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2.2
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Cäſar Flaiſchlen
Geſammelte Dichtungen
Zweiter Band
Deutſche Derlags-Anftalt
Stuttgart und Berlin
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2 Caſar Flaiſchlen
* Aus den > RT
Lehr⸗ und Wander⸗
fahren des Lebens
® 8 Gedichte, Brief- und Tage⸗
GE buchblätter in Verſen
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E Deeutſche Derlags-Anftalt
Stuttgart und Berlin
'
Lehr⸗ und Wanderfahre des Lebens Nee
Vorbemerkung
Diefe „Lehr⸗ und Wanderjahre” bilden eine Art Er⸗
gänzung zu den zwei Jahre früher erſchienenen Proſagedichten
„Von Alltag und Sonne“ und enthalten eine Sammlung
von Gedichten aus den Jahren 1884 bis 1899.
Freunde ſagten mir, es habe etwas Bedenkliches, in einer
Zeit ſo ſchneller Entwicklungen und ſo reicher lyriſcher Ernte
Gedichte zum Druck zu bringen, deren Entſtehung zehn und
fünfzehn Jahre zurück liegt.
Ich gebe das gerne zu. Ich habe ſelbſtverſtändlich jedoch
nur Gedichte aufgenommen, denen dieſe Wartezeit meiner
Meinung nach nichts angehabt hat. Abgeſehen davon aber
war und iſt es mir nicht darum zu tun, einen Band zu ver⸗
öffentlichen, der ſich von dieſer oder jener augenblicklichen
Richtung tragen laſſen will.
All die Is men, für die fo leidenſchaftlich gekämpft wurde,
als ob es Wefensgrundfäge wären, blieben bei Licht beſehen
ganz in äußerlichen techniſchen Fragen ſtecken. Der wirklich
Schaffende ſchafft nur ſich, und jeder Ismus darf und wird
ihm lediglich Mittel ſein und nicht Zielſatz. Die ewige große
Verwechſlung! Man poſaunt ein einzelnes Kunſtmittel zum
Kunſtziel empor und ſtreitet um den Kerl auf der Bühne,
und das Weſentliche iſt doch der hinter der Bühne. N
Es war mir nur darum zu tun, was mir geglückt ſchien,
0 g
VI DD dee dee Lehr- und Wanderſahre
zu einem Bande zu vereinigen unter dem Geſichtspunkt der
Lebens entwicklung, die ſich aus den Gedichten ſelbſt ergibt.
Ich möchte daher auch, daß das Buch, wenigſtens von denen,
die mir näher ſtehen, in dieſem Sinn genommen würde: als
ein Ganzes und im Zuſammenhang auch mit meinen andern
Dichtungen.
Es enthält die Auf⸗ und Ab⸗Stimmungen, die in dieſer
oder jener Weiſe ſchlechterdings jeder einmal lebt, da ſeder
einmal 20 Jahre iſt und dann 25 und 30 und 35 wird. Denn
unſere Lebensgänge find nicht fo verſchieden, als ihre äußere
Verſchledenheit ſcheinbar dartut. Die Seele lebt im letzten
Grunde immer und in jedem das gleiche Leben, nur die Ge⸗
ſichter ſind verſchieden und die Hüte, die man trägt.
Die Innenwelt kämpft überall den gleichen Kampf und
freut ſich überall der gleichen Freude.
So verftanden objektiviert ſich auch das Indivlduellſte
und Perſönlichſte zum Allgemeinen und Typiſchen.
Der Schaffende kann nur ſich ſelbſt geben, wenn er ſich
nicht damit genügen will, bloß Außenbilder zu zeichnen. Er
begreift nur aus ſich heraus, nicht in ſich hinein.
In dieſer Richtung liegen zugleich die beiden großen
Grundgebiete alles dichteriſchen Schaffens.
Das eine baut auf dem Leben der Innenwelt auf, das
ſich nach außen hin zu vollbringen und aus zugeſtalten fucht
und dabei zu ſtetem Kampf gezwungen iſt, das andere auf
der wirklich errungenen oder nur bel Seite geſchobenen Uber⸗
windung dieſes Gegenſatzes.
Was uns not tut, iſt eine Kunſt mit den Zielen der Kunſt
Goethes und der Kunſt Schillers: die Kunſt einer beſtimmten,
feften Weltanſchauung, nicht die irgend eines Ismus.
.
Es gilt für das Leben zu ſchaffen, nicht für techniſche Sell⸗
tänzereien! Freilich ohne darin ſtecken zu bleiben. Aus ihm
heraus und darüber hinaus . ſowohl über Grau als über
Blau. Wir brauchen eine Kunſt, die lebbar iſt, die mit hilft,
aus dem Kampf, in dem wir alle liegen, hinaus zufinden, und
die uns vorbildlich vorangeht. Mit Genrebildchen und An⸗
ſichts poſtkarten, mit Anekdoten und Novellchen iſt nichts getan.
Unſere Dichtung ich bekenne mich herzlich gerne zu dem
verrufenen „Soll!“ — muß allmählich wieder moraliſch“
werden, im Sinne Schillers. Alle große Kunſt war es, und
ganz implicite.
Und noch eines:
Das alte ſchõne Wort ‚Dichter‘, das man in Kinderjahren
mit der höchſten Weihe umgibt, kommt immer mehr außer
Kurs und verliert immer mehr ſeine alle Gipfel umfaſſende
Bedeutung, da ſich unſere beſten Könner bewußt oder un⸗
bewußt immer ausſchließlicher auf irgend ein Sondergebiet
zurückziehen. a
Nach außen hin leiſtet dies einer längſt zu Torheit ge⸗
wordenen Aſthetik Vorſchub, die eine Scheidung zwiſchen
dramatiſchem, epiſchem und lyriſchem Schaffen feſtlegte und
jedes Gebiet für eine beſondere Begabung abgrenzte.
Ich meine, wer was kann, kann nicht bloß als Lyriker,
kann auch als Epiker und als Dramatiker etwas, wenn er
wirklich will, und das heißt: wenn er ſich auf ſeinen Stuhl
ſetzt und nicht etwa denkt, den Seinen gäbe es der Herr im
Schlaf, und Talent und Genie fei etwas, wofür man ſelber
eigentlich nichts könne. Denn es gibt keine Weſensunter⸗
ſchiede zwiſchen dramatiſchem, novelliſtiſchem oder lyriſchem
Schaffen.
VM eee ee Lehr- und Wanderjahre
Entweder es iſt Einer Dichter und dann kann er, wenn
er nicht vor erlernbaren kleinen techniſchen Griffen zurück⸗
ſchreckt, ebenſo gut mit Pinſel als mit Stichel oder Feder bis
zu der Höhe, bis zu der er überhaupt kann, oder er kann über⸗
haupt nicht zu einer Höhe.
Wendet man ein, daß dies alles vielleicht mehr Charakter⸗
als Kunſtſache ſei — gut! Dann aber fehlt es eben an
Charakteren. Virtuoſen können fie nicht erſetzen.
Es wäre mir daher eine Art Genugtuung, wenn dleſes
Bändchen Gedichte allen, die mich unter die Lyriker einreihen,
den Beweis gäbe, daß ich es in ihrem Sinne weder war
noch bin.
Auf Mönchgut Cäſar Flaiſchlen.
September 1899.
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Zlaiſchlen, Lehr⸗ und Wanderfahre 1
Brücke
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32
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Brief⸗ und Tagebuchblätter
Laß drohn, was will!
Si doch den Wetterſturm am Himmel!
ſieh doch die Wolken um die Höpn!“
Ich aber fag: das geht vorüber
und auf den Abend wird es ſchön!
Gebt mich nur frei und laßt mich's wagen,
ein bißchen auch mir ſelbſt zu traun!
Was frommt es denn, altjungfer⸗ängſtlich
nach jedem Nebel aus zuſchaun!?
Nur frei fein muß ich! frei und. . ehe
der Zorn zum Sieg in mir erlahmt
und was ich Großes möchte, elend
in Alltagströdel ſich verkramt!
DIDI DOIDCHDTHDT) Lehr: und Wanderjahre
Noch trägt zu ſtolzbekränzten Zielen
ein jauchzend Hoffen mich empor
und bis zu Ende ſei gehalten,
was meiner Jugend ich beſchwor!
Und grollten rings auch tauſend Wetter
und droht es noch fo von den Höhn.
laß drohn, was will! es geht vorüber
und auf den Abend wird es ſchön!
.
Kopf hoch!
ell dir ein goldener Traum zerronnen,
was haft du drum für herbe Qual?!
es iſt doch nicht das erſte Mal,
daß dich enttäuſcht, was du begonnen!
Den Kopf hoch! auf! wozu verzagen
kleingläubig gleich und hoffnungslos?!
dein Mut ſchien doch ſo rieſengroß,
das Letzte ſelber kühn zu wagen!
Auf drum und weiter! ohne Bangen!
und wenn's dir noch ſoviel entlaubt!
Wer will und an ſein Können glaubt,
wird immer an ſein Ziel gelangen!
— 5 —
EDONDOHDCIDIDOADT) Lehr: und Wanderjahre
III
Einem Freunde
oviel auch Stürme dir's zerſplittern,
hoch halte, freudig, ohne Zittern,
das ſtolze Banner deiner Kunſt
und fordere furchtlos ohne Wanken
kampffroh dein Schickſal in die Schranken,
ein Feigling nur erbuhlt ſich Gunſt.
Wohl mag's ja ſchön ſein: ohne Grämen
das Leben, wie ſich's gibt, zu nehmen,
raſch zu genießen, eh's verrinnt,
und ſeelenruhig abzuwarten,
ob Glück, ob Unglück miſcht die Karten,
ob man verliert, ob man gewinnt!
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Dr 9
Doch größer ift: ſich aufzuraffen
und ſelber ſein Geſchick zu ſchaffen
mit kampf⸗ und trotzgemuter Kraft
und ſich mit ungebrochenen Schwingen
den Niederungen zu entringen
und ihres Werktags dumpfer Haft.
Und iſt auch mancher Flug vergebens,
du doch biſt Herr dann deines Lebens
und nicht ein wetterlauniſch Glück,
du in den Händen hältſt die Zügel
und gibſt ihm Unterſchrift und Siegel,
und nicht ein zufallblind Geſchick.
Und nennen Spötter drob dich Schwärmer,
was liegt daran! fie find doch ärmer
als du, trotz Geld und Gold und Glanz,
und ob ſie alles ſich erfüllen,
es wird ſich ihnen nie enthüllen,
wie ſchön ein ſelbſterrungener Kranz.
Sie fühlen nie, durch Ebnen ſchreitend,
im großen Troß ihr Leben reitend,
wie froh ſich's raſtet im Gebirg,
der Sonne nahe und tief unten
10 Tr) Lehr: und Wanderfahre
zurückgekämpft und überwunden
des Alltags dunſtiger Bezirk.
Nicht blöder Diener blöder Götzen
ſei ſtolz, Freund, und zertritt die Fetzen,
mit denen Leere ſich verſchönt!
Und ſollteſt du im Kampf erliegen,
was du gewollt, wird dennoch ſiegen
Unſterblichkeit iſt's, die dich krönt.
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Fr 11
IV
Zu einem Strauße
Spätſommerroſen
ürnet mir nicht, daß kaum erft erſchloſſen
ich euch ſchon pflücke, zu ernſtem Scherz
Grüßt eure Schweſter mir, duftende Rofen,
eure Schweſter vom frühen März!
Leiſe ſchon zittert 's wie Herbſt durch die Lüfte
euer Blühen, wie lang wohl noch währt's?!
Grüßt eure Schweſter mir, duftende Roſen,
eure Schweſter vom frühen März
Statt in Herbſtnächten einſam zu welken
ſtürbt ihr nicht lieber verglühend am Herz
eurer Schweſter, duftende Rofen,
eurer Schweſter vom frühen März!?
—
N
12 ONDIADIDIDIDT) Lehr- und Wanderjahre
V
We du ein Engel ſein,
der mich begleitet?
mein Unſtern oder, der
mich irreleitet?
Mein Glück? mein Unglück? o!
mein Fluch? mein Segen?
ein dunkles Müſſen treibt
mich dir entgegen!
Ich fühl, mein Leben liegt
in deinen Händen.
wirſt du zu Freude mir,
zu Qual es wenden?!
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Au luca,
7
5
Werren
*
2 ä Uber die Brücke = eee eee eee eee eee 13
VI
er trübe, graue Himmel klärte ſich,
der dumpfe Nebel aus den Gärten wich,
es knoſpete und keimte allenthalben,
ſchon ſtand es rings voll Primeln im Geheg,
= Frühveilchen dufteten am Wieſenweg
und alles zwitſcherte von Schwalben.
Und: Frühling! Frühling! klang's im Widerhall
von tauſend Liedern überall
da plötzlich wieder kalte Schauer,
und was noch kaum erſt lenzfroh aufgeſproßt
verwelkte in dem rauhen Froſt
und ſank zurück in ſtumme Trauer.
Nach wenig Tagen ſchon zerrann der Schnee
und blitzend klomm die Sonne in die Höh,
daß alles jubelnd ihr entgegenglühte,
maiwonnig ſchön verfloß März und April
und Sommer ward's, und dennoch heimlich ſtill
klagt's dann und wann
in Wies und Tann
um jene erſte frühe Blüte.
14 Ded Lehr- und Wanderjahre
VII
95 Geduld nur!“
tröſtet ihr freundlich,
„Wolken ſind Wolken
und gehen vorüber!
und nur ein Weilchen
bleibt es ſo grau!
Habe Geduld nur!
die Nebel verziehen
und alles ſtrahlt wieder
im goldenen Blau!“
Ja: Wolken ſind Wolken
und gehen vorüber!
aber inzwiſchen
welken die Blumen,
wandern die Vögel
und färbt ſich das Laub
und Frohſinn und Jugend
und Glauben um Glauben
Uber die Brücke D Deni;
fallt müde
dem ewigen
Warten zu Raub!
Und verzogen die Wolken
Was frommt, ſagt, die Sonne
verwelkenden Fluren?
was ſterbenden Wäldern
der maiſchönſte Glanz?!
und was einem trübe
verwarteten Herzen
mitleidiger Liebe
verſpäteter Kranz?!
—
ee
a 8 er 2
16 DIDI ID) Lehr- und Wanderjahre
VIII
8 war einmal. im Monat Mai
kaum erft ein Jahr iſt's her..
denk ich an jenen Mai zurück,
wird mir ums Herz fo ſchwer
In weißen Rofen ftand die Welt
und Glocken klangen durch die Luft
und ſchauernd ſtumm vor Glück und Luſt
durchſchritten Hand in Hand zwei Kinder
das blütentraumverſunkene Tal
„5 „4 „ „46
Es war einmal.
es war einmal!
Denk ich an jenen Mai zurück.
verwelkte Rofen, verwelktes Glück!
Ober die Brüde SAD HSID DCHDI IDOL 11
IX
Von einem Königskinde.
wende ab dein Auge,
blick nicht ſo freundlich mich an,
ich kann ja nichts als bitten:
Verzeih, was ich dir getan
Ein Röslein blüht im Garten,
liebkoſt vom wandernden Wind.
