRocco nad^ einem be* 
toegten 3Rono{og Seonoren« gteid^ il^e grofe 31 r i e an. 5Run 
erft tritt ÜKarce Hin e auf unb ii^r ®z\px&äf fü^rt ju bem 
ÜDuett itpifd^en beiben; nad^bem Seonore abgegangen« begegnet 
Saquino SDiarcedine unb fängt mit il^r ben ©treit an, ber, 
nad^bem 9iocco l^injugetreten ift, in bcmS^erjett, ba« l^ier um 
eine ©tro^jl^e Jjerlürjt ift, feinen äbfd^luf finbet. 3)a| beibe ©tudte 
1806 fo auögefüi^rt werben foUten, »irb unjmeifcll^aft burd^ ben 
Umftanb, ha% fie im Ätabierau«jug unb in ben®econba*fd^en@tim* 
men fid^ in ber juteftt bejeid^neten Orbnung t)orfinben , unb jtoar 
mit äLbfürjungcu gegen bie urf^jrüngtid^en Som|>ofitionen, bie nur 
in ber SBeeti^o^jen bamate aufgebrungenen ©d^neiber^^rofi« il^re 
SrKärung fiftben. ffiai^rfd^einßd^ tourbe unmittelbar bor ber Sluf* 
fül^rung , nad^bem ba« Sud^ fd^on gebrudt »ar, nod^ befd^toffen, 
biefe Partie ju ftreid^cn. !Die« mu§ man annel^men , ba bie (Sx* 
^l^lung i)on 8? i e « il^re SBeftätigung in ber brieftid^en Slcu^erung 
JRiJdtcte bei "S^aiftx (d^ron. S5erj. ® . 67) finbet, e« feien geftrid^en : 

1. a great Aria with chorus of Pizarro b. 1^. ber @d^(u| 

bc« erften ginale« in ber urf^rüngüd^eu ®eftalt ; 

2. a Comic Duo between Leonore and Marcelline with 
Yiolin and Violoncello solo ; 

3. a Comic Terzetto between Marcelline ^ Jaquino and 
Bocco. 

3)agegen aber erjäi^It S^reitfd^fe ganj beftimmt, ba| 1814 
bei ber Umarbeitung jum i$ibe(io 99eet^ot)en felbft bie ganje ©cene 
mit Sonett unb Sierjett entfernt ^abc , toeil fie bie ^anblung 
aufl^atte unb bie ^JJ^ufil ju fei^r concertm&gig fei ; iebenfaU« !am 
fie bann im gibetio nid^t mel^r jimt SSorfd^ein. 


, «tt^ng III. 249 

m^<m% III. 

!iDic oben ewäl^ntcn SBillet« üon SScctl^obcn finb an gr icbt. 
©cbaft. SWetct gcrtd^tct (geb. 1773, gcft. 1835), ber btc ättcfte 
©d^wcftct bon Sonftanje 9Jiojarttmb ato^fta Songe, 
»ctd^c ate SKab. §ofet bic etftc tönigtn bct 3la<Sft getocfcn 
war, in imxtet(S^t gcl^cirat^et l^attc. 3l^m »ar bic'atottc be« 
^ijatto jugcfallen, für bic et in feiner Seife genügenb toax. 
ÜDie ®iltet« finb unbatirt, bod^ ift beutüd^ , ba| bie f otgcnben bei* 
benfid^ auf bie *ißroben ju erftcn Slupl^rung 1805 bejicl^en. 

1. 
Sieber ÜRai^er! bad Ouartett t)om 3. Sttt ifl nun ganj rid^ttg, 
ma^ mit rot^em 93Iei^ift gemad^t ift, mug ber (So]>i(l gleid^ mit S)inte 
ausmalen, fonfl t)erlBf(i^t e^! 

^eute 9lad^mittag fd^ide id^ toieber um ben 1. unb 2. Wi, toeil 
id^ ben aud^ felbfl bur^fel^en toiH. 

3d^ !ann nid^t lommen, inbem id^ feit geftem Äoläfd^mcrjcn — 
meine getoBl^nlid^e ^anf^ett ^be. Sßegen ber Du))ertüre unb ben 
Änberen forg bid^ nid^t; mügtc e« fe^n, fo f Bunte morgen fd^on ?ffle« 
fertig fctjn. S)urd^ bie ietjige fatale Srifi« ^abt id^ fomctc anbere 
(Bai^ nod^ )u tl^un, ba^ i^ Mt^, toa^ nid^t l^öd^fl nötl^ig i% auf= 
fd^ieben mug. 

2)ein greunb 

Seet]^oi)en. . 
2. 
®ei f gut ! üeber SKa^er unb fd^idtc mir bie btaf enben 3u|lru= 
mcnte »on allen 3 SÖten unb bie SSiotin j>rimo unb 2** fammt S3io* 
lonjeH »on 1 unb 2 äften; aud^. fannjl bu mir bie Partitur fd^idten 
»oritt id^ felbp ©nigeö corrigirt, »eil t)ie am toid^tigflcn. 3)er ®e= 
^ bauer fott mir bicfen äbenb^egen 6 Ul^r feinen gel^eimen ©dretar 
fd^idlen »egen bem ^uett u. a. m. 

®anj bein 
SSectl^otjen. 


250 


^n^ang III. 


auf btc jtt)«tc «ttp^rung im 3a^t 1806 bejic^en fic^ btc 
folgenfcen ©tiefe , toic au« bct 6rti)&i^nung fcer Sluffit^tungdtage 
©onnabcnb« (^9, SKärj) unb ÜDohnctftag (10. %^vi) 
i^ewotgci^t. 

SieSer ÜRatjet. 

Saron Staun W^X mir fagcn , baß meine £)pet 3)onnct«tag« 
f oU gegeben »etben ; bie Utf a^e tootum toetbe iif bir münbßd^ fagen 

— xif bitte biii^ nun te<i^t fel^t, ©otge ju tragen, ba§ bie ßl^Bte nod^ 
beffer ptobitt »erben, benn e^ ifl ba« tefetemat tüd^tig gefel^ft tootben, 
aud^ mfif[en tuir ©onncr^tag« no(i^ eine ^robe mit bem ganjen Dt* 
duftet auf bem 2]^eatet l^aben , e« »at jtoat Dom Drd^ftcr nid^t ge* 
fel^tt toorben, ober — auf bem 21^ater me^rmal'; bo<i^ ba« mr ni(i^t 
ju forbetn , ba bie ^txi ju futj »ar. ^if mußte e« aber barauf an« 
lommen laffcn , benn 85. ©raun l^tte mir gebtol^t-, »enn bie Dpcr 
©onnabenb« ni(i^t gegeben toürbe , fle gar nid^t mel^r ju geben, ^if 
ertöarte »on beiner Än^nglid^feit unb greunbfii^aft , bie bu mir toe* 
nigjien« fonjl bewicfcn, baß bu aud^ je^t für biefe Dper forgen toirft ; 
ndif bem brandet bie Dper bann aud^ !cine foI<^ groben mel^t unb 
il^r fonnt fte aupl^ren, tt>ann il^r »oKt. ^ier jtoei Sudler, xif bitte 
bi(i^ Sine^ baöon ** ju geben. 8eb »ol^l, lieber SWa^er, unb laß bir 
meine ©ad^e angelegen fein . 

®ein greunb 
* Sectl^otjen. 

4. 

Sifbcr SWatjer! 3d^ bitte bid^ ^im ». ©etjfricb ju erfud^n, baß 
er ^eute meine £)per birigirt , id^ tottt fie l^cute felbp in bcr gerne 
anfeilen unb l^&ren , U)enig{tend toirb baburd^ meine ®ebulb nid^t fo 
auf bie ^robe gefegt, ate fo nal^e bei meine Söhtflf Dcrl^unjen ju ^o* . 
reu ! — 3d^ !ann nid^t anber« glauben ol« baß e« mir ju gldß ge* 
fd^iel^t. SSott ben blafenben Snjirumentcn toitt id^ nid^t« fagen , aber 

— baß aÖe^p, crescendo, äße decresc, unb alle forte, ff au« meiner 


^n^ang III. 251 

SDptt auögefhic^n; fte loerben bod^ aUe nt(^t gemod^t. (£d loergel^t 
alle Sttft »eitcr ©toa« ju fd^rcibcn, »enn man^ fo l^örcn foü ! 9Kor* 
gen ober ül^crmorgen l^ote id^ bid^ aB jum Sffen. 3d^ Bm l^eute »ieber 
übet auf. 

Dein greunb 
Seetl^oben. 
P. S. aßenn bic Dper übermorgen foöte gemad^t toerbcn, fo 
mug morgen toieber ^robe baüon im ^mrnet fein, fonfl gel^t e« 
aUe üToge f d^ted^ter ! 


252 


gtoreflattd 9lecttattt>. 


glotcftan^ atccitattt) in ©ecf^oöen« ctftet Bearbeitung i)om 

3a^t 1805, 


Violino I. 


Violino IL 


Viola. 


Flanti* 


Oboi. 


Clariuetti in B* 



^^m 


Fagotti. 


Gorni in Es. 


Corni in F. 


Tromboni Ten. 
e Basso. 

Timpani in 
' Es. A. 


Florestan. 


Bassi. 


dim. JPP ^ r 


.^. dim^ fp'p 


l 


Zf^-ipt-^OL 


t 


dim. fpp 


W^W^fWS^ji^i^ 


tt 


dim. fPP 




p 


m 


^ 


^S 


m 


fcz:* 


-t I i I 

dim. J^^ 


S 


^Ö 



dim. ^^ 


SlorefianS Sitcttado. 


253 


I 


i^ 



-a^-^a 



^ 
^ 


■O' 


^^m 


T-ma^na^ 


na-' 


te 


ftö^ 


^ 


1^ 


^ 


i=Bt- 


^-- 5g ^pj 




% ^ 


< — I — r-+ 


1 jo>h I 




I 
I 


^ 


+ — »^ 1^ — 


^ 


Corni in F. tac. 


tettj. 


^ 


I 


^^^ 


i 


■i 


Ite?^ 


N— -fir 


S 


■#i---? 


i i #^-» 


=t 





@ott!n)eld(f2)utt!e 


if'ml 



254 


StoTejlanS 9ttcttati». 


jl^^ 


1 


fc* 


B 


t 


l^E^ 



ÜO' 


i 


^ 




^ 


^ 


fcfc 


m 


P 


i* 


^ 


I 


tk 


N 


i 


i 


^^1 


i^B 


15^ 


at 



F^^?^ 


:=«: 


W 


^? 


« 


^C r i £ ^B 


1^^ 


ö!^ 


^6^^^ 


gtaU'cmboWc ©tiHc! 


Oebift e9 ummid^ 




# 


gloreflanS Slecttadb. 


255 



m 


^^ 




fct= 


$ 


\> — — 


^ 


^ b i ' i> - 


CE 



=1= 


1: 


i 


t 


^ar-^-. 


cjt I tai"^ iK; 


i 


^5 


t^ 


S 


*tt* 


H-t 



^*-*"*- 


^ 
^ 


xa 


i^3 


d 


^er ! nlAt», aä) ! nid^tö k« bet au>ger mii 


-*»-*»- 


«fe|fe=t: 


tp^^illdiEE^i 


*P 


t 


256 


StoreflanS 9ttcttattb. 


i^ 


» .iiafe^*^ ! 


t^;=^=JK 


^ 


m — •- 




-^ 


er esc. 



i^ 


cresc. 


^ 


"^c^- 




-^ j^ Q -* 


i 


I* 


^ 


=} 


fti^^ 


itizdt^z?^-: 


cresc. 


^ 


;B 


^:^ 


S 


-** 1»- 


P 


\^t-^ yil^^y jj ^- 


-** — **- 


i 


*»*-x* 


^E^^ 


^'t^'^7 . 


*i 


a ^^^ 


-1« — **- 


1 


5g 


4-lltf 


"fe 


T 


?= 


-*« 1«- 


fe 


AZx 


|S5 


fefc 


^^ 


5±=« 


+ — *»— *s. 


g | } g y » 


»-r >^ j g 


O fd^hjcrc $rü»fung ! 



1^ 


®0(^, Vcll. 

-5 — f r ■ 


cresc. 


gloreflattd Stecttattt». 


257 


( 


Se 


Pill moto. 


^ 


P=S 



:?: 


*: 


g 


an» 



Hl 


^z T-i i M-iHf-r y^Ht 


rs 


3g:|j *-r**T**"n^T^? r 


rt»=g:|^^g^J'^gHt^-ff? ^ fr f'r-? ^ ^-j r -pt 


Ä 


:j 


^ 


1 


^ 




^ 


P 


f 


S 


I 


m^ 


m 


sE 


^^ 


-#*~ 


m 


if' i r - 


t 


-*- H 


^- 


T-^ 


ho6f ge « xtä^t 



ifl @ot « te« 




i f# y-«n^"*~ri^'«nq 


3a M / ^uffäj^e über ID^urtf. 


17 


258 


^lorefiatte Siecitatit». 


#fe^9^ 


< 





- a44U4-ai-3— i j-*^ 


^ 


-f^— I 


:H-^ 


|:^tf^gzf:jt|:j£?:gi|::ity^ 


-<* 


* 




^ 


$ 


t 


$ 


^1 


^ 


I 



at 


■H 


i 


# 


s 


■M-5 


% 


t=tc 


5: 


izatzc 


SSil'Ie, td^ ntui • Tent^t,bae9Dtaag ber Seiben ße^t bei 


B: 


!» 


J^ 


, . 4— f* ^ -4 ^^ - * ■ - 

^ Basso. 


glorcjlon« 9l€citatiö. 


259 


( 


1^ 


"HiJ" 


Adagio. 

fei 


:t=:f 


1* — 1*- 


tt 


crese. 




ltfc*=3: 


* 


i 


4=t 



,1 ji cresc. 


Irilife 


t^=3: 


*i 


:W F=^ 


i 


i: 


■TS " 


t 


k 


inB. 


i 


4- 


-I»— =f 


j . ."^ ^^ 


iPäP 


^ r ^, 


^S 


fe 


-«M^- 


S 


-#*- 


I 


1 


in Es. , I 


?^^ 


^ 


5^ 


Pf»-»- 


I 


1 


S^^^ 


i 


at: 


fö 


hk 


tt- 


3^ — 


* 


Violone. e. Basso. 
3: 



cresc 


17* 


93eet^oücn im 9Walfajien^ 


3Sor Surjem ta^ man in bcr Söfnifd^cn ä^^^^^S ' aßerbtng^ 
befd^ctben ntttcr bcn Snfetaten i^erftccft, fotgenben Keinen 2luffat5 : 
Sine 3Ituftration ber Symphonie pastorale. 

*2)üffeIborf, 7. gebruar. 
„Sefccnbe ©ilber finb üon {e l^et eine gro|e Sieb^berei ber 
©üffeftotfer tfinftler gewefen, unb fie l^aben in i^ter SJatftettung 
eine eigentl^üraüdj^e ©efd^itflid^feit au«gebilbct ; nirgenbwo üetftel^t 
man e^ fo gut , »ie in Düffetborf , biefe maletif^^tl^eatratifci^en 
!Darftefiungen ju, einer SSottfommenl^eitxu bringen, xotiä)z fctbft 
ben ernfteren fiuuftfreunb erfreut unb überrafd^t ; nirgenbttjo aber 
a\xä) l^at moii bi^fe^ urf^^rüngtid^e ®efefif(i^aft^f^)iet mit fold^em 
©fer unb- iSmft üon njirflid^ fünftlerifd^em ©tanbpunfte au« er* 
fa§t. 5Die groge S^rtigfeit ber S5üffelborfer 8anbf(i^aft^ma(er in 
becoratit>er 2Katerei trägt fel^r üiel jur SSoüf ommenl^eit bie* 
fer 3)arfteßungen bei , tpeld^e üor einem größeren' publicum 
unb unter weniger befd^ränften Umftänben fid^ iebenfaß^ einen 
nod^ tt)eitcren JRuf ertporben l^ätten, toie fie i^n fd^on befifeen. 
3Kan i)at fid| fd^on t>ox 3a]^ren nid^t mel^r bamit genügen taffen, 
nur l^übfd^e ©ituation^^ unb Softumebilber nad^jual^men, — man 
]^at fid^ an großartige unb ernfte fiSerfe gen^agt unb Dinge ge* 
teiftet, tt)eld^e in S3ejug auf bie med^anifd^e Önfcenefefeung ben 
größten S^^eatern ßl^re ma^en mürben. ®ei ijerfd^iebenen giften 


1) Mg. mn\. Seitung 1863 @. 293 ff. 


©cctlfiotoctt im SWalfoflcit. 261 

unb ®clcgenl^ctt^*2(up^rungcn ^at bcfonbcr^ ber Äünftleröercm 
,,ÜWat!aften" mit feinen reid^en unb mflf eiligen fünftterifd^en ^äf* 
ten öiel ®c!^8ne^ 'gefd^affen, öon toeld^ent ntan mit Sted^t bebauetn 
fann, ba§ e« i)on fo Inrjer S)auer ift.'' 

„5Weuerbing^ aber genügt ben SKeiftem in biefem gad^e baö 
genjö^ntid^e lebenbe ®ilb nid^t mel^r, — man ift ju einer SIrt ijon 
^atbbtamatifd^en Darfteüungen übergegangen : »ed^felnbe @xnp* 
pen unb tt)anbe(nbe ©ecoraticnen mit mufifatifd^er, mand^mal and^ 
beclamatorifd^er ©egfeitunlj. 3n biefer Söeife ift (Snbe Vorigen 
äHonat^ , bei ©elegenl^eit e.ine^ ?fefte^ ber SünftIer«StebertafeI in 
Düffetborf, eine Sünftration ju Seet^oben^ ^aftorat*®^m<3]^onic 
bargefteüt ttjorben in einer 9?ei^e ijon benjeglid^en lebenben SdxU 
beni, in ttjeld^en ^>antomimifd^ unb materifd^ bie Situationen er* 
fd^einen, »eld^e ber 2!onbid^tung jum ®runbe (iegen." 

SBie bie <Sijm^>]^onie , jerfiel aud^ bie I)arfteltung in brei 
§au<3tt]^ei(e. ®a^ erfte Silb bringt eine l^eitere ®ommcr*?anb* 
fd^aft in SD^orgenbeleud^tung, Un!^ rozxU gerne, red^t« eine S3aum* 
gru<3^>e mit einer ttjeibenben §eerbe unb il^rem f)irten. <Sd^nitter 
jiel^en ^eran unb bie grnte beginnt , ber T)orf<3faner tritt l^erju, 
eine ftäbtifd^e i^^mitie lommt (uftn^anbelnb l^eran unb tagt fid^ nad^ 
bem ®orfe tt)eifen. ®er äßittag unb ber 9lufbrud^ ber ©d^nitter 
fd^tiegt bie erfte Silterreil^e. ®er ^toeite ®a^ beginnt , unb bie 
Sanbfd^aft berwanbelt ftd^, inbem fic fid^ leife feitmäm jiel^t, atö 
brel^te ber iöefd^auer fid^ auf feinem ®tanb^)unfte ^erum; ein 
reijenbe« Zf^ai jtoifd^en tt)a(bigen §B^en, ijon einem luftigen 
SJad^e burd^5ogen , fd^attenbe SSäume, burd^ bereu Saub bie ®on* 
nenftra^ten blitzen ; l^oljlefenbe Sinber erfdl^einen unb f<)ielen am 
Sad^e ; bie ©täbterf amitie fommt ^eran, bie ßltern lagern fid^ im 
©d^atten, ein junget 8iebe^^)aar fud^t Stumen unb fängt ©d^met* 
tertinge , lagert fid^ enbtid^ ju ben gltem in^ ®ra^. SKit einer 
rui^igen, ibijßifd^en ®ru^><3e fd^üegt ber jtoeite ®äfe. S9eim britten 
©afee finben foir un^ mitten im ®orfe ijor bem fiSirtl^^l^aufe, tüo 
bie Sauern luftig tanjen , ©treit unterbrid^t ben %ani ; er tt)irb 
gefd^lid^tet unb ber 5Eanj beginnt t)on neuem , aber ba^ ®en)itter 


262 ^ttt^oitn im 'SHaita^m, 

brid^t l^ctctu. Slfie gtguren tjerfd^tptnben unb nur bie cntf^Jted^enbe 
niaterifd^c ©arftcüung begleitet feie 3Kufif. I)a« ®ett>tttct jicl^t 
öorübet, eö^eigt fid^ ein ^Regenbogen, einjetne Sanbteute treten 
ouö il^ren §anfem l^eran, bie ©onne finft unb beleud^tet nod^ gu« 
le^t baö l^ol^c Sird^cnbad^ , ber Pfarrer tritt l^crju , unb »ie bie 
äbenbglode l^erüber tönt, beten oüe ben Slbenbfcgen. S)amit 
fd^Ue^t bae ©anje." 

„3Öenn eine ©arftettung tt)ie bie gefd^Uberte öon ernftenSDiu* 
fiffreunben aud^ melleid^t aU eine ben 3ul^örer jerftreuenbe @^)ie* 
terei betrad^tet »erben mag, fo bot fie bod^ bem Unbefangenen 
einen toirflid^ erfreuenben, begeifternben ®enu§, um fo me^r, ate 
bie ganje äup^rung im l^od^ften Orabe gelungen toar. S)ie tjor* 
treffßd^en lanbfd^aftlid^^en Decorationen ttjaren t>on O^njalb 2ld^en* 
bad^ mit feiner getoßl^nlid^en 3)2eifterfd^aft gemalt, bie SKafd^inerie 
l^atte Dtto SßJinbfd^^eib gefd^affcn. I)ie Seitung be« (Sangen ^tte 
aWaf §e^ übernommen , öon toetd^em anöf ba« f cenifd^e Sirrange* 
ment unb gctoifferma^en bie urf<)rünglid^e Som^ofition ber gan* 
gen 5lufffil^rung ausgegangen ü?ar." 

Sollte bie ©d^itberung beS Unbefangenen nod^ einen 3^^^!^' 
übrig laff eu , ob toiröid^ gu biefen nid^t bloS tebenben , f onbern 
toanbetnben 5Bitbern bie ®eet]^oöen'fd^e <Stfmpf)cnk »ottftänbig 
aufgefül^rt »orben fei, fo mu^ leiber conftatirt »erben, ba^ ipirf* 
lid^^ im aWaöaften eine üoüftänbige Drd^efter^Slupl^rung ber 
^aftoralft^m^jl^onie auf fold^e äBeife iüuftrirt »orben ift. 

®a§ unbefangene S^^^Srer, meldte fid^ fetbft l^armloS ernften 
üKufiffreunben gegenüber ftefien, erfreut finb, »enn i^nen bie 
SKü^e be« anhören« burd^ ba« 3"f^^^n erteid^t^rt »irb , unb bie 
35erIop^)rtung ber ÜKalerei mit ber ÜÄufif o^ne »eitere« atö eine 
9Serbop<?eIung be« ©enuffc« banfbar annci^men, läßt fid^ begreifen. 
®ie »erben e« »al^rfd^eintid^ nur ate eine angemeffenc Steigerung 
ber SBirfung auf Unbefangene anfe^en, »enn g. 58. ber SSogelge* 
fang au« bem Drd^efter in bie ?anbfd^aft J^erfcfet , bem Donner 
beim ®e»itter burd^ entfpred^enbe SKafd^inen, ben frommen 
ßm<>finbungen burd^ ©lodEeugetäute l^iuter ber 8eine»anb nad^ge* 


^tttfyot>tn im 3)kff afteit . 263 

l^tfcn mürbe* 3a, für fie fönntc \xä) bcr ©cnug »erbrcifad^cn, 
tpcnn man anä} bcn ©efd^macf uid^t leer audgcl^cn ließe. ®a^ 
örmad^en l^eiterer Smi>finbungcn Kirnte burci^ einen guten ©iffen 
nnr gefßrbert »erben, bie ©cene am &a^ ö>ürbe bur^ eine Jaffe 
Saffc angenel^m belett, nnb »ie toürbe eine ©d^ate frifd^er aWiI(J^ 
bie ban!baren ©efül^Ie burd^ bie grenbe barüber erl^öl^en , ba§ fie 
bei bem »otangel^enben ©ewitter nid^^t,' tt)ie bei bem »etlanb SSog* 
ter'fd^en, faner gemorben Ȋre ! 

®od(^ oi^ne @d^erj ! ©iefe^ publicum, njeld^e^, bei ö&üigem 
SDIangel an ®inn nnb ©iteung für Sunft , für feine ©ud^t nad^ 
ßerftreuung ba^ Sln^^ängefd^ilb ber Unbefangenl^eit gebrandet, l^at 
genug an bem ©oetl^e'fd^en 

SBic mtb h)o i6) rtilä) Vergnüge 
TlaQ c0 immerhin gcfd^el^en. 

Slud^ ift bei bem großen Slp^^arat , ben fold^e 3Sergnügungen »er* 
langen, nid^teben ju beforgen, baß fie in meiteren Greifen ben 
©efd^madf öerberben. Slüein roa^ bie <Saä)z ernft^ft unb in ge^ 
njiffem ®rabe ju einer sigiiatura temporis mad^t, ift ber Umftanb, 
baß emftl^afte Äünftler , Huftier t|on 9iamen unb ©ebeutung in 
f old^er SBeife mit einem großen ^unftü?er! umgel^en , o^nc fid^, 
XDxt e^ fdöeint , barüber Mar ju merben , baß fie e^ in feinem in* 
nerften SSJefen ate Äunftmerf angreifen unb aufgeben. 

Senn bie ©üffelbcrfer Sanbfd^aft^maler in Srl^olnngöftunben 
i^te „große gertigfeit in becoratit>er 3D?aterei'' aud^ gur Unterl^al* 
tung i)on Unbefangenen öernjcnben njoßen , f o ift barüber nid^t ya 
redeten : icber !ann feine perlen — »erfd^enfen. 3« ötten ^txtm 
l^abcn große unb geniale Äünftler eine greube baran gefunbeit^v in 
Sluf gaben eine« .l^eiter erregten Slugenbtidt^ f<)ielenb Äraft unb 
Saune ju bewäl^ren, unb mnn fie übermütl^ig toeber fid^ nod^ an* 
bete, nod^ bie SBürbe ber ^nft fd^onten , fo entfd^äbigt ober ent*' 
fd^ttlbigt bie üb'erf^)rube[nbe traft. Slber ^ier l^anbclt e« fid^ nid^t 
um eine geniale Saune , fonbern um einen ernftlid^en , mit einer, 
man m&d^te fagen, ^)l^ififterl^aften Sorgfalt aufgeführten 23erfud^, 


264 53cct^^Döcn im 2Rattoflcn. 

ein mufilaüfd^c« tunftiDct! burci^ ntolerifd^c« Seither! in feiner 
ffittfung ju cti^öl^en. 

Sebenbc 83ilber mit SKufif in SSerbinfcnng jn bringen , ift 
jwar teine^n>cg^ ettoa^ 5fleue^. 9ltlein man l^at bann bic 9D?ufif 
angctt)enbet, nm bie ©tintmnng ^eti)i>rjurufen , in tt)el(i^et ba^ 
S5ilb angefd^auct werben fott; je püd^tigcr ber STOoment be^ 
©el^en^ ijotübergel^t, um f c me^t »ünfd^te man ben (Sinbntd burd^ 
bie entf^Jte^enbe ©timmung ju fi(3^ern nnb jn loerftärlen. iDeöl^att 
»irb benn aud^ meiften^ ein angemeffene^ 9Kuftfftü(f borl^er au«* 
gefül^tt . atö SSorbeteitung auf ba« ®(i^auen ; baffette , »ä^renb 
ba« S9ilb fic^tbar tt>itb , f ortbauem ju taff en , ^t f d^on ©ebenlen 
— je n)irffamer e« ift , um f o el^er tt)irb e« ben Scfd^auet jev«^ 
ftteuen. 3etenfatt« »itb l^ier bie mufifatifd^e SBithtng nur atö ein 
.Slnalogon für bie materifd^e .l^erangejogen ; fie foü nid^t baffetbc 
nod^ einmal nur in anberer gotm auöbrüd en , ma« im Silbe jut 
Slnfd^auung gebrad^t toirb , fcnbetn üerwanbte @m^)finbungen er*^ - 
regen unb^ baburd^ bie SSBirfung ber üKaterei borbereiten , terftär* 
fen, inncrlid^cr mad^en. 

' 3)er ^aftoraIf^m<)^onic gegenüber aber l^atte bie äßaleret 
fid^ biedmat eine anberc 5lufgabe geftefit. ©eetl^cben ^t e« felbft 
berratl^en , ba§ bic Sinbrüde be« 8anb(eben« ben Slnta§ ju bicfer 
@ijm^>]^onie gegeben l^aben. S)a fo mand^e«, »a« in ber Statur 
^[ang unb Son l^at, ^ier jum fünftterifd^^ SWctib tt)iebergeboren 
ift , mod^te er e« angemcffen finben , anjubeuten , ba§ ba«- nid^^t 
jufättig, nod^ unbewußt fei, tpobei er fid^ benn aud^ um ber 
©d^wad^en »iüen bcrma^rt l^at, ba§ er nid^t ^abe malen tt)otIen, 
fonbern @m^>finbungen au^brücfen. 3Benn nun ein Sanbfd^aft«* 
maier, ber mufifaüfd^en Sinbrüdten jugänglid^^ ift, burd^ SSeetl^o* • 
Den« ÜWufif ftd^ fo angeregt fügten foüte, ba§ er -au« biefer ®ttm* 
mung l^erau« ein tonbfd^afttid^« S3itb ^)robuciren tooüte, fo »äre 
bagegcn fid^ertid^ nid^t« einjutoenben. ättein fo genjt^ er ein 
ttjai^rer Huftier ift , f o gewig wirb , wenn er an bie ßom^)ofition 
unb an bic 3lu«fül^rung be« ©übe« gei^t, bie Statur felbft, \s>t\i^t 
für il^n bie erfte unb cd^te Queüe ffinftkrifd^er Sonce|)tion unb 


8eet^oben im SRalfaflen. 265 

bei aöcn IDctatlftubten SSotbitb unb ®cfcfe tft , ntd^t minbcr aud^ 
btc eigcntpmHd^cn 35orou«fc^ungen unb ©cbtngungcn, an tt)c(d^c 
ein Ser! bcr 3Äa(crci — tnfofcrn c« eben ein matertfd^e« tunft» 
n?ctf — not]^tt)enbtg gebunben tft, über jene muftfaüfd^c Stnregung 
f entf d^tebcn bic Öbetl^anb gewinnen , ba^ feine ?anbf(^aft fici^et 
nid^t ate eine eigentlid^^e 5Re^)Tobuctton etne^ ©eetl^oijcn'fd^cn 
®t^m^>^oniefafee^ toirb gelten Wnnen. SÖiag bte ßrtnnerung baran 
für i^n SBertl^ bel^alten , xotxi pc il^m ben fub}ecttt>en ätu^gang^* 
<>itnlt feiner ffinftterifd^en S^l^ätigfeit bejeid^net : objectit>e ©ettung 
für bic Sluffaffung feiner fünftlerifd^en Setftung lommt il^r ntd^t 
ju. 9)?an lantt breift be]^au<>ten. Je beffer x^m fein SBerl gelungen 
i^ , um fo weniger njirb ein ntuftlafifd^er Sefd^auer be^ ©übe« 
fici^ etwa an beftintmte ©tetten ber ©^m^jl^ontc , ober übcri^au^Jt 
an biefc erinnert finben. 3Benn ein burd^ fd^ö^jfertfd^c ©egabung 
bcr iöeeti^oijcn'fci^en 9iatur nal^c beriDanbter Sßater eine 8anb* 
fd^aft im ®emätbc »icbergäbe , ol^nc ijon 3Rufi! etwa« ju tDiffen, 
bann »ärc e« nod^ cl^er benibar , ba§ fic ben muplatifd^cn Sin* 
brudt ttjieber l^eröorricfc , tt)eil bte Uebereinftimmung ber ^joetifd^* 
<)robuctii)en 5Ratur in »erfd^icbenen Äünftlern analoge 3leu^e« 
rungen unb SBirfungen l^ertjorbrtngen voirb. äöein n>a« »äre ba« 
bann mcl^r atö eine intercffante (Srf c^einung ? 3Bcr »trfüd^ für 
bic Äunft ober aud^ nur für eine Äunft em^)f ängtid^ tft , bcr tt)irb 
jcbc« Äunfttoerl atö ba«, »a« e« an ftd^ ift, auffaffcn unb auf fid^ 
wirlen taffen, ba« SSitb atö Sitb unb bic ®^m^)]^onic atö @^m* 
<>^onic. S)ie ^Reigung unb bic f?äl^ig!eit , bei aüem 3W8gIid^en wa 
aüe« üRögttd^c ju beulen , tft eine für ta« lünftlertfd^e ®enic^en 
l^öd^ft gcfä^rüd^c golge Dielfeitiger ©Übung. 

