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Gesammelte Sehrlften
znr
Philologie und PaedagogiL
Von
Dr. Friedricb^liiljbker,
Director des Grossherzogl. Mecklenburg. Friedrich - Franz - Gymnasiiins
za Parchim.
^ Halle,
Verlag der Buohhandlnng des VTaisenhanges.
1852.
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//^
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H e r r n
Dr. Carl Friedrich Naegelsbach,
ordentlichem Professor der Philologie nnd Mitdirector des philologischeu
Semiiiars an der Uniyersit&t zn Erlangen, correspondirendem Mitgliede
der KOnigl. baierschen Akademie der Wissenschaften
zu Munchen.
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Wenn ich mich getrieben flihie, Ihnen, mein verehrter Preund,
dieses Bach zu iridmen, so soil das nicht eia Dank bios sein,
Oder eine Vergeltang gar ftlr die schoue Gabe , mit welcker Sie
mich durch die Zueignung Ihrer „ Amnerkangen zur Dias" erfreul
haben, sondem vielmehr ein Ausdrnck der innigstenZaneigangund
reinsten Verehnmg, wie ich sie stets seit vielen Jahren gegeu Sie
in meinem Herzen gehegt habe , schon lange bevor Sie mich durch
Ihre anregende and neae Bahnen erOiTnende Beartheilang m^ineg
Gommentars za den horazischen Oden za persdnlichem Danke
terpflichtet hatten. Lebhaft stehen mir jene Standen vor der
Seele, wo ich aas Ihrer grMndlichen Beobachtang and feinsin-
nigen Deatang des homerischen Sprachgebraachs eben so viel
Genass als Belehrang schdpfte; and als Sie spftter den ganzen
Reichtham der mit dem Gotterglaaben eng verbandenen ethischen
Welt Homers entfalteten and ans mit bewsdirter M eisterschaft
einen gleichen Blick in die Theologie des Aeschylos erdffneten,
(bhlte ich mich eben so ermathigt als geff^rdert in dem Anban
eines Gebietes, dem sich meine Gedanken and Stadien gleich-
falls zngewandt haben and aaf i^elchem sie sich noch immer-
fort mit Vorliebe bewegen. Als endlich Ihre lateinische Sti-
listik aaf einem der Praxis anserer Gymnasien so recht unmit*
telbar dienenden Felde in erfrealichster Weise neae Bahn brach,
fand ich mich in alien den vornemlichsten Richtaugen meines
Berafs and in den liebsteniArbeiten meiner Massestanden darch
Sie geboben, angeregt, gefttrdert and belohnt. Was aber liber
and neben dem Allen das Herz mir bewegte, was aach mir
Kern and Mittelpanct meiner ganzen schalmannischen Wirksam-
keit war, aach darin diirfte ich mich mit Ihnen im schdnsten
Einklange fiihlen and las manches erqaickende Zeagniss dayon
in Schriften and Briefen. Das AUes dr^ngt mich vornemlich
Ihnen ein Zeichen meiner Liebe and Verehrang za geben.
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Allerdings mOgte es daneben Ihnen auch noch einen Dank
aussprechen fUr die Freude, die Sie mir mitlhrer Gabe bereitel
haben; sie leuchtete mir wie ein heller Strahl in eine dunkle
Zeit hinein. Als ich vor jetzt zwei Jahren dnrch einen Act der
lierrscbenden Gewalt urplotzlicb einem Wirkungskreise entrissen
ward, der meine ganze Befriedigong war, ging ich getrost and
Yoll guter Zaversicht von dannen: ich haite ja nichts gethan
als was ich jederzeit nicht lassen durfte, wo es gilt die Inter-
essen edler Bildong und Gesittang gegen Ungerechtigkeit und
Rohheit zu vertheidigen. Aber der eine Schmerz folgte mir,
dass jenes theore Werk classischer Bildang and deutscher Ge-
sinnang, welches wir dort in seltener Einigkeit des Geistes
pflegten, nach unzweideatigen Anzeichen allmahlich zertrtimmert
werden sollte. In steigendem M aasse hat sich diese meine Ah-
nang erfiillt. Freilich nicht mit gewaltthatiger Offenheit, wie
sonst, Tielmehr mit heimlicher List bemiiht man sich an jener
alten, gesegneten BildongsstRtte , bald in diesem bald in jenem
Fache, wobei man selbst das heiligste Gebiet des religiOsen
Lebens der Jagend nicht yerschont, eine fremde Unterrichts-
sprache einzuflihren, and bricht dabei mit gleicher Absichtlich-
keit yom Baame der classischen Bildang ein Sttick nach dem
andem ab. So wird die Jagend eines edIenStammes an ihrem
besten Gat yerkiimmert, and wenn aach solch widersinniges
Treiben nichts Neaes schaffen, wohl aber einen theaern Schatz
raaben kann, Unheil and Verwirruiig bereitet.
Mitten in jener an Hoffnangen and Taaschungen so reichen
Zeit kam mir Ihre theare Gabe. Unter solchen Erfahrangen
des Lebens that der Zasprach und die Theilnahme entfernter
Freande and Genossen noch ganz besonders wohl ; was ich da-
mals dabei empfand, das ftihle ich noch heate, aber ich frea^
mich doppelt dieser liebeyollen Widmang, weil ich jenem Zage
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Ihres Buchs, der Einheit uiid Zusammenhang in ,dem schOnsten
dichterischen Erzeugnisse zu bewahren and nachzuweisen bemiihl
isl, mit innigster Ueberzeugung mich anzuschliessen vermag.
Freilich kann dagegen die bante Lese dieser kleinen, aus
wissenschaftlicher Praxis hervorgegangenen Arbeiten kein an-
deres nnd lieferes Inter^sse darbieten, als dass sie ein nnmit-
telbares Lebens - Zeugniss 1st aus einer beinahe zwanzigjahrigen
Lehrerthatigkeit. Gar Vieles, was wahrend dieser Zeit in wis-
senschaftlicher und practischer Beziehung mich beschaftigte und
erftillle und was ich, einem Bedarfnisse meiner Natur gemass,
zu verarbeiten und auszasprechen mich gedrnngen fiihlte, hat
hier seinen bestimmten Ausdruck gefunden. Die mannichfalti-
gen Aufgaben der Schule, die hervorragendsten Unterriehts-
ftcher, die Stellung der Schule zur Kirche, zum Hause, zum
OffentlichenLeben, das Alterthum nach seiner sprachlichen and
sachlichen Sehe, sein Verhaltniss zum Christenthum, die aus
demselben zu schOpfende geschichtliche Bildung, die Jugend
mit ihren Richlungen und Bildungskraften , selbst die Bewegungen
der Zeit haben ihren mehr oder minder erheblichen Einfluss auf
diese meine Darstellungen geiibt und deshalb darin bald eine
karzere bald eine eingehendere Berttcksichtigung gefunden. So
sind mir alle, auch selbst die zunachst rein wissenschaftlichen,
Bestrebungen von dem practischen Interesse meines Lehrerbe-
rufs eingegebenoder wenigstens davon geleitet und durchdrungen
worden. Selbst da, wo ich einraal den Ban der philologischen
Wissenschafl in den allgeraeinsten und ausserlichsten Umrissen
zu zeichnen versucht habe, lag dennoch der Gedanke an die
dadurch zu gewinnende lebendige Einheit ihrer Seiten und Theile
und die fruchtbare Einwirkung auf unsere ins Alterthum ein-
zufiihrende Jugend im Hintergrunde, Ich habe mich darum nicht
gescheut, dasjenige auch hier zu einem Ganzen zusammenzu-
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stellen, was mich neben oder nach einander in der Erfahrung
and Sorge meines Amts bewegt hat, wenn e& auch scheinbar
so weit von einander absteht, wie die Construction der Philo-
logie von dem Gottesdienste der Gymnasien.
Bisweilen kann es fast scheinen, als woUte diePflege der
Wissenschafl und die Praxis der Jagendbildung weiter aus ein-
ander geben, als rissen sich zwei unzertrennliche Elemente ge-
waltsam oder feindselig von einander los. MOge solche Schei-
dung, wenn sie wirMich droht, fern gehalten werdeii von dem
Geiste unseres deutschen Lebens ; mdgen wir bewahrt bleiben vor
alien Spaltungen, die ein gesundes und krHftiges Leben ersticken,
eine wahrhafte und tiefere Bildung vemichten. Will mein Bach
gern an seinem Theile in dieser Weise vermitteln helfen, urn
zu verbinden, was innig zusammengehdrt, und am UebstenvoA
solchem Gesichtspuncte aus beurtheilt werden , so bietet es sich
Ihnen um so freudiger als geringe Gabe dar, der Sie den Reich-
thum der Wissenschaft und das Leben der Praxis mit gleicher
Liebe und Begeisterung umfassen und yertreten. Mdge Ihnen
dazu im voUsten und schdnsten Maasse der Segen Gottes be-
reitet sein!
In treuester Verehrung
Friedrich LQbker.
Parchiro, den 7. Januar 1852.
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I II h a I t
Seite V /
I. De partitione philoiogiae. (Gcschricben 1832.) 3—11. .^
II. Znr Gesehichte des religiOsen Bewnsstseins bei den Helleiieii. ^
(Atts d. Progr. der Fleiisbnrg«;r Gelehrtciischnle , Osterii ^f ^
1849. S. 15 — 28.) 12— 29. ^
in. Die Oedipus - Sage n. ihre Behandlmig bei Sophokles. (Pro-
gramm der Sclileswiger Domschnle, Ost. 1847.) 30 — 60. '
IV. Der gegcnw&rtige Stand der religiOsen Benrtlieiiang des
dassischen Aiterthnms. (Aus Renter's Repertorinm fur die
theol. Lit. 1848» Febr.) 61— 94.
Y. Zur Gharakteristik des Horaz. C^rogr. der Sehleswiger Dom-
schule, Ostcrn 1837.) 95 — 108.^
VI. Horatiana. (Progr. der Sehleswiger Domschule , Ost 1840.) 109 — 127.
VII. De nsu infinitivi Plantino eommentatio. (Gratulationssclirift r' ^,1 -h
y znm Jubilaenm des Wismarsohen Gymn., Schleswig 1841;
wiedcr abgedruckt in Zeitschrift f. Alt.-Wiss. 1849. Nr. > - <
14 — 16.) . 128 — 149.
VIII. Sjnonymornm libeiins* (Progr. der Sehleswiger Domschnle, » ^^ ^
Ostern 1836.) 150—164. -
IX. Phiiologische Aehrenlese. a) Vermischtes, 1 — 5. (Aus Zeit-
schrift f. Alt.-Wiss. 1842. H. 3.) 6—8. (Geschrieben 1851.)
^ b) Zn fiophokles Elektra. (Geschrieben 1847.) 165 — 184..^
X. Ob and* wie ein znsammenhangender Vortrag der Syntax
der alten Sprachen fur die obern Classen nnserer Gelehrten-
schnlen geeignet sei? (Ans d. Schnlblatt fur Mecklenburg
u. Schleswig- Holstein. II, S. 535 ff.) 185—191.
XI. Vorschlag u. Plan zu einer Parallel - Syntax der griech.,
latein. nnd deutschen Sprache. (Ans d. Zeitschr, f. Alt.-Wiss.
1846. Nr. 49. 50.) 192—202.
XII. Ueber die Lecture Cicero's in Gymnasien. (Geschr. 1839.) 203 — 208.
XIII. Ueber die besondere Behandlnng der griechischen und rO-
mischeitAlterthiimer im Gymnasialnnterrichte. (Geschr. 1838) 209 -* 214.
^IV. Ueber die Einfiihrung unserer Jugend in das Alterthum.
(Mittelschule, 1846. H. 4. S. 481— 503.) 215—238.
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X 1 n h a 1 t.
Seite
XV. Priifaiig der neuesten Vorschiage fiir methodischeii Ge-
schichtsunterricht aaf Gymna6ien.(Aus d.Zeitschr. fiir d. G^ok
nasialwesen, 1847. H. 4. S. 55 ff.) 239 — 259.
XVI. Die Aufgabe and gegenwartige Steilung der christlichen
P&dagogik. ( Aas d. Schlesw. - Hoist. Kirchen - n. Schulblatte.
1846. Nr. 24. 25.) 260 — 283.
XVII. Der christUch-natiouate Gharakter der Schule. (Ans dem-
selben. 1849. Nr. 22 — 24. S. 182 — 197.) .-,.... 284 — 301.
XVIII. Die Vorbiidung des Schulmanus fiir seinen Beruf. (Ans d.
Zeitschr. f. d. Gymnasialw. 1849. S. 1—22.) ..... 302 — 328.
XIX. Der Schulgottesdienst. (Aus d. Schlesw. - Hoist. Kirchen -
u. Schulblatte. 1850. Nr. 27 ff. S. 537 ff.) 329—342.
XX. Schulreden.
1) Ueber Atifgabe u. Leistung der GeieJirtenschule in unse-
rer Zeit. (Scbulbl. f. Meckienbg. u. Schlesw. - Hoist. 1 , 3.
S. 38 if.) 343-'350.
2) Christeftthum und Aiterthiim* (1839.) 351 — 35a
3) Kraft und Werth Kles Gedachtuisses. (1842.) .... 359—368.
4) Ursprang iind Gharakter der deutsch - protestantischen
Gelehrtensohttle. (1842.) 368 — 377.
5) Zar Saecuiar - Geburtsfeier J. H. Pestalozzi's. (Abgedruckt :
Schleswlg 1846.) 377—388.
6) Die/ Schule , des Hanses Helferin. (Abgedrnekt : Hamburg,
Agentnr des rauhen Hauses. 1848.) 389—400.
7) Der Weg zum Wahren durch das Schdne. (1848.) . . 400—406.
8) Neujahrs-Aiisprache, 1849 406—409.
9) Neujahrs - Ansprache , 1850. (Abgedruckt im Fiensburgcr
Religipnsblatte. 1850. Nr. 10. S. 41 ff.) 409—414.
10) Die Schule im Kampfe mit dor Welt (Abgedruckt : Par-
chim 1851.) 414-424.
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Gesammelte Schriften
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Philologie und PaedagogiL
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De partitione philologiae.
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Luemadmodam in omni artium littejraramqae genere apera atqne
stadiuin coram ^ qui in* his industriam saam colloeant, eo maxinie
inciuirbere oportet, ut ex sin^alis minttUsque rebus partes qaae-
dam eKngSkUivty partes vero ad unam summamque quae omnia
complectitur le^em reducantur, ne quasi deserta yagentor hue
illucve totias corporis membra, quae dissipata neque comniuui
Yiiiculo comprehensa sua carent virtute ac dignitate: ita acrius
et dillg'entius quam fieri solituni est nostra Iiac litterarum aetate
atqne sin^ulari quadam cura intendendum videtur in omnium quae
ad antiquas litteras pertiaent rerum fixam certisqueBnibus circum-
scriptam complexioncm. Ea enim aetas nostra est, quae unicuique
litterarum dlsciplinae suum certissime adsi^net locum, uude reliquae
accuratissime arceri et dignosci queant; ex altera parte commune
quod inter omnia litterarum artiumque g'enera est TiAcalnm et an-
quirat et constituat, unde fit, ut quamyis inter se opposita atque
alterum ex alterius ambitu penitus seiuncta videantur , tamen unir-
versa quae in lis inest affinitate ac mirabili quodam consensu ad
unam summamque humanitatis legem revocari possint Qua qui-
dem finium constitutione praecipue opus esse senserunt, quicumque
recta litterarum intelligentia ducti non leviter attigerunt, sed pauUo
altius indagarunt earum, de quibus nunc prae ceteris loquimur,
litterarum laudes atque yirtutes. Quamquam enim ad primam
praecipuamque ingenii iuvenilis institutionem adhiberi, uti olim
coepta , ita ne nunc quidem^ desita sunt scripta itta antiquitatis menu-
menta , ex quibus tamquam fontibus omnis doctrinae ' politioris
nutrimenta bauriantur: mature tamen intellectum est diuque ante
nostram aetatem, multo maiorem amplioremque , esse praestan-
tissimarum quae inde peterentur cognitionum et dignitatem et
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4 De partillone phiblog'iae.
usum. Neqne enini mirarf qnisquam potest, non priaa potoisse
sing'nlas qoae in antiquitatis cognitione exstabant res ad anam
disciplinae conformationem reyocari , antequani Ipsa haec dlsctplinae
notio ccrtius et accoratios in eruditoruni hominuni aninios cog-ita-
tionesque perveniret; quare ipsis qni nunc vivunt philologis id
Imprimis propositnm videtnr, ut quaerant, quae sit hoius disci-
plinae dignltas, qui cum reliquis artibus nexus, quae deniqoe
totius spatii, quod hae llttera^ compleciuntur, ad unam integram-
que artis notionem comprehension Quum enim multl post renaias
litteras antiquitatis graecae romanaeque studios! praeclara sane
atque saluberrima ludustria in seriptis veterum monuments rectins
Interpretandis atque in pnblica prirataque utriusque populi vita
inteIHgenda operam suam collocassent , singularum rerum notitlas
undfque coaeeryatas non tamen ad disciplinae quahdam speciem
revocabant, qua quamvis exigua antiquitatis pars contineretur.
Postea yero exstiterunt ii, qui latlne scrlbcntes quum stilrnn ma-
xinie expoliendum curarent, formac yenustatem, qua veterum
oratio exccllebat, mirlfice adamarent camque unice imitarentur,
sed populi unlyei^sam indolem, niorum ingeniique praestantiam,
rerum domi militlaeque gestarum insignem decursnm prorsus ne-
gligerent. Hi fere fuerunt, qui, quum ipsi ex altenis diyersis^i-
marum artium litterarumque studifs quasi forte ad antiquas litteras
prima delati essent, alieftam his opem quaerentes novam hanc
disciplinam pristiiiae, quam tractayerant, art! adnexam esse yel-
lent. A cuius natura quum philologia siye antiquitatis cogniiio,
hist earn ex diseentium utiiitate metiri yells , alienissima , Is autem
in iuyenili institutione elus usus sit, ut, in quocumque Iltterarum
gcnere singnl! elaborent, iilius ope tamen neque per se neque
ad suae artis adlumentum carere pe^sint: mirum non est, quod
modo ad hanc modo ad ilhm disciplinam non sine aliqua yi aut
detrlmento eius auxiKum adhibuerunt. Quae quidem omnia respvit
ac plane reiecit is, qui iustioris yeterum scriptorum interpre-
tationls slye leges nobis scripsii siye exempla ipse exhibuft, C
6. llejnius, on^nla ad yeriseimom ac sincerrimum yenustatls ele-
gantiaeque sensum metiri consuetus, et multa ipse commenians
et alios ad eandem rem adhortans, mnltifariam autem sua opera
haec studia augens et adiuyans. At yero, qui eadem aetate,
partim ex Ipsa HeynU disciplina profecti, in phOoIogiam 4ncii-
buerunt, minime perspectam habebant egregiam fllius atque ad
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1)6 pMiMom phllologrtee. 5
perfeciissknam veritniis inftgiiiem^ conformat^m ing^nii indolein;
qo^ inchoaverai ille ^ qui praxime succ^sernnt non ad prospenim
exitimi persecuti masA> Vermn ex eadem disclplma prodiervnt
coniplures eruditi atque mentis acamioe conspiciii homines, qui
praeceptoris insUtuiis aliquot saltern a partibus adv:ersareiitttr;
noque tamen praestantior qa&squam aul^qui maiorem in totkis phi-
lolog'iae complexum vidi exe^oefei qnam Fridericus Augustus
VTolfias, Qui quum anno huiu^ saeeull septimo de notioae,
ambitu, dignttate atndloram antiqui(;atis praeclare dtsputaret, phi-
lologiam ex aliariim discipiinarum confinlo atque soeietate pristinae
a^etoritati ymdicayit, atque qua erat eleg'aBiissiuia facuudia hob
mode etimiam huius artls ia legeattum animis opiaiouem effecit,
verum etiam iasigni alios exempio ad operanr el navandam cohor-
tatus eist itsqne viam praeivit. At quaioquam praeclare meruit,
quod disteeta huius arils quasi anemhra priibus collegit ae velut
in unlus corporis forniihn coniposuit,* non tamen tanta eius notio-
nem complexum est perspicuitate, ut dng'ulas partes reete digno-
soere aut ad summam -omniaque moderantem leg'em reducere pos-
set. Numeravit igitur quatuor ei vig'inti phiMogiae partes'),
quae partim ad Ipsam antiquitatis cogfiitionem baud necessarlae,
plurimae vero^ inter se tarn arete copulatae sunt , tit una non possit
ab altera s^cerni, qonm membrum itlius sit* Ac videntur qujdeui
prtmae, quad nominarit^ partes instrumenia potius ac praepara-
Uones vocandae , quibus instructum esse eum oport^at, qni ad
phik>logiae studi«m feliciter .tractandum recte ^ccedere velit;
rerum ea omnia si respicienda es^nt, quae requirantur in lis , qui
1) Quo rectlns ea; qaae de hao re a nobis dtsputabontur , intetitgt
possint, eas quas W^^lfius cf^stituU paries box loco afferamos: I. pars
est communis utriusque linguae grawmalica, II. graeca, 111. latina, IV.
ars licrmeneutica , V* critica, VI. pedestris et vinctae orationis ratio, VIL
geographia et uranographia , VIII. antiquitatis historia, IX. chronologiac
et historlogi-aphiae antiquae leges , X* antiqaitates graecae , XL romanae,
XIL i^rtbologia, XIII, etXIV* iitteraram graecamm et roman^rum, XV. et
XVL artium ac discipiinarum ap^d Gra^cos et Romanos historia, XVIL
mimicarum s. scenicarum utriusque populi artium notitia, XVIII. operum
ct monumentorum artis nobis relictorum scieutia , XIX. picturae et statua-
riae apud vcteres praecepta, XX. artis antiquae universalis historia, XXL
archltecturae antiquae sdentia , XXIL ct XXIlL numorum ct Inscriptionum
cogB^o , poitremo XXIV. historia litleraria dis<Hplinae phaologornw.
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6 De parUtione phiMo^ae.
harum litteranim recte ^ari esse rolant^ yersari op^^rteret plii-*
lologonim artem et dtecipUnam in explieandis varieram tominam
varlis fng^eniis, id quod plane abhorret al> emnilitteramm genere
atqne natara, qnippe quae ad communes qnasdam, in ipsis fon-
daias leges referenda neque ex vaiia mode praecIarcNrum modo
mittutoruni ingeaiorum facnltate metienda sit. Neque potest
ea recte exponere qnisquam, nisi qui ex intimo huius disei*
plinae ^quasi sinn prodierit. Quamquam enim ars et via banc
discipHnam inveniendi atque in certam formam redigendi exponi
ci tradi potest, aliena tamen ab ipsa discipHna necessario est,
ideoque non ex ipsius notione et ambitu sumi neque pars eius-
dem arUs dici potest, sed praeparatienis potius et introductienis
partes quasdam sustinet. Neque ridentur partes^ quas primo loco
posuitWolfius, recto ordine procedere; rixenimea, quae utrius*
que linguae communia sunt, recte et accurate enudeare poteris,
priusquam pecuUar^n et graed ei latini sermonis rationem per-
sequutus fueris. Haec autem omnia direlU ncm possnnt ab lis
legibus, quae pedestri et solatae formae orationis scriptae sunt;
quamquam enim suam in dicendo libertatem singuli exercent, noB
tamen possunt eam normam migrare, quae et in unirersa ingenii
human! natura et in populi, ad quern pertinent, propria indole
proposita est. Septima pars geograpbfam et uranographiam re-
terum populorum ita complectitur , ut in unam disciptlnam co^ant;
at vero doae inter se diversissimae res sunt aut utramqne artem
eo nomine compreheildere debebis, ut nobis ratio modusque de*
sdribantur, quatenus veteres rectam et terrarnm et coeU Imaginem
formamque animo suo infbrraaTerint. Atqui quum sine terrarum,
quas yeteres populi incoluere, accurata cognitlone eorum mores^
Instituta, artes qnoque et litterae ne leyiter quidem intelligi ac
perspici queant, geographiae scientia abesse minime potest , nra-
nographiae aut abesse potest, aut pars est earuni cognitionum,
quas quinto et sexto decimo capite comploxus est Wolfins. De-
nique si geograpbiam iUo quern diximus sensu intellexeris , in
eundem, in quo uranographiam mode collocarimns,- censum re-
ferenda erit. In reliqua, quam nobis Wolfius exhibuit, partitione
insunt quidem, quae necessario in philologiae ambitu requlmntur,
genera ac partes; nam enarratio publieae horum populorum vitae,
expositio morum atque institutiiHiuin omnium, deinde litteranim,
quae apud illos floruerunt , sclentiarum doctrinarumque progressus,
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De partitive ^ildo|^ae. 7
tam artiott) qsibus Graeel maxime exeelkennit) co^idofies atqoe
fata, deftique eorum de rebus dirinis opiaioBes et commeHta atqae
sacri ritus: haec omnia reetknime ex ipso artis philologerani
qvasf simi depromta svnt, atque id' tantum qnaeri ac dabiiari
merito^ potent, satis recto ordiae num ea omnia sese exclpiant.
Id igitiiF maxime egii Wolfius, nt dissipatas hoius discipUnae
partes in unom qnoddam corpus colligeret, ita nt iam non per
latum campom va^ari atque in alienas regiones aberrare possent.
Veran ilkd ccmtra peccavit Wolfius, quod primum phUologiae
tribueret, quae non eios essent, atque omitteret rorsus, quae
poti(Nre8 eins partes sunt, in quibus praecipue yeterum philoso*
phorum ' placita atque doetrinas numeramus; turn quod, quo. sin-
gulae partes communi vinculo connecterentur, quo ordine inter
se exciperent, quae earum peedliaris ratio et dignitas habenda
es^et, parum ourairit; postremo quod plane non animadrertisse
videtur, quae gravior fuerit inter utrumque populum societas, qui
aretissimus etiam in iis rebus, in quibus sibi maxime oppositi esse
videantur, internum nexus. Ex ea autem re unJce illud apparere^
potest, quid sit totum illud, quod partes ambae officiant, et cur
non aut cum alterutra alia quaedam gens iu' sodetatem assumenda
esset aut una earum oninis pbilologorum opera contineri in eaque
acquiesc^e posset.
Fuerunt, qui praestantissimi auctoris vestigia insequuti ea-
dem via procederent eiusque de universa philologiae potestate
docbrinam et commendarent publlcis scrlptionibus et per singulas
partes illostrare conarentur. Atque etiam qui plane diversam ab
bac viam et rationem in ea re ineundam esse putarent, tamen id
unum omnes confitebantur, buius stndii et consilium et exempbim
Wolfio deberi. Quum vero ipse Wolfius id unum maxime ne-
glexisset, quod summam quandam, omnia cemplectentem atque col-
llgentem, cogitatronem atque formam exbibere potest, id accidere
poterat, quod post tantam in hae re coUocatam diligentiam ieri posse
dubitares, ut is, qui inter nostrae aetatis pbilosopbos facile primaa
ferret, omni pbilologorum discfplinae certam quandam et iustam artis
doctrinaeqne formam tribuendam esse negaret. Neque mirum igitur,
si quotquot postmodo in eandem rem inciderunt diversissimam illius
diiudicandae atque in ordinem quondam redigendae normam se-
quebMtnr. Erant etiam, qui bonesti, sancti, pukbri ac veri
formas et ideas tamquam buius artis fundamenta exstruxerunt.
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a De pair^eoe pUldbglae.
asde partem ^asdjun et quasi apatia Ca^Be dednxaroBl^ qnflivs
ownls yeteram popuIonitD vita tJonUneri poaaei Primo eaim q^d
diximua hoaestamm bonaramque r^rum gtnete mofes^ Isstttirtft
pHbliea^ civitatam, legum^ domeaticae ad foreaaia vitoe coBiKciaiMW
ae Tidaaitudinea^ altero oniiiis quae in raligtoniima atqaa cdta deo*-
iHitty in aacria rebia ac pits ritibna ineat doctrina^ iertia pakh^I
renuaUqne genere artes^ qiiarta deniqne littarae diaeiplinacqae
contlnelmntar^ Earn yero hnloa doctriaae et complexionem el
partitioneni qui vel okitar intaetar 9 facile yidet mnlta d^^se ^ qnae
jhi pliilolagia abeaae non possimt, sed eluamodi yelut ae^co
exclpi et colllgi neqnennt.
Ceteris melioa in Itoo genere meruit is, qui interiorem an-'
tiqnitatts imprimis g^raecae cagnitionem sire inchoayit sire apernit^
Augnatus Boeeklilaa* Habet ia qnoque interpretia et crttioi artibna
complexam primam philolog-iae partem yel potioa praeparatioaem;
Imguartim aatem eognitlonem tantom afreat nt instrnmeitam eiwe
dieat phllolagoilim ^ ut aammam ea praeatiMiiisaimamqne haina
artia perfectionem contlneri iudieet^ quare eam extreme loi^col-^
locayit. Nam quam oranino posterior! aive ei partly quae ipsa
accuratiore yocabnlo dicitur phiieJog^a^ id tribuat, ut dnabus item
partibus, et generali de re yeteram pnblica atque priyata^ et
special! de omnI artinm litteraromque genere exponat, banc ex*
tremam partem ea quatdor disciplinis constare yoluit) ex mytho-
logla^ phllodopbia, liUeraram cognitione ac deniqoe linguanim«
Mnlto aimplicius bad) qnam Boeckbius proposuit, ratione omnem
pbilologonim artem distribui facile apparet; ylx tamen yideatar
omnia bene its , quas numerayit, partibus ceaiprebendi posse ^ atqne
nonnnlla band scio an alieno loco collocata esse yideantur* N«»
que eam partltionem Ipse public! iuris focit auctor, aed yet ex
sdbolis ab ipso in academia Berolinensi habitis nobis innotalt,
yel alioram tndnstria laUus ad Utteratorum bominum circulos per-^
mMiayit Ae diibitawiiB sanci eandemne rationem if miter ipse
tennerit) si hand yiam ultra persequutus sit*
Quod autem hiaxime desideramus) ut antiqditatis graecM
atque romanae , qi(ae publicae priyataeqnd yjtae omnlsque cultnme
nosirorum temporum fundatrix est, iatima atque integra natura
comprehendatur, eaque buic discipUnae ficultas daU sit, ut apU
per ownes nameros atque ^d suani indolem accommddate pregre-^
diatuT) id non poteat quisqnam aibi yidcri coaaequnius esse,
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De i^mrtitkme philolof iae. 9
BiBt ab eo 5 qwi nt nfttwrae temm proxfmom iia ab animls hotni-
i»im altenins est^ exordiam capiens ad lllod ascendit, qitod a^imi
faeta ac mentis opera expHcans, universi horum populorutti in-
g^eati perfectlisinmrn indieiom est. Ipsa autem cognitionis notio
qnQiii propria vi eonsistat in rebus cogitatis, quaram libera neque
attunde moderata pro^redietidi aliasqtie g^eris sui formas pro-
creandi potestas est , in hac vero disciplitia res non ut cogitatae
sed at factae prodeant: in eo elaborandum philologo est, ut rernm
fapctarom <n>ndfci#iies atque nexus Inter se conclliet easque inde
eliciat et leges et eogitationes , quarum aetema neque umquam
finibus circumscripta vis et Veritas est. Quo modo si unirer^
sam antiquitatis indolem animo comprehenderit) excellentissimam
remm humanarnm per omnia saecola g^estarum huaginem animo
in^ormatam atque cogitatlonem perspectam habebit, unde sunimi
eonsilii, quod dliinitus inest In omnium rerum gubernatione , ac-
cnratissima baurfri notHia potest. Atque haec unirersae rerum
g'estaram cognttionis pars utl a ceteris seinnctlor ita suis numeris
Biafjs absolttta atque conclusa terminis est^ ex quorum cotnmii-
-nione arcere non Itcet alterutrius partis cognltionem^ ne manca
atque ex parte derelicta sit legis per utramque exbibitae com-
plexio. Etenim quod ellm magfs quam nunc fieri solHum est, ut
in componendift utriusque antiqui popuii similitudinibus , maxime
avtem in comparandis atque affinitate qnadam dOnandis graecae
latinaeque linguae formis atque vocabuiis insignis rersaretur
pUlologorum indostria: id parlim laude dignum partim vitnperan-
dum est. Cognitum enim ita est, quantum sit in graecis litterls
adinmenti ad Intelllgesdam magnam antiquitatis llomanae partem,
imprimis ad linguam latinam accuratius pernoscendam , quanta vere
in his subsit simiiitudo atque afffnltas , unde multae difficultates
felleius expediri pb^sunt. At vero iMui rursus lis accidit, ut,
quunr haererent in reperiendis similitudinibus , quae discrepantiae
essent inter utramque gentem quaerere omitterent, unde demnm
vera cuiusque proprietas cognosci potest; ut, qnum affinitates
' vocabnlorum formaruiiique linguae in medium adducerent, propria
coiusqite -sermonis indoles prorsus negle<^a iaceret. Neque com^
ninnes quasdam eodemque tempore persolvendas vices snstinent hi
ambo g'efterosissimi popuii ; verum , quam alter finite qnem tenuerat
cursii plate lam decessjsset ex eo quod dimensus fuerat spatio,
aker siirrexit atque quod ab ilto ad finem perductum non erat,
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10 De parttttone pkiMogiae.
id sua potestale SQoqae iogenio per tempomm viciasttadhies pre-
seqnebatiir. Graecamm dvitaUbiis qumn accidisaei, ut labe-
factatae ac poatremo fuaditas eversae in melioreiii ea»qiie reran
ac geoainam formam restftul non poasent, yemm in alfeoi regai
ditienem yenirent: Romanornni contra res pnbUca, quae tem-
pore labentis Graecmmm status liberrimis institutls uti atqae yir*
tntil^us ing'eniisqae florere coeperat, Incnlento docomento est,
earn rei pnblicae formam quae ciylum animis mentibnsqne acoom^
modata non esset, suapte yi tandem aliqnando in enm statnn
solere matarl , cnius tamquam praeparatrix ipsa faisset. . Eandem-
que legem per omnia antlqu! ingenii monumenta perseqnl licet;
nam ntrinsqne popoll litterae , qoippe inyicem sese explentes , con-
iunctae demnm nnum totumqae qnoddam efTormant quasi regnnm.
Philosophia enim, quamquam a Graecis culta et ad perfectionem
qnandam tom perdue ta est, quum Graecorum libertas periret, eum
,tamen ab illo Inde tempore cursum tenuit, ut non sine magno
Ingenii Roman! adinmento quod inchoayerat constant! ratione per-
tractaret. Eadem artium condicio est, quarum etsi Ulostrior apud
Graecos cultura erat, si musicam artem, arcbitectaram, pieturam,
sculpturam spectas: ea tamen, quae labente iam Atbeniensium
cfyitate coll atque auger! coepta est dicend! ars^ eximie a Rp-
manis celebrata atque ad summum yelnt fastigium adducta est.
Verum desinamus singula quaerere, quum onlyersae discipllnae
ratio atque y!a iam nobis explananda sit. Pnmam autem eius
partem dicimus eam, qua geograpbiae, bistoriarum, publlcae
priyataeque yitae institutionum omuls cognitio continetur. JBteiim
primum merito quaeritur de locis ac regionibus, in quibus popd!
ill! yersabantur; necesse est indagare, quae fuerit regionum quas
incoluere in ipsorum externam yitam, commerciorum genus, Un-
guam, ingeniis indolem potestas; dein quae fuerint cum exteris
populis consuetudlnes, qai nexus, quae inlmidtiae, discidia atque
bella, quae quonlam et casu quodam reguntur et parlter ad alios
populos yel ciyitates pertinent, inde yera eorum, !ndoles accur-
rate pemosc! non potest. Verum IHustrior baec Indoles magis-
que in omnium ocolis posita erit tum, quum priyata cirium yita
domesticaeque consuetudlnes ac rerum publicarum coadiciones pa-
tefactae fuerint. Secunda autem parte in uniyersum antiqultatis
iagenium anquirimus, quale Ijnguis praecipue proditur et litteris;
Id quod iertia denique parte per illustrissimas et maxime per-
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De partitione philolo^ae^ 11
spicaas partes accurate prosequendum est, ita quidem, vX primum
de artlbus exponaiur, quibus antlquitas eo certe nomine noMs long«
antecelltt, quod earum princeps et auctor exstiterit, et quarum
arctissimus apud reteres saltem cum religionibus nexus est, deinde
de hac ipsa dMni cultus, sacrorum rituum, opinionum ad deos
spectantium natura ei ratfone, postremo de philosophia, ex qua
si non sunima et perspectissima ingeniorum antiquorum imago
eliciatur, at certe ea omnia derivanda sunt, quiinis omnis recen-
tior aetas et melius cognosci et rectius dliudlcari potest.
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12 Zur Geschicbie des relif^idsea Bewusstseios
II.
Zur Oeschicbte des religidsen Bewasstseius
bet den Hellenen.
Dem hellenlschen Voike ist eine grosse Aufg'ftbe in der
Wcltgeschichte au Thcfl geworden, es hat dlesdbe wimderlMir
geUsi bis zu seinem letzten Lebenshauche. Sein Anfang* isi in
Dunkd gehiillt, uns wie ihm selber, gleich dem schnell heran-
gereiften Jttnglinge, dem ein zanberhaftes D&mmeriicbt nm seine
eigne Kindheit splelt, deren Bilder ihn aber immerfort so mlicfa-
tig ergreifen. Ein Jiinglingsberuf war des Hellenen Befirf ; und
wie der Jtingling yorzugsweise sehnend hinattsbiickt in die Feme,
so war auch des Hellenen Blick in die Ziikunft gerichtet Aber
wie demselben auch des Lebens Kraft in der hochsten Bltithe ge-
geben ist und — des Todes Macht in der n^chsten Nlihe: so
standen auch dem Hellenen des Lebens friscfae FQlIe wie des Ster-
bens^ schnelles Loos zar Seite. Und in seinem reichen Dasein hat
er den ganzen vollen Inhalt der mannichfaUigsten Gegens&tze
entwickelt, der dasselbe grade so Qberaus wichtig macht.
Im Oriente herrschte das Naturleben uber den Geisi, die
Pole, die die Welt bewegen, waren noch ungeschieden , Gott
und die Welt waren Ens, die unmittelbare Substanz von dem
schaffenden und gestaltenden Werkmefster nicht gelOst , politisehe
und priesterliche Macht rerschmolzen , der Staat ging in der Fa-
milie, der Begriif im Symbole anf. Der Grieche kam nicht un-
vermittelt in die Welt, jenseits des Meers hatte seine Wiege ge-
standen , um dieselbe lagert sich der Geist und Duft des Orients.
War aber so der Geist, in die Natur verdumpft, nicht frei: dem
Griechen war es vorbehalten ihn frei zu machen. Auch seine lil-
teste religidse Denkweise 4si in die Natur versenkt, und wihrend
er harmlos ihrer Betrachtung und Verehrung sich eine Zeitlang
hingegeben, brieht mit gewaltigem Sturme dann ein innerliches
Ringen und K&mpfen mit ihren Gewalten hervor, bis endlich der
Geist obsiegt. Und was dort in gahrender, chaotlscher Mischusg
war, bier ist es zu hellerem Bewusstsetn auselnander getreten.
Die Familie scheldet sich vom Staate, aber statt der Ijickercn
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bei den Helleneik 13
Aggreghie colossalerStaatenersrlieiiiuiig'eii ImOrlente ohne InBeren
Zasftmmenhalt, %e\gi slch hier das fest aus^eprSlg'te , scbarf ge-
gllederte Regiment eines Siadtgeblets , wo ilur %n bald die Burg'
mit ihrem Herrscherhanse In weiten Abstand zu den BOrgern ua-
ien am dieselbe tritt; jetzt gilt der allgemein herrscbende fiegen*
satz der Frelen und der Unfreie», wslhrend znror niir Einer be-
reclitigt, alle Andem gekneehtet. warenj bis am Ende jener Eine
in Wirklicbkeit sieb ale der grdsste Sclarc auswies. Die Phan-
tasle tritt aiis ihrem ftppig-schwelgerlscben Wesen in das 6e-
leise nnd Ebenmaass ruhiger Besonnenbeit ttber, die Tradition
seheidet si^h von der Poesie, das Bild vomBegrife, und wfth-
rend der Orient jedes geistige Lebense^zengniss der Natnr zu hh-
terwerfen , in das Symbol zu kleiden sich bendihte, ruht der Grieche
ntebt eher, bis er die ganze Idee in die Wirkliehkelt bat treten
lassen. Dort ist die Materie gebieteriscb, hier herrscbtdie Form^
dort das Massenhafte, bier das IMiaass. Der Geist ist frel ge^
worden nnd dor Mensch znra ersten Male zn seinem Recbte und
zu seiner Wiirde gekommen; wnd ist soniit wie des Griechengan-
zes Leben , so aucb seine Religion eine rein und edel menscbltehe
geworden: so baben wir damit ihre Bltttbe , aber aucb Ihren Ver-
fall, ibre H^he und ihre Scbrante bezeiehilet.