; Ich bin nur ein armer Geſelle,
und du biſt ein Königskind!
Ich wollte nur dich tröſten,
hätt nie dich zu lieben gewagt!
und daß ich nur Unglück dir bringe,
o daß mir's mein Herz nicht geſagt!
Und muß ich nun gehen und ſcheiden,
will ſuchen ich auf und ab,
bis ich, die du verloren,
die Krone wiederhab.
statſch len, Lehr- und Wanderſahre 2
18 N Needed Lehr» und Wanderſahre
Ich will ſie aufs Haupt dir ſetzen
mit flimmerndem Edelgeſtein,
daß du als Königin wieder
ziehſt in die Heimat ein.
Da kommen viel vornehme Leute,
Miniſter und große Herrn,
und endlich der König ſelber
mit Band und Ordenſtern.
Doch langſam aus dem Gedränge
ſtiehlt einer ſich ſtill bei Seit
und träumt, eine Träne im Auge,
von ſeliger Jugendzeit:
Ein Röslein blüht im Garten,
liebkoſt vom wandernden Wind ..
Ich bin nur ein armer Geſelle,
und du biſt ein Königskind!
>
ott ſei dank, ein wenig Ruhe!
und daheim! und ungeſtört
endlich einmal doch ein Abend,
der mir wieder felbft gehört!
Schön iſt's, ja! und bleibt es immer,
guter Freunde Freund zu ſein!
doch zuweilen gibt's auch Stunden,
da man gern einmal allein:
Auszudenken, was tagüber
durch die Seele ſchwankt und ſchwirrt,
eh ſich s, halb erfaßt nur, wieder
ungelöſt ins Chaos wirrt.
Ohne Lüge ſich zu freuen!
wer es dürfte, wer es könnt!
ſelbſt⸗genug ſich ſelbſt zu leben,
glücklich, ſelig, wem's vergönnt!
=.
20 CD DTIDOIDT Lehr- und Wanderjahre
XI
ch hab's genug! ich mag nicht mehr!
zum Teufel mit all dem Plunder!
ein Gott im Himmel allenfalls
hülf noch mit einem Wunder!
Ich hab gekämpft und ich hätt gefiegt ..
doch wer ſiegt gegen Schwindel!
und wenn es Helden gewefen . doch
nur Lumpen und Geſindel!
Ihr ſeid die Stärkern, ich geſteh's!
doch ihr ſeid mir noch lang keine Herren!
ich wurde mir nur allmählich zu gut,
noch länger mit euch zu zerren!
Kerle, keinen Schuß Pulver wert!.
o hätt ich nie begonnen! ...
die Waffen weg! das Bruſtwams auf!
meinetwegen . habt gewonnen!
Ka
Aber die Brücke
21
XII
ein Gehirn iſt müde,
Herz und Hand erſchlafft,
längſt zu Aſche glühte
alle Leidenſchaft.
Mit verſengten Flügeln
irrt ein dunkler Traum
geiſterhaften Fluges
durch den öden Raum.
Tief im Niſchenwinkel
an erloſchenem Herd
kauert ſtumm ein Weibchen,
uralt, abgezehrt.
Im Getäfel hämmert
heiſer eine Uhr,
wie ein hartes, krankes
Huſten auf dem Flur.
Durch das blinde Fenſter
zuckt ein Nordlichtſchein,
und mit hohlem Lachen
grinſt der Tod herein.
en” Yu
22 DONDCHDCHDOIDTHDT) Lehre und Wanderfahre
XIII
ch will in die Sonne ſehn, wenn ich ſterbe,
wie fie in brennenden Wolken verloht .
ich will mit der Sonne gehn, wenn ich fterbe,
in ſommerflammendem Abendrot.
Die Fenſter auf! dort drüben iſt meine
Heimat und nicht in eurer Nacht und Not!
ich will in die Sonne ſehn, wenn ich ſterbe,
und ſinken gleich ihr in ſtrahlendem Tod.
=
Uber die Brüde Sesxs HD
XIV
Das Schloß am Rhein
„ftatt ſonniger Ideale
nädtige Totenmale l
SS" einft ein Schloß am Rheine
mit Zinnen hoch und hehr,
Efeu und Rofen rankten
um feine Mauernwehr
Von feinen Türmen fandten
die Flaggen ihren Gruß
hinüber nach den Bergen,
hinunter nach dem Fluß
Und wer im ſchwanken Boote
da unten fuhr vorbei,
der ſah's und grüßte wieder
und fuhr nicht gern vorbei
24 DOZDEHDCHDOHDCHDT Lehr- und Wanderjahre
Drt auf und ab im Lande
traf man wohl keinen an,
dem nicht allzeit willkommen
das Tor ſich aufgetan.
Heut aber ſich zu laden,
kommt niemand mehr zu Sinn,
das Schloß ſteht in Ruinen,
und Geiſter hauſen drin
In ſtiller Nacht nur reitet 's
manchmal den Berg hinan
und ſpringt vom Roſſe droben
ein grauer Rittersmann
Im fahlen Mondſchein flimmert
Helmzier und Wappenſchild:
ein Hofnarr, der mit Hellern
und Herzen Fangball fpielt ..
Der Letzte iſt's vom Schloſſe,
der einſt von hinnen zog,
als ihn das Glück am Leben
ums befte Teil betrog .,
26 LIDL NDR) Lehr: und Wanderjahre
XV
och ich hob nicht die Hand zum Stoßze,
—ſch weinte ſtill nur, eine Nacht
Dann aber fing ich an zu lachen
und lachte, bis ich's durchgelacht.
Und ſtieß die Fackel in die Trümmer
hei, wie das aufſchlug, tollen Brands!
und krachend barſt die letzte Säule
in lohewildem Flammenkranz.
Dann ging ich ruhig von der Stätte
und ſchritt hinein ins Dämmergraun,
und ließ des Morgens Oſterſonne
den Nachtfroſt mir vom Herzen taun.
Nun ſteh ich frei im freien Leben
und aus dem Jüngling ward ein Mann
und weitab liegt in Nacht und Nebel
was ſeine Jugend hielt im Bann!
mn
ee
Ober die Brüde 27
XVI
oll in die Fenſter flammt
der Frühmärzſonnenſchein
und blendet irrlichtgolden
durch meine Schreiberein
Und neckt und nickt und lockt
und läßt mir keine Ruh
und vom Geſims ein Sperling
piepſt kritiſch⸗frech dazu:
s iſt Frühling, alter Mann!
geh in den Wald hinaus
und lüfte dir die Seele
von Staub und Motten aus!
Ein einziger Sonnenblick
ſchafft mehr an Lebenskraft,
als deiner klügſten Bücher
weiſeſte Wiſſenſchaft!
— —
28H DIDTHDT) Lehr⸗ und Wanderjahre
XVII
u denen ſtets tritt offen,
die Manns noch wollen ſein,
was ſie vom Leben hoffen,
nicht anderswo zu leihn!
Die feſt und ohne Wanken
auf Eines ſtolz bedacht:
ſich ſelbſt nur es zu danken,
wenn ſie's zu was gebracht!
Für die die ſchwerſten Bürden
nichts weiter, trotzgewillt,
als ein Zum⸗Kampf⸗ſich⸗Gürten
mit Panzer und mit Schild!
Das Glück um Gunſt zu bitten,
iſt feig und Torenwitz,
erkämpft nur und erſtritten
bleibt 's dauernder Beſitz!
—5.—
Uber die Brücke DDD eee
XVIII
»A vingt-cinq ans le cœur
se brise ou se bronce.«
ch hab getröftet mich darüber,
ich hab's verwunden allgemach,
und ſtatt zu klagen, ſpott ich lieber
was tut es, daß das Herz mir brach!
Ich hätt ja doch nicht halten können,
was ich geglaubt, ſo groß es ſchien,
ich hätte doch mich müſſen trennen,
es waren doch nur Phantafien!
Die Augen ſind mir aufgegangen,
und nüchterner blick ich in die Welt,
von weniger Selbſttrug mehr befangen,
erkenn ich klar, was ich gefehlt:
Daß Träume eben doch nur Träume
und einzig eines Narren Glück!
und lachend putz in meine Reime
die letzten Fetzen ich als Flick!
—
30 DOCH DNDTHDOHDT) Lehre und Wanderjahre
Vom Notizblock
Etwas Geſchick,
ein wenig Glück,
ein bißchen Tück,
gibt allezeit
ein Meifterftüd.
8.
*
Wer Glück hat, den kriegt
ſelbſt mit dem Hut auf dem Kopf,
ſein Glück, wenn es will,
auch durch den Hut noch beim Schopf.
A?
...
Aufs Bücherſchreiben ſich zu legen,
ein danklos Ding, voll Ungemach!
man glaubt, den Erdball zu bewegen
und ach, es kräht kein Hahn danach!
.
*
Erſt verſpottet und verlacht,
dann im ſtillen nachgemacht,
und zuletzt als neu erdacht
mit viel Lärm zu Markt gebracht.
12
*
Lieber Wortklauber,
als Wortglauber.
.
*
Bedenkt auch, wenn ihr etwas Fritifiert,
und dies und das dran aus zuſetzen wißt,
bedenkt, daß ein Urteil immer zugleich
ein Urteil auch über den Urteiler iſt.
.
*
Was frommt Talent,
was frommt Genie,
bleibt es latent
und Flärt ſich s nie ?!
.
*
Nicht Einem wohl genügt jo ganz,
was ihm Geſchick und Ungeſchick brachte,
daß er, noch einmal auf der Welt,
es nicht von Grund aus anders machte.
*
J DHL DTIDTHDT) Lehr- und Wanderjahre
Ein bißchen Arger und Verdruß
gehört zum Leben
nur Zucker und Zibeben
wär auf die Dauer kein Genuß!
5
Was hilft alles Wollen, was alles Verſprechen,
und wenn es das Herrlichſte verheißt,
im Können liegt der Wert des Menſchen,
die Tat allein iſt's, die beweiſt.
***
Nicht: wer nur redet
oder drum betet,
wer es macht,
hat die Macht.
Das Beſte doch von allem Guten
iſt dann und wann, fein ſtill und brav,
und notabene ohne Träume:
in gutem Bett ein guter Schlaf.
>
vr .
Bat
Quer⸗wegein mr DOSE) 35
Brief⸗ und Tagebuchblãätter
a | I
wie du willft,
es iſt nicht recht!
ſei klug, ſei dumm,
ſei brav, ſei ſchlecht!
Ein jedes Ding
hat jeden Zweck!
Wer immer fragt,
kommt nie vom Fleck!
Und wer nicht ſelbſt
ein Urteil hat
und was drauf wagt,
ſitzt immer .. patt!
—
Slatfhlen, Lehr⸗ und Wanderſahre 3
36 ADD DTHDT) Lehr- und Wanderjahre
II
u” wenn ich Tor bin, fo laß es mich fein!
ich bin es ja doch nur für mich allein!
und nennſt du es Dummheit und Narretei,
ſelbſt wenn du recht hättſt, was war viel dabei l?
Den einen freut dies, den anderen das,
der eine will trocken, der andere naß! |
Du ſchiebſt gern Kegel und figft gern beim Bier!
alſo ſchieb deine Kegel und ſetz dich zum Bier!
ich mache Verſe! .. wozu des Gegreins 7!
du lebſt dein Leben, ich lebe meins!
Weß einer Spaß hat, def hab er den Lohn
ein jeder ſei Narr, Freund, auf feine Fagon!
— —
Quer⸗wegein ANDI DCHDeNDOID 31
III
IB: es kann und wem's genügt,
daß er ſich mit dem beſcheidet,
ehrſam, biedermannvergnügt,
drauf der Alltag ihn vereidet ..
Wem genügt, was er ſo kann,
ſchlecht und recht, wie eben jeder
mit der Zeit ſich anübt, ſeis
ſei s mit Pinſel oder Feder
Der verträgt ſich freilich ſtets
muſterhaft mit allen Tanten,
weiß von guten Leuten nur,
nur von guten Muſikanten.
„Ruhe!“ rät er „Ruhe, Freund!
Vorſicht, ſoll das Boot nicht kentern!
unſer Kurs war gut bis jetzt,
und wozu, was gut iſt, ändern!?
33 DIDI DOHDTI Lehr- und Wanderjahre
Was auch ſoll dein trotzig⸗toll
Strom⸗ und Sturm⸗entgegen⸗Segeln 7!
lerne lieber endlich Skat
oder komm, eins mit zu kegeln!“
Und der Mann hat ja ſo recht:
laß dein Mehr⸗als⸗andre⸗Wollen
und begnüge dich damit,
den gebahnten Weg zu trollen.
Dichte, was die Leute freut,
laß dein In⸗die⸗Tiefe⸗Graben!
male, wie du, brauchſt du Geld,
wünſchen wirſt, gemalt zu haben!
Weiſe denkt, wer alſo denkt:
voll ſtets hat er feine Kiepe!
und das iſt ja doch der Zweck.
was die Nachwelt meint, iſt — piepe!
IV
e älter man wird, um fo rückſichtsvoller
J ehrt man des andern Eigenart:
er trage, wie er will, ſein Koller
und, wie ihm Spaß macht, ſeinen Bart!
Ob Börſenlöwe, Zeitungstiger,
ob Dichter oder ob Claqueur
(am raſcheſten wird freilich Sieger,
wer Dichter und zugleich Claqueur)
Ob Filz doch oder ob Cylinder,
ob ſchäbig oder fein im Frack,
ob Diener oder ob Bedienter,
Hauptſache bleibt . viel Geld im Sack!
—
40 DD DCHDT HDD) Lehr: und Wanderfahre
V
ieber auf eigene Rechnung
ein Lump ſein,
als ein feiner Herr
auf Pump ſein!
dieweil:
wer ein ſolcher auf Pump iſt,
nicht mal ein ehrlicher Lump iſt.
Quer-wegein PPP ( ZDT 41
VI
ch ſeh die Welt, du ſiehſt die Welt,
du nennſt es Proſa, ich Gedicht,
was mir gefällt,
gefällt dir nicht,
und aus dem nämlichen Geſicht
errätſt du Freude und ich Trauer,
du nennſt es ſüß, ich nenn es ſauer
wir fangen nun an, uns drüber zu ſtreiten
und alles uns gründlich zu verleiden.
Ein Dritter kommt dazu und lacht:
Mein Gott, gehabt euch nicht fo töricht!
im Winter, Kinder, iſt es Winter,
und wenn der Mai kommt, wird es Frühling,
und im Oktober nennt man's Herbſt.
ich meinerſeits freu mich nicht minder
an Winter, als an Mai und Herbſt.
—
42 DOHDCHDTHDCHDTNDO) Lehr⸗ und Wanderjahre
VII
an hätt es nicht dürfen,
man hätt es nicht ſollen,
und man hat es
dennoch gewollt.
Und es war ſo ſchön,
wie's nie geweſen,
hätt man es dürfen,
hätt man's geſollt.