®o l^od^ gegriffen loar aber biefc Aufgabe gar nid^t einmal, 
^icr tt)ar e« offenbar bic Slbfid^t, geujiffermagcn tanbfd^afttid^e 
©über JU rc^>robuciren ; tt)ie fie iSecti^oben ben 3m^)utö ju feiner 
mufifattfd^^cn @d^ö^>fung gegeben l^abcn fonnten , burd^ ben äfn* 
bßd berfeCben bie 3ntentioncn be« ßom^>oniften i^ertorjui^cbcn 
unb au0 ber fd^manfenben Dämmerung ber 2^8nc in ba« Marc 
Sid^t bcr götben ju tjcrfc^en. Der SWater tootttc bcr *35oImctfd^er 


266 ^eet^oi^en im WtaUa^tn, 

be^ 3Rufifcr^ »erben unt) untcrnai^m bad SBagftüd, feine Deutung | 

unmittelbar mit bcm Original ju wrbinben ; tt>ie tt>enn ^emanb, * 
tt>ä^renb auf ber Söül^ne ein ®^afcf^)eare'f(^e« Drama englifiJ^ 
gef<)telt ti)irb , im "^Jartcrrc ju 5reu| unb Kremmen berer , »etd^e 
nid^^t folgen fönnen, bie ©d^Iegef fd^e Ueberfe^ung borlefen »ollte. 
(Sin \oi6ft^ Unteniel^men ift j>on ®runb au^ öcrfel^Ü unb mu§ im 
(ginjetnen ju f(!^timmen SÖiiggriffen fül^ren. 

©anj abgefel^cn t>on ber ßinfüi^rung be« Dorfpaftor«, ben 
Sltemanb aM ber ^aftoratfi^m^jl^onie l^erau^i^ören toirb , ift bie 
3nter^)retation be« ©d^crjc in biefer SScrför^jerung bod^ eine ftarfe 
3umut]^ung an ben guten Oefd^mad . älterbing^ ift e^ eine »er* 
breitete STOcinung, §Beet]^ot)en l^abe in Dem ßmifd^^enf a|e be« ©d^erjo 
in Vi einen ©treit unter ben Sianjenben barfteüen tootten. 3n Sien 
l^at fid^^ auä) bie ®age baju gebitbet unb tocalifirt, 3n ber Stalle 
üon f)eißgenfreuj jeigt man ba^ äöirtl^dl^au« , an bem ©eetl^oJ^en 
ganj erfüttt toon ^aftoralgebanten i>orfibergegangen fein f oü , al« 
grabe ein ®aft unter luftiger 3:anjmufif an bie ,8uft g^fefet »urbe. 
@d tt>ar ber S^gottift bed länblid^en Drd^efter, ber unfanft öcr bie 
3:^ür gebrad^^t »urbe unb , nad^bem er fid^ unb fein 3nftrument 
auf gef ammelt , im SQSeitergci^en unnjilßiirlid^ an ber ^)affenben 
©teile in bie nad^fd^allenbe ÜBufil feine iöa^noten l^ineinblie«, ttja« 
ftd^ benn ©eeti^cöen njol^l merfte unb in feiner @^m<>l^onie an^ 
brad^te. @o »irft bie fagcnbilbenbe traft nod^ l^eute fort unb 
bid^^tet au^ ber un»iberfte^lid^ l^umoriftifd^en SSJirfung jener föft* 
lid^^en ©teile eine ßrjä^lung ^erauö, bie burd^ bie lomifd^e ©itua* 
tion bie äBal^r^eit iene« braftifd^en ßffect^ anfd^aulid^ madft 3Ber 
ba« nun für baare SWünje nimmt unb ba^ loal^re äJcrftänbnife ber 
SKufi! erft burd^ ben ©lauben an ba« i^iftorifd^e gactum fid^ ju 
»erbienen meint, ber »irb l^offenttid^^ burd^ feinen ©lauben ' 
feiig. 3Ber aber »äl^renb ber ©eetl^oöen'fd^^en ÜKufil in usum 
delphini eine Prügelei arrangirt, unb ba^ gar jmeimal, »enn ba^ 
©d^erjo toteberl^olt wirb , »a^ für ein ä^wö^iB [teilt ber fid^ au« ? 

Ueberl^aupt aber fü^lt ja jeber, ber mit einigermaßen fei* 
;iem ©inn für f ünftlerifd^^e SBirfung begabt ift , baß burd^ biefe« 


©et^oöcn im 9Ka«afteii. 267 

unmtttcttarc ^inrücfen bee {Reden neben bte burd^ ganj fcefon* 
bete Drgane utmxMtz SCuffaffnng nnb ©arfteltung beffelben, 
anäf ti)o nid^t gerobeju fel^Igegriffen ober ofijn berb bteingefd^Iogen 
»irb, iebcnfaltö ctoa^ Ueberflüffige^ unb ba^er bte eigentüd^e 
SBirfung ©eeinträd^tigenbe« gefd^tel^t* T)te aWufif, toetd^c fid^ un* 
mittelbar an bte Sm^jfinbung »enbct, l^at notl^njenbtg einen f^nt* 
botif d^en Sl^araftctv ber nm f o ftär!er i^erüortreten ntn§ , mxm fie 
in ben ÜKitteln il^rer ©arfteüung realiftifd^ erfd^eint. ®o erfd^üt«' 
ternb bie SBirlung bc« ®ett)ittcr^ in ber ^aftoralf^m^i^onie bnrd^^ 
i^re anf bent tebenbigften ^latnrgefül^I nnb ber feinften Seobad^* 
tnng berul^enbe SBal^rl^ett ift , fo ift ba« bod^ nnr bie eine ©eitc 
berfetben. 35a^ tief ßrgreifenbe liegt barin, ba§ ber ganje SSorgang 
jugteid^ nnb »efenttid^ ein ^)f^d^ifd^er ift, baß bie brücfenbe ©d^toüle 
ber (grmattnng , ber fid^ er^ebenbe unb biö jum Stafen gefteigerte 
Sam|)f miberftrebenber Elemente, bi^ eine fnrd^tbare ßj^}lofion 
SBfung nnb Slämng bringt , — baß aüeö biefe^ atö im ©emütl^ 
em^)fangen unb burd^gearbeitet erfd^int unb ebenfo anäf »irft. 
ÜDie mnfifalifd^e ©arfteüung be^ ®ett)itter« ift aber nid^t etnja 
ein Söifc, ein ©leid^niß be^ inneren ®eeten!am^)fe«, fonbern beibe 
i5actoren finb jn einem ©anjcn untrennbar öerfd^moljen , bie mu* 
ftfalifd^e SBirlung bepl^t auf ber gleid^moßigen ©d^mebnng jtoifc^en 
beiben ^olen. 3Ber nun ben ®d^U)er<)unIt Derrüdt, inbcm er auf bie 
eine unb nod^ baju auf bie ©eite be^ äußerlid^en Sffecti ba^ größte 
®ett)id^t legt, jerftört bte eigentüd^e Sirhtng. @o »enig ein mu* 
fttatifd^ ßntpfinbenber, »cnn ein ©emitter am §immel ftel^t, vm 
bie Söirhtng beffelben ^)oetifd^ ju em^)finben, mit einem guten 
greunbe bie ^aftoralfi^mipl^onie i)ier-^änbig f<)ielen »irb , fo »enig 
lann er ju bem erfd^ütternben ©d^tag in ber ©^m^Jl^onie einen ge* 
matten ober SöIo^>]^onium«bli| aU eine Steigerung be« ßffect« 
anfeilen, fonbern nur ate ba«, ma^ e« ift, eine ^tatitube. 

3Kag inbeffen immer-^in bei ber Slu^fül^Tung beö (Sinjelnen 
mand^er S>H ^ ^^^ i" ^^^^ SRibalität beiber fünfte l^erau^jufor*^ 
bem fd^ien, mögen bann mdf einzelne gute SinfäUe unb gelungene 
Effecte getäufd^t unb öertodtt l^aben : unbegreiflid^ bleibt e« , baß 


268 S3cet^>oi5en im SÄattaflcn. 

Äünftlct ntd^t btc (Stnji(^t l^attcn ober bo(3^ »äl^renb bct äu^* 
fül^rung ^ztoanmn, ba^ kibc fünfte grunböerfd^tebenen '^rinct^ten 
bet ®cftaltung folgen/ fo ba§ i^te 2Berfe nie in fot(3^er SBetfe ein* 
anbet becfen fönnen. S^ folgt ba« natürti(3^ mit 5Rot]^tt)enbigIett 
on« brt SSetfd^iebenl^eit ber ©inne, ^an tocfd^e fic gebunben finb; 
bie SWnfil »irb aümäl^üd^ gel^ött nnb aufgenommen, ba« ©cmälbc 
in einem »tid üfcerfd^aut , bic Jotolität be« ÜKuflfftüd« fcaut ftd^ 
in ber äuffaffung be^ §5renben'fucccffit> auf, ber S^otaleinbrud 
be^ ©emälbe^ ift momentaii beftimmt — bie ©cbingungen ber 
Sompofition im ©anjen nnb Sinjcinen muffen alfo für beibc 
fünfte ganj loerfd^icbene fein. Sin »efentlici^e^ 3Äoment für bie 
mufifatifd^c ©arfteüung — um nur bie^ Sine ju berühren — ift 
bie ©iebcrl^olung. SBer fid^ ein iKufllftüd ; öom einfad^ften bi« 
jum com^)ficirteften , ctn?a« genauer barauf anfielet, ber nimmt 
gleid^ »al^r , n)ie nid^t aüein bie ©tructur be^ ©anjen auf ber 
SBicbcr^oIung ber S:i^ei(e, ber 5IWeIobien u. f. U). berul^t, fonbem 
loie aud^ in ber SSel^anblung be^ Sinjefnen bie^ '^rhtci^) maag^ 
gebenb »irft, ba^ Srflnbfam!eit unb ©efd^idlid^feit be«.3Keifter« 
fid^ tjorjugdtoeife in ber ^anbl^abung beffelben benjäl^rt , ja bap e^ 
nid^t feiten öon bem fd^affenben Äünftter unbettju^t jur (Seltung 
gebracht njirb. 5lüerbing« l^anbett e^ fid^ babei nid^t um bie nadtte 
©ieberi^olung , contrapunftifd^e unb l^armonifc^e 3ßittct aüer ärt 
»erben toitffam gemad^t bic ©ieberl^olung jur ©teigerung au^* 
jubitben , immer aber bleibt baffelbe ©runbprinci^) ber müfilafi* 
fd^cn Organifation in fraft. ÜDa« ®efeft ber Symmetrie, n)cld^e« 
in ber bilbcnben fünft t>om ftrcngen ^araücß^mu« bi« jur frei be* 
toegten Surl^tl^mie roaltet, berul^t jtoar ouf bemfctben ®runbe, au^ 
bem aud^ bie 5ßormen ber muftlalifd^en ©tiebcrung l^erDorgcl^cn, 
atteinbie bicfer etgentl^ümlid^eäBieberl^oIungfud^t bie bilbcnbe fünft 
i)ie(mc]^r ju ijermeiben. äud^ ba, tt>o pe an bic ftrcngen formen 
ber ärc^itcftür gebunben ift , ftrebt fie , fobalb fic ftd^ über bae 
Ornament erl^ebt , fid^ öon bem ^txxin^e ber SBiebcr^oIung ju bc* 
freien unb ju fetbftdnbiger tebenbiger ©eioegung im ®anjcn »ie 
im Sinjelnen ju gelangen , um boburd^ bie ftarre 5Rege( ber ®^m* 


9eett»o)9en im SO^aSafien. 269 

ntetrie gu umKetben, am metften bte Sanbfij^aft^malerei, n>e(d^e in 
bct fünftlcTtfd^cn Sluffaffung unb äBicbcrgabc bcr Siatur bte größte 
grei^ett gewonnen ^t aBcnu fie baburd^ , »tc tnxä) ben Slu«* 
btud ber ©ttmmung, ate \i)X bcfeelcnbc^ ^rinci^), bcr 3nftrumen* 
taünufif am näij^ftcn Dcnoanbt erfc^cint , f o mu§ fic um f o ^or* 
fid^ttgcr fein , mit bcrfetben eine unmittelbare SSerbinbung einju* 
gc^en; benn je tiefer bie SSernjanbtfd^aft begrunbet ift, um fo 
fci^ärfer treten bie 23erfd^ieben]^eiten l^eröor, »ctd^e beibe tünfte in 
ber Slntoenbung ber (Sefc^e unb in ber ^anb^bung ber ÜRittet 
eben tvLXäf xi)Xt felbftänbige (Sntti)i(felung offenbaren muffen. 

3Ber mufilalifd^ begabt unb au^gebilbet ben f(ä^önen Organiö* 
mu^ ber ^aftoralft^m<)]^onie bi^ in ba« feinfte !CetaU feiner ®fte* 
berung, bie j. 33. iöt anbaute bi^ ju einem ftaunen^wertl^en. 
3Rifro!o^mu^ au^gebilbet ift , mit aufmerffamer Si^eitnal^me ^er* 
folgt unb barin ben ®enu§ unb bie iÖefriebigung finbet , »etd^e 
ba^ tunfttocrf ber 3nftrumcntatmufit ju gett)ä:^ren beftimmt ift^ 
bem fann ein obligate^ Sanbfd^aft^bilb , fetbft »enn eö im ®anjen 
2^on unb ©timmung gtücflid^ »iebergiebt, ben ©enug be« f)ören« 
nid^^t fteigern, fonbem ed muß i-^n ftören, »eil e« ber lebenbigeren 
aSetoegung ber äRufil nid^t entf^)rid^t , ia n)iberf<>rid^t. ^at man 
nun geglaubt, biefem äßanget burd^ »anbelnbe unb loed^felnbc 
©ilber abjul^elfen , f o ift man nur au^ bem SRegen in bie 2!raufe 
gdommeu. ®enn bie mufifaüfd^e ©e^egung ift eine ßntioidelung 
gegebener 3KottJ)e , wobei SBieberl^otung unb ©teigenmg berfelben 
»irifam »erben , toäl^renb ba« »anbetnbe S3i(b SSeränberung unb 
3lbU)ed^«Iung bietet ; ber Sontraft ber Sanbfc^aft mit ber 2»ufil 
U)irb mitl^in baburd^ nur »erftärft , bie lünftlertfd^e 3ncongruenj 
beiber nur nod^ fd^^arfer l^eraudge^obcn. Dbgleid^^ bie aWufif nur 
in ber fortfd^reitenben Bewegung berä^t jur 2)arfteüung fommt, 
fo ift fie bod^ uufäl^ig biefc ä^ttbemegung felbft, infofern fie atö 
ein ©efd^el^en, S^l^un, §anbeln fid^ offenbart, unmittelbar au6ju* 
brüdten, fie !ann bied nur f^mbotifd^ anbeuten; baburd^ aber, baß 
man toieber neben bie f^mbotifd^e Slnbeutung ber mufifalifd^en 
^arfteüung aud^ nod^ bie SßJirflid^feit felbft ju fteüen fid^ bemüht. 


270 


^eet^oten im iDIalfaflen. 


fann man bic ctgcntlid^c ffiirlung betfetten an^ nur itmttaäf^ 
tigen ober gar jerftBren. 

3Äan »trb f(3^tt)erüd^ einmenben »ollen , ba^ aud^ in ber 
£)ptt STOalerei unb SDlufil gelegentUd^ ju einem lotaleffect jn* 
farnmenmirlen , inbem iebe ber beiben Äünftc auf tl^re SSSetfc unb 
mit il^ren ÜRitteln baffetbe jugleid^ au^jubrfidt en fu(3^t , um einen 
ftarlen ©efammtetnbrud ju ttxtx^tn. ÜDenn e« lend^tet ein, bafe, 
»enn biefe« gefci^iel^t, betbe fünfte tl^re ©eO&ftänbigleit aufgeben, 
nic^t nur eine gegen bie anbere, fonbem beibe ber bramattfd^en 
©ituatton gegenüber, »etd^ ba^ (Sanje bel^crrfci^t unb mliftt fie 
betou^ fid^ unterorbnen. 3)afe bie Statur ber 0<>er, ate eine« 
bramatifci^en Äunfftoer!«, fotd^e Unterorbnung aud^ be« muplati* 
fd^n Sfement« gelegentüd^ forbere, ift begreiffid^, unb ber Äünftfer 
ttirb »iffen, »a« er in änerfennung ber il^m fo geftecften ©d^ran*' 
fen ju leiften ffat , — »iemol^t e« ffidf^t bebcnf lid^ ift , »enn bie 
mobeme D^>er mel^r unb mel^r ber SWufif biefe becoratii>e 9loUe 
atö il^re eigentßd^e }uu)eifen U)iQ. 

!Cie *^aftoraIfVm^>]^onie aber ift ein felbftänbige« Äunftnjerf, 
nid^t attein angelegt unb au^efü^rt ol^ne aQe 9iüd(ftd^t auf irgenb 
tteld^e Srgänjung unb äwtl^öt , fei t» »efd^c e« fei , fonbem mit 
einer ben>unbem«tt)ert]^en SKeifterfd^aft über aOe inneren unb 
äußeren 2Wittet mufilafifd^er Darfteßung i^a einem tjottenbet f d^i5nen 
Drgani^mu« geftattet. SBenn nun, nic^t ettoa unbefangene !DtIet* 
tauten ober geminnffid^tige ®^>ecutanten, fonbern naml^afte Äünft* 
(er fid^ bered^tigt i^alten ein Äunftwerf J>on fo l^ol^er ©ebeutung 
atö ein ®ubftrat il^rer ^ großen gertigfeit in becoratiijer äRalerei" 
JU bel^anbetn, unb n^eber lünftlerifd^e Sinfid^t, nod^ lünftlertfd^e« 
©ettiffen fle abl^ätt , burd^ f otd^ SBuftrationen ein SaSerf »ie bie 
*^aftoraIf^m^)]^onie in feiner !ünftlerifd^n 3Bitdtang ju öemid^ten, 
fo ift ba« »ol^I geeignet, ernftere ©ebenfen ^er^jorjurufen, ate eine 
gefettige Unterl^altung an fid^ ju erregen geeignet ift. 


23eet^oüen unb bie 3lu^gaben feiner Sßerfe K 


®cfammtau^ga6cn bcr SBcrfc beliebter ©ci^riftftcüer finb feit 
geraumer ^tit 6ei un^ übttci^ gemefen. Steunbe unb SSerel^rer l^aben 
®orge getragen, bie jerftreuten Serfc »erftorbener ©d^riftfteüer ju 
fammeln unc ju orbnen, anberc finb bei Sebäeiten burd^ bic ®unft 
be6 ^ubKcum« veranlagt »orben felbft i^re SBerle ju fammefo. 
iKeuerbing^ finb fle fogar entfd^iebcn 3Kobefad^c geworben , lange 
SReil^cn fämmtlid^er SBerfe bcutfd^er ßtaffifer i)on fel^r »erfd^iebener 
ßtafficität füüen bie 53üd^erf(^ränf e ; ja e^ ift nid^t me^r unerl^ört, 
bag ©d^riftfteüer beim 5lnfang t^rer litterarifd^en Si^ätigleit fd^ou 
auf bie 35oßftänbigfeit ii^rer riod^ ungefd^riebenen Sudler ©ebdd^t 
nei^men unb{a6rtid^ einigeiöänbe fämmtlid^er 9Ber!e »erBffentlid^en. 
3nbe^ ift e« erfreutid^ , bag auf fold^c SBeife bie Summe unferer 
Sitteratur »oßftänbig erhalten unb für ben ®enu^ ber Sefer unb ba6 
©tubium ber Sorfd^er jugängßd^ gemad^t »irb, unb »enn aud^ in 
gar mand^en Säften bie ^udfül^rbarfeit fotd^er Sammlungen mel^r 
auf ber Steigung ju fammeln unb bem SJel^agen , an »oüftänbigen 
©uiten , al^ auf einem grünbtid^en 3ntereffe an ben Ktterarifd^en 
Seiftungen berul^t, fo foü man ba« bod^ {a nid^t fd^elten. ©enn 
l^ier, »ie in aßen Dingen, »o nur burd^ maffen^afte ©eti^eiligung 
ein bebeutenbe« 9?efultat erreidbt »erben fann , mug man fel^r ju^ 
frieben fein, »enn nur über^au^Jt Steigung unb 3ntereffe bed ^ubH* 
cum^ auf ba« JRed^te unb ®ute gerid^tet ift. SBie ber ©Uäelne ba6 
gemeinfame 3td auffaßt, »ic »eit er fid^ an ber allgemeinen S5e^ 


1) ©renjboten 1864 I @. 271 ff. 296 ff. 341 ff. 


272 ©ect^otocn unb bic 2lu«gabcn feiner Sßcrfc. 

»cgung tnncrfici^ bcti^cißgt, tucld^cn baucrnbcn ©ctoinn er fid^ au« 
fold^cn Söcftrcbungcn ju »al^ren öcnnag, -fca« fann man gcfroft 
jcbcm übcttaffcn. 3m SlUgcmcincn aber ift in ©eutfci^lanb nod^ 
feinedmegd bie (Sinfid^t aQgemetn t>er6rettet, ba^ bad ^ubßcum fein 
3ntere[fe für bie gittcratur nid^t aßetn burci^ Sefen, fonbcrn anäf 
inxä) Saufen betl^ätigeti mu^, bag e« bem ©d^riftfteüer, beffen 
Seiftungen e« nid^t entbel^ren mag, ber^jflid^tet ift, unb biefer 9Ser* 
f>f(i(j(^tung nur baburd^ nad^Iommt, h>enn e« ti^n aud^ äu^ertid^ frei 
unb unabl^ängig für fünftterifd^e Ii^ätigteit mad^t, ba§ e« baburd^ 
in ber naturgemäßen SBeife mitarbeitet an ber gitteratur „ beren 
SÖIüti^c ieber ate ©d^mudt unb ©tolj ber Station anerfennt. Söäl^^ 
renb in (Snglanb unb granfreid^ ber äBol^I^benbere, »eld^er 3lnf^)rud^ 
auf SSitbung mad^t, e« atö eine burd^ biefen Slnf^)rud^ il^m aufer^ 
legte S]^ren^)flid^t anfielet, in feinem ^audl^att eine ber^Önißmäfeige 
®Vimmz für Ätmft unb ßitteratur ju »erroenben , gilt in ben ent* 
f^)red^enben Steifen bei un« nod^ immer Sudler laufen für ben 
entbel^rlid^ften Süyu«. Den überwiegenben Il^eit be« laufenben 
publicum« mad^en bal^er bie an^ , njeld^e S3üd^er ate il^r ^anb* 
toerKjeug nid^t »o^I entbel^ren lönnen, unb ba« ift »eber ber 
gr&6te nod^ ber beftgefteüte 3^eit be« lefenben publicum«. 

ÜDaö 33erl^ättnig beö publicum« jum SWufüaßenl^anbel ift nun 
nod^ ein »efentlid^ anbere« ate jumSBud^i^anbel, SKufifalien faufen 
ganj übertpiegenb nur biejenigen, roeld^e fetbft f^jieten unb fingen, 
unb bal^er aud^ nur fold^e, »eld^e in ben iöereid^ ii^rer au^übenben 
Sraft unb il^re« ®efd^madf« fallen. Den eigentttd^en SJiarft bifbet 
alf bie große ^aifi ber l^albgebilbeten Dilettanten, beren ©efd^madf«* 
rid^tung borjug^toeife burc^ ben Sinfluß be« ÜKufiüei^rer« ober bie 
SSorträge ber SSirtuofen beftimmt »irb. 9lad^ einer anbern 9iid^tung 
gel^t bann ber ©ebarf ber ®efangbereine unb ßoncertinftitute. @el^r 
gering ift bagegen bie ^aiil grünblid^ ©ebilbeter , toetd^e mit felb* 
ftänbigem Urt^eil unb ernftem Ontereffe SKufif-aUen anfd^affen, um 
entweber nadi^ gemiffen 9?id^tungen ober gar in einem größeren Um»^ 
fang fid^^.fei e« jum ®enuß, fei e« jur SSelel^rung, einen Ueber* 
blidt ober jufammen^ngenbe Senntniß ju erwerben. Die 2Äu|ifer 


8cct]^oi)ett uub bic ^u^aUn feiner SÖcrfc. 273 

öon ^tofcffion ^abcn ritd^t immer bicSiteung uubSlcigung, pufig 
aud^ ntd^t bic ^üt f old^cn ©tubicn nad^ju^el^cn, in bcti mciftcn gäl* 
Icn feilten il^ncn bie 3Ktttcl baju. 3^»^ ®cgenftanb mttiiöf mif* 
fenfd^afttid^cr, uamentUd^ l^iftorifd^cr gorfd^uug, lücld^e cincd um* 
faffcnbeu 3l^)^>arat« bebarf, »irb bic äKufif nod^ immer nur fetten 

• 

gemad^t, unb fo fe^lt e« benn anä) faft gänjUd^ an großen, nad^ 
einem beftimmten ^tan angelegten unb fortgefül^rten Sammlungen. 
Singer ben großen SSiMiot^efen »on S3erün , SRünd^en unb SBien 
toirb !aum eine anbere in S)eutfd^Ianb bie 3Jiufif - ate ein »ofl* 
bered^tigte« ^aö) anerfennen unb t)flcgen , anä) bie Sonferöatorien 
unb öermonbte 3nftitute fd^einen ba« SSebürfniß mufifatifd^er 
©ammlungen, bie über bie näd^fte i>ra!tifd^c S^otl^burft l^inau«* 
gelten, nod^ nid^t ju emi>finben. ®ic Unterftüfeung öffentüd^er 
Sibliotl^efen , »clc^e für bud^^nblerifd^e Unternehmungen i)on 
gr&§erem Umfang i)on f old^er SQBid^tigteit ift , tommt ba^er bem 
aKufifaßen^anbet nur fo audnal^mdtoeife ju ftatten, bag'fie fd^mer* 
lid^ ate ein »efentüd^er gactor mit in SSetrad^t fommen fann. 
3Rit^in ift ber äWufilatienl^anbel nod^ ungleid^ mel^r auf ba^ tag* 
ßd^e SBebürfnig mit feinen Saunen l^ingewiefen, afe ber Söud^^anbel, 
unb biefe SSertoanbtfd^aft mit einem SDiobegefd^äft erftärt mand^c 
eigent^fimßd^e Srfd^einung; j.©. bie 3lu^ftattung ber litetblätter, 
öon benen meiften^ ba^ SQBort Jene« befd^eibenen ^ititer^ giß — 
,,SBenn e« nid^t gefd^macteoü ift, fo jiert ed bod^ " — ; bie für 
iebe l^iftorifd^e gorfd^ung unb fetbft für bie 5Reugierbe läftige (Se* 
tpo^nl^eit ba^ 3al^r be^ßrfd^einendju i)erfd^n)eigen, unbä^nßd^e^, 
n>a« bem äKufifaßenl^eft ben ßl^arafter eine« SDiobeartüetö giebt. 
©er i^ol^e "^Jrei^ ber SÄufilaßen , »etd^er junäd^ft atterbing« ba* 
burd^ bebingt »irb , bag bie §erftettung«Ioften burd^ ben Sioten* 
fttd^ im aSerl^äßnig ju ber burd^fd^nittßd^en 3lbfafefä]^igfeit tl^eurer 
finb al« beim ©üd^erbruct, i^ängt bod^ aud^ mit biefen 33erpß* 
niffen jufammen. ®enn bie SSefd^affcul^eit beö ^ubticum^ bringt 
e^ mit fid^, baß große Sluf lagen im aÄufifaßeni)er(ag eine feßenc 
Slu^nal^me bilben unb baß bie 3Sertag«arti!et , »etd^e gänjßd^ 
ßegen bleiben ober in fei^r voenigen @jem^)Iaren verbreitet »erben, 

3 a b Tt , «uffä^e über 9»ufif . 1 S 


274 Scctl^otocu unb bie Slu^gaben feiner SScrfc. 

im aScrl^Ctntg ju bcnen, tt>etd^ gelten, bo^ too^t nod^ jai^trctd^er 
finb, atö im Sdviäff)anM. g« mu§ ballet ein guter SSerlog^ttilel 
bie SSeriufte fel^r »ietcr ni^t eingefd^lagener beden, unb bajs bicfc 
:^nb(erifd^ guten 3Bet!e nid^t immer bie fünftlcrifd^ guten finb, 
fiebarf feiner ©wäi^nung. @in 9iö(i^bru(fer !önn bcmnad^ lei^t 
bttlige greife mad^en , ba er fein Honorar jal^tt unb nur ba« 
brucft , toa^ erfal^rung^mägtg i)ie( gefauft toirb , offwt ba§ er biefe 
ßrfal^rung burd^ Untemel^mungen , bie ben ^erftcßung^aufmanb 
nid^t beden , ju erlaufen nöt^ig ^at 5Der ti^eure $rci« l^ängt f er* 
ner aud^ mit bem unt}er^ä(tuigmä^g i^ol^en 9ia6att jufammen, 
»eld^er ben ©ortimcntcrn bcujittigt ju »erben |)flegt;-aöein.fetbft 
biefcr tt>irb ti^eiltoeife burd^ bie cigentpmUd^e <&tettung be^ mufi* 
f aßfd^ ^ bitettantifd^en "^Jubücum^ bebingt. ®anj aflgemein über* 
nel^men bie äKufiftel^rer bie 33ermittlung jtDifd^en bem äßitftfalien* 
l^änbler unb bem faufenben "^Jubticum ; bie *^rot)ifion, »etd^c fte in 
änf<>rud^ nehmen, ift aömöl^tid^ für fie ein »ol^tertoorfccue^ SRed^t, 
»enigftenö eine fd^toer ju entbel^renbe (Sinnal^me geworben, bie ju 
kl^au^^ten fie aud^ i^inreid^enben Sinfiu^ 6eft|en , unb ed ift be^ 
greiflid^ , ba^ bei fotd^en Slbjfigcn ber Soben^rei« fel^r l^od^ fifirt 
u>erben muß. 