Die Tradition scbied sicb von Poesie , die Ueberlieferung von
selbsteigenem Sebaffen ; nnd wenn Herodot bebanptet, Homer und
Heeiod bSttten den Griecben ibre Gdtter gemacht, so Ist ans Je^
neni Gesicbi^punete ebensowenig dieser Satz umzustoss^ , ats der
andere, fast grade entgegengeset^te, dass Ibr Glaube und Ibre
Gotteserkenntniss auf uralter Ueberlieferung rnhte. So finden wir
es bei Homer in untrftglicbem Zeugniss , nnd alle Geschfebte und
Entwickelung des religi^sen Bewusstseins bei den Hellenen ver-
folgt von da an wesentllob das Eine Ziel, dieser nrsprilnglicben
Einbeit religiosen Glaubens , die das Homeriscbe Zeitdlter scbon
sobmerzUeb Termisste, In eine immer grdss^ere Mannicbfaltigkeit
der Unterschiede und begriflichen Trennungen auseinander tret^
zu lassen, bis die Reflexion, ibr verlornes Kleinod bejammernd,
auf den Trummern ibrea selbstzerst5rten Gebaudes siizt^ und nun
wieder das langst Geschiedene zu verelnigen umsonst bemiibt Ist.
Aber jene Einbeit selbst, so klar sie au€b in der eigenea sp&te-
ren Erinnerung der Hellenen bervortritt, bat doeh nfrgend mebr
ibren bestimmten Ausdruck, ibre teste Gestalt ; sie tritt eben nur
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n
14 2«r Gescliiclite des reHgi^deB Bewasstseins
aiif ab eine y^rsdiwmideBe in ien TOafHekg^BBenen Spnren ibres
Daseins. Woket diege UelierHefermiff sUimne and wie well sie
mti dam Oriente ausammenliang^, verm&gen wir eben so weaig*
att sag«n als ihre Verblndang- mit dem pelasgischen Natardienste,
der allerdingrs die Urzeit dieses Volkes lebendi^ erMHie, Bacli-
zBweisen* Man liat denselben bald ansscUIessIIch ans dem Fart-
wirken der orientalischen Mutter, die Ja andi bei dem nadiher
necb so selbststindi^ ^ewordenen Kinde den Einlliiss anf den Le-
bensanfang^ nie rerleugnet oder ^ntbehrt ^) , bald ans den ei^&en
natnrlichen Einflnssen des Bodens nnd Kiimas , bald dorch den Za-
sammenhang mit orphischem oder samotbrakischem Crebeimdienst er-
klaren wollen; vielieicbt dnrftekelne dieser Ei^l&rangeny elnselti^
fur sicb festgehalten, richtig' sein, a|n wenigsten die letzte, die
wobl weniger nrsprilngllcb , als vielmehr ein Erzeu^niss der Re^
flexion oder der traditiondlen Verbindung' mit dem Oriente ^enannt
werden darf ^). Der Ursprung and Einfluss der orphisoben Mjr-
thologie reicbt entscbieden in eine splitere Zeit biniA, der samo-
thrakiscbe Kablrendienst aber yerleugnet weder seinen Zusammen-
hang mit pbOnizischen oder aucb dgjrptlschen Caltformen noch auch
seine particnlire Herrschaft im Geblete des belleniseben Gesammt-
cnltus. Eine andere Frage wUre , ob nicbt selbst anch die pelas-
gische nnd belleniscbe ReJlgionsform in einen zu schroffen Abstand
Oder Gegensata gesteilt werde '), da yielmebr Jene erst allmtii-
lieh von dieser Qberwunden oder in ibr verkUrt worden ist. Je-
denfalls aber werden wir niebt leugnen, dass aucb in dem g'an-
zen spS^ern belleniseben Gdtterstaate eine Hlnneignng zor natttr-
lichen Seite arsprOnglicb gewesen and erst sp&ter die wieder rwi^
zugsweise ethlscfae Maebt daraus erwachsen ist; dergestalt, dass
wir an einigen Gottheiten wesentllch das Friibere, an andern aus-
scbliesslich das SpHtere , wie an der Hera, dagegen an den meisten
die Vereinigung beider gewahren.
Ehe wir also zu der ersten and ursprunglicb ecbten Quelle
des belleniseben Gdtterglaubens, dem Homer, kommen, findenwir
1) XerglNHgelshachhom, Theoh S. 3f. und die dort genannten Schriften.
2) Schetting Gottheiten v. Samothr. S. 9. Die Ansicht Greuzers, Homer
4ehre Gelieimdienst nnd zeige si€h den Eingeweihten als Ni<^kimdigen , ist
jetzt wobi YOllig au^egeben; yergi. NUgdth. hwn. TK S. 3. 5.
3) Prdler, Dem, u. Peneph, S, 256 f.
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^ bei den Helleflcn. 15
schoD eiaea Coltas und eine Poesie, aber noch keine e^ntHdie
Litteratur vorbanden. DIess sind aber die beiden Elemente, zo
denen Bocb ein Drittes hkizukoiiiiiien miisg, am daraos das ganze
innere Lebea eioes Velks in seiner dnrch Religion nnd Goitesfurcht
g^eleiteten Denk- mid Handlnngsweise zo erkennen: der Caltas,
die Litteratnr nnd die Geschichte. Im Cnltus erscbeint dag Yolk
am wenig'sten handelnd^ wenn aaeb der Ausdrock seiner religilisen
Erkenntniss am bestimmtesten ; in seinen geistigen Erzeugnissen
erscbeint sein Denken , Wollen nnd Handein am klarsten nnd zn^
sammenb^ngendsten; in dar Gescblcbie, deren Ausbente bis Jetzt
nicht genug* benntzt worden jst fiir das innere Leben der Vdlker^
zwar am nnmlUelbarsten in seinem Handein, aber dorcb Zeiien,
Yerh&Unisse und Gesebicke mannicbfaltig besiimmt. WoUen wir
also im eigentlichsten und umfassendsien Sinne eine Entwiekelungfi-
gesebicbie des religiOsen Bewusstsetns der Hellenen baben, so wer-
den wir zunsicbst und yorzugsiireise die Litteratur befragen mlissen.
Mit der altesten Erinnerung poetiscber Production begegaen
wjr einem eigentbttmlicben Zuge einer unverkennbaren Naturwir-
kung, der in anderer, auf das sittliche Gebiet flbertragenen Ge-
stalt durch das gauze Leben der Griecben sicb bindurcbziebt; es
ist die Webmuth um das binscbwindende und absterbende Leben
der Natur, deren Tod um iso tiefer empfunden wird, je st&rkar
sie mit aUen ihren Relzen den sinnlicben Menseben fesselt. Das
war in dieser Form etwas dem orientaliscben Geiste Nabrerwand-
tes, undoes ist daher kein Wunder, wenn es in so allgemeiner
Verbreitung und mannichfaltiger Gestalt in dem Linos ^) der Ara-
kiscb-hellenischen Sage, dem Adonis der Pbdnizier oder dem Ma-
neros der Aegyptier, dem Bormos der Bithjnier oder dem Hjlas
der Mjsier, dem Narkissos der Thespier oder jenem Tbammus
herrortritt, um den selbst die Tdcbter Israels, dem Zuge des
Heidenthums folgend, am Eingange des Tempels weinten^*). War
bierin die gemiitblicbe Seite in dem Wecbsel zwiscben Kraft und
Scbw^cbe, Blutbe und Ver^eben lebendig aufgefasst, so trat da-
gegen der mehr ^usserliche, weniger tief gehende Gegensatz des
ro^nnlicben oder scbaffenden und n^renden oder erbaltenden Prin-
4) V. hasmlx filer die Unosklage, Wurzbnrg 1842. Preller, Dem. u.
Perseph. S. 257. ff. K. 0. MuUer gr. ZAtt Gesch. L, S. 28-
5) Hes. 8, 15» Vergl. v. Gerlach zum A. T. II. , S. 2.
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16 Zur Geschiclite iea religidsen Bewusstselns
dps im hellenisdien Bewnsstsein entscUeden wetter ^nrfiok. Diese
Trauer aber, von der der sliiliche Schmerz urn die Stinde imd das
Verderben dea menschlichen Willens , oder anch niir utn die Fol-
^en derselben, die all^emeine Ohnmacht nnd GebrechUcbkeit) ge-
wJss noch eine sehr verschiedeiie ist ^% wiedcrhoU sieh vollkoin-
lien In der Demeterklage urn die rerlorene Tochter Kere, deren
Dienst mid Verehrnng* g'cwiss wesentlich mit den samothrakischen
Mysterien zasamnienhing' ^). >V^ar nun aber auch diese ^anze Rich-
inn^ bereits dem Homer bekannt, wenn 8ie aucb ansserhalb seines
Ideenkreises und der In seiner Dichtaug* sieh spiegelnden Welt lie-
^en; so trat naclmials docli wabrscheinlich noch wleder eine
Reaction g^^en diejenige Religionsform ein , die sfeb so we^ntUcli
im Homer bewegt, bis sick beide sp&ter anf dem Wege der
Reflexion mebr und mebr mit einander aussdhnem Und nidit and^rs
als mit der Koram]rtbe, nar rleUelcbt spiter ausgebildet als sie^),
war es mit dem Dionysos; wir finden an diesem den unverken-
baren Uebergang aus dem Cultos des Orients , wenn anch edler
und freier als der org'iastlsche Dienst der Phry^er und Lyder, ver-
mitteii diirch die im Norden Grieebenlands wobnenden Tfaraker^ 1h
weitem Abstande von den honieriscken G5ttem des Oljmpos, aber
nlcht olme erhebliche EHnwirkung auf die gesammte griecbiscbe
Nationalbildung, in relner Naturbedeutung 9 ohne die ethiscbe Bel-
mischung, deren ein sp&teres Zeitalter, in welehem Ihr Cultos
itberfaaupt so viel bedeutsamer wurde, sieh nieht kat entschlag'eR
ki^nnen ^). So hing anch ohoe Zweifel der dodonilsche Zeusten-
pel und sdn Orakel mit derselben Richtung zusammen, weist in
seiner ^anzen Einricfatang, mit seiner redenden Rieseneiche, seiner
wun-
6) V. Lasaulx uh. d. Linoskl, S. 9. sieht darin „ den Fail der Menscli-
helt selbst in Ihrem Urvater" ; a!s der Mensdi „wie Gott selbst sein , ihm
selbst skji gletdusteUeti woOte, da zerriss er mtt dem Sande, v/sts ihn nit
seiJiem Sclidpfer vereinigte , zngleich dt« allgemeine Harnonie der Weit, die
ihm anvertraut war , nnd erweckte mit dem Zwiespalte in sieh anch den in
der Natnr nnd der Natnr mit ihm. '' Im menschlichen fiewnsstsein ware der
letztere doch wohl entschieden fruher zn setzen als der erstere.
7) Vgl. Schelling d, GottheUen Samothrakes a. m. St.
a) Preller, J>em. u. Per 9. S. 262.
9) K. 0. miler gnech. lAft. Gesch. I, 42 ff.; NHgeUUeh horn, Theol.
S. 109 if. ; Preller a. a. 0.
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bei den Hellenen. 17
wunderbaren Quelle ond seinem Kesselorakel , wie dem Barfugs-
g'eben seiner Prlester aafden Orient isarflck ^^) und g^eh<^rt gewiss
in seinem machiig'sten Einflusse der Yorhomerischen Zeit an. Den-
noch ist derselbe in d6r bomerischen Dicbtang* selbsi kein beden-
tender**), ebcn weil dort, dem efgenthfimlfch bellenischen Cba-
rakter gemhas die Offenbarang' der Gottbeit keine darch die Na-
tor yermittelte sein, vielmebr sicb unmittelbar ditrcb das GemUtb
des einzelnen Menscben kund geben soil.
Die n^here Erkenntniss des in den bomeriscben S(Adpfun£^ea
entwickelten relig'idsen Glanbens muss indessen^rst das recbteLicbt
auf die Urzeit Griecbenlands werfen. Bei Homer finden wir Jene
grossarti^e Einbeit, die den Anfang, aber ancb die nie aofge-
g'ebene Tiefe belleniscben Lebens ansmacbt: die Einbeit zwiscben
Natnr und Kunst, s&wiscben seiner.Poesie und ibrem Gegenstande,
zwiscben dem Factum und seiner Bedentttng*) ja selbst oft zwi-
scben dem Wort und der Sacbe. Wir finden ibn in einer wesent-
licben Befreiung* von dem Oriente , und docb wieder nocb Ankl&nge
daran in dem wenigen Symbollscben , das sicb bei ibm findet, wflb-
rend wir im graden Gegensatze gegen dasselbe bier bisweilen die
Allegorie gewabren; seine Lebre ist keine Gebeimlebre, sondern
erfabrungsm&ssiges Wissen *^) ; seine bnnte, vielgestaltige Gutter-
welt wird von einer Einbeit religidsen Bewusstseins getragen. Er
stebt in wesentlicber Einbeit mit der Zeit, die er scbildert, und
docb blickt e9 allentbalben deutlicb durcb, dass die Zeit, in der
er.Iebt, in Bezng auf den Gdtterglanben und die fromme Scbea
scbon eine andere geworden ist; das Bewusstsein der tiierliefer-
ten Erkenntniss wird kiinstlicb erneuert nnd wiederbergestellt, es
findet ein selbsteigenes Scbaffen des Menscben statt, das aber das
innerlicbste Bedttrfniss seiner Natur niemals genttgend befriedigen
kann nnd daber die wirklicbe Erscbeinung seiner Gdtterwelt be-
10) V. Lasaulx d, pelasg. Orakd des Zeus zu Dodona, Wnrzb. 1841, S.
7. 12; docb durfle die ParaUeie mit dem saiomonisohen Tempel nioht ganz
zttireffend sein.
11) mffelshach kom. Theoh S. 167.
^ 12) Treffend so N&geUh. horn. Theoh S. 9 f. vgl. S. 131. Der Reieh-
Ibnm an Gnomen entfaitet sich nacb Homer in der griech. Litteratar noch
mebr^nd zeigt sich noch im Sopholdes in seiner lautersten und gediegea-
sten Art.
LUhher, gee. Schripen. 3
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18 Zur Geschlchte des religldseii Bewasstseins
stftndi^ binter der Forderang seines freilich ttaeh dem lueDscMIclien
Wesen geformten Ideals znruckbleiben Usst Gewonnen Jiat er seiii
Wissen ron der GottbeH rein aiif gescbichtlicbeni Wege durcb den
einstmaligen Verkebr der Gutter mit der Menscbenwelt; aber dieser
Verkebr, bald in unverwandelter und unsicbtbarer Gestalt, buld
leibbaftig in angenomniener , sicbtbarer Menscbenform , isi 6elit>n
gar sebr im Scbwinden gewesen w&brend der Zeit der Handluog,
die das Epos besingt, und vollends erloscben in der Zeii desDicb-
ters ^^). DieGrOsse und leiblicbe Gestalt der Goiter isi eine , wenn
aucb nberragende, docb den inenscblicben Verb^ltnissen angemes-
sene, der Nabrung und Rube in gleicber Weise bednrftig, an die
Gesetze des Raumes gebunden und im Gebraucbe ibrer Sinne be-
scbrankt; selbst die tbeoretiscb geforderte Allwissenheit und All-
macbi erfiillt sicb im Einzelnen , oft auf scblagende Weise , nieht,
und wprend die Vorsiellung sie sicb selig und leicbtbinlebend malt,
sind sie daneben in die ganze Noth und Miibsal des irdiscben Le-
bens bineingestilrzt^ sie sind dem Hader und Zwiespalt unterwor-
fen y wie kaum die Sterblicben ; sie neiden und bassen , sie fiircbten
und begebren, und ihre yers()bnbarkeit ist nur elne persdnHcbe
und zuf^llige, kein Act der die Sunde durcb Vergebung tilgenden
Gerec;btigkeit Nur der einzigo Vorzug ewiger Fortdauer einer
unverwiistlicben , Jugendlicben Leiblicbkeit scbmiickt sie , und docb
sinkt aucb dieses, weil es nicbt seinen Mittel- und HaUpnnci in
sicb selber, in seiner vollkommnen, allgenugsamen und aus sicb
selber scbaffenden Existenz bat, oft zu wesenloser Nicbiigkeit
berab , so dass der Menscb oftmals nicbt einmal nacb einer solchen
leeren, inbaltslosen Fortdauer begierig 1st, die ibm den Bestand
seiner Glttckseligkeit nicbt verbflrgt. Wabrend nun diese Ansicbt
allerdfngs mit der ungeniigenden Vorstellung der bomeriscben Welt
von der Macbt des Todes zusammenbUngt, ist auf der andern Seite
nicbt zu rerkennen, dass eben aus solcbem Unterscbiede das eigen-
tbiimlicbe Wesen der gOttlicben Macbt fttr sie erw&obst, dass sic
eben dadnrch eine Zuyersicbt zu einer die menscblicbe weit tiber-
ragenden Macbt bekommen, die die Gescblcke der V5lker und
Staaten regiert, oft bis ins Einzelne binein, bis sie ibn nicbt sel-
ten grade im entscbeidenden Momente auf die elgene Kraft hin-
stellt. Jene waltende Lenkung aber bat keine tiefere oder um-
i3) NageUh. horn, TK 134.
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bei den HelleneD. 19
fassendere Basis, ite&n fehtte iem ganzea Alterthume jeder Za^
elner irg'end grossartlgea AufTassong* der Geschickte nod Ydlker*
entwiekelun^; diese seheini vielmehr imnerfori bel ihnen einem,
ich mdchte sa^en j psycholog'iseh - didaktischeD Zwecke zu dienen,
' die dauemde Erinneniii^ blelbt bo ziemlich der einzig'6 Se^n aiich
der ^rdsstenThaten und der ^estorbene Edie lebt im Liede fort ^*).
Aber darum ist diese g'(>tUiche Weltreg'ierang' dock kein todtea
und abstractes Herrschea allg'emeiner , einmal abg«pr>er Natar-
g^eseize, rielmehr findet ein lebendlger Yefkehr zwischen der in-
dtvidoellen Goitheit und der menscblicben Persdnlichkeit, lind da-
niit eine rege FQrsorg^ f ttr des Einzelaen ganzes Lebea in geisti-
ger und lelblicher Hinsicbt, im Haase und Felde, im Gldck und
Ungltick u.s.w. statt'^), und grade darln offenbart sich ein tiefer
Zug religidsen Lebens. Weil aber nur die pers<^nlicfaen Beziebun-^
gen der Menschen und der Dinge unier einander und zu der Goit-
heit so fadchst rerscMeden und mannicbfaltig sind, und well des
Dichters schaffende Tbatigkeit in eine Zeit fiel, wo die nrsprfing-
licfae Gdttererkenntniss bereiis einem wesenilichen Theile nach ent-
schwunden und die sehnendefMnnerung der reichsten kilnsilerischen
Reproduction derselben beflissen war: so seben wir dds ganze
innere Leben und Walten dieser Gdtterwelt beim Homer zu einem
Reicbtbume der Vorstellungen sich entfalten, wie in dem Maasse
in keiner Epoche des Alteribums mehr. Des Dichters Welt und
Umgebung wird ein Spiegel seines Himtnels , der oljmplscbe Gdt-
terstaat nach dem irdischen Leben in Staat und Hans geformt;
selbst die mehr stiirmisch erregbare und die ruhlg stiUe Zeit seines
eigenen Lebens, mit der die Wabl seines dicbteriscbeB StoiTs in
einem nicht zu rerkennenden Zusammenhange zu stehen scbelnt,
lidst eine eigenthiimliche Einwirkung auf seine Vorstellung erk^n-
nen ^®). Aber es feUt dieser Mannichfaltigkeit gdttlicher Erschel-
nungen und KtMie imEopfe des Dichters auch die zusammenfassende
Einheit nicht; und wenn er so oft als die obersten Gottheiten
14) Daher der eigentliumliclie Werth der antiken Poesie im Altertlinm
selbst, ygl. m. Comm, zu Hot. Od, S. 433 f.
15) Nagelsh. horn, Th. S. 53 ff.
16) In der liias entspricht dem irdisclien Kampfe das Ringen and Hadern
der GdUerweit , in der Odyssee ist liier wie dort Friede. NHgelsh. horn.
Theol. 103.
2*
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20 Zur Geschlchte . des religi6seii Bewasstseins
Zeus 9 Athene and Apollon wie in eiiier Fennel an einander re!ht,
so mag* man das wohl die Summa alles dessen nennen, was dem
hellenlschen Bewusstsein an relig'i6ser Tiefe zu erzeugen eder %n
empfang'en ^elangpen ist; denn es legt sich darin ,,die Fftlle des
Ii4>chsten Wesens in drei nnterscliiedHclien, aber geg'enseitig' in
nothwendigem Beznge stehenden Gdtterindiridaen als in drei Facto-
ren aus einander, in der hOchsten den beiden andem zu Grande
lieg-enden and als Vater gebietenden Macht, in der pers^^nlich sab-
stantlirten fi^ug dieserMacht and indemVerkiinderibrerSatzung'en;
in ihr erscbeint der hOcbste Gott als solcher nnr in Verbindong' mlt
den ibm inharirenden Erzeagungen , in welchen er seines eigenen
Wesens Vollendnng gefnnden hat *^). '^ Und das ist nicbt das ein-
zige Bedfirfniss monotheistischer Yorstellang gewesen, was der
hoinerische Mensch gefOhlt hat; er hat es besonders aach da an
den Tag gelegt, wo er sich das Verhliltniss der Moira za dem
obersten der Gdtter dergestalt auszamalen versncht, dass er den-
selben ihrem dnnkeln Wesen ebensowoht unterordnet als gleich-
setzt. Ihr dunkles, unpers5nliches , todtes, eben darnm aach nn-
fassbares Wesen befriedigt ihn darchaas nicht, er kehrt daher zu
dem hochsten Gotte wieder zurilck, aber nachdem er nicht im
Stande gewesen ist eine lebendige Pers6nlichkeit zu schaffen , findet
er auch in diesem das Gesuchte eineslebendigen, selbstbewussten
Willens nicht '*)• Und will der Mensch sich nun einen sichern Weg-
zur Gotteserkenntniss eroShen, so ist ihm der einzig oder wahr-
haft zurerl^sige mit dem schon friiher rerloren gegangenen Ver-
kehre der G<^tter mit der Menschenwelt entschwunden; wederdie
von den Gdttern selbst gewirkten Wahrzeichen, noch auch die
Resultate unmittelbarer Inspiration sind untriiglich , und die einzig-e
sichere Quelle bleibt daher die ohne Yermittelnng verstandliche
Wirklichkeity also ihre Werke, Schicksale und Ftigungen, die
Ereignisse in ihrem Yerlaufe und Zusammenhange ^^). Soweit
reicht denn das hdhere, das iiberlieferte und in gewissem Sinne
^eoffenbarte Maass seiner religidsen Vorstellung* ; stellt der Mensch
sich nun den G<^ttern gegeniiber, bestimmt er sich in seinem
17) Worle NUgeUbach, horn. Theol, 106.
18) NHgehh. ham. Th. 128.
19) NHgehb. a. a. 0. 170. vgl. 168.
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bei den HeUehen. 21
WoIIen ufid Handeln , dann ist seln Oewissen der alleinige Maass-
sUb 9 sein natiirliches Goiiesbewusstsein g'ibt ihm die Gesetze seines
Verbaltens. Damit aber treten die Sphlireii des MenscUIchen and
GoiUichen so nahe an einander, dass eine Veruiischung: beider
kaom mehr fern za halten Ist und eben damit fallen denn auch die
Gebiete des Mechts^ der SUtHcbkeit und der Religiosiidt unun-
ierseheiddar atusammen ^^). Die Entwickelang's^eschichte des
iB^QSchlicben Gelstes hat ja Qberhaupt dlese Aufgabe, durch alle
Uire Stadien hfndurcb das natdrlich Verbondene oder sog'ar chao-
ilscb Vemiischte allmlihlich za entwinren und aaszusondern, za-
glelch aber auch, je zertheilender die Natar einer solchen ThS-
Ug'keii ist, in ^leicbm&ssig'em Fortschritt das also Gespaltene an-
ter einer hdhern and lebendigeren Einbeit zosaniinetizuf^ssen und
das g'emeinsanie Band deutlicher za ermitteln* Die ursprun^liche
Form, in der der g^eistig* - sittlicbe Gebalt zusammeng'efasst worden
ist, wird abg'eslreift und das Bewnsstseln wendet sicb g^eg^en die-
selbe, glaubt damit aber ziiigleiefa, je mehr es die HQlle durch-
bricht, das Wesen urn so wttrdiger und relner 2iu ergreifen, w^-
rend es mit der tiberlieferten Gestalt mindestens einen Theil seiner
eig^en lauteren und unbefangenen inneren Anschauung einbiisst*
Wir woUen, ehe wir die Wirkung der sittlichen Idee im home-
rischen Bewusstsein verfolgen, zuvor yon diesem Gesichtspuncte
aus efaien Blick in die welter e Entwickelung* des hellenischen Gei-
stes werfen.
Wie auch das Verh^ltniss der homerischen Poesie zu den
Yoraufgeg'angenen Erzeugnissen der ^Itesten Yolksdichtung und
zu der hesiodeischen Poesie mit ihrer relig]6s-didaktischen Ten-
denz und ihrer Anlehnung an Cultus und Priestertbuni , wiederum
zu beiden die Beziehung der Ijrischen und dramatischen aufge-
fasst und dargesteHt werden mag: jedenfalls ist in der hierniit be-
zeichneten bedeutenden Entwickelungsepoche des hellenischen Gei-
stes ein mitohtiger Umschwung bemerkbar gewesen, namentlich
in BezQg auf das, was der religidseh Symbolik und mythischen
Tradition angehort ^*). Ohne Frage stand diese mit der urspriing-
20) NHgeUb. a. a. 0. 20Q.
21) Ich yerweise fur die nachstehenden kurzenS&tze nfamentlich aaf 17.
Ulrici, Gesch, der heUen. Dichtkunst I, 96 if; 117 f. 306 if.; hinsichtlich
Herodots aof K, Hoffmeister, SiHUch-reUg. Lehensn^isicht des Herodot, S.
6 ff. and F. C. Baur, Symbolik u. Mythol. I, S. 335 ff.
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32 Zur Geschichte des rdigitfseil Bewusstseins
lichen Form des religidsen Lebens als Natanreligfoii im emgiAen
ZosammenhaDge; nod wie in dem allm&Ulchen V^herghnge des
Pelasgischen zum Hellenischen die ethische Richtan^ des relig^dsen
Bewnsstselns starker hervortrat, massie nothwendig anch ^eg'en
jene nrspriingliche Form desselben eine Geg^nwirkon^ eintreten.
So wenig* auch die Philosophie , die wihrend jenes Zeltranntes
einen grossen Einfluss auf die allg-emeine Geisiesentwickelan^ Hbte,
anf^nglich und zan&chst dem Mytbos entgegen war, so nms^e
docb eben Ihr Sireben, denselben dnrch selbsttbiitige Reflexions
begreifen, Im Fortg'ang^e unwillkUrKch zo einer endlicben Zerstd-
rung* iind Aufldsung' desselben f tthren. WlArend er so anf der
Spitze dieser philosophiscben Bewegung^ unter den HSinden Ibrer
Vertreter zu elneni mit Bewnsstsein reproduclrien Miitel abstracter
Begriffsauffassung* herabsank , 4)ewahrte er sich im Volksbewnsst-
sein in reinerer Form nnd grdsserem Ansehen. Als Zenge bier-
yon tritt uns Herodot mit seinem ebrfarcbtgebletenden Strebei
nacb Kunde des drilich modificirten Mjthos und seines tieferen
Zasammenbangs mit dem Symbole entgegen; die Dicbter dage-
gen sind offenbar in dieser Beziehnng sebr rerschiedene Wege
gefnbrt worden, sie aber grade sind von besonderer Bed^ntang,
well sle namentlich in der Mlieren Zeit als die wabren Tr^er und
Organe der Gotteskunde dastehen. Pindar gehdrte einer Zett an,
wo die Anb^nglichkeit des Yolks an seine angestammten Gdtter
nocb friscb und lebenskraftig vorhanden war, und er istselber Fon
einem entsprecbenden, lief religidsenBedflrfnisse geleitet, erglaubt
an eine nberirdische , auf alle menscblichen A'ngelegenbeiten we-
sentlich einwirkende Gi^tterwelt, aber nicht mit jener Zuyerslcbt
kindlicher Unbefangenheit mebr, sondern rielmehr, well er In den
Forderungen und Anspriichen seines verndnftigen Nacbdenkens eben
dasselbe Substrat fand wie in der alten UeberHeferung. Er an-
terwirft daher die Mjthen einer strengen Kritik und weiset in Folge
derselben manche mit Entschiedenheit als unwiirdige Formen reli-
gioser Vorstellung zuruck; und w^hrend ein Inniger, emster Zug
des tiefen, innerlichen Lebens der sittlich - religidsen Idee ikn auf
das Schdnste durchdringt, vermag er es docb aucb schon zu er-
kennen, wie der Mjthos vielfach nocb andere, bOhere Ideen In
sich aufzunehmen im Stande sei, als grade seine urspriinglicbe
Form in sich enlhalt. Es darf diess gewiss mit Recht aU der
Standpunct eines refle^tirenden RatipnalisnuiB mit einer durchsicb*-
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bei ten Hellenen. 23
ttgeB p«sHiireiiGriiB<n»^e beaeiclmet wetien^^). Anders wiedemm
eaiwiokdte sich aaf dem Boden einer noch ^anz andern Zeii der
ursprttn^lich trische uni BelhsOatSLtiige Gelat ies Sophokles j dessen
reiher und gesunder Secle der giftige Hauch der sein Zeitalter
st&Aer darchdringenden einseiiig'eii IMacht der Reflexion nicht an-
snmerken ist. War Bchon friiher die sersplitternde Sonderung der
hellenisclien. Landsehaften and Staatsverh<nisse alliuahlich starker
ausg^glichen worden und vor einer imnier machtig'er kervortre-
tenden Gemeinschaft und Einheit des nationalen Bewnsstseins g-e-*
wicken; so war jeizt aucb allmdklick in Folg-e der g'ewaltig'en
Zeitereignisse nnd krafl der geluugenen Erfolge das Uebergewicht
desGeistes entsebieden, die Macbt der Natnr im allg^emeinen Be-
wnssisein welter zurfickgetreten und dadurch insbesondere das Ver*
hjiltniss zwiscbeo G^ttern und Menscben etwas anders gestaltet«
Hatte nemlicb die Mensebenwelt sich in freiercr Beweg^un^ und
grilsserer Unabbftogf^keit von der Natur zu zeigen begonnen , so
musste aucb das Wesen der Goiter freier und Idealer werden.
Das Dasein der Alenschen in den qatilrlicben Banden und Verb&It-
nissen hatte dem g'eordneten Leben in Familie, Stadt und Staat
Ptatz ^niacht , und es inusste daher ein nliheres Zusammeurilcken
zwischen dem Walten der G6ttermacbt und dem Kreise derMen-
g€henwelt stattfinden. Aber in demselben Maasse als die Goiter
der natilrlichen Auffassung und dainit der natiirlichen Beschr^iDkt-
heit enthoben wurden,*iraten sie aucb umgekehrt wieder in eine
l^wisse Feme und Fremde zu den Menscben, und wir finden daher
belm Sopbokles das lehrreicbe Bild einer GOtterwelt, die mehr
Tom Himmel auf die Erde herabgezog^en und doch wieder idealer
ond erhabener gehaltep Ist als frdbere Volksanscbauung- und Dich-
tung' sie zn erfassen yermochte. So bilden sich oft im Einzelnea
sdieinbare, aber bald zu entwirrende Widersprtiche ; die Gren-
zen des gdttlieben und menschllchen Gebiets sind eben so wenig
fest abg'esteckt als die ibrer Macbtvollkommenheit im gegenseitig'en
Yerii<nisse zu einander, und es blieb dem religiOsen Bewusst-
sein bei diesem Alien neeh etwas ubrig, was als hdchster Inbe-
22) Ich trele hierin melir der Auseinandersctzung von M. Seeheck im
Rhein, Museum, 3. Jahrg, S. 504 if., als der nicht immer hinlanglich schar-
fen Darstellang Bipparts in: Pindars Lehen, Weltanschauung u. Kunst S.
26. ff. bei. Sebfttzbare AndeirtoMgea gibt Bawr a. a. 0^
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24 Zor Geschichte des religidseB Bewnsstsefais
^iff g^tUIchen Wesens sidi woU elamal tsf die tinMihtm.GiHter
niederzulassen, im Wesenilfcken aber liber ibrer Gesammtlieii xa
schweben scbelnt. Aber aocb das Un^escbaute vad Unbegreif-
liche, wie jene verborgene Beziebnng und Verbfaidiiiig &wf9clieB
JUenschen- nnd Gdtterwelt, hult die stUle, fromme AbaiiDg;^ in
unverriickbaren Glaoben fest. Und so muss nicbt bloss elae m&oh-
iige AnreguDg* ftir Erkenntniss und Betracbtmig') soadera aocb
ein wesentlicber Einfluss aaf das praUiscbe Bewttsstsein mni die
sittlicbe Bestimmung daraas erwacbsen. Es ist aber etae miwlt*
telbare und persOoIiche Beziebang zwlscben den ebigteliien GdUov
und Menscben vorbanden ; g'rade in ibr offenbart sicb so reebt die
Mackt und Wekheit der Goiter nnd zeigt sicb im bellstenLiefcie;
denn w^brend dleselbe gross nnd in einem gewissen Maasse ba-
tiberwindlicb nnd unwidersteblicb ist den i(f<^ii«cAeii gegenilber, so
ist sie docb beschranki in Yerglcicb zu der bdbem Macbt, die
noch tiber ibnen wieder waltet, nnd auf die besiimmte BeziebtHig
zu der.Menscbenwelt nnd ibrem Tbnn eingescbrHnki. Eine unmit-
telbare Folge davon ist, dass Antrieb und Erfolg, Tbai nnd Wir^
kung, Scbuld nnd Strafe das gOttlicbe und nienscblicbe Wesen
wunderbar in Eins znsainmenflecbten* Aber diese Tbatigkeit ist
nnr eine ausgleicbende, sie sucbt durcb die gdtllicbe Gerecbti^-
keit und das von dicser yerb&ngte Leiden die Scbuld wieder ^t
zu macben und das gesforte JEbenmaass wiederherasusteUen* Da^
gegen muss auf diesem Wege der lnner%Wertb und erziebenie
Zweck der nienscblichen Leiden nocb verborgen blelben, und es
kann darum nocb nicbt zum Bewusstsein kommcBy dass dkselben
eine sittlicb veredlende Kraft in sicb tragen. Wir durfen es aber
im Ganzen wobl gradezu eben so sebr einen Fortscbritt nemiea,
als den Unterschied von der frttberen r^ligidsen Entwiekelungs-
stufe darin finden, dass so alle Wirksamkeit der Goiter mitder
menschlichen Thdtigkeit in unmittelbarem und unsertrenmlickem
Zmammenhange ^tehtj und dass eben dadurcb das goUliche Wir-
ken rein und Ubenviegend ein sUtliches ist *^).
Yon diesem angegebenen Gesicbtspuncte ans offenbart sicb
teicbter im Einzelnen, welcben nicbt unerbeblicben Raum diereii-
giose Idee seit ibrem ersten volleren Auftreten beim Homer nun
23) Nidit genug (He Zeit untersoliicden liat in diescr fieziebang G. H.
Bode, Gesch. der Hell, DUhlkunst 1, 196 f.
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bei den Hellenen, 25
sdion diirchnesseii hat Dort rin^ and k&mpft dieselbe in sicli,
sle trftf t die Sporen ilurer Herknnft und vonnalig^en GesUU, aber
Mch dte Kelme ihrer welteren Entwickelnngp in sich; hier ist da-
g^ffen ein grosser and m&ehtiger Zwiespalt innerhaib ibrer selbst,
wie welt sie ftberhanpt in dem allgemeinen Bewnsstsein des Votta
▼•rbanden isi^ and der ibres iieferen Gehalts wie Ibrer schdneren
Verg'ang^nbeit knndige Dicbter befindet sicb der Vollcsauffassung
gegenttber in einer gewiasen reactionm^en Bewegnng*, wie sleed-
leren Gdstem natftrlich and naOiwendlg Ist, wenn niebi der Strom
der Gemeinbeit aHe Dftmnie dnrcbbrecben and die scbttnsten Saaten
Fertilgen soli; In Wabrbeit also stebt ei: aaf dem Boden des Fort-
scbrltts wabrer and bewusster Frelbelt. Bllclten wir in der KOrze
aof die Unterscbiede im Einzelnen znrilek. Betm Homer erscbefnt
z. B. der d>erste der Gdtter, Zens, nicbt bloss im Kampfe ge-
^n eine nocb immer nicbt so ganz und rdilig' iiberwnndene Na-
tarmacbt der alteren Periede, sondemer tr§gt aach selbst eIne
reicbe Ader des natflrlicben Elements in sicb; beim Sopbokles er-
sebeint aacb er fast ausscbliesslicb als eine sittlicbe Macbt. Wir
g'ewaliren ibn anders eig^entllcb nur in der aacb von den Heiden
der Vorzeit mit Ebrfnrcbt and Scbeu betradiieten Natorerscbeinung
des Gewitters; altein grade dieses bekam doch am Ende seine
wesentlicbste Bedeatang- dadarcb, insofern sicb in dieser starken
Natnrstimme ein Abbild des ztimenden and strafenden Gottes dar-
stellte, des Gottes der Racbe far jedweden Frevei, des Wissers
and Zeagen der Wabrlieit, ^tx Tor alkn Dingen aucb das Ver-
borgene darcbscbanet and die lang rerbtUte Sebuld ans Licbt ziebt.
Keitt Wander 9 wenn er insbesonderc mit dem Apollo aacb bier
Ja nftbere Verbindang tritt; aber wahrend dieser in der frttberen
Epocbe eine mebr secand&re Bedeutung bat, tritt er bier vielmebr
in den Yordergrand, and das eben darnni, well in dem allge-
meinen Bewtustsein der Menschen van Recht und SiUUchkeit eine
grease und weienlUche Ferdnderung rorgegangen ist, die mit
der Aasbrettang des Apellocalts and mit der Aasbildang des Mj-
tbos dieses Golies als Repr&sentanten der bierjn Betracbt kom-
nenden sittlicben Recbts-Ideen aaf das Genaaeste zasamn^enbing.
Eben daram tritt Apoll aacb der MemchenweU ndher and nimmt
mebr nnmittelbareii Antbeit an Ibrem Verkebre; ja es kdnnte fast
sebeinen , als wenn er aacb aaf das natiirlicbe Ldien der Menscben
einen grdsseren EInflass wieder gewonnen babe, eben well wicder
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36 Zor Geschichte des relighweti Bewusstseiits
der siitHdien Eiawfrkong' auf dasselbe m^kr efaiferi«mt^ii»d 4ie
Wechselbezlefaung beider von dieser Seite mehr hervorf-ehobeB
wird. In einem Pancte aber g^ewinnt dieses podi eine g^ans be-
sondere VTichiigkeit und dienei %n einem Merkmale der Unterschei-
dung' von der frOhern Eniwickelang^sstefo; es ist seine weimtagemie
Xrafly nnd damit eben das Verh&Itniss des Menscben »um Ora-
kelwesen und %ur Mantik (iberhaupt, In welehein sleh der g-rosse
Zwlespalt zwiscben dem ^eniebien VoHtsbewnsstsein und der b#-
hem AnlTassnn^ der edieren Zeftgenossen inimer belier and deal-
licher knndgab **).
Es scheint dnrchaus naturgemass, wenn die Orakel In dein
Leben und Bewusstsein eines solcben Volks .anHinglicb geriiig-ere
Bedeatun/^ baben, wie sle denn In der homerlschen Dicbiung' zwar
vorbanden ^ aber fOr das eigentlicbe Bewusstsein noch sehr g-lclch-
gUltlg sind, bernach aber mit der forischreitenden etblscheti Bnt-
wickelung des Volks eine Inimer grdssere GeUiing eriangen. Ule-
von isi natiirllcb das Maass der Befragung* abhangig, denn je
lebendiger das Gefiihl der Gemeinscbat'i mit den Gottem ist, um
so mebr kommen die Zeicben der Zakunfi und Offenbarongen des
gottlichen Willens von selbst und un^efragt; sobald aber ein
irewlsser Zwlespalt zwiscben dem menscbiicben und gditlicben Be-
wusstsein erst eingetreten ist, so wird aucb bel den Urakeln eine
sokhe doppelte Thatigkeit unterschieden^^), nnd wo der Glaube
an die g^^ttlicbe Kraft in ibnen Irgendwie noch vorbanden ist, da
nimmt der scbwankende Entschloss und die unstcbere Handkia^-
weise des Menscben zn Ihrer Befragung* seine Zuflucbt. Belm
Sophokhs ist die voile Zuverslcht in die Weissagungen der Gotter
vorbanden; sle gehen von Zeus nnd Apollo aus» Von jenem
kommen die OrakelsprtiGhe elgentlicb her, dieser ist nur in ge-
wlssem Sinne der Verwalter derselben; eben dadurch aber wird
aire Bedeutung sofort In das praktiscbe, ethische Gebiet biaaber-
gezogen. Zwar blelbt der Gottheit nichts verbergen; was sie
erforscbt baben will, das kann sie leicht an den Tag bringen, ahct
24) Wir geben hier kflne uaheren Belege fur das Einzeliic, well dlc-
selben bald in einer ansfuhrlicheren Arbeit fiber das ethisch - religiose
Element im Sophokles besonders vorgelegt werden soilen.