Quer⸗wegeinn DANDCHDOHDO HDD HDD 43
VIII
Jenſeits der Straße
s iſt nur Schein und iſt nur Phraſe,
drauf dünkelſtolz der Alltag ſtelzt,
das Beſte liegt jenſeits der Straße,
da ſich der große Haufe wälzt:
Jung und mit Leichtſinn nur zu finden,
jenſeits der Straße, im Verſteck,
in quelldurchrauſchten Roſengründen
und üppig wildem Dorngehed ..
— —
44 DON DTIDCHDTDT Lehr- und Wanderjahre
IX
2
tut nicht mehr weh,
denn der März iſt in der Näh!
aber im März
hüte das Herz,
daß es zu früh nicht knoſpen will!
warte, warte und ſei ſtill!
Und wär der ſonnigſte Sonnenſchein,
und wär es noch ſo grün auf Erden,
warte, warte und ſei ſtill:
es muß erſt April geweſen ſein,
bevor es Mai kann werden!
Quer⸗wegein =D e 45
X
Se freu dich doch, daß es Frühling wird
und laß die Wintergedanken,
laß keimen, was der Sonnenſchein
dir in die Seele will ranken.
Allüberall alles voll Jubelgetön,
voll Mailuſt⸗entgegen⸗Geneſen
und die Luft ſo lau und der Himmel ſo blau
und die Welt ſo ſchön, o, ſo wunderſchön,
wie ſie noch nie geweſen.
Es wird ſchon werden, es wird ſchon werden!
ein kleines Weilchen nur noch, und:
mit blühenden Roſen ſteht es am Weg
und küßt auf die Stirn dich mit ſeligem Mund.
>
4% DONDCHDTIHDOIDTIHDT) Lehre und Wanderjahre
XI
Se ward es März,
und fo kam Oſtern .
der Schnee verkroch,
das Eis zerſchmolz,
und allerwärts
ſchon leiſes Knoſpen
an Buſch und Baum
in Hag und Holz!
So ward es März,
und fo kam Oſtern .
und mit dem Feſt
auch Sonnenſchein
und keimt ins Herz
ein jubelnd Hoffen,
daß endlich doch
du endlich mein
R u
{ 15
en
ee
Kos
Kind
AS SIDIDILODTYIDT) Lehr- und Wanderjahre
XII
rrte auch im heißen Drange
frohen Ungeſtüms ich lange
durch die Welt und durch Gefahr,
wahnbetört mein Glück zu finden,
wo es nie zu finden war
Immer doch in meinem Innern
wie ein Traum klang ein Erinnern
längſt verklungener Jahre nach
und an dich, der ich als Knabe
einſt die erſten Roſen brach.
Jeder Kuß auf andere Lippen
war ein Warten, war ein Nippen,
ein Verlangen nur nach dir,
du nur warſt es, die ich ſuchte,
du allein und für und für.
— —
BA
@ 2 . eee 49
Und die Sehnſucht, die da klagte
und mich unſtät weiterjagte
ohne Raft und ohne Halt.
nun erſt weiß ich's, all ihr Bangen
daß es einzig dir nur galt!
Du nur warſt's, die ich beweinte,
die ich träumte, die ich meinte,
wenn von Lieb und Glück ich ſprach,
du nur, du, der ich als Knabe
einſt die erſten Roſen brach.
sa ne
Blaifhlen, Lehr und Wanderfahre 4
—
22 ĩð dd I
— C ͤ er RT ver ae
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SO DYDAHDCHDTIDTNDTI Lehr: und Wanderfahre
XIII
hr ſeid's, die mir wehe tun,
erſte welke Blätter,
die ſo früh ihr, im Auguſt,
mitten in aller Liederluſt,
mitten noch in Duft und Bluſt,
ſonnenglanzumflittert,
ohne daß ein Lüftchen weht,
vom Geäſte zittert.
Was euch welkte, war nicht Froſt,
war der Tau des Morgens,
der da ſonſt, was jung und ſtark,
was noch Keimkraft hat und Mark,
labt zu neuem Leben,
aber euch, die müd und matt,
früh ergrünt und frühe ſatt,
bleichen macht und beben.
— ar Aa ee
Quer⸗wegeinn DHDCHITIDCHDTIDOIDTIDN 51
Herbſtes erſte Mahner ihr,
noch im ſchönſten Sommer!
Das ach iſt's, was reubewußt,
mitten rings in Lieb und Luſt,
Vorwurf weckend, durch die Bruſt
Furcht und Qual mir zittert:
daß im Blühn der Sommer ſchon
ſeiner Wonne wie zum Hohn,
ſich zum Herbſt verwittert!
Daß in alles Werden gleich
Todeskeime wurzeln:
daß ach! unſer beſtes Freun
nur ein Welken und Verſtreun,
daß Genuß ſchon ein Bereun,
was wir auch umwerben,
daß des Lebens höchſter Preis
ein Verblättern nur und leis
Tod⸗entgegen⸗Sterben!
S ο⏑⏑ο Dee Lehr- und Wanderjahre
XIV
8 am Boden, Laub am Boden,
gelb und rot und braun,
Dorn und Hagebutt am Strauche,
leere Neſter im Zaun!
Sommerende . Spätoftober ..
und ich glaub es nun doch,
daß wir längſt Abſchied genommen,
eh Dezember es noch!
Sturm am Himmel . Schneegeſtöber
Froſt im Herzen und Hohn!
Wie ſo ſchön es einſt geweſen,
o, du bereuſt's ja ſchon!
Laub am Boden, Laub am Boden,
gelb und rot und braun
und der nächſte Windſtoß kehrt es
lachend hinter den Zaun!
2
F 53
XV
ie Sonne ſinkt mit rotem Flackern,
trübdumpfer Nebel kriecht heran
Umſonſt ach! ſuch ich mich zu halten,
ein immer froſtiger Erkalten
ſchlägt winterſchauernd mich in Bann.
Ich plünderte den ganzen Garten,
in ſommerſchönſter Köſtlichkeit,
mit Fliederbluſt und Roſenkränzen
die frühen Gräber zu umlenzen,
die dir das Leben tat zu leid!
Ich plünderte den ganzen Garten,
um ihn dir auf den Weg zu ftreun ..
Ich tat es nicht um Dankes willen,
nur: einen eigenen Wunſch zu ſtillen,
ich wollte nur, du ſollteſt dich freun.
Du einmal ſollteſt alles haben,
was es auf Erden Schönes gibt
und wonach andere, leidgetroffen,
4 D Lehr- und Wanderjahre
das ganze Leben oft verhoffen,
einſam, glücklos, ungeliebt.
Doch nun ich ſelber nichts mehr habe,
wirfſt du's mir vor mit kühlem Spott
und wendeſt ab dich, um zu gehen,
und läßt in meinem Herbſt mich ſtehen,
beraubt, verwelkt und ohne Gott .
Die Sonne ſinkt mit rotem Flackern,
trübdumpfer Nebel kriecht heran ..
Was bin ich noch?! verquält, ver kümmert
und von Enttäuſchungen umtrümmert,
ein freudeloſer, müder Mann!
—
Querswegein DILDO DCHDOHDOC DT ISDN 55
XVI
1 hat das Leben mir auch dich genommen...
nun hab ich nichts mehr zu verlieren, nichts
du warſt das Letzte,
das ich einſt noch lieb gewonnen
und halten wollte. halten...
o mit der ganzen Sehnſucht deſſen,
der es noch einmal wagt, ſich aufzuraffen,
den Glauben feiner Jugend ſich zu retten...
Du warſt ihr großer Sonnenuntergang.
Nun hab ich nichts mehr zu verlieren,
drum ich zittern müßte
nichts mehr, nichts,
das mir das Haupt könnt beugen
nichts mehr, nichts,
das mich noch zwänge, auf den Knien zu liegen!
Nun. werd ich. . ſiegen!
— —
5% G e ede Lehr: und Wanderſahre
Singlieder
1892 — 1894
Horas
non numero, nisi serenasl
Singweiſe: Santa Luca
Sind es nicht Toren,
die da ſtets zittern
und ſich das ſchöne
Leben verbittern?
Wein⸗, lieb⸗ und liederfroh
horas non numero,
nisi serenas!
Was dir auch zugeloſt
an Leid und Sorgen,
ſelbſt auf die längſte Nacht
folgt noch ein Morgen!
Tag⸗, licht⸗ und ſonnenfroh
horas non numero,
nisi serenas
Quer⸗wegein ADAC 7
Und wenn der Sommer
ſich neigt zur Wende
Einmal, ſo ſchön es war,
geht's doch zu Ende
Dank⸗ und erinnerungs froh
horas non numero,
nisi serenas!
e.
*
Sonn' entgegen!
Singweiſe:
Strömt herbei ihr Voͤlkerſcharen
Nicht der Pflicht nur zu genügen,
was ſie fordert und verlangt,
nicht der Stunde nur zu leben,
was fie nimmt und was fie dankt.
einem ſtolzeren Wollen gelte
unſeres Tages Ziel und Lauf:
über Sturm und über Wolken
Sonn’entgegen trag's uns auf!
Sonn entgegen aus des Alltags
nebeldumpfem Sorgenfpuf
mit dem Siegtrotz froher Jugend
über Not und Laſt und Druck
und wenn andere töricht finden,
was fie uns fo ‚träumen‘ ſehn,
unſere Loſung ſei und bleibe:
nie im Alltag aufzugehn!
IS DDD Lehr: und Wanderjahre
Gib dem Menſchen, was des Menſchen,
doch laß Gott, was Gott gehört:
nicht dem Kampf nur um dein Morgen
auch dir ſelbſt ſei etwas wert!
Auch dir ſelbſt, Freund, und der Jugend,
die ſo ſtolz die Stirn uns ſchirmt
und auf Feuerflügeln jauchzend
unſere Seelen aufwärts ſtürmt.
Und noch heut, ſo lang uns frohe
Zuverſicht noch führt zum Sieg,
laßt entſcheiden uns und wählen:
mit wem Frieden, mit wem Krieg!
Freunde, Männer laßt uns werden,
die da ſtolz im Kampfe ſtehn,
treu und furchtlos, feſtverſchworen:
nie im Alltag aufzugehn!
.
Hab Sonne
Singwelſe: Der Mat iſt gekommen
Hab Sonne im Herzen,
ob's ſtürmt oder ſchneit,
ob der Himmel voll Wolken,
die Erde voll Streit
hab Sonne im Herzen,
dann komme was mag:
das leuchtet voll Licht dir
den dunkelſten Tag!
Hab ein Lied auf den Lippen
mit fröhlichem Klang,
und macht auch des Alltags
Gedränge dich bang.
hab ein Lied auf den Lippen,
dann komme was mag:
das hilft dir verwinden
den einfamften Tag!
Hab ein Wort auch für andre
in Sorg und in Pein
und ſag, was dich ſelber
ſo frohgemut läßt ſein:
S n Lehr- und Wanderjahre
Hab ein Lied auf den Lippen,
verlier nie den Mut,
hab Sonne im Herzen,
und alles wird gut!
5
E
Trutzlied
Singweiſe: Wohlauf, die Luft geht
Wenn Geld im Beutel Sorgen macht,
wie reiche Leute ſagen,
von uns dann hätte wahrlich keins
viel Grund, ſich zu beklagen:
was unſereins zu ſehen kriegt,
iſt ſelten lang zu heben,
von darum alſo könnten wir
wie Gott in Frankreich leben.
Doch ob auch arme Teufel nur,
das macht uns wenig Nöte,
wir haben, drum ſo mancher gern
ſein ganzes Gold uns böte,
wir haben: jedes Argernis
ins Gegenteil zu wenden,
ein frohes Herz ſtets und Humor,
ſo kein Gericht kann pfänden.
—
Quer⸗ wegein Yee 61
Und klappt auch nirgends was und iſt
ſedwede Müh vergebens,
wir ſingen uns ein luſtig Lied
und freun uns doch des Lebens
Und das gerade iſt die Kunſt
mit Geld kann's jeder haben
auch ohne daß man zahlen muß,
am Leben ſich zu laben.
Und hier, Herr, ſag ich, liegt der Punkt,
der Punkt, an dem ſich's bandelt:
und wenn wie Kuckuckskinder nur
das Schickſal uns behandelt,
wir kriechen dennoch nicht zu Kreuz
und werden keine Mucker:
wenn wir dem Glück fo kuckuck find,
iſt's uns noch viel kuckucker
Wir wollen, was da werden ſoll,
getroſt uns ſelber ſchmieden,
denn was das Glück im Schoße hält,
ſind doch nur lauter Nieten.
Wir knieen nicht, wir betteln nicht,
es mög uns Rofen ſtreuen,
wir haben das Geheimnis, auch
an Dornen uns zu freuen.
So ſtehn wir ſtolz und trotzgewillt,
wenn andre furchtſam zagen,
wir wiſſen, was wir wollen, und
wir wiſſen, was wir wagen
S DOCH DIT) Lehr- und Wanderjahre
Und löſt Freund Hein die Frage dann
zum Schluß unwiderleglich,
ſo haben wir's uns wenigſtens
ſo froh gemacht als möglich!
,
*
Lumpenlied
Für einen Trupp Karnevalmuſikanten
Singweiſe:
Wenn ih an meinem Amboß fteh!
d 7
oder:
Da ſtreiten ſich die Leut herum
Kehrreim gepfiffen.
Ich bin ein armer Be⸗Bi⸗Ba⸗
Bo⸗Bettelmuſikant,
doch kreuzfidel ſtets pe⸗pi⸗ pa⸗
po⸗pump ich mich durchs Land,
zu ſpielen gibt's allüberall,
bar Geld nur leider keins,
und dennoch bleib ich, was ich bin
und pfi⸗pfa⸗pfeif mir eins!
Ob hier, ob dort, was verfa⸗ fe⸗
was verfo⸗fu⸗verficht s?!
ein Künſtler kam ſein La⸗Li⸗Le⸗
Lo⸗Lebtag noch zu nichts!
und da dies mal jedweder Kunſt
betrübter Erdenlauf,
fo plag dich nicht umſi⸗ ſa⸗ſunſt
und pfispfa=pfeif darauf!
Quer zwegein DALAI DTIDTIDTIDT 63
Auch ich hab einft von Ra⸗Re⸗Ni⸗
von Ri-Ro-Ruhm geträumt
und hab damit mich ma⸗me⸗mi⸗
mu⸗mächtiglich geleimt!
Drum nahm ich einen Nagel und —
und hing den Kram dran auf
und wurde Vi⸗Va⸗Vagabund
und pfi⸗pfa⸗pfoff darauf!
Ein Bettelmuſike⸗ki⸗ko⸗
ku⸗kant iſt auch nicht ſchlecht,
und wer einmal ein Le⸗Li⸗Lo⸗
La⸗Lump iſt, ſei's auch recht!
Zum Mi⸗Ma⸗Millio⸗nösnü⸗när
bringt doch von uns es keins,
drum bleib ich, was ich bi⸗ba⸗ bin
und pfispfaspfeif mir eins
(Dankſtrophe)
Wir machen unſern Di⸗Da⸗Du⸗
Do⸗Dank dem Publiko:
es bleib wie wir ſtets kri⸗kra⸗kru⸗
kro⸗kreuzfidel und froh!