SBenn man annei^men barf , ba^ ba«, U)a« öon ©üd^em ge»^ 
brudft tt)irb, im SöcfentUd^en ben ©tanb ber toiffenfd^afttid^n unb 
funftlerifd&en ^robuctton in ber Wtteratur rid^tig re^>räfentirt , fo 
!ann man bad öon ber 3Kufi! in gleid^cr SBcife feineötoegd fagen. 
S9i« jum le^n Drittel be« öcrigen 3a^ri^unbcrt« »urben in Deutf d^* 
lanb, tt)ie in Stauen, Som^>opttonen ganj übenciegcnb nur in 516* 
fd^riften t>erbreitet, alfo in feber ^ejiel^ung fe^r ungenägenb ; e« fam 
tt>oi^t öor, ba^ bie SomiM>niften fctbft il^re SSSerle in S^fer rabirten 
um für bereu ^ubtication ju forgen, U)ie bied j. ^. )>on 93ad^ unb 
i£ e( e m an n befannt ift. B^fäüigc Umftänbe l^aben bal^er bamol« 
ben aüergrft§ten (Sinflul barauf geübt, »eld^e SKufifftüdk feiner Beit 
in toeiten Greifen befannt gemorben , unb »eld^c für eine f^>ätere 
3eit aufbett>al^rt unb jugänglid^ geblieben finb. £)en unfidJ^erftcn 
ÜWaa^ftab für bie Söürbigung eine« aWeifter« geben ba^er feine ge* 


Scetl^o\)cn imb bic ^uSgaBcn feiner Serfc. 275 

brutftcn ßonn)ofitiotten ; man borf tpcbct annehmen, ba^ bie SBerfc 
bcr öotjügttci^ften SottH>ontftcn, nod^ ba§ t^tc tjotjügüd^ften SBerfc 
burd^ ben ©rudt ^>ubltcirt »urbcn. gin fci^Iagcnbc« ©ctj^Jid bietet 
3o]^, @eb, ^aäf, i>on bem bei Sebjeiten fel^r »enig gebtuift 
mürbe , unb nici^t feine großen SÄeiftcTOerfc , fonbern bie 3nftru* 
mcntaIcom^>orttienen, bei meieren aüenfaü« ouf ein gtS^ete« ^ubli* 
cumi>on Ä(ai)ier^ unb Drgelf^ietern geteti^net toerben fonnte. Srft 
feit ber'SBieberanpl^tung ber SWattl^äu^^jaffion burd^ ^tlttx unb 
SKenbetefo^tt i^at man ongefangen bie ©efommtwetfe Sbaäf^ ber 
3Sergeff enl^eit 3U entreißen , unb auf Sa^xt l^inauö l^t bie ©ad^* 
gcfettfd^aft ungebrucfte SBerfe ju ^jubficiren, beren leinet o^nc 
eigentpmfid^e SJebeutung ift. 35on einem 3Keifter tt)ie $affe, 
ber über ein SWenfd^enalter auf ber ©ül^ne Deutfd^Ianb« unb 'Sta-^ 
üen« l^errfd^te, finb nur »ercinjelte 6om^)ofitionen burd^ ben 5Drudf 
befannt geworben — furj e« ift eine Slu^nai^me, »enn bie 2]^ätig* 
feit eine^ nami^aften Som|>oniften nad^ feinen gebrudften SBerlcn 
gefd^tät n>erben lonnte. 3n S n b n bagegen mürben § ä n b e { « 
grof e 6om^)ofitionen meiftentl^eite gleid^ gebrudft unb in ^ a r i ^ 
mar e« fogar Weget, ba§ O^ern, bie jur Slufffii^rung lamen, aud^ 
geftod^en mürben , ma^ l^au^)tfäd^tid^ in ben großartigen Serptt* 
niffen beiber ©tfibtc begrünbet mar. ®ie0 l^at fid^ allerbing^ feit* 
bem geänbert unb ^eutjutagc ift öorjug«mcife ber beutfd^e SWuftf * 
l^anbel aud^ ber i^ö^eren Aufgabe eingebenl , größere SSßerle öon 
nad^i^altiger ©ebeutung bauernb ju ermatten. ÄHein menn gegen* 
martig auäf t?on ben ]^eri>orragenben SÄeiftern , ton benienigen, 
metd^e einen beftimmenben einfluß auf bie ^tit üben , fo itentfid^ 
alte irgenb erl^eblid^en SBerfe gebrudft unb aud^ für bie Bw^i"!* 
jum ®enuß unb ©tubium ermatten merben , fo bitbcn biefe bod^ 
nur einen geringen Zi)txi ber gefammten ÜKaffe ber SRufifatien, 
metd^e auf ben 9ÄarIt !ommen. Unb biefe vertritt leine^meg^ i>or* 
miegenb bie befferen, tüd^tigen, nad^ bem @b(en unb ®d^5nen 
ftrebenben ßomponiften , bie nur unter bef onber« günftigen Um* 
ftänben baju gelangen ma« fie mit treuer Eingebung an bie Sunft 
gefd^affen aud^ gebrudtt ju feigen; fonbern bie mit ber 3Wobe 

18* 


276 ©ectl^otocn unb hk ^u^aben feiner SGBcrfe. 

tt)cci^fclnbc Saune unb bic SSicttctebHbung bcr ADUcttantcn, bcr e^ an 
tt)ittfäl^rigeu 6omj)oniftenfebcrn freitid^ nie fci^Icn fann. Dal^et 
»irb man ^a^m bürfcn, bafe int ®anjcu genommen bie Setftungen 
ber com^onitenben SKufüer unfcrct 3cit toenn fie aud^ bic ^nft* 
gefd^id^tc gar nid^t obet nur mangeli^aft fenncn n>irb , crnfter unb 
bebeutenber finb, ate bieüKaffe ber gebrudften Sompofitionen fd^Iie* 
^en lä^t, -— tt>ad man bon ber Sitteratur in fetner Seife itffanphn 
faitn. 

yiaäf bem Oefaglen ift ed leidet begreiflid^, ba^ ausgaben 
fämmtttd^er SBerfe bei Som^joniften ungteid^ größeren Söebenlen 
begegnen atö bei ©d^riftftettern. 5Rid^t gering anjuf dalagen ift 
fd^on bie ganj äugerUd^e räumlid^e ©d^toierigfeit. 9loten »erlangen 
ein- großes gormat unb auf eine tauge JReil^e t>m goKanten fint 
bie »enigften eingerid^tet, mläft ÜKufif treiben ; ol^ne biefe aber 
würbe e« faum je abgelten, benn bie meiften großen Som^jonifteu 
fiub aud^ frud^tbar gewefen, unb »o ed fid^ um Partituren l^aubelt, 
ba fd^toeüen bie SSönbe rafd^ an. ^ie "^Jartiturcn finb nun über* 
^au^5t ein ©tein bed Slnfto^e^, Unter ben Dilettanten finb nid^t 
attju mele fo grünbtid^ gebilbet, ba^ fie barau« ®enufe ju fd^8^>fen 
tt)iff en — man f agt, e^ gebe fogar gelernte 3Wufiter, bie nid^t gern 
unb bequem mit "Partituren l^anbtl^iereu — unb bod^ »erben biefe 
bei bebeutenben 3D?eiftern immer ben §au^)tftodt bifben, »ermittefnbe 
3lrrangement« nur ^u«ual^m«tt)ei}e antoenbbar fein. Unb bied ift 
ja tt?ieberum nur ein SBefeg für bie groge Ungleid^^cit bcr mit 
au^cinanbcrgci^cnbcn Sntereffcn be^ mufifalifd^cn "^Jublicumö, ba^ 
in ©ammtungen ber 9lrt feine gleid;ma^ige ©cfriebigung finbet, 
toie ba^ freitt^ in ber Sitteratur fid^ ebenfalW geftenb mad^t. B^ar 
toer l^cutjutagc nod^cntftüd^ im?cf fing tie«t, bcrnjirb nid^t cttt>a 
nur nad^ 3Rinna t)on ©arnl^clm unb 5Ratl^an fragen, fonbem mit 
gteid^crSSefricbigung aui^ ber 35ramaturgie unb ben antiquarifd^en 
©riefen, au« ben ©d^riften über Ii^eologic unb i5reimaurerei Cr* 
frifd^ung uitb Kräftigung fd^bl>fen; mit^erber aber ift ba«fd^on 
ganj anbcri». Uitb u>enn bei ® d^ i t ( e r ©ebid^tc uitb Dramen bie* 
ienigen ?efcr l^inrcid^enb entfd^äbigen, toefd^c an ben ^)^i(ofo^5^ifd^en 


33eet^oöcn unb bic 5(u«gab€n feiner SSßcite. 277 

®c!^ttften fein ©cl^agcn finben, fo möd^tc e« mo^l ftögfid^ fein, ob 
nici^t einet gleid^en ^o^>ttlaritat ©oetl^e'&kand^ ber Umfang unb 
bic 35erfd^iebcn]^eit feiner ©crfe in ben SÖSeg getreten finb, ob nid^t 
^ier eine S^i^eilung mä) ben öerfci^iebenen JRid^tungen t>m fel^r 
güuftigem Srfolg fein n)flrbe. ©ei toeitem größer unb ^^raftifc^ 
fd^werer in« ®en)ici^t faüenb ift bie 3Sie(feitigfeit ber meiften Som«» 
poniften i)on ©ebeutung. i^reitic!^ loenn i)on Junten, &). 9So^, 
Oeften gefammelte — SBerfe barf man bod^ ntd^t fagen, erfd^ienen, 
würbe man über 3Jf anntgf attigteit nid^t ju Wagen l^aben ; allein bei 
ben SDIeiftcrn, bie in großen Seiftungen il^re ®r8§c bett?ä^rt i^aben, 
öerl^äft fid^ bad anber« : Äird^e, 3:i^eater, Soncert unb ^au^mufif 
boten jebemSlufgaben ber t)erfd^iebenften 3lrt, bie bannnid^tbaffetbe 
^ubficum in gteid^em Wlaa^t intereffiren, oft ein um f o geringered, 
je größeren 5lufn)anb ii^re ^ublication in 3lnf^)rud^ nimmt. 

SfMjt minber erfd^tocrenb ift ein anberer Umftanb. SBei bem 
lefenben publicum l^at ftd^ jiemtid^ aügemein ein l^iftorifd^ed Onter^» 
cffe gebifeet, »etd^e« an ber @nttt)i(felung ber 8itteratur üb.e)r^au<)t 
unb namentUd^ dud^ an ber attmä^lid^en 2lu«bilbung ber einjetnen 
©d^rtftfteüer regen Slntl^eil nimmt ; 3ugenboerfud^e, Snttoärfe unb 
Umarbeitungen, überl^au^Jt Srfd^einungen , »eld^e toeniger un* 
mittelbaren ®enut getoä^ren , afö fie bic nähere (Srf enntnig be« 
gciftigcn ©d^affcnd unb Slrbeitend fBrbern, finben aud^in toeiteren 
Greifen cingel^nbc %ffdinaiimt, bic, »ie atted l^iftorifd^e i^orfd^cn 
unb SBiffcn, notl^wenbig nad^ Snoeiterung unb 35er»oflftänbigung 
ftrebt. i)iefc« l^iftorifd^e 3ntercffe nun regt ftd^ jtoar feit einiger 
3ett aud^ in mufifatifd^en Greifen, bod^ ift ed in biefen nod^ immer 
ungleid^ fcltcner ju finben ate in (iterarifd^en, 5ßtd^t allein ba« 
l^örenbc "publicum, bad, toenn nid^t bloßen 3^ittjertreib, bod^ eine 
augenbltdlid^ unb unmittelbar crgreifenbe SBtrfung ber SKufif i)er* 
langt, nid^t allein bie felbft f^>iclenben unb fingenben Dilettanten, 
bic in ber großen 3Raffe gctoftl^nlid^ in SBoüen unb können gteid^ 
befd^ränft finb, aud^ bieSWufifer ^jflegennad^ biefer ®eite l^in toenig 
3ntereffc ju jeigen. Sin ßingcl^cn auf l^iporifc^c 9luffaffung fefet 
f rcilid^ nid^t nur ein gctoiff cd SKaaß »on Äenntniffen J>orau«, f onbern 


278 ^eet^otjen itnb bie 3(tt«gatcn ieiner 3Berfe. 

an^ btc bctoultc Slbfid^t, bem Äunftoet! gegenübet einen anbeten 
@tanb^>unft einjunel^men at6 ben be^ einfa^en ©entegen«, fetnet 
bie gäl^tflleit , ton ben gcujol^nten gotnten tl^eitweife tpenigftene 
abjufe^^en, o^ne bntci^ ba« eine tt)te ia^ anbete bie (Smi)fängtid^Ieit 
füt bad eigentlich aRufifatifc^c nnb Äünftletifc^e ju fc^mäc^en — 
änfotbetnngen, »el^e befonbet« auf bicfem ®ebtet nid^t leici^t gu 
beftiebigen finb. Söenn ballet bei bet ©arnrnjung bon äBetfen fetbft 
bebeutenbet Som\)oniften biefeö l^iftotijd^e 3nteteff e fel^t etl^eblid^ in 
3lnf^>tu(i^ genommen »ütbe, lönnte eine fold^e fd^toetti^ä^ in* SBetI 
getid^tet toctben. (Sine ausgäbe t)on ® tn d« fämmtlitä^en SBetfcn 
— üon §affe, ®tann unb anbeten gat mäfi jn teben — ift 
fanm ben!bat , fo inteteffant nnb »id^tig e« and^ njäte , bie (Snt^ 
tpitfelnng eine« tefotmatotifd^en ®eiftc« in ben 6om^>ofitioncn 
betfd^iebenet Seben«)>ctiobcn jn betfolgen nnb feine ©tettung jn 
ben mannigfaltigen infotbetungen feinet 3«l unb feine* ©etnf* 
tt)ie jtt ben öeiftungen feinet 3^t\titxit\^tn au* ben SBetfen öetfd^ic* 
benet B^tt unb ©eftimmnng ju etlennen ; n^ä^tenb ie|t »efentlid^ 
nut bie 835et!e einet 9iid^tung bef annt finb unb allgemein bie SSot* 
fteöung bon ®iviä begtünben. äßenn in biefem gaüe bie faft au** 
fd^tiegüd^e S^ätigfeit ®tud!* füt bie D^)et ©d^ujietigfeiten mad^t, 
fo toetben btefe bei anbeten SKeiftetn butd^ il^te 33idfeitigfeit el^et 
nod^ i)etme^tt. Die "?Jo^)u(atttät 3ofe^>]^ f)at^bn* bctul^t auf 
ben SBetlen bet legten ^toanjig Salute feine* langen Seben* , tott 
fcnnen ganj botjug*tt)eife ben nad^mojattifd^en ^ai^bn ; bet auf* 
fttebenbe $a^bn, bet bie Snfttumentalmufil befteite unb aufbaute, 
ift fo gut toie öetfd^otten , mm man bon einet Slnjal^l feinet 
f tüteten Ouattett* abfielet ; toa* et füt bie Sit^enmufi! teiftete, ift 
unboßftänbig , »a* et al* D^)erncom^onift f d^uf , ift gat nid^t be* 
fannt gen^otben. äüein loenn e* gelänge, bie 119 @^m^>l^onicn, 
»eld^e §a^bn in einem eigenl^änbigen SSetjeid^ni^ „betjenigengom* 
^>ofttionen, »etd^e et fid^ beiläufig etinnette bon feinem ad^tjel^nten 
bi* in* bteiunbfiebenjigfte 3al^t com^)onitt ju i^aben" ,.felbft notitte, 
bie 163 ©tüöc füt öatiton; ba* 8iebling*infttument be* gütften 
Sfficolau* Sftet^aj^, bie unjäl^ligcn Saffationen, 'iDibetttmentt, 


^tti\fti>tn uttb bie STu^gabcn feiner Serie. 279 

Siotttttni; ©d^tjanbi, ^^antapen, Gonccttc, ©onatcn u. f. to. 
füt mel^t ober »cntgct Snflrumcntc, 18 ttaücnifd^ £)pzxn ncbft 
mtifxzttn bcutf^cn, cnbUd^ bic tcrfd^iebencn ^r(^cnco»n>ofitioncn 
k>o(^änbig iu|ammen)ubringen : met tt>ürbe batan benfeu fönnen, 
füt eine ©efammtau^gabc bctfclben aud^ ein foufluftige« ^ißubticum 
ju|ammenjubttngen ? "änäf mit SWojatt [tel^t eö nid^t anber«. 
3Bie gto6 auc!^ bie SSerbveitung ift , toeld^e ja^Iteid^e SBerfe faft 
attet ®attungeu gefuuben l^aben, ti)ie »eit unb tiefgretfenb t^r 
©nflug , »ie ottgcmetn no(J(^ l^cutc il^re ^o^}utarität ift : »oüte 
man bie fämmtU^en 626 6om^>ofttionen, mläft Söd^ete SRnfter^ 
i>crietci(fni§ aufftettt^ in einer (Sefammtan^gabe ijcreinigen , eine 
änjal^t t)on öieb^abern nnb ©ammlerii mürbe fid^ für biefelbe 
finben , aber fd^toerßd^ ein publicum- 38ie fd^ön unb bebentenb 
aud^ eine naml^afte Slnjal^I feiner 2Ber!e ift , bie bidi^er gar nid^t 
ober öerftümmelt unb entftettt belannt geworben finb , U)ie grog 
unb feercd^tigt ba« 3ntereffe, toeld^e« bie meiften in 3lnf^}rud^ 
nehmen, infofern fie ben ßnttpidlungdgang SKojart^ unb jugteid^ 
ben ©tanb ber mufilalifd^en Seiftungen jener 3^it bejeid^nen: 
immer ift e^ öortpiegenb ba« l^iftorifd^e Sntereffe, toetd^c« bie jal^I* 
reid^en Ö^>ern*. ^rd^en* unb 3nftnunentaIconH)ofitionen t>ox ber 
iBiener ^eriobe befriebigen , unb biefe« ift niäft bae Sntereff e be« 
großen mufifatifd^en "^Jublicum^. 

(Sd ift bal^er t)on ®efammtau^ga6en berül^mter Som^oniften 
anäf nid^t »iet ju berid^ten. ©ne ©ammlung ber C><^ffc'fd^en 
£)ptxn foöte auf Soften be« Surfürften öon ©ad^fen herausgegeben 
n>crben, att beim SJombarbement ton T)re«ben 1760 ba« gefammte 
brudtfertige SKanufcri^Jt oerbrannte» auf aSeranlaffung unb mit 
Unterftü^ung be« ^txm^ Sar( bon SBürtemberg tourbe 1783 ein 

Kecueil des opera composc» par Nicolas Jomelli ä la 
cour du serenissime duc de Wirtemberg angefangen / aüein 
e« blieb beim erften S3anbe, ber bie Olimpiade ehtl^ielt. ©effereu 
Sortgong i^atte bie ®efammtaudgabc tjon ^änbels SBcrfen, 
»etd^e ärnotb im auftrage (SeorgS bcs ^Dritten im 3a]^r 1786 
begann ; e« erfd^ienen 36 ©änbe, aber tjoßenbettourbe fie aud^ nid^t. 


280 SBcctlfio^en unb bic 2(it«goben feiner SBerfe. 

Ol^nc 5lu«fid^t aitf fütftKd^c SKunificcnj tDören bfefc Unter* 
nc^ntungcn \6fXoeti\d) begonnen tootbcn. Site m6f SWojart« 
5Eobe bte S9teitfo<)f unb ^atteffd^e 35erlag«^anb(ung eine 9lu«gabe 
fetner Serie anfilnbtgte , »ar e« anf eine toüftänbige ®ottttÄung 
gar ntc^t abgefe^cn. 5)ie Oeuvres complettes umfaßten tüe[entli(i^ 
nur bieienigen Ätat?ier * unb ®efang«conH)i>fiäonen, ttjeld^e für ba« 
gro^e mufifafifd^e publicum 3ntercffe boten , bie Stat)ierconcerte 
bilbeten baneben eine eigene . ®ulte , Strd^en^ unb C^>crnmttfi! 
erfci^ien toieberum bef onber« ol^ne ^n^pxnäf auf SSoüftänbigleit unb 
(Sleid^mä^igleit ber i>erfd^iebenen "^ubttcationen. ®atb fd^lo^ ftd^ 
eine in gleid^em ®inn aufgeführte ©ammlung ber Oeuvres öon 
^ a ^ b n an ; unb biefe grünen unb rotl^en ^efte , wläft eine bt« 
bal^in unerl^örte 9Serbi!titung f anben , l^aben auf bie mufifalifii^e 
SSiJbung in Deutfc^tanb einen faunt ju bercd^nenben Sinflu^ gcl^abt. 
35enn fie mad^ten biefen §au^)tfto(f beutfd^er ^au^mupf jum 
©emeingut, boten ber in alte ©d^id^ten be« SSoIf« mel^r unb mel^r 
einbrtngenben SKufifübung eine gefunbe 5Kal^rung, fie tourben eine 
attgemein gültige ®runblage mufifalifd^er SSilbung unb tragen ganj 
öorjügtid^ bei , einen gett>iffen mufifalifd^en ©enteinfinn l^erau^* 
jubilben. Durd^ biefen ßl^arafter i)on äntl^ofogien unb ßl^refto* 
matl^ien, meldten fie mit mand^en ä^nfid^en ^patzx folgenben 
Oeuvres !Doni. ©cartatti^, ßfementi^ u. a. tl^eilten, 
l^aben fie auf t^re ^ät fid^erfid^ eiftbringüd^er unb nad^l^attigcr 
getoirft, ate mit ^iftorifdl^^^^itologifd^em ®inn bearbeitete tt>a^r* 
l^afte ©efammtaudgaben e« bamate ijermod^t l^ätten. 

!Den ^(an einer ujirfüd^ auf SSoüftänbigfeit unb «ut^cnticität 
bered^neten ausgäbe bon ^ ä n b e U SBerfen f agte eine ®efefif d^af t 
t>on 3Rufiffreunben in Sngtanb, toefd^e bom 3a]^r 1844 bi^ 1853 
öierjel^n mit engüfd^er @^)lenbibität au«geftattete S3anbe erfd^einen 
lie^ ; feitbem ift biefe Unternel^mung , n)ie e« fd^eint für immer, 
in^ ©todten geratl^jn. 

Den ®runbgebanfen biefer 9lffociatton nal^m in ÜDeutfd^fanb 
junäd^ft bie ©ad^gefcttfd^aft auf, weld^e im 3a^r 1850, 
:^unbert Sal^rc nad^ Sdaäf^ Xobe geftiftet, e« ate il^ren ^toedf am^ 


©cetifictoen unb bie 2(it#gal6ett feiner Sertc. 281 

\pxa^, eine DoüftSnbigc tttttfd^c Slu^gaBc ößer ©eric 3ol^. @cf. 
^aäf^ l^crjuftcücn, bcm großen iConfc^cr jum ©cnfmal, unb btc 
ffictfc bcr Slu^fül^rung fo bcpimmtc : „Sn bicfe Slu^gaBe foMcn 
aUt SBcrfc ©aci^« aufgenontmcn »erben, njcld^e bnr^ fii^eteUebev* 
lieferung unb Wtifci^e Unterfuci^ung ate t)on ii^m l^errü^renb na6)^ 
gewiefen finb. Sür jebe« tDirb »o m5gßd^ bie Urfd^rtft ober ber 
t)om Som^oniften fettft »eranftaftete S^rnd, »o nid^t, bie beften 
ijcrl^anbenen $ü(f «mittel ju ©runbe gelegt, ym bie burci^ bie fritifd^ 
gefid&tete Ueberlieferung begtauBigte ed^te ®eftatt l^erjufteüen. 3ebe 
SBiUfür in äenberungen , SBeglaffungen unb B^fäfeen ift au^ge« 
fd^toffen. " ©er ©ac^gefeöfd^aft folgte nad^ ad^t Sauren bie beutfd^e 
§anbefgefellfd^aft, tt>e(d^e nad^ einem äl^nlid^en ^lan unb 
t>m gtetd^en ®runbfä^en geleitet bie fämmtlid^en SQSerfe ^anbete 
l^erau^jugeben unternommen l^at. Sine ftattlid^e Steige öonöanben, 
njeld^e beibe (Sefeöfd^aften bi^l^er in regelmäßiger ^ol^t geliefert 
l^aben, betoS^rt burd^ bie treff lid^e äußere Slu^ftattung , meldte eiu 
SBerf ber-®reitfopf unb ^ärterfd^en Officin ift, unb burd^ eine auf 
biefem ®ebiete frül^er nid^t belannte Iritifd^e ® orgfalt für bie §er* 
fteüung eine« jutjerläfflgen unb correcten %t}cM ben emften unb 
»ütbigen ®inn biefer Unternehmungen unb laßt auf ftettge 2(u«- 
bauer ber SSet^eiligten bi« jur 35ollenbung hoffen. 

Unleugbar l^aben ^aä) unb ^änbel c^önj Dorjug«tt>eife ein 
anredet barauf , baß i^re @d^ö<>fungen in il^rer ©efanimtl^eit, eä)t 
unb rein, für alte ^txkn aufbeujal^rt unb allgemein jugänglid^ ge* 
mad^t »erben , benn biefe finb burd^ ben ®eift , in »eld^em fie 
em<)fangen, burd^ bie Sunft, mit toeld^er fie au^gefül^rt finb, 
»efentlid^ monumental. ®ie finb nid^t allein meriwürbige ^zw^- 
niffe für ba« , »a« in einer beftimmten ^txt ]^ert>orragenbe 3nbi* 
öibuen ®roße« unb @d^8ne« ju leiften ijermod^ten , fie bel^au^^ten 
einen abf olnten feertl^ , »eld^er unabi^angig t)on ber B^tt , »eld^e 
fie ]^erJ>orgebrad^t, wie öon ber ^nt, xotläft fie »ieberjugeben unb 
ju genießen beftrebt ift, ben l^öd^ften @rjeugniffen menfd^tid^er 
Äunft unt)eröußerlid^ bleibt. Sie ijerfd^ieben anö) beibe SReifter 
finb, wie ftaunen^wert^ aud^ ber 9ieid^t]^um il^rer ^robuction auf 


282 ^eet]^ot>en uttb bie %n^abtn ferner Sech. 

biden ©cbtctcn ift, fo »ttb man bod^ !aum ein cinxctnc^ 3Bcr! 
finben, n^ad nid^t buvd^ Sleul^ett nnb @tgentpmtt(i(^!ett ein {eCb^ 
ftänbige« 3ntereffe nad^ itgenb einer 9iid^tung ^in in Slnf^rud^ 
nimmt, bcn 3Heiftct »on einer neuen Seite jeiflt, ober ba« Sefen 
ber Sunft in genialer SäJeife erfd^üegt, fo bag 33oüftänbig!eit l^icr 
burd^aud geboten ift. Der l^oi^c unb grof e ®eift, »etd^cr aüe bie{e 
äöcrfe burd^tocl^t, unb ben f)ftrer mit ©ruft unb Sraft in bie ibca* 
ten aiegionen ed^ter Sunft fid^ ju ergeben mal^nt, fid^ert il^nen 
bauemben unb tief einbringenben (SinfKug an] aüt , benen Wlvi\\l 
ein »ai^re« innere« Sebürfniß ift , unb ba§ fein Äünftler, Sünget 
toie SWeifter, mit bem ©tubium SBad^d unb ^anbete Je fertig tt)irb, 
mi^gen fetbft Siebl^aber übem>unbener ®tanb)>un!te nid^t in älbrebe 
ftelten. 

SWan ift in neuerer ^t\i mit einem crfreulid^en Sifer beftrebt, 
burd^ öffentlid^e 9luffä:^rungen aller 9lrt unb burd^ (Einbürgern in 
bie engeren Äreifc ber l^au^Ud^en üMufil bie ©efang«* unb Snftru* 
mentalcom^ofitionen ^aiif^ unb ^änbetö allgemetn }ugängttd^ 
unb belannt ju mad^en, ba« 93erftänbnit berfelben unb bamit ben 
»al^ren ©enufe an benfetben auf aüe ©eife ju beförbern. 2)aj5 
(Som)>oniften, xoti&ft bei il^ren ®d^&))fungen fo ganj unb gar nid^t 
an !iDi(ettanten badeten, einem publicum, bad mefentlid^ aw^ 
^Dilettanten gebilbet ift, nid^t geringe ©d^mierigteiten bieten, lägt 
fidd beuten: ®ar mand^e SSoraudfe^ungen eine« unmittelbaren 
SSerftel^en« unb ®enief en« muffen erft burd^ fünftlid^e 33orberei* 
tung eru>orben toerben ; benn toie ^od^ aud^ jene Huftier fid^ über 
i^rc 3^it erl^oben , fie fanben in berfelben bod^ il^ren ®tanb * unb 
äu0gangd<)unft. auf biefen jurüdt^uge^en toirb ba^er, um für auf = 
faffung unb gorm öoUe« SSerftaubni| ju getoinnen , nid^t immer 
}u ^ermeiben fein , tt>ietoo^l bie« ' eben n)egen ber uni^erfaten ^e« 
beutung unb (Sröfee unferer 3Keifter, .»o nur »irflid^ mufifalifd^c« 
latent unb ernfter ©inn für Sunft öorl^anben ift, ol^nc gro|e 
Slnftrengung unb weitläufigen 2l^><>arat ju eneid^en ift. gür eine 
fold^e $o)>ularifirung mirfen bie *$ublicationen ber ^ad^«' unb 
^ättbetgefeüfd^aft um fo bebeutfamer, ate beibe ben überwiegen* 


8cct^)o))cn unb bie Süi^gal&cn feiner SBcrfe. 283 

bcn 2:^ett jener unfterblid^en ©eric bem mufilolifci^en ^ubücum 
cnttoebet juerft jugängtu^ mad^en, ober bod^ juerft rein unb oi^ne 
(Sntfteßung, tt>le ber SottH)onift fie gei^^rieben ^at. äBetd(^ ein 
©d^afe i^ier iu gcttjinnen war, »irb man erft inne, nun er gehoben 
tt>irb, unb (Generationen werben tooüauf ju ti^un l^aben, il^n jum 
S9eften wahrer Äunftbilbung ju i^erwerti^en. 3nbeffen jeigt fd^on 
bie Organtfation biefer ®efeflfd^aften, ba^ weber Söad^ nod^ $än* 
bei ie^t fd^on in bem ÜJiaa^e \)0^ulär finb, bat «tan ftd^ bei ber 
33er5ffentlid^ung il^rer SQBerfe an ba^ grogc inufüaüfci^e "^Jublicum 
»enben lonnte , man toar genßt^igt bte tünftlcr , Kenner unb 
©ammler in6 luge ju f äffen, ©elanntlid^ jal^lt iebe« äßttglieb 
biefer (Sefellfd^aften einen beftimmten iäi^rlid^en 33eitrag, ber ®e* 
fammtertrog. berfelben wirb lebiglic^ auf bie ^ublication ücrwen* 
bet, unb i)on ben SBerfen, weld^e auf fold^e äöeifc iä^rlid^ im 
ÜDrud :^ergcftellt werben fönnen, eri^alten bie SBiitglieber ein (^em* 
})lar. S5on einer bud^Pnblerifd^n ®^}eculati^:^n ift babei tiid^t bie 
3iebe, auf ba^ 'publicum auger^alb ^er ©efellfd^aft wirb feine 
9iü(ffi<ä^t genommen, eine tl^eilweife Erwerbung einjelner ober 
mel^rerer ©änbe iftnid^t ftattl^aft. Slur baburd^, ba§ man ben 
§attj)tgefid^t«t)unlt, bie fämmtlid^en SBerfe in ftritifd^ berid^tigtem 
2^cjt l^erjufteßen , Sefift unb ©ebraud^ berfelben für aüe B^üen 
ju fidlem , ganj ftreng fefti^iett, würbe bie lu^fü^rung über]^au<)t 
möglid^. 3)ie l^ier gebotenen SSarren auf jumünjen , burd^ (linjel* 
ausgaben, S!lamerau«jüge , Arrangements, ©timmenbructe bem 
befonberen ©ebürfni^ ju genügen, unb im ©njelnen ju t)erbreiten 
unb einjufüi^rcn, was im ©anjen nid^t leidet ju bewältigen ift, 
fann man getroft bem lünftlerifd^en Sifer unb ber gefd^äftlid^en 
SSetriebfamleit überlaffen , unb bereits ift nid^t SBenigeS mii in 
biefer C)infid^t gefd^el^en. @S ift ein SdnigSbau , ben bie SBad^= 
unb §änbelgefeltfd^aft unternommen , bie Warner werben boHauf 
•JU tl^un ^ben. 

@ine ganj anbere Sebeutung ^at eS bemnad^, wenn bie 
33rcit!o|>f unb ^ärtel'fd^e ^anbtung eine Ausgabe ber 
fämmtltd^en SBer!e ^eeti^ot^ens als ein SJerlagsunternei^men 


284 53cet^ct>en unb bic ^lu^galben feiner Serfe. 

anlünbtgt, ba^ fid^, o^nc Jcbc aufeetorkentüd^c Untctftü^ung unb 
©egünftigung , angefid^t^ einer ungel^euten Soncumnj , tebtgtld^ 
an ba^ SSebüvfnig unb 3iiteve[fe be« großen mufifaüfd^en "^nilu 
cum« tüehbct , tozlä)zn e« eine tt)firbige ©efriebigung »eVf^Jtid^t. 
3Ran tjcrgcgenmöttige fid^ nur, ba^ SSeet^oi^en« ©crfc in bcn §än* 
bcn be« ^ubticunt« finb — tt>o« nod^ ungebrurft ift , legt fein it^ 
beutenbe« ®ett)i(i^t mel^r in bie 933agfd^ate — , ba^ bieienigen 6om* 
l^ofitionen, tt)el<^e bie SWaffe befc^äftigen, in jal^lreid^en ausgaben, 
»eld^e biüige unb unbiüige 3lnf^)rü(^e befriebigeft, überaü »er* 
breitet tt>erben : unb [e^t erfc^etnt eine ©efammtau^gabe , n^Id^e. 
3ltte« i>ereinigt gtoge unb fteine ©erfe, beliebte unb t>erfd^oücne, 
banfbare unb unbanfbare, naci^ ben ftrcngften Slnforberungen 
»tffenfci^afttid^er Stttil rebigtrt , äu^crlic^ glänjenb au^gcftattet, 
unter iöebingungen , meldte eine »eitgreifenbe SBetl^eitigung bc« 
tttufifatifd^cn publicum« t>crau«fe^en unb mögtic^ mad^en. ®ne 
SD^atfad^e mirb baburd^ junäd^ft feftgefteUt, ba^ gegenwärtig 
39eet^ot)en tpett »or oiUn übrigen Som^)oniften bie il^etlna^me 
be« gefammten mufifatifd^en "^ubticum« in 5lnf^)rud^ nimmt unb 
be^^alb an^ ben mufifalifd^en SJlarft b'el^errfd^t. (5« mag fd^toer 
-fein über Vertrieb unb SSerbreitung ber mufüalif d^eu ^robuctionen 
genaue unb jumtäffige ftatiftifd^e 9iad^rid^ten ju erlangen : ba« 
fte^t über aüem Si^cx^ti feft, ba^ lein Som^)ont[t, »eber ein ctof* 
fifd^er nod^ ein mobifd^cr, aud^ nur öon weitem mit Seet]^oi>cn 
in 33ergleid^ gefteüt werben fann, wenn e« fid^ um bie fortwäl^renb 
maffen^aft gefteigerte Verbreitung ber 933er!c l^anbeft. 3a, e« wirb 
»erftd^ert , bag , wenn man ber (Sefammtl^eit ber Seet^oöen'fd^en 
(Som^)ofitionen, n>tlä)^ in einem.3a]^r burd^ ben SHufifl^anbel ver- 
trieben werben, aüe übrigen SRufilaüen , wetd^e.im fetben 3a^r 
ijcriauft werben, jufammenftefa^t gegenüberfteüeii wottte, bie SBage 
metleid^t fd^wanfen, ber einjige ©eet^oben aber aüen übrigen jeben* 
|att« ba« ©egengewid^t l^atten würbe. S3egreif(i^crwei(e finb e« 
bie (Som^ofitionen unb 5lrrangement« für S!fat?ier, wetd^e l^ierbei 
ben äui^fd^tag geben , bcn bcnen einjefne in ungtaublid^er änjal^I 
verbreitet werben ; ba^ aber biefe f ouveräne ^errfd^aft über ba« 


^cet^otocn unb bic Slu^gaben ferner Scrfe. 285 

mufifaüfci^c ^ublicitm oBer 'S6)x6)ttn unb S3c!cnntniffc nid^t eine 
t>otübctge]^cnbe ä)?obe(awne bee J)i(ettauti«mu^ , foubcrn ein er* 
fveulid^et Sewet« bafür ift, toic tief unb njte atlgemetn fci^on @m* 
))finbung unb 3ntereffe für eci^te unb ^oi^e Sunft unter un^ Der* 
fcreitet ift, bafür legt auäf bie neue ©efammtaudgabe ein B^wgnife 
ab, ®en)i5, e0 ift eine bemerfen^wert^e unb ungemein befriebigenbe 
(5rfei(^einung , ipenn ein großer Äünftter fo allgemeine 35erei^rung 
genießt, mnn feine ©erfe fo unmittelbar lebenbig anrfen, baß eine 
mit ßinfid^t unb Srnft unternommene , nad^ alten ®eiten tüd^tig 
unb tt)ürbig au^gefül^rte (Sefammtaudgabe t)om publicum freubig 
aufgenommen unb unterftütät tt)irb. ÜDenn bie ©d^wierigfeiten, 
tt)cld^e fid^ t)on allen Seiten l^er einem fold^en Unternel^men ent* 
gegenftelten , finb f o groß unb mannigfaltig ; baß nur eine allge»' 
meine unb nad^l^altige ©ct^eiltgung be^ publicum« 3Kutl^ unb 
Äraft geben fann, fie ju ubernjinben unb ba^ SBerl ju Dottenben. 