25) Vgl. Bawr, Sjfmh. u. Myth. II, 2, 56.
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bel den Hdletten. 27
Hate Bttttteihiiif en erfol^ nicltt immer In der Art y wie der Menseli
sie rermuthet hat. Das Orakel ertheilt oftmals Dkht die erwar*
tete Oder begehrte Antwort, sondem statt derselben btsweOei
eine andere schwere Weisang* oder Mahnnng, dadnrch es aich
denn offenbar nicht bloss als eine enthSllende, sondem als eine
fttgende and wirlcende Macbt kund glht. In solcher Welse
filbrt es dann grade den Menscben in den voHen sittUchen Con-
flict hinein: er will dem verl^jlndigien Gesehiclte entgehen nnd
sifirat so gerade In lingstlichster Vermeidnng desselben niitien
ia das gefQrcbtete Loos hinein. Ganz nattlrUch verliert es
so leicht deine Bedentung al» eine dusserliche und obfecHve^
dem Menscfaen gegenilberstehende Madit; es tritt in eine
B&here Beziehang zu seinem Innem, es wird eine Stimme darin
and yerbindet sich mit der Sprache seines Getvissens. Daran
heisst es in solcher Beziehung* einmaP^') beim Dichter: Der
Tom Orakel bezeichnete Urheber einer bdsen That, fiur den es
Zeit ist, dass er schneller als die sturmwindbefliigelten Rosse
seinen Fuss znr Flucht lenke, irret im witden Forst, in Hob-
len und Felsklflften umber, wie ein Stier, elend niit einsamem
Schritte, die ron des Erdranms Mitte kommenden Sehersprilche
meldend, die ihn doch immer lebendig' umflattern. Wehe darum
dem Menscben, der solcher Wirkung sich entziehen zu kikinen
meint; er wird die Folgen nur urn so bitterer empfinden. Der
Dichter will einem Zeitalter gegentiber, das im Vertranen aif
die bisher In treuem Glauben bewahrte gdttliche Macbt und Vor-*
sebung* schon so matt und wankend geworden ist, es recht fest
nnd nachdrficklich einpr&gen, dass der Mangel am Gotterglauben
znr leichtslnnlgsten Ansicht des Lebens und damit naturlich un-
mittdbar zu sittUcher Verschuldung f fibrt. Diese firfabrung' zeigt
sich an den stiirmiscben Bewegungen besonders In dem GemiHlie
der Frauen, unter weldien namentlich die lokaste das abscfarek-
kendste Bild ron der zerstdrenden Gewalt derselben darbietet.
Was aber ron den Orakeln insonderheit gilt, das g^ilt ron der
ganzen Mantik nberhaupt und zum Theil in noch grtfsserieHi
Maasse, well die menscbliche Bescbr&nktheit in dem Tr&ger der-
selben noch st&rker hervortreten musste. Auch bier ist ein roller
Streit im menschlichen Bewusstsein zwischen der selbstandig ge-
26) Soph. Bed. Tyr, 460—75.
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28 Zar Geschichte de« religidsen Bewvasiseias
rciftfB Geisteskraft aDd der gdityck eriaicbteten Gabe nahxaimty
wie sich derselbe in dem hefUg'en jiaftreten dea Oedlpua uad
des KreoD gegen dea greisan Seher Tirealas aa erkennea g^L
Abet ebfn damit weiat aach df r DIchter auf die iiiiaasbIeibU<^
Volge hitk, die an die Schold ies MenscheD im weiteren Verlaafe
afdi anknOpfU
Wir bewegea ana alao immer wieder auf dem aittlickem
Gebiete, ao oft wir aach den Dicbier die We^ and Irrwe^
neaachlicher Erkenntmas verfolgea aehen. Uad das isi wobl
^ade zametst als ein weaeatlicher Unterachied in dem relig'idsen
Bewusatsein anznerkennen , wie aich daaselbe in der homeriscbea
oiid in der soplieklefscben Poesie herauaetellt. Zwar 1st es bei-
den e^emeinsam, noch andere Facioren der sittlieben Handlang-
anzonehmen and insbesondere der Absianmung* and dem Sdiicksal
einen besiimmten Einfluss darauf zaaaweisen; aber der besondere
Antbeil des Efnzelnen an seinem Than MM bei Homer yerzng^-
weise dem natilrUehen Wesen des Menscben, beim Sophokles
dem mit der Einsiebt and Erkenntniss eng* zasammenhangeaden
freien Willen anbeim. Der homeriscben Vorstellung'sweise g^ilt
die SUnde als eine factische Zerstdrang' der sitUichen Weltord-
nung', ala die falsche Selbstbestinimang des Menschen nach eig'enen
Gesetzen and Maidmen; sie isi seine elg^enste That, die sich von
dem GefOble g§ttiicben and menaehlichenRechtslosreissendeSelbst-
sacht, ein sich ang'ebahrlich tiberhebendes Ehr- and Selbstg^fdhi.
Nebenher ersdheint sie in ihrem Wesen wie in ibrer Zarechnung
noch in der anderen Gestalt, als etwas von anssen her Empfan-
genes, Eingefl6sstes , das gradezn den GdUern antergeschobea
wird. Zwar bringen die Gdtter aach nach der sophokleischen
Auffassangsweise den Menschen in die Schuld hinein, aber dteae
Verfnbrang h&ngt mehr oder weniger von dem sitUichen Zustande
des Indiridoams oder von der ganzen bisherigen Ftthmng and
That seines Geschlechtes ab, sie hat tiefere Wurzeln innerhalb
der Menschenwelt selber and ist nienials allein da, ohne dass
der freie Wille seine Macht beh<. Wenn also aach die Maasa-
losigkeit im Streben and Begehren atark hervortritt, wenn sie
besonders aach als Eigensinn, Vermessenhelt, Trotz, Tollktihn-
helt erscheint, so macht sich doch vornehnilich der grosse Unter-
schied geltend, der zwischen der vers&tzlichen , bewassten and
freiwilligen and der gezwangenen oder anfreiwilligen Scbald atatt-
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bei den Hellenen. 29
fiiidei '^). Mli dieser so b5chst wicbtS^en Unterscbeidmig zwischen
Absicbt und absicbtslos rerttbtein Frevel ist e!n grosser Scbritt
vorwftrts geihhn und , so entfernt anch noch die Idee der cbrist-
licben Freibeit lag*, docb der sicbere Boden des XechMewusst-
9ein8 beireten, wie dasselbe sicb anderweiiig* aucb in den ent-
sprecbenden Erscbeinnng^en des Anfbdrens der Blutracbe, der
Einsetznng des Areopags nnd der Entwickelung der siitlicben
Idee durcb dii^ Lebre des Sokrates kundgibt.
27) So nnter anderem in Soph 0. 7. 982 ff. Man yergl. zn diesen
zuletzt gegebenen Andeutnngen Nagehhach horn, Theoh, S. 249. 270 ff. a.
Bippnrf, Pindar ft Lehen, WeNanschaimnff und Kungt S. 71 f.
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30 Die Oedipus ^Sn^ and Hire Behandlong^
III.
Die Oedipus -Sage uad ihre Bebandlmg bei
Sophokles ^).
Zom tieferen Verst^indnisse der sfnnyolleii Diditun^en der
alien attischcn Biiline hat man neuerdings insbesondere die darin
verborgen lieg'enden Reflexe der damalig'en Zelt und poliiischen
Anspielung'en auf Personen and Begebenheiten niit Scharfsinn and
Konde zu entwickein gesucht; man hat be! der anerkannt nahen
und innig'en Verbindung* zwischen Leben and Eonst, wie der
Zusammengeborigkeit von Natur and PoSsie im Leben des Altcr-
thums gem auch die vielleicht vollendeiste Eanstgattang' des
hellenischen Geistes mit ihren feinsten Fasern tief ini Boden
ihrer Zeit wurzelnd nachweisen wollen. Eine andere Rlchtang*
dagegen, die im Allgemeinen den Bedilrfnissen der WIssenschaft
in nnsern Tagen ang'emessen and nabeFiegend scbeint , ist aaf das
griechiscbe AUerthum im AHgemeinen schon in bedeutendem
Umfange, auf die griechischen Dramatiker erst theHweise^ aaf
den Sophokles bis jet^t noch am wenigsten angewandt wor«
den. Ich meine die Forschung, die mehr innerlich den Weg>en
and Richtungen des schaifenden Geistes nachgeht , die den eig'en-
thumlichen Standpanct zu emiittein sucht , auf welchem der Dich-
ter in seiner g-anzen religids - sittlichen Weltanschauung steht,
die den Einzelnen seiner Zeit umgekehrt entheht und Ihn in den
hdheren weltgeschichtlichen Zusammenhang mit seiner Nation and
der ihr gestdlten Aufgabe, wie mit dem Mittelpuncte aller Gc-
schichte zu bringen bemnht ist. Es gibt ja unleugbar That-
sachen und PersOnlichkeiten, die yorwSrts weisen, wenn aaeh
Tollkommen sich and ihrer Umgebung unbewusst, deren Bedea-
tang nicht mit ihren n^chsten Wirkungen, noch mit der Ariieit
1) Die gleichnamige Abhandlang von C P. Conz in Hmffs Philo^
logic , I, 3. S. 155—78, war mir bel der Abfassong dleser Arbeit nicht
gegenw&rtig*
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bei Sopbobk». 31
ilirea Lebene oder d«r Daaer ibres ABdenkens abg^scblossen ist
Es ^t Wahrheiten und GrandsaUe, Erei^aisse nnd Mensoben,
die in sicb so aU^em^iiier nnd inbaltsreicher Art sind, dass sie
eft, wenn sie znm crsten Male anftreten, nur elo Vorspiel spH-
terer Wiederbolung'en scbeinen, sie tragen aus solcbem Grunde
eSnen aBverkennbaren t jpiscb - propbetiseben Cbarakter, ibre Macbt
und Bedeatung* ist an sicb nnendlicb Tiel reicber als dieselbe
ibrer Uw^bun^ erscbeiut ^). Eine sokbe Natur tritt aus den
lieUieh-reicben Dicbtung'en des Sophokles vorzugsweise in dem
Oedipus bervor. VKenn wlr nun biebei gleicb im Vorwege ein-
rikumen miissen, dass ^ss keine eigenlUcb bistoriscbe Person
sei, dass scbon dem Sopbokles eine abweicbende Erz^ang ')r
von seiner Herkunft, selnen Scbicksalen nnd Tbaten znr Wabl
vorgelegen baben oder ncben der ibm bekannten andere rorban-
den gewes^ sein miissen; dasa also sicb an den urspriinglicb
80 oder anders gesialteien gescbichtlichen Kern eine von son-
stig^o^Einfldssen der Bildung, Umgebung und Stammeigentbfim-
Hcbkeit nicht unabbangige Yolkauffassung angesetzt baben niilsse:
90 lasst sicb ja niebt lengn^, dass aucb des Dicbters eigene
Aftffassuagsweise eines soicben Gegenstandes mit seiner kilnst-
leriscliem Behandlnng in einem gegejuieitig bedingenden Verhalt-
nisse, in WecbseJwirfcnng steben mOsse* Diese seine Ansicbt
sn erkennen bat aber deshalb Scbwlerigkeit, weil der dramatiscbe
Blchter ste nirgend nnmittelbar an den Tag zu legen oder iiber-
haupt anders als durch die Anordnung des ganzen Stiickes bis
zu seineni Ziele und Ausgange bin, wie durcb die besondere
Fassang der Rolle des Hanptbelden — immer aber nur durcb das
Factiscbe, nie dureb eigentUdhe Reflexion, am wenigsten von
soiner eigenen Person aus, an den Tag zu legen berufen 1st*
Ohne Priifung des uns Yorliegenden Mjtbos an sicb nun werden wJr
utts wobl kelne tieiere Einsicbt in die Bebandlung der Aufgabe
von Seiten unseres Dicbters bilden konnen^ zumal wenn bereits
mebrere Deutungen desselben vorliegen; umgekebrt aber werden
wir aucb obne best^ndige und eingebende Riicksicbt auf unsern
2) Wie wenig das Bewasstsein der jedesmaiigen Zeit uber Sinn nnd
Bcdentttng einer Form u. s. w. entscbeiden darf, weist a«f yerwandtem
Gebiete Hegel Aesthetih I, S. 402. if. nach.
3) S. Nitzsch, Heldensnge der Griechen, S. 28 f.
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32 Die Oedipas-Sa^e ub4 ihre Behandlniiir
Dichter wedcr die Art imd Welse, wie er seinen Stoff behandeU
hat, %u wttrdi^en, noch auch welter far die reehte Erkenntiiiss
jeoer Sag^e im Ganzen etwas zn g>ewinnea im Stande sehi.
Die Devtung der Oedipassage schiea Manchen idcht schwer.
Man hielt ihn *) fttr ein treffendes Bild anmaasslicher menscblidier
Weisheit, die, statt auf sich selbst Anwendung* daron zu mai^eD,
immer nur auf das Allgenieiae geht; es s^Uen das reehte Gegen-
bild zu dem als innerster Lebensgruodsatz der Hellenen yerlang-
ten yvui&i amvtov zu sein: wahrend er das Rathsel der Sphinx
Idst, wird ifam das eigene Lieben znm nnentwirrbaren Riitiisel,
das sich erst aufs Gntsetzlichste Idst, als Alles iiBwIederbrinfUeh
verloren ist. Dage^en meinten Andere grade in ihm als dem
LOser des Rathsels der SpMnx, die ja eben als das Synhol
alles Sjmbolischen anzusehen sei , den ersten Anfang* selbstbe-
wussten Lebens, die erste Erfttllung Ai&t vom delpUschen Gotte
veriangten Selbsterkenntniss hegriissen za dilrfen '). Oder nan
fand^) darin die Entwickelungen des Lebens der mensdiUdieii
Seele, man sah aus dieaer Geschichte, ^egenilber dem Menschen
in seiner sich selbst zerstdrenden Kraft, den Menschen in seiner
sittlichen yerklarang* hervorgeben und dem Geiste die Freiheit
gebracht werden. Oder wenn man eine Anspielnng* anf die cbrist-
liche Vorstellung von der Versdhnnng^) daf-in finden wolUe, well
die Getter ihn zn sich berufen, den Sttnder zu Gnaden annehmen
nnd zu Ehren bringen, auch das an seinem Leben ans^elassene
Geschick ihm im Tode durch Seligkeit vergllten: so muss mit
Recht dagegen erinnert werden, dass bier doch das Bewnsstsein-
ans dem ganzen Conflicte sittUcher Machte znr nrsprHn^lidien
sittlichen Einheit zurilckkehre, wShrend in der chrlstlichen Vor-
stellung der alte Mensch ganz daran gegeben wird. Indem man
aber so einerseits vorwarts weisen liess anf das, yor dem der
griechische Geist weichen mnsste oder in dem er seine anfldsende
V4jr-
4) A, W, ScUegel, Vorlesmgen uher dratnatische Kunst wid Litt. 1,
S. 179.
5) Hegel, Aeethetik I, 464 f.
6) P. F. Sinhr, Religionssysteme der Hellenen S. 9. 69. Tgl.S. 111.
7) Hegel, Philos. der^Religion 11 , S. 115. Vie! tiefer nnd reicher
jedoch Aeetkelih III, S. 558.
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bet Sophofcles. 33
VerUiUriiBg fand, &^ scMen er audi andrerseits cine Wetettog
rlickwiirts auf die vor dem griecliisolien Geiste verschwundene
Welt zu efithatten. Ae^pten steht danB !n dem weltgeschieht-
lidien Gange der EntwldceluDg^ der Measchbelt als das Land des
durdi die Spbinx dargestellten Ruthsels da, dessen Losueg die
Hgyfiiaohe Welt niebt zur Klarbeit bringen koiinte, soedern dem
griecUsicben Geiste aufbebaUeo blieb^ Oedipus Idste das Rutbsel,
sein Inbalt war der MeDsch^). Dlese Auffassungsweise, die
ilber das unmittelbare Gebict der Sage sawobl als tiber ibren
niebsteii diebteriscben Gehalt iind Nntzea binausscbreitet und sie
im Znsammenbauge der weltgescbicbtHcben Bewegung der Menscb-
beit betracbtet, bat vor Kurzem notb mit besonderer Beziebung
anf dea Oedipus eiiie weitere AusfubruBg und BegrUndung erbal-
teji ^)> auf die wir zuvorderst etwas n^ere Riicksicht nebmen
nNlssen. Nacb dieser Art der gescbicbtiicben Betracbtongsweise
ht i^r das alte Wunder- und RaOisellaBd Aegypten die nslcbste
Vorstufe fur Hellas^ jene Ratbsellosung durcb Oedipus sagt also,
dass die in sicb yerscMossene Natur des Hgyptiscben Wesens
iit dem gri^ebiseben Geiste und durcb ibn aufgescblossen sei; der
Menscb ist dem Aegypter ein RUtbsel, er bat in diesem kein
Bild seiner GotAeit , der frde seiner selbstbewusste Menschengeist
iat ftr ibn nocb niebl da, in der dumpfen Welt der Tbiere, in
ibrer gebeimuissvoUen, uns unbegreiflicben stummen Intelligenz
war ibnen die Verstdlung ebies Andern, eines Hoberen, ein
simulacrum MvinitaMa bescblossen. Die Griecben dagegen macb-
ten sieb mebr und mebr yon ^dieser Naturgebundenbeit los; sie
erkannten dieMenscben, sie rerebrten ibre Gotter in edit mensch-
lidber Gestalt. „Sie waren ein edit menscblicbes Volk,^^ sagt
der gedacbte Vertreter dieser Ansicht, „menscb1icb aber mit
8) Uegcl, Philos. d. Gesch. S. 207. 229.
9) E, V, Lasaulx , ubex den Sinn der Oedipus$age, Progr. v. Wiirzburg
1841 , besonders S. 8^ ff. Es schliesst sich an diese Arbeit eine Reihe yon
adit andem gleicbartigen an, die alle ethtsch - religiose Probleme des
Aliertbams zum Gegenstande haben und , wenn aueb gegen eine gemein-
same Grundrichtung derselben hier Einspracbe erhoben werden moss, ais
verdienstlich and aasgezeichnet anzaerkennen sind. Ygl. uber sie im All-
gemeinen Vschold in d. MUnch. gel, Anz. Sept. 1843. Nr. 195—97., Teuf-
fel in d. Jahrhh. der Qegenw. Sept. 1843. Nr. 55 — 56. und Preller in N.
Jen. IMt, Ztg. 1845. Nr, 222—24.
huhJter, ges, Schriften, 3
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34 Die Oedipus -Bagre und ibre Behandlang^
alien Sehwftchen and Sfinden des natntliehen Menschen; nod die
darauEt hervorgehende Unseiigbeit des Lebens hat kein Yolk tiefer
empfiinden als sle. Denn mitten diirch die gnssere ^Herrlichkeit
and Freude des hellenischen Lebens %leht von Anbe^inn bis %ani
Unter^ang- desselben ein tiefer Klag'elaut: ibre grdssten Wel^en
und Dicbter haben es wiederbolt ansg^esproehen , dass man keioen
Sterblicben glircklicb preisen solie Tor seinem Ende. In aller
Mnnde, navraxov d-QvXXoifisvov y war das alte Jammerliedi^am
besten sei es niemals gieboren zu werden, das zweite danadi
sobald mogiicb za sterben. In der Biutbe seines Lebens foak
Achilleus bin, das Ideal des belleniseben Wesens am Anfeng
seiner Gescbichte, and in der Falie seiner Jagend ward Alexan-
der bing'eraift, der Macedoniscbe Heldenjan^Itng* am Ende der
nationalen Existenz des g'riechischen Lebens. ^^ Man kdnnte Ann
freilich frag'en, ob man in solcher Weise Aeg^ypten als eitte
inbaltsreicbe und bedeutung^volle Vorstufe Grieehenland g'eg^i-
tiberstellen dilrfe; denn, wenn man aueh die g'rade bier In di^
Oedipussage sicb wunderbar beriihrenden Geg'ensatze zug^steli^
muss und nnter andern auch ^ig'enthumllcbe Aebnlichketten %7p-
tiscber und bdotischer Gescbidtte, wie die Verwandtscbaft dlar
lig>yptischen Natur besonders mit der orcbdmenischen *^) y anerken-
nen mag: so w&re doob scbwerlieb solche Parallele um&»seiid
genug*, aueh Aeg^jpten rlelleiebt niebt als ein orig'itiales Laad
anzuseben, vielmebr wie pbjsiscb ein Gesebenk seines Flusses,
fiio geistig ein Product der Reflexlon^^), and hnmer wilrde die
wicbti^ste Frag-e filr uns bteiben^ ob die Forscbung* auf sokhem
Wege. wirldlcb etwas far Sinn und Charakter des OedipuR g^*
wSinne , dessen Betraebtung uns znnUcbst und voraug'sweise obUegt.
Lassen wir nun zuerst die Rlchtlg'keit der Deutung^ seines
Namens Oedipus als ol dinovg (mlt Ansprelung* auf das von ihm
geldste RUthsel vom iinovg) Webemenscb, bier als zur Haupt-
sache unerheblicb bei Seite lieg'en — der Cbarakter eines indi-
vlduellen Lebens trittwobl melst erst dann ins Bewusstsein, wean
es schon lange durcb den Tod der unmittelbaren Ansduiuiiii^
entzogen ist; auob ist dieselbe wirklich nieht sophokleiseh naeb
10) Jit. 0. Muiler, Gesch. hell. Stamme ti. StHdtel , S. 90 ff. (tete Ausg.).
11) Fr. Ehrenfeuchter , EntwieMung$ges€K der Mensekheit S, 65^
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bei Sophokles. 35
0. T. 1007. (Avisg. V. Woider) — so werdea wir doch rlelleicht
ilmi ztt^ebea, dass grade Oedipus vorsugswelse der ReprlUtentant
dieser ffineni Unsellg'keit des^helienfaichen Bewnsstselns sei; schon
dass diede Ldsnng- jenes Ruthsels eiBem Thebaner zug^eschrieben
wird, magr daffir nicht gleichgttlttg' sein, denn einmal war grade
Tbeben derjenige Staat Criechenlands, dessen Eigenthttmlfcbkelt
^ornemllch aaf dem HerTortreten der Innerlichkeit nnd des Ge-
mtttbs berabte, wfthrend be! Aihen der denkende, sich seiner
bewosste Geist, and in Sparta der Kdrper nnd Geist in wesent-
Itcher Einbeit rorwaliete^^); andrerseits aber ist anch die kurse
Zeii, wo Tbeben unter den belleniscben Staaten den Yorrattg
sfeh erworben hat, der Gfpfel and Endpnnct des griechischeti
Lebens geworden ^^). Aber damit endigt vielleicht anch die all-
gemeine nationale Ansieht, die ron ihm gait; sobald man nnn
weiter ins Einzelne eingeht, lauft man Gefahr das Tolksthttmliche
ffild mil der Vorstellnng des Einzelnen oder seiner dfchtertschen
Bennt^nng 2a verwecbseln. Wenn wir nan also die Leiden des
Oedipos als die Folgen seiner Thaten bezeichnet finden, mit 4er
Beschr^nkang) dass diese mehr seiner Natar als selnem Willen
angeb^ren; so ist grade in Beaag aaf diese Beschrinkdng za
fragen, ob die allgemeine Yorstellang oder die sophokleische
Anffassang damit gemeint sei, and es ist mit der gewiAlten
Aasdracksweise die Entscheidang der, wie es scheint, wenlg-
stem be! Efai/ielBen noch iinerledfgten Streitfrage: wie die Frd-
hdt des menscblicliei Wollens and Thnns dabel za dem Willen
der hotter oder des Schicksals in Yerbliltniss gesetzt sei, and
ol^ Oedipos wirklicb als ein schon ror seiner Gebart za seinem
UngMeke bestimmter Mensch angesehen werden mdsse'^), fast
gjltzUeh vermieden. Gem woHen wir zageben, dass sein ganzes
Wesen ein Abdrack seines Volks sei, dass alle Tagenden and
Fehler des griechischen Charakters sich in dem seinigen finden;
mag er inmierhin die ganze Feinheit and Gewandtheit des grie-
eUscben Geistes, den hellen Yerstand and WItz haben, rasch
nid jah In AUem sein, heftig and leicfat zam Zern, nahe steto
12) Fr. Cramer, Gesch. d. Erziehung I, S. 307.
13^ Cramer a. a. 0. S. 141.
14) K. Sckwenck in Hall, Idf. ^eiU 183d. Nr. 140. ff. und G. Thu-
dieham in Z99tkr. f, AH. Wis». 1842. S. 721 f.
3*
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36 Die Oedipus -Sa^e and ihre Behandlong
dem Uebermuih iind Trotz: so ist es doch nichi die Volkssa^e,
die eine so voile Personlichkeit statt einzelner Zii^e und That-
saehen von ilim auspriigt , sondern ihre Ausftthrnng' and Belebun^
durch den Dicliier der Biihne, be! dem namentlich die Raschheit
und Heftig;keH seines Charakters in dem KOni^ Oedipas ^anz
unverkennbar hervortritt. Hing-eg^en wiedernm , wenn sein Leiden
gleichsam ein Vorbild des langen Schmerzenskampfes , den das
helleniscbe Leben selbst dahinstarb , wenn sein Starz vom Throne,
seine Blendung- durch eig^ene Hand, sein Wandern and Sterben
in der Fremde als Hindeutungen atff das allui^hliche Hinwelk«n
des griechischen Lebens vom Gipfelpancte seiner Bliithe an, der
Wechselmord der Sohne desseiben als den einfaeimischen Krieg-en
entsprechend angesehen wird, ia denen die Bruderst^mnie des
hellenischen Voiks sich verbluteten, und so vieles Andere niehr:
so sind das anziehende Parallelen , , schdne Ziige welthistorischer
Combinationen , die jedoch mindestens iiber den Gesichtskreis des
an seine Zeit und Umgebung mit starken Banden gekntlpflen and
nur mit einzein hfndurchblitzenden Ahnungen der Zukadft beg'ab-
ten Dichters hinaus liegen.
Drei Gesichtspuncte mdgten es wohi sein, aus denen sich
besiimmte Resultate fiir eine gewissere Einsieht in die sopho-
kleische Auffassungsweise g'ewfnnen liessen , nemlich die Behand-
lung der einzelnen in den Oedipusstucken auftretenden Persones,
namentlich in ihrem VerhllUnisse zu einander, die kiinstlerisclie
Anordnung des Ganzen und die Stellung der Btihne and des Cbors
zu einander wie zum Publicum, endlich die allgemeine rellg'toB-
sittliehe Weltanschauung des Dichters. Fragen wir also zunlU^list
nacfa den beiden ersten Puncten , dem Gange des Stticks und der
Fassung der Rollen sowohl im Konig Oedipus als ira Oedipus
auf Kolonos.
Um den Altar vor dem Kdnigspalaste auf der Burg' von
Theben liegt betend eine ausgewahlte Schaar jeglichen Alters,
fur die Noth der hartbedr^g^ten Stadt Halfe erflehend, als d^
KOnig aus seinem Palaste, wie ein Vater unter seine Kinder, in
ihre Mitte tritt; nicht minder aber sitzt, mit den Zeichen der Trauer,
der Bekr&nzung mjt Zweigen, Weihrauch verbrennend'und Klag'e-
lieder absingend, das ttbrige Volk auf dem Markte am Doppel-
tempel der Pallas und am Orakelsitze Apollos beim Ismenosflusse.
Die Noth ist eine ganz anbegrenzt allg'emeine; die Frocht des
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he\ Sophokles. 37
Feldes verdorrt, die junge Brat der Hecrdc erstlrkt, der Schooss
der MOUer ist mlt Unfrucfatbarkeit gestraft, grausig zieht die
Pest durch die Stadt und fordert uDabl^ssig fhre Schlachtopfer,
das kadmeische Ilaus wird arm ^ der Hades reich. Da wenden sie
sich in solcber Bedrang'niss an ibren Herrscher; nicbt als ob sie
einen Gott in ihm s&hen (31) , sondem einen Menschen (33),
aber fOr den ersten und vorzugUchaten ihn achtend in den Be-
drftng'nissen des Lebens and den Wecbselfailen der Gescbicke
(Scufioywv)^ und das, weil er das Rathsel der Spliinx obne alles
Znthun tbebanischen Wissens, nor anter gdttlicbem Beistande
g-eldst bat; in dem Bewusstsein also, dass kluger Ratbschluss
ein gates Ende der Breignisse vermittelt and bervorruft (44 f.),
aber aucb, weil es in seinem eignen Interesse liegt, nicbt iiber
eine leere Stadt za berrscben (55), wenden sie sicb am Abbalfe
an ibn. Aber, wie dem gaten Vater der Kinder Wilnscbe scbon
bekannt sind, ebe denn sie bitten, bat er bereits fiirsorgend zom
Orakel Apo^os nacb Oeipbi bingesandt and mit Ungedold barrt
seine Seele der Riickkebr des Scbw&bers Kreon, fest ent-
scblossen, den Willen des Gottes pQnctlicb zu erfdllen. Scbon
nabt er und die Vorzeicben sind glucklicb: der frucbtreicbe Lor-
beer bekrHnzt sein Haupt, sein Auge leacbtet, sein Mund ver-
kilndet wirklicb Heil, aber nicbt ganz anzweideutig; dem mit
priifendem Bewusstsein frei dem befangenen Handelnden auf der
Bubne gegeniiberstebenden Zuscbauer ^^) ist es scbon klar, dass
liier die Personen sicb scbeiden and was der einen Heil, der
andern vielleicbt das bitterste Web bringt. Scbon ist die For-
derang des Orakels, die unbeilbare Blutscbuld an dem Murder
des f riibern Konigs nicbt langer im Lande za dulden , dem Kreon
ziemlicb klar, wabrend sie dem Oedipus in so welter Feme liegt,
dass er aucb der allereinCacfasten and n&cbsten Nacbricbten dar-
idler bedarf. Kreons Seele ist wobl nicbt obne Argwobn gegen
die bestebende Herrscbaft; Oedipus ist arglos in Bezag auf sich
selbst und in seinem Gewissen vdllig frei, aber seine genau
eindf ingenden Fragen entwickeln in ibm den Vcrdacht einer , vlel-
leicfat nocb bestebenden, Yerscbwdrong. Dem rathlos mitten in
15) VgL Slander de choro Sophodeo , S. 43. mit Schreiter uh» d. Irag,
Chjir bet Soph. S. 13.
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38 Die Oedipus -Sage luid ihre Behandlufig
dem Stuniie luid Draige der Begebenhetten dastekendeo Cl»>re
rergegenwJkriigt sich niir das ganxe €eiii&lde des Elends, woriB
dieStadt sich befiadet, and seigi sich eiit schwacher Hoffiumgns-
straU in dem Worte des Orakela^ ^e^en die forditbare Peei
aber roft er die Hiilfe alter G&tiex an. Oedipas aber betb^g'i
selnen ghn%en Eifer fiir das WM der Stadt iiiid die EntdeckaDgr
des Mdrders, indem er als Strafe dem Mdrder eine freiwiUig^e
Terbannyiig' bestimmead nfcht allein den schwersten Finch a«f
jeden ^erabmft, der obwohl wissend doch keine Ktinde daron
geben will^ soadern aueh anf Kreons Rath den Seber Tiresias
anr Deutung* des Orakel worts hat kommen lassen und iha mit
dem ehrendsten Vertranen empfangt Ans dieser reinen Liebe
entwickelt sich denn aber anch eben so schleunig' der nng^chal-
tenste Zoramnth, als der Seher^ wie er die Al^icht seiner Berur*
fang* erfahrt, Anfangs missmnthi^ wieder weg^ng^ben wttnaclU,
dann seine Bereitwiiligkeit aur Erklirung' der Sache entscItiedeB
rersag-t, zuletat aber des Oedipns Verdaeht^ dass er eiaen, weni^
stens mittelbaren^ Antheil an der That habe^ dem Oedipus volllg'
aurilckgibt und y eben so klar dem unbefang-enen Zuscbaner als
dem befkug'enen Oedipas dunkel, wunderbare Weissagnogen
der nachsten Zukanft (408 ff., 433. 447 ff.) entballt. Wie
anzunehmen ist, dass der Oichter jedem der bier handeladen
Cbaraktere an selnem Tkeile die foIIc Geltun^ babe aakom--
men lassen: so ist gewiss auch dem Tiresias and seinew
Benehmen die ^biilirende Berediti^ng^ nicht jsu versag^en;
nor gereizt spricht er AUea^ sonat hatte er wobl Helper ge-
schwiegen (353). Andrerseita aber ist es auck begreiflieh^
dass Oedipus^ wenn nicht seane Aimung* g'etrabt durck Leiden*-
scbaft, sein Blidt g^blendet isl^ aa dem bunten Gewirre des
Lebens fast irre wird (375 if,), da er alte bew^te Freand^
schaft, wie er glaubt^ gegea aicb im Bunde and die Sebergabe
im Dienste des Eigennataes siekt Der Char erkennt nar Leidem-
Bchaft auf beiden Seiten and weidat die Aufmerksamkeli aif die
beste Losung^ des Orakelapraches Ua (402.). Die FOrsteawfirde
erscheint hierbei in boheui Maasae geftbrdet^ soliald die Leiden^
schaft sie herabzieht; der Seber ist kein Diener der Fflrstenmacht,
sondern des Gottes (405.). Der Chor schwankt in seinem Crtheil
aach and nach; er I^ann die maohtige Auire^un^, die der scbei-
dende Seber in ihm hervorruft, nicht bergen (476.), al>er doch
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l>ei Sophokles. 39
audi vom Oedipus bei d^i: all^eflieiiiea Liebe de9 VoU^es aa ihni
(482.) Dichts SehlimmeB denken, den nicbi tadein, der sich ais
so weise bewahrt bat. Der ruhig besonnene Kreon, der auch
scboH firiiher (91 f.) hat verhilten woUen^ dass la den Brre^ungen
nattrlicher Leidenschaft ein Kdnig sicb nicht blossstelle vor den
Augen des Volkes (der Chor frelUch meint, er sehe nieht, was
die Herrscher thun, V. 51 1*); ^^11 sicb auf dem blarsten Wege
von dem Verdachte jreinigen^ als ob der Seh^r von Ihra bestochen
sd; aber Oedipus jiberh^uft Urn mil Vorwiirfen und will ihn in
woblgeformtem Beweise uberfilhren, dass der Seber ohne sein
Zvtbun ihm den Mord des Laios nicht Schold geben kdnne, da
er sonst auch friiher es be! der glelch angestellten Nachforschung
angegeben haben mttsste; aber auf glelche Art sucht Kreon ibm.
na€^^welsen , dass an dem Besitze der Herrschaft ihm nicht ge-
iegen seln kdnne^ da er glelche Macht mit ihm besitze; er ist
bereit die Probe seiner Unschuld bei Gefahr der aussersten Strafe
'Au bestehen, auch er liebt die Stadt, auch er hat Antheil an
ibr (611.).
Auf dlesem hochst bedeutungsvollen Wendepuncte , wo aus
dem Argwohn und der Anschuldigung offenen Yerraths Ungehor-
sam und schroffer Streit bervorgegangen ist, wo Oedipus sicb
so ganz frei von aller Schuld fiihlt, wird er grade mit dem
Dazwischentreten seiner beschwichtigenden Gattin lokaste und
bald nachher elnes Boten aus Korinth, der ihm den Tod des
Poljbos und seine Erbebung auf den korintbischen Thron melden
soil 9 In die gauze TIefe der Schuld plotzlich hinabgerisseu,
{ibenso rasch verwandelt wie i^lnes Geschickes Wendung ist
auch die Stimmung seines Gemiiths; wunderbar Irre qnd bewegt
(7000 *8t er bei der Erzahlung lokastens, die in ihrem Frevel
sogar 4as Heilige anzutasten, die Glaubhaftigkeit derOrakel und
d^ Werih der Sehergabe in Zweifel zu ziehen sich bemiiht; so
laQge er sicb dagegen nun auch straubt, dass er den Sinn der
Weissagongen selbst durch Spitzfindigkeiten retten will (941.),
ist er doch eimnal sdion nab daran, sicb demselben Unglauben
zu uberlassen (935 If.). So fest er auch zu stehcn gemeint bat
imVertnuieB auf die elgene Kraft, jetzt wIrd er seiner Schw^che
und Haltlosigkeit inne. Er sieht das segnende Geschick fUr seiue
Mutter, dieMdnde (die Zeit) als seine Verwandten an (1051 C),
dieselben haben ihn klein und gross gcmachtj er ist nicht durch
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40 Die Oedipas-Sage und ihre Beiiandlang
eigene Kraft and Willen mSicbtlg, er wird gnw und gar ven
anssen bewegt und gelenkt. Und fast will es sche^nen, als wemr
er, der das R&ihsel geldst, selbst ein RUthsel sel, sowobl naeh
seiner wunderbaren Herknoft (s. das Stasimon 1058—76.) ab
aucb In sofem er, ein Menseb im voUsten Yerstande, der Inbalt
jenes ron der Spbinx gegebenen ist. Deonoch will er in edlem
aufricbtigen Streben nacb der Entdeckuog des fnrchtbaren^Ciebeiitt-
nisses, je klarer ihm die Mdglicbeit wird, den entsetdicben Flndi
attf das eigene Haupt berabgerafen zn baben, dennocb seki^
selbst nicbt scbonen — nnr die Bew&brong des Einen Beriehls
Yon dem Star^ie des Laios darcb die. rereinte Hand mehrerer
Mdrder kann ihn retten (817.) — er will seine aucb noiA so
niedrige Geburt entbullt seben und er zeigt sogar eine Hiirte
gegen dieGattin, die, wie er meint, sieh seiner dunkein Abkunft
schamt (1041.). IHese aber will die ibr sicb auf einmal aus der
Tiefe des eigenen Gewissens enthilllende LdsQng unterdrild^en ;
deutlicb erkennt sie scbon die entsetzlicben Folgen jeder n&bereii
Bestatigung des geabnten Verbaltnisses. Der Sebmerz, der in
ihrem Innern tobt, lasst, je dumpfer die Stille 1st, desto scbreck^
lichere Wirkung vermuthen (1045 f.)#
Wie zeigen sicb ans denn nun diese Cbaraktere? Oedipus
bat an sicb keine Regung einer innern Stimme , keine Mahmmg
des Gewis(sens; aucb selbsi dann, als mit m&cbtiger Gewalt die
Vorfahrung bestimmter Tbatsacben ibn auf das Selbsterlebte hin^
fiihrt, scbdpft er docb nocbHoffnang aus einem objectiven Grnnde,
eineiti unbedeutenden Nebenumstande jenes Mordes *®). Der ge~
walttbatige Mord war nicht selten in jenen Zeiten, Blutrache
war nicht Sacbe des Staats, sondern der FamOie; dennocb s^et
batte die Grosse der begangenen That, gegeniiber der Gering-
fiigigkeit der Veranlassang (777 — 86.), wobl ihn dfter und
starker an ein Ereigniss erinnern mogen, das mit andern bedea-
tungsvollen Wendungen seines Lebens im engsten, selbst zeit-
lichen, Zusammenhange stand. Je weniger Bestand und Festigkeit
sein bewegliches Gemuth hat, desto mebr bedarf er einer objecti-
16) Eigenthumlieh stellt Plutarch ire^l noXvnQayftoavpi^ c, 14. p. 522>
B. f. das Ungluft des Oedipus ais eine Folge seiner Nengierde dar; nal
ydg tov Ol8lno8a %o1s fisyigrots naxois if negitgyia nsQiifiaXe, l¥Obei er
weiter auseinandersetzt , wie er, obwohl das Grauenhafteste erfahrend,
doch noch immer mehr habe mssen woilen.
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be! Sopbokles. 41
ven Rtchtsdiiiiir , er glht sich gmz ien Dingen und UmsUnden
hkky sle ieherrschen ihn; und zwiir sdieint er znr scfawarzeren
Auffassung' von Allem geneigt^ nar allzahohe Wellen treibt gleteh
sein Sinn be!m Naben der Sorg'en aller Art; nicbt prflft er, wie
eifi versiindlger Mann (Unbesonnenbeit wirft ibm anch im O. C.
801 f. Kreon noch vor), das Neue nach dem Alien, er geMrt
dcm jedes Mai Sprecbenden, wenn er Scbrecknisse verkttndlgt
(885 — 88.) — so erscbeint er selbst seiner Gattin, deren Trd-
stong nnd Beschwicbtig'ung' nicbts mebr fmcbten wilL Hier seben
wfr docb 9hex in der Tbat wobl die, freilicb nicbt ins Bewusst-
sein tretende, Wirlrang des ScbnldgefObls; wober sonst diese
scbwarze Abnnng bei dem eben nocb so nitttbrollen Manne?