Ein Menſch, der keinen Spaß verſteht,
merkt euch zum Schli⸗Schla⸗Schluß,
bleibt ewiglich ein Rha⸗Rhe⸗Rhi⸗
Rho⸗Rhu⸗Nhinozerus!
(Kehrreim)
und während deſſen im Gänſemarſch ab.
—
Lehr⸗ und Wanderjahre des Lebens DASS) 67
Brief⸗ und Tagebuchblätter
1
Meiner Mutter
IB" denn das ewige Sorgen,
lieb Mütterchen! gib es doch auf!
Sorgen macht alles nur ſchlimmer
und ändert doch nichts im Lauf!
Auf deine alten Tage
möcht ich, daß froh du wärft
und nicht mit Gedanken um uns,
deine Kinder, das Herz dir beſchwerſt.
Du haſt dich in deinem Leben
wahrlich genug geſorgt,
du gabeſt mit Zinſeszins ihm
zurück, was es dir geborgt
Du biſt bald ſiebzig Jahre
und mich dünkt, du hätteſt nun
Flatſchlen, Lehr⸗ und Wanderſahre 3
-
SS ee e eee Lehr- und Wanderjahre
nicht bloß ein Recht mehr, nein,
auch die Pflicht, dich auszuruhn.
Du trugeſt Leid und Schmerzen,
ohn daß ſich ein Wort dir entrang,
du gingeſt mit ſchwerem Herzen |
fo manchen ſchweren Gang.
und als der Vater erblindet,
die ganze, lange Zeit,
du wurdeſt nie müde in treuer
frohwilliger Freudigkeit!
Nur als er dann ſtarb, da freilich
wurde merklich weißer dein Haar,
doch deine Liebe zu uns
blieb ſo jung, wie ſie immer war.
Und nun ſind wir groß geworden
und wanderten in die Welt,
und ein jedes hat ſich fürs Leben
fein gutes Ziel geftellt ...
Du aber, lieb Mütterchen, gib jetzt
dein Sorgen endlich auf,
Sorgen ſieht alles nur ſchwärzer
und ändert doch nichts im Lauf!
Du weißt ja, wir haben niemals
Arbeit und Umtrieb geſcheut,
Berg⸗ auf DAHIN DCHDTIDTIDT 69
wir haben, im Gegenteil, immer
ung jeglicher Mühe gefreut,
und wenn auch nicht alles ging,
wie man wünſchte, es möchte gehn,
ſo blieb doch keines mutlos
oder müßig am Markte ſtehn.
Wir haben uns, Gott ſei Dank,
immer ſelber zu raten vermocht,
und ſchlug auch vieles fehl,
phat uns doch nichts unterjocht.
Daß einem das Herz einmal ſchwer
und daß man weniger froh,
das will nichts heißen, Mutter,
das geht einem jeden ſo.
Man hätte mitunter ja manches
leichter und ſchneller erreicht,
wenn man weniger . ſtolz geweſen
und rückſichtsloſer vielleicht,
und wenn .. ja, ja, wenn du früher
nicht immer ſo abgewehrt,
wenn der Vater warnen wollte:
‚Hüte hätte gar keinen Wert,
und Beſcheidenheit und dergleichen
ſei ja ganz ſchön fürs Haus,
70 DOCH HDD) Lehr: und Wanderjahre
draußen im Leben doch gälte
nur Vorteil und nur Fauſt!
Seid ohne Arg wie die Tauben,
ſag eine alle Lehr,
aber: auch klug wie die Schlangen,
ſetze ſie gleich hinterher.
Es hätte uns manche Enttäuſchung
erfpart und manche Gefahr
und doch, ich möchte nicht anders
geweſen ſein als ich war,
denn auf die Dauer iſt's doch nichts
mit allzuleichtem Gewinn
ich warte gern und möchte
nicht anders ſein, als ich bin!
Aber drum laß auch dein Sorgen,
du weißt nicht, wie ſtark mein Arm!
wie zuverſichtfröhlich und reich
mein Herz in der Bruſt und wie
Und ob auch manche Blüte [warm!
von Wetterſchlag verheert,
das Lied meiner Jugend hat mir
nicht Blitz, noch Froſt zerſtört!
und noch grüßt blaurotflammend
der Stern vom leuchtenden Pol,
Berg⸗ auf ASIDIDCIDTHDTIDTIDT ID) 11
wie damals vor Jahren, als ich
zum erſtenmal ſagte Lebwohl!
Nur zweifeln darfſt du nicht, Mutter,
das nimmt die Zuverſicht
und Siegvertrauen muß haben,
wer da im Kampfe ficht.
In lodernder Schönheit Prangen
liegt offen vor mir die Welt,
verkämpft iſt und überwunden
was lang mir die Jahre vergällt,
die Ketten, die mich gebunden,
liegen zerſplittert im Grund,
frei bin ich, Mutter, und ftarf
und freudig und jung und gefund,
und in goldenen Morgenfeuern
glänzt ſonnenhell mein Ziel .
und wer ſich ſo ſtark fühlt, Mutter,
für den iſt Kampf nur Spiel!
72 H ο⏑ο D Lehr- und Wanderjahre
II
Einem Freunde
„Lege das Ohr an die Erde
und höre!
und du wirſt Hufgeſtampf hören,
in weiter Ferne nur, aber näher
und näher kommend!“
s liegt etwas in der Luft, mein Freund,
es liegt etwas in der Luft!
Hörtſt du den Wetterſturm zur Nacht,
wie's in den alten Eichen gekracht?
wie es die Fenſterläden ſchlug
und heulend im Kamin ſich fing?
Sahſt du den Himmel heute früh,
wie Blut fo rot, brandfackelglüh?!
Es liegt etwas in der Luft, mein Freund,
es liegt etwas in der Luft!
Es iſt eine ſeltſame Zeit, mein Freund,
es iſt eine ſeltſame Zeit!
ein immer toller Gehaſte von Jahr zu Jahr!
nichts ſoll mehr bleiben, wie es war
Berg⸗ auf ASIAN 73
nichts ſoll im alten Gleis mehr gehn
und ruhig, feſt und ſicher ſtehn!
Ein jeder redet und redet drein,
und jeder will der Klügere fein!
Der eine hofft dies, der andere das,
und keiner aber weiß recht: was 7!
Es iſt eine ſeltſame Zeit, mein Freund,
es iſt eine ſeltſame Zeit!
Und wie es geſtalten ſich wird, mein Freund,
und wie es geſtalten ſich wird?
in welcher Richtung? in welchem Sinn?
ob zu Verderben? ob zu Gewinn?
Die Jungen haben es in der Hand.
die Jungen mit ihrem Jugendmut,
mit ihrem Glauben, mit ihrer Glut!
und wenn ſie furchtlos feſten Blicks
hinausſehn über ihr kleines Heut
und über Parteigezänk und Neid
dann, glaub ich, geſtaltet ſich's gut, mein Freund,
dann, glaub ich, geſtaltet ſich's gut!
u
TA DCNDONDOYDTIDTYDTI Lehr⸗ und Wanderjahre
III
„Und wenn wir ohne Glanz und Ruhm
der Dämmerung erliegen,
es werden andere nach uns fein,
und dieſe werden ſiegen!“
as iſt das einzige aber, das ihr tun könnt
für eure Söhne und für eurer Söhne Kinder:
wachen, wachen und wachen,
daß ſie dereinſt in freieren Zeiten
ihr Leben leben ..
in Zeiten,
da man endlich aufgeräumt mit all dem Schutt,
da man die Trümmer abgetragen endlich,
die mit Einſturz drohn
und uns den Weg verſperren nach den Höhn,
von denen
die Banner goldner Königstage wehn! .
Daß ihnen einſt in lichtem Glanze ſich erfülle,
was unſere eigene Sehnſucht träumt und hofft ..
Berg⸗auf DAISHLCNDCNDCHDOHDEIDO ID 15
Wir felber, ach,
wir find... in Kampf und Müh und Streit
nur Dorbereiter, Schuttabräumer nur, Wegebner
einer Zeit,
die wir aufdämmern ahnen über unſere Nacht
mit oſterlichter Morgenpracht,
und der ein Tag dann folgen wird,
ein Tag, von hallenden Glocken überläutet,
ein Tag, an dem der Menſch
abgürten von den Lenden darf das Schwert
ein Tag des Friedens,
und ein Tag der Freude
da all die Qual,
die uns zu Grabe nagt,
da all die Ketten fallen der Erbärmlichkeit,
die jeden Morgen uns aufs neue
die Krone reißt vom Haupt
| und uns zu Sklaven unſeres eigenen Lebens macht
N ein Tag,
an dem der Menſch zum Herrn wird endlich
und mit freier Stirne
als König ſchreiten darf auf feiner Erde
—
S e e re
16 eee Lehr und Wanderjahre
IV
Du fragſt, was uns not tut, Freund,
und was uns fehlt? .. O, fo viel!
Ideale vor allem wieder
und ein feſtes großes Ziel!
Ideale, wie unſere Väter gehabt —
die ſelbſt freilich taugen nicht mehr
und ſind unmöglich geworden
die vergangenen Jahre ber . .
wie ſich das meiſte, das man
uns in der Kindheit gelehrt,
im Getriebe der Welt von heut
zu Spott und Torheit verkehrt.
Die uns erzogen, ſie meinten
es alle ja herzlich gut,
wenn ich zurückdenke aber,
ſchwillt mir noch heute das Blut
Berg⸗auf DADNINLNLILIHLNDNIDN 11
ob all der Weisheiten, die man
fo mühvoll uns eingepaukt,
Weisheiten, von denen nicht eine
zu wirklichem Leben getaugt!
Und was in Büchern und Schriften
als Vorbild uns hingeſtellt,
mein Gott, das war doch erſt recht
eine ganz unmögliche Welt!
Und als es dann hieß: nun geh,
und was du willft, nun erring s.
da ſtand man mit all ſeinem Wiſſen
und wußte nicht rechts noch links!
Den Kampf aber, den's dann gekoſtet,
und die Kraft, o die ſchöne Kraft,
wenn Enttäuſchung über Enttäuſchung
einem das Herz erfchlafft.. .
und bis man abgeſchüttelt
allmählich den ganzen Zwang
und Schritt für Schritt wieder Mut ſich
und feſteren Boden errang!
Auch die Alten freilich nun laſſen
uns ab und zu einmal recht
Is eee Lehre und Wanderjahre
und erklären nicht alles mehr
von vornherein gleich für ſchlecht!
Ja, in gutgelaunten Stunden
geſtehen ſie ſogar:
daß manches, das ſie beſtritten,
doch ganz vernünftig war!
Wenn ſie kommen aber und ſagen:
Einreißen ſei kinderleicht!
doch, ohne Erſatz zu wiſſen,
was damit viel erreicht?!
ſo müſſen wir ſtill ſein und ſchweigen —
denn das iſt ja doch unſer Leid,
die Not unſeres ganzen Lebens,
der Jammer der ganzen Zeit:
Daß wir zerdacht und zerzweifelt
alles, was bisher war,
und was wir ſelber wollen,
noch nicht wie das Frühere klar
wie zwiſchen Charfreitag und Oſtern
fehlt Freude und Zuverſicht:
der alte Gott iſt geſtorben,
der neue erſtand noch nicht!
Berg⸗ auf SID ETIDT HD ID ID 19
Die Nacht, die lag, iſt gewichen,
doch mit erloſchen ſind auch
die Sterne, die ihr geleuchtet,
und es weht ein froſtiger Hauch.
In Erfüllung ging ja ſoviel ſchon,
wofür das Herz uns ſchwoll,
und doch weiß niemand ſo recht,
was nun weiter kommen foll...
ein jeder ſteht auf dem Platze,
ein ſeder kämpft und ringt,
doch es iſt nur ein Taſten und Suchen,
und keiner weiß, was gelingt
Du fragſt, was uns not tut, Freund,
und was uns fehlt?! .. O, fo viel!
Ideale vor allem wieder
und ein feſtes, großes Ziel!
—
so DIDI) Lehr= und Wanderjahre
V
Einem Kinde
ei nicht traurig,
fei nicht traurig
es iſt heute nur
ſo trübe,
es iſt heute nur
ſo ſchwer!
Morgen lacht die Sonne wieder,
leuchten Roſen, weiß und rot,
und mit lauter Lerchenliedern
jubelt's in den hellen Morgen,
jubelt's in den blauen Himmel
ſiegreich über Leid und Not.
Quillt und ſchwillt mit jungen Kräften,
quillt und ſchwillt mit junger Luſt
lebenswarm dir in die Bruft;
weckt und wappnet deine Seele
glaubensfroh zu neuer Wehr
*
glatfcten, Lehr und Wanderjahre 6
S ND eee Lehre und Wanderjahre
VI
Mu findet's auch .. mit langem Suchen,
viel Rechtes aber iſt es kaum!
Es muß an deinem Wege liegen,
es muß aufleuchten wie ein Traum!
Du ſitzſt am Strand und ſinnſt auf Reime,
und einer Woge frohe Haſt
muß flimmernd es dir zu Füßen tragen,
daß du dich nur zu bücken haſt!
Du darfſt ihm nicht nachwandern müſſen,
du darfſt nicht lange müſſen flehn,
nein, wie ein Bettler, Einlaß bittend,
muß es vor deiner Türe ſtehn!
Und wie ein Sklave muß es folgen
auf jeden Ruf, auf jeden Blick,
und wie ein Hund muß es dir treu fein...
alles andre . iſt kein .. Glück!
—
Berg⸗auf DASCHDCHDEIDT ID HEN DIDI 83
VII
Se drängt und treibt ſich alles vorüber
unmerklich kommt es und verblinkt,
Welle auf Welle hebt ſich und ſinkt,
was trüb, wird hell, was hell war, trüber.
Du ſelber trittſt dir als Fremder entgegen,
und was dir hochheilig einſt ſchien und groß,
du frägſt dich und lächelſt und ſpotteſt faſt drüber:
wie war es nur möglich! wie konnte man bloß!
wie konnte man zweifeln dabei und zögern,
es lag doch ſo einfach, ſo glatt und ſo klar,
wie konnte man ſich darüber erregen,
da alles doch ſelbſtverſtändlich war!
Schon aber drängt auch das vorüber
du merkſt kaum, wie es verſinkt und verrinnt,
wie es leiſe zu anderem übergaukelt,
wie ſchon eine neue Welle beginnt
und dich auf ihre Höhe ſchaukelt!
DIDI D Lehre und Wanderjahre
vIII
ER Kind! ... die Fahrt, die du wagft,
iſt weit!
Mein Wunſch, daß es gut dir gehe,
geb dir getreulich Geleit!
Leb wohl! den Kopf immer hoch
und fröhlich und unverzagt,
und nie zuviel auch bei andern
um Rat und Meinung gefragt!
Raten iſt leicht, doch es geht ſchon
nicht alles im rechten Gleis,
wenn man Rat braucht, Kind, und ſich
nicht ſelbſt zu helfen weiß!