Scctl^oöen felbft ^atte fid^ n>ieber^olt mit einer ausgäbe 
feiner fämmtlid^en 333erfe befd^äftigt. ©d^on 1803 fagte er in 
einer @r!larung , burd^ meldte er gegen eine unred^tmäßige äuö* 
gäbe feiner fämmtlid^en 2öer!e für ^ianoforte unb ©aitcninftw* 
mente ^)rotcftirte : „Ueber eine unter meiner eigenen 3luffidf)t 
unb nad^ öorl&ergegangener ftrenger 9ictoifion meiner SBBerfe ju un? 
ternel^menbe Sammlung berfelben »erbe id^ mid^ bei einer anberen 
(Gelegenheit umftänblid^ erllären;" ti>a« nid^t gef d^al^. 3m Sai^r 
1816 war il^m Don ber C>o f f m e i ft e r ' f d^ e n SSerlag^i^anblung in 
Seipjig ein 2lntrag auf ^erau^gabc feiner fämmtlid^en Älamer* 
com^)ofirtonen gemad^t »orbeu, ber aber feine gotge ^atte. JSben* 
fotoenig Srfolg l^attcn 33er]^anblungen mit @ t ei n e r u n b ß o m <>. 
in ©ien, meldte burd^ Ueberna^me ber fämmtlid^en SBerfe jugleid^ 
bie 33erj)flid^tung ©eetl^oöen« crtuirlen »outen, alle fünftig ju 
fd^reibenben Som<)ofitionen nad^ einem beftimmten ^onorartarif 
i^rem^ SSerlage ju überlaffen. Dod^ ijerließ ber ©ebanfeSSeet^otjen 
niäft uneber. 3m 3a^r 1820 ging er, toie bie 5Rotiäbüd^er au^* 
tpeifen , bamit um , unb fd^rieb im Sommer 1 822 bem Wln]\h 
^x(tUx ^eter« in ?ei))iig, nad^bem er i^m mehrere ungebrudfte 


s. 


286 Scct^ioöcn unb btc $(u6galbcn feiner S8er!c. 

6om<)cfitionen jur SSerfügung gefteüt l^attc : „ytaiftx at« ba^ aße^ 
(legt mir bte §eraudgabc metner fämmttt(3^en SBerfe fei^r am §er* 
jen, ba iäf felbc in meinen ?ebjeiten fceforgen möd^te ; »ol^l mand^c 
antrage erl^iett td^ , aßein e^ gab 9(nftänbe , * bie !aum t>on mir ju 
^eben »aren , unb bie xöf nid^t erfüllen tooütc unb tonnte. 3d^ 
tDürbe bie §crau^gabc in jnjei, aud^ m&gftd^ in einem ober anbert* 
^a(b 3a]^rcn mit ben nötl^igen §ü(fdleiftungen beforgen, ganj rebi* 
giren unb ju ieber ®attung Som^)ofltion ein neue« SBerf liefern, 
^5. ®. ju ben SJariationen ein neue« 355erf SSariationen , ju ben 
©onaten ein neue« SBerl ©onaten unb fo fort ju ieber ärt, toorin 
td^' eftda^ getieft l^abe , ein neue« SBer! unb für alle« biefe« ju* 
fammen »erlange id^ jel^ntaufenb ®u(bcn 6. SW." 6« ift nid^t 
ganj f tar, ob e« ftd^ l^ier um me^r a(« eine ©ammlung ber Älabier* 
fad^en l^anbelte, allein eine tpeitergel^cnbe Unternehmung ^tte 
SÄattl^ia« 5lrtaria im ®inne. 9lu« feinen mit SBeet^otjen 
gegen @nbe be« Saläre« 1823 ge^)flogenen SSer^nblnngen ge^ l^er* 
i>or, ba^ er mit ber SSeröffentlid^ung ber ßom^)ofltionen für ^laöier 
allein anfangen tDoltte , bann follten bie ©ad^n mit Segleitung 
f ofgen , alle STOonate ein SBanb i>on ungefäl^r breiig ©ogen er* 
fd^einen , bie Ouvertüren fommtlid^ in Partitur ; bon ®t?m<>]^o* 
nien unb ®efang«muftl ift nid^t bie {Rebe. 311« ©eetl^oDen ai|d^ 
l^ierauf nid^t eingegangen loar, toanbte fid^ im ©ei?tember be« 
f olgenben Sa^re« ein alter betoäl^rter gteunb ,8lnbrea«©trei* 
d^cr, mit einem neuen SSorfd^lag an il^n. ,,3d^ l^abe fd^on oft 
über 3l^re Sage nad^gebad^t/ fd^reibt er: ^^unb bcfonber« barüber, 
toie unb auf toeld^e 9)[rt ©ie grS^ere SSorti^eile an^ ^xm au^er* 
orbentlid^en SEalente jie^en fönnten ? 3d^ bin f o freij 3l^nen biefe« 
jefet i>orjtttegen unb bitte ©ie m^ toal^rem l^erjlid^en ®ef ü^t , ba« 
toa« ©ie i^ier lefen einer emfttid^en *?rfifung ju untertoerfen." 
'Der erfte SSorfd^tag bejiel^t fid^ auf regelmäßige äbounementcon* 
certe, meldte ©eet^oöen im ©inter beranftalten foflte. „15er jn>eite 
33orfd^lag , loetd^er in ber 3lu«fül^rung ganj t>on 3l^nen abl^ängt 
unb voüä^ex, njenn ©ie il^n au«ffil^ren, »enigften« 10,000 gl. 
6. 3W. ober 25,000 gl. ©. ©.-einbringen muß, ift — bie 


8cct]^oi)cn uttb bic l[w«gakn feiner Serfe. 287 

fjcrait^gafce 3]^tcv fämmüid^cn SSJerfe , tote f old^ t>i>n SKojart, 
§aj^bn unb ßlcmcntt Detanftaltet »otben. 5Dief e ipcrau^gabe iDürbc 
ein ]^aI6e« 3a^t Dor^r in ganj (Suto<)a angefünbigt unb itoax gegen 
@ubfcvij>tion ober Pränumeration, unb mä) bem SWagftab ber 
ainjal^I Don ^ränumeranten • mit bem SSerleger, ber bie ijortl^eil* 
l^afteften ©ebingungen mad^t , ein ßontract afegefd^toffen. SBenn 
®ie in ber äntünbigung bemerfen , ba§ ®ie 1) alle ®(at)ierftüde, 
njel^e \)or ©infüfirung ber "^ianoforte t>on syj ober 6 Dctat>en 
gefd^rtcben Sorben , l^ter unb ba nmänbern unb mi) ben ie^tgen 
3nftrumenten einrici^ten tootlen : njenn ®ie 2) ben Äta^ierfad^n 
auäf einige neue ungebrudte @tü<f e beifügen , fo ift biefe §erau«^ 
gäbe toie ein ganj frifei(^e« , neu com<)onirte« SBer! ju betrad^ten 
unb mu| auö) Don bemientgen gelauft toerben , ber 3^re früheren 
äöerfe fd^on befifet. !Die @a(^ fetbft !ann Sinnen unmägUc^ fo 
Diete MHüft mad^en, ba| ®ie fofd^c nid^t unternei^men fönnten. 
®ie finb biefe^ fid^ fetbft, Si^rem Steffen, für ben @ie bann leidster 
etwa« t^un Ii5nnen , unb ber ^iad^ibett fd^ufbig. — - Sici^men ®ie 
ba« ©cfagte al« bie^STOeinung eine« Sreunbe« auf , ber ®ic fd^on 
f ed^^uttbbrci^ig Doüe 3a^re fennt unb »etd^en uid^t« fo fe^r freuen 
würbe, at« ®ie au^er ©orgcn ju fe^en." 5lud^ biefer i^reunbe«* 
ratl^ fam bei Seet^oben« Unfd^iüfjtgleit in ^)rafttfd^en fingen 
nid^t jur 2lu«fü^rung, ber $Ian einer ®efammtau«gabe aber blieb 
f ortwal^renb auf bem S:a^>et unb im Sai^r 1 826 »urbe juerft mit 
©d^Iefinger au« 83 erlin bei beffen Slntoefeni^eit in 3Bieu 
münblid^, bann fd^riftßd^ mit ©d^ott in 3)Jainj barüber Der* 
l^anbclt, aüein anäf ietät ol^ne SRefuItat. 

SBir i^abcn biefe Srfolglofigfeit fd^toerfid^ ju beMagen , benn 
eine in bem ©inne Doüftanbige unb juDerläffige 3lu«gabe, wie fie 
ietät geboten wirb, wäre bamal« laum ju erreid^en gewefen, 
©ämmtlid^e ®cfang«com^)ofitionen , ben gib et io an ber @l>ifee, 
bie großen Snftrumentatwerfe , bie ßoncerte in Partitur ju geben 
i^ätte man wol^I nid^t ben SWut)^ gei^abt. ®« fd^eint, al« wenn ber 
ungewö^nlid^e (Srfotg, weld^en bieäupi^rungen ber A dur unb ber 
®d^tad^tf^m^>i^onie im Sal^r 1 81 3 unb 1 81 4 i^atten, juerft e« ti^un* 


2S8 ^eet^c^en unb bie ^udga6cn feiner Serfe. 

lid^ crfd^elncn Iie|, ®^nH)]^onien gtetd^ in Partituren jn ^JuMictten, 
rotl(i)t bamate in jiemüd^ befd^eibcncr ©cftalt üt^ogta^jl^trt l^er- 
au^Iamcn. ®ic f^)ätcren ßomi?ofitioncn bet Slrt »utbcn cttenfati« 
gleid^ in Partitur tjeröffentlid^t , attcin bie "Partituren ber über* 
»iegenben Slnjal^I frül^erer ©iju^jl^ouien, Duijerturen, Quartette, 
tt)eld^e \c%t auf beut ^ulte jebe^ ßonferöatorienfd^üler^ ju finben 
finb , würben naci^ unb nad^ , jum großen 2^]^ei( erft naci^ SSeet* 
^oijen^ S^obe gebrudt ; bie *ißartitur be^ gibelio juerft in ^ari^ mit 
franjöfifd^er Ueberfefeung, erft Diel fj>äter auci^ in SSonn bei ©im* 
ro<f. 

Sdtttf)ot>zn^ Setl^dUigung an ber 3lu^gabe l^ätte freilid^ in 
Dielen unb tt)id^tigen Söexiel^ungen unerfefetid^e äJortl^eile gebrad^t, 
mand^e ©d^wierigfeiten , bie jefet unlösbar finb , tt?aren gar nid^t 
at« f old^e hervorgetreten ; aber fte broi^te aud^ einen bcbenllid^en 
^aäftiftxi ^erbeijuf ül^ren , benn er badete baran äenberungen an 
feinen Som<)ofitionen Dorjunel^men. Sine Slrt ber Slbänberungen 
ift bereit« erttjäi^nt. Sin namhafter ^txi ber früheren Älaöicr* 
ti>er!e ift für 3nftrumente öon nur fünf Dctaven gefd^rieben , unb 
e« ift nid^t ju miennen, bafe an mandf^en ©teBen bicfer befd^ränWe 
Umfang bie gtei^eit be« Som^jontften beengt i^at. 3Kan gcwai^rt 
bcutlid^ , bag ba , too eine 9Re(obie ober "^Jaffage in einer S^onlage 
toieberi^olt tt)irb , in metd^er bie ^ßl^e be« 3nftrumente« nidf^t an^^ 
reid^t um fie DoBftänbig njieberjugeben , Slbänberungen nur be« 
äußeren ^emmniffe« toegen nötl^ig geworben finb. SDiand^e gäfle 
finb fo Kar unb fo einfad^, bag ieber einfid^tige ©<)ietcr jefet bie un* 
jmeifetl^afte 2:ran«i?ofition feCbft öorne^men lann. äüein anberd* 
wo ift e« minbeften« jweifctl^aft , ob nid^t außer ber SSefd^ränfung 
bed Snftrumente« auc^ nod^ anberc innere ilRotiöe bie Slbänbemng 
bewirft i^aben , unb enblid^ f cl^tt e« ni.d^t an f old^en ©tetten , wo 
bie SSeränberung, wenn fie aud^ burd^ ben äußeren 3tt>cing man* 
laßt ift , eine neue ©d^önljeit l^ertjorgerufen , bem ®anjcn einen 
eigent^ümlid^en SReij tjerlie^en l^at, auf ben nun 5Riemanb öerjid^^ten 
möd^te. 6ine burd^greifenbe 9tcbaction ber ätteren ÄtoDiercomj>o* 
fitionen, f o baß bie ©(eid^mäßigfeit ber *^arattclftetlen nad^ SJiaaß 


Bttti^oun unb bic ausgaben feiner Söcrfe. 289 

gäbe bc^ ewciterten Umfangt ber Snfttüntcntc ftrcng bur^gefüi^rt 
mürbe, toie fie »ol^I verlangt »orben tft, fann ba^er iefet in leinet 
Slu^gobc ijotgcnommen »erben : c« ift jebem ©Riefet ober Seigrer ju 
üBerlafftn, »ad er in biefer C)infici^t ©eetl^oten^ Intentionen f d^ut^ 
big ju feingtanbt. 3]^m felbft l^ätte aüerbing« bie antl^entifd^e Snter* 
<>retation i)oüftänbig jugeftanben, eine bon ii^m in biefer ©cjie^ung 
vorgenommene JRebifion mürbe ber bnt^ftafcengläubigen ^ebanterie 
tt)ie ber eigenmittigen 9lenberung«tuft ben ©oben genommen l^aben, 
unb tt)ärc banfcn^mertl^ getoefcn, felbft menn i>ie(teici^t ber ßon» 
fequenj l^icr unb ba eine ©d^ön^eit atö D^fer gefallen märe. 

6^ ift aber nid^t benibar , ba| SBeet^oben , menn er feine 
frül^erenSom^ofitionen Jjornai^m, fid^ auf fo l^armlofc Slenberungen 
befd^ränft l^aben mürbe unb ba§ er benfelben überatt geredet gc* 
morben märe. SSefanntüd^ maren i^m mand^c berfelbcn in f^)ateren 
Salären gar nid^t red^t, er geftanb benfelben „einiget 5£:a(ent unb 
guten SBitten" ju, aber er mürbe unmutl^ig, menn man fie lobte. 
2l(^ er im Sai^r 1814 feine Dpzx t5 i b e ( i o mieber aufnahm, fd^rieb 
er an ben JEl^eaterbid^ter SEreitfd^fc: „Uebrigen^ ift bie ganje 
®aäft mit ber D^)er bie mü^famfte t>on ber SBett, benn \äf bin mit 
bem meiften itnjufrieben unb e« ift beinal^e fein ®tn(t , morin id^ 
nid^tl^ier unb ba meiner jttjigen Ungufriebenl^eit einige 3«fttebeni^eit 
l^ätte anflidfen muffen." a5ermuti^Ii(^ märe e« mit ben ÄIabiercomt>o» 
fitionen nid^t Dielanber« gegangen unb l^ier märe bie SSerf d^iebenl^it 
in ber 3luffaffung unb ©arfteüung gemi| nod^ ungfeid^ fd(^ärfer 
l^erborgetretcn. 2Bie biet ^errßd^e^ bann aud^ im (Sinjelnen neu 
gefd^affen morben fein mBd^te , bie SBerfe , meldte nid^t aöeiri ben 
Sntmidelung^gang be^ 6om<)ontften bejeid^neten, fonbern ein ®e* 
meingut be^ mufilatifd^en publicum« , beffen ©itbung fie mefe'nt«^ 
tid^ bemirlt i^atten, gemorben maren, mären afterirt morben, unb 
ba^ märe bei jmeifet^aftem ©eminn ein fidlerer ©d^aben gemefen. 
einem ^nftter, ber fein SBerf bem publicum fibergeben unb 
burd^ baffetbc eine beftimmte nad^l^altige SBirhtng erjielt ^at, fielet 
nid^t mei^r bie unbebingte §errfd^aft über baffelbe ju. 2öa^^ il^m 

5 a fe n , %uffä|ie liber 9»ufif . 1 9 


290 Seetl^ot>ett unb bie $(u9ga6en feiner Serfe. 

ottf einem fjjätet gcttjomiettcn ®tanb<>unlt aU eine uttitoetfetl^fte 
SSerbefferung etfd^etnt, wirft feine^tDeg« immer ate eiuc fold^e, 
»eit ba^ publicum bereit« eine fefte ©teBnng ju bcm Sunft* 
tt>erf genommen ^at, bie e« felbft bem Url^ebcr gegenüber fep^Ö; 
unb fel^r ^ufig ift e« babei öon einem rid^tigen Snfttnct für ba« 
getextet, toa^ in jenen SSJerf en mit urfprünglid^r Äraft toirfte , bie 
e« fici^ burij^ einjelne 35erbeffernngen nijd^t »itl fd^mäd^n laffen, 
äUtcrbing« bcnwil^rt fid^ ba« mal^r^aft fd^ö<)ferifci^e ®enic burd^ bie 
mit ber "^Jrobuctiou §anb in §anb gcl^enbe ©dbftfritif — «nb 
i)ieltei(i^t ift a9eet^oi>en gerabe mäf biefcr SRid^tung ^xa ein« ber 
tt)unbertt)ürbigften nnb (ei^rreid^ften ©eif^iete — ; aöein biefe 
Äritil ift untrennbar t)om ©d^aff en , beibe burd^bringen 'einonber : 
bem fertigen , obgclööten tnnfttoerf gegenüber ift bie Sritif be« 
Urheber« nid^t fetten befangen. SBie tief aber S3eet^ot>en ba« 
fritifdf^e äReffer einjufüi^rcn im ©tanbe gewefen »äre , gel^t fd^on 
barau« ^eruor , bag er, n>ic ©d^inbter berid^tet, ernfttid^ mit bem 
®ebanlen umging, au« mehreren ©onaten äRenuett ober 
@d^erjo ganj ju entfernen, angeblid^ ju Srjietung größerer (Sinl^eit ! 
©eet^oöen i^attc nod^ einen anberen SSorfafe rüdffid^ttid^ ber 
@efammtau«gabe , beffen SScreitctung ju bebauern mand^e fei^r 
geneigt fein »erben. Sr beabftd^tigte nämtid^, »te ©d^inbtcr eben*' 
faß« bcrid^tet , burd^ Ueberfd^riften unb !urjc Slnbeutungen bie 
^<)oetifd^e 3bee" wrfd^iebcner Som^>ofitionen ju bejeid^nen, um 
baburd^ rid^tigc« S5erftänbni| unb 35ortrag berfetben ju erteid^tern. 
@r ftagte mol^I, n)enn er um ©inn unb Sebeutung au«brud(^oiIer 
Sompofitionen befragt »urbe , bie ^xt, in »eld^er er bie mciften 
©onaten gefd^rieben , fei <)oetifd^er gemef en at« bie fpätere ; »er* 
mut^tid^ iDeit man fid^ ber SO^ufif einfad^ Eingab , t)on bem muft^ 
latifd^en (SinbrudE befriebigt, bie baburd^ angeregten (Sm^finbungen 
im ®emfitl^ ijerHingen tie§ unb fein SSebürfnig emj)fanb, nad^ @e* 
banfen unb 3been ju fragen, »etd^e Don einer ganj anberen ©cite 
]^r at« ber mufilatifd^n ben ©egcnftanb be« 3ntereffe« <)räcifiren 
fottten, ^3ebermann" befd^^erte er fid^ ,,fü]^tte au« bem 2argo 
ber Sonate in D dur (Op. 10) ben barin gefd^ilberten ©eeten* 


^eetl^oöen «nb bie ?lu6g<tBcn fMncr Scrfc. 291 

guftanb etnc^ SSKelanc^oItfd^en l^craw« mit aücn bcn ijcrfd^tebencn 
3luancen Don Std^t unb @ci^atten im S3t£be ber 3Wetand^o(te. " S5a^ 
tt)ttb gemtß aud^ f^jöter , rou jefet unb fünfttg , jcbcr 9WufifaItfd^c 
i)on ©efiil^t l^etau«]^övcn ; aber bamtt begnügten f^ eben bte gra* 
genben nid^t , ti^r SSowt^ n)ottte anö) erfahren , ttjeld^e^ btc tnbt* 
tjibueüe , ^jcrfönßd^e SSeranlaffnng jii f old^er Stimmung gemefen 
fei , ioomöglid^ im ßom^)oniften felbft , ben man gar ju gern mit 
bem Sunftmerf ibentificirt. Unb njenn er auf fold^e i^tagen 9?ebe 
fte^t , tt)irb ba^ un^ n)irlßd^ f örbern ? 911« SSeetl^oöen einmal in 
guter ©timmung mar, bat il^n ©d^inbter um ben ©d^Iüffet ju ben 
©onaten in D moU (Op. 31 , 2) unb F moU (Op. 57), unb er 
ertDiebettc :. „Sefen Sie nur® i^ alef ^) eare*« ©türm/' Offenbar 
toar ©d^inlDler einigermaßen be«a^^>ointirt , benn er fä^rt fort: 
„®ort alfo fott er ju finben fein; aber an toeld^er ©tette? Stager, 
Icfc, rati^e unb errat^e! " SSermut^üd^ toirb ber i5rager Don feiner 
Sccture bie fidlere Ueberjeugung mitbringen , ba§ ©]^a!ef^)eare'6 
©türm auf il^n anber« ttjirfe ate auf SSeetl^oben unb feine D moll 
unb F moll ©onaten in i^ta erjeuge. T)a^ gerabe biefe^ Drama 
©eet^oben ju fofd^en ©d^öpfungen anregen fonnte> ift freitid^ nid^t 
oi^ne 3ntereffe ju erfal^ren, au« bem ©]^afef^3eare ba« 35erftänbni| 
berfetben l^erl^olen tt)otten l^ieße nur bie "Unfäl^igfeit ber mufifali/ 
fd^en 5luffaffung bezeugen. 2lud^ n>enn Seetl^oDen einmal genauer 
citirt, toirb ba« aSerftänbniß baburd^ nod^ nid^t geförbert. . ©ein 
»ertrauter greunb Slmenba erjäl^tte, baß Seetl^oben il^m gefagt l^abe, 
bie bem Slbagio im F dur Quartett (Op. 18, 1) l^abe tl^m bie 
@rabe«fcene au«9iomeo unb 3u(ire borgefd^ujebt. SBer 
nun ettoa biefe in feinem ©^afefpeare aufmerffam nad^Iieöt unb 
bann beim ^Inl^ören be« 3lbagto fid^ ju bergegentoartigen fud^t, tt)irb 
ber fid^ ben ujal^rcn ®enuß be« aKufifftfidE« erl^ö^en ober.ftbrcn? 
9iad^ ßjernl^'«, bon 9lnberen beftätigtem, SBerid^t ^attc Seetl^oben 
gefagt, ba« äbagio be« E moll Quartett« (Op. 59, 2), fei il^m 
beim 2lnMidf be« geftirnten §immefe aufgegangen ; man U)iü loiff en 
baß i^m, nad^bem er lange im freien im i^inftern gefeffen , bon 
allen ©eiten aufgli^ernbe Sid^ter ba« 3Motib jum ©d^erjo ber 

19* 


292 $eetl^o)>en itnb bie %u^ahm fetner Serfe. 

DmoU ®^nH)l^onic, ein i)otükt8ato^><>ttenbcr 3tettet ba« n>ie* 
gcnbc S^l^cma jum Ictäten ©afe ber ©onate in DmoU (Op. 31, 2), 
ba^ n^ieberl^olte ungebufbige ^(o^fen eine^ in ft>ater 3ladft ber« 
gcblid^ @inta§ SSegcl^rcnbcn bo^ ^)oci^enbc ÜÄott» im erftcn ®a^c 
bc« 35ioIinconccrt« eingegeben i^abe. BKi5güci^, ba§ ein ^)rägnantct 
finnüd^et Slnbmd im günftigen ÜÄoment bti^artig ein d^araltett* 
ftifci^e^ ÜÄotlb i^erbottief , möglid^ ouci^ , ba§ ber ©nbrud hn ®t^ 
bäij^thit bed Äünftler« l^aftcte; aber mit ber ffinftlerifd^en ßnt* 
toidefnng.btcfe^Seim^, mit ber .fd^9<)ferif^en ©rganifation be« 
Sunftroerl« ^at biefe änfeerlici^e änregnng ntii^t« mei^r.xn tl^nn- 
X)ie Si^atigleit be^ ^nftler^ ben^egt ftd^ in ganj anberen 9{egtonen, 
unb »er ba glanbt , bon bem jnf äUigen äußeren äntaffe an^ lafff 
\x6f ba« Ännftmerl conftruiren , ber ^at leine äi^nung »om lünjt* 
lerifd^en ©d^affen. ©otttc j. Sd. 3emanb anf bcn ©nfatt lommen, 
ben erftcn ©afebe« 3Sioßnconcert« naci^ feiner <)f i^d^ologtfd^cn Snt* 
n)i<{elung unb au^erßd^en @(iebemng au« Jener ©ituation be« nad^t« 
tid^en S(oj>fcr« abjuleiten unb ju erltören , f o m&ge man tl^n in 
®otte« 5Ramen liop^m laffen : bie Z^x be« redeten SSerftänbniffe« 
u>irb il^m ntd^t aufget^an merben. 

Ueberfd^riften unb Slotijen, aud^ autl^entifd^c, bon SBeetl^ofeen 
felbft l^enüi^renbc , toürben ba« Einbringen in ©inn unb Sebeu* 
tung be« Sunfttt>erl« nid^t »efentlid^ gefftrbert l^aben, — ba« barf 
man jagen , ol^ne bem 3ntercff« ju nal^e ju treten , »etd^e« fie 
burd^ mand^e j)erfönftd^e äufttärung gel^abt ptten ; e« ift bielmei^r 
JU fürd^ten , ba| fie ebenfotpol^l SWi^bcrftänbniffe unb SSerfel^rt* 
Reiten i^erborrufen »ürben , töie bie , »eld^e Söcctl^obcn bcrJffent^ 
üdft iiat !t)ie fd^5ne ©onatc in Esdur (Op. 81) trägt belannt* 
ßd^ bie Ueberfd^riften Les adieux , Tabsence , le retour unb 
»irb ba^er at« juberfäffigc« Söeif^)iet bon ^rogrammmufil mit 
©id^er^eit intert>retirt. ,;35a| c« ÜÄomente an^ bem Scben eine« 
licbenben ^aare« finb , fefet man f d^on borau« , " — fagt SWarj, 
ber e« bal^in gefteUt fein lagt , ob bie fiiebenben berl^eirat^et ftnb 
ober nid^t — „aber bie 6om<>oJttion bringt aud^ ben SSettjci«," 
— ^'Die Siebenben öffnen il^re ^rme toie ^ngo^izi i^re gtflgel/ 


^eetl^otoen unb bte 9[u«gaben feiner Serfe. 293 

fagt Sen) t>om ®ä)tn^ bet ©onate. 3lnn t)at SdztOf ot>tn auf ba^ 
Originai bcr erftcn äbtl^cttung gcjci^ticben : 

Da« ScbctDol^I bei bet 316 reife @r. laif. ^ol^ett 
be«gtj]^er3og« SRubotf ben 4. SWat 1809 

unb auf ben 5Eitet ber jttjeiten : 

Die älnluttft @t. laif. ^ol^eit be« Srjl^ctiog« 
JRuboIf, ben 30. 3anuat 1810., 

^an begreift, ba^ er aud^ bei ber SSeröffenttici^ung biefer 
Srgüffe einer l^öci^ft <>erf8nlid^en ©timmung ba« änbenfen an bie 
SJeranlaffung eri^aten xocütt , ol^ne feinen laif erlid^en greunb ju 
bejeid^nen. Aber »ie tofirbc er ^^roteftirt l^aben , bag er bem (Srj* 
l^crjog gegenüber biefet^in fd^meici^elnbem Sofen befetigter Suft** 
Pügelfd^Iagenbe @ie tjorfteüen fottte! ÜÄan fielet, l^ier ift bie 35er ^ 
antaffung unb Situation öon ©eet^oi^en fclbft angegeben, aber im 
Ion mu§ ber SWeifter fid^ »ergriffen l^aben , ober — feine Onter- 
<)reten, 

©eetl^oöen l^at fid^ , »ie toir toiffen , über feine äu^Ieger oft 
unb lebi^aft bettagt , unb er l^atte Urfad^e baju. ©etoif »äre er 
mit 3Kenbetefo^n ganj einöerftanben gcwefen , ber an ©oud^ai; 
fd^reibt : ßi^^ toa« mir eine SDhtfil au^f^rid^t , bie id^ liebe, finb 
mirnid^tgu unbeftimmtc ©ebanfen, um fie inJßortenju 
f äffen, fonbem ju beftimmte. — -gragenSie mid^, toa« id^ mir 
babei gebadet l^abe , f o fage id^ : gerabe ba«* Sieb tt)ie e« bafte^t. 
Unb l^abe id^ bei bem einen ober anbem ein beftimmte« Sffiort ober 
beftimmte ©orte im ©inne gel^abt , f o mag id^ bie bod^ feinen 
SDlenfd^en au«f^)red^en , »eit ba« SBort bem einen nid^t l^ei^t »a« 
e« bem anbem l^ei^t, »eil nur ba« Sieb bem einen baffetbe fagen, 
baffelbe ©efül^t in il^m erwedfen fann , »ie im anbern — ein ®e* 
fü^l, ba« fid^ aber nid^t burd^ biefetben SBorte au^brüdfen lägt.'' 
ÜDarum lönnen toir jufrieben fein, baß aud^ ©eetl^oöen feine ©orte 
nid^t au«gef^)rod^en l^at, bie nur ju 35icle ju bem Srrtl^um Gleitet 
l^aben »ürben, »er bie Ueberfd^rift öerftel^e, ber öerftel^e aud^ ba« 
^nftoert. @eine SDtofil fagt SQe«, »a« er fagen »oUte, fie ift unb 


294 ^ectl^c^en unt> bie 2iit«gabcn feiner Serfe. 

bleibt bct lautere QucÜ, au^ bem icbct fd^B<)fen lann, ber empfang* 
üd^ ift. 

2)ic SJer^ublungen ttjegen einer ©efammtau^gabe maren 
n?al^rfci^emttd^ eine 2Jeran(affung , ba|!£ob. §a^linger eine 
5lbfd^rift fämnttüd^er S3eet^ot)en'fd^er ßomj)ofitionen t)eranftattete, 
bie für ben 2)ru(f ^ättc afe ®runblage bienen lönnen. ®<)äter 
»urbe biefe bnrd^ einen Äattigrapl^en gleid^mci^ig unb fd^on au6* 
gefül^rte ©animinng, »eld^e Seetl^oi>en« S5Ber!e nal^eju bottftänbig 
enthält, bom ßrji^erjög $RuboIf angefauft unb bilbet in einer Steil^e 
ftattlid^er goüobänbe einen ^erborragenben ®^mud fetner , % öon 
il^m ber ©efeüfd^af t ber 3)lufiffreunbe in SBien bermaij^ten ©iblio* 
ti^et. Seiber ift aber bei ber 2lnfertigung ber äbfd^riften nur ba« 
fafligraj>^ifd^e 3ntereffe in^ 3luge gefaxt uni> leine ©orge getragen, 
bag fie auci^ jutjerläffig unb correet feien , fo ba§ fte ate tritif^c« 
$ü(f0mittet fi^ fo gut »ie unbrauchbar erliefen l^abcn. 

^Rad^bem bur^ SSeet^oben fetbft leine .©efawnitauögabe ju 
©taube gefommen »ar, niad^te f))ater ^.^l^. 5Dunft ingranf * 
fürt ben Slnlauf ju einer fotd^en. 5lber o^ne ®nftd^t in bie S5e* 
beutung ber aufgäbe , mt o^ne bie nötl^igen SSorbereitungen unb 
aWittet unternommen , blieb biefe 9lu^gabe, bie aöerbing« einige« 
Unbefannte ober SSerfd^oflne an« 8id^t jog; aber ujeber burd^ forg« 
faltige Siebaction nod^ gute 3lu«ftattung fid^ enH)fa]^t, batb ftecfcn 
unb ift öerlommen. 

©d^on ba« „t^?matifd^c SSerxeid^niß fämmtüd^er im üDrudE 
erfd^ienenen 333er!e bon Subtoig. ban Seetl^oben" (Seipjig 1851) 
lann bei einer ttioa^ einge^enberen 5Ißufterung eine SßorfteUung 
toon bem Umfange einer ®efammtau«gabe geben , toie aud^ bon 
ben mannigfad^en ©d^toierigfeiten , meldte babei ju übenoinben 
finb. gürttja^r bie fiöfung biefer aufgäbe erforbert äRittel unb 
Gräfte , nid^t minber aud^ Sinfid&t unb SBißendftärfe in nid^t ge* 
ttjöl^nlid^em fSflaa^. äte im 5Robember 1861 bie aSerlag^l^anblung 
©reit!opf unb gärtet änfünbigung unb "^rof^ject ber erften 
boüftänbigen überaU bcred^tigten ausgäbe ber ©erfe bon Subwig 
i>an ^eetboben erlieg , burfte mau ein nat^ aQen ©eiten ^in n)o^( 


^eetl^oioen unb bU 9(udgakn feiner ^erle. 295 

öorbctcitcte« , fidlere« ©dingen öerl^cigcnbed Unternehmen er* 
»arten ; jcfet , nad^bem innerhalb »ter Saläre ber müi^eboHe ®eg 
jurüdgetegt tft, laffen fici^ buri^ eine ettoa« naiver etngel^enbe ^xiu 
fung bcffen »a« öerf<)rod^cn unb geteiftet njorben ift , bic l^Bd^ft 
crfreuKd^ctt SRefultate Har mad^en, tocld^e für ba^ mnfilaüfci^c 
publicum burci^ btefe Sln^abe getDonncn finb. 