Unser Mftleid wird ibtn darnm nicbt feblen; seIn Arm bat eine
Tbat Tolibracbt, die sein Inneres Icaom berttbrt, Seele und Leib
sind wie geirennt bei ibm nnd jene vermag* diesen nicbt wabrbaft
zu beberrscben; der geistig bocbbegabte, dem fast Sebergabe
(rgl. 393.) rerlieben ist, bat das Allen dnnkle R&tbsel Idsen
kOnnen '^) nnd kann nnn die rascben Weg^ seiner Sinne und Leiden-
scbaft nicbt einmal bemmen , gescbweige denn das Mthsel seines
Lebens entwirren ^®). — Ganz anders, ja fast entgegengesetzt
ist Lage nnd Cbarakter der lokaste; sie ist an sicb wobl gleicb
lebbafler Empfindung Wi\g (1044 f.)) aber sie aussert sicb
weniger, ist weniger often und aufricbtig, sie ebnet ibre Wege
durcb Scbweigen* und Vergessen; wlibrend ihn der Drang der
Seele stets von Innen nacb anssen treibt, will sie Alles in ibr^
Inneres verscbliessen , ein Grab der vorwurfsvollsten Tbaten
nnd entsetzlichsten Verb^ltnisse, die sie innerlicb liingst schon
klar erkannt hat, deren ^usserlicbe Enthtillung und Erlebung vor
der Welt sie zur Yerzweiflung treibt. Er ist dabingegeben an
die objective Macht der Verbaltnisse und Umst&nde, sie begriffen
in.vdllig subject! ver Abstraction von Allem, was sic binden und
gesetsslicb bestimmen kann, nicbt fern von glinzlicber Willkiihr.
17) Vgl. Hegel, Phaenomenol, des Geistes S. 553 f. Aesthetili I, 465.
18) K. Schwenck ErJUHrungen d, Tragg. des Soph. S. 106. ^^^ sehen
wir, dass Menschenwitz nnd Menschenweishelt , anch wenn sie noch so
groS8 sind, sich nicht eigiien das Menschenschicksal zu ienken, sondern
dass diess der GOttcr Sache sei." Noch starker A, Capellmmn, die weib-
lichen Charaktere hei Soph. S. 24.
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42 Die Oedlptts-Sage uad ihre Behandlaog
Er k&U, 80 weii er ir^eiid kaan (943^), am Gkabea an die Qrakel,
an die CldUerstimmeii im Vo^eiflug'e fest; sie sncbt^ um leidi^a
Trost far die eindriDgende Gewalt der firei^sse %« bewirkes,
alien Glaaben daran an vernicbten, irhgt nbet grade sa, indem
sle beruUgen will, zur Entdeekung des forebtbaren Geheinnisses
bei^ Man verkenne bier die ganae Tiefe der kiiosUeriGkshen Anord-
nuBg des Dicbters nicht, die niit dem po^Uscben Wertbe die
eibiscbe Bedeulsamkeit meisterbafi verbindet: er, dem diese grade
den btttersten Scbmerz bereiien konnte, dringt nnbewasst nit
Naclidmck anf die Entbiillung; 9te, der mindesiens eine Abotti^
des Thatbestandes anfgeben musstej sidsst das daranf IiinwejBende
Orakel mit Gewalt von sieh ^^) — das ist die ganze Farchi)^arkeit
des siUI^cben Con&fets zwiscben nnbewussiem nnd Iiewnssiem
Thun '^). — Wie steht es mit dem Chore ^ den edlen Grelsen de9
ibebaniscben Yolks? Das Kdnigspaar 1st in den Palast geg^agen;
billig bebalt es seine Sorge und Noth f<lr sieb — der Cbor bleibt
allein mit seiner reinen Gesinnuog. Von all demElend, wad als
natttrliche Folge der Verscbnldnng kommen muss, darC der Gerecb-
tigkeit gemltos kein Tbeil das thebanisobe VoIk> treffen. Metne
Lebensaufgabe mdge es sein, singt er in jenem unvergleicblicbeo
Stasimon (836 ff.), beilige Reinbeit in Wort and Tbat zu bewah-
ren, zn deren Scbntze dienen die in der Hdhe wandelnden, in
bbnmliscben Aetber geborenen Gesetze, deren Vater allein der
Oljmp ist undkeine sterbllcbeMensebennatur, die, well ein mteh-
tiger, nie altemder Gottesgeist in Ihnen lebt, audi teine Ver-
gessenbeit je zu Grabe tragen wird. Der Frevel der Nicbi-
beacbtnng dieser ewigen Gesetze erzeagt Tyrannei {y^^tg y>yT9m
tigavvov)^ der, wenn er das Maas des Verkebrten and Verderb-
lieben erfvHt, den steilsten Gipfel erktommen bat, in den AbgruiU
stilrzt wankenden Fusses. Der Goltesverliehter-in Tbat and Wort,
der keine strafende Gerecbtigkdt scbeat, nfebi die G5tterbeiljg«
ibiimer «brt, den mdge ab Loba scbndder Lost bdses Gesehkk
trelTen, wenn er Gewinn nicbt im Rechte sncht, den Frevel rer-
19) Von dies^m Geakhtspimcte aus mOgte da& UrtlieiL viellekht etwas
milder aasfallen als bei CapOlmmn, d. weibl Cht$rakt, h. Soph. S. 24 ff.
and BehagM, d. Familienlehen n. S^ph, S. 16. Wie weise ilire Rolie yob
Di€hter besebrankt ist, dariiber s. Hemumn, Quaest. Otdip, S. 22.
20) Vgl. Hegels desthetik III , S. 551.
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bei Sophokles. 43
Ubt5 d^ IIeQig:e aniaBleU W^rde das Bdse nidbt bestraft, damt
wlbr« die fidttenrerehnmg niehiig'; idi will, (ngi der Clior sogar
Unaa, keinen Tempel wieder besvchen, wenn nlcht das gegtn-
wiktiige fiankel enthilllt wird ; der Alies beherrsehende Zeus wird
dieses nicht entschliipfeii lassen, denn sehon schwindet der Werih
der Weissa^ng'en, Apollo glSin^t nidit mehr In alten Ebren, das
Gditlicbe sliikt.
Wenn^nun in rascher Folge hieranf dnrcb das Eracbrinen
'des Hirten, der elnst den Knaben Oedipas g-epflegt, und des
Sdaven, der ihn znr Aasseteang anf dem Kithliron empfang'en
nnd dann tm jenen ftberg^>en hat, die Bntbttllnng des Ganzen
h^eig^fiihrt wird; so k5niite man melnen, dass damit aach das
Kiel and die L&s»n@^ des gto^s selbst ge^eben sei. Aber drel
iiQch binzntretende nicbt unbedeniende Momente, der Chorg'esang*
wAi seiner Klag'e lAer die Unselfgkdt alles menscblicben Lebens
nnd den berben Wechs^ von Giiiek nnd Eiend, die schanerliche
Meldnng von dem freiwilllgen Ende der lokaste und der dnrch
eig'ene Hand rollzog^enen Blendang^ desOedlpiis , endlieh die ebenso
g'ransenhafte Vorfiibriing> des Letzlern selbst zelg'en nns, dass
wir tber das nUcbste Verh<nlss der Handling bisons recbl
eig-entlich bei einem dauernden Zustande nnd seinemEinflnsse anf
nnser €temutk verweilen sollen. Und wir empfinden seine Lag^
nm so lebhafter , als %r sie selbst nach ihrem g'anzen Umfang'e
erkennt nnd mit wabrer Seelengt^se nmi auch eben so verbre*
cheriseh n^d elend vor seinem Voike erscheinen will als er es ist.
Warnm aber der Ausgang* bolder g^kiehbetheilig^ter Gatten so
, versehieden? lokaste hat dnrcb die absichtliche und bewusste
I Avssetzung* des Kindes grade die erste Veranlassnng des ganzen
I Unglftcks bereitet; sie hat, je mehr sie die Wahrheit der Ver*
J htitnfsse Im Gelste abnend erkannte, desto mehr sie zu reriiiinen
I und vor der Entded^nng zu bewahren gesucht, sie hat den Gotter-
, glanben, von dem sie si(A doeh bei dem erst^i Sehrltte hat lelten
lassen, in stcb und Andem zn yemicbten bemttht; so wie keine
Theilnabme far sie in den Vordergrnnd unserer Empfindung* tretea
darf , so muss sich auch ihr Leben und ihr Ende unsem Blicken
, entziehen. 'Warum stirbt nlcht aber auch Oedipus? warum muss er
grade erblindet noch ein langes^ miih- nnd fluchbeladenes Leben
fortsetzen? Efie Antwort kann mehrfacb lauten und ist immer recht;
es kann sich die Ironle des Schicksais bier , wie geistig in seinem
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44 Die Oedipus -Sag^« nui ihre Behandlang
^nzen Leben, so ftuefa leii^licfa emmal recki erfilllen; es ist eine
zu natdrilclie VorstellaBg', dass er die Ding'e von dem Au^en-
btieke an , wo sie ihm anf so forclitbare Art klar g'ewordeo sind,
nicht mebr sebeB mag>; Apollo , der das Leid iiber iftn verhaagi
hat, das er freitich durch eig^ene Hand yollziehea soil, wurdigt
An ntcht mehr das Licht zu schauea, das von ilini ala Helios
(v^l. y. 1392 f.) ausgeht; aber vor alien Dingen wird der Zwie-
spalt, worin der natttrliche Menscb zu dem hohern, ^r leibUcIie
zu dem geistigen stebt, uns dadurch vergegenwartigt: seine
Hand bat gethan, wovon seine Seele nicbts wusste; sein inneres
Ange ist so bell and Uar gewesen und sein Geist so stark, bis
zitm Diircbdringen ancb des Gehelmnisses der Natnr, das nur
dnrcb fieisteskraft tiberwimden werden konnte, aber seine iittsseren
Sinne haben stets im Verborgenen getappt, und das beide ver-
nrittelnde Bewusstsein ist Shm in seinem Handeln wie in dew
Erkennen seiner Lebensverhaltnisse nicht aufgegangen. Darin
bestebt Ja aucb der gr^sste Fluch seiner SelbstFerwUnsobong;
denn noch schwerere Rache hat er iiber den Wisser der That,
als uber den VoUbringer derselben herabgerufen, und er ver-
einigt beides in seiner Pers^on, ohne sicb d^ssei) zu recbter Zeit
bewusst geworden (denn nun tritt es V. 1335 ff. nicht in der
. Gestalt der Reue, sondem der gegen die Gewalt der Dinge ohn-
tti^tigen Verzweifelung' auf) , ohne gewaltsam durch die Macht
der Umstande darauf gefilbrt zu sein.
Hier ist der «igentliche Schwerpuncl der grlechischen 2Va-
godiey yielleicht des grieohischen Lebem abeirhaupt. Durcb a]le
Manifestation seines Geistes vom maonischen Singer an zieht sich
dieser furchtbare Zwiespalt hindurch zwischen dem, was der
Mensch will und dem, was er kann, zwischen dem, was er au
wissen begehrt, und dem, was er wirklicb weiss, das ist die
stille, innere Nemesis, die sein irdisches Leben verfolgt; damit
zieht eine wunderbare Ironie in all sein Denken und, Thun hinein.
Und diese grade offenbart sich beim Sophokles ^^). im voUendet-
sten Maasso, so in Charakteren und Handlungen, wie in Worten
und Gedanken; mebr oder weniger in jeder Entwickelung seiner
21) Vgl. besonders Nitzsch ror d. ind. sehoh Kit. Sommer 1844. S.
UL f. und (am Oedipa^ ausgefnhrt) Soinmer 1843. S. VII. f. , auch K. O.
Midler, GeacK d* griech. Liit. 11. S. 126 f. .
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Stttcke, yerelnzelt sdbst in der ^asseni Darstdllan^, st&rker im
Ajas y am sUirksten in der Elektra and dem Kanig* Oedipus* Hier
gestaltet sich der unmittelbare Zasammenhang' seiner poetiseken
Kraft and Tiefe niit dem Ernste nnd der Wahrbeit seiner eihUchen
Betrachtong'. Der Mensch ist blind liber sein cig^nes Ergehen;
er geht seinem Geschicke grade mit den SchriUen entgegen, nit
denen er ihm vm entkommen meint; er verkennt stets sich nnd
Andere, siiftet bei gnteni Willen B5ses, hat selbst bei zweifel-
hafter Schuld doch Gewissensbisse zn tragen, sein WiHe wird,
dnrch Leidenschaft gekneditet, unfrel ^^).
So ist denn bereits ^eln gewaltiger Umschwung in der Seele
des Oedipns vor sich gegangen (V. 699 f.); damni erseheint
thm jetzt die Verbannung als eine wahre Wohlthat (1402 f.).
Urn sie nnd am den Abschied yon seinen Kindern fleht er den
Kreon an , den noch ekinial am Schlusse des Stiiclrs — wir fragen
wohl: warum^? — der Dichter aaftreten l&sst. Wenn nemlieh in
dem vielleicht mit Recht von ans angenommenen Widerstreite
der gelstigen and natflrlichen Interessen aueh bier wieder eine
Seite derselben, Staats- and Famllienleben , heryortritt, deren
Wohl so unyersdhnlich yon einander getrennt werden, dass der
grosse Wohlthater des Staats, der so yiel PietUt and Undlich
frommen Famlliensinn ^^) benrbandet (970. 1103 ff.), fast daroh
eine and dieselbe That als der Mdrder des ganzen FamiUenglttcks
erseheint: so soil nan, wo er yom Staatsregimente zarncktritt
(der Chor sagt: Kreon ist allein statt deiner als des Landes Hater
anrOckgeblieben, V. 1384.), ein yersdhnender Dd>ergang zmn
Leben der Famllie yermittelt werden. Kreon ist der natttrlicbe
Yertreter derselben, wie frliher, wo er schon die erste Entdek*-
knng der Oeffentlichkelt entziehen wolUe (V. 91. f*)^ so jetzt
(Y. 1395 ff. ygl. 1481c S7.); er (hut nicbts nach eigenemGntdtinken,
soiidem horcht auch jetzt noch hinslchtlich des Oedipas aaf die
Winke der Gottheit (V. 1404 f.) and ftthrt ihm, seinen Wttnschcn
beinahe zayorkommend , abei auch bei dem edlen, kelneswegs
22) Sehdn spricht in solcher Weise Qruppe , Ariadne S« 720* , Ygl. mit
S. 164., wens ancli das Verhaitiiiss des Menschen znm Sohicksal 'im Ganzen
etwas aitders zn bezeichnen sein dnrfte.
23) Ansgefnhrt in der lesenswerthen JSchrift Yon Behaghel, das Fami-
lienlehen nach Soph, S. 37 f*
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46 Die Oedipus -Sage and iiire Behandlang^
d«rch seki Uni^rliick bitter g«inaditen Manne wOrdi^n Dank eratend,
die beiden TOcliter za, die, wfthrend die S5biie aaf Ihre el^ne
Manneskraft hingewieseii werden, so hftiflos and eleiid dastdieD.
Wenii aber der Chor das Gairae mit den Worten abscMiespt, iass
Nieitiaiid glttcklich zu preisen sei, bevor er oline Leid zmn Zlele
dee Lebens gelangt: so Ist das wohl ein za natfirlicfaer Gedanke
bei dem Ueberbiicke Ober die furchtbarea Ereignlsse , die ja avdi
ihn so ^t wie den Oedipus treffen kdnnen; wir wftrden i^r
gewiss sebr irren, wenn wir darin dteSumme der ganzea Lefare,
die dieses g'rossartige Drama rerktindigefl soil, befasst meiaen
wollten.
Wir werden nach solcher Darlegong' bereitwilUg su^ben,
dass die Tragddie ihr Ende erreicht babe mit Jem Gericbte des
Oedipus ttbe^ sicb selbst ^*)j aber freiiich nicbt bloss mit den
thatsaeblicben , sondern aoch mit dem innera seiner geistig^i
Selbstvemichtung'; dass also, wenn wir noch darlLber hinaus in
Spannung versetzt werden wegen des endlichen Sch(cksals des
Oedipus, wenn die bis dahin stommen und verbergenen Kinder,
and zwar Sdbne und Tdcbter in verschiedener Beziebung, tot-
gefflbrt werden , der Dicfater woU schon nnverkennbar die Absidit
gebegt babe, nocb ein zweites Drama unmittelbar an dieses anzn-
reiben ^^). Ob aber die Ausfflbrung' dieses Wunsdies sieb ancb
scbon so scbnell realisirt babe, und ob ancb die DarsteHung beider
Stttcke unmittelbar nacb einander anf der Btibne anzilttehinen
gel, ist eine andere Frage, die wir bier zunicbst nnberiick-
sichtigt lassen kdnnen. Vielleicbt wOrde sicb aucb auf diese oJer
eIne abnliche Art die verBchiedene Annabme einer gleioh aaf
24) A. ScMll, Sophokles, S. 171 ff. Eiae apdere Frage ist es freilick,
ob mit ^eich entschiedenem Rechte behauptet werden durfe, dass sich eben
so eng daran wiedcr die Antigone angeschlossen habe and durch den Oed.
a. Kol. in bestimmten Hindeutungen yorbereitet werde. N&heres Schdtl
S. 227 ff.
25) Beachtongswerth in dieser Beziehnng die znf&ilige Ergiessnng F.
H. JrtcoW« Werhe I , S. 260 ff . : — „ dass die zwei Gediehte — zasammen
gekOren wie Anfang und Ende, beide sich gegenseitig bedurfen, wie die
beiden Sdiwingen des Adlers. So betraobtet , in dieser Yereinigung zweier
Begebenheiten zu Einer grossen OfTenbarnng, fiOsst mir das Werk des Grie-
€lien eine Ehrikrcht ein, die mir die Kniee bengt."^ Auf die enge Verbin-
dnng beider legt anch SehoU Soph, S. 169 f. 176. Gewicht.
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be! SoplioUes. 47
die Eatsietuui^szeH 4e8 Kdnig's Oedipua folg^eadeii ood der in
da£^ sp&ie Lebensende des Dichters^^) falienden Abfassungszeii des
Rwetten Oediptt^ vermittein lasg^« Denn andi, wenn er die
Fortsetzung* viel spater schrieb, Itonnie ste dennoch, sei es aiicb
nicht ftir die BiibneiidafsteliyDg', aber doch mit eiQgebender lUck-
Bicht auf das erste Stock und dem ursprttnglichen Plaie g-em&se
g'eiichtet werden. Es weht aber offenbar eie rdUig^ anderer Haoch
ans deiti zwelten Oedipus.
Aaf eiiien ganz andem Boden, fern von der ikd)anischen
Heimath, filbrt uns nemlieb der Oedipus auf Kolonos; wo der
lebensmOde und von der Last des Wegs gebeugte Greis die erste
ersehnte Rube findet, ist heillger Boden, beherrscbt Yom hebren
Poseidon und voni fenerbringenden Gotte Titan Prometheus; es
Ist die eheme Schwelie des Landes, die Schutzwehr Athens '').
In der Feme schlmmem deutlich erkennbar die Thfirme der herr*
lichen Atli^iestadt; die Bliithen des Lorheers, der Olire, der
Aebe und das rielstiinmige Lied der Vdgel neben dem rauhen
Steine, des Greises Raststatte^ bilden eine wunderbare Umgebung.
Es ist anders gekommen, als der Ausgang des ersten Sticks uns
erwarten Hess; das Orakel ist lil»er die Verbannung des Oedipusi
wie es scheint, nicht befragt worden^ wenigstens bietet sich ums
mrgend die mit Redit erwartete Kunde daron dar, «iondern Fllrst
und Yolk haben entschieden: sie h^en damals, ais ein Steini*
gwtgstpd ihm eine Wohlthat gewesen w&re (430 f.)? ^hm nidrt
willfahren wollen; erst als die Zeit seinen Kuramer gelindert, als
er die Einsicht gewonnen, dass er miC seines Sehmerzes Ueber-*
maass seine. Schnid gebiisst , und sif h aUo mit sich selh^r wieder
auszusohnen angefangen hat: da hat die Stadt ihn sp&t , gewalt-
sam hinausgetrieben, die Sohne ihn nicht geschtttzt, die Tdchter
dagegen ihn begleltet. So kann denn sein Leben rasch zu der
ersehnten Ruhe hinabeilen, und die eigentliche Handlung des Stocks
delbst muss eine sehr einfache sehi; nur wenlge Verwlckelpngen
26) Nach den b^kannten firzahlungen des AUerthums^ im Zosammen-
hange yorgefuhrt von Schbll Soph. S. 344 ff.
27) Die simivolle Bedeutung dieser Umgebnng weisen besonders Schbtt,
Soph. S. 14 ff. und 179, auf Einem Pnncte (Prometheus) auch Hegel,
Aestheiih, II, S. 58 f. nach; grnndtich erOrtert ist sie von Kohter, de
adoruaia Oed, Coh scena S. 5. ff.
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48 Die Oedipos-Sage and ihre Behandlang
sind mehr denkbar: Staat and FamiUe, Kreon tmd PolyiiiceB^ woUm
noch einmal ihm seinien Frieden entreissen , sich ien Hegen m^mis
Grabes gewinnen, aher rergebUch. Hier berrsebt wiedervolli^r
Gej^ensats za dent Ende dea ersten Stacks: die Sdboe^ die ak
Manner fremden Schutzes nicbt bedttrfea, erscheioeB jet^t ab
Knaben, die nacb Slgjptiscber Sitte niit weiblicber Arbeit d^ein
sitzen (333 f.), w&hrend die Madcben sicil draas^en den blurtestei
Maheii und Arbeiten Preis geben. Diese Gegenalitze, die aber
keine zuf&lUgeo, darch die Zeit oder des Diditers reifUcbere Ueber-
leguBg* und tiefere Einsicbt g'ewonnene , sondern absicbtlLcb kiiBst-
lerische sind, lassen sicb noch viel welter verfolg'en : derinaof-
ricbtiger Tbellnabme woblwoljend g'esinnte Kreon erscheint bier
yerstellty eigenniitzig* (758 B.}j gewaltthMig; braclrte dort selbst
noch die Leiche des ungliicklicben Mannes Fluch , so isi Mer die
endllcb gewonnene letzte Robstatt ein unscbiktzbarer Segen, an
den ini leidenschaftlichen Wettstreit gernngen wird; das aijgen-
blickllcb 80 friedliche, aber dem atiirmiscben, blutigen Weehsd
der Zeiten dabingegebene (615 ff.) Theben obne sicbern Redits-
scbutz und wandellose Fr^mniigkelt, das Land desBaccbus, ge-
genOber der bocbgeehrten Pallasstadt, der mlichtigsten In Hellas
(731), der gpttesfflrchtigsten der SUdte (266 ff., b. dazn die
Ausleger), die allein den notbbeladenen Fremdling zu retten , alleni
ibm zn helfen Im Stande tst^ dieFrommigkeit, Milde und Wahr-
baftigkeit bewabrt (1120 ff.); den strengen Areopag in ibrer Mitte
bat (944 ff.); dort die furchtbare Notb4er AUes verddenden Pest,
bier der Segen einer lieblicbc^n und reicben Nator (16 ff. 667 —
719); ja, Oedipus selbst befindet sicb h»er und dart^ wie der
bUssende und der versdbnte Dulder, in einem wunderbares Licbt
verbreltenden Gegensatze. Dort bediente sicb aucb die Religion
des Staats zur Vermittelung Ibrer Mittbeilungen und BefeUe, bier
erscbeint sie im engern Bunde mit der Familie, die geliebte Tocbier
llberbringt den Orakelsprudh (386 f.), womacb die Tbebaner seiner,
lebend oder todt, einst zu ibrer Bettung bedttrfen werden, wor-
nacb sie .sicb seines Grabes bem&cbtigen sollen^ damit es nicbt
eInst, nacb dem Zeugnlsse des Liebe und Pietlit ebrenden Her-
zens sowobl, als nacb der Vorscbrift der Gdtter, ztirnend wider
sie zeuge. Jetzt weiss Oedipus, nachdcm er an sich AUes ab-
gebusst und vernichtet liat, dass er unschuldig Tbaten der Scbmach
getra-
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bei Sbphokles. 49
g'etra^en, dass die Stadt Ihn In den Fluch eines verbrecherischen
Ehebandnlsses verstrickt (525 f.), dass er anch des Vaters Mord
rein vor dem Gesetze beg^ng'en hat, well geteht nnd unwissend
(546 f.)? dass das Ganze ein unfreiwllliges , nicht zar Schuld
anzurecbnendes Thnn ist (961 — 1010).
Dass niit diesen Gegens^tzen von dem Dichter zagleich all-
g'emelne Gedanken angedeutet werden sollten, l^sst sich erwarten,
aber daneben tritt nns noch die Verwirklichang' derselben in der
Geschlchte des hellenischen Volks fiberhaupt, namentlich des athe-
niensischen ent^egen, Insoweit sie damald schon erfQilt war oder
slcb als in n^chster Zakunft beyorstehend zelgte. Cnniittelbare
Hindentongen auf die Verh^ltnisse Tbebens und Athens liegen hier
g-anz klar vor; unter Andern wlird^ der Dichter die Scene der
an den Tochtern versuchten, aber gescheiterten Gewaltth^tigkeit
gewlss nicht so weit ausgeftihrt haben; aber diess war nichts
Aensseres, was nur zu berechnetem Eindrucke anf die hdrenden
Zeitgenossen bestimmt war, sondern es gibt nns den unrerkenn-
baren Wink, dass Sophokles das Leben, Thnn und Schicksal des
Oedipus als etwas tief Bedeutsames auffasste, in welchem allge-
ineine Wahrheiten sich abspiegelten , die im Laufe der Weltbe-
gebenheiten sich unter anderen Formen meht als einmal wiedeA
holt haben. Darin liegt der Reichthum , darin das Anziehende seiner
Dichtung. Wir haben in dieser wunderbaren Meistersch5pfungr
seiner Muse den Silberblick seines Greisenalters ^®), einen Schwa-
nengesang, wenn nicht Alles triigt, worin er niit mehr als ge^
wdhnlicher Kraft und Einslcht sich liber Zeit und Cmgebung erhob
und — wer mag jedoch sagen , mit wie deutlichem Bewnsstsein
alles Einzelnen ! — hellere Blicke in den Gang der ktinftigen Ereig-
nisse offenbarte.
Der Dichter l^sst jetzt den Hauptwendepnnct eintreten. Kre<»n
erscheint, urn Namens des Staates mit kluger Ueberredung, dann
mit Drohung und endlich mit Gewalt der eigenen Heimath den
Segen seines Grabes zuzuwenden. Will aber der Staat jetzt anch
in!t Gewalt den Familienschutz ^emehmen und leisten, wolfte er
den miiden Greis selbst ohne Scheu vor den Wirkungen des einst-
maligen Fluchs hegen und pflegen: es kann nicht sein, Oedipus
28) Dieses Geprage des sorgenyoUen Greises findet darin <iHQ\i Hermann,
Quaest. Oedip. S. 61.
LUhher, ges, Sehrifien, 4
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so Die Oedipus -Sage und ihre Behandlun^
tst g-anz and gar von deni Willen der h5hern Macht ablian^g*,
die jeden seiner Schritte leitet iind Athen den Segen seines Grabes
znerkannt hat.
Das Leben ist d^r Giiter fadchstes nicht, enthollt sich uns
daraus also niit siegender Gewalt;^ der Tod ist eine Wohlihat
f<lr den, der an seinem Leben den Zwiespalt des Geistes and der
Natar so herbe erfabren hat» Der Chor sprieht es entschieden
aas V. 1206 ff:
Wer nach wciterem LcbenszicI
Aufblickt, fiber das Maass hinaus,
Niclit des Wahnes der Thoriieit nodi
Aelitct entbunden An meine Seele.
Und mit ^chneidender Herbigteit tritt die Sunime hellenischen Be-
.wusstseins von der Werthlosigkeit und dem Elend des Menscben-
lebens gleich hinzu:
Nie geboren zn sein, wo ist
HOhrer YYunscli? Und dor andre, dir,
Der da lebest , er ist , zu gehn ^
Wieder, ven wannen du kamst, in Eile '®).
Damit wir aber nocb einmal gemabnt werden, die bewusstlose Schuld
tei eine gana andere, als die bewusste, dazu das heiligste Recht
der Piet&t und Kindesliebe verletzende, erscheint Polynices, um
aach seines Theils die segenbringende Gegenwart des einst von
thm so scbmftblich verstossenen Vaters sich anzueignen. Die ganze
farchtbar verelnte Fiirstenmacht droht gegen Thebens Mauern an-
zagehn, der Sieg aber ist dem geweissagt, auf dessen Seite Oedi-
pus tritt. Doeh dieser ist unbewe^lich; sein Wirlsen besteht jetzt
nteht niehr in seines Leibes Gegenwart, sondern in dem Se^cn
seines Grabes, ohnehin kann er den schweren Fluch voni Haupte
des Sohnes nicht Idslsn. Der Sohn sieht auf dem Throne neben
2eas far alle SchaM die Gnade (omJo^V) V. 1263., aber Oedipus
nach uraltemGesetze die fferecA/%/:e*^(d/jfJ7) V. 1377.; dieSchul4-
ver^ebang kann nicht dem Eigennatze oder der Weltlust dienen,
anf schwerer Mlssethat liegt der Fluch der Verworfenheit und
Vaterlosigkeit V. 1378 ff., und es enthiillt sich in dem Schuld-
beladenen selbst das Bewusstsein, dass Alles in eines Gottes Hand
29) Ueb. V. Thndwhum; zar Saohe vgl. Lasaul» de mortis dominatn
S. 47 f.
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kei SophoUes. 51
rube 9 und dass e^lner Htild und Liebe ier UnschnUige t^n%ube^
Miien sei, damtt ihn kein Un^lttck treffe, V. 1438 ff.
Aber eben so g-ewiss and unwandelbar enUiiillt sich uns der
g^^ttliche Wiile mit seinen Entscbeidang'en, ang'ekiindig't in den
Weitern des Herrn. Unter laaten Donnerschlig-en erfiillt sicb das
Schicksal des Oedipus, des Dnlders nach lantern Harren; froh
g-^oben nnd g-estllrkt geht er demselben entg-egen, er weiss, es
dffhet sich ihm die selige Rohstatt.
Mit welchem im Tod ,
Die Gnade der Unterirdischen ruht,
Um den w^hklageh, ist Sunde.
Tlif sitts V. 173a ff,
Der Chor zittert in bang-er Erwartun^, das Gewaltl^e and Wun-
derbare darf dich nicht vor den Blicken der^Zuschaner enthtillen;
ein Bote naht ond kttndigt es nns an nnd wir horchen mit stei-
g'ender Tbeilnahme. Er hat zum Abschiede gesegnet den Fiirsten
wie das Land, gesegnet seine Kinder and sie dem Sehatze des
milden Landesfiirst^n empfohlen ; alle Andern entfemen sich , bei
seinem letzten Scheiden darf nur Theseus zug'eg^ sein and das
ihm yertraate Gebefmniss soil dareh Ihn and seine Nachfolger als
seiches fortleben ron Geseblechte zu Gescklecht. Er waltet im
Tode, da ihr Land sein Grab birg't, ^s ein segneader Genius
tiber demselben fort; dem ents<lhnten, vom Leibe befrelten Gelste
ist die Herrschaft zugewiesen, A then hat die Pfie^e desselben
z« ubernehmen. So entb^Ute der Dichter al^o die grosse welt*-
geschlchtlidie Bedeutung* seines Volks grade in dieser grossartigen
Dlchterschopfung, der der frllhere Oedipas gewissermaassen nur
zam Vorspiel dienen konnte; daniit wir aber das tragischelnteresse
bis znm Ende behalten, damit wir erkennen, dass der Sdiat^ des
dtoonlscben Heros, za dessen Ehre der Todte nanmebr erhoben
ist, darch die Yermittelang des von^ ihm gesegneten Athens aacfa
den Seinigen wahriiaft za liieil wird, exscheinen die Tdchter fern
von des VatersGrabe, das sie gem schaaen mdgten,' aber nicht
dilrfen, mit heisser Liebe and Sehnsacht nach Oim, hinaasgewiesen
als Fremditnge in die Welt, aber gesteUt anter den Schatz des
Siaatep, der Gerechtigkeit, Kindesliebe and Eidestreoe zu be-
schtitzen die erhabene Pflicht bekommen hat»
IMrfea wir von hieraas nocb eiuen Blick weiler vorwSrts
than ? Gewiss erinaert wis das Gan^ leicbt noch an mehr als das
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52 Die Oedipas-Sag^ nnd Are Behandlang
ist, was zu erfc^nen dem reich beg'abten Dlchier vergdnnt war,
und zunachst mtTg'cn wirden Vertreter der iro Eingan^ bezeich-
neten prophetischen Deiitungsweise hier foYg^enderniaalisen ver-
nebmen : Die g^nze Sag^e ist wie eitie wunderbare Tranmpropbe-
zetun^ Ober das Ende d«s bellenischen Lebens, welche dariim
am Anfange desi^elben steht, well hierin dad Sanze, im Keime be-
schlosscn vor der zeitlic^ - r^umlichen Aaseinanderlegang- seioer
Momente sabstantiell erkannt wird. Wie Oedipus ron den Don-
nern des unterirdischen Zeus aus diesem Leben abgerufen wird,
damit er verkl&rt nacb demTode fortlebe: so ward das ganze grie-
cbische Leben, als die Zeit erfdllt war, ronir'Schauplatz der Welt-
geschiehte abgerufen, damit es als y'erweslicherKeim g'esS^et, spSLter
in der Fremde unverweslich wieder auferstehe in der christllcfaen
Philosopbie: denn diese allein, sUs jrQayfjbdTWv ulrj&Bia^ ist im
Stande alle R^thsel -des Lebens in Wahrheit' zu Idsem In ihr wird
der ganze Inhalt^des helleniscben Lebens in das habere Bewusst-
sein des Christentbums emporg-ebbben , ftn^et darin sein bdobstes
and letzt^s Verst^ndniss , somit sein wahres Ende , und seine end-^
liche VoUendung".
Wollen wir abef die Wahrheit solcher Betraehtun^ aueh an
sich nicbt g-anz m Abrede'stellen, so erscheint sie' doch jeden-
falls in einer zu unbestimmten Allgemeinheit^ als dass wir sie,
zunial als eine dem Bewusstsein des Dichters lebendig* vorschwe^
bendeVorstellung', zttgeb^n konnten; Wir wolJen aueh in gewissem
Sinne dieWiedererstehung bellenischen Lebens innerhalb der cbrist-
lichen Welt nicht in Abrede stellen : ob aber in der angedeuteten
Weise? ob nicht erst nacb langem und feindseligen Kampfe, der
wenig'stens neben einer fur- das EmpfSngniss des Christenthunis
geneigten Richtung' berging*, seinerseits aber wesentlich zn einem
L^uterungsprocesse aller Betheiligten dlente, die Summa g'rie-
chischen Denkens, Wollens iind Glaubens- in jene hdKere Region
aufgenommen worden ist? Wir wollen weiter aueh nicht im g-e-
ringsten Maasse die grosse Wichtigkeit schmUlern , die darin Uegt,
die b.estimmte Beziehung des Alterthuitis zum. Christenthume tiefer
und lebendiger zu erforschen , als wenn nicht g'rade dabei auf
beiden iSeiten unendlich ^ewonnen werde: nur dass durchaus nicht
die christliche Idee ins Alterthum hineingetragen werden darf,
statt dass die Resultate antiken Denkens und Forschens genau bis
2u der scbarfen Grenzlinie zu ffihren sfnd, wo sie unbefriedigt
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be! Sophokles. 53
aJbbrecheD j bis die evaDgdiscbe Wahrheit in ihrer schOpferischen
Tiefe die LdsHOg* ^ibt Aber andere, dorchaHS nicbt abzuweisende
Fra^en dr&ng-en sich auf eben diesem Gebiete mit dem nachdriick-
licbsten Ernste an iins beran, die so bestimmte Ankl^ge an That-
sachen der grossed Heilsgescbichte enthalten, dass man ^ch der
Erw&^nng' des gegenseiti^en Verb<nisses nicbt entscblagen kanii.
1st bier nicbt die nnverkennbare Idee eiper SUbnong nacb scbwerer,
ibeils iiberkommener, tbeils selbst begangener Scbal^? nicbt die
wunderbare Fttbrang' eines blinden Greises zn seinem Grabe bin,
dessen St&tte von fceinem Menscben mebr geseben ward? Docb
ebe wir diese und libnlicbe Fragen znr Spracbe bringen kdnnen,
mllssen wir zuiror eine ganz andere Seite der Anslegong, nemlicb
die Dentung des Ganzen anf politiscbe Bezielinngen, berttcksicb-
tigt nnd eriedigt baben ; denn wlibrend die oben bertibrte tjpi^cb-
propbetiscbe Erkl&mng bis an die linsserste Feme, des belleniscben
Lebens die ron ibr yermntbeten Beziebungen binansriickt, llisst
diese sie vielmebr in der nnmittelbarsten Wirklichkeit nnd in den
indidduellsten Verbliltnissen ruben.
Es lag nafae, an Zeiten nndPersoncn beim Oedipus zn denken,
die bei der Abfassang und Erscbeinung beider Gedichte die Ge-
mQtber bescb&ftigten. Perikles und die ibm tibertragene Staats-
verwaltung, die auf ibm la^tende Blutscbuld der Alkm&oniden,
und die zum Flucb dafQr, wie es scbeinen mocbte, gekommene
Pest, er selbst, den VerlSlumdungen der Gegner beftig ausgesetzt,
aber um Orakel und Gdtterzeicben ziemlicb unbekttmmert, — das
Alles findet in dem Oedipus Tyrannos so yiele AnknQpfungspuncte,
nnd der Plan des Dicbters, die Macbt eines widrigen Gescbicks
an den auf eigene Kraft trotzenden Menscben zu zeigen, eine
so bereebtigte Anwendung , dass man meinen mdgte , die Ldsang
der ganzen Aufgabe damit gewonnen zu baben '^)« Zwar scbien
diese sofort eine grosse Scbwierigkeit zu finden an dem zweiten
Stacke ; denn tbeils sind die Beziebungen in dem Oed. auf Kol.
nicbt so unmittelbaf und fttr den Perikles passend, tbeils scbeint
30) Nadidrockiich ansgefnhrt von C. F. Uermmn, Qmestione* Oedi-
podeae, S; 28 ff. Iffl Wesentliclieii verworfen yon SchbU, Sophoiies, S.
181 ff. , der namentlich in dem sclianerliclien Bilde des Oedipus den Peri-
kles niclit erkemien will , obwohi er im Uel}rigen die politisclien Bezieliangtn
nicht lengnet.
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64 Die Oedipus -Sa^e tind ihfe Behandlunic
daraos eine gans andere, i^ililstlge StiminiiD^ f^ denselbea zb
athmen, wj&hrend in dem ersten der Dieliter, etn Freund des Ciraon
uQd wahrscheinlich aiieh Anhanger der Ge^enparthei im damallg'eB
Staatswesen, versteckte Feindschaft gegen ihn iibt ■^). Da^eg'en
lllsst sichy wie es scheint^Nin dem zwelten die offenbare HinweiBiiD^
auf politische Yerii<nigse , wie sie damals zwischefi Atben und
Theben obwalteten, nicht verkennen. Allein das fohrt so ^reaig'
zu einer klaren Erledigung der Sache^ dass rielmehr grade dfese
Htickslcbt zQ den yerschiedensten Annahmen g'endihigt bat ^^), di«
sicb abcr nicbt bios auf die Entstehungszeit beziehen, sondem audi
auf die nach der jedesmaligen Berechnuiig derselben sicb ^nderndeB
Zeitumst^de. Folgi man der scbon im Alterthume verbreiteien
Erz^hlung, so fallt diess Meisterwerk in des Dichters letzte Le-
bensjabre '^) ; wie aber ist dann das milde Urtheil liber den the-
baniscben Btaat und die Freispreehung' von alter Schuld (916 ff.
926 f. 934 f.) niit der grade in jener Zeit so heftigen SpannoBg
zwiscben Theben und Atben zu erklaren, zumal bei der unver-
kennbaren Tendenz des ganzen Stiicks ^ Theben die scbllmme Folge
seines ungebiibrlichen Yerlangens vorzuhalten? Etwa durch die
Voraussetzung, alle jene zur Milde sicb neigenden Stellen seien
bei der ilberarbeiteten Wiederauffuhrung des. Stiicks , vier Jahre
nach des Dichters Tode, ron seinem gleichnamigen Enkel eing'e-
schaltet worden? und genttgt es, alle die Stellen, die Atben den
Segen seines Grabes verheissen, nfcht von ganz Attika, sondem
nur von Kolonos zu verstehen ^*)? Unverfanglicber scbeint es,
beide Dranien mehr (fir ein allgemeines Spiegelbild der damalig^
Zeit und Rewegung, des Lebens und Volkscharacters zu halt^n,.
31) Reisig, Enarratio Oed. Col, S. V. ff. ; Lachmann Ira Rhein, Museum
1, S. 313 — 35.
32) Ijnchmnnn setzt die Abfassuiig des zweitcn Oed. 01. 87 ^ 1. ; Reisig
und 0. Hermmm, ders^ 01. 2 oder 3; BocH und Suvern 69 oder 90 zo
Anfang.