Es trägt ein jeder zudem ſchon
ſo viel an eigener Laſt,
daß er ſich meiſt nur ungern
mit fremden Sorgen befaßt!
Berg⸗ auf SADODCHDCHDITIDTNDOHDTNDTN 85
Es kommt auch felten etwas
dabei heraus und ich mein:
man müſſe für Glück und Unglück
immer ſelbſt verantwortlich ſein.
Wer ſeines Zieles klar iſt,
erreicht, was er erſtrebt,
und wer ein Ziel errungen,
hat nie vergebens gelebt!
Lebwohl, Kind! und wenn es wettert
und Blitze und Volken dräun,
es kommen auch Tage wieder,
die Blüten und Roſen ſtreun.
Es ging ja uns beiden im Leben
nie noch beſonders gut,
wir erfuhren niemals, wie ſchön es
ohne Sorge ſich ruht,
wir haben von früh an in fremde
Launen uns ſchicken gemußt
und hatten niemand, zu teilen,
weder bei Leid noch bei Luft;
und gerade in Jugendtagen
; ift das wohl der herbſte Schmerz:
man träumt da von Wunderdingen
und hat ſo voll das Herz,
SO ο⏑π e Lehr» und Wanderjahre
man möchte jubeln und jauchzen
und möchte glücklich ſein
und denkt, das Leben beſtünde
aus lauter Sonnenſchein.
Es kann ja nun alles ſich ändern,
ich glaubte für dich es ſo gern:
es kann vom Himmel fallen
wie ein rotblitzender Stern,
es kann auf ſchimmerndem Flügel
herrauſchen im Windeswehn,
es kann mit jauchzendem Liede
urplötzlich vor dir ſtehn! .
Dichter ſind's, die das ſagen,
auch hört man es ſonſt dann und
im wirklichen Leben aber. wann,
ich glaube nicht recht daran!
Ich glaube viel eher, es wird
ſo ſein, wie es bisher war:
von allem, was man ſich wünſcht,
a wird nur das Wenigſte wahr!
ja ich glaube beinahe, das große
Glück, von dem man ſo träumt
und an das ein jeder fo viel
ſeines beſten Lebens verſäumt:
Berg⸗ auf S D HIHI IDLYDAIDN 81
daß es das gar nicht gibt.
s als feſtes dauerndes Gut,
daß alles Glück nur in kleinen
ganz flüchtigen Dingen beruht!
Es iſt wie Gold, das man auch nicht
in Klumpen und Blöcken hebt,
das man nur ſtaubkorngroß
aus Geröll und Getrümmer gräbt.
>>»
88
Lehr⸗ und Wanderjahre
IX
lles längſt nun, längſt vorüber!
Fünfmal ſchon ward's Winter drüber!
immer andres drängte her!
Neue Jahre, neue Ziele!
Selten ſpiel ich jene Spiele
und noch ſeltener ſing ich mehr!
Wie die Zeit es eben ändert:
jener landet, dieſer kentert,
der liegt windſtill wo auf See.
bleibt man nur auf ſeinem Poſten
und läßt Kopf und Herz nicht roſten,
geh es immer, wie es geh!
Meiſt wohl iſt's ja dummer Plunder,
manchmal doch glückt auch ein Wunder,
noch viel eher aber fällt's!
Was drum rinnt, laß ruhig rinnen!
nur wer aus hält, wird gewinnen ..
nicht ein jeder freilich hält's!
—
F 39
Bleiſtiftſkizzen
Rügen
| ief und ftill
5 in grauem Regen
f liegen Wald und
j liegen Wieſen
j tief und ftill
mit müden, ſchweren
Wellen
ſchleppt das Meer zum Strand.
graue Möwen
flügelſchlagend
ſchreien um die Kreidefelſen,
und im weißen
Dunſt der Ferne
zieht in breitgeballter Wolke
dicken Qualmes,
wie der ſchwarze
Schwan des Todes,
horizontentlang ein Dampfer,
tief und ſtill
in grauem Regen.
=
1 r 1
l
I eee Lehr- und Wanderfahre
2
Herbſt
eber den See hin
braut der Nebel
lautlos leiſe
Wie große weiße
ſeltſame Spinnen
rinnt und ſpinnt es
über die Waſſer,
lautlos leiſe
und im Schilf
die großen
Rofen
ſchließen fröſtelnd ihre Kelche.
Lautlos leiſe
rinnt und ſpinnt es
Ufer holz⸗ entlang
und höher
durch die Gitter
Berg⸗auf OAIINEIAIALAIDNDINDINIDN N
in die Gärten,
über ſpielzertretene Rafen,
über welke Blumenbeete
Am Verandafenſter, lauſchend,
tief in weichen, weißen Kiſſen,
träumt ein Mädchen
und von ihres ſonnenloſen
Gartens herbſtverfallenen Roſen
ſuchen ihre ſehnſuchtgroßen
ſtillen Augen
weit in's weite
letzte müde Abendrot
Und
lautlos leiſe
rinnt und ſpinnt es
um das Fenſter
durch das Weinlaub
und lautlos leiſe
küßt es die weiße
Stirn ihr
und den lächelnden Mund.
—
92 ede Lehr- und Wanderjahre
3
Totenſonntag.
roſtlos traurig grau in grau:
Himmel,
Dächer,
Straßen,
Menſchen
troſtlos traurig grau in grau...
wie mit hungergieriger Lippe
ſaugt ein ungeheures Schweigen
Licht und
Luft und
Leben an ſich
und mit grauenſtummer Marter
überſchleicht es
und bekriecht es
herzblut⸗tief⸗ und tiefer⸗ſaugend
Himmel,
Dächer,
Straßen,
Wenſchen,
qualvoll hilflos grau in grau.
2
Berg⸗ auf DASADCHDCHDCN LONDON DT 93
Xl
Was müde macht!
as iſt es,
was müde macht:
dieſes heimliche Warten,
dieſes ruheloſe
ſtille Horchen nach der Treppe,
dieſes Aufſpringen,
wenn es klingelt
ſtatt der erwarteten Freude aber
mit blitzendem Aug
und lachendem Mund
ſteht ein frierendes Kind draußen,
ver härmt und elend,
und bittet weinend
um ein Stückchen Brot.
—
S DDCHDTHDTIDT Lehr- und Wanderjahre
XII
ch habe Nächte dafür geopfert,
ich habe Herzblut daran gegeben,
und feige Buben nun kommen und heben
die Hand auf gegen das fertige Werk.
— — — — — — — —
Das ſchmerzt!
Und doch:
glückt euch, es wirklich zu zertrümmern, .. gut!
dann war's nicht echt!
dann glückte mir nicht, was ich wollte
und .. ihr . habt. recht!
NN
Berg⸗ auf LIASAINIIDIIDNDNDADN 95
XIII
chlaf”, müde Seele,
daß nichts dich mehr quäle!
ſchlaf und vergiß
deines Tagewerks Laſt!
ſchlaf und vergiß,
wie viel du auch heute
an Lieb und Freude verloren haſt,
wie viel es wieder dir
Rofen zerriß
ſchlaf, müde Seele,
ſchlaf und vergiß!
Was dir zerrann
an Glauben und Glück,
in ſeligem Traum
träum es zurück!
Ob die Welt dich auch verdamme,
deiner Sehnſucht heilige Flamme
zwingt die Nacht, durch die du wanderſt,
zwingt die Furcht, die dich umdroht,
lodert auf zu frühlings lichtem
oſtergoldenem Morgenrot!
— —
% eee eee Lehr- und Wanderjahre
XIV
12” fo zerbrödelt fih Monat um Monat
und Jahr um Jahr
in ſonnenloſem Sich-müde⸗Hoffen
und nirgends auch nur ein Schimmer von Schein,
daß es irgend einmal würde anders ſein!
Man gibt das Beſte, das man kann,
man gibt ſein glühendſtes Herzblut dran,
mit Leben bezahltes Leben
und hat man etwas fertig gebracht.
dann iſt der ganze Dank dafür,
daß ein paar Freunde freundlich ſagen:
Freut mich, das haſt du gut gemacht!
Und damit iſt die Sache dann erledigt!
—
Berg uf S dee ede eee ede 97
XV
ja, wir ſind Phantaſten,
Narren und Schwärmer
und kindertörichte Toren
ihr habt recht!
wir find es.
unfern Träumen nachzuhängen
und unſere Kraft an Dinge zu vertrödeln,
ſo wert⸗ und zwecklos
ihr habt recht!.
anſtatt praktiſch zu ſein
und Geld zu verdienen!
oder .. wenn ſchon:
Bücher zu ſchreiben,
wie der Verleger will,
und wie ſie gekauft werden
ihr habt recht:
es iſt Narrheit,
ſich ſeine Jugend derart zu verquälen
und freiwillig
als Bettler ſich durch's Leben zu ſchlagen,
und in den beſten Jahren dann
Flalſchlen, Lehr⸗ und Wanderſahre 7
IE e Nd Lehr: und Wanderjahre
gebrochen und müde zu fein,
erſchöpft und leer!
und .. gebrochen .. wodurch?
und. müde... wovon?
von nichts II..
und mit verflackerndem Auge
zurückzuſehn
und ſich ſagen zu müſſen,
daß alles Mühn und alles Ringen,
daß aller Kampf .. umfonft war!
und nicht bloß umſonſt,
daß es lächerlich war:
törichter Träume wegen
ſein beſtes Leben lang ſich
von der Gnade anderer abhängig zu machen
anſtatt . anſtatt
anſtatt .
und doch .. und doch:
nur Starke können ſolche Narren ſein!
—⁵ —
s lohnt fi nicht! 15
weiß Gott, es
lohnt
nicht!
Es iſt alles nur
Kauf!
es iſt alles nur
Handwerk!
es iſt alles nur
Mache!
Es. lohnt. ſich nicht!
100 HIN DT HDT IT) Lehr- und Wanderjahre
XVII
Lied des Wanderers
bend⸗rot ſchon gegen Weſten
lenkt die Sonne ihren Lauf,
immer neue Gipfel aber
ſteigen vor dem Wanderer auf!
Ach, es iſt ein mühſam Ringen!
und was lohnt am letzten Schluß 7!
Immer ſteiler führt es weiter,
immer müder wird der Fuß
Immer neue Gipfel ragen
über den erklommenen auf!
ach, und immer abendtiefer
ſenkt die Sonne ihren Lauf!
D
— rec ee ie ee vier m ee
Lehr⸗ und Wanderjahre des Lebens Am) 105
Brief⸗ und Tagebuchblätter
Vom Frühling
Februar
Soda leuchtet die Sonne wieder am Himmel
und ſchmilzt die Schneelaſt von den Dächern
und taut das Eis auf an den Fenſtern
und lacht ins Zimmer: wie geht's? wie ſteht 's?
Und wenn es auch noch lang nicht Frühling,
fo laut es überall tropft und rinnt.
du ſinnſt hinaus über deine Dächer
du ſagſt, es ſei ein ſchreckliches Wetter,
man werde ganz krank! und biſt im ſtillen
glückſelig drüber wie ein Kind.
ag. "ge
104 DIDI DTIDT) Lehr- und Wanderjahre
März
Sr noch nicht vom Frühling, es iſt zu früh!
ſo lockend die Sonne vom Himmel blitzt,
fo lockend alles glänzt und glitzt .
ſprich noch nicht vom Frühling, es iſt zu früh!
Es werden Tage wieder kommen
bevor erblüht, wovon du träumſt,
da alles wie vorher troſtlos weh
in Regen ſich begräbt und Schnee,
Tage voll Traurigkeit, Tage voll Müh.
ſprich noch nicht vom Frühling, es iſt zu früh!
Und doch und dennoch: mit jubelndem Liede
grüße dies frohe befreiende Blau
über all dem farbloſen Grau,
freu dich der flimmernden Mittagsſtunden,
ſonne das Herz dir zu keimender Kraft,
daß es dem müde machenden Winter
und ſeiner Enttäuſchung ſich wieder entrafft!
Nur warte, nur wart noch! es wird ſich erfüllen,
es wird ſich erfüllen, was du erſehnſt:
r 105
Glutig auflodern wird es am Himmel,
über die Berge her wird es wehn
und wie donnernde Oſterglocken
wird es durch die Lande gehn
nur warte, nur wart noch und hab Geduld!
So ſchön und ſo köſtlich dies blitzende Blau
mit feinem füßen ſtillen Locken,
es kommen Tage noch und Wochen
farblos grau,
da alles wie vorher troſtlos weh
in Regen ſich begräbt und Schnee,
Tage voll Traurigkeit, Tage voll Müh
ſprich noch nicht vom Frühling, es iſt zu früh!
106 SOHN Lehr- und Wanderjahre
April
u” wenn du jetzt aufwachſt morgens
ganz leis und fein
ſpielt um die Dächer
der Sonnenſchein,
und du biſt nicht mehr müde,
wie ſonſt, und verzagt:
was ſoll nun wieder
voll Mühſal und Plag
der ganze lange endloſe Tag!?
Froh und munter
geht's ihm entgegen,
und alles iſt ſo wunderbar
friſch und ſtark und hell und klar,
das ganze Leben ſo frei, ſo leicht,
daß du dich ſelber drüber wunderſt:
von was für töricht dummen Dingen
du das Herz dir ließeſt zwingen
und kaum begreifſt:
mit welch erbärmlichen Kleinigkeiten
die Menſchen ſich das Leben verleiden .
Höhenzentlang SAY INDTIDTISTYDT) 101
Kleinigkeiten, ob denen es kaum
der Mühe wert, ein Wort zu verlieren,
geſchweige denn tage⸗ und wochenlang
zu quälen ſich und zu fchifanieren ..
und vollends jetzt, das Frühling wird
und, wenn du aufwachſt morgens,
ganz leis und fein
um die Dächer ſpielt
der Sonnenſchein
und alles rings ſo wunderbar
friſch und ſtark und hell und klar
wozu ſich da grämen und betrüben!
nein, weg mit all den Schererei'n!
es lohnt ſich da wahrlich nur: zu lieben!
es lohnt ſich da wahrlich nur: froh zu fein!
c—
108 ASNEIDIDrHDT) Lehr- und Wanderjahre
Von Dem und Jenem
1
W. ſchreit und lärmt und ereifert fi,
man findet es dumm und lächerlich
und gegen allen Anſtand und Brauch,
man ruft die Polizei zu Hilfe,
und dieſe kommt und verbietet es auch
und ſperrt die Straßen und raſſelt mit Ketten
und tut, ſoviel ſie irgend kann,
die bedrohte Bürgerruhe zu retten.
Und ein paar Jahre ſpäter, gib acht,
iſt alles, worob man den Lärm gemacht,
wofür man ereifert ſich und erregt,
wogegen man Himmel und Hölle bewegt
kein Menſch weiß, wie es eigentlich kam:
ſo ſelbſtverſtändlich, ſo alltäglich,
ſo eingefügt in den ganzen Lauf
und mit Sitte und Anſtand ſo wohl verträglich,
als wär man's gewöhnt ſo von Jugend auf.