SBenn fid^ biefelbe ate eine ,,überatl bered^tigte" bc* 
jcid^^nen barf, fo lann ba^ ate eine ängelegenl^eit betrad^tet lüerbcn, 
bie junäd^ft ben 35erlegcr angebt unb ba« publicum mcniger inter«* 
effirt. ^2UIerbingd fragt ba^ $ub(icum ge)t)öl^n(id^ nid^t nad^ bet 
©ered^tigung be« ißertegerd, »eil e« biefetbe Dorau^juf e^en fid^ für 
befugt ffäit ; aüetn »ie unHar aud^ bie ©egriffe über IRad^brudt finb 

— ben man , tt)ie t>ox ^^ittn bei 93üd^em , fo ie^t bei SWufilaticn 
gar ate ein |)atriotifd^e^ aSerbicnft ^^reifen ^ört — fo toirb e« bod^ 
jebem jur ©cfriebigung gereid^en , toenn fein Sntercffe an einem 
großen unb bebeutenben Untemel^men burd^ feineu B^^^if^t ^^ ^^^ 
rcd^tfid^n SBafi^ beffelben becinträd^tigt toirb. !E)ie ©d^ioierig^^ 
feiten ujurbcn jteiltd^ — anä) ba^ ift biüig in Snoägung ju jiel^en 

— beträd^tfid^ baburd^ i)erme]^rt, ba| mit einer crl^ebUd^en Slnjal^l 
öon SSerlegern erft ein älblommen gu treffen toar, Slud^ »er ntd^t 
näi^r t>ertraut ift mit ben lounberfam unttaren ä3er^a(tniffen 
tt» SSerlag^rcd^t« , toie fie fid^ im Sauf ber ^eikn unb an 
Dcrfd^iebenen Drten me^r ijertoidelt ate enttijidctt l^abcn , brandet 
nur einen SbM auf bie ja^treid^en 33crleger ©eet^otoen'fd^er SBerfe 
)u »erfen, meldte ba^ t^ematifd^e SSergeid^nig auf^ei^t, um ju be* 
greifen', ba§ e« mand^maj fd^on fd^tDer mt , ba« »irfßd^^e 3Ser* 
(agdred^t gu conftatiren. @d l^at fidberßd^ nid^t geringer SSia<ii-' 
forfd^ungcn unb SSeri^anblungen unb bielfad^er ©ercittoiüigfeit 
beburft , bid atte änfprüd^e befriebigt waren , unb man barf fid^ 
freuen , ba| e« gelungen ift — »a^ bef onber^ in 35eutf d^Ianb f o 
fd^toer l^ält — - ju einem großen Unternehmen t>on allgemeinem 
Sntereffe , bad o^ne Somj)romig nid^t ju ©taube ju bringen war, 
bie ©nigung fo Dieter, auf i^rem ®ebiet fouöeräner SSetl^eitigten 
gu errieten. 


296 S3eetl^otoen unb bie %vi%aUn feiner Sßertc. 

3m SSotbcrgrunb \tä)t minxlxä) bte gtagc naci^ ber 35 o 1 1 * 
ft ä n b i g f c 1 1. !Ccm ^rofpect ift ein SSctjcid^mfe bct al« im'M 
gcbrudt ermittelten unb bemnod^ yax Slufnai^me fceftimmten Som? 
^)ofitionen 6eigegc6cn , ttjeld^e« in öieicunbjioanjig ©ctien bic ftatt^ 
lici^e atcil^e Don 260, jum "S^ftii umfangtetd^en Stummem auftoeidt» 
3Ba« toon ungebrudten SBerlen nod) l^injulommen toetbe , mufete 
unb mn^ noti^ jefet genaueren Srmittetungen unb SSer^anbtungen 
anl^eimgefteüt bleiben. Da« (ä|t fid^ aber mit »oßer SSeftimmt* 
^eit audf<)red^en , ba^ fämmtüd^e ungebrucftc Somj)ofttionett SScefc 
l^oten« im SScrl^ältniß gu ben fd^on befannten eine geringe Slngal^I 
auömad^en, unb ba| unter biefen »ieberum nur toenigc ton fold^er 
Sebeutung fitib, ba^ burd^ i^re SSerßff entftd^ung bcm abgefd^Ioff enen 
$itbe be« großen SReifter« loefentlid^ ueue unb eigentl^ümlid^e 3üge 
^iugugefügt toerben. Dag fomit ba« entgegengefe^te iBer^ältnig 
©tatt finbct »ic bei ben älteren SKeiftem , too bie aWaffc bcr 
ungefcrudften Söerfe loeitau« fibertoiegt, barf nid^t bertounbern. 
Z^txU toar e« in SJeeti^oten« lünftlerifd^er Siatur »ie in Jeincr 
ßeben^lagc begrüubet, ba| er nid^t fo üiel fd^rieb toie iene, tl^eite 
brad^te e« feine ©tellung }um publicum unb bie (SnttoidEetong be« 
ÜWufifalien^anbete mit fid^, ba§ toa« er fd^rleb aud^ fofort gebrudtt 
tourbe. Denn man lann ol^ne ^ebenlen bei^au^ten, ba| bieientgen 
Som<>ofitionen , »etd^c S3eet^ot)en ate £om^)oniften fennjeid^nen 
unb feine ©teöung jum mufüalifd^en publicum begrünben, fd^on 
bei feinen Scbjeiten gebrudtt toorben pnt. 

Da« bebeutenbfte SBerl ©eetl^oöen« , ba« bi^l^er ungebrudtt 
geblieben unb mit dt^äft bereit« in bie ®efammtau«gabc mit auf* 
genommen toorbcn ift , ift ^Ungarn« erfter SBol^Itl^äter" 
(ÄBnig @te^)l^an) , ein 35orf<)iet.mit ßl^ören t)on Äo^ebue, ba« 
mit ben 9iu inen öonät^en jur Sri5ffnung be« neuen S^ea* 
tcr« in ^eftl^ am 9. gebr. 1812 aufgeführt »urbe. 5Rur bie 
Duöerture ift f^)äter belannt geworben ,. bie fd^önen ßl^Bre, barunter 
mel^rere für SWännerftimmen, eine lange intereffantemelobramatifd^e 
@cene geben neue ©ewcife für ©eet^oten« ^Dieifterfd^aft in brama* 
tif(^er S^arafteriftif burd^ ein ganj befonbere« ßolorit, »etd^e anäf 


^eet^otoen unb bie ftudgaBett fetner 3Ber!e. 297 

in bcn ^Ruinen \>t>n Sltl^cn fo übcrrafd^cnb l^ertortritt. äte im 
§erbft 1822 jut einttjct^ung bc^ J^cater« in bcr 3ofc^^ftabt 
bie aWuftl ju ben SRuinen »on Slti^cn mit einem neuen Ztict t^on 
ß. aWei^t ouf geführt murbc, com<)onirte Seet^oöen außer einet 
Dubettute, toetd^e bann gebrucft unb fel^r belannt getDorben ift 
(Op. 124), noif einen großen S^or mitSSallet, meldtet 
nid^t i^eraudgegekn n)urbe. äud^ ein Si^or „Sf)X toeifen 
©tünbet" für ein »)atriotifd^e« ®d^auf^)iel, imi)crbft 1814 
com<>onitt, ift ungebmdt gebticben. 

Sür Drd^eft^r epftirt ncd^ ein fd^öner Sntreact, marfd^^ 
artig, in fel^rd^aralteriftifd^er Gattung, offenbar für ein beftimmte« 
©IfidE, übcrfd^ricben Introduzione del Udo Atto. 

Söenig bebeutenb ift eine Slnjal^l bon 5länjen unb äRarfd^^en, 
bie festeren meift ju berfd^iebenen 3^^^^« i^ S3aben auf SSeran« 
laffung be6 ©rj^erjog« Stnton gefd^rieben. 

©el^r bemerlen^toert^ aber finb brei ©tüdte ju einem ^atrioti* 
fd^en Drama 8eonorc^ro^a«Iaau^ben Reiten ber i^reii^eit«* 
friege , ein Äriegerd^or , eine {Romanje , unb ein 3KeIobrama mit 
f)armoniIabeg(eitung, teiber, »ie anöf bie übrigen ®ä^e, fe^r lurj. 

SBenig bebeutenb finb bagegen einige ni^t umfangreid^e ®c* 
legenl^ett^com<)ofitionen, einf)od^jeit^tieb für®ianattafio 
bet 8?io bom3anuar 1819 (tl^eitoeif^ bearbeitet unb mit neuem 
S;ejt in gonbon 1858 gebrudft) , eine fe^r i^eitere italienif df)e 
bierft immige Santate mit ^ianofortebegleitung jum 
5Ramen^tag feine« Slrjted 3Ratfatti, fo tt)ie einäbfd^ieb«^ 
gefang für einen greunb, ben SKagiftrat^rat^ 5Eufd^er für 
brei SKännerftimmen , beibe auö bem 3a^r 1816. Si^re SSer^ 
öffentlid^ung njürbe nur betoeifcn , toa« aud^ fd^on fo befannt ift, 
baß ©eet^oben in bem Sinne fein glüdtüjd^er ®e(egen^eit«com<)onift 
mar, al« bie äußere SSeranlaffung nid^^t au^reid^te , toeberil^nju 
inf^iriren, nod^ i^m bie Slrbeit pfpg ju mad^en. (S« ift bejeidi^* 
ncnb, baß er für biefe nad^ 3n^att, gorm unb Umfang njenig 
erl^blid^en ©tüdte Snttoürfe unb ©üj^en in SWenge niebergefd^rie* 
ben fiat, toie für große Slrbeiten. Unb nad^ ber anbern ©eite l^in 


* 


298 ^eet^ot)en nitb bie 9[itdgaben feiner SBerfe. 

tft e« <i^araftcttfttfd^ , ba| bet fd^önc, tief cm<)funbcne clcgtfci^c 
(Scfang (Op. 118), miäftn et auf bie ^tjcrflätte (Scmdl^ün 
feine« meierten gteunbc« '^adquaUtt'' im 3a]^r 1814 com* 
<)ontrte, fid^ fo fel^r üon jenen ®eIcgenl^eit«com^)ofitionen unter* 
fd^eibet, »eit Scet^oöen ^ter innetßd^ beti^eiltgt »ar. 

@inet tt?entg f^)äteren ^t\t gel^ört aud^ eine Steige jebenfaü« 
tntcreffantct Keiner ßom^ofitioncn an. !£)ic Sieberaufnal^me be« 
gibctto im 3a]^r 1814 l^atte in ©eet^oDen bie Steigung £)<)em 
ju fd^retben lieber lebenbig gemad^t. (£d ift ein 3rrt^um , »enn 
man annimmt, ber ungfinftige ßrfolg bet often 0<>cr ^tte 
©eetl^oöen fo i^erftimmt , bag er ber bramatifd^en Jll^ättgfeit für 
immer entfagt l^ätte. SSielmel^r mad^te er fid^ bäte nadlj^l^er (1807) 
»erbinblid^, ber 2]^eaterbirectton jäl^rtid^ eine grofe D^tx ju fd^rei* 
ben, unb l^at aud^ f)>äter loieberl^olt mel^r ober u>emger ernftßd^ 
gemeinte "^(ane für D<)em gefaxt; mit ßotlin (1808) unb 
2:)^ e ob. Körner (1812) trat er in Unter^anbtung unb ®egen* 
ftanb n^ie ^e^tbud^ u>ar mel^r atö einmal fd^on beftimmt. 3m 
3a^r 1811 fotite Jlreitfd^Je für i^n bieJRuinen bon©ab^* 
1 n bearbeiten , nad^ bem gibeüo entf d^ieb er ftd^ für bcff cn JR o * 
mu(ue^; baneben aber !am ^eeti^oben auf ben®ebanlen, eine 
itafienifd^e £)pzx ju fd^reibcn. ^x\x 35orbereitung auf bicfelbe 
toofltc er fid^ junäd^ft in ®eift unb Seife italienifd^er Sßoefie unb 
SWufü einleben unb für fidj eine ©d^ule ber ©efd^ränhing auf bie 
i^armlofefte ©infad^l^eit be« mufifaUfd^en äu^brud« unb leidste 
©angbaricit burd^mad^en. 3« tiefem ^m<t ütff er fid^ am 26. 
3uti 1814 üRetaftafio'« SBerfc unb com<)onirte eine JRei^e feiner 
anmutl^igen ®txo)fi)m, wie fie il^n bei ber Secture anf<)rad^en, für 
jtoei , brei ober bier Stimmen o^ne Begleitung , bie mciften ber* 
fetten mei^rfad^. !Ciefe ttcinen Sieber , in !na^))er Sorm, bereu 
eine beträd^tlid^e Slnjal^t ju ©taube gekommen ift, jeigcn eine 
burd^gci^cnbe ginfalt unb Sinfad^^eit, »ie man fie ©eetl^oben gar 
nid^t jutrauen m5d^te ; aud^ mürbe man tro^ mand^er etgent^üm* 
Iid(^cr unb reijenber SBenbungen, wetd^e in biefen borjugdmeife auf 
^ßo^ötang bered^neten®ef äugen l^erbortreten, fd^wcrfid^ Sßcet^oben 


«ect]^oi)en iittb bie f[]t6gaben feiner ©erfe. 299 

in t^ncn ctfcunen. (Scrabc bic« gicbf il^ncn ober ein eigcntpm* 
üd^ 3ntcrcffc» 

J)aö gro^c Ztxittt Tremate (Op. 116), ba^ juerft im 
^affx 1814 unb botauf 1824 aufgeführt »utbe, ift fd^on int 3a^r 
1801 com^)onirt »orben. 3n großen ÜDtmenfionen angelegt unb 
au^gefü^tt , mad&t e« freilid^ einen ganj anbern Sinbrucf ate iene 
Keinen ßanjonetten unb gel^t aud^ über bie im Safft 1796 com<)ö'' 
nirte ärie Ah perfido l^inou^, in toetd^cr a3eet]^«>t)cn bie italie* 
nif d(^en formen nod^ ganj in gutem ©tauben at« naturgemäßen Uu^^ 
brudC beftimmter Seibenfd^aften anttjcnbete. 5lttd^ bie nod^ unge* 
brudte ßom<)ofifion bonSWetaftafio'^Sautate la tempesta für eine 
©ingftimme mit Duartettbcgteitung gel^ört in ba6 3a]^r 1801, 
Später tt>ar S3eetl^ot>en, ber auf ben S^itel bcr Partitur gefd^rieben 
^at Esercizi de Beethoven, bod^ nid^t abgeneigt fie jut publica« 
tton ju verlaufen. Sfliäft» nähere« ift mir belannt über nod^ jwei 
große itattenifd^e OefangftüdEc mit Ord^efter, eine Slrie Primo 

amore, piacer del ciel unb ein Duett Nei giomi tuoi feiici. 

aSon i:^rer (Sf iftenj finb fidlere 9iptijeu ba , fie i^aben fid^ ober fo 
toerftedft, baß fie bi« jcfet nid^t »ieber jum SSorfd^ein gebrad^t finb. 

S9ef anntlid^ »urbe Söeetl^otjcn burd^ 51: ^ o m ^ f o n berantaßt, 
irifd^e, fd^otttfd^e unb »atiflfd^e üKctobien mit Begleitung öonSto* 
bier , S5ioline unb SSioIonceüo ju bearbeiten. S)iefe Aufgabe ge* 
»ann il^m f o biel Sntcreffe ob , baß er 9iationatme(obien aud^ 
anberer 9Söl!er in bcrfelben SBeifc mit großem 6ifer bearbeitete. 
9Son biefen Siebern ift bi^l^er fott?ol^t in ßngtanb ate in 3)eutfd^* 
lanb in berfd^iebenen ©ammtungen nur ein Ziftil gebrudtt ; burd^ 
f)crm g r a n j @ f ^ a g n e , ber mit großem ©fer benf elben nad^^ 
gef<>ürt l^at, finb 164 bergeftaft bearbeiteter üßetobten jufammen* 
gebrad^t »orben, bon benen 32 ungebrudt finb. 

hiermit werben bie ungebrndtten 6om^3ofitionen ©ectl^oben^ 
au« ber ^tit feiner SReife, be« S3eet^oben, wie i^n attc SSSett lennt 
unb anerfcnnt, »ol^I bottftanbig aufgejal^It fein ; mie gering ift bie 
9lad^Iefe , »eld^c l^ier nod^ ju l^atten ift , im SJerpttniß ju bem, 
toa« bortiegt ! 3iun ift aber aud^ eine, ebenfatt« nid^t bebeutenbe. 


300 ^ttti)o'o<n unb bie ^udgaben fetner Serfe. 

Stttjal^l öon 3 u g c tt b a r b c i t c n bc« nod^ niti^t fettigen SSeetl^oDen 
Dor^anben, bie a\x^ begrciflid^en ©rünbcn bi^^er ungebrudt gcbftc* 
ben finb, 

3n einem Meinen ^Kotijbfiti^tcin, ba« S3cetl^oücn auf bcr 9teife 
i)on ©onn na^ SBicn unb bort in ben näc^ftfolgenbcn Saluten ge«* 
brandet l^at , finbet fid^ f olgenbc rül^tenbe Slen^erung Don feiner 
ipanb ouf gejeid^nct : 

äRuti^! aud^ bei alten ©(ä^toäd^enbe«aör<>er« 
foU bod^ mein®eift l^crrfd^en. — gfinfnnb* 
jtt)anjlg3a]^re finbba, biefc^Sal^r mürben 
üBIligen ÜJiann entfd^eiben. 
Unb biefc« 3a]^r entfd^ieb ; mit ben SCrio«, toetd^e im 3a^r 1795 
erfd^ienen, ftanb ber t>öttige aWann ba, ber e^ tt)äi^renb feiner gan* 
jen fiünfttertaufbal^n betoäl^rt l^at, ba§ bcr @cift über aöe ®d^tt)ä* 
d^en be« Sör>*er« l^errfd^c. @o fertig fielet ber 6omj>onift in biefcm 
Dptt« 1 ba , f feft unb fidler ift er bann mit iebcm neuen DpM 
feinen eigenen SBeg gegangen, ba§ bie Srage, toie er benn ju einem 
fold^en getoorben, ganj au« bem ®efid^t gerüdtt »urbe. !Da6 
©eetl^oten erft in einem Sitter t>on fünfttnbjtoanjig Salären at« 
(5omj>onift auftrat, ba§ er »orl^er in SÖonn unb säsien gar man* 
d^ertei ©tubien unb SSerfud^e gemad^t l^aben muffe, fc^eint man im 
SHIgemeinen nid^t eben in« äuge gefaxt ju ^aben ; minbeftcn« ift 
e« auffattenb, ba^ gerabe bei einem fotd^en Äunftter ben Sugenb* 
arbeiten unb bem S3itbung«gange fo toenig nad^geforf d^t ift. 

SlBerbing« finb f otd^e üprl^anben. 5Drei ® o n a t e n für Äf a* 
Dier, mit einer gejierten ÜDebication an Jen Äurfürften SWajimitian 
gricbrid^, bie Scetl^oDen f^)äter fel^r unangencl^m toar, erfd^ienen 
1786; um biefetbe 3eit SSariationen über einen SWarfd^ üon 
5Dre§ter, unb in ber So^ter'fd^en äntl^otogie ein Heine« 9i o n b o 
für ÄtaDier unb ein Sieb. Später tourben au« bem 9lad^Ia§ 
gebrudtt brei Quartette für Slaoier unb ©treid^inftrumentc, 
metd^e bereit« im ^affx 1785 componirt »dren, eine ©onatc 
unb Variationen für bie ©onner Sugenbfreunbin ßteonore 
t), Söreuning gefd^riebcn unb unter ben erften oon ii^m fctbft 


^ctl^ot>ctt unb bic tluSgaben feiner Scrfe. 301 

^)u6ficirten8tcfcern bcfinbcn fid^' einige, bie nod^ auöSÖonn l^et* 
tfil^rcn. ^aim mMi)t biefc ffierfe , bte natürßd^ aUe in bct 
©cfammtau^gabe il^ren ^ta^ flnben, ba^ 3nteteff^ für bie 3ugcnb* 
arbeiten abgcfd^wäd^t? S« n>ärc tttci^t eben jn öewunbern ; benn 
man piibet in il^nen laum l^iet unb ba @^nrcn he^ f<)äteten 
©eetl^oDen. ®ic erregen mc^r ßrftaunen, ba^ nad^ biefcn 5lnf5ngen 
fo gro^c Seiftungen l^aben erfolgen Wnnen , ate ba^ ftc «n^ bie 
Seime gett)a]^ren liefen, au^ bcncn fie fid^ entnjideln tonnten. 

^anbfc^riftlici^ ejiftirenabernod^mel^rereSugenbarbeiten t>er* 
fc^iebcner 3lrt t^cite au^ ber iBonner, tl^eite au^ ber erften SBiener 
3eit. S^ finbct \xäf bie Doöpänbige Ord^efter^jartitnr eine^ 
JRitterbaüet^, »eld^e« einen ÜWarfc^, bentfd^en ®efang, 3agb^ 
lieb, SWinncüeb, 3:;rinllieb unb einen tentfd^cn 2^anj entölt, öon 
©eetl^oücn toal^rfd^einlid^ ju ßl^ren feinet großen Oönner^ , beö 
(Srafen 3Batbftein com<)onirt, ber am 17. 3ttnil788 „i>om 
Surfürften »on Söfo atd ^06) -^ unb 5Deutf(i^meifter, unter ben 
gett)ö]^nli(i^en geierlici^feiten ben Sütlerfd^Iag ate STOitgüeb be^ beut* 
feigen Drben« erl^iett'% unb ber, bamate in ©onn, aud^ für ben 
6om^>oniften biefe^ SSaBetd galt, gemer eine S^enor* unb 
®o^>ranarie ju Umlauf« fd^öner ©d^ufterin, unb eine 
»a^aric an^ ßlaubine t>on SSiltabella ,,amt 9»abetn 
fid^ vertragen" , öermutl^ßd^ aud^ ate ßinlageftüd comj)onirt, in 
tooUer Partitur, üDiefe ärie xoar Seet^ot)en in f^)äteren Salären 
nid^t abgeneigt nod^ l^erau^jugeben, mit ber fd^on ertoäl^nten San* 
täte la tempesta. Slu^er mel^rcren Siebern ftnb nod^ «injeine 
curiofe ©ad^en ba j, ©. eine „jujeiftimmigc guge, ijerfertigt t)on 
8ufcn>ig »an SSeetl^oöen im ätter öon etf Salären" ; ©onate für 
aRanbottne, Duett für jtoei gf&ten ; Duett für »ratfd^c unb aSio* 
lonceö mit ber fd^er^l^aften Ueberfd^rift : „Duett mit jtoei obligaten 
Slugengläfem'' ; ©onate für SIat>ier unb gIBte; JRomanje für 
SIat)ier , glöte unb gagott mit Drd^efterbegleitung ; Variationen 
für jU)ei Dboen unb englifd^e« §orn über La ci darem la mano, 
unb n)o]^I nod^ Sinselne« mcl^r. Dann ftnbeh fid^ nod^ ©Kixen, Snt* 
tt)ürfe, imboMenbete SSrud^ftüdEe au« frül^er ^txt in jiemlid^er 3ln* 


302 8eet^o)}en unb bte ^(udgaben feiner Serfe. 

jal^I, bie jum Sl^cil intcreffantct irnb Id^wtci^er ate bic fettig gc* 
iDOtbcncn Sttgcubatbcitcn, aber natütltd^ jur ^erau^gabc in einet 
©efammtan^gabt teine^megd geeignet finb. 

Söa« t)on jenen ätt)at' bottenbeten abet ungebtnift gebliebenen 
3ugenbatbeiten in eineSlu^gabe fämmttid^ctSÖetfeaufjnnel^men fei, 
batübet toetben bieänfid^ten getl^itt fein. @« toitb nici^t an \ü6fzn 
feilten, toelci^eäüe« an«iuf(i^ße|en »ünfd^en, voa^ nxäft bcm fettigen 
ÜWeiftet angel^itt , »a^ feinen 9in^m wenigften^ bei Uninnbigen 
f^mäletn, ba« iBilb bon il^m, »el^e^ allen gegentt>attig ift, ttüben 
fönnte. Dagegen »etben anbete anf mögUd^ftct 35ot(ftänbigfeit 
aüe^ beffen befte^en, t»a« bon SSeetl^oben gefd^tieben nnb etl^atten 
ift, unb bad l^iftotifd^eSnteteffe an bcnltbetten, »etd^e feine Snt- 
tt)i(Je{ung unb Slu^bitbung toenigften^ einigetma^en ju d^atafteti* 
fiten geeignet finb, au6f neben bet äftl^etifci^en ©eftiebigung butd^ 
teid^e unb bottfommcne @d^i>^>fungen beftieb'igt miffen tootten, 
äJetmut^lid^ »itb bei bet <)taiEtifd^en äudfü^tung ein Som^tomi^ 
nid^t ju betmeiben fein , fd^on be^l^alb , »eil e^ ftaglid^ bleibt , ob 
alle Sugenbmetfe , bon beten Sjiftenj man toei^, aud^jutSSet* 
öffentüd^ung ju etlangen fein »etben. 9tn iebcm ^düt ift» e^ ein 
füt ba« Untetne^mcn günftiget Umftanb , ba^ , mnn e« möglid^ 
unb tl^nnlid^ »itb, f ömmtlid^e bi^l^et ungebtud teSBctIe bctSamm- 
lung einjubetleiben , bet Umfang betfelben im SSetpttnig ju bem, 
»>a« gebtttdft botliegt, nid^t fo ctl^eblid^ ift, ba| bieäuöfül^tungbe« 
(Sanjen babutd^ em|)finblid^ gebtüdtt »erben toütbe ; auf bet anbeten 
©eite abet , menn e^ nötl^ig tt)itb , fid^ auf eine mäßige Sluöma^l 
ungebrudftet ©tudfe ju befd^tanfen, bie funft^iftotifd^e ©ebeutung 
bet Slu^gabe ate ®efammtaudgabc nid^t in gtage geftctlt obet be* 
einttSd^tigt »etbe. Denn abgefel^en bon ben »enigen , oben be^ 
jeid^neten SSetfcn , toeld^e in einet ®efammtau6gabe fd|on au^ 
äd^tung füt ben 5ßamen be^ gtoßen SWeiftet^ nid^t feilten bütfen, 
tt)eit fic m^ bet3cit feine« boltttäftigenSBitfend ftammen, »ctben 
bie übtigcn bet beted^tigten SBigbegietbe botgüglid^ babutd^ ®c* 
ftiebigung gewällten , ba§ fie jut Äenntnifenal^me botticgen , ol^ne 


^eet^oben unb bte %u^QaUn feiner SBkxtt. 303 

auf tiefer ctngcl^cnbe gragen mäf bem SStlbung^gangc be« ftünft* 
Icrd bcn getüüiifd^ten äuffci^lufe gu geben. 

äuger bcr SUhifil ju Äönig ®te^)]^an erfd^einen l^ier juerft bte 
bi^l^cr niti^t t>cr6ffentttd^tcn Sabenjen, xoetd^e ©eetl^oDcn fctbft 
j» feinen Ätat>icrconcerten aufgefegt ^at, ate ©eifage ju 
biefen ; fie entf<)re(!^en übrigen« , cbenfo »te bie ton SDiojart auf =^ 
gefd^riebcnen Sabenjen , nid^t ber SSorftettung , voüäft man \id) 
nadf bem Scrici^te bcr 3^itgcnoffen Don ben improDtfirten mad^en 
barf, Die gebrudten 3Öerfe fhib natürtid^ in unbcbingter 
^ottftänbigfeit gegeben. Da« bem ^rofpect beigefügte 35erjeid^^ 
ni§ tt)irb faum eine erl^eblid^e SSerx)oüftänbigung ober ©crid^ti* 
gung erfal^ren, »äl^renb anäf eifrige Sammler mand^e« ©ettene 
unb 9leue, natürßd^ nid^t unter ben ^auptwerfen, finben njerben. 
Die grage nad^ ber ß d^ tl^ ei t bed Slufjuuel^mcnben ift feiten aud^ 
nur aufjmoerfen ; ^eetl^oDen« ausgeprägte 3nbibibua(ität giebt 
einen fo bcftimmtcnSKaagftat, ba§ ein 35erfud^, il^m etioa« unter* 
pfd^iebcn, nid^t auf lärfolg ju red^nen ^itt. @in j>aar Älcinig" 
feiten , bie unter Seetl^oijen« 5Ramen erfd^ienen finb , aber cfl^ne 
innere »ie äußere Beglaubigung unb ol^ne aUgemeine Slnerfennung > 
unb Verbreitung, ^aben bal^er wie bittig feinen ^tafe gefunben. 

©d^toicrigfeiten fftnnen tooi^l nur bie Arrangement« 
mad^en. 9iatürUd^ nid^t bie, toeld^e u>ie ^(ai}ierau«jäge ober t>ier« 
l^änbige Uebertragungen ben ^xotd l^aben , Siebl^abem ein il^nen 
f onft nid^t jugängüd^e« SMufiftoerf burd^ biefe Bearbeitung f^)te(bar 
ju mad^en, fonbern fotd^e , »eld^e burd^ eine nad^ SWaaggabe ber 
anber« getoäj^tten 3nftrumente burd^gefüi^rte Umformung 3lnf<)rud^ 
auf Originalität ober bod^ »cnigften« auf ©elbftänbigfeit mad^cn, 
meldte autl^entifd^ alfo nur ))om (Eom))oniften auSgel^en I&nnen. 
©eetl^oben l^at fid^ »ieberl^olt energifd^ gegen bie anmaglid^e %a\u 
fd^ung erflärt, mit loeld^er beliebige „Ucberfe^ungen'' feiner Sompo* 
fitionen al« DriginalioerJe aufgeboten »urben, unb nid^t« berartige« 
gei^Srt in eine Sluögabc feiner Söerfe. „Die unnatürlid^e 
SButV\ f(^reibtS3eet^oi)en aml3.3uU1802 ,,bie man l^at, fogar , 
Ätabierfad^en auf ©eigeninftrumente überj>flanien ju motten, 


304 8eet^ot>en unb bte %n%Qabtn feiner SBetfe. 

3nftrumcntc bte f o einanbcr in attcm entgcgcngcfclt finb , miäftt 
tüo^I aufl^ßten f5nncn. 3d^ bcl^au^tc fcft, nur SDiojart Knute 
fici^ felbft öom Slaöier auf anbere Snftrumentc überfe^en , fo lüic 
f)a^btt avi^ — unb ol^nc mtd^ an bcibe gtofec SKänner anfd^üe|en 
ju »ottcn, itiianptz \^ c^ t>on meinen Stai)ierfonaten aud^. 
S5a ntd^t aßein ganje ©teilen flänjttd^ ttjegbteibcn unb umgeänbctt 
werten muffen, f o vm^ man — nocff l^injutl^un, unb i^ier fte(ft ber 
mi|li(^c ©tcin be« änftoge« , ben um xuü6ertt>inben man 
cntmeber fetbft ber 3Keiftcrfeinmu|, ober tDenigften« biefetbe 
©etpanbt^eit unb Srflnbung l^aben mu§. — S6f l^abe eine einjige 
©onate Don mir in ein Quartett für ©eigeninfttumente ijenoanbelt, 
warum man mid^ fo fel^r bat^ unb x6} mx^ getoi^, ba^ mad^t mir 
fo leidet nid^t ein anberer nad^/' ^un wirb im 393iener iCiarium 
Dom 14. auguft 1802 ein Quartett für 2 aSiolinen, ©tatfd^c unb 
35ioIonceßo öon Seetl^oöcn angezeigt, ,,arrangirt nad^ einer feiner 
©onaten üon i^m fetbft", attein e« ift bi« jefet nid^t gelungen, 
biefe^ Quartett jum S3orfd^ein }u bringen , ober aud^ nur ju con« 
ftatiren, weld^e ©onate ju ®runbe liegt, änbere SÖearbeitungen, 
meldte er felbft «vorgenommen i/ot, finb aUerbingd belannt. (St ffot 
mdf aWojart« S9eif<)iel au« einem Dctett für SÖla^inftru* 
mente (Op. 103), ba« er felbft f»)äter in biefer ®eftalt öcr5ffent^ 
lid^ti^at, ein Quintett für ©aitcninftrumcnte (Op. 4) 
gemad^t unb brudten laffen ; er l^at feine jweite ©^m^>]^onie 
(Op. 36) unb ebenfo ba« betennte ©e^tett (Op. 20) ju einem 
Slaöiertrio (Op. 38) arrangirt, unb ba« le|terc l^ielt er gut 
genug feinem ärjt ©d^mib nad^ einer fd^toeren Sranf^eit mit 
einer langen franiöfifd^enS)ebication ju »ibmen ; ju einemfilaüier* 
Quartett bearbeitete er ba« Quintett für Äla^ier unb ©laö* 
inftrumente (Op. 16) unb ba« Slaöiertrio (Op. 1, 3) ate 
Quintett für ©aiteninftrumente, aud^ fd^rieb er fein SSiolin«» 
concert gu einem Sla^ierconcert um. Sr fd^lug aud^ »ol^l 
feinen 33erlegern t>or Slrrangement« mad^en ju laffen , j. SS. bie 
^ ©la^inftrumente De« @e|)tettd in nod^ eine SSiola unb nod^ ein 
SBioloncello ju übcrfefeen. äiud^ baffelbe für glöte al« Quintett Ju 


Öcct^oöcii ttnb bie 2(u«gaBcn feiner Scr<e. ä05 

atrangtrcn ; attein , tocnn fotd^c „Ucberfclungcn" anäf öon il^ui 
burci^gcfcl^cn utib ftcücntoeifc »ctlfcffett »urbcn , fo warnt et bod^ 
bcn aScrIcgcr: ^fommt mir ia ntd^t ba^ 3]^r fd^rctfet bafe id^'« 
übcrfefet l^abc, »cU 3^r fonft lügt, unb td^ au6) gar tiid^t btc ^tit 
unb ®ebulb baju ju finbcn wüfte.'' IDal^cr ftci^t bcnn mol^I ouf 
bem Jlitct bc^ 9lottumo für Slabicr unb 3Wto (Op. 42) : arrange 

d'un Notturno pour Violon Alto e Violoncello et revue par 

l'Auteur. SBa^ bonSöcarbcttungen bcr 9lrt aW unjmctfcl^aft »on 
Scctl^obcn l^crrül^renb nad^jutocifen ift , l^at aud^ ein SCnrcd^t auf 
eine ©tcöe unter ben fämmtUd^cn SBerfen , unb mand^e bon il^nen 
red^tfertigen bie^ burd^ ein eigentpmttd^e« 3ntereffe. aber auf 
biefem ©ebiete finben nod^ 3^^^!^ f*<^t ^ ^^ P^^ ^^^ß^ <^tte S3e* 
arbeitungen, metd^e Scctl^oben notorifd^ borgenommen l^at, ate 
»irfüd^ borl^anben nad^gemiefen , noäf mit böUiger ©id^erl^eit 
ermittelt, toie toeit bie borl^anbenen totrfßd^ autl^entifd^ finb. 