33) Dafur eiitscheidet sicli auch Ras^ie, de aetaic Oed. Coh disput. S.
V. ff.
34) Gegen diese Annalinicn Hermanns, QwtesL Oedip, S. 43 und 46,. wird
man ftcli geiviss strAuben , so lange nicht die zwlngendstcn Gjrunde dazu
treibea. Auch £. 0. J^Hller, QescK d. griech. Liti. U, S. 138, Anm. be-
mtikx dagegen nit Rfcht: Das Drana set zu selir in emem Geisto gearbeitet,
nm cinem solcheu Argwohn Raum zn geben.
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hel S^phokles. 55
so dass TOQ solchen Gegi^htsponcten aus Manches sogar ini ent-
g-eg^engesetzten Sinne gedentet werden koimte. Wenn in der all-
g^mein herrschenden KriegsnoQi und . Drangsal d«r Volksglaube
die Schald aaf die am Perikles haftende BefleckuDg* zuruckfUhreii
wollte., trat der Dichter leitend und beschwiohtigend entg'fgcn;
and wenn der Muth znm Kriege erUhmen wollte , mochte er woU
die Fortfdfarung desselben als eine gerecbte und endlichen Erfolg
verbelssende bezeichnen wollen. In einer so j^rung's- nndspal--
tungsvollen Zeit schwand gewiss ancb der so lange mit Reuiheit
and Treue bewahrte Gotterglaabe der Vater, und besorglichf
Gemiither, die darin den Grund des G5Uerzoms zu erkennen mein*
ten, suchten begangene Religionsfrevel auf und klagten sie dffent-
lieh an. Hat — so fragt man in dieser Beziehutig — In einer Zeit^
wo einemPbidias, wenn auch durch betrilgerische Tiicke, wegen
Untersehletfs und Entweihung heiligen Elides der Process gemacht,
ein Anaxagoras wegen Ungla^nbens und Aspasia wegen Gottlo^
sigkeit in Gefahr standen, der Dichter sich der Gedanken daraa
entschlagen oder die Horer oline Erinnerung solcher Yorg^nge
bleiben konnen bei dem schttnen Chorgesange (0. T. S36 — SI.),
worln selbst das Einzelne beriihrt schelnt^^)? Nocb starker aber.
scheint das in dem zweiten Stiickc hervorzutreten. ,9 Der Oed*
in Kol. hat zu seinem Hauptlnhalte die durch Orakel verbttrgtei
durch das Grab des Oedipus rerpfandet^ Uniiberwlndlichkeit Athens
gegenttber von Theben. Er stellt Tlieben in seiner Schuld, zer-
fallen in den eigenen Gliedern, anmaassend auf frenidem Boden^
unwahr gegen Bundesgenossen und bedroht vom Flnche, Athen
als fronim und menschenfreundlich , gerecht gegen Fremde, treu
seinem Wort und geschiitzt von Gottersegen dar. Dless ist in einer
Weise ausgefiihrt, die iiberall'an besondere Ereignlsse der Ge-
genwart erinnert ^®)," So ware denn bald deutlicher bald ver-
steckter der thebanische Treubruch und der frische bootische An-
griff anf Plat^a und selbst aui' Attika hier mehrfach angedeutet;
einzelne Stellen aber wiirden nach solcher Vorstellung selbst auf
die rerelnzeltsten Ereignlsse gehen, wie derOlivenhain alsSchreck
der feindlichen Lanzen des alten Fiihrers auf die Verschonung des
heiligen Hains helm Einfalle des Spartaners Archidamos , die py-
35) So im Wescntlichen Schall, Soph, S. 185 If.
36) Scmi, Soph. S. 196.
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56 Die Oedipus -Sage nad Dure Behandlung
(hischen Gestode and der facfcelhelle Strand aaf die beim eirsteD
Einrllclcen derFeinde bestilrmten oder rerlieertenPl^tze, das Denk-
Dial ewlger Treue zwlschen Tlieseos und Peiriilkoos auf den vcr-
tragsniHssig'en Beistand thessaliscber Reiter, welter die ^^darch die
Fabel and Handlang nicht gebotene^' Scblacbt zwiscben j^reons
Lenten und der attiscben Mannscbaft anf den Raub zweier M&i-*
cben der Aspasia durcb die Megarer und deren gerecbtfertl^ie
Verfolgnng, endlicb der furcbtbare Flucb des Oedipus iiber den
Poljnices, der aus der Nuhe des der Heimatb wiederg-egebenen
Vaters Gewinn zu zieben bemuht ist, auf den nicbt wieder ge-
scblichteten Zwiespalt des Perlkles mit seinem <esten Sohne Xan-
thippos.
Micb diinlct, es ist gleich schwer alie diese Beziebung^en
zu leugnen und zu widerlegen, wie sie anzunebmen and sidier-
zustellen '^); so viel Jst jedocb wohl entscliieden gewiss, dass,
wenn man darin das eigentliclie Wesen und die letzte Bedeutung
dieser sopboltleiscben Dramen sucben will , man wobl in die >Uis-
serste Gefabr gerftth, die ktinstleriscbe Natur aller antiken PoCsie
nnd eines Melsters wie Sophokles insbesondere ganz zu verkennen.
Dazu ist aber auch ini Ernste wobl nlemand geneigt , und man
wtlrde yiehuehr das politiscbe Wesen, wenn es um Aeja Geist im
Ganzen mebr als um Einzelheiten sicb bandelte, eher an andern
Stilcken, wie besonders Antigone und Ajas, als einen Grundtoa
nacbzuweisen ini Stande sein; denn dass bei der ungemeinen Be-
deutsanikeit der beiden sittlicben Mlichte , Staat und Famllie , fiir
das ganze griecblsche Leben ilire Beziehungen und Conflicte au<A
die Schdpfungen unsers Dicbters vorzugllch durchdringen mussten,
verstebt sich von seiben Immer also wird die Frage nur diese
sein, ob alle diese Anspielungen als voniDichter absichtlicb hineln-
gelegie oder zuf&Illg darin liegende anzusehen seien , ob sie aus
Sprache und Anordnung mit Nothwendigkeit bervorgehen, oder sidi
erst nachmalsdem Hdrer und Leser durcb die eigene Gedanken-
verknupfung aufdr^ngen musslen. Nur die erste Gattung kann in
Betracht kommen , nnd diese ist gewiss bier ungemein zu beschran-
ken, wenn wir nIcht die tiefere Idee namentlicb des zweiten Oedi-
37) Ich verweise auf die GegcnetOrternng J, Casar's in N, Jen. Lit.
Zeit, 1843. Nr. 35 f. S. 144 ff.; besoniien urtlieilt dariiber ancli Raspe, de
aelaie Oed. Col. dUp. S. XtVI f.
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bei Sopholrles. ^ 57
pUB ganz assser Acht lassen und den ei^entlietien Kern and Wende-
pimct desselben iiberselien wollen. Erwftg^n wir diesen genauen
Die Handlun^ des Oedipas anf Eolonos ist aas der Idee des
damonischen Heroencultns erwacbsen ^^). Auf mehr als Einem
Grabe in helleniscber Erde ruhte die Sage von einem ganz be-
sonderen Segen, der yon ihm ansging; eine Bolche fand derDichter
ancb an seiner geliebten GebartestslUe Kolonos. Er verfolgte den
Gegenstand nun aber nicbt nacb seinen politiscben Wirknngen anf
das Leben des atbeniensiscben StaatS| sondern er ging der all-
g^emeinen Idee und dem religids - sittlichen Mittelpuncte derselben
in ibrem Reprltsentanten , dem segnenden Grenzhorte selber nacb.
Und wnnderbar: Der im Leben nur Flucb zu gebaren scbien,
musste grade im Tode ein solcher Segen werden! Ist bier nicbt
dem Tode eine Gewalt, eine magiscbe Macht nntergelegt, die
tins mit Recht befremdet? wie aber stimmt das mit dem nbrigen
Denken und Glauben des lebensYoUen Gtiecben uberein? — Dem
Inder gait wie die Schdpfnng fttr eine Sttnde, so das Leben fQr
eine Strafe, und ein ihm sellMst unverst^ndlicher Erlosungstrieb
rang darnadi sie abzuschiitteln ^^) ; dem Aegjpter war die irdische
HOtte nur eine Nachtberberge^ darum seine Todengrufte als lang-
dauernder Aufentbalt der an den Leib gebundenen Seele mit aller^
Pracht des Lebens ausge-stattet. • Der Gri^che war los geworden
von der Knecbtschaft der Naturgewalt, ihm hatte sicb Leib und
Seele zu der Einheit eines persdnlichen Wesens gestaltet, der
freie, seiner ^elbst bewusste Geist war ihm aufgegangen, wenn
auch nur in erster D&mmerung; demi das darf allerdings gleich
Uer nicbt verschwiegen werden: einerseits rubt eine furchtbare
Macht des Todes und der Unseligkeit auf dem Gefiible der ge-
sammten helleniscben Menschheit, der arme Sterbliche ist im Leben
gequalt, um noch unseliger im Tode zu werden ^^); andrerseits
• 3d) Im AUgemeinen vgl. Nitzsch, de apotheosis ap. Or-aecos vulgat/te
amssis,, S. 8 fT. , Tom Oedipus insbesondere Antn. z. Horn. Od, 11, 602 ff.
(Ill, S. 345.) and HeUmsage d, Griechen, S. 28 f.
39) EhrenfeuchteTj EntwicJcelmigsgesch, d. Menschhdt S. 60 f. ; Lasaulx,
de mortis dominatu in velf, S. 37 ff.
40) NHgelsbach, Horn, TheoL S. 330 f.; Ackertmnn, <f. Christl im
PUUo, S.'l^. ; If. Kr»he, uh, d, Bewusstscin d, Siinde tmd ErlHsungshe'
durftigheii h. d. Qr. u. H, S. Ill ff.
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5S Die Ocdipns - Sage md Ikte Behandlung'
erschcint, ini cng^ten Zttsammenhang'e damit, doeh noch wleder
eiue grosse Macht der Leiblichkeit, an wekhe das Dasein der
sclbsibewussten Persdnlichkeit g'ebunden ist. Darom verlang-t die
Uuhe des Abgeschiedenen nothwendig* ein Beg-rabnisiiii ; daram lai
das eig'entliche Selbst des ini Hades WaodelBden nicht seine Seele,
sondern das Schatteobild seines Leibes; darum aber aacb ^') kaim
die Vorstellung' eine solche d^monische Wirkung an das Grab eines
lleros knopfen *'). DIess allein aber wiirde iins die vorliegcndc
Situation nocb nicht genilgend erklaren, vielmehr muss diess Eine
noch notbwendig hinzngenonimen werden, dass die Verebrung des
d^monischen Heros Oedipus zu Kolones niit dem Dienste der Enme-
niden {^Eqiwiig^ Ssfivai) auf das Innerlichste und Wesenilichste
verbunden war **). Und diess nicht etwa nur nach einer volks-
thunilichen liichtung der Sage oder des Cultus, sondern, genius
der objectiven Wahrheit antiker Po^sie , zufolge jenes festen Ge-
setzes, womach sich der innerliche Process einer Idee in den
ns^ionalen Mythos wie in dem individuellen Dichtergeiste mit dia^
lektischer Nothwendigkeit wiederholt. Derselbe Entwiekelung^-
gang, wle in dem Wesen der Erinnyen, zeigt sich im Leben des
Oedipus ) er ist der thats&chliche Abdruck ihrer innerlichen Wahr*
heit und ethischen Macht. Das Verbrechen soli gesiihnt, durch
Strafe nnd Leiden die Ursprtlnglicbkeit des sittlichen Gesetzes her-
gestellt und der Gerechtigkeit genug gethan werden (Oedipus
mahnt ja selbst an diese, 0. C. 1377); diess geschieht aber ni^hi
aul' dem innerlichen Wegt der Basse , durch geistige Vernichtung
der begangenen Schuld, sondern durch ^ussere, kdrperliche Leiden.
Slnd nun aber diese bis zu dem Maasse gediehen (0. C. 433 ff.
41) Ich karm iicmlich diess an sich nicht so getrennl fiiideii , wic die
trelfUche Darstcllung Preller's, Demeter und Persephone S. 227., es an-
nimmt, wenii auch iinmerhiti eine solche Nekrolatne iin Dainoncnglaiibcn und
HcroencuUus sich erst nach Homer ausgebildet haben mag. In welchetn
Sinne diese aber mit der mystischen Vorstellung you den chthonischen Got-
tern (vgl. 0. C. 1733.) noch weiter znsammenhing , darubcr s. Preller a. a.
0. S. 187 fT. und Nitzsch 2. Od. 10, 521 if. (Ill, S. 165.).
42) Uebcr die Ankniipfiing des Heroencultus an die Gr&ber aberhaa|)t
s. J. Grimm , Gesch, d, deutsch Spr, 1 , 147.
43) Nitzsch, Meldemage d. Gr, S. 29.; Preller in N. Jen. LiU Zeit.
1845* Nr. 222 f. S. 888 f. ; mit ufflfassender Griindlichkeit erOrtert ?oa Uer-^
mann, QuaesU Oedip, S. 90 ff.
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be! Sopliokles. 59
766^9 dass dadurch der Grdsse des Verbrecbeiis g-enttgt zu geiii
scheiaen kaBn, dann kehrt, der sie trag*, so dem frtiheren^Stand-
pimcte seiner siUlichen Natur zoruck , die Flachg^eister (Brimijen)
werden za M&cliten des Friedens (EamenideD), die Schald ist ge-^
tilg't. Wohl mochte aber solcbe Idee local sich vorzn^weise an
die gottesfQrchttgste (0. C. 256. 0. T. 1003 f.) ond gerechiig'
keltsliebendste der St&dte (0« C. 911 f •} anschliessen , wo der
streng'e Areopag selnen Sitz hat (0. C. 944); ob nicht anch
anderweltig noeh, ist hier nicht weiter zufragen. So aber ist
.Oedipns aus dem furchtbaren Confficte sittlicher Gewalten in beiden
> Trag^ien sfegreich hervorgegangen ; er stihnt aber nicht sowohl
sich als vielmehr seine mit ihm eng yerbundenen, aus blntschftn-
derischer Ehe hervorge^ang'enen **) nnd dadnrch des allgemeinen
Labdacldenflachs theilhaftigen Tochter ; nach der Cast tiberraschenden
Gewissheit, dass eine freiwilli^ nnd uiischuldig iibemomniene Stthne
eine wunderbar genogthuende Wirkung; hat *^)* Und wenn Anti-
gone spiter in einem neaen Conflicte sittlicher Gewalten als schald*
loses Opfer fallt, so ist das nicht strafe, sondera dient viehuehr
f^rade zar Verklarung der sittlichen Idee. Diese erscheint daher
auch als oberstes Gesetz and Wille der Gottheit, die aber weder
in der Gestalt eines blindlings herrschenden Schicksals hervortritt,
noch aoch in der einer strong gegeniiberstehenden , Siasserlich ge~
bietenden Macht^®) nar; sondern sle ist vielmehr innerlich, im
Geiste des Menscben , hier des Oedipus ^^). Und so zeigt sich
hier wanderbar bei aller Tiefe und Wahrhelt eine eigenthdniliche
Verkehrung: J)ie Schuld^ die als eine Verletzung der sittlichen
Ordnung* innerhalb ihres Gebiets d. i. innerlich und geistig ge-
biisst werden sollte, wird at^^er^cft gestraft^ Ale gottUche Macht
aber, die, wenn sie auch noch so sehr eine dem Geiste praesente,
44) Daher denn auch die unserem Gefuhle fast i/viderstrebende oft-
malige Erinnerung daran: 0. C. 326. 531 if. 1190.
45) Die merkwfirdige Stelle 0. C. 494 f.; irrig urtheilt Peters, Theo-
logumena Soph S. 21 , Anm. Fiir den Begriff der Siihne s. die treffliche
Auseinandersetzung bei StaM, Fundamenle e. christl Phil. S. 156 flf.^
46) Vgl. Heuser, de numine divino ap. Soph S. 25 ff.
47) Selbst im Ansdrncke sich spiegeind 0. G. 1294. 1429. ; s. anch
Michelet, de Saphoclei ingmii principio S. 17. u. 8chwenck*8 ErklUrungen
S. 137.
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60 Die Oedipus -Sage and ihre Behandtiing bei S.
lebeikdig bewusste seln soil, doch wabrhaft demselbeA persdnlicb
gegentibersteht 9 ausserbalb seiner gesetzt ist, wird mrinnerUch
getragen^ Und wle I^sst denn am Ende noch die gerechte Gott-
heit Scbuld und Strafe auf deni unscbnldigen und unwissenden
Oedipus ruhen?
Der plastische Grieche — so wird die Antwort wohl tauten
mlissen — kannte keine Spaltung der Einen Menschennatur, be-
sonders keine Herabsj&tzung der Leiblichkeit; und wUhrend daber
uns, was von der Seele ohne den Leib bewegt wird, als gleicb
str&flich, was aber ron dem Leibe ohne die Seele vollbraeht ist,
als ausser der Zurechnung stehend erscheint: so war semem
Bewusstsein jenes im Allgemeinen straflos, dieses dagegen in
g]||i€hem Maasse strafbar. Sie ahnten wohl, dass fiir die Scbuld
eiAe Stthne mdglich, nach dem AbfaUe eine Wiederaufnahme denk-
bar sei; auf welchem Wege aber dieses einzig und allein errelcht
werden kdnne, und dass ein vollig neues Leben geboren werden
miisse , das nur nach der Vernichtung des ganzen alten Menscben
sebie wahre Auferstehung in rerklarter LeiMicbkeit feiem kdime :
das zu finden und zu seben war mit allem Suchen und Sebnen den
bellenischen Geiste nicht verliehen.
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61
Der geg«DwSrtige Stand der religiOseii BeurtheiloDg des
ciassischen Altertlrams.
Die Eiforschang* der relfg'idsefi Sefte des Alterthutns und
seines Veitelinisses zittii €liristeiithnni ist g'erade in unserm Zeit-
alier von neuem als Geg'enstand der wichtig'sten .Untersucbung*
erkannt und g'etibt worden. Man hat dabei vielfaeh die Erlnnemng
an ^Itere Samiiielwerke erneuert, die jetztdocb weder dem Stande
der pbileloglscben KrHik nocfa aaeh dem Zwecke einer richtig-en
Aiisgleicbung' der Stadien des Alterthnms mit den BedHrfnissen
der iheolog'ischen Wissenschaft wie der christlicben Gesinnung'
vnd Erziebung* entsprecben. Ein Wiederabdrack dieser Arbeitea
wllre jetzt • Ydllig' nnang^eniessen , eine glinzlicbe , Umarbeituitg'
wUrde Anordnang and Bebandlung' der friiheren Weise baum Jn
etwas abnllch blelben lassen. Dabei litten diese lilteren Werke
an dem aus einem tnissverstandenen apolog^etiscben Eifer filr das
Alterthnm beryorg^egang^enen Streben, eine g'rosse Ann^ernng'
desselben In der Erhabenbelt rell^iOser Ideen und der Reinhelt
s^Iicber Mai^ime nachzuweisen j obne dabei In die tiefere Einsicbt
weder des helleniscben und romiscben Bewusstseifis nocb der
wesentlichen und an sicb nie auszug'lelchenden Verscbiedenbeft
desselben vom cbrlstlfcben Lebrgebalte und Lebensg'eiste elnzu-
drlng'en. Dies zei^t sebon der Titel des einen bauptsiicbllcbsten
Werkes in dieser Gattun^ der Litteratur: Tob. Pfanneri systema.
theologiae geniilis purioris , qua quam prope ad vera/H reUgionem
gentiles accesserintj per cuncta fere eiua capita ^ ex ipaia prae-
cipue iUorum scriptis oatenditur j Basil. 1679. 4., und nicbt andera
stebt es mit dem in sammelndem Fleisse und umsicbtig'er Belesen*
heft bei rolli^ ausserlicber Behandlung'sform nabverwandten Werke :
Gerh. lo. Voasii . de iheologia gentili et physiologia Christiana
Ubri IX. Amstel5d. 1750. 4., so dass auch dieses den Wunsch
naeh einer neuen und erscbdpfenden Leistung* nur urn so filhlbar^
madit. Wir habetf aueh aus dem g'e^enwHrtig'en Brtra^e der
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62 Der g^eg'enw. Stand dcr relig'idsen Beuriheilun^
Litteratur nichts von nntfassender Art nacb^uwcise^ , f s sind viel-
nielir nor einzelne, aber zuni Theil sehr schM/ibare Beitrag^e z»r
L&siing' der allerding's scbwierigen Anfg'abe. Sie g-ehen klar
Oder unbewusst von der wiebtigen Brkenntniss au9, dass nar
dann derselben in wabrhaft befriedigender Weise gentigt werden
kdnne, wenn 1) die einzelnen Geg'enstlinde eibiscb-religidseip
Anscbaaong fttr sicb In vollstindiger Genaulgkelt g'eprlift, 2) die
in den Classikern selbst liegenden F^indg'niben fttrdiese Seite
der Forscbung* g^ebdrlg* ausgebeutet und der eig'entbtiuiliche Geist
and Cbarakter dersielben erwog^en, endUcb 3) der g^eschiditllcbe
Entmckelangsgang in unveriuiscbter Klarbelt darg^eleg't and die
verscbiedenen Zeitalter genau gesdiieden werden. Die letate
Seite kann wobl erst in einer das Ganze zusammenrassenden
Bebandlung ibre Erledigung' finden; dag'egen ist filr die zweite
elne Fiille ungemein trefflicber Monog'rapfaieen g'eliefert worden,
in welcber Beziebang* sicb g'anz rorzUglicb iini den Homer K%eh(-
bacb, um den Aescbylos Klanssen, am den Pindar Seebeck and
Bippart, den Herodot Hoffmeister, den Tbacjdides Wigand, den
Platon Ackerniann, den Tadtus Bdtticber u. A. verdient g'emftcht
baben. FOr die erste der oben bezeicbneten Ricbtnng>en nan
haben wir wieder eine Reibe kleiner Scbriften za beacbten , deren
Inbalt, auf einem anziebenden Grenzg'ebiete zweier reicbbeg'abter
Disciplinen sicb bewegend, das Interesse jedes wissenschafUidi
gebildeten Cbristen in bobeni Maasse in Anspr^cb nebmen mass.
Es ist elne erCrealiclie and beacbtenswertbe ErscbeinuDg*,
dass die wissenscbaftlicbe Tbatigkeit der katboliscben Kircbe in
nenester Zeit mit Vorliebe dieser Seite der Erforscbnng' des Alter-
tbams sicb zagewendet bat; eine grosse ZabI von ScbrifCen solcher
Art ist daraus bervorgegangen, indeni nocb niebrere, mirbis jetzt
nicbt zu Gesicbte gekouiniene, von der MQnsterscben Scbale
geliefert sind. Besonders bat ein bekannter, aaf dem Gebiete
der Altertbnmswissenscbaft mit grosser Anerkennung za nennender
baierscber Gelebrter, Prof. E. v. Lasaulx^ jetzt in Mflndheit,
dem Gegenstande seinen ang'elegentlicben Fleiss in einer Reihe
von Programmen gewidmet. Eine lebendige Liebe zam Henm
der Kircbe 9 eine umsicbtige Kenntniss der verscbiedenen Seiteii
ob4 haapts&cblicbsten Scbriftsteller des Altertbains, eine aasge-
brettete Belesenbeit auch in den KfarcbenvM^m, eine geistreiciie
Aaffassang zeicbnen die Arbelten dieses Pbilologen vorzagsw^se
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des classischeii AlterUiuiiis. 63
aus. Bel seiner grossen Liebe zum Alterihom und bei seiner
ebeii so tlefen Liebe < zuni Christenihuni ist es ihm denn allerdings
lelcht be^eg^et, dass er die Grenzlinien zwischen beiden Gebielea
nicht immer sireng- 'genug gescbieden , dass er das Christllclie
oft zu sehr in das Antike hineing^tiragen and in vereinzelteo
Zttgea typische oder propheiiscbe Andeuiungen gesuehti dadurch
den rein geschicbtlichen Charakter des Alterthums nieht selten
g-etrtibt, aber auch der cfarisUfchen Idee auf deniselben Weg^
bisweilen einen Theil ilires hellsten Lichts enta^ogen hat. leh
will zu n^erer Begrundung des Gesa^ten erst die allgenieinen
leitenden Grondsatze desselben' kurz zusanimenstellen und damach
auf die Beleuchinng des Einzelnen eingehen«
Da alie Geschichte, sagt der Verf, an einer Stelle, in letzter
Instanz Religionsgescbichte sei, so babe das Christenthum als
universale Weltrellgion seiner Natur nach alle t'riiheren Volks-
religionen , insoweit sie ^''ahrheit enthielten j in sich aufg'enommea
ond beschlossen, und es gehe kaum eine im Christenthume aus-,
gesprocbene Wahrbeit , die nicbt substantiell aueh in der vor*
ebristlicben Welt get'unden werde. Wie die israelitiscbe, heisst
es wetter an eineni anderen Orte, so sei anch die Profangescbicbte
als eine vorlnldliche^ das QJirUtenthum vorbildende^ zu betrach-
ten; er glatibt aus der Geschichtc und den Religionen des Hei-
denthums ein zweites apokrypbiscbes A. T. berstellen zu k^nnen,
deren beider Fortsetzung und Erftillung das N. T. ist. Der Er-
sehnte babe sicb im Heidenthuoie wie im Judentbume offenbart;
in der ganzen rorebristlicben Welt sei Christus im Kommen begrif-
fen gewesen , seine wirkliche Erscheinung im Judeathiim klar y<^t^
berverkiindigt, im Ileidenthume iiberall geahnt und gehofft wor-
den. Die alte Mytbologie steht demnacb ror uns wie ein r&tbsel-
haftes Traumgebilde der vorgeschichillcben Menscbbeit, eine
Traumprophetie 9 deren wabre Deutung erst in der Fulle der
Zelten in Dem gegeben wurde, der mehr war als alle PropheteUi
dessen siegreicbe Heldenstimme den Zauber der alten Scblai^e
• gebrooben und das bis dabin unselige Gescblecbt von der Sela*
verei der SUnde und des Gesetzes zur Freibeit der Kinder Gottes
erldst babe. Der Verf. scbeint bierin zu weit zu g^ben nnd daiut
den wesentlicben Unterschied des Heidentbums und Judentbums
g^iUizlicb zu verkennen^ da ja docb dem Letzteren entschiedM
ekie positive, jenem dagegen uir eine negative und mitteli^e
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64 . Der gegenw. Hismi der reK^idsen Beuriheilun^
Vorbereitan^ des Christenthvms zuzog'esiefaen ist. Sicherllch soli
damit elne ^ewisge Wirksamkelt des Xoyog (rnsQfianxog In der
Heidenwelt nicht abg:eleug'net warden, nur dass derselbe ala in
der Gemttthswelt and dem Innern sich offenbarend angesehen wer-
den innss, niclit in den Instltaten und Formen des reiigidsen Lebens,
die immer nor den -sch^achen Abdntcl: menschllcher Aaffassung'S -
und Beliandlung>sweise uns bei iiinen zeigen k&nnen. Dies tritt
UBS glelch if^er bei der Darstelinng des Orakeis (daa pelasgische
Orakei dea Zeus zu Dodoha^ Wiirzb. 1841. 8. S. 4.) entgeg'en,
de'ren Resaltat allerding's ini Ver^Ieich zu den dbrig'en g'ering*-
fligiger ist. Die Aehniicfakeiten zwischen faelieniscllem und jOdf-
scbem Cultus werden bier mehr im Aensseren nachgewiesen,
nam^ntlich an den beiden S&uien zu Dodona , die nach dem Perie-
gelen Polemo von glelcher Grdsse neben einander standen, aaf
der einen ein nicht sehr grosses ebernes Gefass, dem hentfgen
Becken &hnllchy auf der andern die eherne Statue etnes Knaben^
der in der rechten Hand elne Gelssel hatte . mit drei Kndcheln an
bewegllchen Kettcben , wodnrch bet den Bewegungen des Winded
welt binrbare Tdne sicb gebildet h&tten. Dies gilt dem Verf. fflr
elne Nachbildung der durch den tjrischen Kflnstler Hiram -enrich-
teten beiden ehemen S£inlen vor dem sftlomoniscben Tempel an
Jerusalem 9 wie sie uns 1 K6n. 7, 13 ff. uttd 2 Chron. 3, 15 f.
.4, 12 beschrieben sind. El^en solcbe schenkte Salomo dem tjri-
schenKdnige, um sle im Tempel des hOchsten Gottes aufzustellen,
von da konnten sle ungemein lelcht ais ein Weihgeschenk der
Schiffirahrt und Handel treibenden pelasgldchen Corejrfter nach
Dodona gekommen sein. Aber diese Glocken selbst baben dem
Verf. noch einen andern Wcrth, elne hOhere Bedeutung; sie
mttssen/ schon beim Gottesdienste im mosalscben Rltualgesetae
erwdbnt, wie der jfidische Hohepriester ein Blld des Uulversums
ist, der. beim Eintritte in* das Allerheiligste am Saume seines
Leibrocks damit geschmiickt war, als ein Sjrmbol des Einklangs
der Welt and der Harmonic der Sph&ren angesehen werden; daza
ist denn aoch in Dodona das nicht ^ grosse eherne Becken eine
Halbkugel und ein Blld des Jlimroels, die knabenartige Gestalt
ein Blld des Qemiurgen oder Weltbaumeisters. Diese Vorstellung
erscheint Insofern sti^rend, als die hellenische Ansfcht sich nie
zu einem Weltanfange durch sch^ferisdien Willensact hat erheben
ktenen, vielmehr unter der Voraossetsiung einer, wenn auch nur
in
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des^ ekssisehen Altertimms. 66
in roher Massenhaftigkeit gegehenen Welt lediglicb ela b^Uendes
ond nm^estaliendes Princip kennt. Auch meine ich, dass wir
do€h iiber eine g'ar zu weite Kluft spran^weise binttberg'eboben
warden ^ wenn er den einen Vers ^ den die Peleladen zoerst unter
den Weibern g'esnngen haben sollen: Zsvg ^v, Zsighnt^ Z$vg
sffffsiaij w /j^yaXs Zsv^ mit dem, dog'matlscb und metapbjsiseb
g-lelcb iiefsinnig'en, neutesiamentlichen i wv xal o ijv xul 6 iQXo-
fjLSvog (Offenb. I9 4«) ausammenstellen will. — Wir wellen
bei diesem Aniasse gleicb erw^nen, dass der Verf. nech in
einer anderen Abbaiidlung die Parallele zwiscben dem Helden-
tbome und dem Judenthume and ihre belderseitige Beziehung
znm Cbristentbnme weiter ansgefftbrt bat. In der Scbrift: Ueb^r
die Bucher dea Konigs Numa. Ein Beitrag zur ReUgionaphilo-
Sophie yon E. v. Lasaulx; in den Abbandlangen der 1. Classe
der K^nigl. baierscben Akademie der Wissenscbaft. V.Bd*, 1. Abtbl.
(A.) S. 81 — 130 sind die Gesetzgebungen des Mose und des
Nunia in sehr anziebender Weise austfflbrlicb zusammengesteHt.
Wabrend er die von Tertullian gegebene Erkl^rung' dieser Ueber-
einstimmung aus der Gewalt des Teufels nicht zu irertbeidigen
Terlangt, da die j^menscbenmciglicben Erklllrungsniittel ^^ in der
Alterthumswissenscbaft nocb lang-e nicht erscbOpft sind: nimmt
er doch mit ihm eine der Stellung Mosis zu Cliristo parallele
Stellnng Numas an. Die bescbweriiche Disciplin der ron Numa
angeordneten Sacra , sein ganzes l&stiges Caerimonialgesetz findet
er dem mosaischen allerdings abnlich, ja die beiden Vdlkern
gemeinsame angstlicbe Scrnpulosit&t in der punctlichsten Erfttllung
aller gesetzlicb vorgeschriebcnen F6rmlicbkeiten nennt er ^^frap-
pant^^; und wenn Paulus das mosaische Gesetz einen Erzleber
nenne j der zu Christo hinftihre , so sei es seinem Geiste schwer-
licb zuwider, dasselbe auf die Satzungen Numas anzuwenden.
Denn das gilt ibm als unzweifelhafte Wahrheit der Philosophie
derGescbicbte, dass die neue Weltreligion der geistigen Freibeit
das pantbeistiscbe (vergl dariiber weiter unten) Princip der beid-
niscben und das monotbeistiscbe der jddischen Religion in sich
bescbliesse und dass die Rtoer nur daruiii die Mission batten
Jerusalem zu zerstoren, weil was in ihm ewig war bei Ihnen
wieder auf- und fortleben sollte.
Die Oedipuasage (Ueher den Sinn der Oedipussage. 1841.
13 S. 4.) ist fur den vorliegenden Zweck schon lange benutzt
huh her, ge$, Schriflen, 5
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66 Der gegeim. BU%i ier r ril g Hten Beaiiheilan^
w&ti^i Heg'el sah znletzl ehie Anspielotij^ anf die chrtetitelie
Itdkre yon iet yersOhnuiig> darhi and r. Lasavtx neant «ie neb^
der AcbHIessa^e die grr^ndiose&fte Visrion lAer das Grieclientlnim,
denn indem der Inhalt des ren llm g^eldsten Rlithseki der Menadi
ist nnd^er die Ldsnng' fefimlen hat, die sein Volk w^n aUch
In falsciier Weise ausgeftthrt liat, so sel dardi sein Leb^n uni
tiesdiick Torbildlicli anf das ^an%e beilenische Leben hin^g'ewieseB,
>dem als dieses ^estorben, sei der giwze Inhali desgelben in das
lidhere Bewusstsein des Chritttentiiums emporg'efaoben wordea.
,,W}e Oedipus ron den Donnem des unterirdisoiien Zeus hm
diesem Leben abgemfen wird, damit er rerklart ftach deni Tode
fortlebei: so ward das ganze griechische Leben , als dfe Zeit erfilfit
war 9 Toni Scbanplatze der Welig^ohiebte abg'ernfen, damit es
als Terweslicher Keim ^eslbet, spader in der Frende anrerweslMi
wieder auferstelie* in der cfaristliciien PhUosophie : dem diese aliriB,
als nQayfiatwv ahljd^sia^ ist im Stande alle RSthsel des Lebens ia
Wabrheit zn Kisen. '^ Ich Kabe micb faierttber selbsi ausfdhrHcdier
erkliirt and meine Abweichang' van des Verf. Ansicht darg«ieft
in der klelnen Scbrift: Die Oedipussage und ihre Behandiun§
bet SophoMea. Schleswig 1S47. 24 S« 4. ^). Der oben an^^-
deuteten Aehdiclikeiten liessen sich leicht nock mehrere anffinden,
w^n man ^ Idee einer Sufanung nach einer, freilich theilwe^
scibstbegangenen^ schweren Scbald> oder die wanderbsre Fob-
rang' eines biiaden Greises za dem Grabe bin, dessen j^ittc Toa
ketnem Menschen m^ geseben ward , bervorheben wollte. Hier
handelt es sich aber vielmebr in bei weitem stibrkerem Maasse
oni die Nachweisong des Unierschiedes and am <lie Erkennnu^ der
scharfen GrenzUnie, die zwisohen der Offenlkamng and des 'Sthm-
schen sdbsteigenstem Finden gesteckt ist. Oedipus zeigt nns
recht cigenUich in seinem Leben die Ohnmacht und sittliche iJn-
freiheit des Menschen nadi echt hellenischer Vorstellong, der^
mit begabter Kraft yorw&rts ringend, doch Mind ist ti>er «cv
eigenes Ergeben and seinem Geschicke gerade mit den Sdirttien
entgegen eitt^ mit denen er demselben zn entfliehen gedenki, «der
nberall nach eigener SellMrfbestimmang zn handeln meint vnd
einer gebietenden hdhem Macht gegen<dier doch eigentlidi wiUeiiids
1) Wiederabgedrncfct in der irorkergehenden Nanrer*
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408 t^na$tke9i AUoHkuvsm. ^
luid Hirfrei M* Er zeigt ass in «ieinei« Tode, b^aaA^ers bej 4€r
flatem BesidMiB^ desselkeii za d^nn ftm auf Attischero Boiey |ierei«-
ieten lUaioniaoh^ii Heroencidtafl, Aoek eineii gans beaoaders wlck-
Bunen Segen, dfe« er on so mehr bringet zu nulsseo scbieHi ak
sein Leben but Finch za gebirj^ gescbienea batte. Dje dur^
flm veiletzie eaitlidie Idee soU wieder geaiibiii werden; das ge-
schicitt aber nlehi aaf dem iimeiiichen Wege der BuBse^ ^ojidei^
4sHrcb Hvsaerlidhe K&rperieideB; die gdtilidie Maoht aber, di^
hfer dem Menscheatbiia richtend gegeaftber stebt, ist fcaine per^
sMlicb a«sserbalb aebier gesetate, sooderii riebii^r mir efai^
ideeUe, eln Moment aeincs SelbsibewHssUeins. Dabei ist »\^
twAeachtet zn lassen., dass in der segnenden Gewalt seines T^des
sich eine heUenische Auffassung von dem Wertfie der LeJbliebbeU
Jnmd giebt^ gegen deren wesentlidies Fortbesteben die See^
vieinicdur als ein Ohnm&cihiiges nnd Uniergeordnetes erscbeint.
Und so sdien wir anch bieran, dass d^ Grie^ben die Scbeidnng
de9 ^Iten von dem neten, des nat^licben tob deoi wiederge^
frorenen JWenscben bei allem jGlanben an die arsgrdnglicbe Her^r*-
liobfeeit seines gdtiUcben Keims dennocb yerioren gegangen isU
Wir fcommea bif;rauf a« einem der wichtigsten nnd lebr-
jr«icb^ten Puncte, im Off era (Dus Suhnopfer der Griecbem un4
Memer umd ihr Verk&Uime »u Aem einen nuf Gtdgatha. 1.841.