Höhen⸗entlang IH II HDD 109
2
as ſich dir auch erfüllen mag
und wie's in deine Türe trete,
ob königſtolz
an lautem Tag,
ob bettler ſcheu
in ſtiller Nacht,
du haſt es immer doch ganz anders,
ganz anders dir gedacht
Und ob du noch ſo ſehr dich freuſt,
ein bißchen biſt du immer enttäuſcht.
RT
10 wre Lehr- und Wanderjahre
3
ch darf's,
du darfſt's
und jeder,
der da gleich ſtolzen Sinnes wär,
der ſo wie ich, der ſo wie du
die Jahre hin, die Jahre her
den eigenen Wunſch im Zügel hielt,
daß er nun ganz von ſelbſt nicht mehr
auf Wege drängt, die wir nicht wollen,
ein jeder, der
fo drüber ſtände
wie du und ich
darüber ſtehn .
die Welt würd ruhig weiter gehn,
es würde niemand was geſchehn,
es würde niemand was genommen!
Und dennoch, ſieh! eh wirs verſähn,
würden ſie dutzendweiſe kommen:
Wer ſind die, die da oben gehn?!
FF 111
wer find die, die da haben dürfen,
was ung verfagt?! wir find doch wohl
nicht weniger gut, nicht weniger ſchlecht?!
gleiche Steuern, gleiches Recht!
So ſchrie es und im Handumdrehn ..
wir find nicht weniger gut und ſchlecht! .
wär Zaun und Garten niedergetreten ..
gleiche Steuern, gleiches Recht!
Und alles, was in langen Jahren
wir uns erkämpft als ſtillen Lohn
freiwilliger Frohn,
es würde nur uns ſelbſt zum Hohn!
=
12 ö Lehr- und Wanderjahre
*
imm einen jeden, wie er ift...
es hat ein jeder ſeine Mängel
und ſelbſt der Beſte, denn wir ſind
nun einmal Menſchen und nicht Engel!
Man nimmt dich auch dann, wie du biſt.
es hat ein jeder ſeine Mängel
und ſelbſt der Beſte, denn wir ſind
nun einmal Menſchen und nicht Engel!
We
|
.
N
nnn. m
Höhen⸗ entlang D 13
5
Da⸗ iſt ſo, Freund, ja, ja!
.. die andern
dürfen alles ſich erlauben,
dürfen's treiben, wie ſie wollen,
geck und keck und klug und dumm,
dürfen mit anmaßungs vollen
Eitelkeiten laut ſich blähn
und wie Wetterfahnen luſtig
fi mit jedem Windchen drehn.
niemand nimmt es weiter krumm!
Aber wage du das einmal,
wage du einmal ein Wort,
das nicht überall entſchuldigt,
hab dich du einmal ſo wichtig,
hab dich du einmal mit ihrem
feierlichen Selbſtbewußtſein .
Ach, es würde eine Luſt ſein,
wie ſie's alle übel nähmen,
Blatfhlen, Lehr⸗ und Wanderſahre 8
LIAN Lehr- und Wanderjahre
wie fie tief beleidigt kämen:
was du wärft und was du dächteſt!
andre ſei'n fo viel wie dul
und es wäre blaſſer Neid nur!
wahres Können ſei auch Gönnen!
wahre Freiheit ſei beſcheiden!
wahre Stärke ſtütze andre
wahre Größe . wahre Bildung.
Ja, es wäre eine Luſt,
wie ſie ohne es zu merken,
rührend harmlos und vergnügt,
ſich mit ihren Kaſtagnetten
an den eigenen Naſen hätten!
Höhen⸗entlang ASYL 115
6
8 ein anderer was gemacht,
iſt's gut und ſchön und klug bedacht,
man nimmt’g, wie's iſt, und freut ſich dran:
wieder einer, der was kann!
Doch wenn du ſelber damit kämeſt,
begänn ein Wackeln mit den Zöpfen,
ein Schütteln mit den weiſen Köpfen:
die Sache ſei viel zu verzwickt
und dies und das vorbeigeglückt!
man hätte zu viel dabei zu denken!
man wolle Erholung, nicht Quälerein!
das Leben ſei ohnehin ernft genug!
Kurzum: man müſſe leichter ſein!
Und glückte was mit leichterer Feder
weiß Gott, ſo kämen ſie erſt recht:
fo was könn heutzutage jeder!
mit ſolchen billigen Spielerein
erwürbe man ſich kaum viel Gunſt!
mehr⸗können müſſe, wer da wolle,
daß man ihn höher werten ſolle!
hart ſei das Leben, hart ſei auch die Kunſt!
— N —
16 EADDIDFHDFIEr) Lehr: und Wanderjahre
7
Faun Witze, lieber Freund,
kann ein jeder Klempnermeiſter machen,
faule Witze, über die dann
andre Klempnermeiſter wieder lachen
Immer freilich, mein ich, könn man
derart geiſtreich ſich nicht faſſen,
und zuweilen, mein ich, könn man
ruhig auch was gelten laſſen!
>
Höhen⸗entlang CALASAL IIND 117
Und nehmt ihr's übel
nd nehmt ihr's übel, nehmt es übel!
in Gottes Namen, reißt es zum Riß!
ich kann und .. will auch nicht! Gewiß,
ich will auch nicht
Die zwei, drei Stunden,
die mir als letzten, müden Reft
des Tages Arbeit übrig läßt,
ich will ſie nicht ſo zwecklos vergeuden
mit hohlem Gerede und mit Leuten,
für die ich genau ſo viel und ſo wenig
als ſie für mich
mit denen ich ſitze und Braten eſſe,
und die ich nach eilig ſteifem Adieu
vor der Haustür unten wieder vergeſſe
und all mein Lebtag nicht wiederſeh.
Die zwei, drei Stunden am ſpäten Abend
118 CRD) Lehr- und Wanderjahre
fie find das einzige, was ich habe,
ſie ſind mein Lohn und ſind mein Leben
und koſten mich denn doch zu viel,
um ſie ſo planlos zu verläppern
für andere zu bloßem Spiel!
Und wenn ich auch nichts weiter tue,
als daß ich mich in aller Ruhe
zu Haus einmal aufs Sofa ſtrecke
und über alten Plänen hecke
und ein paar Verſe reime ..
oder träume
wie man ſo träumt,
wenn man vom Leben
ein bißchen mehr will, als bloß eben
. leben!
—
as überfliehn?!
was überhaften?!
Ruhiges Mühn,
ruhiges Raften!
Eines gebe
dem Andern Gewicht:
reude,
fröhliche 5
fröhliche Pflicht!
TEE BE Te
dcr
22
120 ede Lehr- und Wander jahre
Im Spiel des Lebens
1
Ar und nieder
ſchwankt die Wage
deiner Tage,
wie ſich füllen
ihre Schalen,
dieſe hoch und jene tief.
Laß ſie ſinken,
laß fie ſteigen
dieſe hoch und jene tief .
Du nur zwiſchen beide ſtehe,
unbeirrt in deinem Ziel, |
feft und ſtark, als Halt und Träger,
als gerechter Gleicher und Wäger,
ſtill und ruhig über ihrem
ſteten Auf- und Niederſpiel.
— Zn
Höhen⸗ entlang ede de ed eds sev Ss 121
a aber liegt's:
der eine biegt's,
der andre bricht's!
laß nur das Schwert nicht in die Scheide roſten,
den freien Mut des freien Manns!
Wer etwas will, der kann ..
der kann's!
und würd es eine Welt ihn koſten!
Was du vor dir biſt, nur entfcheidet!
der Spruch der Welt, du lieber Gott,
zerrt heute hiſt und morgen hott,
und wenn ſie dich mit Purpur kleidet
für das, was einer litt und leidet,
iſt all ihr Purpur Faſtnachts⸗Spott!
Was du vor dir biſt, nur entſcheidet
und wird des Ganzen innerer Kern.
nicht Glück, nicht Zufall oder Stern!
und was dann auch dagegen ſtreitet,
der Freie macht ſich ſtets zum Herrn!
122 N Lehr- und Wanderjahre
Was du vor dir biſt, nur entſcheidet
und bleibt im buntverwirrten Spiel
des breiten Weltgetriebs das einzig
unverlierbar klare Ziel,
der einzige ſchaffende Gedanke,
der all dem blinden Her und Hin
Beziehung gibt, Verſtand und Sinn,
daß es ſich formt und fügt und ordnet
und ſtill zu einem Ganzen webt
der einzige
feſte
Punkt, von dem aus
ein Starker
die Welt aus ihren Angeln hebt!
Den einen trügt's,
den andern trägt's,
dem einen liegt's,
der andere legt 's.
laß nur das Schwert nicht in die Scheide roſten,
den freien Mut des freien Manns!
wer etwas will, der kann s.
der kann's!
und würd es eine Welt ihn koſten!
— Xx —
Höhen⸗entlang ALAND 123
3
ums das allein iſt's, drum ſich's handelt,
wie Welt und Zeit auch ſtürmt und wandelt
mit allem, was du je begannſt:
daß ohne Vorwurf, ohne Lüge,
daß ohne Reue, ohne Rüge,
auch vor dem eigenen Tribunal,
daß du mit ruhigem Gewiſſen
zurück⸗ und vorwärtsblicken kannſt
auf deines Jahres ſtille Mühe
ob du verlorſt, ob du gewannſt.
Nicht fremden Anderen zu Dank.
was denn auch ſollen dieſe Andern!
es iſt ja doch ein ſtetes Wandern
voll Mißgunſt überall und Zank!
Nein, dir allein zu Recht und Ehre,
dir allein zu Luſt und Laſt:
deinem Glauben, deinem Leben,
deinem Schaffen Genüge zu geben.
Rc 2
rc
124 Wr Lehr: und Wanderſahre
Mag man’s dann loben oder tadeln,
was liegt daran!?
Es wird ſich immer adeln,
trotz Acht und Bann:
wer ohne Vorwurf, ohne Lüge,
wer ohne Reue, ohne Rüge
zurückſehn darf und ſagen kann
von ſeines Jahres ſtiller Mühe:
er habe feine Pflicht getan
ob er verlor, ob er gewann
Und weder Glück noch Unglück
hab je was über ihn vermocht,
und weder Täuſchung noch Erfüllung
das freie Herz ihm unterjocht!
—
Höhen-entlang DALAI DTIDIDTIDT 125
Dem Dichter
Greift nur hinein in's volle Menſchenleben,
ein jeder lebt's, nicht vielen iſt's bekannt,
und wo ihr's packt, da iſt's intereſſant.
Vorſpiel zum Fauſt.
Des nicht, was du von außen packſt,
ob dich ein Zufall glücklich leitet,
und wenn du's noch fo ſcharf umzackſt,
: krönt dich zum Sieger und entfheidet ..
Nein: ob du's mit den Wurzeln greifft
und wie du's ſtimmſt und wie du's reifſt
in ſtiller Tage ſtillem Werden,
ob du's zur Sonne aufwärts hebſt,
empor aus ſeines Unwerts Trübe,
empor aus ſeines Werktags Dunſt,
| ob du's mit deinem Ich durchlebſt
i und mit der Sehnſucht deiner Liebe,
5 dem Gottesatem freier Kunſt.
Fre
126 Irre Lehr: und Wanderjahre
Was follen wir mit fremder Menſchen
gleichgültiger Luft, gleichgültigem Leid?!
Du gib ihm Wort erft, Wert und Weihe
zu dem, dem du dich felbft geweiht!
Wir wollen dich, nicht .. ung, nicht andre!
wir wollen dich, was dich bewegt,
was dich . auf freigekämpften Schwingen,
dem Staub entträgt,
dem Staub, dem Dunſt, in dem wir ringen,
der Mühſal zwiſchen Heut und Morgen,
die uns mit ewigen Pfennig⸗Sorgen
um unſer beſtes Teil betrügt!
Wit deines Wortes mächtigem Werde
zerreiß die Nebel, ſchaff uns Licht...
und über unſerem kleinen Daſein
mit ſeinem rieſengroßen Leid
zeig uns die morgengoldenen Feuer
der Sonne deiner Ewigkeit
Fr ISIN) 177
2
er Dinge unerkanntes Wefen ..
ein Lehrling auch wird's manchmal löſen
mit irgendwo erlauſchtem Spruch
ein Lehrling auch vermag mitunter
ein Wunder
und kann, was im Verborgenen ruht,
aus dumpfer, traumgebundener Hut
zu Aufſturm und zu Tat befrein...
doch Meiſter wird er drum nicht fein!
denn Sieg iſt's nirgends: blinde Kraft
zu löſen nur und zu entflügeln b
Sieg iſt es erſt:
in freiem Spiel,
zu jeder Zeit, zu jedem Ziel
die Macht zu haben, ſie zu zügeln!
— u
128 eee Lehr- und Wanderjahre
3
D* Was iſt's nicht!
Wer etwas kann,
zwingt ſich den ſprödeſten Stoff zu Willen,
zwingt zu lebendig friſchem Quell
das Felsgeſtein, das ſonnzerglühte,
zwingt das verdorrteſte Reis am Weg
zu Keim und Blüte
mit bloßem Wort .. er will und ſpricht's,
und . überflammt von tauſend Sonnen,
befreit er eine Welt voll Wonnen
aus leerem, dämmergrauem Nichts!
Das Was iſt's nicht! Das Wie allein
wird Kranz und Krone dir verleihn!
Stoff iſt nur Stoff, in blinder Haft.
dein Wille erſt wird ſeine Kraft,
dein Wort erſt wird ſein Werde!
Es iſt die gleiche Handvoll Erde. |
ein Gott wird Menſchen daraus fchaffen,
ein Stümper .. Affen!
*
Fa nicht,
mach's fertig,
und es iſt gut!
Frägſt du,
weiß jeder was einzuwenden,
der im Ernſt und der im Spaß, 8
du aber ſtehſt mit verdroſſenen Händen, a
zweifelnd, mißgeſtimmt und laß Ä
und beginnft zu ändern
aber die erfte
Freude ift weg 2
und ihr heiliger Mut. >
Frag nicht,
mach's fertig,
und es iſt gut!
—
Slatſchlen, Lehr ⸗ und Wanderſahre 9
130 DN D Lehr- und Wanderjahre
5
Me was du willſt, mach's wie du willſt,
nur ſorg, daß es in deinem Sinn
als Ganzes, Volles dir gelingt,
und daß nichts Fremdes dazwiſchen klingt!
Man nenn'ẽs dann gut, man nenn es ſchlecht.
es habe ruhig jeder recht,
und wer da lachen will, ſoll lachen ..
Witze ſind über alles zu machen!
die einzige Frage, die da gilt,
ob einer lobt nun oder ſchilt,
die einzige Frage iſt: gabſt du ein Eig' nes !?
—
Übertragungen
E nach
Baul Verlaine
Still!
Tiefſtiller dunkler Schlaf
ſinkt über meinen Tag,
daß ich nichts hoffen mehr,
nichts fürchten mag!
Das ganze Leben
ich entſinne mich kaum,
war es froh, war es traurig?!
Alles wird Traum
Still. Still!
X X
132 Dede Lehr- und Wanderjahre
Serenade
Als ob ein Toter im Grabe müd und wund
nach Leben riefe,
ſucht mein Lied ſich zu dir mit klagendem Mund
aus dunkler Tiefe.