3ur 3Sött[tänbigfeit fann man e« getoiff ermaßen nod^ rcd^nen, 
ba^ Med anöf in boüftänbiger ®eftalt erfd^^eint b. T^. alle irgenb 
mel^rf timmige eom^>ofittonen in Partitur, tcetd^e ba« ©anje 
barfteUt, »ie ber 6om^>onift e« im ®etfte trug unb nieber* 
fd^rieb, ber SDhifiler tefenb innerttd^ lebenbtg re<>robucirt ober 
beim ßinftubtren unb Sluöfüi^ren in ttarer Ueberfid^t gegen^ 
ttjärttg mt ÜJiand^e SSSerfc, aud^ gro^e, tüie ba« ©allet 
^rometi^eu«, erf c^einen l^ier jum erften SDiate in btefer ®eftatt, 
anbere Partituren finb jtoar gebrudt, aber feiten geworben , gor* 
mat unb 3lu«ftattung berfelben ift fei^r bcrfd^ieben ; aüe bottftänbig 
unb gleid^mä^g ju geben ift bie ^)rei«U)firbigc Seiftung biefer ®e* 
f ammtaudgabe. Sieben ben Partituren gel^t bann bie 5lu«gabe bcr 
©timmen l^er, burd^ »eld^e für bie Sludfüi^rung ber berfd^teben* 
artigen SBer!c in gleid^er SBeife geforgt ift, tote burd^ jene für ba« 
©tubium. 

S)er »id^tigfte gortfd^ritt ift aber »ol^I baburd^ bcjeid^net, 
ba^ biefe ausgäbe bie 6 d^ 1 1^ e 1 1 i^rer ^ubltcationen ate eine burd^ 
tritifd^e JRcbifiou im Singeinen mit S5enu|ung aüer ju ®ebotc 
ftel^enben ^ülfdmittel gewonnene, unb feftgefteUte berbürgt, Denn 

3 a ^ n , «uffäfic über ü)lurif. 20 


ä06 ^cetl^otocii unb btc 4(«$gafcen feiner S!Öcr<e, 

eine butc^gtcifcnbc ©otßfalf für ^etftctlung eine« tctncn unb ju* 
t)crtäf figen S^cjtc« t^at l^ier, tote gctoöl^tiüci^ bei einem »ielgebrauci^«^ 
ten unb meitJ^etbreitetcn Slutot, Dot attent unb tcd^t fel^r 5Rot^- 
aber baju fceburfte e« großer SSotbcreitungen unb aöein jut S3e* 
fd^affung be6 xi)eitf(3^i(i^tigen unb ietf|>litterten aJiaterial«, aud^ 
tt)cun ®tü(f unb ®unft \x6) fötbertic!^ etmiefen , bietfad^ct Sluf* 
ttierffamfcit unb ®^>ärftoft, (Smfigfeit unb Se^arrtid^feit, »efd^c 
bcd^ nur mit ©ad^tcnntni^ unb Eingebung vereinigt bebeutenbe 
atefuftate eneid^en fonnten. 3Dcnn e« fam ouf nid^t ujeniget 
an , afö in mögtid^fter aSoüftänbigleit für bie einjcfncn ßom^Jo- 
fitionen. 

^etüfoun^ eigene ^ a n b f d^ r i f t ; 

aibf Stiften, unter feiner 8(ufft(^t unb ßorrcctur ange-* 
fertigt; 

©timmen, bei ben 3luffü^rungcn unter feiner 8eitung ge^ 
brandet ; 

31 u « g a b e n , r)on il^m f et bft jum 5Drudt beförbcrt, 
jufammenjubringen unb füt bie 5lejtrcüifion ju benu^cn. !Ba^ 
e« nid^t i^äufig gelingen fonnte afle biefe f)ä(f^raitte( ju Dereinigen, 
bebarf feiner (Srtättterung ; ba^ aber in ber Zi^at nur au^nal^md* 
»eife einjelne SBerfe jum älbbrudt getaugt finb ; ol^ne ba^ man 
tt>enigften^ auf eine biefer fritifd^cn ©runbtagcn iuriidtgel^en lonnte, 
ift ein fel^r anerfennenömerti^ed SRefultat eifriger SSeftrebungen unb 
bereittt)i(tigen (gntgegcnfommen^. Oeffentfid^e Sammlungen, öor 
oßen mit au^gejeid^neter Siberatttät ba^ärd^i» ber^ufif^ 
freunbeinS3Bien, unb ^ritjatteute, tocld^e imSJefifee tonC>^^* 
fd^rtften unb erften "Drudten finb, bon benen 9tiemanb fid^ anB^l&l 
unb ©cbeutung ber ?lutcgra^>i^en mit ä, 81 r t a r i a in SJien meffcn 
fanuy i^aben bte ©emt^ung il^rer ®d^äfee gern geftattct. ©ereit* 
Xüiüig l^at man bon berfd^iebenen ©eiten ^er SKittl^eitungen unb 
5Rad^tt)eife geliefert , einige l^aben e^ fid^ ju jcincr Stebüng^aufgabe 
gemad^, ben 3l^^)arat für bie neue ausgäbe auf juf^üren unb nufe* 
bar ju mad^en. ^Ramentlid^ ^at ^rr @. 9i o 1 1 e bjo ^ m in SBien 
mit uucrmflbtid^em Sifer unau^gcfctjte 9Jad^forfd^ungcn angeftettt, 


iÖcct^ot>cn unb bic 3(u«3a6cn feiner Scrfc. ä07 

n>eld^ tcici^c unb crftcuttd^c Slu^bcutc getDä^rt unb hnxä) feine 
faci^funbtgen unb jui^crtäffigen SKittl^eKungcn bte ftitifd^en ^pülfö'* 
ntittet txf)tUid) eTOeitert l^aben. 3lttc SSotbcreituitgen bicfcr %xt 
für mupfoltfd^e ^ubtlcationen nxift getabe geipöl^nttd^ , finb , tote 
Diel ^ext, aWü^e unb Soften [ic aud^ etforbetn, t)on bcn 3Set(egetn 
in einer 2Betfe unternammcn unb geförbert, »cfd^e 3cw8wi6 t<^fär 
ablegt, tote ^odf fie il^te Slufgafce gefönt unb »ic tpol^t fic 3lrf unb 
®ebeutung betfelben begriffen l^aBen. 

3ur SSermertl^ung be« trittfci^en 2l^<)arotö bebarf c^ 
aber fritifd^er Herausgeber. Ss tarn barauf an , SBMnner 
ju finben , n>efci^c mit grünbttd^er mufifaüfci^er iBilbung unb in^ 
niger, bi« inS Sinjelnfte bringenber SJertraut^eit mit 85cet^ot)en, 
bie man bei tüd^tigen 5D?ufi!eru l^eutjutage ipol^t i>ovauSfefeen barf, 
auc^ aßgemcin äft^etifd^e« S3erftanbni^ , 3:aft unb Snftinct für baö 
aJid^tigc, ©etoiffcnl^aftigfcit im ©eobad^ten unb geftftetten ber 
Ucberlieferung , toiffenfd^aftlid^eS Sntcreffe an ber met^obifd^en 
85fnng jeber einjetncn aufgäbe, furj bie tpcfcnttid^en Sigenfd^aften 
i>creinigten , burd^ »etd^e eine erfofgretd^e ^anbl^abung ber Sritil 
bebingt xoirb, ÜDiefc SOiännÄ l^aben fid^ gefunbcn. SDie großen 
Snftrnmentat« unb aSocatcompcfittonen l^at S!apeümeifter Dr. 
5R4 e <j übernommen , ber bereits burd^ feine S^^eitna^mc an ben 
^ubficationen ber ©ad^* unb Hänbelgefeftfd^aft, burd^ feine 
?l«Sgaben bon §a^bnS @^m<>^onien unb SRojartS Son* 
certarien feinen ©eruf ate Herausgeber betoal^rt unb gejcigt 
^at , baß in i^m ein ^l^iCofog berloren gegangen ift , maS fci^r ju 
bebauern fein xoürbe, toenn er nid^t 3KufiIcr getoorben märe. ÜDie 
Äebaction ber tammermuftf l^at Soncertmeiftcr !E)at)ib, ber 
Stat)iertt)er!e S*a^)eümeifter 9ieinecle übernommen, in bie Sieber 
l^abcn ftd^aWufttbirectorJRid^ter, @e(m. ©aggeunb ^tanj 
ef»>agne getl^eilt, fämmtlid^ aWuftfer, »eld^e bcfannt bafür 
finb , baß fie nic^t btoS 3Kufifer unb wol^I auSgerüftet finb , im 
gegebenen gafl, wo 9?atur unb SBefen ber Slufgabe eben fo fe^r tt>ie 
bie \)orUegenben ^ülfSmittel mit 3Iot^toenbtgfeit barauf i^infü^ren, 
aud^ ^>^i(oIogifd^e ^iti! ju treiben. 

20* 


308 Scct^iotocn itnb t>ic %n^aUn feiner 9ßcr!c. 

SBer mit bcm aSBorte ^^itotogifti^c tritt! eine bunfte 
SSotfteBung t)on ftäubigeti "ißcrgamenten unb alten üDrud cn , tjon 
einem SBnft unnfifeet 8e«arten , bon unerquidftd^er SBortftauberei 
unb ©ilbenfted^erei t)erbtnbet, »cre^al« bieSlrbeitbertJl^iloIogifci^en 
Sritif anfielet , um bie äBerfe ber "ißoefic unb tunft eine ©tad^el* 
l^ede ju jiel^en, »eld^e ben 3w8^»9 jw b.enfetben erfd^xpert unb 
i^ren ®enu§ ft5tt — bem »irb nici^t gerabe be^aglid^ bei bem 
©ebanfen »erben , ba^ biefe Äriti! nun au^ mit Scet^oDen \\6f 
ju f^affen mad^en fott. SUianci^er, ber glim^flid^er benft , tt>irb 
bod^ barüber 3^^if^I ^egcn, toa^ benn bei ben SBerfen eine« 6om* 
!()oniften , ber no(i^ in bie heutige ©eneratiön l^ineinragt unb feine 
Sßerfe fetbft l^erau^gegeben ^ot, für bie ^iti! Srl^ebtidf^e« ju tl^un 
fei , unb m^ ein »eitfci^id^tigcr 3l|>parat bon lg)anbfd^riften unb 
ausgaben nüfeeii fßnne. §ier barf man an ba« na^eliegenbe 
S3eifpief bon ©dritter unb Ooet^e erinnern. Srft neuerbing« 
^at ^)^itotogifd^e ®enauig!eit unb SÖietl^obe anfangen fönnen, fid^ 
ttvoa^ um bie SBerIc unferer großen ÜDtd^ter gu lümmern, unb tei* 
ber bi« iefet — 35anf ber ©cwiffenf ofigfeit berer, tpeld^en Si^re unb 
^flici^t gebieten mußten , aKe ©orgfalt auf xoürbige ^erfteüung ju 
termenben — nid^t in bem SDiaa^e, toie e« erforberlid^ n>äre, um 
burd^greifenbc JRefuItate ju erjielen.. aber fd^on l^at e« fid^ l^erau«* 
geftettt, ba§ 9lbfd^reiber, ©efeer unb Sorrectoren einen biet n>eiter 
ge^euben unb tiefer greifenben Sinflu§ auf bie ©eftaltung ber 
lanbläuftg getDorbenen 5Eejte gctt)onncn ^ben ate man benfen 
fottte , bag nid^t allein fiuuentftettcube üDrudffel^tcr , Sludfaö Don 
3Serfen burd^ 5Rad^täffig!eit ftereot^^) gemorben fiub, fonbern toitt* 
fürüd^e SSeränberungen unter bem täufd^enben ©d^ein angcblid^er 
3Serbefferungen ba« Urf|>rünglid^e befeitigtJ^aben. äßer fid^ etma« 
nähere Sinfid^t berfd^afft l^at, über ti>eld^e ©innlofigleiten unb 
SSerfel^rt^eiten anäf gebilbete 8efer l^intpegtefen, »ie taftig für ben 
aufmerffamen Sefer, menn er anftö^t, bie Unfid^eri^eit xoirb, ob er 
e« mit einer »irftid^cn ©d^toierigfeit ober mit einem 35rudtfc]^ter 
JU tl^un l)at, tt)ie oft er in bie Sage fommt, fetbft ßonjecturatfritif 
JU treiben — benn Jebe 9Serbefferung eine« ©rudtfcl^ter« ift eine 


^eet^>otocn unb bic SlujSgaBcn feiner SBerfc. 309 

<>l^tIoIogif(!^c ßonjicctur — , toie fatal bic Snttäufci^ung tft, idcuu 
befanntc, öicKeid^t KeBgctootbenc ©teüen fic^ ate bcrfälfci^tc, Dom 
^iöfkx fo tild^t l^errül^rcnbc crxocifcn — tt)cr fid^ folcj^c ©tfal^* 
tungen Dcrgcgentoärtigt , toitb etnöcrftanben fcinv bag c^ eine 
njürbigc Aufgabe ber pl^ilologifd^cn Stitil fei , juijctläffigc Ztictz 
unfcrcr großen bcutfd&cn®(!^rtftftcBcr ^crjuftcttcn, bcren gelungener 
Slu^fül^rung ber S3cifaü aild^ ber uni)]^iIotogifd^en Scfer nt^t feilten 
mirb. ÜJiit ben ÜJiufifcrn ftc^t e« nid^t anber«. 3Bie mand^er 
@t)iclcr unb §5rer ift nid^t in SSertegenl^eit , ob er in einem 3(c* 
corb , einer '^affage , einer 9iote eine Ulibtd^effd^e Sl^imare an* 
juerfennen ober einen üDrudfel^Ier ju corrigiren l^at, SBie unange^ 
nel^m ift e« fid^ belel^ren ju laffen , baß eine ganj befonber^ au^* 
gefud^te ©d^Bnl^eit auf einem ©ttd^fel^Ier beruhe, baß eine öcr* 
meinttid^ fidlere 3Serbefferung einer unerträgltd^en ^ärte nur eine 
SJerbattl^orniftrung fei. S)aß bergleid^en.täglid^ üorfommt, ift be* 
fannt; baß aud^ bte 9lu^gabcn ffleetl^ooen'fd^er SBerle bitrd^ geißlet 
unb ©d^ßmmbefferungen jum 3^eifetn unb SSerjttjeifetn nod^ Diet 
mel^r 9lntaß bieten ate man tool^t annal^m , l^at fid^ bei aufmerl^' 
famer Prüfung l^erau^geftettt. ®ett)iß ift alfo bie Slrbeit banlen^* 
toertl^, toetd^e e^ unternimmt, ba« bom Som^oniften ©efd^rtebcne 
in feiner urfi)rünglid^en SReinl^eit »ieber ^erxufteüen unb juDerfäffig 
ju überliefern — unb ba« ift j[a eben bic 3lrbcit ber t)^iIotogifd^cn 
Sritif. 

Sluf bie gragc nad^ ber Slufgabc unb SÖictl^obe ^l^ilo* 
logif ^er Sritil ift bie Slnttoort einfad^, 3^re 5lufgabc ift e^, 
ba« SBerf eine« ©d^riftftetler« — ober äKufiler« — , toetd^e« burd^ 
med^anifd^c 33eri?ieIfäItigKng, äbfd^rift ober ÜDrudE, ijerbreitet unb 
fortge!()flanjt unb notl^ttjcnbig burd^bie loiebcrl^oIteSJeröietfältigung, 
jufäüig ober abfid^tlid^, mei^r ober weniger entftettt loorbcn ift, in 
ber ©eftatt njieber^erjufteden , xok e^ ber Url^ebcr abgefaßt l^at. 
®ie :^at bal^er junäd^ft bic U e b e r I i e f e r u n g ju ^>rüf cn unb bic 
Quelle, ober bic Quellen, iu ermitteln, au« loel^en mit ber groß* 
ten ©id^cr^eit bie urf<>rünglid^c ©eftalt entnommen toerben lann. 
SSäjo c« möglich ift bic Urf d^rif t be« Slutor« in.^at^t ju jicl^cn. 


310 ©cctlffoijen unb bic KuSgalben feiner SSerfc. 

bietet tiefe natürtid^ bie fid^erfte ©etvä^r, bod^ aud^ fie ntd^t über* 
alt unbebingte (Setoig^eit; benn felbft ber forgfältigfte ift Dor 
©d^reibfel^Ietn unb jufäüigeu Unaci^tfamfeitcn nic^t [id^er, uub e« 
»etbcn fe^t pufig 3Serbefferungcn, iDcId^e ®ültig!ett l^aben foüen, . 
nod^ nad^ botlcnbeter Utfd^rijt üom SSetfaffer gemad^t, bie et nid^t 
ctft in berfelben nad^ttägt, 2lbfd^riftennnb2)rudtc, xoetd^e 
unter 3[uffid^t be« älutor« ju ©lanbe gelommen finb, ^aben ballet, 
aud^ loenn bie Urfd^rift i)ortiegt , eine felbftänbige , mitunter ate 
bie lefete Stebificn be^ Uri^eberö eine übern>iegenbe ©ebcutung für 
bic ^ritil. 33ei einem mufifalifd^en ^nftwerf bel^aujjten ® t i m ^ 
men, tpctd^c für eine unter Leitung be« Som^>oniften borgenom* 
mene auffuhr ung gefd^rieben finb, eine äl^nüd^c ©teile, ttjeif fid^ 
mit ®runb i)orau«fe|cn lä^t, ba§ beim ©ebraud^e bie etn)a eingc* 
fd^üd^cnen jufäöigen SSerfel^en genau berbeffert »orben finb, 
SBenn nun bicfc »erfd^iebenen SDiitteC ber Ueberlieferung ju gegcn^^ 
feitign Sontrotc boüftänbig vorliegen, fo ift bie SJorau^fefeung ber 
burd^ zufälligen 3rrt]^um entftanbenen iSel^Ier auf mögtid^ft enge 
©ränjen bcfd^ränft. Slöein e« ftel^t ju erwarten , ba| cö bennod^ 
nie ganj an fold^en feilten tt)irb , unb biefe finb bann aud^ gegen 
bie übereinftimmenb.e Sirabition ju »erbeffern, um fo 
unbcbenltid^cr, al« bie« meiftcn« l^anbgreifüd^e aSerfel^en, unb bie 
©efferungcn jmeifeUo« fein t^erben. SBenn aber biefe Queüen t)on 
einanber abmeid^en, »enn entujeber iebe ettt)a« 9Serfd^iebene« 
barbietet, ober einjetne, unter fid^ fibereinftimmenb, anbcren tou 
berfpred^en, fo !ann eine Sntfd^eibung junäd^ft au« toefentlid^ 
äu^ertid^en SDiomenten erfolgen, j. 33, toenn augenfällig 
eine 8eöart ber Slbfd^riften unb 35rudEc nur in einem SWi^Derftänb«' 
niß ber 3üge ber Urfd^rift feinen ®runb l^at, ober »enn ein offen* 
bare« Stüd^tigleit^berfel^en biefer in icnen »erbeffert tt)orben ift. 
2lttein in ben meiften ijätten eine« ^mt\palM in ber Uebertiefe* 
rung fann ba« Urtl^eif über ba« toa« rid^tig ift nur burd^ Srörte* 
r ung innerer (Srünbe f eftgeftettt »erben , ® ief e f efet junäd^ft 
eine grünbüd^e tenntnig unb betDugte §anbl^abung ber a ü g e * 
meinen ©efe^e Dorau«, unter weisen bie 3D?itteI be« fünft* 


8cctl^oteti unb bie S(uegal6cn feiner 2Ber!c. 3 1 f 

tctijd^cn ^it^btud« aöein x^ttm ^md cntft>tcd^cnb jitr Sinken* 
bung gcbtad;t »erben fönncn, bet Sogt! unb ©rammatt!; 
benn aud^ bie Slu^brud^tDcife ber ÜJi u f 1 1 , tpie ber b i l b e n b e it 
Ä u n ft ; Xülrb ju einer organifirten ® |> r a d^ e , tnbem [ie f eften 
®efefeen ber 80 gi! unb ©rammati! folgt, toenn man bicfc 
anä) nici^t fo ju Benennen getooi^nt ift. §ierburd^ tft gunäd^ft ber 
üJlaa^ftab gegeben, um ju beurtl^eilen, toa^ überl^au^t^t m B g 1 1 d^ 
unb ntci^t möglid^, tt>a« abfolut falfd^ ober rid^tig ift. 
Äücin xocnn ed fid^ um bie äntoenbung altgemeiner ®r unb* 
fäfee auf ein SBer! l^anbeö, ba« einer beftimmten ^zxt ange* 
l^Brt, ba^ t)on einem beftimmten Snbibibuum unter bc* 
ftimmten 3Sorau«fefeungen i^eri)orgebrad^t ift, fo muß 
aud^ jene attgemeine ^enntni^ burd^ eingel^enbe l^iftorifc^e 
©tubien ju einer !taren (Sinfid^t unb ju einem fidleren ©efül^f öon 
bem auögebitbet toerben, maö ein gegebene^ 3^itatter, eine ge* 
gebene ^crf&ntid^Ieit !änft(erifd^ auf juf äffen, unb Don ber 
gor m , in toetd^er fie baffelbe toieberjugeben fällig ftnb. äBer nun 
mit f gefd^ärftem SÖM , mit fidlerem 2^af t , vertraut mit feinem 
3Keifter an bie 'ißrüfung berjenigen ©teüen' l^erantritt , in tt>etd^en 
bie 8e«art nid^t einftimmig überliefert ift, ber wirb im ©tanbe 
fein ju entfd^etben, toa^ unmögüd^ üom äutor l^crrül^ren !i>nne, 
unb tt>ad er gef d^rieben l^aben !Bnne, in tjielen gäüen , n>a« 
er gef d^rieben l^aben m ü f f e , in b e n meiften, maö er tt>a]^r* 
f d^ e i n t i d^ gef d^riebcn 'ifob^. ©enn ba e^ fid^ um ein t u n ft * 
tt) e r ! ^anbett, bei beffen (Sntftel^en bie geniale ©ubjectiDi* 
tat b c 6 Ä ü n ft I e r ^ ate ein bi^ auf einen getoiff en ®rab unbc* 
red^enbarer gactor U)ir!t , fo ba§ bie lefete 2^ätigfeit ber ^itif 
»efenttid^ auf ber äbtoägung ber aügcracin gültigen 
©efefee unb ber beredt tigtenS3efonberl^eit be^Sünft^^ 
ler« gcgeiteinanbcr berul^t; ba aud^ ber Sir i tue r nur bei einer 
cigentl^ümlid^en Segabung fid^ bie iöilbmig unb ben STalt 
aneignen !ann, toeld^e bie S3ebingungen feiner 5E^atig!eit finb, fo 
^aftet an bief en D|>erationen ettoa^ ^ubiectitoed, »eld^e^ na* 
mentttd^ für bie feineren aufgaben unb 9tefultate nid^t eine f ju 


312 ©cctl^otoen itnb bU 2(u«gaben feiner SBetf e. 

jagen mat^cmattfc^ jtDtngenbeStti^ctl^cit etgtefct. SBet 
hz^ffali aber ba« frirtfd^c SJerfa^ten ate f<)ielcnbe SBtttfüt. bte 
SRefuttatc bcffetben at« xufoüige ginfaüe bettoti^tct, bcr übetfieljt, 
ba| bte a tigern einen ®efefee, unter benen überl^auj)! ber 
menfc^ttd^e ®eift arbeitet unb jd^afft, anä^ über ben tünftler «nb 
jein tunftxoerl eine jtt)ingenbe organifatorifd^c aWad^t ausüben, 
bai^er and) oC« gültige Spornten erfannt »erben fönnen; bafe 
e« burd^ getoiff enl^afte l^iftortfd^e gorfd^ung möglid^ töirb, 
aud^ba^ freie SCement bc« 3nbiöibueltenin3^toäumen 
unb *ißerf önlid^f eiten in f o f eften Umriff en ju er! ennen , ba§ aud^ 
l^icrin ba« ©efe^inä^ige nad^jutocifen i[t , unb ba§ burd^ bie 
betöugte 9iegulirung beiber ^otenjen fid^ eine Iri* 
tifd^e2Reti^öbc bilbet, mittetft »eld^er e« gelingt, ba« Unfid^erc 
unb ®d^tt>anfenbe in möglid^ft enge ©ränjen cinjufd^Iie^en, in je* 
bem gaüe aber öon beut ©id^eren unb geften bcftimmt ju fd^eiben. 
©0 üief teud^tet ein, ba^, \e fd^toieriger unb lüdtenl^after bte l^ifto* 
rifd^e Sorfd^ung, \z unfid^erer unb fd^»anfenber bie Uebcriieferung 
ift, um fo [tarier ba« fubiectit>e Slement ber Sritif l^erbortreten, 
bas (Srgebni^ um fo iproblematifd^er xoerben mn% ffienn leine 
Urfd^riftmel^röorl^anbenift, äbfd^riften unb 35 r u dt e nid^t 
unter ber Sluffid^t beö 9lutor« cntftanben , foitbcm burd^ längere 
3citräume l^inburd^ nad^ öerfd^icbenen ober aud^ nad^ gar leinen 
®runbfä^cn batb forgfättigcr balb nad^Iäffiger fortgei)flanjt finb, 
bann toirb bie Unterfud^ung über bie ©laubtoürbigleit unb Äut>tt' 
täffigfeit bcrOuelten immer t>ertt)idtefter ; äußere SDiomente 
f önnen für bie entfd^eibung in einjelnen xmeifcC^aften ^aUm feiten 
unb nid^t mit tjotter 3ui)crfid^t in Slnf^)rud^ genommen toerben, bie 
inncrcn®rünbe muffen mel^r unb mei^r ben 9lu«fd^tag geben. 
5Die fd^toierigften Probleme aber ermad^fen für bie Sritif nid^t 
burd^ bie (Sntfteüungen , tt>eld^e an^ juföaigcn aSerfel^en unb 3rr* 
tl^ümern l^errül^ren, toie arg biefe aud^ itn SSerlauf ber geit burd^ 
5Jlad^täffig!eit unb Untoiff enl^eit »ud^ernb fid^ ausbreiten miSgen, f on* 
bern burc^ bie 9Serberbniffe, tt>eld^e au« »ol^tgemeinten, aber 
i?erfe]^rten SSerbefferungen l^erxjorgel^en. (5S fcl^It nie an 


$eetl^Dt?en itnb bte Slu^gaben feiner Ser!e. 313 

fold^en %i\ä)Xtxitxn unb Sottectoten, toetc^c tDol^t int ©tanbc ftnb 
ju bcmcrfcn , ba^ fid^ ein geißlet cingefd^It^cti ^at , btc aber au^ 
STOanget an (Seift unb ©c^^arffinn ben ^tffUx am Dctfel^tten Drte 
fu(^en itnb butd^ i^re SSerbeffctungen enttbebet biefen gar nic^t 
treffen , ober mit bem gel^lcrl^aftcn auc!^ ba« ®efunbc beränbern, 
unb foben trügerifti^en ©d^ein bon ettpa« an fid^ @r* 
trägtid^em aber Untoal^rem an bie@teüe bcd offene 
bar 35erfe]^rten fefeen. ®efcücn fid^ gu fold^en ungefd^idtten 
ßorrcctoren , bte i^r ®cf d^äft mit bel^agtid^em Sifer au^jubel^nen 
^)flegen , nod^ bic Ueberftugen , xoeld^e !ein ©cbenfen tragen an6) 
ben Sfutor felbft getegenttid^ gu »erbcffern, bamit SlBe« pbfd^ ba« 
Slnfel^en gett)inne, n?e(d^e^ il^rem (Scfd^madE am meiften gufagt, fo 
ift aüe ©efal^r ba , ba^ attmäi^Iid^ eine fatfd^e ©d^minfe ba« ed^te 
unb urfprüngtid^e ^nftioerf übergiel^t. T)a faßt e^ benn ber Sti* 
tif oft f d^tper , f toeit f eften ©oben ju getoinnen , • ba^ bie entfte^ 
tenbe 5Eünd^e ber SReftauration entfernt xoerbe, bamit nur bie 
alten geinter unb 8üdEen toieber jum SSorfd^ein lommen , an bereu 
Teilung fie fid^ nur mit atter SSorfid^t unb ©orgfalt gewtffen^after 
3Rct]^obc toagen fann. 

©tüdEIid^eweife befinbet fid^ ber tritifd^e Herausgeber S3eet* 
]^ X) e n S bei feiner S^ptigfeit in einer bermtni^mä^tg glüdtftd^en 
Sage, ©er SKeifter gel^ört einer 3cit an , bereu Segebenl^eitcn 
unb SSer^ttniff e , bereu üDcnlart unb ßm<>finbung«n)eife , bereu 
lünftlerifd^e Sluffaffung unb ©arfteüung xoix un« im SBefcnttid^en 
nid^t erft burd^ mül^fame gotfd^ung ju bergegennjärtigen l^aben, 
bereu Änfd^auung unb SSerftanbniß uns unmittelbar Itar ift, unb 
nur im Stngelnen gelegcntltd^ einer 5Kad^pIfe burd^ betaittirte« 
JBiffen bebarf . Unb ber Huftier felbft ift uns feine frembe @r=^ 
fd^einung . bie toir burd^ einen lünftlid^en 5lj)j)arat erft an^ ber 
gerne in bie Stalle rüdfen muffen, 'er ift uns gegentuärtig, tt)ir leben 
mit il^m , ia et bel^ertfd^t uns. SBenn uns gu feinem SSerftänb^ 
ni^ ia nod^ etwas mangelt , fo liegt es nid^t baran , ba§ er einer 
erft tt>ieber gu betcbenben SSergangenl^eit angel^ört , f onbern bafe er 
X)orauSgefd^ritten toar , aud^ ber f ommenben ©eneration , biejefet 


314 ^ctt^otitn unb bte 'ün^ahtn fetner SBerfe. 

noöf t)ott SSctel^rung ju bcm i^öi^ct ftel^cnbcn ouffd&aut. 35on btcfcm 
2ßcifter finö bonn fo jal^lrcid^c , fo fccbcutenbe SBcrfc öcrfc^iebcnct 
9iid;tungcu unb (Sntttjid clung^ftiifcn erhalten , ba^ c^ einbringen* 
bem ©tubium mbgßd^ ift , üon feiner tunftterifd^en Onbiöibudität 
nadf Slntage unb Slu^fclftung , ton ber geiftigeu Soncei)tion unb 
ted^nifd^cn gactur feiner Söm<>ofttionen eine beftimmte, fd^arf 
au^ge^^vägte 35orfteüung ju f äffen, bag baburd^' fidlere 9lomien 
' für bad tritifd^e Urtl^eit gewonnen »erben, ßnbüd^ bietet aud^ bie 
Ueberüefcrung feiner 3Ber!e, obwol^I ungteid^ unb l^ier unb ba 
unfid^er unb tüdEenl^aft, bod^ im ®anjen eine fo genügenbe (Srunb* 
tage für bie fritifd^e ^erftettung, ba§ burd^ biefe ein befriebijenbe^ 
SRefuttat erreid^t tuerben !ann. ®(eid^tt>o]^t fomnten bei ber 3lu«* 
Übung ber Ätiti! aud^ in biefeni günftigen gälte atte aufgaben, 
gragen unb ^xotx^cl in ©etrad^t , tüie fie fid^ nur einem <)]^iloto* 
gifd^en ÄritHer in ben SBeg ftetten, unb fbnncn aud^ ^ier nur burd^ 
ed^tejpl^ilirfogifd^e a}tet^obe getödt toerbcn. 