27 S* 4.). Man hat nenerdings rielfach angenommea , 4a6s aU^
Hfter ans dem Gefilhle derS&ndc abznleiten, miibin ursprilaglicb
Siibnopferi zugieicb daber auch, dass sie blntig gewesen ui^
alle ander^n erst sp&ter daraus abgeleitet ^orden seien. Aehn-
Ucb entwickelt r. Lasaidx den Ursprong der Opferidee ans dem
ans der fiinbeit mijt dem gottlicbea geCallenen mensfihiichen WUlen,
and lUimn^ eine dreifacbe Stufe derselben an: der Sttnder selbst
bringltaeiulieben freiwillig zum Opfer, (Oin Anderer geht unschul^
4ig iitatt des Schutdigen in den Opfertod, statt des Menschen
wird stellirertretend ein Tluer geopfer4. Weil n&mlich das leib-
liohe Leben im BJnte ist,. das Bint also .dnrch die Seele sithnet,
so wbrd Alles dnrch Blat gereinigt nacb dem Gesetze und ohne
Blutvergiessen g^schiebt keine Ver^ebang, Hebr. 9, 22. WeU
aber dieBlotso^le in allem Lebendlgen dieselbe ist^ so kannajoeb
die anima vicarja aines Thierlebens statt der besseren eiaes
Meascbealebens als Ant^f^xw den Gdttem ^ur Yersobnung gegeben
werdien* Ber Vocf. bat filr die 4nn^w^ ^^^ ^^^ den Hellenen
5*
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68 Der gegenw. Stand der reli^Msen Beortbeilung
bewvsst gewesenen ursprttn^llchen Gemeinscbaft d^s Mensdiei
mit der Gottbeit die fliatslicblicbe Nacbweisung', In deren Erman-
gelang' die Sacbe leicbt in Zweifel gezogen werden kOnnte , nicbt
bel^ebracbt, obwohl der Bewels dafttr von Homer an bis PlstoB
bin in mannichfacben Zfig'en gellefert werden kdnnte ; aasserden
1st mancher wicbtige Abscbnitt aus der alten Litteratnr, wie z. E
Plut. Pelop. 21*9 g'ar nicbt gebOrlg benntzt worden. Adch 1st
er auf die von B&br (SymboHk dea moaaischen CuUus) g^eleo^-
ne^e, von Kurtz {uber das mosaische Opfer S. 57., Anm.) ans
a%enie!nem Grunde bejabte Frage: ob den beidniscben Opfen
anch der Be^riff der stellvertretenden Straferduldung- wirUich an
Grande lieg'e? nicbt geniigend eing'eg'ang'en. Dag'egen verweitt
er mit Vorliebe bei einzelnen Beispielen und scbeint diesen en
verbftltnissm^ssig* zn grosses Gewicbt beiznlegen. So wird dem
Atbamas mit' seinem , Sobne Pbrixos und dem WIdder als eiae
auffallende Erinnerung* an Abrabams Opfernng vielleicbt zu staii
ansgebeutet. Betrachtet man, meint der Verf.^ wie die Scbrift
tbut, diesen mystiscben Widder, wodurcb der versdbnende GoU
dem furcbtbarcn Opfertode Isaaks intercedirt, als ein Sjmbol
(mindestens wobl keln recbt passender Ansdruck) des Lammes,
welcbes fttr die Siinde der Welt geopfert werden sollte: so ge-
winnt ancb Jason (Heiland) und seine ganze Heldenfabrt nack
dem goldenen Vliess eine bdbere Bedeutung und erscbeint wie
ein wnnderbared Vorspiel von Jesus, der den Menscben die wabre
Versahnnng bracbte. Auf den Gebraucb, von dem Flelscbe und
Blute der geopferten Menscben, Insbesondere der Kinder, zi
genlessen, legt er grosses Gewicbt als auf „ein furcb(}>ares
Mjsterinm ,^^ wobei man des Verf. Sinn wobl. err&tb , wenn er ancb
selbst nicbt nSber darauf eingeht; aber er unterlftsst es nicbt,
diese TSHvo^vGia bis zu ibrer Spitze in der wabren und bdchsteii
vtod^vtFia auf der Sch&delst^te der alten Welt, wodurcb objective
Sttbne und VersGbmmg bewlrkt war, hinzuleiten. Wir darfea
den Verf. in diesen, Immer bedenkllcben, abnnngsreicben Ideea
eben so wenig begleiten als im Detail der Opferarten und Opfer-
gebraucbe; dagegen slnd die als Resultate gewonnenen aHger
meinen S^tze lehrreicber und beifallswiirdiger: das Bewusstsein
der ErlOsungsbedtirftigkeit (wir kommen spliter bierauf zurttok)
bilde den Innersten Kern und Mittelpunct aller alten Religions-
systeme; man h&tte gefilbH, dass, well far den Menscben 4ai
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des elassisi^lien AlterUams. 69
LdieB nor ein Gescheiik der Gotthelt sei auf die Bedingiing hln,
dass er Aire Gebote erfftlle, jeder Silnder stren^ genomm^n gegen
GoU sein Lebeii yerwirkt habe. Der Schuldige sei dem Tode
verfallen; ein unzerstorbares Bewusstsein aber g^ebe ihni die
HoShang, dass seine Stinde gesUhnt, seine Scbuld bezahlt, sein
Leben geteiiet werden kdnne , wenn ein Umchuldiger statt seiner
and freiunlUg in den Tod gebe. Wenn wir aber auch diese S^tze,
so wie den darans gezogenen Schln8S9 dass man wohl das Pro-
blem, aber nicbt die richtige Ldsungerkanni, dass man die Erank-
beit empfonden, in innerster Seele die Mdglichkeit ^tnes Heil-
mittels gefiihlt babe , aber das Heilmittel selbst nicht nabe kennen
kOnnen, dem Yerf. zag'el>en wollen, wie nicht minder alles das-
jenige, was er, freilich mehr von dem Standpuncte des Christen-
tbwns als des Alterthums ans, weiter daran anschliesst: so rer-
missen wir doch die SchMe und Strenge der Untersuchung-,
die auf diesem Felde keinen Schritt vorw^rts thnn will , ehe die
hier Alles entscheidenden Cardinalbegriffe Sunde und Schuld
nach der Auffassung des Alterthums mit Sicherheit festgesetzt
siod, wozo Ndgelsbach, de reUgionibus OreaHam AeschyU con-
tinenHbusj Erlangen 1843, 4. einen meisterhaften Beitrag ge-
liefert hat
Wenn der Yerf. so als die erste That des gefallenen Men-
schen mit Recht das Opfer ansieht, so darf auch mit ihm als das
erste Wort des ursprtingllchen Menschen das Gebet (Ueber die
Gebeie der Griechen und Homer. 1842. 13 S. 4.) bezeichnet
werden. Dem Christen ist aber das Gebet kein an bestimmte
Stunden gebundener Dienst, sondern die bleibende Bedingung
des h(>heren Lebens , ein eigentlicbes Geistschopfen , es „hebt die
Scheidewand zwischen Zeit und Ewigkeit auf, es ist das tUgliche
Brod der Seele, das Athemholen des Geistes, der durch diese
magisebe Yerbindung mit Gott wirkliche Zuflnsse und Krafte erbiilt.^^
Der Yerf. bemerkt allerdings, dass von dleser hOchsten Bedeu'
iiing des Gebets, wie von wahrer Herzensandacht iiberhaupt, in
den alten Religionen sich nur wenige Spuren finden; indem er
demselben doch aber im Cultus des Alterthums elne hohe Stelle
einr&umt, nimmt er einen graduellen, keinen wesentlichen Unter-
sdded mehr an, der freilich auch ohne eine scharfere Fassung
des antiken Wissens vom Wesen der Gottheit und von dem
meisehlicheo Yerhldtnisse au ihr nicht fiiglich gefunden werden
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70 Der gegenw. Biaiid ier retigidsen Beurtheilang
kann. Dagegen stelH t. La^«lx itm Mgemdne^ Gffeiititefte,
nationale Gehet dem liohenpnesterlicken der Jaden fir dfasr Vollt,
die Menschheit) die gaB7.e Nalur g-eg^ofClber. Der tm&kt MeAscb
gebraucht das Gfbet llberall, selbst bei alleit widMlg^es Hand-
hngen seines Lebens, Ja fast bei aHen Momenteii seiner t^g-liciien
GewohBheity woher denn aiicfa die so aaUrricben Ausdrtcke ilafir
stammen. Der Priester ist clQiftfjQ, orsitor, Beter; heMge 6e-
betsformeln werdeii von ihren GescMecbtern aafbewabrt «nd tradi-
iionell fortgepflanzt Wir fiitden in Binzelnen besoflders selNliie
Gebete, is. B. das der LacediUnoiiter, zv dem Guten dm Sch9w
zQ gfben^ und erliUenes UtirechC ertragen zn kdnaen^ oder das
beitn Verf. des zweifen Alcibiades, das Gste aacb obae Gebet,
dasBdse selbst mit dtesem nicht za gebea; wir sehen allerdtogs
aacb , dass die Alien nicbt bloss inn Gesaiidheit 0der hrflisdies
GlOck, sondern auch nm Tiigend md Reehtsebaffeiiheit b'aten,
aber wir vernrssen vor alien Ding^en dock eine Angabe des
Verbittnisses, in welchem das Gebet bei ibnen za ier fromnften
Gesinnung und sittHchen Th^t stehend zn denkes ist. > Was
Platoa selbst von einer fortwilhrenden Geineinsehaft mit den 6d4-
tern darck Gdyeie vnd Geliibde sagt, ist ein reiberer AvkUmg
der Wahrheit, deren Anerkennung man nicht iiberall Im Alter-
thom Toraussetzen darf. Yielmehr g^t das Gebet aus- ahnung>s-
voller ReUgiosltat und frommer Scbeu her vor uad aeigt in ilev
Glauben an seine Erhdrnng, besonders bei den willensstllrkereB
Romern^ eine Art zwingender Magie, die mit dem wabren Weaen
desselben eontrastirt; daher aach, gerade wo die Gewissenbaf-
tigkeit in d^mselben am starksten war ^ wle, bei Vnmsi j Africaims
ti. A., die Ungstiichste Beobachtung hi^stimmter Foniieln.
Dieser Glaube an die magische Kraft des Willens tritt aber
noeh starker beinahe In dem Fluche (Ueber den Fltieh hei (hie-
cken*und Rdmem. 1843. 21 S. 4.) bei den Alten berror. Mit
dem in der Glnth des Willens gt^borenen Worte ist^ je naehdea
es ans einem guten oder bdsen Willensgrunde kommt, ein ^«ler
Oder bdser Geist verbunden: das mit Inbrunstdes Willens gespro-
cbene Wort hat Zauberkraft in sich^ wober diese denn aueh
ntoistenlheils an das potenzirte, belebte Wort g'ebundeA ist. 8aa-
berformeln sind daher als gefabrlicb wirkend auch bei den AHen
rerboten und mit Strafen belegt worden. Wie aber in dem Wilkn
beid#8, Gutes and Bdses, bcschlossen liegt, so^ auch in dem Worte
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dea cUssliiqbeii AU^riluims. 71
ti^. Wie BUB Im A. T. die Flu^he uns ran Gott seUmjt ent-
g^geBireieu gegm die verfidyrende Schlan^e und den Acker des
g:ottflilcliti^eB Menscben^ geg^B dea Brnderiudrdejc Kaiii, daim
die Vaterfliiehe Noalis gegea KaaaaB, Jakobs gege& Roben^ wie
d^ Fiuch, den Moses nacb dec EiBBalime Kanaans g^egen alle
Gesetzesilbertreter auszusprecheB befiehlt, oder der JosBa^i gege^
die Wledererbauer Jerichos , so fiaden wir ahnlicbe Verfluchiuig^ett
auch iiu griecbiscbeB Gottersysteme* PlatoB warat ia dea Gesetzea
ebeaso sehp yor dem AelterafluGbf ^ ak er dea Aelterasegea
empfiebU. Wie ia PaUstiaa eiae Segea- uad Fluchstalte bei
Sicbem ia Samaria, so war aucb bei Gergettos ia Attika eine
etgene FluchsUtte, dqat^qiovi ^alichea Fluch, wie Moses, spra-
ohea aucb die Ampbiktjoaea gegea die Uebertreter der beiligea
Gesetze. aqs. Es, ftadet sich sog'ar eia Flucb ausgesprocbea ia
^Itester Zeit uber jedea, der dem Aadera die Pflicht der Meascb-
licbkeit versagte; selbst zo politisi^ea Zweckea waadte maa ilia
aa, aameat^cb bei dcB Romera. Bei jeder Volksversamailuag
oder Batbssitzuag ia Athea wurde der Flucb ausg'esprochea iiber
jedea, der sie mit Absicbt tausehe. Daber aach die Selbstver-
waBscbuag:ea Haaaibals u. A,; die Ronier bieltea die Gewalt der
dureb das Flucb^ebet erregtea Racbeg^eister besoaders fest Aber,
fragea wir aum Scblusse , ia welcbei^ iaaerea Zusammenhauge
atebea dean Gebet uad Flucb zu einander? uad wo ist der eigeat-
licbe ScbeidepuQct , wo die ia ibnea wirksam g-edacbtea Krafte
auseiaaader gebea? Es wird dies ini letztea Grunde aicbt ver-
stlmdlicb seia, weaa maa aicbt die damoaische Ricbtuag, die ia
das Wesea der Gotibeit seller aacb aUertbiiiuIicber Vorstelluag
Maeiagesetzt wird , aaber verfoJgt uad sicb zu klarerer Aascbauuag ,
gebracbt bat.
Die Linosklage (1842. lU S. 4.) stebt ihrem Inbalte aach
nicbt vereii^zelt im Alterihuni da, soadera eraeuert sicb niehrfach
IB aaderer Gestalt, so ia dem agyptiscbea Maneros, ia dem yob
d«r Apbrodite geliebtea Hirteajuagliag Adoais, ia dem Hylas,
djei vo^ Herakles geliebt, da er dea Argoaautea Wasser scbopfea
wollte, voa dea Njmphea g-eraubt wurde, ia dem durcb die
yerbleBduug> I^eim Aascbauea des eigeaea Bildes ia die Flutbea
biaabgerisseaea Narjdssos der Tbespier. Wir wuadera uas bierbei
gleicb sebr, dass der Verf. aicbt aucb die Klage .der Weiber
iiber dea Tbaamms^ Hca. S^ 14, bierber gezofgea hat, der mit
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72 Der gegenw. Stand der religltaeii Beortheikiiig
dem Adonis ja offenbar zun&chst verwandt ist, aber auch^ daw
diese ganze Ver^eichung ihn niebt zu der Erwhgung g'efolvt
hat, ob dies nicht als ein eig'enthflmlicber Zug and Ueberbleibiel
aus dem Natardienste nnd der liltesten Hinneig'ang der Griec&en
Ini pelasglscben Cultns zu einer solchen Versenlning' In die Lebens-
fnlle der Nator^ um deren wirkliches Absterben sie schwermfithi^e
Klage fiihren, wie sle be! ihrem Wiedererwachen schw&rmerisoh
jnbein, am natiirllcbsten anzusehen sein dtirfte. Den entgeg-en-
g'esetzten Weg einer rein ethischen Erklaran^ bat v. L. einge-
scblag-en, wobci er zn manchen nebenber gebenden Annahmen
und etwas sprung-weisen Folgcrungen gezwongen wird. Zunachst
kdnne ein so weit verbreiteter Mythos nicht in historlscher Zeit
entstanden sein; eine so allgemeine Traoer iiber den Verlast und
Unterg'ang' der urspriinglichen Schonheit des Lebens milsse ans
der Urzeit stammen, Nacbhatl eines die ganze Mensohheit erfiil-
lenden Gefuhls sein. In letzter Instanz sei also nichts anderes
darunter zu yerstehen, als der Fall der Memchheit selbsi in
ihrem Urvater. Als ein geliebter Sohn des Himmels, aller Weis-
belt kundig-, war der ursprClngliche Mensch ans der Hand des
Scbopfers hervorgeg'angen, in die Mitte der Welt bineing^esetat
and in der Harmonie seines Willens mit dem gdttlichen der Ein-
klang der ganzen ScbdpfiAng' beschlossen. Als er abejr getHusdit
durch bosen Trug sich nieht g-enttgen liess, ein Biid Gottes zu
sein, sondem wle Gott selbst sein, ibm selbst sich gleichstcUen
woUte, da zerriss er mit dem Bande, welches ihn mit selnem
Schdpfer vcreinigte, die allgemeine Weltharmonie and erweckte
mit dem Zwiespalte in sich auch den in der Natnr and der Natiir
mit ibm; daher die allgemeine Traner and der Jammer statt all
der Frcude and das alhvov za Anfang and zn Ende alter Lleder.
Wenn der Verf. dabei nun in lAnovk (Xivov) den unverkennbaren
Begriff des Lebensfadens , Alenschenlooses findet, glaubt er zum
Scblusse auch noch die allerdings nicht wohl abzuleugnende
Annahme zugestehen zu mQssen, dass in diesem Mjthos erne
Hinweisung auf den Kreislauf alles Werdens in der Natur ge-
geben sei*
Ganz besonders bedeutungsroll ist die Sage vom Prome-
theus (Prometheus^ die Sage und ihr Sinn, ein Beitrag suir
ReUgionsphUosophie^ 1843. 32 S* 4.); er erscheint neben Epi--
metheus, der andern H&lfte von ibm, ab Reprasentant der Mensdl^
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des dassischen Alterthams. 73
hctt: gchon TertulUan erkannte die Pandora fiir die ^iechische
Eva, wie den Menscbenblldner Promeiheas als ein heldnisches
BHd des alttestamentlichen SchOpfers. Die grossartig'ste Ausbil-
dong dieser Sage haben wir aber In dem Drama des Aeschjlos,
^erade nicbt sehr abwelcbend von Hesiod, aberi viel geistlg^er
atifg'efasst. Bei Hesiod n^mllcb erscbeint er als der griecbische
Adam: bei Aescbjlos als gelstlger Vater der Menscben, der das
zum Unterg'ang' bestimmte Geschleebt gerettet and ibm mit dem
Fener alles wabrbaft Menscblicbe, Kunst and Wissenscbaft, mit-
gretbellt bat. Eine dritte Haaptform des Mjibos le^t Ibm die
ganze Scbdpfang des Menscben nacb LeIb and Seele bei; dazu
^sellte sicb spM^r der Zasatz, dass er dem seelenlosen Gebllde
mit Minervens Htilfe durcb das Feoer Leben eingebaaebt habe«
In der ersten Darstellung sind es die beiden Seiten des Urmen-
scben and des Menscben iiberbaapt als denkenden Wesens; es
zelgt sicb dabei der Sllndenfall and die g'anze nacbfolgende Reibe
der menscblicben Scblcksale; selbst dadorcb, dass er das gefor-
derle Opfer seines selbstiscben Willens niebt bracbte, betro^ er
den Menscben. Klugbelt and Tbatkraft sind In dem Prometbeas
ond seinem Retter Herakles dargestellt, er erbllckt daria selbst
eIn Vorbild der Erlesang der Menscbbelt dnrcb Cfaristam. Die
' Stellvertretung' darcb Cbfron tritt belm Aescbjlos speciell bervor
and in der dritten Aaffassang* die Wabrbeit, dass der Mensdi
ahr letztes Gtled der Scbdpfnng' alle vorbergebenden Siufen des
Lebens wie in einem MIkrokosmos in sicb bescblossen babe. la
den tlbrig^en Fassongen ist Prometbeus nicbt sowobl Demlnrg als
vielmebr selbst der Menscb, obne den die Scbdnbeit des Welt-
alls ohne Zeogen wlire. Die Sage ist ein freies Product der
Heldennatur des belleniscben Stamms nnd ibr scbihister Spiegel,
ein Dante -Versach, sicb selbst and sein Verb^Itniss zu Gott
dar^stellen. — So erkl&rt sicb In den wesentlicbsten Zii^n v.
Lasaalx darftber; ungef^r gleicbzeitlg mit seiner Arbeit erscbien
die g^lstvolle Darstellung von G. F. Schomann vor seinem
Werke: Des Aeachyloa gefesseUer Prom. Griecb. and deutscb,
mit Einleitung and Anmerkungen u. s. w. Greifsw. 1844. Dieser
Gdebrte wendet sicb cbenfalls zuerst zu einer Vergleicbung der
Prometbeusmjtben in Heslod's Tbeo^onie und beim Aescbjlos; die-
ser yerbalte sicb nur erwelternd und umgestaltend za seinem Vor-
ging^r, wlibrend beide in der allgemeinen m jtbologiscben Annabme
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74 Der g^eg^enw. SUad der rel%id«en BeurtheiloDg'
d«r Ilellei^a ron eiaer stnfeBweisen Eniwickehmg deK W^lt aiu
eioen dimkelii, imerfwrscUicilien Uvi^'unile, eiaem fiirsten, in wel-
ehen &w«r def Keim 'zu aUem folgenden geisiigen sowohl «b
materiettcE fhsem lag, weUbeti selbat aber als ein no^h ^au
Unbesiiniintes, UftimterseMiedeQes gedacbl warde j zasanmenstiiMii*
ieB* So bezeiclnet er denn als die Haupitasdenft dieses ga&seii
Mjthos die UaziddngUchkeit des flieneeheiii seine Aldiiiiigi^kett
Ton der gotUickeD Gnade in jedem Siilcke, sad dagegca seine
Mse Neignng, der Gottkeit ikre Ekre'za entsueken und auf die
cigene Kraft und Klogbelt ui rertraaeiii. Zeus bat. aach, det
aeschyleischea AufTassung das Mensckeageschleckt nicbt gesehaffea,
aber dock besieben'^gelassea; er wollte ein besseres s€haffe%
warde aber durck den PrometkeuA daran bekiadert. Er will die
Henscken irerlilgen, so wfe er sie Yorfindet, in diesen Ziustande
rober Unmindigbeit, beror sie nock aum geistigen Bewasstseia
erwaekt sind, weil er voraasstekt, dass sie dock iaimer ein
sdiwackes und siindkafies GeseUeekt Melben werden, leicbt ge-
neigt, sick von seiner Bestimmnng zu verinren utid in Unfriedea
init sick selbst und mit den Gottern 2a geratben, uad weil er
dafiir ein besseres zu scbaffea gedenkt, von edierer and s&aden-
losererNatur^ das iaFrieden mIt siek selbst and mit den G<>tt€%ni
leben mdge. Dagegen vertritt nan Prometkeas das bestekende
Reckt der Mensckkeit, weekt den measeklickea Geist aus seineia
Scklafe^ bringt ikn zar Eatwickelangdes Verstandes, deiKiinste
and aller ibm verstattetea F&bigkeitea. Aber die edelsten aad
b5cbsten Gtiter siad das allerdlags nlckt, aa denen Prometheas
die Menscken fikkrt; es gab yieimekr eia kokeres, das er ihnea
aleht geben konnte , weU er es selbst nlcbt batte , ja er biaderte
sie es daker za empfaagea, wobey sie es allein als eiae Gabe
aekmea konaiea y nemlk^ voai Zeas« Deaia das ist die eiastiniBiige
Deberzeaguag des Aeaebjlos and semes ganzen Zeitalters^ dass
das Sittlicbe , das im Staate als seiner iridlkomaienstea Forai sein
Besteken kabe, nicbt vont Menscben ans ibm selbst heryorge-
brackt, soadera iron der Gottbeit ibm mitgetbeilt sei» Die Meji-
scbea sind auf diese Welse von dem Wege zar wabrea Vefedluog
abgeleakt aad zar Sttnde, %mm selbstgefalligen Vertraaea aaf
Verstand and Kraft , verloekt warden; Promeibeas ist, wie der
Entwilderer der Meascken, so auch zuglelcb ibr Verfilhrer* Fi)r
sokbe Sdiuld ist aaa zwar eiae Vers^^baang wie eiae Erlosaag
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des cla»9ig€beii AUeHboms. 75
vmk ier Strafe la Aassfclit ^estettt, aber in iem PrMn. seHwt
die walire noch nickt, die yielmelif darck den H^idilea Termtttdi
vrMj fia dasft g'e^enHber dem ersten Adanr, den n^mtimhmto^^
der in die Silnde fiel, fai dem Heraliles der zwdte Admn, der
Befreier des ersten nnd &l6ser der Measelheit,' mit dem Johamies
IHalroniis verstanden werden liann. Wir sehen hierans j wie nahe
dteswr HfTihes n^t andem in Zasammenhan^ i^ebt, so dass iler
eine ohne die anderen kanm recht befriffen werden kaM; deim
anf diesem Panete beginnt ja eig^entlich erst. die Ldsns^ der
rielen mid ^disen Schwierig^keiten , die in- der rechlen Scheidra^
des antiken nnd de^ christtichen Religiansbegriffs; Mer liegi,
wUhrend es bis dabtn ja^nodh nnr zu einer g-ana^ insserlicheff
Anatogie^ eteem schwadien Anklang'e der. WaArheit g^korameft \s/L
D^ beiden Abbandlang'en liber den^ Bid bei den Griecken
nnd Mdmem (1844. 34 u. 29 IS. 4.) bieten rerhattnissmisd^
sehr Wenig^es fiir die eigenllicbe Vergleichang' mit dem ekrist-
Rdien Principe , ja fassen die Sacbe selbsl dem g^anzen All^^
• thrnie g^geMber nicbt tief nnd zosammenhingend genng, w&b-
rend sie in rein g^escbicbtlidier Zasammenstelhtng' vieUeicfat settst
TorzQjgsweise befrtedig'en and ein reiekes, nnr in ebizelnen Stttk-
ken zn er^anzendes Material liefem. Der grd^sere Leicbtsinn des
Griecben, die ernstere Gewissenbaftl^keit des Rdmers ^ebt darainr
nawiderleg^ich hervor; aber zn einer riehtigen Wttrdig'irag' ihres
g'anzen sittlichen Lebens , wie es deb im Vertanfe flirer Gesehiehte
entfoltet hat^ wdrde die Beziebnng', worin der Eid zu der Wabr-
kaftig-kdt nnd Treae des Sinns tlberbanpt stebt, stft^ker aiis-
(^ebentet vrerden mlissen* Denn wenn die Lt^e, VersteHung*,
List nnter g'ewissen UmstAnden fast als ein Verdienst erdcbebien
nnd die beili^ten 6elttbde vnd Vl^rtrllg'e sebonnngpslos durch-
breekea^ Piiebten der Piet^t rerletzen, so^r im DIenste der
aUg^meinen Gerecbtigkeit, der Politik ste^ien konnte (man erinnere
sidi nor der Art and Weise^ wie Orest in der sopbokleisehen
Elektta die rom Orakel ertheilte Auf^be der Rache fttr d^
Vatermord rollztebt): dann wird man es inne werden , wie bier
das- Einzelne dorcbaus nicbt andem als im engsten Znsammen-
-bang^e mit dem eiliiscben Gesammtebarakter des Atterthnms ver-
standen werden kann, was der Verf. noob stoker empfnnden
baben worde, wrAi er, statt im gedchicbttieben Detail sieh za
bewegen, anf eine allg'emeine BeurtbeilaBg* eingegangen wjire*
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76 Der gegenw. Stend der rell^iteen Beurtheilang
Zwei spatere Schriften d^selben Verf. ( Ueber das Studium
der grieehisehen und romischen AUerthumer^ Mflnchen 1846« and :
Vebw den Entwickehingsgang des grieckischen und romischen und
den gegenwdrtigen Zustand des deuischen Lebens^ 1847.) ^e-
lidren sehon dem Titel nach weniger hiehen Doch sprlcht der
ViCrf. sich noch in der ersten allg'emein fiber die hier in Rede
stehenden Verlijiltliisse aus, freilich nur, wie die Schrilt dber-
htupt ein wenfg rasch fiber den reichen Stoff bing^eht, in so kar-
xen JLndeutungen , dass ein bestimmter Widerspmch dageg^en si<A
sdiwer begrfinden l^sst. Aber wir ffirchten anch damacb, dass
der Unterscbied nicbt in gleicheni Maasse benrorgeboben wird wie
die Verwandjtscbaft, welcbe in den der menscblicben Natnr ein-
geborenen Ideen sich zeJgen sdII, die alien Religioncn zn Grande
liegen and iberall, klarer oder trfiber, offener oder verbillKer
herrortreten. Wenn Judenthuni^nd Heidenthum anch nideugbar
mit dem Verf. Vorstofen des Christentbanis zu nennen sind, so
sind sie docb sehr rerscbiedeneVorstufen, und bedenklich erscheint
es immerbin, wenn der beiderseitige CaUus-Znsanimenhang>daraaf
begrfindet wird, dass unzikbllge Gebrliucbe unserer Religion uns
historisch ans jener fiberkommen sind. Wicbtiger noch, aber freilicli
anch einer bestininiten Ausdeutung und Abgrenznng bedfirftiger
erscheint der andere , daneben gestefUe Satz , dass das Christen-
thnni , welches ron Anfang an als Weltkirche nicht bloss die Juden,
sondern alle Vfilker umfassen wollte, eben darum keinen Anstand
nahm, allcs echt Menschliche aller Vdlker sich zn assimiliren;
dass miihin alles rein Menschliche als solches auch christlich sel
und dieEirche, indem sie dieses sich angeeignet, nur.ihr Eigen-
thum, die unter den Volkern vertheilte ihr gehdrende Wahrheit
an sich znrfickgezogen babe. Dass hier eine wesentliche Ver-
schiedenheit zwischen der divaing und i'vsQyeia vorhanden sei und
in der letzteren etwasentschiedenNeuesundAndereseintrete, kdnnte
dabei leicbt fibersehen sein; es ist ja, wie der inhaltvollste , ge-
aegnetste Frnchtkeim, der dennoch ohne Wirkung Bleibt, bis er
den mfitterlich hegenden Boden ffir seinen Lebensstoff gefnnden hat.
Wir wfirden bier uns von dem Verf. auf unserm Wege trennen
k^nnen , wenn wir nicht schliesslich docb mit Recht noch die ge-
sammte Stellung zu berficksiohtigen h&tten, in die ersowohl selbst
eingetreten ist, als auch seine Wissenschaft, der Zeitentwickelung
wie den fibrigen Wissenschaften gegenfiber, gebradit hat. Di»n
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des dassischen Alterthums. "^77
Uetet eifie sebr wackere ond zeitgemisse Sckrift eines anderen
KathoUken besosders ^nstig^eVeranlassinig; sie istbeiitelt: Ueber
die Noihwendigkeit emer Wiedefgeburt der Philologies %u deren
wisaenschaftUcher VoUendung* Von Dr« jinU Lutterheek^ Prof,
an dier kath. theoI.FacalUt zn Gleasen (jetzi in Wttrzbarg). Mains.
1847. VIIL 150 S. 8. Es ist eine Darstelkn^ roll scbdnen
Sinnes, an der nur iheilwelse die Besiimmtheit der Bezeicbnnng;
and Scharfe des Ausdmcks vennfsst wird; es ware zn beklagen,
wenn die Philologle nicht recht geflissentllch anf die darin g«-
g'ebene Anreg^nng* eing'eben sollte. Der Verf. ist in das Alter*
tbmn lebendl^ elng^efiibrt durcb Bdckh und diesem grossen nnd
treuen Forscher daher mit inniger Llebe und Verebmng' zngetiian ;
er ist, ung^eacbtet Studien und Amtstb^tigkeit ibn anf andere Ge-
bieie g'efiibrt baben, docb mit Vorliebe der pbilologiscben Litte-
ratnr g^foVgt und in ibren Haupterscbeinungen nicbtunbewandert;
er ist zunlUAst durcb die Lasaulxscben Scbriften zur Besprecbung
seines Geg'enst^des veranksst worden , olme dass er sieb Jedoch
mit seinen elg^enen leitenden Ideen in eine bestinunte, g^nau ab-
g^e^enzte Beziebung* zu- diesem Forscber gejBetzt bat. Eine Pril-
fang* der besonderen Art, wie dieser das rellg'idse Leben des
Altertbums auffasst, finden wir daher eigentlicb nicbt; aucbsind
mancbe bier ausg^esprecbene , sebr annebmenswertbe Grundsdtze
mit den Lasaulxscben nlcbt fiiglicb zu vereinigen. In diesen ist
er zunacbst dem Xoyoq ansQfiajtxoq etwas n&ber nacbg-eg'ang^en,
ind^m er sicb dariiber gleich folgendermassen erklllrt: Unbescbadet
des gdttlichen Ursprungs der cbristlicben Lebre wie der Person
€bristi selbst ist eine menschliche Genesis jener wie dieser (Aft.
1, 1.) obne Frage anzunebmen, da ein l^ineintreten des Logos
in den Geist der Menscbbeit, und zwar nicbt bloss der jildiscben,
sondem aucb der beidniscben, scbon l^ngst Tor der Fleiscbwerdung*
desselben dogmatiscb so wenig wie bistoriscb geleugnet werden
kann. Diese nienscblicbe Genesis aber der cbristlicben Lebre fkUi,
obgleicb sie mit dem Anfange unseres Gescblecbts scbon begonnen
und dann durcb alle Jabrbunderte der Gescbicbte sicb fortg^set^t
hat, ibrer letzten und augenf^llligsten Entwickelnngsperiode nach
in die Epoche seit der Mitte des dritien Jahrhunderis vor Chri^us^
wo wir eine allmiibliche Zersetziing dos Judentbuma und desHei-
denthnms in religidse Secten und pbilosopbiscbeScbulen, aofeine
merkwtirdig an^oge Weise beiderseits, vor sicb geben, aber
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78^ Der gegenw. StniA itt itd^Ufen IhvriheWmg
uadk wchnn elm imiere CoaUHon dar geiiaiiiiten h^Aei LtibeaawBL^
flidhtcn $kh fclMeii seben , die melir wie Irg«Bil etwas Anders
He V«rlftitferiii der diristUcheB Ld^easaiifiiclit sowoU itiuji ihcer
orthodoxen als Oirer hUreiisclieii Entwicfeelun^ ^ewesen ist Wem
jNiB aber soldie ^edanken ihre mehr oder miader vabeBtrittoM
Mdil%keit b^en, so ersdieint es effienbar als eine Aof^abe Aer
^esammten ^hilologiscben Wissensdiaft, die kkr gestelltem Pf»-
bleme wbl Idsea and anf eiBem bidier wenigstens aidit sir Cleiiagv
betretenen Wege anr rechten Wiirdigiiiig ie& Altertbmns, Aer
uneb zom Ueferen Verstftadnisse des Cbristentbams ebi Wies^it-
Itefaes f^rdernd beizntragen. Hat denn mm aber die-Pbttolo^ &
dan bisherigen Gauge ihrer Entwickelmig' aichts daroa erfiaUi?
Der Veif . hat ons zu dem Ende in g>aiiz kurzen uwi a% emcimii
ilmrisseD eine Gescbicbte derselben vorgefuhrt, und zwar soweU
in ihren Anf^ag'en als in den drei Siufen ihres bisher^en .Fort-
«chrelteas , -der botnanistischen , der poljmathischen nnd der Peiiode
der neoeren wissensckaf tlicben Milologie. Es lILsert uns die kwae
Sitlzze, 4B0 ntancbes Treffende aoch 4arin enthatten ist, in 4cr
jedecb die Bemubiing:eii gtnule ma diese Seite des Attecthums devt*
licber blitten nach^ewiesen werden mlkgen^ nnr ^ilm so staricer
bedauem, dass eine eig^ntlicbe Gescbicbte dieser wiB8e»sebait«-
li4^ben Disciplin mit tieferem Eingeben auf Geist nnd Gebdt der
Hauptperioden and ibrer Vertreter trotz dnzolner Vorarbeiten lod
grdsserer Sammlangen nocb inuner yermisst wird. Wenn .ah^ die
anf dieses Gebiet bin am einflnssreidisten wirkenden Geisterneue^rer
Zf it zam Tbeil durch anzeitige Bewanderoag' and Uebersebl^zaBf
die antike Welt in eine scUefe Stellang gebracbt hahen, so er-
gM sicb von selbst als die wicbtigste Streitfrage : ob Sie bis-
berige naturalistiscb -liamanistiscbe Pbilologie oder die s^rstetqa^
tiscb erst nocb zn vollendende cbristlicbe PbHologie vermo^ des
in ihnen waUenden apeculativen Prinsipes nns ein getreneres nM
in alien JBinzelbeiien ridit%eres BHd rom classiseben AltediiM^
ein "tieferes Verstsyidfiiss desselben and ein gerecbteres jUrtbeii
damber za liefem im Standi sei ? Wenn der Verf. zn dem Ende
zwei der HaoptTertreter einer iiataralistiscb * bomanistischen Aa*
sldit aostthrli^er spvechen IIubi^, so loben wir das welt inreniger^
His wenn er nacfaber mit besoiffiener Umsiobt die ganae Betradi-
tongsweise dieser Art so i^efangen wie mi^glicb yorlegt. Es
Ist gewiss eine unter PMlologen sebr yerbreltete Ansicht^ 4aaa
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des cfaMttbcheii Atterttnim. 79
4»d ClurMieBtlim nit dm Leisteui^ii 4er cfaMNtodieii VdUier in
derett eij^enlKdier Glittsp^riode ^ar Bichte zn «diaffen habe, beiie
iridmekr der Kelt wte der tsiieni OWatar ladi ^nz auseiiuaidier
faHmi; es 9ei daher etiras reio WiHkikhrlidies uiid gewallaan
€[«nia<Me0, daer Cbristeniham zum MaasflBtab fiir die lBe«rtlKi]«i|^
-des AKortiranis za machen, was nh^ zn besserer BrkenDtiiM,
'soodern zu ^tlnckerem Verkeimtn des AlierthiuM f flhrea uod 4Aer
•Bur Nacbtfml bringen wilrde, Indeiii Einbdt des Pri^fps, vmt-
nnibellslose Forschmiff , hmeFe Klariiett mid wiasenschafUiebe, Ton
mH^Ms* £a«discber Gtukkmng befreite Gediegenbeit dabel auf dan
iSpiete Biebeii wiirden. Aber der VerC bat anf afles dieses aiuA
mit Rihe and Klarbeit geaidwofiet and dadarch zvgleich 4ie christ-
Koh pbibsepUsche AuttMMemg and Wilrdi^ang des dassiscbea A1-
tertbams za be^ttndea versacbt; doch kdnaen wir allerdfaigis a«f
Iceinen Fall sagen , was der VerL selbst aocb niebt erwartea wird,
dass -Mer der Aafgabe geo^i sei* Aaf einem iiecb so wenig im-
Ipebaaten Felde ist es far Einea kaam mft^ich, aUe dabei io Be-
tracht kmnmenden Puncte in reiflicbe Exwikgwag zo zieben« Der
Vert* wtist zontkchst besenders aof das physisebe and moraliscbe
Verd^bf^ss 4tni ScUosse der classiscben Zeit, aber aocb airf die
bedeaie&den GrUnde and Zea^isse hb^ die fttr den Begnn aiK^b
der aUerdiamlicben Blensdiheii and Ibrer GeschiGhte mit einem
idealen Ldien and einem daraaf fdg'enden Siindenfalle nebst einer
ErinneniBg an die h6bem Ideen and die frttbere Gemeinseliaft mit
dem GdtUieben, ini Gegtensatz g'egen einen rob materieHen Natar-
aostand am Anfange dersellren, ^recben; wir wandern nns nor,
4ass der Verf. nicht dafOr als beredtestes Zeogniss die treffenden
Resnltate derUniersaebang'enVagelsbadis ia der bomerisdien Theo-
logie angeffihrt bat. Was er 4ann ran der eigentlichen Religion
aas darliber beibrbigt, geniigt weniger^ well er tbeils melur iam
wfdire Wesen der cbristlicben als die ganze fiigenthamibibkeit d^
beidniscben ReHgioiien erdiAert, tbeik dnrdi beseadeite SarsteUung
4er Saehe an den beiden rdmkwiien Dicbtem^ Ovid and Horaz,
an letaterem aasscbliesslich dorcb Mittbeilang einer SieSe aas der
ron Ibn fast ^^achitaten Bebandhng fF. EL Webers (te s. IMhe:
Ibraz als Memck und J?ick(er}j sicb za sebr In das Einzelite
^vterlieri. Zogleieb blitte ter da, wo ler ^ie Sereebtigaig des Ckri^
i^entbams, ein Oiaassstab zur BeuctbeOung aUes aaderwdtigen
•reUgidsen Lebens za sein, in objectivemSionnacbweist, densab-
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8Q Der ^e^enw. SUM iw teUgUktm Bewrtheilm^
jectiven Gesichtspsiet nickt viri^iiickBiciitlgt lassen soBmi, da es
in der Tliat ja umnOglicli ist, bei aller Anschamiii^ and Prttfun;
antiker Verk^tntese von dem Einflnsse ckristlicken Geistes, der
yen Kindkeit an 9 bewnsst oder nnbewngst, mekr oder weni^er
anf einen Jeden wirkt, Tollkommen abzaseken. Endlick weist der
Verf. es auck yen der ftstketiscben Seite oder der Knnst d^s Al-
tertkums nack, dass dieselbe, wenn auck nock anf einem tiefen
Nftturkoden sieken geblieben , wo die von den besseren Phiioso-
]^n bereits verlang'te reinere Erfassung* des Ideellen noiA niekt
ni%liGk war, dock dnrck das ganze Altertknm kindurck nnter dem
Gesetze etkiscker Anforderung'en stand, dass es nock etwas meb
davon kannte als einen bloss ^nssern , plastisdien Maass * nnd
Yerkliltnissbeg'riff , ilber der nnmittelbaren Ersckeinnn^ nock etwas
Hdkeres nnd Geistiges im Menscken selbsi and nock ilber dieses
. ein Allbestimmendes In Gott and dem GoUIicken , , dem Reiehe der
Ideen, ^efunden kat, wodurck das Sckdne eben kraft innerer Har-
ttionie in lebendige and onmittelbare Verbindnng' mit dem Gnteii
^elangte. Ist dieses Prinzip denn aber im Gebieie des Scbdnen
so sicktlick yorkanden , wie yiefanekr in dem des Lebens and prak-
tiscken Handelns, des Recktes and derMackt, der kdcksten sitt-
licken Institute in Staat and FamUie a.s.w., wobei denn allerdings
Alles wieder darauf ankommt, welcke Beziekang* man zwisckei
dem Ckristentkume and der Mensckkeit im Allgemeinen annimmt
Der Verf, kebt es daker kier nock aasdriicklick wieder keryor,
wie die kdckste Vollendnng' der Hamanit^t nnr in der pers5nIiekeD
Einignng der Mensckkeit mit der ikrer Natnr nack dayon absolat
ontersckiedenen Gottkeit za finden, d.b. Ckristas das znr WIrk-
lickkeit gewordene Ideal des Menscken sel, wiewokl anck dieser
Grandzag, wie die Erfakrang gelekrt kat, nnr za leickt nocli
wieier in einer der tiefsten Wakrkeit des Ckristentkams wider-
stroitenden Art anfgefasst werden kann. Dass aber in«dem alter-
tbQmlicken Bewasstsein eines ongesckriebenen Gesetzes in den
vofufia der Griecken and dem fas nefasqae der Rdmer eine Ak-
nnn^ nnd Anerkennang der gdttlicken Mackt yerborgen sei, whrd
niemand leugnen, nur 1st 09 yielleickt sofort wieder za weit ge-
gangen, wenn man mit dem Verf. als das Endziel des Gesetzes
nickts anderes als Ckristas, als die freie Vereinignng Aller in 1km
mit einander and mit Gott, dies Ziel aber dorck den sp&teren
Ueber-
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UebertfHj; ies dassisdien AHertlmiiis zwm ChriBtenihiiiii ab errehdit
ansieht; Weder Horaz in seiner Atiffassnng' des Aug'astas , nodi
ancli selbst Virgil in der bekannten seciisten Eklog'e kaben die
Ideen eines Gottmenschen und Eriosers anch nur dunkel g^aknt;
sie ftkklten wohl die ^anze Unseli^keit des damaligen sittllch-
pelitisdien Lebens in seiner ftnssersten Zerrflttnng, aber, einer
(SafTiXsia Twv ovquvwv in ihrem Sinne g^nzllch entfremdet, saken
sie das Heil, dessen indiriduelle Bfir^scbaft ibrer Hoffniin^ ror-
g'escbwebt baben mag*, nicht einmal in einer national - politiscken
Regeneration, sondern in einer rerfassung'smlssig'en UmgesUl-
tung* der sodalen Verbliltnisse , die von einer , sdioti dam^s ge^
fftrchieten, ganz anderen Seite kerkommen solite, nadidem dte
Gltristentkani ancb Iiier seinen innerlidi dnrcbdringenden und mit
stiller Gewalt umgestaltenden Einfluss ausgeObt hatte. Der Nattr-
ralismns nnd Humanismns ist gewiss anf diesem Felde seines Reckts
baar, aber den Kryptodnristianismiis mdssen wir doeb eben so
f^rn vom Altertkum gekalten seken, Weil er okne seUefe und
aUenkende AnfTassungen kaum denkbar ist. Anch wird derselbe
schon dnrch den znletzt rom Verf. gewQrdigien Gesicbtspnnct^
nemlich das YerhSltniss des dassiscben Alterthams zmr Weltge-
schiehte liberbanpt,' geriebtet, freil ja anf diesem, (irdlicb aiwser-
halb des Altertbums stebenden, aber vielleicht nmfassevdsten and
wicbtigsten Standpnncte es sicb mit Klarbeit entbttllen mnss^ dass
die Heiden, ibre eig-enen Wege wandeind, bei alien ibren schdn-
sten Gaben toeh den Weg des Heils nicbt baben finden kdnneo,
dass aber ibre Arbeit und die Errnngenscbaft im Unssem nnd fnneni
Leben, die ibnen bescbieden war, cin unrerlornes, wenn anch
erst dnrch ibs Christenthum nen belebtes und zn seinem wabren
Recbte zuriickgef&brtes Gut g'eworden ist.