Laß lauſchen dein Ohr, deine Seele dem Klang
meiner Zither:
für dich, für dich nur gilt mein Geſang.
ſo ſüß, ſo bitter.
Ich ſinge von goldlichter Augen Pracht
voll ſüßem Frohlocken,
von ſelig vergeſſendem Traum in der Nacht
ſchwarz wallender Locken.
Als ob ein Toter im Grabe müd und wund
nach Leben riefe,
ſucht mein Lied ſich zu dir mit klagendem Mund
aus dunkler Tiefe.
Und ich ſing von der wonnigen Wundergeſtalt
deiner Glieder,
in ſchlafloſen Nächten voll Sehnſucht umwallt
ihr Duft mich wieder.
a ,
und der Suf, mit der du mich quältet, o du.
mein Engel! mein Elend!
134 WDADAHDOHDTIDTHDT) Lehr- und Wanderjahre
Im Gefängnis
Der Himmel, drüben über dem Dach,
in tiefblauem Schweigen,
ein Baum, drüben über dem Dach,
mit wiegenden Zweigen.
In dem Himmel, den man ſieht,
klingts wie von Glocken,
ein Vogel auf dem Baum, den man ſieht,
ſingt ſein Frohlocken.
Mein Gott, mein Gott, fo friedlich und ſchön .
das dort iſt Leben!
in der Stadt drüben dieſes frohe Getön
und Summen und Weben!
Und du, der du hier weinſt,
durchs Gitter lugend,
was haft du gemacht, ſag, der du hier weinft,
mit deiner Jugend !?
— 50 —
Lehr⸗ und Wanderjahre des Lebens AS 137
Brief⸗ und Tagebuchblätter
1
Sylveſter
omm, vergiß einmal all die Geſchichten
komm und begrab einmal all den Kram!
es ſind ja doch nur Lumpereien,
die einem nur das Herz zerquälen,
die einen nur müde machen und lahm!
Die Menfchen find fo, ich weiß es wohl:
ſtatt fröhlich und guter Dinge zu ſein,
vernörgeln ſie ſich die ſchönſten Stunden
mit kindiſch törichten Hetzerein.
Sie möchten es ſelbſt nicht, wenn man frägt
ſie ſehnen ſich, harmloſer ſein zu dürfen,
ſie nennen es Unrecht, Schande und Hohn
und möchten heraus aus all dem Gezänke
und kommen doch nicht los davon
DIS reed Lehr- und Wanderjahre
und wenn man ſo zuſieht, wie ſie allmählich
mutloſer werden, trüber und trüber
Mein Gott, man könnte weinen drüber!
Lebt mit mehr Freude! ach, ich möcht's
groß wie die Sonne an den Himmel ſchreiben,
daß es wie Feuer in die Herzen lobt...
lebt mit mehr Freude und ohne die Not
und ohne den Haß und ohne den Neid,
an den ihr das halbe Leben verpaßt...
macht's euch zu Luſt und nicht zu Laſt!
lebt mit mehr Freude,
lebt mit mehr Raft!
7
Ziel⸗ entgegen SADASCHICHDL HD ID ID 139
II
Neujahr
oldrot im Nebel glüht die Sonne
friſch hinein in den prächtigen Tag!
friſch hinein in das junge Jahr!
vorwärts! Glück und Sieg entgegen!
Einen Mantel um, den Hut ins Geſicht,
einen Stock in die Hand! mehr braucht es nicht!
Um Gottes willen nur nicht lang grämen!
nur nicht lang ſtehen und Abſchied nehmen!
ſei froh, den Kram einmal los zu ſein!
oder mit langem Räumen und Schnüren
und Hin und Her die Zeit verlieren!
Es bleibt jedes Jahr ein kleiner Reſt,
den man am beſten liegen läßt!
Aber das iſt's ja: ... das viele Gepäck,
mit dem man ſich durchs Leben ſchleppt!
Einen Mantel um, den Hut ins Geſicht,
einen Stock in die Hand! mehr braucht es nicht!
rr
N
r
140 SCI IDOHDT Lehr- und Wanderjahre
ein bißchen Mut und Glückvertraun,
ein bißchen Zuverſicht zu ſich ſelber,
ganz ſtill!
dann geh und komme, was da will,
du brauchſt nicht ängſtlich zurückzuſorgen,
ob alles in Ordnung, und umzudrehn,
du kannſt jedwedem jungen Morgen
mit freier Kraft entgegengehn!
III
Sonnenkraft
nd immer wieder ſinkt der Winter
und immer wieder wird es Frühling
und immer immer wieder ſtehſt du
und freuſt dich an dem erſten Grün,
und wenn die kleinen Veilchen blühn,
und immer wieder iſt es ſchön
und macht es jung und macht es froh,
und ob du's tauſendmal geſehn:
wenn hoch in lauen blauen Lüften
die erſten Schwalben luſtig zwitſchern
immer wieder . jedes Jahr
fag, iſt das nicht wunderbar?!
Dieſe ſtille Kraft der Seele:
immer neu ſich aufzuringen
aus dem Banne trüber Winter,
1427 IC HICHDHDTHDT) Lehr- und Wanderjahre
aus dem Schatten grauer Nächte,
aus der Tiefe in die Höhe
ſag, iſt das nicht wunderbar ?!
dieſe ſtille Kraft der Seele,
immer wieder
ſich zur Sonne zu befrein,
immer wieder ſtolz zu werden,
immer wieder froh zu ſein ?!
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144 deer Lehr- und Wanderjahre
V
N geht kein Tag zu Ende,
richt es, ſchicht es, wie du willſt.
rührſt du noch ſo ſehr die Hände
und liegt alles glatt und fertig,
was da fertig werden ſollte,
richt es, ſchicht es, wie du willſt,
reſtlos bringſt du's nie zu Ende...
eine Sorge, eine Frage
zwirnt ſich ſtets zum andern Tage,
flicht es, ſchlicht es, wie du willſt..
Doch vielleicht auch eine Freude,
wägſt du mit gerechter Wage!
208
VI
ozu das Geklage: ‚du habeſt kein Glück!
und . . das ſei dein Geſchick!
Geſchick iſt nur, wozu du ſelbſt
mit eigener Kraft und eigenem Willen
die Reihe deiner Tage webft..
und Glück doch auch nur, was du ſelber
aus deines Wunſches Tiefe hebſt!
—
Zlaiſchlen, Lehr⸗ und Wanderſahre 10
146 DD DOT Dee Lehr= und Wanderjahre
VII
as iſt das Leben! was erwarteſt du mehr?!
was du haſt, iſt alles! es gibt nichts mehr?
Das iſt das Leben:
all dieſe kleinen Alltäglichkeiten
von Stund zu Stunde: dies Aufſtehn morgens
und dann den ſtillen Tag entlang
in ſtillem Gleichlauf deine Arbeit...
Reſte von geſtern, Sorgen zu morgen...
zuweilen auch wohl ein . froherer Gang,
ein hellerer . ein vollerer Klang.
ein bißchen Scherz, ein bißchen Ärger,
ein bißchen Glück, ein bißchen Tück.
hochwichtig alles für den Augenblick,
im nächſten aber ſchon vergeſſen
und ſchließlich auch ganz einerlei:
ob morgen wohl ſchön Wetter ſei?!
und wenn, wohin man abends gehe?
und wie es da⸗ und damit ftehe?!
und dies und das und das und dies,
hundert kleine Was und Wie s,
hundert kleine Wohl und Wehe.
Das ift das Leben! erwarte nicht mehr!
was du haft, iſt alles! niemand hat mehr!
Es frägt ſich nur, wie's jeder faßt
und ſchiebt und fiebt..
und wie du's in die Zügel ſtraffſt
und wie du's auseinanderſpielſt
und wieder dann zuſammenzielſt,
damit ſich doch zuletzt ein Ganzes,
großlinig Eigenes draus ergibt!
—
148 ALINA ITYDT) Lehr- und Wanderjahre
VIII
Den einen macht es Spaß, bei Reichen
zu Gaſt zu ſein,
dem andern mehr bei ſeinesgleichen
zu Raſt zu fein
und in erträumten Königreichen
auf goldenem Thron
Phantaſt zu ſein.
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Ziel⸗ entgegen SDHC ID IND 149
IX
fe nur ſein zu können,
was du ſein willſt,
das iſt das Bittere
in halbverlorenen, abendmüden Stunden nur
ſtatt mit der vollen Luſt des vollen Tags
freihaupt, gradaus, wie andre,
die ganze Kraft zu einem Ziel zu treiben
Daß du dir mühſam erſt aus ſchwerem Schacht
das Eiſen graben mußt,
die Axt zu ſchmieden,
die dir den Weg zur Höhe bahnen ſoll:
auf deren Gipfel du in weißem Glanz
die Tempelburg erbaun willſt, die du träumſt
die Tempelburg
mit ihren goldenen Königsbannern auf den Türmen,
mit ihren roſenüberblühten Zinnen,
und ihrem nie verſchloſſenen Tor!
Von allem eines wäre ſchwer genug!
— 6 —
150 SIIHLRDIYDYHDT) Lehre und Wanderjahre
X
O nur nicht müde werden!
alles andre.
nur nicht müde werden!
Ich meine nicht: vom äußern Lärm des Tags,
nicht vom Gedränge kleiner Unruhſtunden .
das alles löſt ſich immer ganz von felbft..
und löſt ſich's nicht,
fo wirf es hinter dich.
das große Ziel nur laß dir's nicht verbiegen!
Es kann ein trüber Tag dich wohl verſtimmen,
es kann Enttäuſchung mißgemut dich machen,
es kann Verdruß ob ſo viel plumpem Schwindel
zu jähem Zorn vielleicht die Fauſt dir ballen,
es kann dir auf die Nerven fallen:
lohnt ſich's denn überhaupt, zu fiegen!?
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1527 SAD e Lehr- und Wanderfahre
XI
uf den Höhen des Lebens
du dachteſt:
in Ewigkeiten zu ſenken
das trunkene Auge
und erkennſi
noch tiefer nur
des ganzen Getriebs
kernloſe Schalheit .
auf den Höhen des Lebens!
Auch dieſe Erkenntnis aber
iſt .. Sieg.
865
aß endlich, laß dieſes Dringen und Drängen,
dies müdemachende Zwingen und Zwängen
was einer tun kann, haſt du getan!
und mehr vielleicht!
Nun mache Raft
am grünen Hang
es muß jetzt für ſich ſelber forgen,
es muß ſich ohne deinen Rat
aus eigener Kraft jetzt weiterwenden
und ſich zu ſeinem Ziel vollenden!
Du aber rüſte dich und reife
zu neuen Schaffens froher Tat!
—
154 DDD D Dees Lehr- und Wanderjahre
XIII
anz ſtill zuweilen, wie ein Traum,
klingt in dir auf ein fernes Lied.
du weißt nicht, wie es plötzlich kam,
du weißt nicht, was es von dir will
und wie ein Traum ganz leis und ſtill
verklingt es wieder, wie es kam
Wie plötzlich mitten im Gewühl
der Straße, mitten oft im Winter
ein Hauch von Roſen dich umweht,
wie oder dann und wann ein Bild
aus längſtvergeſſenen Kindertagen
mit fragenden Augen vor dir ſteht
Ganz ſtill und leiſe, wie ein Traum
du weißt nicht, wie es plötzlich kam,
du weißt nicht, was es von dir will,
und wie ein Traum ganz leis und ſtill
verblaßt es wieder, wie es kam.
Zielzentgegen DSL HICHDCHDO HDD) 155
XIV
itunter freilich kommen Stunden:
und was du nie bewußt empfunden,
gleich einem grauen Regen regnet's dir ins Herz,
und wie ein ſcheuer Bettler bleibſt du ſtehn,
verſtohlen durch die Hecken zu ſpähn,
hinter denen ſie ſitzen und plaudern und lachen,
fröhliche Menſchen in fröhlichen Kleidern
plaudern, lachen, ſingen und küſſen
fo leichten Bluts,
ſo frohen Muts:
Als ob es all das Schwere gar nicht gäbe,
an das du ſo viel Kraft verfehlſt!
als ob der Kampf, von dem du ſprichſt,
und all die Müh und Sorge . nichts!
als ob es eitel Hirngeſpinſte,
worüber du dich härmſt und quälſt!
; und als ob allen, die da figen
fo kinder froh
und ſingen und ſpielen, tanzen und küſſen,
156 DIL) Lehre und Wanderſahre
erfüllt ſchon längſt,
was du als letzten Dank dir denkſt,
als Endlohn für Jahre voll Kampf und Schmerz.
Und wie ein grauer Regen regnet's dir ins Herz
und wie ein Bettler drückſt du dich von dannen
einſam
deinen einſamen Weg.
Ziel⸗entgegen LASAILNIIINLINILDN 157
XV
as aber ift das Schwere dann:
binauszuwiffen
über ein erreichtes Ziel und:
nicht ftehen zu bleiben
und fich betören:
nun ſei's getan,
nun gehe alles ſeinen Gang,
nun habe alle Not ein Ende,
am Ziele anzukommen, ſei genug!
Ich aber ſage: es iſt nicht genug!
ein Ziel iſt nichts! an ein Ziel bringt ſich ſeder!
und ſtehen bleiben rechnet überhaupt nicht!
Es gilt weit mehr, als nur ans Ziel zu kommen.
im Großen wie im Kleinen,
im Groben wie im Feinen:
158 III DT) Lehr und Wanderjahre
Es gilt: hinauszuwiſſen über das Erreichte,
hinauszuringen über das Errungne!
es gilt: von jedem erſtrittenen Punkt
weiterzuwollen und weiterzuſehn
und immer aufs neue Wege zu finden
hochauf zu immer freieren Höhn!
XVI
De war ein ganzer Tiſch voll Freunde,
und alle tranken ſie dir zu
und alle machten mit dir Bu.
Und ſchöne Fraun bei Küſſen und Koſen i
kränzten die Stirn dir mit blühenden Rofen...
Und ſchließlich 5
biſt du doch allein gebliebe
und einſam, wie du immer warſt.
160 ⏑⏑⁹¼α ] Dee Lehr⸗ und Wanderfahre
XVII
eſter nur drück dir den Hut ins Geſicht,
feſter nur faſſe den Stock.
dein Weg war immer ſchon einſam genug
über Klippen und über Geſtein
und wird je höher zur Höhe empor
nur noch ſteiler und einſamer ſein
feſter drum drück dir den Hut ins Geſicht,
feſter nur faſſe den Stock!
Du konnteſt wie alle einſt wählen und gehn
durch blühende Gärten im Tal
doch es drängte nach Kampf dich, mit ſchaffender Tat
zum Gipfel zu zwingen den ſteinigen Pfad .. 8
und nun er ſteiler und ſteiler wird,
und nun er dich weiter und weiter verirrt
in ſein großes entſagendes Schweigen
feſter nur drück dir den Hut ins Geſicht,
feſter nur faſſe den Stock!