Seet^oDen fd^rieb be!annttid^ eine fcl^r unteferlid^e §anb* 
fd^rift. ®ar nid^t ju reben ton ®fijxen unb (Sntwürfen , bie ein 
natürtid^e« 3Sorred^t ^aben !aum enträtl^fetbar gu fein , aud^ ben 
unfd^&nen unb »iberi^aarigen ^ü^tn feiner Sieinfd^riften glaubt 
man bie Ungcbutb unb ben Unmut^ barüber anjufe^cn, baß 3becn 
unb ®cbanten nod^ in ^dä)m gefaßt unb aufgefd^riebcn tüerbcn 
muffen. iCaju !ommt, ba| ©eetl^otjen, anö^ toenn er eine Som* 
<5ofition öottftänbig aufgefd^rieben l^atte — U)a^ meiftend rafd^ ge^ 
fd^al^ , nad^bem er lange im Sinjelncn baran gearbeitet l^atte — , 
nod^ baran ju änbern pflegte unb feine ßorrecturen nid^t mit fäu* 
berlid^er |)anb eintrug, ßiu 3Kanufcri^)t Sbtztf)ot>en^ mad^t ba^er 
getoöl^nlic^ auf ben erften Slnblidt einen abfd^redEenben Sinbrudt 
nnb tjerfprid^t bem , Jüetd^er 2lu«funff barin fud^t , tuenig 2:röft^ 
tid^eö. Slttein w>mn man fid^'mit ben 3öflcn ^cr §anb unb ber 
ganjen ©d^reibiueifc befamit gemad^t, fid^ et^ua^-cingetefen l^at, 
fo überjeugt man fid^ , baß trofe ber fd^cinbaren Sld^ttofigfeit ber 
©d^retber fid^ ÜWü^e gegeben ^t, atte« ba« beuttid^ ju bejeid^ncn, 
loa« für ba« SSerftänbniß »i^tig ift , baß er mit Slufmerlfamleit 


^eet^oioen unb bte ^udgalbett fester Serfe. 31 5 

» 

unb ©orgfaft fd^ricb. 8ä§t fid^ nun bet Scfct, bcr attcrbtng« »et* 
ftcl^cn mufe, worauf eö anf omntt , bic 9Kü^c bc^ ©ntjiffcrn^ nid^t 
öcrbricgcn , fo wirb er tu ber 9tcget mit toUlommcucr ©ici^crl^cit 
erfeuneu, toa« Scet^oöeu geiDottt l^at. 3tti 3lutogra^)]^ bc« jtocitcu 
giuate^ t>ou gibcüo fic^t mau auf eiucr bcr lefetcu ©eiten m ciuer 
®tcüe , n)o c^ abfolut un^)affeub ift, ctuc ^affagc ^iuciugcfci^ricbcu 


i 


^ -^tpL:ffi:f:£^-:|=: E 


©ei gcnaucfter Uuterfud^'uug tic^eu [id^ eubttd^ aud^ ^'tväftn cnt* 
ttdtn, bie auf bcn $laft ]^intt)iefeu, ipol^iu bcr 3wfafe gcl^örte; unb 
fo fte^t er \t%i @. 284 bcr ueueu Partitur iu ber "ißiccoloftimme 
um bem üßomeut ber -^öd^ftcu ©tcigeruug uod^ cineu bcrfd^ärften 
Slcccut iu gebeu. iSö ift ba^er toou großem SBertl^, bie Drigiual* 
l^aubfd^riften afö tefete3uftanj ju 5Ra% ju jiel&eu , uub e^ 
toirb !aum eiue beuufet »orben feiu , au^ ber uid^t SBerid^tiguugcu 
öou gc^Icru eutuommeu tuerbcu f ouiiteu, bie jum 2]^eit f<>äter bem 
ßom^ouiftcu fetbft bei ber Sorrectur be« Drudt« cutgangen 
toaren. %xi Heiuen ©emütfy^ergiJfeüd^fcitcu fel^tt e6 bei ber 35urd^* 
fid^t bcr 3lutogra^)l^e wxif uid^t gauj. @o mad^t e^ einen l^öd^ft 
fomifd^eu Sinbrutf , ju feigen toie S3eet^obcn in bcr Partitur bcr 
SSioKuromanje in G dur um bie ©oloftimme öom Ord^efter ju 
fd^eibcu ein ©Aftern yoifd^eu beiben freigclaffen ^^i, in ba^ er 
bann toicbcrl^ott unbebad^tfam.l^inein gerät^ , bi^ er bei einer fot* 
d^en ®etcgen^eit mit großen ©ud^ftaben ^ineiufd^rcibt ,,§oI ber 
icufel ba« Spatium. " 3n einer anbercn äBcife f omifd^ ift bic 
S3emerlung ujetd^c er in eine loon il^m burd^com^)onirtc äbfd^rift 
toon SWecrc^ftiltc unb gtüdüd^e ga^rt ju änfaug beige*"^ 
fd^rieben l^at : 

„NB. S3ei biefcm erften Tempo l^ebe ber Saipeflmeifter beim 
2^aftgcbcn bie §aufc fo uicbrig at« mögtid^ auf, nid^t mit bem 
minbeften ®cmüt^ Derbunben, fonbern mit äuferfter ©title, 
au^er.beim Forte. S3eim erften ÜEatt etn^a^ ^iJ^cr, beim 2ten 


316 Beetljioioe^unb bie ^udgaBen feiner SBerfe. 

m 

unb 3ten fd^on nac^Iaffcnb unb beim 4ten tt)tcber ganj bic un* 

raerfüd^ftc ©etüegung" 
tpa« übrigen« ju bem ftintmt, toaö öon feineu fcttfamen ©cbätbcn 
beim eigenen 5)irigiren berid^tet »irb. 

3n früheren Salären , xoo Seet^ojjen aud^ nod^ um ctoa« 
rüdfid^t^ijoüer fd^rieb , mag er fool^I feine eigene 3Jeinfd^rift jum 
15rudEeu l^ingegeben l^aben unb öielleid^t erllärt e« fid^ tl^eitoeife 
aud^ barau«, ba^ i)on ben älteren SBerlen öerl^ältni^mäfeig weniger 
Urfd^riften bor^anben finb, »ietool^I fid^ !aum bejtoeifeln täft, ba^ 
er felbft frü-^er überl^au))t tueniger forgfättig bamit umgegangen 
fei, ®))ater aber üe^ er nur nod^ äbfd^riftcn bruden, bie er 
felbft ret>ibirt l^atte. ©eine 6o^)iften l^atten feinen leidsten ®tanb 
mit i^m. Slud^ für einen geübten, tt)ie e« Saläre lang ber bon 
Seetl^oben fd^merjüd^ bermifete unb oft beitagte ®d^temmer 
toox, bot feine ^anbfd^rift immer tt)ieber neue ©d^njicrigfeiten, 
unb in jtoeifeC^aften i^ätten ba« JRid^tigc gu treffen toar bei ^teU 
]^ot>enö Sigentl^ümtid^feit fetbft für einen mufilatifd^ gebilbetcn eine 
bcbenMid^e (S>a6)^. ÜDie 5Rebifton ging fetten ol^ne l^eftige @mo* 
tioncn ab : „3d^ l^abe nid^t toeniger aU l^eute ben ganjcn S5or* 
mittag unb borgcftern ben ganjen 5Rad^mittag mit ber Sorrcctitr 
ber jmei ©tüdfe gugebrad^t unb bin gang l^cifer bon gtud^en unb 
@tam<>fen/' 9ia^m er fie mit bem So^)iften felfeft bor, fo füi^rte 
fie geioßl^nüd^ gu fe^r lebhaften ©cenen unb biefer mu§te in 
fd^ergl^aften unb ernftl^aften SSorioürfen ftarfe 15inge über ftd^ 
ergeben laffen ; aber tro^- ber ^eftigften Ungebutb nal^m S5eet* 
l^oben e« mit bi^en ßorrecturen anwerft genau., unb aüc bon i-^m 
felbft burd^gefel^enen Slbfd^riften legen bon ber ®ett?iffen^aftigf eit 
3eugni6 ab , mit toeld^er er für 9lid^tigfeit unb 5)euttid^leit ber* 
•felben beforgt toar. @« ift ba^er begreiflid^, ba^ in biefen So^^ien 
cingelne im Original ettoa überfel^ene glüd^tigfeiten unb Unge* 
nauigfeitcn berbeffert erfd^einen, toietoo^l aud^ l^ier toicberum 
gclegentlid^ SSerfe^en ftd^ eingefd^lid^en ^aben , toeld^e au6 jenen 
gu berbeffern finb , fo ba^ beibe gur gegenfeitigen ßontrole bienen. 


Scct^otocTt ttnb bic ^tt«9at>crr ferner SÖcrfe. 317 

unb in 3tT>eifeBfäacn ba« abtuägenbc Urt^cil bc^ Ättttlcr^ ent* 
fd^ciben mu§. 

aSon groger SScbeutung fßnnen ©ttmmen fein , tüdd^e bei 
Sluffüi^rungcn gebraud^t n)orben finb, bte unter Seetl^oöen« Seitung 
®tatt fanben. 3^<^^ ^^'6 1^^^^ Srfa^rene, bag bic in bcn groben 
benterfteu ge-^ter feineötocg^ immerhin ben ©timmen genau cor== 
rigirt iDerben, aber tt)o eine ßorrectur eingetragen ift, ba fann man 
annei^men , bag fie au^brüdlid^ fo gett)ottt unb öorgefci^rieben ift, 
Slud^ in einer öic( bef^^rod^enen SontroDerfe l^aben bie ©timmen 
eine freiftd^ !aum me^r niJtl^ige Seftätigung gegeben. SSelanntüd^ 
n)urbe auf aWenbetefo^n« SSeranlaffung int 3al^r 1846 ein S5rief 
S3eet]^ot)en^ öom 21. Sluguft 1810 an bieSSerteger befannt gemad^t, 
tt)orin e^ l^eigt : ,,gotgenben f^el^Ier ^be id^ nod^ in ber Sinfonie 
au^ c moU gefunbcn nämlid^ im 3ten ©tfitf im */* Siilt U)o nad^ 
bem dur jjijj lieber ba6 moU eintritt ftel^t fo : id^ nel^me gteid^ 
bie S3a5fttmme nemlid^ 


iüzlz 


fe3 


_^ X 

4= 


1- H 4 1 -4 1 — 


bie ätoei 5i;afte, tt)orüber ba« x i% finb gui)iel unb muffen au«« 
geftrid^en tt)erben , terftel^t fid^ aud^ in aüen übrigen ©timmen, 
bie ^)au^lren." 3Bie ber gelter entftanben fei, feierte bie jum©tid^ 
eingefd^idtte 3lbfd^rift , in toetd^er bie au«geftrid^enen Zattt mit 1 , 
bic beibcn fotgenben mit 2 bejeid^net maren unb bann mit 9iot^* 
ftift barübcr gefd^rieben si replica con trio allora 2. Seet* 
i^oDcn l^attc atfo ba« ganjc ©d^crjo mit 5£rio toieberl^olcn unb 
barauf bie Coda folgen taffen xooütn, bann aber bie SBieberl^oIung 
aufgegeben; »a« ber ©ted^er nici^t begriffen ^tte. >Da| mand^e 
bic überfd^üffigen beibcn S^afte at« eine ganj befonbere ©d^ön^eit 
anfallen fann man begreifen ; loeniger bag 23eetl^oi)cn« eigene f ate* 
gorifd^c Srttärung SSJib.erf^)rud^ fanb. 5)cn ©ad^öcrl^att beftätigte 
nid^t nur bie Driginat^^artitur ; jum tlebcrflug l^aben bic Ord^efter* 
ftimmcn, nad^ meldten bic ©t^m^)]^onie unter Seet]^ot)cn« Leitung 


3] S iOeetl^obeti ttnb bte ^itdga^en femer Ser!e. 

jucrft unb »icbcrl^oft gcf^jtclt tt>otbcn ift , bic ftagüd^cn %oXtz gar 
nxä)t, unb c« lann alfo fein B^^if^l \^^^ ' ^^f ^^ P^ wd^t gctDoüt 
l^at ; ^atürUd^ finb ftc in bet neuen ausgäbe au^gentetit. 

35on entfteücnben B^fäfeen crfd^eint jcfet aud^ bic 3ÄufiI ju 
6 g m n t Befreit, ©eetl^oöen ^at bei ben Sntreactd fein Slugen* 
nierf tt)efcntüd^ batauf gerid^et , burd^ bic SDlufil ben ®d^Iu§ be« 
einen Slfted mit bcm Slnfang bed fotgcnben fo ju öemtitteln, baß er 
anfnü^)fcnb an bic ©d^lußfituation unntittetbar in bic ^anblung 
bed beginnenben Slufjugö einführt. 5Drei biefer ßntreact^ ^aben 
bal^cr feinen tooHIommenen mufifalifc^en 3lbfd^Iu§, fonbern eubigen' 
bei fd^on offener ©cene mit einem d^arafteriftifd^en ^atbfd^tufe. 
ÜDie «u^fül^rung bcr aÄufif , tt)ie fie »eetl^oDen »ottte, fe^t aUer* 
bing« eine fel^r genau bered^nete unb forgfaftig au^gcfül^rtc 
3nfcenirung borau«. Um bem getoö^ntid^en ©d^tenbrtan gu ^Ife 
gu fommen unb aud^ für anberc gfitte bic (Sntreact^ braud^bar ju 
mad^en, tcarcn boüftänbig abfd^tießenbe 2lnl^ängfel n?ünfd^en6tt)ert]^ 
erfd^ienen , unb Scetl^oben l^atte — ein fettener gaü — fid^ bem 
,,^)raftifd^en Scbürfniß" gefügt unb gugeftanben, baß ber mufi* 
faüfd^e ßorrector in Seiipgig berartige ©d^tüffe l^injufefee. 5Diefc 
tt)urbcn nad^ bamaliger SBeife ol^ne iebe ßrflärung mit abgebrudt 
unb galten mitl^in für aut^entlfd^ , obgleid^ fie bie urf^^rünglid^en 
Sntentionen bed Somiponiftcn tl^eitoeife grabegu feernid^teten. 6« 
i)erfte]^t fid^, baß fie in ber neuen Sln^gabe gänglid^ befeitigt finb. 

^ier burfte man nur einfad^ auf Seetl^oöcn^ ^anbfd^rift 
gurüdtgcl^cn , »ie bei einer ©erid^tigung im legten Quartett 
(Op. 135), bic einen tt)irKid^ uncrl^Srten Sott bitbet. 3m testen 
®afe beffetben, tt)ie er in ben gcbrudttcn Stimmen unb in ber 
banad^ rebigirten Partitur bi^l^cr borlag , finbet fid^ eine Steige 
üon 5£alten , tt)etd^e fd^tt)erlid^ jemate cl^ne So))ffd^üttetn gef^)ielt 
unb angehört »orbcn finb. 3nbeffen njar ber 9tef^)ect »or ben 
(Sjccentricitäten bcr legten Quartette f o groß, baß mau fid^ ben ®c* 
banlcn nid^t erlaubte baß l^icr ein gelter, borficgc , ber geäubert 
»erben muffe. SBcnn aber aud^ ein fotd^er ^x&d\z{ njirfüd^ auf* 
gelommen tt)äre, fo tpäre eine S3efferung, xoxt bic Ja!te borlagcn. 


8cct]j>oi>cn unb bic Äuögakn feiner SBcrfe. 319 

fc^tDerfid^ Je gctungen. 35cr 9l6fc^tcibcr I?öttc nömtic^ in bcr 
crften 33toünftimmc imi Zatk au^gctaffen , bte mit ben fccibcn 
i)orl^ctge]^cnbcn U^ auf eine 9fl^tc gteiei^tautcnb finb. ©er (Sorrcctor 
l^attc öücrbing^ , voxt er nid^t xoo^ anbete fonnte , bewerft, ba§ 
eine Jude Dorl^anben fei, aßein er l^atte biefelbe an ber unred^ten 
<S{eflc ju entbeden geglaubt unb 12, 2:a!te l^inter ber rid&tigen 
®tcöe jtt)et nad^ eigenem ®utbünfcn gemad^te 2^afte eiugefltdt, 
Da§ bte fo äu^erlid^ eingerenften Jafte, njäl^renb n?etd^er bie erfte 
©eigc unb bie übrigen 3nftrumentc forttpä^renb um j^ei S^afte 
au^einanber \r>axtn , über-^au))t f^jielbar blieben , ift in ber Jl^at 
ju toertDunbern. S3ei ber SSergleid^ung be^ Driginate ftettte fid^ 
%\k^ t(ar I^erau^ , auii bie SSeranlaffung be^ Srrtl^umö unb bie 
nnbefonnene 35erbaüI?ornifirung , n^ie- ein S3fi(f auf bie nebenein- 
anbergeftettte ed^te A unb inter^)otirte B 9lecenfion jeigt. 


320 


^t$ot>en unb btt ^utsaita fctnci; Sorte. 


A. 


fc 


^^^ ^^ ^ ^^^^^ ^ 


uj rj ^. I 


• ^w f 


i 


^^ 

^r—^ 


■X 


^^ 


ä 


ai b j I 


3:3=5 


I 


1 » 1 i- = 


^^ 


I 1 1 . 3: 


i*" ;3:^S: 


^. 


Äiu: 


^ 


DU ii > f'^l t ^ i ^^^'r 



s 


b < r^ 


** — v^ 


— j— f» ps ■»» r* -F" -r- f" 1» f^ —TZ 


A 


\i- \i , **, I *^ ¥*-=^ 


f I V - 


— »» — I r^ — ♦• — *» *» 1 r * I 


rr , »* 


t^!==5 


J"J" IJ-^ 


■* — 0- 


ts 


^ 


a 


-j- r* J T ^ 


-i»--f-^«- 


^•H-¥^ 


- n < r^ 


::t 


3= 


ist 


V I 



iUZe^l-^^jz^m^tn J^ 


4: 


-1« I r» 


1^^ 


< 


^■Ti^^r^jrJj^jg^j ^ l j, a 


^^ 


a^ 


ä 


W 


at-^l>^^|, J n-j-^i^f^riprip^ 


fei 


V -i V - 


-jtut 


-i — *»- 


3 


^=^ 


4 


5=SF5*^ 


^«- 


9eet^o«en unb bte SuSgabett feiner SBetfe. 


321 


B. 


rr 


3i r-j^^p— ;;: p-^q ^~r^; : £^ i^ 


^^^^m. 





jg ^^^ ^^^ g^^^ 


.=^ 

^ 


BP 


t 


i^E^ 


t=# 


I 


W 


:::«. 


:::ij^c3 


S^^}:gz:J4^E^^^ 


[^^^P^ 


tr 


ifc-^ 


fe* 


t , I '^ , n-LT*^ ^: 


i* 


W ^ii ' 1 ^ ^»^"p yp-* 



* 


I 


i 


te- 


il: 


.^ — 1«. 


^W^^^^^^^fe=? 


j-^ — I - 


»: :? 


fe3 


feii 


132 


^^^^^ 


?» — ** 


;::«=a 


a«- 


^ 


n < ir> - 


T7^j-v a -^-.l ^ 1,-1-^ :^ 

^F^^ — •- ^ — J 


Üi?^ 


&^^^^^^{p^^^^ 



i*=J 


^^^^^s^^^^^ 


3F 


^SI^^PK— 


^ 


^^^;M:J =i^^<:ri]r p ag3at^g 


-*» **- 


n: - ! -L 


:^* ^ijtr 



3a^n, 9luffäj^e über SRuftf. 


21 


322 ^cct^|oto€^ unb bte 9lu«gafccn feiner SBcrfc. 

Da§ ein fotd^c« SSctbcrbtiife ^ia% greifen unb unbettc^ttgt 
btctbcn fonntc, crltärt fxäf freitic^ nur babutd^, ba§ btcfe« Quartett 
etft mä) feinem Xobe erfd^ienen ift. Denn ©eetl^oöen toax mit 
berfetben ©orgfalt, toetd^e er ben äbfd^riften jutoanbte, aud^ für 
bie ßorrectl^eit bergebrudCten ausgaben t^ätig. ®ott)eit e^ 
irgenb mögßd^ war, übertoad^tc er fctbft bie ßorrectur unb nal^m 
e6 bamit au^erorbenttid^ genau. 3n ber ßorref^onbenj mit feinen 
SSerlegern f^jielt bie SSerbeff erung ber £)rudEf e^ter , »etd^c i^n in 
ben ^eftigften ^oxn öerfetjen lonnten, eine grofec $Rottc ; aud^ nad^ 
ber ^erau^gabe bon i-^m njal^rgenommene äSerfel^en tl^eiltc er mit 
unb brang auf bereu nad^trägtid^e SBerid^tigung. ®o fd^reibt er 
in feinem gewBl^nlid^en fd^erjl^aften Xon im Sal^r 1816 an ^apn«^ 
ger : „d^ toax au^gemad^t , ba^ in atten fertigen @^em))Iaren bed 
Quartett« (in F moll) :c. bie geinter f oüten corrigirt werben ; 
beffen ungeachtet befifet ber Slbjiutant bie Unöerfd^ämtl^eit fetbe« 
uncorrigirt ju berlaufen. ©icfe« »erbe id^ uod^ l^eute ju al^nben 
unb ju beftrafen toiffen. 9DWt ben SSerjeid^niffen tcirb — »ie id^ 
merfe nur ®^)ott getrieben, aüein id^ »erbe aud^ l^ier toiffen, »a« 
mir meine Sl^re gebietet unb gett)i§ nid^t nad^geben. 3" tDiffcn 
ift : ba^ — toenn id^ nid^t jtDifd^en ffzntt unb morgen bon tt)är* 
merem !I)ienfteifer bed Slbiutanten überjeugt xontz, bemfetben eine 
jiueite fd^im<>ffid^c äbfeftung brö-^t, obfd^on man benfelben be* 
fannter ©ro^utl^ getreu lieber befßrbert l^ätte." SSorl^er l^atte 
er im fettigen 3al^r fid^ eruftl^after »emel^men laffen: „üDieOe* 
fd^id^te mit biefer @^m^)l^onic (in Aidur) ift mir fel^r berbrieftid^, 
ba l^aben toir nun bad UngtüdE , n?ebcr bie geftod^cnen Stimmen, 
nod^ bie Partitur finb fei^Ierfrei ; in bie fd^on fertigen ^tmplaxt 
muffen bie gelber mit Zn^äf berbeff ert mxttn, tt)oiu © d^ I e m m e r 
ju braud^en, übrigen« bag ein SSet^eid^ni^ aüer* Sel^ter ol^ne 2lu«' 
nal^me ju brud^en unb ju berfc^idten, ber tol^efte So^)ift l^atte grabe 
bie "ißartitur fo gefd^rieben, »ie fie jefet geftod^en, ein b. g. fe:^tcr^ 
botte« mangell^afte« SBerf , ba« nod^ nid^t auf biefe SBcife bon mir 
in ®tid^ erfd^ienen — ba« finb bie t5otge;f bon bem nid^t corrigi*^ 
reu »oüen, unb bon bem mir e« nid^t früi^er jur Ueberfid^t gegeben 


^eet^oten uitb bie ^udgaben femer ^er!e. 323 

l^aben, ober mid^ batan ju mahnen. Dicfetbigen (gfcuqjtatc, 
ml6)t xä) ic^t l^lct übcrfd^tdc, finb un^ mit bcm banad^ öctbcffct* 
tcn 6atbm8gli(i^ft jujuftcBcn , bamit x6} il^rc JRid^tiglcit ober Un* 
Ttd^ttglctt etnfcl^c. ®o fccftraft fici^ bcr Stgenfinn fclbft, unb Un* 
fd^utbtgc muffen mit batunter leiben. 3ci^ mag nid^td mel^t für 
mid^ üon bicfcr berftümmcüen gerabbred^tcn Sinfonie tt)iffen. — 
$fui 5i;eufcl ! — ®o ift Suci^ atfo mxtli^ ber ©tuubfafe juju^ 
fd^wben, ba^ 31^ ba« publicum ad^tung^Iod be^anbett, unb bcm 
äutot getoiffento« feinen $Rul^m fd^mätert ! üDa id^ IranI xoax, unb 
nod^ bin , unb ba« SSerlangen be« publicum nad^ biefcm SBerl k. 
bad finb (Sntfd^ulbigungen bie ^f)X anfüllten lönnt beim SSerfün* 
bigen be« SSerxeid^niffe^ bet geißlet- ©e^üt Sud^ ®ott — l^ol tnäf 
bet teufet." Unb balb barauf in betfelben ängelegenl^eit : „3d^ 
bitte bor 5ßten , ba| ba« SSerjeid^ni^ ber gel^Ier gemad^t toerbe, 
foxDO^l ber einjetoen Stimmen ate ber ^attitur, id^ »erbe e^ bann 
mit ben einjclnen Stimmen unb ber Partitur bergleid^en , biefed 
mu§ bann eiligft in atte SSBeltgegenben gefenbet tt)erben. (56 ift 
traurig , ba^ e^ f o fein mu§ ,, aüein e^ ift nun mä)t anber^ ; aud^ 
finb bergleid^en gäüe in ber ütterarifd^en SSBett fd^on oft ba ge* 
»efen. 9iur weiter feinen Sigen* unb Starr *®inn, fonft »irb bad 
Uebel immer ärger." Sd la^t fid^ beulen, ba§ er fotd^e SBerid^ti* 
gungen feiten burd^feftte. S3alb naii^ bem (Srfd^einen feiner erften 
Quartette (D<). 18) fd^rieb er: „^m 3Koüo i^at toieber neuer«' 
bingd meine Quartetten fage öoüer geinter unb Errata in groger 
unb Heiner SWanier i^eraudgegcben , fie wimmeln brin une bie 
gifd^c im SSaffer b. ^. ind Unenbüd^e. Questo e un piacere 
per ua autore — ba« l^eig id^ fted^en , in SSSal^rl^eit meine $)aut 
ift ganj botter Stid^e unb 9tiffe fiber biefe fd^önen Sluflagen meinet 
Quartetten." 2)iefe 9iad^rid^t ift um fo weniger tröftlid^, aö bie 
Originall^anbfd^rift biefer Quartette nid^t wicber gum SSorfd^etn 
gefommen ift. äud^ f))äter ging e« il^m nid^t beffer , wie unter 
anbern ba« Seif^)ie( ber CmoU Si^m<)]^onie jeigt, ober bie 
groge aReffe, in wetd^cr unter anberen geintem, weld^e et 

21* 


324 ^et]^ot)en unb bte ^u^akn fcttter SBkttt, 

btlcffic!^ Tugte , bte angäbe be« S^m^po für ba^ Benedictus ganj 
fortgeblieben mar. 

Dbglcid^ alfo aud^ bte i>on Seetl&oDen fclbft beforgten Sin«* 
gaben nt^t fel^lerfrei ftnb, bieten fte bod^^ ein fel^r »id^tige« f)ülf«*' 
mittet bar, ia fie fönnen felbft bem älutogra^))^ nnb ber rö)ibirten 
Slbfd^rift gegenüber bte entfd^etbenbe 3nftanj bitten. !Die« crgiebt 
fld^ fd^on barau« , ba§ bie SRet>ifion ber ßorrectnrbogcn Ja and^ 
immer »ieber eine 9teüifton ber Som^)ofition tt>ar , in ber unter 
Umftänben erft bie fd^Ue^tid^e SRebaction vorgenommen »erben 
lonnte. Sinen mertoürbigen unb in jeber C>infid^t intereffanten 
gatt bietet ba« SSiolinconcert (Op. 61), ©eet^ooen ^at 
baffelbe für ben genialen SJioItnf^jieter Stement gefd^rieben, 
tt)ie aüd^ ber fd^erjl^ofte Sitel be« Slutogra))]^« 

Concerto per clemenza pour Clement primo Violino e 
Direttore al teatro a Vienna dal L. v, Beethoven 1806. 

bäoeidt, unb bicfer ^at e« in feinem SJenefijconcert am 23. ÜDecem* 
ber 1806 juerft gef^^iett. !Cie eigenl^anbige Partitur jeigt nun eine 
brcifad^e Sftebaction ber ©oloftimme: an ber gel^Brigen ©teile in 
ber Partitur ift fie f o nicbergefd^rieben , toie ©eetl^oben fte ur* 
f<>rfinglid^ concipirt l^atte. Öx toar felbft mit ber S^ed^nif ber 
©aiteninftrumente fo »eit vertraut um Slu^füi^rbarfeit unb Sffect 
im (Sinjelnen beurtl^eilen ju ti>ftnen ; toie er nod^ in ben l^tm Se< 
ben^jal^ren beim Sinftubiren feiner Quartette jugegen toar unb, ob* 
gteid^^ ftodtaub, burd^ aufmerffamed 3wfd^auen bielfad^e ®ete* 
genl^eit fanb bie ©^ielenben }u corrigiren unb aufjuftären. Sldein 
ein burd^gebifbeter SSivtuo« ^ot über ba« SSerl^ättnife ber ©d^wierig« 
feiten jur SBirfung , über bie Slnmeubung bcfonberer 3ßitte( für 
einen befonberen ^xotd ein burd^ bieffeitige pxafA\äft Srfal^rung 
gewonnene« , maafegebenbe« Urtl^eil unb , »o e« bie eigenen Set* 
ftungcn gilt , Söebenfen unb SSBünfd^ , bie au« feiner eigent^üm* 
tid^en fünftterifd^en ©teßung ^ert)orgel^en. Offenbar l^at nun 
SBpetl^oDen Da« fertige Soncert bor ber Aufführung einer genauen 
Durd^fld^t unb Söefprcd^ung mit Stement unferjogen , biefer ^t 
il^m feine Slnfid^ten über ba«j[enige, n)a« i^m über^au)>t ober bod^ 


^ctl^oöcn wnb bic Slnögabcn {einer SBerfc, 325 

für fein ®p\d unbanibar erfd^tcn unb ©orfd^ISgc ju ätbänbcrungen 
mttgctl^ettt, unb banac^ tft in einer atgefonberten 3ct(e unter bet 
Partitur. bie ©oloftimnte in neuer Söffung gefd^rieben, ujetd^e 
burtilgel^enb^ bie SRüdfid^t auf ben <>ralttfd^en (Seiger offenbart 
ber bie griS^teu Effecte mit raiJglid^fter ©id^er^eit , atf o mit ber fce* 
quemften, ber Statur be^ Snftrumente« unb ber SSJeife feine« ®^iete 
am meiften angc^^a^ten Xeci^nil ju erreid^en ȟnfd^te. Da^ SSeet* 
]^oi)en ßtement fo ujeit nad^gab, ift ein neuer S^eioei« bafür, ba^ er 
met auf t^n ^iett, unbfo toie e« nun umgefd^rteben tDurbe, mag 
ba« ßoncert »ol^t vorgetragen toorben fein. Site e« aber jur §)er* 
ausgäbe fam , l^at ©eet^oben bod^ ®cbenfen gefül^tt bie dement'* 
fd^en Varianten aüe gutjul^ei^en unb be^l^atb in einer neuen 
3eite obcrl^albber Partitur eine ^>ritte ^Rebaction niebergefd^rie«» 
ben , toeld^e jum J^eit bie urfprüngtid^en Sbeen tt)ieber auf* 
nimmt, jum Jl^eit bie jtoeite Bearbeitung benutjt, bann aber aud^ 
ganj neue älenberungen einfüllt, ^an fönnte nun aüerbing« 
jioeifetl^aft fein, toetd^e SRebaction bie eigenttid^ bered^tigte fei, 
aüein ba bie unter ©eetl^oben« Sluffid^t gebrucEte , i)on il^m fetbft 
conigirte ausgäbe i^orliegt , toetd^e fid^ ber jule^t erioäl^nten ®e* 
ftatong anfd^lie^t , f o bleibt e« nid^t jtoeifetl^aft, ba^ bie« bie bon 
35eet-^oten enbgüttig feftgefteßte gorm fei unb bie anbern ©earbei* 
tungen nur ein l^iftorifd^e« Sntereffe beanf^^rud^en fBnnen. 

' ©etbft 100 ba« fritifd^e SWateriat reid^l^attig borliegt , finben 
ftd^ beffen ungead^tet an einjetnen ©teüen immer noc^ Si^d^d 
unb ©ebenfen , meldte nur an^ inneren ©rünben getö«t njerben 
lönnen unb eine getoiffe ßoniecturalfriti! n&t^ig mad^en* 
2lud^ l^ier tritt ber gaö ein, ba^ gute ßonjecturen burd^ bie §)anb* 
fd^rift beftätigt tt)erben. ®o l^atte ©d^umann (®ef. ©d^r. 
©. 65) barauf aufmerffam gemad^t, ba^ in einer ®teüe ber $afto* 
raI*®^m<jl^onte, toie fie üortag 


326 


^eetl^oteK uitb bie ^itdgaBen feiner Si^erfe. 


Violino I. 


VioUiio IL , 


Viola, 


m 


^ 


-ä-^-^ 


EÄt 


dimin. 


^m 




dimin. 