Was bier eben vom Gesetze gesprochen wurde, fobrt uns
anf eine andere, glelcbzeitig erscbienene Schrift: Ueber das Be-
wusatsein der Sunde und Mrldsungsbedilrftigkeit heiden Gtiechen
u. Blknem^ von L. Krahe (Progr. Dttsseldorf 1844. 10 S. 4.)
zuriick. Der Verf. geht nemlich nach einer korzen Anmerknng
ttber das ins Herz geschriebene Gesetz der Vernnnft und des 6e-
wissens zum Beweise von der Gttltigkeit des panliniseben Aus-
sprachs (ROm. 3, 9), narxag v^ afiaQxlav bIvoi^ fttr Juden nnd
Griechen ttber. Eine andere Frage w&re es flreilicb, ob dasG^^ietz,
von welchem derselbe Apostd sagt, dass d«rch dasi^lbe erst die
huhheVf ge$, Schriften, ^
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8S Der gegenw. Statd der reBiri^^B Beortheilun^
ErkeBfttnlss der SMuKle koniineii imd okne welches die Stode iodt
•ei, das allg^emefaie GewissensgeseU oder das positive, mosalscke
sel. Fast scheint der Verf. dieses aazuneliinen, was jedoch vreder
amr Rdni. 2, 14« noch a'us 6, 13. bervori^ehen darfte. Dag^^ei
stdit das unleii^bar fest, dass im ganzen Alter Aiiin die SiUide
als ein alien MeDschea ^eroeiBsames Uebel bezeicbaet wird ; d«di
scheint aueh bier wieder ein bedentender Unterschied statnirt werdei
z« milsseB, indent Aensserung^en eines Seneca scbon mehr oder
wenig^er vom Geiste des Christenthnms wirklich , wenn auch gim
anbewnsst, eing^e^eben sein konnten. Die Untersncbnn^ geht dann
zmn l^eg^riiTe der Sunde fiber, worin er den Widerspmcli g^gei
das in ihm lie^ende natilrHche Sltteng'esetz slebt, so dass Rta.
7 , 15. dadorch seine Bestfttig^uB^^ erhlilt. Aber die unejidlicli viel
tiefere psjchologisefae FassBng der Siinde In fermaler und mute-
rialer Hinsicht ent^ebt dem Verf. nicht; denn das Gesets ist ja
«deni altertbOnilichen Menschen nicKt der ausdrOcklich aus^espro*
chene und veraonmiene Wille Gottes , ja er erkennt aach g'ar nicht
einmal das tiefe Grundverderben der menschlicben Natur, die ihn
rlelmehr fdr rein und gnt ^ilt; andrerseits umfasst er bei der
Man^eQiafti^keit seiner nnerleucbteten Vernunft keinesweg^es dep
gaBxen Umfang' seiner Pflloht oder die Tiefe ihrer Bedeutung', da
alle seine offida, was der Verf. leider nicht weiter ansgefiibrt
luit, Bur ansseinen besonderenVerb&linissen hervorgehende Dienst-
lebtnngen sind, Darum findet Cicero den iUenschen auch yob
Natur gereoht und er weiss nnr von schadlichen Einflilssen des
Lebens, der Erziebung, der Gewohnheit, wenn er auch mit dei-
selben allerdings bis sum letzten Ursprnnge In der friiheaten Kiad-
heit des Mensohen binaufg'eht, Dem antiken Menschen tritt die
Silade znn&chst nnr durch die That, sei es innerlich oder zag^leich
Hui^serllch, ins Bewusstsein, in derselben zeigt sich aber der
Wldersprnch gegen das im Gewissen bewahrte Sitteng'esetz; dem
Jieidniscben Bewusstsein fehlt also die metaphysische Bes^iehonj^
der Sande znm gr^tUchea Willen. Wenn dazu der Verf^ noch
den aadernSatz stellt: das Sittengesetz babe bei i^et pantkei-
sH^hen WeUansehauung j fiber welcbe das Alterthum nie Jiina«s
gekommen sel, nicht wohl als Aussprach eines, von dem measch-
lldtea weseatlich verschiedeaen, hfihera und persdn|ichen Geistes
lietrachtet werden kAnnen^ so stimmen wir in dem Resuttate bei,
fai dem Grande jedoch nicht, wie weiter aatea n&her besprochen
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des cUssiflclieii Aliertllams. $3
warden sdIL Die Urfacba, wfslialb das deni MefiBdieii tiiewwete
Gesttz doch keine grttssere Macht fiber die Sonde fibe, erkllren
sidh vielmehr die .Alien verschieden , nemlicb eniweder ans efner
den^ Menscben verffibrenden bdbem bi^sen Gewalt, oder ans einem
Dnalisttius der menscblicben Seele. Dass gie die Erbsftnde, den
babiltts corruptus , ancb nnr nacb Ibrer pb jglscben Selte als rebelllo
partis inferlorls a superlore, wie Tbom. v. Aquino es nanntei
g^efcannt batten , kann Icb nicbt recbt zug-eben. Alio n&beren For-
gcbnngen fiber diesen Pnnct^ wie sie namentllch yob K&gelsbaeh
am Aescbylos niit mnsterhafter Gmndllchkelt angeatellt wordeii
Bind, zeig'en nns Mne so eig'enthilmlicb gefHrbte Fassang:, dass
damacb die selbsteigene Tbat des Menscben zn selnem dareb Ab-
stammang' nnd Famllienfebler Bestlmmtwerden nicbt lo dem Ver*
kaltnisse der unausbleiblicben Folge, sondem der frei erwacbsen-
den Bedln^ng' stebt* Die Erklftrung* ans jenem dnalistiscben Prin-
dpe sebelnt erst der spHteren Zelt anzug-didren and wird vom
Platen wob) am conseqnentesten entwiekelt; dag'egen sebelnt der
Verf. die Conseqnenz Homers nicbt ^bdrig* zn wfirdig^en, der Ja
offenbar Jn die Sinde selbst ein el^entlicb satanlsebes Element setzt;
welter konnte der sinnvolle DIcbter obne das LIcbt der Offenba-
mn^ scbwerlicb kommen. Der Verf. will aber scbon ans den ent-
^egeng^setzten Urtbeilen des Altertbnms liber Homer ablelten,
dass die Gmndsatze der Sittlicbkeit be! ibm wirklidi niebt conse-
quent mid bis ztt nnbedlngter Giiltl^kelt durcb^eblldet selen; davott
ist aber vielmebr das Gegentbell der Fall nnd nnr die nacbberige
Entwickelung der religi5sen Vorstellung bel den Grfecben entspracb
be^eiflicber Weise diesen ersten Anfltngen eines unmlttelbaren
positiren Glaubens nicbt, dessen Standpnnct der Ratlonalismns
and die Sopblstik ndr zu scbnell antergmben and dorchbrachen.
EIne weitere Folge davon war denn nan aacb die AaflOsang* des
Be^lffs von HttUcker Frmheit und Zurechnung, and es bleibt dabel
nnr unklar, wober der Verf. es ablelten woUe, dass das gpanze
Altertbom In eine scbwankende Bewe^ng* zwiscben Frelbeft nnd
Determlnismns geratben sel. Dasselbe wiederbolt er ancb In Bezog*
anf d^ Platon; biermit mOj^e Jedocb Jedenfalls die Darstellnng'
Adtermanns (das ChristUehe im PL S. 65 f.) znaarnmenzabalten
seki, da beide slcb, wie es sebelnt, g^egenseitig zar Erg^zang'
dfenen kdnnen« PL wnsste sr^ar wobi, dass dleniittUcbe FreAelt
In Ihrer natirllcben Bescbrinkung anf sich selbst bel Weirfi^en ans-
6*
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84 Der pegenw. 8iMi der rellgi^sen Bevrtbeilong
reielit die Slit gesteUte sUiliclie Aufgabe zu I4seii; aber wenn
er solckergestaU aach die grosseMacht des BosenftlUte, wnssie
er Bich doch weder die Art der Entstebang' und Einwirkung* des-
selbeit, Boch seln VerMUniss zur niensdilicbeH Freiheit — * diese
9cliwi^lgen ProWeme aller Etbik. — recbt za erkl&ren und zii ver-
deatUGhen. Dabei Meibt seine Anffassong mancbes Verbaltiiisses
proUematiscb, wie wenn er von dem nnfreiwllligen Thun des
B^sen spricbt, was aucb ein Sfindigen ans Schwiicbe wider besseres
Wissen and Wollen sein konnte, wie wir es bei Andern , z. B.
Seneca, bezeiebnet findeii. — So bat der Verf. tiber diese md
einige andere der wicbtigsten bierber gebdrigen Fragen and Er-
scbeiftnngen des Altertbums: das Gef^bi der (Jnseligkeit des ir-
discben Lebens bis zur Wzweiflung, Leben und Tod, Hoffoiag
undSebnsucbt derErldsung, und iiber die Grundideen einig-er der
benrorragendsten Scbriftsteller der Alten, recbt viel- Treffendes
and Beacbtnngswertbes beigebracbt, nur das§ in der etwas kna^
siasaninienfassenden Darstellung die ^lare Uel>erslcbtlicbkeit ver-
misst wird. In der Sacbe selbst befremdet bisweilen eine gewisse
Uebertreibung und H&rte des Urtbeils, wie wenn er ausAeusse-
mngen eines Neroniscben Zeitaiters und der Lebenserfabrung eines
Seneca fiber die Verwerflicbkeit des Lebens sofort scbliessen will,
wie ausgebdblt in seinem Innem, wie leer und aller geistigen
Befriedlgung baar das Leben der ganzen alten Welt gewesen sein
m^sse; oder wenn er das Gefubl eines Bedurfnisses einer fiber-
nattirlicben Offenbarung und Erldsung aucb bei den ausgezeich-
netsten Geistern der Alten, einem Platon u. A., bestreitet and,
wenn ancb das Altertbum die Erlosung durcb persdnliebe Dazwl-
scbenkunft des lebendigen Gottes nicbt abuen konnte, dock wobi
za weit gebt wit dem Anssprucbe: Je cbristlicber in dieserHln-
gii^t die Aeusserungen der Griecben und Bonier kiingen , desto
welter sind sie ron der Wabrbeit entfernt. Als einen vtelleicht
Bocb gfdsseren Mangel beim Verf. bezeicbnen wir die starke Ver-
niscbung der Zeitalier und Scbriftsteller, durcb deren sorgsame
Scbeidung und gewissenbafte Priifnng, obne die Ideen des Blnen
durcb Vorstellungen des Andern zntrttben, erst wabrbaft Licbt .in
diese Gegend gebradit werden kann.
Von weit geriagerer Bedeutung ist eine andere ArBelt:
OUb. de g^Hwn cognitione dei, scr. F. Sckwubbe. Progr. Pader-
born 1844* ^2 S. 4. Gs werden darin nur etnige Belegstellen
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des chisstechen AlteriKums. 85
gegeben^ oline dass dieselben gehiSirlg benntzt worden sind; df^
Spracke ist miitelmsissig', ile weiiere Entwicfcelaog dflrftig*. In
acht Parag^apben wird vom Urspran^e des falsehen Gdtierdieii-
sies, liber die Allg'emelnbeit und den urspriing'lieheD Grand ien
religiOsen Glaubens bei alien Vdlkem, Hber die Erkenntnisgrqaelle
In der menseblichen Vernunft, von der Folg'erung aus der Welt
and ihrer wunderbaren Constractfon aaf einen gOtilichen Werb«-
meister, fiber die heidnisebe AafraBsang* der ^ditlicben Eig^n-
schaften and die Art ihrer Abirran^ ven der Wabrbeit (der inbali-
^fehdie Abscbnitt,^ der anch fast allein za Enigeg'naii^en Aniass
g^eben wiirde, da ini Uebrig'en meisi nar das allg'emein Bekannte
bel^ebracbt ist), endlich voni Scbicksal gehandelt. Die Gegen-
erinnerung*, die wir machen wdrden, betriffl den Entwicbelangs*
g'ang' der antiken Rellgionsverstellan^ von dem Natardienste and
Panibeismus zam Polytbelsmas. Dies fabrt nns fast anmiitelbar
in eine andere Sehrif^t: Ueber den Gegensatz des PantheUmu9
und DeUmua in den vorchristlichen Eeligionen , von J. H* Dem--
hardt (Pre^n Bromberg* 1845. 26 S. 4.) binein; denn bier wird
gerade dieses Verhftltniss In n&here Brwa^ung ^ezog^en. Hieriiei
wird nan zanlichst vom beg elseben Standpancte ausge^angen :
die cbristlicbe als die absolate Relig-ion ist das Allgemeine und
Wesentliche in alien andern Religionen, ste bat in ibnen, nock '
ehe sie fiir sicb existirte, die besonderen Seiten ibres Wesens
in einseitiger Bestimmthelt zor Offenbamn^ gebracbt, sie ist aber,
als die 2eit erfallet war, fiir sicb in Ibrer All^emeinbeit und in
der Folle ibrer, Wesenbeit benrorg etr«ten , wie. die Sonne nach
der Mor^enrdtbe. Unter diesen Religionen wird aber die jadlscbe
und die belleniscbe bervorgeboben and der Unterscbled beider
anf den Ge^ensatz des Deismus und des Pantheismus zurQck^e-
ffibrt. In jenem wird Gott als das fiberweltlicbe , transseendente
und far sicb seiende Wesen, in diesem als das Unendllcbe oder
die substantielle Allgemeinbelt in der Welt and in dem Menscben*
leben anfgefasst; belde RIcbtangen bebt das Cbristentbum In sidi
anf und erbebt sicb tiber belde, indem es ebenso sebr den unend*
lichen Unterscbled Gottes ron der Welt and insbesondere vom
Menschen, oder die Idee festhtit, dass Gott eln In sicb seiendes,
sicb anf sicb beziebendes und daber persdnlicbes und dem Men*
scben objectives Wesen ist, als es die EInbelt und GemelnschiA
Gottes und desMenscben oder die Idee festbilt und geitend madit,
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86 Der gegenw* £M«ii4 der relt|ri^8eB Benrtheilang
diBB Gdlt aleh offenbart in den J^atarg^esetsen und ib dem Men-
s^heo^ in der Menschfaeit und ihrer g^eschicbilif^hen Eniirlckelang,
j« da08 er die Folle seines Wesens ,^in dem Menscbensohne , der
der Sohn Goties ist,^^ miUheilt. Hiergegen wiirde schon nian-
eberlei sn erionern sein ; denn es wiirde erstlich bei g^ar Vielea
ta Frage kommen, ob die chrisUicbe Relig^ion wirklich als die
ibre bisber g'etrennt g^ewesenen Momente in sicb rerelnig'eBde
absolute Idee %n fassen sei, so dass der Unterschied zwiscbea
ihr nnd den aniiken Religionen decfa immer nocb als ein mir quan-
titativ-^raduell, nicbt wesentlicb verscbiedener erscbeinen k&nnte;
fllrs andere scheint aber das Judentbum auf diese Weise mebr
in eiuer far dasselbe nngeei^eten Verbindun^ mit den beidniscben
Religiojien, als in seiner ver alien Dingen zu beberzig'endeii
Bexiehnng aum Cbristentbum , die denn doch eine wunderbar nahe
nnd eigentbilmlicb unmiUelbare ist, aufgefasst zu werden, ahge-
■eben von derFrag'e, ob denn wirklicb derDelsmus eine ricfaUge
Bezeichnnng fCbr das Wesen desselben sei (die heg'elsebe Scbule
hat daraber immer zu verscbiedenen Zeiten merkwiirdig' verscbie-
dene Ansicbten aafg^estelU); endlicb wurde doch anch das wolil
zn bedenken sein, dass mit dieser Art der Bebandlung' doch die
hrdte Fillle der Erscbeinnng'en nnd das Wesen des religiosen
Glaubens nnd Cultus bei den aniik - beidniscben Volkern nicbt
bemessen oder erschdpft sel, yielmehr die Betracbtung* der g-ott-
lidien Natur nnd Ei^nscbaften znnlicbst nur einen sebr g'ering-
fdgigen Theil der Religionsrorstellung bei ihnen ausmacbt , ioden
diese stets eitie n&here Beziehnng* zum Leben nnd daher eioe
Torwaltend praktiscbe Richtnng bebielt, so dass sie immer ein
stAi^kes eUiiscbes Gepr&^ hat* Will man aber die Sache nacli
dieser Seite bin verfolgen, so mdchte der Charafcter der helle-
niscben Religion Vohl in der Litteratur nnd dem Volksleben in
Allir^nieinen als ein polytheistischer und nachmals deistlscher,
bei den Philosopben aber allerdings mebr als ein pantheistiscber
darsustellen sein* Zwar wird nun sofort naher bemerkt^ dass
der Pantheismus in teinen nrsprunglicben Formen Poljtteismns
isi; aneh ist der Pantheismus ja nlcht in der griecbischen Reli-
gion allein hervorgetreten , sondem, w&hrend ^wiscfaen dem orien-
taMichen und occidentaUschen wesentlicb zn scbeiden ist , ersehelnt
er Uer in seiner sebdnsten Ansbildung, Denn dort ist das sian-
Uidie und das sUtlidle Univermim noch nioht geschieden und daher
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(tea claMbehett Altertirannu 87
a«cli die gebstige Freiheit mit der Natunioliifrf adi|fkeii noch rer-*
schlvn^en; hier dt^^en ist die QelMgkeh aki die SubMam dei
Unlversvms gefasst^ der voi^ 1st das Maass aHer Diag-e, iks iat
aber die in alien endlichen Geistern and io aHen Diogeo lebeadigd
aabstantielle Macht, darum fasat der Griecbe den Geist als das
G6itliebe und flndet In allem NaiQrlicben ein Getetig^ea, in alleni
WlrUicbep ein Ideales , in alien Dingen eine g^ilge ladlTidiialHit^
die^'Bire Sabstana bildet. So sind Ackerbau, Eigeaibttai und Ehre
die ersten wesenilichen Mliiel der Vergelstigang nod VersiU-
llebani^ des Menschen; das grieckiscbe Bevruaataein fasste die
sttbstanttellefi Kriktte, die in den genannien Idatituiionen liegen^
filf sicb , personifizirte sie in der Ceres ; eben so ist Pallas Athene
der aabstantielle Geist hellenischer Bildang, Einsicbt nnd Kraft,
zug'leicb Schat^g'dttitt Athens, well hier die Bildung '^^ar rollsten
Uitiie gelangte; so warden das natflrliche and das geistige Uni-
versom als Gdtter vorgesteilt. Weil nan aber die WirUichkeit,
Ton der das griechische Bewusstsein ttberall ausgeht, an Gott
%n finden, eine so- rielseitige isi and jede besondere fir sich
bestehende Existenz seine Sabstana and sein Geseta and Leben
In sioh hat, so entsteht auch hier Vielgdtterei, und mehr noch
als im Oriente, well der Grjeche jede Existenz and jedes Ver*-
baltniss in seiner individaellen Bestinimtheit auffasste uad festhtelt.
Bei dieaer unendlichen ZerspHtterong der wirkllcben Existenzen,
die far sich als g^ottliche Individuen rorgestellt werdea, fehlt die
absplateEinheit der Gottheit (gehttrt die nicht aber gerade weseHt-
Udi zam Begriffe des Pantheismas ?) and dieses Bedttrfnisa nach
Einheit, aber auch ebcn so sehr der Mangel der Eudieit, existirl
in der griechischen Vorstellang als das Schicksal, fie Ate, eSaO
Gdtter and Menschen bezwiagende, dunkele and blinde, grand- and
yemanfUeseMacbt, eine leere, unbegriffene und trostlose Nothwen-
digkeit. „Wenn Oedipos in der von den gdechischen Tragikem
wegen ihres acht hellenischen Gepriiges mit so grosser Vorliebe
behandelten Fabel ohne sein Wiasen und Willen seihen Vater
eracUagt and seine Matter „schandet^% so ist das die Bestim-
mung- des Schlckaals, er kann nichts dafttr und niohts dagegen,
er ist der Nothwendigkeit unterworfen. Durch ganze GescUechter
zleht alch Sciiald and Verderben in Folge des Schicksals, wie
darch daa Geschlecht der Atriden and der Labdakiden. Wlr sehea
schoB am iHeser Idee des Sdd^kaala die Schranke, die der Frei-
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88 Der gegenw. Stand der rclif idsen Heiiriheilmif
liett des g'riecUsdieii Bewusstscins gwteckt war und die erst im
€Iirl8teiithuiii absolut aufg'eliobefi ist.^^ Weira der Velf hier outer
der Ate, dieser sianbethorenden, zttm Bdaen verfuhrendeo Maebt,
das Scbicksal sich rorsteUt, so ist dieser Irrthnm befremdead;
aber die g'anze Bezeichnuag' von dem Wesen des Schlcksals selber
M nnang'eniessen and nicbt auf sorgsame g^escbichtlicbe Forscbang*
begrtlndet, daber aueb das Verbal tniiss des Oedipns in dieser,
jdlerdkigs berk^mmlicben , Weise unricbtlg aufgefasst, zum Thcil
selbst ini Ansdmcke verfeblt. Wir komnien 4iuf die Ate spater
noeb einmal znrftck; wir batten noch raancbe andere Aensserang
des Verfs. zu bestreiten: denn auch das ist zn viel gesagt, wesn
es nacbber ron den Griecben beisst: Ueberall w-ird von Nator-
nilicbten der Anfang gemacht, welcbe dann in Gdtter mit einem
geistlgen Inbalt verwandeU werden. Gewiss ist ein doppeltes
Element in der griecbiscben Religion, ein pby3lscbes und ein
eibiscbes ,~ and letzteres vielleicbt eben so alt wie das erste, bei
einigen Gdttervorstellongen , z. B. der Hera , sogar das aas-
schiiesslicbe , bei andern luindestens so stark vorwaltejid, dass
es dock in der Tbat bedenklicb ist, obne weiteren gescbicbtlichen
Nacbweiss za bebaupten, dass Apollo and Diana arsprilaglldi
Sonne und Mond repr&sentirten. Anderswo bat der Verf. Rlcb-
tigeres and in der Tbat Beaebtenswertbes gegeben, wie Inseinen
treffenden Bemerkungen Uber Bedeatung and Einfluss der Kunst
bn Altertbani, oder wenn er die Orakel als einen Beweis bln-
stellt, dass die etbisch^ Gesinnang noch nicbt entfesselt war
von der Natnmotbwendigkeit, wiewobl aacb diese Brscbeinung
Hea Altertbams nocb eine andere Seite batte. Aaf das vom
Jadentbttm Gesagte geben wir bier nicbt niiher ein, obwobi audi
da za mancberlel Erinnerungen sicb ein Anlass bieten w4irde.
In sebr scblitzenswertber Weise bat Director IT. Eichh^
in s. Programm: Ueber eimge reUgids-sttiUche Forstelltmgen
des classischen AUerthums and femer uber die VorsteUung txm
dem Neide der Gottheit und van der Ate oder von der Sinner-
iefhUrung durch die Gottheit, Daisburg 1846. 26 S. 4. den bisto-
riscben Weg eingescblagen and ans eine sorgsame genetiscbe Ent-
wickekng derjepigcn belleniscben Vorstellungen von den Gftttwn
gegeben, die wir mit ^&6vo( and iittj bezeicbnet finden. Die erstere,
von dem Neide derGottbelt, entwlckelt sicb nacb ibm durcb drei
Stofen bin: aaf der ersten derselben wird er scblecbtbin lOs Bifer-
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des elasriaeheM AUertliiims. 89
svcfci der menschUdi ^esinnten Goiter avf ikre Macht miil Hoheli
ttiid als Missgunst geg^ die zn Binen keransk^ebenden Mei»cheii
und deren g'rosses und fortwahrendes Giiick ^fasst; auf der
swelten wacbt er im Dienste des Ferbangimses ilber die den
Measdeir g^esetzten Griinzen und das ibm bescbledene Maass aad
Gleickg'ewickt desGlacks und Unblocks; aaf der dritten erscbeiai
er als^ wahrkaft sittliche Mackt, als Missbillig:afig' ond Akndun^
der {Jeberbebung' , des Hocbmaibs und Frevels. Za bezweifefai •
d^fte es setn, ob sick iiberall in sickeren Zeitperioden dieses
abg'renzen, and insbesondere , ob der znerst bezeicbnete Gesickts-
punct als die frilkeste Vorstellung' sick anseken lasse; jedenfalls
scbeint uns der zweite Panct besonders, und z war in doppelter^
Beziekung*, kerrorg^ekoben werden zu miissen. Die Alien wuss-
ten : to ^jqov uQurtov j und es war die Aufgabe des kelleniscken
Lebens, dies zu bewabrkeiten ; diejs-kat aber zunackst eine Alackt
an und f iir sick selber , pkysisck : wie in der Natur einander
gǤ^eniiberstekende Er&fte sick im Gleiekgewickt erkalten, so
g^sckiekt ein.Gleickes auck in der sitilicken Welt Gltick und
Ufig-luck mussen einander die Waage kalten; zu der Annakme '
swang* den Hellenen ein innerstes Gefukl und Bedilrfniss der
Gerecktigkeii, das er sonst nlckt befriedigt sak, da er den sitt*
lichen Wertk alter Segnungen und alter Priifungen eben so wenig
fcannte, ats das Gesetz, das dem Menscken g^setzt ist einmal
zu sierben, damack al>er das Gerickt. Darnack erst kommt das
Andere, dass der ^d-ovog der Gotter geradezu der S^Qtg der
Menscken entgeg'eng'esetzt ist; das maasslose Begekren und sick
Ueberkeben soil dadurck gedatnpft werden , okne dass jedock auck
bier der tiefere Zweck einer Deintttkigun^ als irgendwie ktar
kervortretc^d ang'eseken werden darf. Von diesem nock wieder
versckieden ist die eigentlick fatalistiscke Ansickt , die wokl be^
Bonders bei den Romem Eingang gefunden bat Mekr kdnnte es
sckeinen, dass diese bei der Ate benrortrete, dock auck da ist
sekr bdhutsam zu verfakren und zwiscken Zeiten und Cbaraktereft '
genauer zu sckeiden. Es gibt zuniickst nack ketleniscker Vor-
stetloflg' eine zam.Bdsen^^^erfttkrende Mackt, deren Ursprung nack
der selbstsucbtigen Neigung des natiirtieken Menscken nickt in,
sondern ausserikm gesuckt, damit aber sckon beim Homer in die
Gottkeit eta satanisckes-Moment gesetzt ward; mit dieser Vor-
stelhiag ist der Begriff des Unkeils nake verwandt, der ver-
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90 Der gegenw. Stand der rcll^idien Beurtheilung'
sug^weise beim Hesied hervortriii , wie bei Pindar und Theo^nb.
Ob und wie dieselbe sich niit der Idee einer nnabwendbaren Vor-
herbesUmmang beim Herodot und bei rdmlaohen Hiaiorikern (aacli
Aesch. Cfhoeph. 910. und Soph. Track. 840. steht in Besiehasf
zur lAo^Qo) wirldlch so eng* verbinde, wie der Verf. anniiiiBit,
und ob nicht noch wieder nnter sich diese Ansicbten yerscjiieden
sein mdchten, w&re eine andere Frage. Gewiss war die Vor-
stellung* yon Anfang a,n von der Annahnie einer sitUicben Eia-
wirkung" nicht vollkoiumen g'etrennt, die-Goiter kdnnen nidit einmal
die Beth5rung* wirken, wenn nicht die Menschen sieh irgendwie
daflir empf&nglich zeigen. So erschien es denn, namentlich bei
den Tragikem, besonders Aeschjios, als eine Wirkung der g'ott-
lichen, das Gesetz bewachenden Strafgerechti^keit, miUiin als
eine Schuld des Menschen; es wnrde die Eussere Ersclieiitinig
der Taoschung und des Unheils nilt der sittlichen Idee der selbst-
rerschuldeteu SinnesbetlidruDg* und deni religiosen Momente der
darin vollzogenen gdtilichen Strafe nach innerlichem ZusammeK-
hange verbunden. Je uberwft)tigender aber solche Macbt des
BOsen im Leben erscheinen muss^ desto stilrker tritt sle aach
in der Litteratur hervor, wie bei den griechlschen Rednern.
Endlich erscheint sie bei den Romem in der Gestalt der zo neoen
Vergehen forttreibenden Macfat des Schaldbewusstseins , so dass
dieselbe von einem ursprttnglich Aensseren allni^hlich immer mebr
zu einem Innerlichen im Menschen selber wird. — Die Arbeit
ist sehr'umsichtig und sorgsam ausg-eftthrt und gibt (iber diese
betden Puncte eine sehr lesenswerthe Erdrtening; die Bemer-
knngen Qber die Ate von Lehrs im Hheinisdien Museum, 1842.
L 4. und von Mdrcker ins. Schrift: Das Princip des Bdsen
nach den Begriffen der Griechen S. 67 ff. <scheinen dem Vcrf.
entgangen zu sein.
leh darf diese Uebersicht aber nicht schliessen, ohne eiaer
vortrefriichen Darstellnng noch zu gedenken, die In einem Bucbe
erschienen, das gewiss bald allgemeine Aneritennung finden and
in seiner anderweitigen Leistung auch gebtihrend von Andern
gewardigt werden wird, fOr das Ganze manche hOchst beher*
zigungswerthe Geslchtspuncte beigebracht, besonders audi das
80 wenig dafttr beachtete Leben mit hineingezogen hat; ich mefae
einen Abschnitt: Der Geist des Christenthums und der Geist des
Heideathums; in: Die Lehre vom heHigen Gekte, von Lie. JT.
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des clMwisdieit AUerlbums* 9t
^. KaknU^ Prof, der Tteol. In der evaa^. ibeel. Fac. zu Breslan.
Ir. ThcU (Halle 1847), Is. Bach, 48. Kap. S. 94—146.
Die allgenteiae Siellung' des Hcidenthums zam Judenthmn
und Heidenthuoi hat der Verf. schoa an einer frilheren Stelle
seines Bachs S. 86 ff. herticksichtigt und dadorch der weiteren
Auseinandersetzimg' eine fieste Graiidlag'e bereitet. Das Heid^n*
thnm ist ihm darnach der Bereicb des natttrlichen Lebens, der
Sitode; es dient nicht nur nichtigen Gdttem, sondern In diesen
WahngeMIden dem Ffirsten dieser Welt. Gott bat die Heiden
ihre We^e gehen lassen, sie baben keinen Ansproch auf das
lieleh Gottes. EIn solches Nationatrecht daraaf baben dagegen
die Juden; aber nicbt die Sdhne des Flelsches sind die SObne
der Verbeissang*, nur den Glaubenden belfen die Weissagnngen.
Daber bHft die positive Stellung der Substanz des Reicbes Gottes
vm atten Bnnde zu Chrlsto dem Einzelnen nor dann, wenn er die
Substanz in persdnlicbes Leben verwandelt hat. Der neue Bund
aber bestebt eben darin, dass der Einzelne in dem Bewusstsein,
in sicfa die Gerechtig-keit nicht zu baben, soniit ein Sander zu
seltt, den Tod Chrlsti zur Gerecbtigkeit im Glauben ergreift.
Ist nun Christus in die Welt gekommen, die Sttnder sellg zu
machen^ dann ist er auch zu den Heiden g-ekommen, dem Reiche
der Sonde. Denn ein Bewusstsein der Wabrhett wird von der
Scbrift auch den Heiden zugestanden, damit aber Erkenntniss
der Sttnde und Durst nach Gerecbtigkeit. Gott ist zwar nicht die
bewegende Macht Jhres Volkerlebens (A. G. 14, 16), aber er
. bat sicb Ihnen nicht unbezeugt gelassen in den Segnungen der
Matur, ihnen Obrigkelten gegeben (R. 13, I), ibren Staaten
Grenzen und Zeiten gesetzt (A. G. 17 , 26.) , ibrem weltgeschicbt-
lichen Leben ein g^ttlicb Ziel vorgesteckt, n&mlich Gott zu sucben.
Die Zelt dieses Suchens ist erfiillt in Chrlsto, dass die Heiden
relatirer Wahrheit flihlg sind , bezeugen die Weisen des Morgen-
~ landes, aber auch ihre relative Gerechtigkeit durch Befolgong
des Natnrgesetzes (Rdmer 2 , 26) gilt dem Petrus als ein Zeug*-
bIss fttr Chrlsti Geist, wenn er auffordert, ohne Wort dui^ch den
Wandel die Heiden zu gewinnen 1. P. 3, 1. 16.). Kur aber,
wenn sie, losgeldst von den objectlven Grundlagen des Heiden-
thuBis, von persdnlickem Bedlkrfnisse nach subject! vem Hetle sich
lelten Uessen, kennten sie zu Chrlsto kommen. Beide also, Juden
und Heiden, treien als Einzelne In das Reich Chrlsti, nur mit
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83 Der gegenw. Stand der reygtosen Bearthejhiiig'
dem Untersehiede , dass d^r Jude die BItttbe seines Votkstfaans
findet, der Heide eine nene Welt, in welcher seine ganze Ver-
^an^enlieit erliseht (R. 11 , 16 if.)* — Es bednrfte wobl ndr
einer g'enaueren Be^riffsbestimmung' Uber die vorang-ebenden Satze,
urn denselben allgemeine Billigung zu verscbafcn. Mindestens
sind die letzten Resultate darcbaus annebmbar nnd ricbtig-er an-
gegeben, als man es g^ewdhnllcb findet; besonders ist auch , hier wie
anderswo (S. 100) , die Stellung des Judentbams zu dem Ileiden*
tbum in sehr treifender Weise bezeicbnet. Die Hanptsache aber
bat der Yert. in dem vierten Capitel g-eg-eben; dabei ist die Dorcb-
fubrung* der leitenden Ideen an alien heidniscben Cnltnrvdlkem
des Orients , durcb die erst die belleniscbe Anffassong' recht ror-
bereitet und wabrbaft verst^ndlich wird , allerding^ von w^esenl-
licber Wicbtiglceit, obne dass wir in diesem Zusammenhange
jedoch naber darauf eingeben l^onnen. Von S* 1L4 an eiit-
wicicelt er den Geist des HeHenentbums , dem zwiscben des Mor-
^enlandes selbstlosem Verfallensein an obere^ Mlicbte und der
selbstvoll um sicb kreisenden Gemiltbseinsamkeit der deotscbeii
Voiker die Mitte einer freien , aber substantiell effullten Persdn-
licbkeit zug'etbeilt ist, die scbone Mitte einer g'eg-enstHndlich
auffassenden, Alles vermenschlicbenden Anscbauung*. Das Hocbste,
was der Einzelne f iir sicb erstrebte , war , das in der vaterUu-
discben Sittlicbkeit gebotene bocbste Crut in seiner Person sckon
darzusteilen {xaXoxdya^iu); und darin eben lag* das Maass ibres
Antbeils an der Wabrheit, sie yerbanden so das sittlicbe and
das natiirllche Element. Der Zug* , welcber die Griecben zur Natur
fiibrte, batte in ibr zu viel zo sucben, um sie in einen blosses
Gegenscbein des g'emiitblicben Icb zu yerwandeln , und docb j«
sittlicben Leben schon zu viel gefundeji, um von der Macbt der
Natur verschlungen zu werden. Daraus ergibt sieb denn aucb,
warum die Forderung des reiigiosen Geistes an sicb scbon nicbt
zu ibrem Recife kommen konnte; die im Staate, Vaterlande ver-
wirkliebte sittlicbe Substanz ist es, an welcber G5tter und Men-
scben ^emeinsam wirken; die Gotter sind aus rein menscblicbeiii
Stoffe g'ewoben und fiber ibnen stebt die Notbwendigkeit, in wel-
cber ibre Entwickelung vorscbreitet, das SchicksaL Der Verf.
zeigt im Verfolge seiner Darstellung die eigentbdmlicbe Einwir-
kung der Stammverscbiedenbeiten auf das religiose Leben und
den macbtigen Umscbwung im slebenten Jabrkunderte , der eiaen
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des classfsdieii Altertliams. 93
mhjectiven Geist erzeag'te, aus dem die griechische Phiiosophie
berrorg'e^aiig'en ist* Es g-ibt kaum eine so lehrreiehe and an-
ziehende Parihie in der Entwickelang'sg^eschicbte des nienschlichen
Geisies als g'erade diese, und wir bedauern es daher g'ar sehr^
dass der Verf. niit seinen zwar schOnen^ aber sebr kurzen Er5r-
terung'en nicbt naber auf die Sache eing'eg'angen ist , was er doeb
I'ilg'llch auch ftir seinen Zweck konnte. Die ron ihm eniworfenen
Zu^e entsprechen dem Charakter des Gesanimtbildes g'ar wobi:
Im JMylhos bat der Geist des Scbonen das Leben nach einer Idee,
der sfttlichen Snbstanz des Vaterlandes, g^estaltet; die Pbilosopble
g-ebt keinen Scbritt welter, bleibt aber unbefrie^i^t mit dem,
was Uun das Vaterland in seinen Gesetzen and seinem Glauben
iibergibt. So g^eborte denn die Phiiosophie einer Hichtung an,
die das griechische Leben aufloste. E& kam eine Einseitigiceit
in die Erkenntnjss, deren Ueberwindung* keiner beidnischen Reli-
gion moglicb ist; denn ibrem volien Begriffe nach ist sie die
Etttwickelung des religiosen Geistes atisserbalb des Heicbes Gottes,
welcbe ein ans dem Nationalbewusstsein sabjectiv gesetztes GOtt-
liche zam Gegenstande der Verebrung bat. Man bat oft, and
nieht obne Grund , dem Jadentbum eine positive , dem Heidentbum
eine negative Vorbercitang zum Cbrlstentbum vindicirt; der Verf.
fasst diesen Gegenstand noch sch^rfer und eindringlicber auf,
wornaeh mit der negativen Seite des Heidentbums , der g&nzlicben
Auflosung desselben als Totalitat, doch auch noch wieder eine
positive Seite aufs Innigste zusammenb&ngt. Denn wenn die
snbstanziellen Bande des Heidentbums zersprengt waren, so gab
es eben nur noch Atome, Einzelne; als solche ab^r konnten sje
nur zu dem neuen Bunde kommen und um so mebr also ibr per-
sdnliches Unheil erkennen, nach personlicbem Heile aufsehen. Je
hober daher jener, die griechische Welt auflosende, subjective
Geist vorwarts drang, nm so mebr fahrte er das pers^nlicbe Leben
auch seiner Wabrheit entgegen. Dies hat der Verf. vortrefflich
an dem Gange der spMeren hellenischen Phiiosophie wle an dem
i)ffentlichen Leben nachgewlesen ; nur dass bei jenem Aristoteles
scbwerllcb ganz zu seinem Rechte gelangt. Gerade darin, dass
er die dem flbrigen hellenischen Sinnen und Denken gegentiber-
stebende reale Seite bervorhob und die reiche, lebens voile Welt
des Concreten mit seiner ans sich selbst genommenen schdpferl-
scben Kraft offenbarte^ war er in einer allerdings verschiedenen
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94 Der gegenw. Stand iet reliffitoen BearCbellun^ u. s. w.
Richiong' eine ttberaiis gMsilge Vorbereituog' auf He Erscheinaiif
Cbristi im Fleisch. In die romische Welt 1st der Vcrf. wenig'er
elngeg'ang^en 9 sdion destialb/weil er mehr das hdhere Bewasst-
sefai in der Pliilosopble , als die dem g'esamaiten Volke ang'e-
messenere Darstellqn^ in der Litteratur vor Angen gebabt bat.