Du haſt's gewollt, blick nicht zurück,
laß hinter dir liegen, was hinter dir liegt!
und wird es noch ſo ſtill und einſam
und ſtarr und hart und kalt und kahl,
ſchrick nicht zurück, du wußteſt,
daß du verzichten mußteſt
auf die Feſte der Menſchen im Tal.
—
Statſchten, Lehr-und Wanderfahre 11
162 WEIL STHDTHEDT) Lehr- und Wanderjahre
XVIII
ch habe Nächte dafür geopfert,
ich habe Herzblut daran gegeben,
und feige Buben nun kommen und heben
die Hand auf gegen das fertige Werk.
Zerſchlagt, zerſchlagt es! wenn ihr könnt!
ich glaub es nicht! jedoch . . zerſchlagt's!
mir tut ihr nichts damit! mich trefft ihr nicht:
ich ſteh und ſeh euch zu und lach!
Und wenn ihr Rieſen oder ſonſt was wärt
was es mir gab und war, indem es wurde,
das zu zerſtören, ſeid ihr doch zu ſchwach!
A A Are de a 4
XIX
leib feſt und wiſſe, was du willft
und wie du dich zu dir erfüllſt,
und laß dich töricht machen nicht
durch törichtes Gerede,
und laß dich von den Liedern,
die ſie draußen ſingen,
ablocken nicht von deinem Weg
ſei ſtolz und glaube an dich ſelber
und bleib dir treu!
Es führen alle Wege wohl zur Kunſt,
es führen alle Wege wohl zu Freiheit,
denn Kunſt ſoll Freiheit ſein
und Freiheit geben.
Ziele, über dich ſelbſt hinaus,
Kraft, dich über den Wandel der Tage,
über der Dinge kleinliche Klage
Flaiſchlen, Lehr⸗ und Wanderſahre 11*
164 DONDOHDTIDOIDOHNDT) Lehr- und Wanderſahre
trotz⸗ und ſiegfroh emporzuheben,
dich und die, für die du aufwärts ringſt!
Es führen alle Wege ſo zur Kunſt,
doch immer mitten nur durchs Leben,
durch Kampf und Schmerz,
und nicht abſeits verlorene Felder entlang,
und immer mitten nur durchs eigene Herz!
Für jeden freilich immer nur der eine,
den er in dunkler Knabenſehnſucht fand
und den er weiterſchreitend durch die Jahre
in ſtetem Reifen und in ſtetem Mühn
mit immer freier- und lichterem Glühn
von Höh zu Höhe ſich gebahnt.
ep,
8
2
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E
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F
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166 dee Lehr- und Wanderſahre
XXI
nd dennoch:
Nein, ich beneid euch nicht!.
Hell iſt mein Herz und hell mein Blick
und hell in goldener Sonne liegt
die Welt, ſo ſommerklar und ſchön,
leuchtende Wolken über den Höhn
und immer tiefer ſinkt das Tal
und ſein Gewühl
und alle Angſt und alles Enge,
alle Schwere, alles Gedränge .
und immer höher, immer breiter,
immer lichter, immer weiter
wird der Himmel,
wird mein Ziel!
en nr
—
—
2
Ziel⸗ entgegen CALDIIHINTICYHDTIDTNDTY 167
XXII
ur wieder kehre ich aus fremdem Lande
und ſeines Lebens buntes Bilderſpiel
verglüht zu ſtiller, weißer Flamme:
Du in dir nur trägſt den Punkt,
in dem ſich alles faßt und findet
und löft und bindet
Du biſt die Welt und nicht das laute
vieldeutig immer andere Ding,
das ſich ſo nennt, das niemand kennt
und nichts und alles iſt! .. du biſt die Welt
und nicht die Länder, nicht die Meere,
die du durchquerſt in raſchem Flug,
auch nicht was Menſchenkönnen ſchuf
Du biſt die Welt und du allein
und biſt du Gottes, wird ſie Gottes ſein!
—b̃—
168 OAIADHDTHDTIDT) Lehr und Wanderjahre
XXIII
ch kann euch eures Alltags Laſt nicht nehmen,
wie mir die meine niemand nehmen kann
und auch nicht nehmen ſoll . N
ein jeder finde ſelber ſich zurecht,
ein jeder trage ſelbſt, womit er ſich belädt,
und kämpfe ſelber ſich durch Weh und Wohl!
Was ich vermag, es iſt nicht mehr vielleicht,
als euch in ſtiller Feierabendſtunde
zu zeigen:
wie es mir gleich tauſend andern ging:
wie's mich geduckt,
und wie ich gezuckt
und wie ich jede Zuverſicht verlor...
und wie ich plötzlich dann trotzig wurde:
was andre zwingen, das zwingſt du auch!
es gibt kein Schickſal! Verluſt und Gewinn
iſt nur, was ich ſelber will und bin!
Een
* Re
a ah
Ziel⸗ entgegen EADILIINIZN DON 169
Und wie ich die Arme dann frei mir rang,
und wie ich den Kopf wieder hoch bekam,
und wie ich zu mir ſelber fand,
und wie ſich langſam immer klarer,
immer freier, voller und wahrer
aus der verſchütteten Tiefe hob:
alles, was ich ſeit Knabentagen
glühend in der Seele getragen!
Und wie es Geſtalt und Leben gewann
und ſich verwuchs und zuſammenſpann
und höher mich und höher trug,
Morgen, Sonne und Sommer entgegen,
und wie's mit immer hellerem Glanze,
mit immer freudefroherem Ruf
mich umklang und aus des Alltags
Laft mir Kraft und Freiheit ſchuf.
170 rn) Lehre und Wanderjahre
XXIV
ch habe wohl einmal gezagt,
ich hab auch wohl einmal geklagt,
wie jeder zagt,
wie jeder klagt,
wenn Müdigkeit ihn überkam
und ſeine Zuverſicht ihm nahm
Und doch: ſo viel auch in die Brüche ging,
worauf ich hoffte und woran ich hing,
ein ſtilles frohes Lachen in der Tiefe,
ganz fern aus Kinderzeiten her,
hat nichts und niemand noch mir nehmen können.
ein ſtilles frohes Lachen, ich weiß ſelbſt nicht wie:
ganz fern aus Kinderzeiten her
klingt ſeinen Klang es in mein Leben,
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® 2 4 a * m a
Ziel⸗ entgegen ILNINLINLNIHDNEN 171
voll heimlichen Glücks, bald fern, bald nah,
plötzlich verſtummt und plötzlich wieder da.
Ein Lachen, weißt du, wie's im Walde lacht,
wenn in Hochſommermitternächten,
der Herbſtſturm in ſeine Wipfel kracht,
ganz fein und fern wo in der Tiefe
wie wenn ein Sonnenelfchen riefe
und über die Rieſen ſich luſtig mache,
die rings ihm drohn und nach ihm rennen
und nirgend doch es faſſen können
Ein ſtilles frohes Lachen, das da weiß,
daß es mächtiger iſt als Schnee und Eis,
und wenn es aufbricht aus der Tiefe
und in die Täler niederſchwillt,
daß es dem rauheſten Sturm zu Trotz,
mit Sonnenmacht
über Nacht
die ganze Welt voll Roſen lacht.
Ich habe wohl einmal gezagt,
ich hab auch wohl einmal geklagt,
wie jeder zagt, wie jeder klagt,
172 SDADODOIDTIDTN Lehr- und Wanderjahre
und doch dies ftille frohe Lachen
ganz fern aus Kinderzeiten ber ..
dies Lachen, weißt du, wie's im Walde lacht,
wenn in Hochſommermitternächten N
der Herbſtſturm in ſeine Wipfel kracht,
dies Frühlingslachen, das da weiß,
daß es mächtiger doch als Schnee und Eis,
hat niemand noch
und nichts mir nehmen können.
—
Zielsentgegen DIL HLC HDD HDOIDOND 113
XXV
nd immer weiter führt dein Weg
und immer mehr legt ſich allmählich alles
hinter dich,
was du in Kindertagen einſt
mit glühendem Wunſch in deine Zukunft träumteſt.
du hätteſt bis zum letzten Reſt darum gekämpft.
Doch wie du weiterſchreiteſt durch die Jahre
reift eins ums andre dir von ſelbſt entgegen
und hängt mit vollen Früchten über deinem Weg.
Du ſiehſt es, lächelſt und . gehſt weiter!
Du hätteſt bis zum letzten Reſt darum gekämpft
in Kindertagen einft .. und nun
vermiſſeſt du es kaum
im breiten Reichtum des gewonnenen Lebens
und wunderſt dich, es je begehrt zu haben!
Du lächelſt und gehſt weiter, ſtill und froh
Und ſo erfüllſt du dich an deinem Ziel,
wie ſich allmählich ſo dein Ziel an dir erfüllt.
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174 ISIN DTIDR) Lehr: und Wanderjahre
XXVI
S dacht ich auch einſt: was ich träumte
in Frühlingsfülle müſſe es ein Mai
ausſchütten über mich aus goldenem Horn
und eines Morgens oder eines Abends müßten
plötzlich
die Berge auseinandergehn, durch die ich rang,
und alles köſtlich in Erfüllung ſtehn,
in Glanz und Klang.
Und Jahr um Jahr kam und verrann
und Ferne über Ferne hüllte
ſich auf ... nicht eine aber erfüllte,
was meine Sehnſucht hinter ihre Schleier ſpann!
Nun wart ich längſt nicht mehr .
auf ſolche Märchentage
und glaube wie ein töricht Kind
mein beſtes Können in den Wind!
AJtel⸗entgegen CASH 115
Ich will vom Leben nichts geſchenkt mehr haben!
; 8 ich ſchaff mir ſelbſt, was ich mir wünſche!
Tat iſt Erfüllung, nicht Gebet:
die Ferne reift nur, was die Nähe ſät!
8 Ich nehme mir, was ich vom Leben will
ich will vielleicht ſo viel nicht mehr wie früher,
doch lachend ſteht es und hält ſtill
und blüht mir feinen Überfluß entgegen
in reicherer Fülle, als ich je geträumt!
S
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Lehr⸗ und Wanderjahre des Lebens LADYS) 177
Inhaltsüberſicht
Gedichte, Brief⸗ und Tagebuchblätter
Aus den Jahren 1884 bis 1890:
Über die Brücke
Laß drohn, was will. 5
4 7
Einem Freunde 8
Spätfommerrofen .... 11
Wirſt du ein Engel fein 12
Der trübe, graue Himmel 13
Habe Geduld 14
Es war einmal 16
Von einem Königskinde 17
Gott ſei Dank 19
Ich hab's genug! .... 20
Mein Gehirn ift müde. 21
Ich will in die Sonne
FF 22
Das Schloß am Rhein 23
Doch ich hob nicht... 26
Voll in die Fenſter .. . 27
Zu denen ſtets tritt offen 28
Ich hab getröſtet 29
Vom Notizblock 30
Aus den Jahren 1890 bis 1892:
Quer⸗wegein
Treib's, wie du willft . 35
Und wenn ich Tor bin. 36
Wer es kann und wem's 37
Je älter man wird. . 39
Ich ſeh die Welt 41
Man hätt es nicht . . . 42
Jenſeits der Straße.. . 43
Februarſchnee 44
Leber auf eigene 40 So freu dich doch . . . 45
178 DAILY Lehr- und Wanderjahre
So ward es März... 46
Irrte auch 48
Ihr feid’g, die mir wehe 50
Laub am Boden „„
Die Sonne finft.... 53
Nun hat das Leben .. 55
Singlieder (1892 bis 189%:
Horas non numero. 56
Sonn ' entgegen... 57
Hab Sonne im Herzen 59
Trutz lied „
Lumpenlieed ER
Aus den Jahren 1890 bis 1894:
Berg⸗ auf
Meiner Mutter . 67
Einem Freunde... 72
Das tft das einzige .. 74
Du fragft, was uns not
tut, Freund? J. 76
Einem Kinde 80
Man findet's auch.. 82
So drängt und treibt. 83
Lebwohl, Kind.... 84
Alles längſt nun .... 88
Bleiſtiftſkizzen: Rügen 89
„ Herbſ t.. man 90
„Totenſonntag 92
Was müde macht.. 9
Ich habe Nächte 94
Schlaf’, müde Seele, 95
Und fo zerbrödelt.... 96
D ja, wir find.
Es lohnt ſich nicht.. 99
Lied des Wanderers. 100
Aus den Jahren 1893 bis 1896:
Höhen⸗ entlang
Vom Frühling:
ehrt 103
8 A FR . 104
Be 106
Von Dem und Jenem:
„Man ſchreit und lärmt 108
„Was ſich dir auch... 109
„Ich darf's, du darfſt's 110
„Nimm einen jeden . . 112
Das iſt fo, Freund!. 113
„Sobald ein anderer . 115
„Faule Witze 116
Und nehmt ihr's übel. 117
223 119
Ausgleich
Im Spiel des Lebens:
„Auf und nieder .... 120
— lest... 121
„Und das allein iſt's . 123
Dem Dieter:
„Doch nicht, was du. 125
„Der Dinge unerkanntes 127
‚Das Was iſt's nicht. 128
„Frag nicht. 129
„Mach, was du willſt. 130
Nach Paul Verlaine:
G 131
„Serenade 132
‚Im Gefängnis . 134
Aus den Jahren 1896 bis 1899:
Ziel⸗ entgegen
Sylveſter. 137
Neuſahr 139
Sonnenkraft. 141
Als Uberwinder . 143
Neſtlos geht kein Tag. 144
Wozu das Geklage.. . 145
Das iſt das Leben... 146
Dem einen macht es . 148
Nebenher nur fein... 149
O, nur nicht müde... 150
Mitunter freilich. . 155
Das aber ift....... 157
Da war ein ganzer Tiſch 159
Feſter nur drück dir . 160
Ich habe Nächte 162
Bleib feſt. 163
Das iſt vielleicht... 165
Und dennoch, nein! . 166
Und wieder kehre ich. 167
Ich kann euch 168
Auf den Höhen 152 Ich habe wohl einmal 170
Laß endlich, las. 153 Und immer weiter führt 173
Ganz ſtill zuweilen . 154 So dacht ich auch einft 174
Zierſtücke
nach Originalzeichnungen von
audwig von Hofmann, Emil Orlik und Philipp Franck.
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ä
g eee
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Lehr⸗ und Wanderſahre
des Lebens
Ur⸗Satz und Druck: Offizin W. Drugulin, Leipzig
Oktober 1899 / Zweite Auflage März 1902 / Dritte
1904 / Vierte 1906 / Fünfte 1908 / Zehnte 1916 /
Fünfzehnte 1917 / Zwanzigſte 1918
Dreißigſte 1919 / Vierzigſte 1920
Neuausgabe in Walter Tiemannſchriſt, April 1920:
Siebenundvierzigſte Auflage u. ff. Satz und Druck:
Buchdruckerel von E. S. Mittler und Sohn, Berlin.
Fünfundſechzigſte Auflage und ff. Plattendruck der
Deutſchen Verlags⸗Anſtalt, Stuttgart.
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Vol. E.
Gesammelte Dichtungen.
Title
NAME OF BOR ROWER.
THIS
POCKET
Acme Library Card Pocket
Made by LIBRARY BUREAU
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