I*i 


:|tj 


dimin. 


i 


faa^=r:=: 



J » ^ 


^ 


^^U^" 


^ 


!^ 




bad ))töftttd^c 9l6brcd^en fcer etften 3Stoftnc burd^ou« unmotiötrt 
fei unb ba§ fid^ fd^on au6 fcct Statfd^cnftimmc in bcn näd^ft fot* 
gcnben 5Ealtcn ergebe , ba§ bie f^igur in gteid^er Seife burd^ aüe 
!£afte fottjnfül^rcn fei. (Sr etflärtc bad 25erfe]^en eintenci^tettb ba* 
bnrd^ , ba| ber 9l6f(^reiber ba« M^^^ ^^^ SBieberl^oInng ^ für 
eine Zaltpau\t angefe^en l^abe. Die SJergleic^nng bet Driginat* 
^artitur l^at bie^ boüftänbig Beftätigt, nad^ »etd^er biefe ©teüe 
nunmehr fo »iebergegeben ift : 


Violino I. 


Violino n. < 


Vida. 


^^m 


m 



dimin. 



U 


dimin. 


dimin. 


^^ 


^- 


:i^ 


Seet^obeaunb bie ausgaben fetner SSSecte. 


327 


^^m 





rr 


^= 


i£ 


^ 


^^ 


ppt" 


@inc SScrantaffung Soniccturalfrttif ju ü6en ift nantentüd^ fca 
gegeben, »o ©ect]^ot)en in bcm abgefci^loffcncn SBerfe nod^ 3Sctän« 
bcrungcn gcmad^t , bteje jwat in bcn $ain>tftimntcn ober an bct 
§am)tfteüc eingetragen, bann aber, toic e6 fo leidet bei nad^* 
träglid^en 3Serbcffernngen gel^t , überfeinen ^at , ba| bicfc ^anpt* 
üeränbernng not^wenbig nod^ anbere ßorrecturen nad^ [id^ jie^t, 
fcamit äufamntenl^ang unb Uebereinftimmnng aüentl^afben wieber^ 
l^ergefteüt fei. üDie Urfd^rift jeigt bann augenfd^einUd^, wo nad^* 
trägüd^ geänbert nnb tDo ba6 Urf^)rünglidne, ba^ nid^t mel^r ^a^t, 
ftel^en geblieben ift ; fte fann barauf l^inipeifen , voo etma eine jn 
anffäHige Di«cre})a.nj t)on einem unberufenen ßorrector im Drutf 
ungefd^icft befeitigt ift; aüein, »ie Seet-^oüen bie 3Serbefferung 
in aßen Sinjelnl^eiten burd^gefül^rt l^aben »ürbe , bad fann nur 
erratl^en »erben unb ber fritifd^e Herausgeber mu^ bal^er in einem 
f old^en gälte nad^ forgfältiger Srwägung aüer Umftänbe fid^ für 
bad SSBal^rfd^einüd^e cntfd^ciben. 

Sd ift nid^t biefe« Drte« nad^juipcifen unb ju it\pxt(Sfzn, »a« 
burd^ bie neue 9luSgabe für bte einzelnen SBerle burd^ bie jum 
crften 2WaI burd^gefül^rte Iritifd^e SSerwertl^ung beS öorliegenben 
5l^)l|)arat« gewonnen ift ; e« f onnte nur barauf auf ommen Mar ju 
tnad^en, ba| l^ier eine notl^ipenbige unb bebeutenbe 9lufgabc ju 
löfen ift. 35er Srfofg lann nid^t i^eifetl^aft fein, toenn fie mit fo 
ernftem SBiüen, mit fo bebeutenben §fiff«mittcln, mit fo tüd^tigen 
:Sräften angegriffen wirb, tok e« l^ier gefd^iel^t. ©anj o^ne 3Ser* 
bcfferungen toerben fel^r loenige <Stndz geblieben fein, bei fe-^r öie* 
ien, aud^ bebeutenben unb befannten, finb fie jal^Ireid^^ unb toid(^tig. 


328 


Seetl^oöcn ^n't> bic Slußgaben feiner SBcrfe. 


^a^ in biefct ©cjici^ung »id^tig fei , fcarüber »erben aöcrbttifl^ 
bie Slnfid^ten tierf^ieben fein. (Sin falfd^ct äccotb , ben ber SKu* 
fifct ftittf d^weigcnb al^ ein^n I)ru(ff e^ter fcefeitigt, fann bem ©ifet^ 
tanten gtoge ®cru|5cl machen , fo bafe beffen SScrbefferung für il^n 
feine geringe ©etentung l^at; SSortrag^jeid^en, Sogen unb fünfte 
nnb betgl. mögen biefem ate Sfeinigleiten erfd^einen, »al^renb 
Sluffaffung unb SSorttag nici^t feiten boburci^ tt)efent(ici^ bebingt 
n)irb, nnb eine SSerid^tignng biefet 3lrt bem Snnbigen einen übet* 
rafd^enben Sluffd^Iu^ geben fann. ©eetl^Di>cn fd^reibt bei ©efcgen* 
l^eit einer ßoVrectnr: „Q^ ift nid^t gteid^güttig ^ f f unb 

ftel^en mand^mat f^jätet nad^ ben SToten. 


• # # T)i^ 


mit äbfid^t , j. 33. ^ 




3)ie ©inbungen grabe f i> 

»ie fie Jefet ftc^eu ! e^ ift nid^t gleichgültig ob fo — J^-J— ober fo 
~Q=#= ! — 3D?erft« ^\xä> i)on l^öl^eren Ort«. " Um nur ein 

^5 

S3eif^3ief aqufül^ren, fo finb Jebem bie »unberboKen 2lccorbe ber 
^örner gegennjärtig, mit »eld^en ba^ Irio im ©d^erjo ber ßroica 
fd^ttegt. 2Bie biefe ©teße bi«^er überliefert njar 


Oboi. 


3 Corni. 


Violiui. ^ 


Viola. 


Bassi. 


^m 


-pp 




m 
i 


^ 


p 


ö 


i;,;, 


^^m 


m. 


S 


;»;» 


^ — — j. 
pp 


9c(t^»tK unb bit SuSgaben f(inti SBtite. 


321 


B. 


■[» ^ ^ ^ä^ ^ 



I^S^^^g^^S 


^^^^ 


»* ♦»■ v-l-*=-n 


fa ^JT»^ b*' ' ^ ^^ 


I 


^ 
Pi 


Shfci;* • 


eS^fö 


.^ ^K. 


g5^-ii#V-^Ä-^-#^^' 


i-< — i. 


w- 


It :? 


feS 


fe 


B«=ifÖ=5^ iE^zS;:» 




■** ** 


7t=:S=tS 


«•- 


«-- 




;zidEzx 


v i r* - 


B^3 



i 


b* 


e 


■*» — 1«- 


3^^^5^^t^5#i3-^^^J^ 



3a ^n, %uffajje über aWupf. 


21 


330 8eet^oi>m unb bte ^ud^aBen feiner SBecIe. 

tDenbtg , bag bief e k)erf d^tebene 9lccentuatton fd^atf ]^et))ortrete ; in 
anbem f^äUen metben. menigften^ fel^r eigenti^ümlid^e d^atafte^ 
tifttfd^e Süge ind Std^t gefegt« SBenn nun bte neue äluigabe nad^ 
aöen ©eiten l^inSSerbefferungen aufjmDetfen ^at, fo ift fcod^ 
t>ot aücm ba« ein toef entlid^er gottfd^ritt , ba§ fic a u 1 1^ e n t i f (^ 
jinb unb ba| man fid^ auf ben l^icr gegebenen S5eetl^ot>entejt äte 
ouf einen fritifd^ gefid^erten t)er(affen lann. Damit lann natür^ 
lid^ nid^t gefagt fein, ba| nid^t aud^ fo eine etl^ebtid^e ängal^I t)on 
©teßen jurüdgeMieben fei, toetd^e ben mel^r obet weniger bringen^ 
ben aJerbad^t enegen , ba§ fid^ ©d^teib* ober Drucffe^Iet einge« . 
fd^tid^en l^aben. SCttein too ba« frttifd^e SUiatetiat feine §anb^ 
l^abe ju fid^etet ©efferung bot, »at e« ^fltd^t eine« gemiffenl^aften 
^etaudgebet« feine toiüfüttid^e äenberung öorjunel^men , f onbem 
e« bem ßrmeffen bet Sefer unb ®^ie(er ju übettaffen , fid^ betar* 
ttge ©d^toietigfeiten ju töfen. 

S5ei ber 5Watur be« fritifd^en SSerfal^ren« ift e« aber üon 
großem 3ntereffe , baffelbe aud^ beauffid^tigen ju fBnnen ; ed ift 
tpid^tig JU »iffen , »eld^e §)ülf«mittel für Jebe« ©tüdt ju ©ebote 
geftanben l^aben unb toie fie benu^t »orben finb. Um biefem 
©ebürfnife ju genügen, pnb bie SSorberettungen ju frittfd^^en 
©u^^Iementl^cften getroffen, in ip^eld^en genaue 2lu«funft 
fiter aüe einfd^lägigen gragen gegeben »erben »irb. d^ ift forg* 
fältig i)erjeid^net toorben, meldte 2[utogra^)]^e, äbfd^riften, Origi* 
naibrudfe jebe^mal t)orgclegen l^aben ; über i^re Sefd^affcnl^eit unb 
SBebcutung , über ben (S^ebraud^ , »eld^er baöon gcmad^t loorben 
ift , über alte« ma« babei merfttürbig crfd^einen fonnte , ift ba« 
92$t^ige angemerft , einzelne ©teUen , meldte in irgenb einer S3e^ 
jiel^ung fritifd^e« 3ntereffc bieten , finb notirt toorben. Daburd^ 
ift reid^l^altige« äRaterial gefamtttelt, meldte« in ^medtmagiger Sie« 
baction äluffd^Iu^ unb 93ele^rung über aUe t^ragen ber ^ttif ge^ 
ben, bie 8e«arten fidler fteßen fann, oi^ne bod^ burd^ einen SaUaft 
uberflüffiger 93aiHanten }u ermüben nnt ju i^ermirren. 

Die einbringenbe Durd^forfd^ung ber Ueberüeferung ber 
©ectl^open'fd^en SBerfe ^at aud^ für eine anbere toid^tige unb f^tole* 


^eet^o)>en uttb bie ^n^ahm feiner ^erle. 331 

ttge t^tage manntgf ad^e ^(ufQ&tung gebtad^t, für bie Sl^tonolo^ 
gtc bcrfetbcn. ©cfanntüd^ ^at \x6f btc Ocwol^nl^ctt gebitbct, ba^ 
bie Som^oniften i^tc SBerle in bet Steil^enfolge, in mläftt fte bie* 
felben bcm Dtud übergeben, mit einer f orttanfenben O^u«^ 
j a ^ t Derfel^en , »eld^c aber für bie ©eftimmung bcr S^ronologie 
nur einen nnfid^eren unb f(i^n>anlenben ^nl^aU bietet. ADenn felbft 
»enn fte ftreng in Drbnung gcl^alten ift — mad öon ©eetl^oöen 
avL^fy nid^t gut — bejeid^net fie ^Sd^ften« bie SReil^enfptge ber ^u* 
bßcation; »o »erfd^iebene SSerteger gleid^jettig SBerle beffetben 
(SonH)oniften ^nblidren, nid^t einmal tiefe genau. ÜDie 3ßit ber 
aJeröffentUd^ung aber »irb, ba SUiufitalien leine Oal^redjai^t 
tragen , baburd^ aQein aud^ nid^t annäl^emb beftimmt. SBeld^er 
Zeitraum jmifd^en ben einjelnen O^ud liegt , lä^t fid^ nid^t er* 
ratzen ; ob bie ^eraudgabe rafd^ ober langfam, ob ju ))erfd^iebenen 
3eitcn öerfd^ieben erfplgt ift , lann man baraud nid^t erfel^en. 
Unb bod^ ift fd^on bie Seanttoortung bicfer äußeren gragen leine«* 
tocg« ol^ne Sntereffe, benn e« ergiebt fid^ barau«, »eld^e ©teüung 
ker ßöntt)onift jum publicum einnal^m, meldten ©nflu^ feine 
SQSerle unter beftimmten 3^itumftanben gewinnen lonnten unb in 
ker "S^at gctoanncn. SSoöenb« im @tid^ gelaffen' fielet man ftd^ 
bei ber grage nad^ beriSntftel^ungdjeit ber einjelnen SBerfe, 
benn l^ierfür entfd^cibet toeber bie Ö^)U«ja]^l nod^ ba« Sal^r ber 
aSeröffentlid^ung. äufäüigfciten aller ärt fönncn bie SScrSffent^ 
tid^ung einer ßom^)ofition jurüdtl^atten ober bef d^leunigen ; oft 
bleiben gro^e unb bebeutenbe Slrbeiten länger liegen, toSl^renb 
Heinere raf d^ gebrudft »erben , mitunter »erben Dergeff enc ßom* 
<)ofitionen f^ät nod^ toicber l^eri)orgeiogen , ju ^txitn toirb frifd^* 
toeg gebrudb , »ad nur fertig »erben »iU. Sllle f old^e Umft&nbe 
l^aben aud^ bei Seetl^oi^en i^ren (Sinflu^ geübt. ®o finb bie im 
Sal^r 1789 gefd^riebenen ^rälubien atö Op. 39 gcbnidtt; gieber, 
»etd^e in Sonn com))ontrt »aren, ald Op. 52; ba« Dctett für 
Sladinftrumente , »a^rfd^einlid^ ebenfatld aud ber Sonner 3^it, 
erfd^ien afö Op. 103, nad^bem bad nad^ bemfelben anangtrte 
Öuiutett läugft ate Op. 4 gebrutft »ar ; ba« ©ejrtett für ©lad* 


332 9eet(>o)»cn itnb bie fbtegaben feiner Serft. 

infttttmente , nad^ ^t^tiUxs» eigener Sngabe in fräßet B^it lutb 
nod^ baju tu einer 5Äad^t gcfci^ticben , erf eisten atö Op. 71 ; bie 
1796 com)>onitte %rte Ah perfido atö Op. 65, bad £et)ett ))om 
3a^t 1801 Tremate ate Op. 116. 5Dte3cit ber (Sntftel^ung unb 
SSetöffenttid^nng ber cinjelnen ffierfe ju ermittetn ift ba^er oft eine 
fd^iDterigc Slufgabe. 23ei ber bitifd^en 9iet>ifion berfelbcn mu^te 
natürUd^ anc^ biefe Srage in« äuge gefaxt n>erben , nnb ed mar 
fe^r mäufd^endmertl^ , ba^ bie neue Sudgabe aud^ hierüber fou>eit 
mögtid^ fidlere Sludfunft ertl^eile. 

Seetl^o^en l^atte bie ©emo^nl^eit, ))ou ber er aber leiber aud^ 
t>iete Sludnal^meu mad^te , auf feinen dietnft^riften bie 3eit ju be« 
merlen, mann er biefelben nieberfd^rieb, mitunter in fel^r genauen 
eingaben, me er }• 93. ju Slnfang bed ß(a))iertriod in Bdur 
(Op. 97) bemerlte ^ant 3. ÜÄarj 1811 \ ym ©d^lu^ »rgeenbigt 
am 26. mcci 18tl\ 3n nid^t menigen gätten l^at mithin bie 
Sinfid^t bed ^utogra^l^d ober aud^ einer mit ol^nUd^en Semerlun*> 
gen ))on iBeetl^oi^en audgeftatteten So^ie juDerläffige Sudtunft 
aber bie Sntftel^ungdjeit gebrad^t; allein nid^t alle Urfd^riften 
tragen fold^e %oti}en , unb l^äufig finb feine Urfd^riften t^orl^an» 
ben. 3nbeffetr lä|t fid^ bod^ in mand^en SäQen burd^ 93enu^ung 
anberer ^ülfdmittel unb Angaben auf combinatorifd^em 2Bege bie 
Sntftel^ungdieit ftd^er ober ^öd^ft mal^rfd^einlid^ ermitteln, ober 
bod^ in engere ©ränjen einfd^lie^en unb ungefäl^r beftimmen. 3)ad 
mid^tigfte ^ülfdmittel bafür finb iBeet^oDend ©lijjen« 
büd^er. (Sr pflegte auf {ufammengel^eftete flotter nid^t allein 
(Sinf alle unb ©ebanlen , loie fie il^m in ben ©imt !amen , ju no^ 
tiren, fonbem bie einselnen 3Rotit)e, "^affagen, Senbungen berie« 
nigen Som^ofitionen, bie ii^n gerabe befd^äftigten, mit unermüb« 
lid^m $$lei^ im Sinjelnen burd^}uarbeiten unb umsubilben , unb 
ba er in ber 9iegel mit mel^reren Serien ju gleid^er 3^it befd^aftigt 
mar , fo laufen bie immer mieberl^olten ^erfud^e ber i>erfd^iebenen 
£om))ofitionen fortmäi^renb burd^inanber unb nebeneiuanber ^er. 
^eetl^o^en legte auf biefe ©Kjjen offenbar felbft Sertl^ , er be« 
murrte fie auf unb liet fie inni^rer urf^ränglid^en Drbnung }U» 


^eetl^oioeu unb bte 9[u9gaBen fetner fß^tttt, 333 

famntcnWnbcn. (5tn fold^c^ ©fijjcnbud^ getoäl^tt mttl^m ntd^t 
aüein ba^ td&cnbtgc Söttb feinet Sltbcitcn« , fonbcm btc unmtttet* 
iaxt Jitttibc bcffcn , toa« il^n gtcid^jcttig bcfci^fttgtc ; »erm c^ gc* 
Ungt für einige ber fftaitteti Som^ofitionen anberoeitig bie 3eit 
ju bcftimmen , ober »enn anbete betCäufige 9lotijen auf eine be* 
ftinmrte ^txt ^intpeifen — unb in bct Sieget fcl^Ct e^ an fotd^en 
SWetlmalen nid^t ganj — f o toitb e^ nun aud^ mögttd^ , bie ^tit 
ber übrigen ©om^ofitionen mit jiemtid^er ©eftimmtl^eit feftjnftef« 
ten. ®Sre man jur reci^tcn ^txt bebad^t gewefen biefe ©figen* 
büd^ in mSglid^fter SSoOftänbigfeit juf ammenjul^alten, f o tofirbe ein 
unfd^afebare^ SÄaterial jur Äenntnig ber ©efd^id^te unb ber ^nft 
be« großen SWeifter« erl^alten gebtieben fein ; ie^t finb fie jerftreut, 
jum 2^eil btatüüei« üerjettelt, unb nur mit äRttl^e unb burd^ gute^ 
®iüd erlangt ber gorfd^ bie einsetnen S^rümmer jur Senutäung. 
®n ungemein intereffante« unb tel^rreid^e« ©eif^jiet , toa^ burd^ 
umfid^tige gorfd^ung auf biefem ©ege ju erreid^en fei ^at ® . 91 o t * 
tebol^m burd^ bie forgfattige ÄnaCi^fe eine« im Sefitä t>on 3. 
S. Äe^ler beftnbtid^en ©Kjjenbud^« gejeigt, »etd^e einen (Sin* 
bticf in bie ffiertftatt be« arbeitcnben Äunftfer« getoä^rt unb eine 
SReil^e d^onologifd^er Seftimmungen geliefert f)at *. 

gür bie ©eftimmung ber (Sntftel^ungdäeit ift unter Umftänben 
t>ott entfd^eibenbcr ©ebeutung bie 3^^^ ber erften 9lupl^rung. 
SWand^e Som(f>ofttionen finb für ganj beftimmte SSerantaffungen 
gefd^ricben, mand^e Soncerte erl^ieften il^re 5lnjie]^ung«Iraft burd^ 
äuffül^rung neuer (5om^)ofitionen , mand^e Sßerfe finb t>on ber 
Urt, ba§ fie gleid^ nad^ i^rer SSoöenbung in« publicum gelangen 
mußten. Die S^tit ber 35erantaffung unb erften äluffül^rung tä§t 
atfo aud^ auf bie 3«t ber Sntftel^ung fd^tie^en, toiewol^t bei Som* 
binationen ber Art immer groge SSorfid^t ju beobad^ten ift. ®o 
»urbe j. SB. Sotlin« Soriotan am 24. 9ioi>cmber 1802 ju* 
erft aufgefül^rt , ©eetl^oijen« Dm?erture aber erft für eine f^atere 


1) (Sin ©fijjcnbut^ i)on ©cctl^oöcn. . 53cfd^ricbcn unb bargcftellt Don 
(Bn^at> 9lctttU\fm. Set^atg (1865). 


334 ^etl^otoen unb bie "än^^ahtn feiner Serie. 

ättpi^ng tmSol^t 1807 gcfti^ricbcn. gür bteffiattationcn 
übet beliebte D^emtl^ema« , beten Sbtttffoun in bet etften 3rit 
feine« ®ienet Slufentl^alW fo üiele fd^tieb, ift in bet »egel bie 3eit 
ntaa^gebenb , tpann iene O^etn in Sien anf bie Sü^ne lamen 
unb ein oft nut momentane« Snteteffe ettegten. Snblid^ — um 
t)on ben älnl^alt^^unften abjufel^en, toeCd^e {ufSdige Sttoäl^nungen 
in ©tiefen unb littetatifti^en $ütf«mitteln ijettoqnbtet ätt an bie 
$anb geben — finb bie angaben übet bie ^ubticationdjeit, ba too 
fie feinen beftimmteten äuffd^tufe geben, toenigften« infofetn m^^ 
tig, ate fie iebenfaltö ben ä^itt^unft fijciten , untet »eld^n man 
nid^t l^inabgel^en batf , toa« namentüd^ füt bie SBetle bet ftül^eften 
3eit fd^on bon SBid^ttgleit fein lann. ©idffete angaben biefet ätt 
jtnb nut btttd^ mül^eijoüe 35etaitfotfd^nng au« S^^eatet* unb Son* 
cettjettetn , an^ Slnlünbigungen unb änjcigen in 3^itangen unb 
3outnaIen, fibetl^au^t au« ben SBinletn unb Äel^tid^tl^aufen 
bet Sittetatut infammenjubtingen , unb um fid^ete SRcfuttate 
ju getoinnen bebatf e« gto^et SSotfid^t unb ©enauigleit. Sßa« 
auf biefem SSäege füt bie S^tonclogie bet Seetl^oi^en'fd^en SBetle 
ju etiieten ift, ^t Sllef anbet Sl^a^et, »eld^et fid^ ber 
juöettäffigen unb tüd^atttofen Stmittetung bet SBal^tl^eit mit 
bem ed^ten unb nad^l^altigen @ntl^ufia«mu« unetmübtid^ fotfd^en^ 
bet Sltbeit l^ingegeben unb aud^ auf biefem ®ebict betounbetn«*» 
toütbige ©tubien gemad^t l^at, in feinem d^tonologifd^en 
aSetjeid^niß bet SBetle 8. t)an ©eetl^oöen« (Setfin 
1865) mitget^eiü. 

^te neue Su«gabe mu^te fid^ bet ^tje mie bet jSonfequenj 
megen junäd^ft batauf befd^tanlen, bie butd^ ))ofitiüe eingaben 
aut^entifd^et Documente unjtoeifeC^aft übetliefetten d^tonotogifd^en 
!Data mit bet Uebetfd^tift be« STitel« mitjut^cifen- SBo bie !Dati' 
tung etft butd^ Kombination ju geioinnen ift , alf o auf ©tünben 
betui^t, bie nid^t ol^ne weitete« ju etfennen unb ju ^)tfifen , mög* 
lid^ettoeife aud^ jtoeifeD^aft unb ittig finb, mußten fie au«gefd^Ioffen 
bleiben. SBa« fid^ abet mit einiget ©id^et^eit etmitteln tä^t, 
lann mit einet futjen SSegtünbung einen ^)affenben $ta§ in ben 


$eetl^ot>en unb bie ^u9gaben feiner Serie. 33ö 

. Irttif d^cn ®vipplzmtnt^t^ttn finbcn, btc anö) für mauci^c 
anbete ^iftorifc^e unb Hbttogra^j^ifc^e 5Rottjen bcn angemcffenen 
9iaum getpä^ren »erben , j. 35. bie genaue SUittt^cUung bet ZM 
unb ÜDebtcattonen. @d tann fd^einen, ate ob ed am einfad^ften ge« 
tpef en fei bie ZM unb !Debicationen ber einietncn SBetf e , tote fic 
urf^)tüngtici^ gebrudt maten , t)ot iebem ju »ieberl^olen. Slüciu 
bei einet großen ©antmlung »erlangt bie SRaumetf^jatniß unb be* 
fpnbet^ bie mit Sonfequenj burd^jufül^renbe ©leid^fötmigfeit feine 
getinge 9iücffi(!^t. SBenn gleid^ manci^e 3:ite( ©eet^oben'fd^ct 
ßom^)ofttionen offenbat »on il^m fetbft abgefaßt finb unb aud^ im 
äuÄtud etwa« ßl^ataftetiftifd^e« ^aben, ba« nid^t »ettoifd^t toetben 
batf , fo ift bod^ bie »eit übcttoiegenbe SWel^tjal^l nad^ bet jebe«»» 
mal üblid^en ©d^ablone gemad^t, toeitfd^weifig j. Sd. mit auf* 
jä^Iung oüet einjetnen 3nfttumente, füt meldte ein ©tüdf gefd^tie* 
ben ift, in öetfd^iiebenen ©^Jtad^cn, fo baß bie SBiebet^otung bet» 
f etben in einet langen golge gtoße Unjuttägtid^feiten l^aben loütbe.. 
@d ift be^l^atb in übeteinftimmenbet SBeife iebem <3>tixä eine 
Uebetfd^tift gegeben , toetd^e ben Siitel feinem toefentlid^ieh Snl^att 
nad^, bie angäbe bet üDebication unb bie D^)u6jal^I entl^ätt. Die 
bibtiogta^j^ifd^ genaue SWittl^cilung bet Jitel «nb ÜDebicationen, 
too fie Don itgenbtoeld^em Snteteffe fein lann, toitb beffet ben 
ftitifd^en ®u^)^)Iement]^eften botbel^atten , xoo fid^ benn aud^ am 
^jaffenbften mand^ettei bal^in gel^ötige Slotijen anf daließen. Dal^in 
ge^ött bie üßitti^eitung »on Jitetn, toetd^e fid^ in ©eet^oben« 
^anbfc^tiften finben, abet im ÜDtudt geänbett toutben, »ie beten 
fd^on angefü^tt finb. ®o f)attt et bem l^ettßd^en Quattett 
in FmoU (Op. 95) ben Xitet Quartette serioso, bet ©onate 
füt Ätamet unb Sßiotoncetio (Op. 102) bie SSejeid^nung „Steige 
® onate" gegeben; ba« Dctett füt iBta«infttumente (Op. 103) 
fül^tte ben füt feine Sntfte^ung6jeit bejeid^nenbenJitet Partie dans 
un concert. %viä) mand^e S5etänbetungen , »eld^e et mit J)ebi* . 
cationen üotnal^m, »etbienen tool^t bemetft ju toetben. • Die etfte 
ajieffe in C dur (Op.86) »at bem gütften 5RicoU« eftet* 
^ a j ij getoibmet , bei bem fie juetft aufgefül^tt »utbe — bie 5lb* 


366 ^eetlj^oioen unb bie ^(udgabett fetner ^ttt. 

fd^rift mit SdetfSfoun^ Dcbtcation bcfinbet fid^ im %x6fio öon . 
(gifcnftabt — ; ba er aber butci^ btc lullte äufnal^mc, mläft fie beim 
Surften f anb , t>erftimmt »urbc , »ibmcte er ftc , ate fie gebruflt 
»arb, bcm t^rftcn ftin^Ii^. Da« anmut^tge Stonbo in G dur 
(Op. 51, 2) toar ber ®räftn ®iu(ietta (Suicciarbi gewtb* 
met, )DeI(i^e auf biefe SBtbmung nad^ S9eet^ot>en« SBunfd^ ju @un« 
ftcn ber (Sräfln f)cnriette 8id^np»«f ^ loeriid^tete ; jmn Sr^ 
fa^ »ibmete er i^r barauf bie Cis moU ©onate (Op. 27, 2). 
9Ran mei^ , meldte Sebeutung @onate unb SBibmung belommeri 
l^ben, fcitbem c« bdannt gtoorben ift , ba« ©eet^oöcn mit ®iu* 
üetta ®uicciarbi burd^ bte inntgfte Steigung k)er6unben tt>ar , unb 
nun i)ergteid^e man mit ber ®onatc jene« Stonbo. 

Unt)ermerft finb »ir auf bie mel^r äufeerUd^en fragen ber 
f)erftettung gefül^rt tporben. Da« erfte Srforbemife jeber guten 
Slu«gabe ift natürtid^ ßorrect^eit, bamit bie burd^ f orgfättige 
Sritif gewonnenen SRcfuttate aud^ treu unb juDertäffig überliefert 
»erben. <S« i)erfte]^t fid^ üon felbft, ba^ bie äugerfte ©orgfatt an«^ 
gett)cnbef ift, um eine fotd^e ßonectl^it ju erjietcn. ©anj frei Don 
Sel^Iern l^at freißd^ nod^ nie ein SBcrf bie treffe bertaffen ; aud^ 
tt>o bie raffinirtefte^orgfatt bei ber Sorrectur angeroanbt »ar, l^at 
man nad^l^er DrudEfel^ter gefunben. ÜDie eigent^ümlid^e Sinrid^^ 
tung bc« SDlufifl^anbel« , ba§ bie geftod^enen ^(atten aufbetoal^rt 
unb bie Sluflagen nid^t größer a(« unmittelbar ndt^ig gemad^t toer^ 
ben, to^t aud^ eine nad^trägüd^e 35erbeffcrung t>on ©tid^fel^tem ju, 
unb ba« mufitatifd^e publicum fann fid^ burd^ Slnjeige ber beim 
®ebraud^ ettoa bemerlten Sel^ter ba« SScrbienft ertt)erben , ju einer 
mit jeber Auflage june^menbcn Sorrectl^eit, jeber an feinem "S^ziU 
beijutragcn. 

Die 3lu«ftattung ift ganj borjügßd^ unb »irb aud^ k)er* 
»Sl^nten 5lnf^)rüd^n mei^r al« ®enügc t^un. äüer 8uju«, ber be* 
fouber« auf eine unt>er]^altni§mä^ige Raum* unb 'Sßa^)ieröerfd^n)en* 
bung ben 3lnf<)rud^ einer ^ad^tau«gabc grunbet , ift l^ier x»edt* 
mäfig Dermieben, loo e« auf bte mSgtid^fte Verbreitung in weiten 
Äreifen anfam. Da« gormat ift ba« jefet getoBl^ntid^e §od^fotio. 


©eet^otocn unb bic HuSgoben feiner Sßerfe. 337 

bequem für bte 5Roten^uIte unb aud^ junt Sefen nid^t ju f(i^toerf&t^ 
ßjj , ba« ^a^ter fd^Bn unb »eife , bie 5Roten beutüd^ unb gefaütg, 
,bie für beu ®^)ietet bcftimmten' fel^v Iräfttg unb in bte äugen 
fattenb , in ben Partituren , fotoeit fie auf^ ^efen bered^net pnb, 
natürüd^ Heiner, aber aud^ l^ier bequem unb überfid^tüd^. üDie ©n* 
tl^eüung unb ©nrid^tung be^ ©tid^d ift burd^gel^enbd fo, ba^ man 
ben ©nbrudC einer anftänbigen unb »ol^ttl^uenben Siberaütat 
erhält, ipäl^renb bod^ ber SRaum gefd^idtt unb f^)arfam ju Statine 
gel^atten ift. ©aju ift ber ^rei^ be6 Sogen«, ber bei biefer SBeife 
be« Drudt« mel^r ate getpS^nlid^ entl^ält, ungefäl^r aitf bie §)ätfte 
ber üblid^en greife ermäßigt. 

2Ber fid^ an einer bänbereid^en ©ammelau^gabe betl^eiligt, 
l^at fid^ barauf gefaxt ju l^alten , ba§ eine beträd^ttid^e SReil^e Den 
Salären t)erge]^t, bi« er biefelbe t)oöftänbig Dor fid^ fielet, unb mu^ 
fid^ getröften, ba| er, ipenn er bie SßoKenbung nid^t erleben fottte, 
bod^ in einem bie fommenbe ©eneration erfrcuenben äBerle ba6 
©einige beigetragen l^at. SBenn fotd^en, in ber ©ad^e Döttig 
begrünbeten Srfal^rungen gegenüber in bem ^rof^)ectu« bic SSoöen- 
bung ber S3eet]^oöen^3lu6gabe in brei, l^iJd^ften« öier Salären in 
fidlere Sluftfid^t gefteüt tt)urbe, fo mag äRand^er biefe« S5er^ 
f^)red^en mit einigem SWi^trauen aufgenommen l^aben. Slöein 
burd^ eine energifd^? Slnmenbimg bebeutenber §ülf «mittel , burd^ 
ba« gtüdtfid^e 3wfammetjtt)irlen eifriger Herausgeber mit |ütf«be« 
reiten ©enoffen ift e« in ber S^^at gelungen Dor bem gefegten 3ier^ 
min ein Unternel^men ju Dottenben, ba« fomol^I burd^ bie ®r5|e 
unb ©ebeutung, tt)eld^e il^m an fid^ jufommt, al« burd^ ben ©inn 
unb bie traft, toomit e« vorbereitet unb au^gefül^rt loorben ift, 
5lnf^)rud^ l^at für ein nationale« ju gelten, ba« al« ein fd^Bne« 
iDenhuat baftel^en »irb , bem SWeifter jur Sl^re , ber gro^e SSJerle 
fd^uf, unb bem ©efd^Ied^t, ba« il^n »erftanb unb bett)unberte. 





3 6105 042 492 319 


: 


\ 


R ET U RR 

T 
203 


i 




^^h