Dies febit nicht am weni^sten bei der griecbisdien Litterator,
wo der ganze Reichthum in Dichtern, Gescbichtscbreibem nmi
Rednem einen Stoff geliefert babeti wOrde, dessen Bebandlong
in der ungemein ttlcbtlgen Weise des Verfs. , die aneb so nocb
In wesentUcbem Vorang^e stebi, eine bedeatende Lttcke in der
bisberigen Erfarscbnng des Altertbam^ ansgeMIt bMte.
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95
V. - '
Zur Charakteristik des Horaz.
Die Gescbiebte ier Litteratur ist iiberhaapt eine doppelie,
nemlich eine ^itssere and eine Innere; die ftnssere, dareh else
niehr. oder minder ^rosse Zahl von Notlzen nnd Erinnenm^en
^efdrdert, ruht auf einer festeren Basis als die ledig'lich anf
einer tieferen g^lstig'en Anschauung* der Erzeng'Risse sell^st be-
^riindete innere , und erfrenet sich daher seit fruher Zelt einer
rilsiigeren Bearbeitting'* Die wabrste und voUendetste Gestalt
<ler Liiteraturgescbicbie aber ist die innige Verschmelzong' und
Dnrehdring'ang* beider. Hat nun unsere Zeit die allseitig'e und
org'anische Erfassung' des gesammten Alterthums richiig' als die
Ldsung' ihrer Aufg'abe in diesem Zweige der Wissenscbaften
erkannt: so ist dazu die innere LItteraturgeschicbte nocb weit
frncbtbarer als die aussere* Die iiussere nemlicb gibt das bisto-
rlscbe Detail fiber alle irg'endwie ini Gebiete der Litteratur yor-
kommenden Namen nacb einer treuen Ueberlieferung* , nur mit
kriUscher Sicbtung* des Einzelnen; sie' erg^ebt sicb also In der
bunten Reibe der Zufklligkeiten , in die nur eine cbronologische
Folg-e oder ein liusserllcbes Facbwerk Ordnung bring-en kann*
Das Wesen aber und den Geist g-ibt die innere, die daber aueh ^
nicbt nebeuj sondem in jener bestebt; jede ausserlicbe Abson*
derung' kann also aucb nur eine vorlsiufig'e sein, um jede der
beiden Seiten desto genauer zu ergrttnden. Ist dieses dnrcb die
Bemflbungen vieler Einzelnen an den einzelnen Schrlftstellern
erreicbt worden^ dann wird Ibre Hineinbildung in die ftussere
Gescbicbte und soniit die Vollendung' des Ganzen nicbt mebr fern
seln. Ein neues^ wesentlicb fdrdemdes Element wird aus ibr
erwaebsen einmal filr die Wlssenschaft^ anderen Tbeils in glei-
chem Maasse fOr alle pbilologiscbe Praxis und Interpretation. Denn
indem sie uns-das innere Leben der Litteratur entwickelt,. zeigt
sie uns, wie das Yolk den allgemeinen Geist erfasst und sick
angeeignet, und, wie diesen also national g^wordenen Geist
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96 Zar Charakterisiik des Horaa.
wiederum die ReprHsentanten der Nation, die Scbriftsieller md
besonders die Dichter, aasg'eprHgt haben. Die sittliche Idee io
ihren vielen und manniobfaltigen Er^cheinaDgen l&sst das Lebeii
keines Volks unbertthrt; sie spiegelt sich in demselben and das
daron zuriickg'eworfene Bild zeig>t das richtig^te Geprag*e des
individnellen Volkscharakters. Ein kaam iibersehbarer Stoff dan
liegi in des Volks Gescbicbte und Sitte, Sprache und Litterator,
Kunst und Wissenscbaft, in den Instituien seines Staats- nd
Privat-Lebens; bier sikhe man, wie alle hdheren Interessen, die
die Weltbewegen, das Altertbum durchdrung-en Jiaben, find die
Vollendung dieser Aufg'abe wtirde ein neuer und wesentlicher
Tbeii der Alierthuniswissenschaft, eine ECbik des AUerthums,
sein ^). Wiederum : kein Scbriftsieller , er sei Prosaiker oder
bicbter, kanu den Einfiuss seiner Zeit und Nationalitat verleagve%
am wenigsten die Alien , auf die das offentlicbe Leben so g^rMs-
ariig einwirkte ; in der Wissehscbaft kann einer seiner Zeit voraus-
geeilt sein, als Menscb stebt er in seii^er Zeit; je wenig>er aber
ror dem bebandelten Objecie die Subjectiviiat des Scbriftstellers
zuruckiritt , wie bei dem Dicbter , desto stiirker aibmet aus seiner
Scbopfung, dieselbe^ mag* aucb daneben noeb so yiele Sporen
seiner Persdnlicbkeit an sicb tragen, der ^nze Geist der Zeit.
Horaz war weniger ein Gtlnstling seiner, als aller folg-endei
Zeiten; mit dem Zeiialier, in das ibn die Naiur gestellt hatte,
harmonirte er wie viele seiner edleren Zeitgenossen nicbt. Aber
er bat das wabre Wesen seiner Zeit durcbscbaut, und indem er
liber ibr stebt und gegen sie in die Scbranken triti, bildct^ick
zum Theil scbon die Aufgabe und der Inbalt seiner Po^sie. Ii
dem Horaz baben sicb oifenbar zwei verscbiedene Naiuren rer*
bnnden, die saiirische und die epische; oder gab ibm der Einiuss
von aussen vielleicbt ursprttnglicb eine nocb viel unrubigere sail-
riscbe
1) Zn diescn scIiOnen Untcrnefamaiigen liegen immer nur noch einzelne,
wenn anch nnseliatzbare Banstncke Yor. Die Arbeit von F. A. Nusslin:
Erhlarung der Homerischen Qesange :taci ihrem sittUchm Elemente , wotob
mehrere Gesange der Odjssee als Probe , Mamiheim 1834 ff. erschienen sind,
weckt lebhafte Wunsche nach Voiiendung des Ganzen. Nicht minder worde
eine Fortsetzung Ton K. Hoffmeisters BeitrHgen zur wissenschaftlichen
Kemtniss des Oeistes der Alien, Essen 1831 und 32, zum Frommen der
Wissenschaft heiUam gewesen sein.
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Zar Chartkterlstik des Horaz. 97
rtsebe Riditttiis, so g\ieh Bich solches doch allni/iklich zu ehier
g'rdsseren und fast episcken Huhe a«s; in dem umfassenden Stadhini
seines dicbterischeir Lebens von dem 24sten bis zam S7sten Jahre
(nach der richtigeren Xnnahme KUchnera : quaestiones Horaiianae,
p. 4U f.) konnte sich dieses bequem fortschreitend entwickeln,
la derMiite aber stand er dann auf mehr lyrischem , aberniemals
vdlUg uttg'emiscbtein Standpancte* Hieraas lasst es sich denn
weni^stens andentan^sweise erklHren, dass der Fortgang seiner
dichtetischen Production ron den Satiren und Epoden zu den
drei evsten Bttchern der Oden, in denen noch manche und zum
Tbeil die frilhesten von einem satirischen Zuge die deutlichsten
Spnren tragen, und endlich zu-dem erstcn Buche Epistein, dem
letzten Buche Oden und dem letzten Buche Episteln ein ganz
naturg'emasser, kein zufldlig'er ist; aber auch beg'reiflich machen,
dass iet Unterschied zwischen den Satiren und den Episteln ein
Tiel grOsserer und tiefer liegenderMst^^ lUs es auf den ersten
Anblick erscheiat, selbst als hie und da hoch ang'enommen wurd.
J^Jlein hier drang^en sich nun unz&hlige Fragen dem weiter in
ii^ Eifi^elne Eing-ehenden auf, wie er sich dem religiOsen Glau-
ben, dem wissenschaftlichen Sinne, dem philosophischen Streben,
selbst der Kunst seiner Zeit angeschlossen oder entg'eg'eng'estellt
hibe; ob er nicht yielmehr in diesen und yielen andern Rlcli-
tufigen YoUig ein ZOgling und ^achahmer der Griecfaen gewesen
sei. Bliclfen wir zun&chst auf eine dieser Richtungen. Der
Dichter ist in seinem philosophischen Treiben kein Anhlinger
eines bestimmten einzelnen Sjstemes, weder des stoischeti noch des
epiknreischen , ja er darf ohne genauere Bestimmung nicht einmal
als Eklektlker gelten: in seinem klaren, praktisch tilchtigen und
regsamen Sinne verdrangte der schone goldene Baum des Lebens
leicht jede graue Theorie. Das war es eben, warum ihm der
auSbdle Spitze getrlebene Stoicismus so l&cherlich wIe yerlLchtlich
war 9 je mehr in demselben das Ideal des Weisen zu seinem
Abbilde im Leben in schroffen Gegendatz trat. Diess wenfgatens
gs||t von dA Stoikem der Wirklichkeit, wenn gleich ihre Philo-
Sophie mit dem praktischen Leben in der engsten und genauesten
Yerbindung stehen sollte, und sie sogar gegen die mnss^3 und
betrachtungsvolle Lebensweise eiferten, die Aristoteles empf^l
(Heinr. Bitter, Geschichte der Phihaepkie IIL 517.). Zuvor
wendet Horaz sich juit seinem ganzen Eifer zu einem Theile der
LuhJeer, ge$, Schriften, 7
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98 Kir OhAnkterittik d^ HoiM.
Philosopliie hill, ftenilich 7.iir Betrachtang des sittliclien Leifteas:
EpisL I9 1, 11. quid yerum atque decefi« coro et rog'O et oimib
In hoc sum; ab«r er verlacht in demselben Angenblicfce die rot
lanter Phllosophie ni^ znr That kommenden Weisen , eben weii es
ihm stets tim eifie lehendige and tilehtige Reprodactien des als Aaf-
gabe des Leb^s and Handelns Erkannten zu than ist. Das. 13.
eondo et compono qnae mox depromere possim. Sein Geist lAsst
sich fortwAhrend ron einer Schale zu der andern tra^en, air-
g>end lan^e verweilend, an^ die Geleg'enheit za der That nicht so
verlleren, denn ihn qnalt dieZeit, die dafftr verloren g'eht* Das.
V. 33 — 36. Dabei geht er in das dffentliche Leben (cf riles imdae^
T, 16) nar als streamer HQter der wahren Tugend. Das. 16 — 17.
None agilis fio ct versor civilibns nndis,
Yirtntis Yerae cnstos rigidnsqne satelles.
Diese Verse sind hier voUstAndig' ang'efohrt, ant zn sehei,
ob darin vielleicht nach deni Zasammenhange dieser allg^etneinerea
tfntersachang* die LA. der iltesten Handschriften versor gegeit
das so bestechende mersor vieler Handschriften and Alteren Ans-
gaben sich^ schdtzen liesse. Zavdrderst nan bezeichnen die civiles
andae nicht das eigentliche Staatsleben , so dass der Dfchter da^
darch seinen Antheil an den Gesch&ften der Staatsvenraltnng' zu
eirkennen g^ebe; sondem das Gewog'o des bQrgerlichen Lebens,
wo sieh die entgegeng^esetzten^Gestalten der SittHchkeit in an-
ib&hligen Beisptelen offenbaren. Eine active Bedentung', die nlclii
ttoglelch padsiv w&re, erhellt fOr agilis anch ans Seneca de tran-
qailL animi c. 2 nicht; rielmehr heisstes: beweg'Kch, regain
nnd daher nach aussen thftti^. Nun ist allerdings keine Frage,
dass mersor zn dem Bijde der Wellen an and fiir sich sehr gut
pasat (wozu Ja anch Catoll. 63, 13. mersor fortunae fiucMus,
ein Analogon bletet) , aber darans folgt keine Nothwendig^keit fflr
die Beibehaftong' desselben, ih der ganze Xusammenhan^ «nt-
sdieiden moss, and es kann das sogar noch zur Verdliohtig^nng
boitrageni Was ist nun aber passenders dass der strongs Beo-
baohter iind TngendhOter sich in die Fluthen des bfirgerllcfcen j^-
beniB versenkt, vertiefty oder dass er sich ron denselben tmgm^
itti Kreise h^om bewegen l&sst? Und es lag docb wohl nioht la
dpft Dichters Absicht, den Abgrund sittliohen Verderbens damft
bezeichnen za wollen? L^e dann filcht zugleich aach darin , dass
er sich yertieft and verllert^ dass ihn keh flflehtiferDrang-^ sondera
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Zor Charakteriitik des Horti. 99
eine ^nhaltende, tiefeindringendf Theilnahme dahin fttkrte? VfeU
mehr kann, wer sich von dlesem Anf and Ab (andae), diesem Hin
ond Her (versor) des Lebens der Menscben eine Welle bat fortftth-
ren lassen, lelebt ^leder yon diesem JMeere inbebender Tb&tlgkett
8i€b entfernen nnd unrermerkt anf den festen^ trockenenBoden einet
rnblgen, beba^llcben Lebensgenusses bel Aristipp surilck^leiten ;
and der Bllck ftir eine ri^ti^e Beobadiinn^ der Mentcben wlrd da-
bei sicb welt nng'etrttbter erhalten. Anf jeden Fall aber lie^ woM
fceine umiiittelbare Hindentang* anf seine Tbetlnabme am Stbieimns
darfn, so wie aneh im folg^enden Verse der Name ArlsUpps nar daen
dient, am diejenig'e darch das eigene Gemttib gewonneneLebensan-
iicbt kenntlicb za machen, deren Wesen sid in dieser Scbale con-
centrirt Im Ganzen stand nemllch Horaz seinem wahren Gelste nach
mehr anf dem Standpuncte des seiner Zelt mit ^^Ittllcber Kraft ent-
ge^en arbeitenden Stoikers als des niit dem Strome schwimmenden
Eplknreers. Aber in yielen SUicken lagen die Krelse ibres Lebens
nnd Denkens ganz ausser einander. In dem Streben nacb Tng'end
and dem Glficke einer leidenscbaftslosen Robe begegnete Horaa.
wieder den Stoikem , wiewohl beide ron ganz verscbiedenen Stand-
pvncten, des Lebens and der Erkenntniss, aasge^angen waren,
un3 aacb am Ende ibre Wege wieder weit aos einander Uefen.
Denn der stoiscben ^Strenge In ifarer formalen Be^ebang aof die
Gegenst&nde des Lebens , die sicb selbst zam Tbeil an dem starreii
Widersprucbe mit edleren Nataren and einem reineren LebenbaM
brecben musste , war der Dichter abbold ; er erstrebte selbst nnd
forderte bei Anderen die wahre virtas nach ibrer ganzen Tiefe
and Reinheit, liess alles Uebrige in seinem Werthe dabi^g^esteltt
seitt Oder besteben , obne dadnrch in den Conflict zwischen Gntetn^
Vorgezogenem (nQOf^yfiiiov) and GleicbgOltlgem {dJidfoQov) zn
^erathen. Bitter ^ Gesch. d. Phil. Ill, 499. 625. 27 ff. So nSberte
er sicb freilich von der anderen Seite dem Epikar, well nur ein
von Leidenschaften freies Gemtttb der Tog^end ond des Gllickea
fthlg scUen. Wenn dieser nemlteb {Bitter III, 494) dasbOcbste
fiat efgentlich in die Unempf&nglicbkeit des Weisen fOr kdrperlicbe
Unlnst setzte, and demgem&ss die Erinnernng an das vergang'ene,
das Geffibl der geg-enw^rtigen and die Farcht vor dem zukdnftlgen
Uebel g^anz aas der Seele entfernen wollte ; so also , dass weder
(objectiv) da^ Uebel zerstdrt, noch (snbjectiv) die Mittel g'egea
dasselbe gesch^rft werden, folglicb nnr ein passives, ^efnhlloses
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100 Zar Charakieristik des Horaz.
Ertf^gen. des Uebels er^seng't *jnnd . gewonnen wird: so siikl das
die Grunds&tze, zo denen der Dichier die Miitel , es ist die'Dieorie,
zn der er die Praxis leiht ')• Beleg'e hiezii slnd: Od. I, 7, 17.
31. 11, 6. 18 9 4. 29, L II, 11, 17. u. s. f. Hierbei mass Horaz,
well wir deaselben darin nicht ganz consequent finden, entw^eder
die seiner Nation eigenthilmllche streng^e Sclieidong' zwiscben ^dem
AHg^mdneB «nd Individuellen im Leben des Staats (publicus - pri-
TatnsV ang'enommen nnd ako zwiscben den allgemeinen Leidep
der Zeii and den liesonderen Schicksalen des Einzelnen^ oder er
mass avcb^ vielleicbt noch mebr, zwiscben den ibrem Ursprung'e
naeb an sich verscbiedenen Leiden g^escbieden baben. Seine , mehr
stoiscben Geist atbniende Aasrdstung' des Weiaeji mit den Waffen
rabigen Bf atbes and leidenscbaftsloser Standhaftigkeit ist eben g'e-
gen^ die Leidenscb^ft masslosen Begehrens and die daraas fol^enden
Leiden gericbtet , wodurcb in immer gesteigertem Masse der Seele
Unrube and Qual bereitet wird. Epist. I, 3, 26. Dageg>en 1st
er bei den von aassen kommenden , nnablLnderlicben Filgung^en des
Scbicksals ein Epikureer^ obne Sebnsucbt nacb dem boberen Halt-
panct, dessen lebendiges Bediirfniss danials docb aacbscbon, nahe
ror seiner, Erfdllung, tbeilweise die romische VTelt dorcbdrang-en
(latte.; — - Diese Beriibrungspancte des DIchters mit der Philo-
sopbie seiner Zeit stammten aber ili^niger ans dem Stadiom der-
scjlben, als ans seiner eignen l^atar. Denn er scbdpfte tiberall
mebr ans dem Leben als aus der Scbnie; er blickt mit Missbe-
^agen aaf den Zwiespalt zwiscben beiden , den sein Zeitalter her-
vorgerafen batte, er missbilligt die leeren Rednerkflnste and ibre
zeitraabenden Uebangen and weist dagegen auf die einfacb wabrste
Qoelle der Sitte and des Lebens in dem Homer bin: so Brief 1,
2 an den jan^en Lollias. Das ist denn also aiicb seine Nacb-
abmuiig der Griecben, die aber kein Vorwarf, sondern desDichters
Rubm ist; ron einer cbarakteriosen Nacbbetnng ist bei ibm keine
Spar yorbanden^ zam Uebersetzer batte er, nm Jean Pauls Aos*
drack aaf ibn anzawenden, nicbt weiblicbes Genie genng-, wie
2) Wohl mag man Eitterkeit nnd Sclimerz , ja Verzweifelong darjn fin-
den , wie es bei P. E. de Lasaulx de mortis dominatu in veteres, Monaci
1835. S, 27. ausgesprochen ist. Auf die weitere Lebensanscliauung nnseres
Dicl^ters geht diese interessante Arbeit, so uahc es ihr a»cli lag, lelder
nidit ein.
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- Zvr Charakteristik des Heraz. lOt
die dcs Dfchters SeliratftDdigrl»it iMmcr nkhi.gMn% vcrlea^nende
Nadbbildun^ des Anfan^ der Ody»see schon renrtth. Also im
Grofigen uad Ganzen tor schbss sich der Diehtcr an Bolchc-grie*
chische Vor- md Urbildcr unver^anglicher Schdnheit uild Wahr-
beit a», theils ttberhaopt nach der leicht begreifllchen Vorllefce
uhd Sehnsacht, womlt ein edles Gemiith aus einer wirreo, bodoft-
losen Zeit in die Verffangenheit und in die Feme «ie», flieBa
anch mit Rucksicht auf Form nnd Ckarakter der helleniacheit Natten
undLitteratur, die ihm so nnendlicb yiel mehr bot, als sein ^et-
stig- erst so spat wach und milndig gewordenes Volk, das daan
in prosaisckeni Tbatigsein nach Aussen des Geistes lind SinnOs
fiir Diciitkunst sick zu entsekla^en scfcien. Wie vrenlg dabcr andi
die Aniabme aosdrucklicker Nacfcabmungen in den einzelnen Fill^
5B« reoktferti^en ist, wird sich noeh naher zeigen.
Diese Nackahmnn^ gait aber nicht bloss vom Horaz, sondern
. mekr oder wenig-er von dem ganzen Volke ; nickt sowohl von
seiner poetischen Form als . vielmekr von seinem ganzen Wesen.
Der romischf Gdttercultns , ob er ffleich in sich die verschiedeil.
artig-sten Blemente vereinigte, nnd nnzShlige, anch den cinsichts-
vollsten Rdmcrn unverstandliche Formen begriff, war doch in so
fern dem Volkscharakter angemessen, als das ganze Ceremonial
derselben dem StreKen des Volks nach dem relatir Vollkommen^n
entsprach, anf das Bedurfniss nnd die Zwcckmassigkeit eingericktet
war. Aber in einem solcben Gotterglanben konnte nichts als die
endlose Personificirung abstracter Eigenschaften , die in Tcmpeln,
Statuen, Sanlen ii. s. vr. bis zur nnsinnigsten Yereinzelung nnd
Zerspaltung- einer patricischen nnd plebejischen pndicitia verehrt
wnrden, Stoff oder Form far dichterische Behandluog bieten. J.
A. Hartung, Religion der JRomer 1, 246. 249 ff. Die redende
Knnst musste hier — wir konnen freilich nicht angeben, wie weit *)
— der bildenden folgen; war diese nnn anch schon in manchcm
unrerachtlichen Werke nach Italien hinnbergesledelt, so war es
doch das Princip der Kunst nach der griechischcn Anffassnng als
3) Die Gesdiichtschreiber der bUdenden Kttaste (H. Meyers Gesch. d.
hiUl Kunste ft. <J. Griechen u. mmern. Zeit ihres Ahnehmens. Dresden,
1836. S. 136 ff. 151 ff.) haben weniger dieseii Punct als die Einflusse anf
politlschc mid moralische Verh<nisse und auf das Angemeine der Litteratur
erOrtert.
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Its, Z«r GkarakteriBOk its Horm.
S^hdoMt, was iteni rdnischftt Dicktar roraeliwelien mumte. IMe
F«ier ^es Mercuriua finden wir tiieils anderawo^ theils Odmm I,
Id. Bel darseften begre^et uns freillch wleder %wiS^hai die aUe,
scIkhi Tom Porphjrion herstanmende AnBahme einer nach^eahintea
Oder i^ar ttbersetiten alciischen Ode. AUein nach Allem, Was
wfr anB den Mittheflmn^en and Fra^menten- bei Paosaidas , HeplUi-
stion^ AtbenlUMi nnd dem Rhetor Menander {A. MaUhiae Aicaei
MUgL fragm. p. 24 f.) anf dieses griecUsche Vorbild des Horaz
sdiUefisen kl^nnen, war in ihm entweder <lberbaupt ein anderer oder
unenlgeiens eSn yiel speciellerer Sioff aus dem Sagenkreise des
Hermes behandelt, von seiner Gebart, ron dem Ranbe der Rinder
des Apollo, ron seinem Amt^ als Mondschenk der Gutter u. s^ w.
Bhg* nan ursprQn^licfa die Idee des Hermes wobl nar die ernes in
jeder Art anstelligen and g'ewandten Boten znr Vermittelang' des
CMtterwiilens gewesen sein (vgl, Nitz^ch %u Horn. Od. I, 84),
wean wir nid^ die Yerschmeizang* der altpelasgischen Natfirg'ott-
belt mtt dem thessaiischen Gdtterdiener annebmen wollcn (s. K.
O. MuUer Prolegomena %n e. wissensoh. Myth. S. ^5; MT. G.
Hm^ qumeaUonei Aesekyieae 2, 90); so wurde doch offenbar
bald 9 indem Zeus als oberster Gott die bdchste latelligenz ist,
Hermes als Bote des2eas ,,der die hdchate Intellig^nz als Diener
rertretende Gott, welcber im Auftrag des Allwaltenden die Welt^
barmonle and das Weltregiment thlMg ausfuhrt;^^ in sofern moss
er aber aach ^^selbe^ ein Gott der IntelUgenz sein, Denken, Rede,
lUblen, and itie Kanst and Bildang, wie alles geistig Geor4nete,
mftesen onter seine Functionen geb5ren and seinem Wesen aobaf-
ten.<< jr. Sehwenlc^ mytkoiogische Skixxen. Frankf. a. M. 183&
& 32; Vgh R. H. JOausen m Berl Jahrbb. 1836. Nr. 98, and
Ltuaulx d6 mortis dondnatu in veieres p. 44, not. 1. Jene Be^
fdeatnng des Gottes musste sich aber noch am so viel eher dem
R^mer aafdriagen, als derselbe in seinem Glaaben an den ober-
sten der Gutter den von griechischen Schriftstellern aberkommenen,
seitsamen Wast mj-thologiacher Varstellaagen fahren lassend, (jEbr-
tung, jReUg. d.Rom. I, 248), mehr ein Abstractum der Idee unter
mancherlei Naanclrung als Gott der Natar, Leaker der Schidr-
sale, R&cher des Verbrechens n. s. w. in ihm festhielt. Demge-
miiss preist aucb Horaz io dem Merkur die weltklage Weisheit,
i&o die Gabe der Rede im Verkehre der Meoscben za Gutem and
Bdsem zu natzen weiss; nod, an keiner Stelle des Handelsgoites
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Zmt diaraktolMik: d«fii Horn. 193
geienkmi *), hat Hor^z hier uafeUbar, der g^HwolUtm Auf-
fa«8iio£r grieobischer (Dicbter sich aoschliessend, einea andern Wef
betreten^ als worauf die rdmische Volksvorstelliing' zu gehen pSeg^te.
;Diese aemlich hielt ki aasschlieaslicli prakiisohem Sinae den Gott
des Handels, der Venuittelung und der Uoterb^dler festy wie
der Name deaselben andeuiet and seine Verehrung' im rdmisehen
^Coltns zeigt) man mag jenen min aaf merx zurilekftthren , oder
von medicnnrinft^ ftljinlich dem inierpunclus , herleiten^ woza meri-
dies, medius dies^ etwaa Analoges bieten wttrde. flarfyingy M^ -
ii. M. 2y 260* In der alien bellenischen Fabel kam Hermea zwar
aach als Gott des listlgen Gewinns and gewandien Verkehrs (xsq-
^^g)j als Geber jedes unverhofften Vortbeils oder Vermittler
ebies zufiilUgen Fnndes {igioivtog, 6m(aQ swav) ror; allein obo^
daas eine mercantiliscbe Bedeutung desselben besonders beryor-
getreten w^re. Was Horaz Oden III, 11 an dem Hermes Xqy$o^
als Vorsteher der redenden Kiinsie in achdnen, indlWduelien ZOgeo
aiisfnbrt^ das. ist in I, 10 nur ein ^inzelner, yoranstebeoder Zag^*
DIeser aber nnd der nnmittelbar darauf folgende Zug^.-^ie Ertbei-
lung leiblicber Kraft in den yom Hermes yorgestaadenen gjm-
naatiscben Uebungen waren aacb neben seiner DarstelluQg als VoU*
strecker der Befeble Jnpiters die beiden yomebmsten Ge^ensttode
f(|r die AufTassung dieses Qottes von Selten der bildenden Kunst
K. O. MiiUerj JrcMMogie der £ufist, S. 505. Diess batten die
Rdmer also mit der Kunst and ibren Werkea yon den Grleeben
liberkommen; V. 7 u. 8 jener Ode weisen aaf den xeQ6(oog bin;
V* 9 — 12 enthalten einen bedeotsamen, nicbt unwabrseheuilich
deni Alc&QS entiebnten Zug, was yielleicbt der Scholiast aucb nnr
hat sagen woUen, da er zu diefifer Strophe seine frilbere allge-
4) Etwas anderes ist es naturlich, wenn der Dichter in seinen Satirea
Scenen aus dem Yolkslebcn Torfuhrt , in denen z. B. dem Damasippas seUi
Kaitfrnannsgenie bei den zahlreich besnchten Anctionen den Namen einey
Lieblings dei Mereur oder gar des Mercar selbst erworbea hatte , Sat, If,
3,2$, Oder wenn er den Stertinins im Gesprache mit eiaem Kaufmannf
deaseiben gebranchen l&sst, das. 68. — Uebrigens bedienten sich anch
andere Dichter dieser Freiheit , an die griechische Idee solcher Gottjieit sich
zn haiten, da die rOmische far die Po«sie unfahig war, wiewohl oft mH
dem Bewnsstsein einer dureh das Aiter schwach gewordenen Tradition , wfo
rir^l Am, 8, 140 mU den Beisaize: aaditii si qatdqaam erodltaas, Tg(.
4, :»7 IE.
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104 Kor Charaktertetfk des M<m%.
mefne Bemeirkong w!eder6oKe ; V, 13 — tB weisen mft Ifcrem , cine
jbestlmmte hellenische Sag^e Verrathenden InhaKe wieder anfenie
j^iecUsche Quelle hin, and der Schluss gM in dent Seeleng^-
leitfer eine wesentliclie Seite des hellenischen Myihos. In der g-an-
aeh Ode ist nriiWn keine rechte Spur von dem efg-entlich rdniiscliCH
Cnltu^/iind es 1st daker In sich hdchst unwahrschdnlieh , dass
Hofaz dfese Ode solUe fiir die Mercnrsfeler am 15* Mai g'cdichtet
liaben. In solchem Sinne Geleg-enheitsdichter war Horaz ttberall
nfckt; und es mbgte wohl fra^lich sein, wle die Nachricht kei
Sueton im Leben des Dicbters zu fassen sei: Ang^ast babe solchen
Antkeil an des Dicbters Leistungen g^enommeh, ut non modo «r-
culare carmen componendnm iniunxerit, sed et Vindelieani rict^-
riam Tiberii Drasiqiie pririg'norom , da der Dicbter sicb mebrfach
gegen solcbe Zumutbqng'en oder Auffordernngen , imGefukle der
ITub^baglicbkeit bei so von aasscn g'eg'ebenem Stoffe^ auflelmt;
da yon kritfscber Seite ilber^ess die so vlelfach verstiimmelte Vila
bei Sueton nicbt die sicberste GewShr g'lbt. -iKrcAwer, quaesU Ho-
rat. p. S,'^ bot.
In wie fern ist denn aber Mercur der Scbutzg'ott der Dicbter?
Horaz sa^ Oden 2, 7, 13 f., Mercur babe ihn aus der Scblt^
getrag'en; das. 17, 29 ist Faunusder custosMercurialium yirorum;
nicbt anders ist aucb Sat. 2, 6, 5, worin Heindorf niit Unreebt
den gewinng'ebenden Mercur erkenncn will , der Scbutzg'ott der
Dicbter genieint. Ferner aber steben die Dicbter aucb unter den
Einflusse und der Obbut des Baccbus, Od. 2, 19. 3, 25. Epist.
2, 2, 78; man vgl. die welteren Beleg'e bei Tb. Scbmfd zu Epkt.
1^ 19, 4. Endlicb aber war aucb Apollo's und der Musen Vor-
steberscbaft der Po^sie dem Horaz keineswegs fremd. Od. I, 31,
20. 32, 13. m, 4, 30. IV, 3, 1; und es frSgt sich also nur,
in welcbemVerbMtnisse diese bistoriscb zu einander standen, welcbe
Beziebungen der Dicbtkunst dieselben elnzeln vertreten baben md-
gm. Nicbt aus dem bistorischen Sagenkreise des Gottes arbeitete
•sfcb jedes Mai seine Einwirkung auf die Dicbter bervor; vielmebr
fdbrten die rOmiscben Dicbter, als deren wabrster ReprSbsentant
bierin Horaz gelten kann, ibre Abstractionen auf solcbe Gdtter-
wesen zurttck. Dabei mdgen wir die Einbeit mancbmal vermissen ;
flie gelangten zu demselben Bilde oft auf ganz verscbiedenen We-
gen, wobcr es denn leicbt erkl&rbar wird, wenn die eine Stclle
auf einen ganz anderen Ursprung zurdckzufttbren ist als die andere.
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Zar ChttfAlerMik ien Homz. ' WS
Im Wesentlidieii war die Mercarsidee etee Andfotoiif ^ dasfl an
der Po^Ie dne das ^ewOhnliche JMaass tbersdireitende IHnghei/t^
eln schlai|e& Ueberblieken des Lebens^ eine listig'e Bemitziing' seiner
Schatienseiten (mid zwar* nicht g'rade auBschHessUch in der Satire)
gebor'e, oder insofern daraos am ehesten d^ eig'eBtbflhiliebe Be-
g-riff des ddctu9 fdr den Dichter (s. die Ausleger zu Od. I'y 1,
29)^sJeb entfalten liess; an anderen SteHen nag* er mehr als Idnd**
lieber Gott, wie er bei Hesiod J%eagon. 4AA ff. yorkomnit, in
Iterbftodung' mit Favttus (s. oben und avsserdem HI , 18), aufden,
Undliche RAe nnd Einsamkeit snchenden Dicbter bezo^en worden
i^n, wekhe Vorliebe EpUt 2, 2, 77 f. bestimmt avsgesprochen
wfrd, .8. das. aacb die Anni. bei Tb« Schniid. Bacchus ist ein
Gott der Beg'eftteriHig'; wann diese deni Dicbter in die $eele
fihrt, sei es ini ci^entHchen Ditbjrambos oder in yerwandter
Po^sie, 80 regiert und schatzt ibn Bacchus; aos der zuletzt an-
^ezo^nen Stelle erhellt' jedoch nocb eine andere Beaiebung der
Dicbter zn ihm als Iclndlicbeni Gette. ApoUo . wird ofenbar in
mehr als Einer Beziebung" genamit ; in seinem nnnittelbaren Ein-
flasse aof die Dicbter ist seine allgenieine Bedeutung', dnrch Musik
das Gemiklh zQ bembig'en nnd dnrch Weissagungen anf eine bdhere
Ordnnng der Dinge hinzuweisen (K. O. MuUer^ ArcMologie dier
Kunst S. 462), in Oden, wie I, 31 amScblusse, nnverkennbar,
w&hrend anderes, wie Od^ III, 4, 64 ff., uns an den Gott erin*
Bert, der das Gote in gemlUisigter Kraftanwendon^ fordert und/
gchlilzt, aber jedeH Uebermuth und Frevel bitter riicbt Unter
dem Schutze der Musen endlicb 3tand der Dicbter in alien rehi
menschlicben Beziebungen , mitten unter den drobendsten Oefahren
umscbwebt den Dicbter ihre wabre Fflrsorge (^Od. III^ 4, 9 f[^^
sie geben dem Dicbter die Weihe scbon bejl der Geburt (IV, 3,
1 ff.), sie leiten seine Bestrebungen nnd sind ihm zu der Errei*
chung des yorschwebenden Musterbiides behtlflich Epist 1 , 3,
13) , sie sichem seinem Namen einen Platz im Tempel des Nach-
iruhms {Od. Ill, 30), und yerschaffen ihm Beifall und Gumst yor
der neidischen Menge (IV, 3, 15, 16 u. s. f.).
Wir kominen hiermit yon selbst auf die nftchstyerwandte
Eig^enschaft des Personificirens , die bei Horaa wie bei seinem
ganzen Volke in einem sebr boben Maasse vorbanden war. We«i
diess mit dem iunersten Keime des Nationalcbarakters so eiig
yerwaobsen ist^ dass es die ganze DeiA - and Redeweise durck*
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im 2«r Charakteristik ile#, U^rm^
ixnmgen iiii4 feffabt hat; so kann U^ mir davon 4ie Rade selA,
wie der Dichter die nationaie Biditansr in AbstractioB, BIU,
Penonification , Allegorie q. a. w. erfaast babe. Von den Be-
diagiing'en und Etaflttssea des ainDlichea Erkenaena aiif daa Redea
and I>enkei.flBes Volkea trli^ immer Eiae Periode seiaer Sprache
die deatllcfastenSpiiren; er^t allmlUUidi streifen sick dieaelben ab,
die AbatractUm bewegt sich freier oad fesselloser yoa den lAnn-
lichen Anschaoan^en, das Blld wird zum Begriffe. Die Roner
aindvkann man saf en, den nnigekehrten Weg yon Be^iflea %ii BU-
dern g^e^^ang^n ; and hierin hat es aeinen Grand , wenn^die Spracbe
aidi von beatfaninten) concreten ZOgen au den all^m^iasten ond
unbestimmtesten erhob, oder yielmehr veriaehte, so dass^ie Alter
ond Jug-end, Gesundheit, und Krankbeit, Gllick an^^Ungbick, T^eue
and Untreue in je Einem^ Worte aasammen befasst hat; dalier
koBinit es aber aucb, dass es deai Rdmer so schwer wird , ianer-
iH^lb der Sph&re eines Bildes ^enau zu bleilien, and Bild and in
Hilde dargestellte Saehe ricbtigr von einander za schelden (v^l.
Th. Schmid za Epiat. 1, 3, 19). Od. I, 35 an die Fortuna
an Antium gibt hieaa treffende Beiege. Aach diess ist keiae
fiele^enheitsode ira gewdhnlichen Sinae; dean es ist rerwor*
rene Didttererklftrang*, wenn man dea Zweek der Ode in der
drittletzten Strophe sacht, das Voraafgrehende als eiae Ein-
leltnng daza betrachtet, oder so^r die sechs Strophen nach
der Anrede in der ersten, also Yers 5 — 28, in Pjurentbeaa
schliessen will; oder endlich noch rerkehrter, wena man an
Schlosse der drittea Strophe ein Panctum setzt and das Falgende
als den ei^entlichea Zweek des Anrofs der Gdttin betraditet,
ohne an die daan wahrhaft entsteliende Unterbrechung' V. 17 —
28 zu denken« Des Dichters g'ewdhnlicher Gan^ in seinen Odea
(ein hdehst beachtenswerther Gegenstand fttr eine aasfAhrliche
Darle^ng*!) ist der Fortschrltt entweder von einem einzelnea
Diage, einer Thatsaehe n. s, w« zu einem allgemeinen (y^^l. III,
13) , ran we er dann nicht seitea wieder za etner EinzeUieit
zariickkehrt, ^ewfssermassen in den slehern Hafea iadiWdaeller
Erfahran^ wieder einiauft; oder von einer all^emeinen Gedanken*
reihe za der daraa ron selbst sich anknttpfeaden Anwendong aaf
adia lie^ende ViUfi. So ist innerhalb des lahalta einer Ode eiae
lebendi^e Fortbew^oa^ eathattea und die Mo^lichkeit eiaes
aasfteiaendea Spraa^es voa selbat pegebea , der bei der Anaakaie
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Z«f C%M«ktfri8tfk det Honw. 107
ehies partteuillreB Oder anster'der Po^ste fselbst Ue^enden Zweckes
weder aaliirlkh iMch gtalUuirt w&re. Seben wir aber nan n&ker
auf das Einselne, so hat der Dichier'dif Fortnna zwar anf der
elnen Seite so individuell als mO^lich g^fasst , indent Ihm bei der
Wabl mehr als eines Ansdmcks die Ansehanung^ der biMenden Knnst
vorgeschwebt haben mnss; anf der anderen Seite aber aneh wie«
der als die umfassendste vnd allgemelnste Macbt vorg^telll, der
Feinde and Freande, Sieger and Besiegte yon den Enden der
Erde her dienen. Die iiasserliche, sicbibare Verehmn^ dieser
Macbt ist dabei best^ndig niit dem inneren GefMhl der Abbftng^g^
keii yon ihr, ibr nnsicbtbares Wirken mit ibrer sicbtbaren Gegen-
wart (praesentia) and mit dem dayon bergeleiteten grdsseren EIn-
Snsse anf die n&cbste Umgebung yertaascbt oder yerwechselt,
eben weii ihm jedes solcbes Aeussere nur am seines Inneren wH-
len da war, and er also, bel der Unf^igteit, ein Bild darcb
alte seine Tbeile zomEnde bindorebzafUhren, eilig zu dem reinen
Gedai^en zarlickkebrien masste. Weil dem Dichter ferner solehe
Wesen, Fortana, Necessitas, Spes, Fides, die yon Menschen
yerebrten nnd als solcbe existirenden Abstracta sind , so Iftnft
ibr Vorbandensein unter den Menscben mit ibrer Anerfcennung
and Verebrong bei denselben anf Eins binaas, and er darfte
diejenigen n&heren Bestimmungen , die eigentficb nor ibrer Ver-
ebrnng and bildlicben Darstellnng angebOrep , anf ibr abstractes
Wesen als Eigenscbaften, Zost&nde u. s. w. beziehen.
Te semper anteit saeva Ndceuitas,
Clavos trabales et cuneos manu
Gestans aliena, nee sererus
Uncos abest iiqaidumque plambam.
Te Spes et albo rara Fides colit
Velata panno.
Saevus ist nar die Eigenschaft belebter oder personificirter
Wesen (DoderL Synon. I, 40), die seltene Treoe weist eben
so wobl aaf ibre seltene Verebran^ bei den Mensehen bin als
anf ibre daraas yon selbst folgende Bewahrang and Beobaeb-
tang, "^enn nan aber Heraz das Bild der Nothwendigkeit , der
Ailes in dem widerwiirtigsten Gefflge der Umst&nde scbonnngslos
zermalmenden &asseren Macbt, die den Fttgongen des Schicksals
yoraufgebt, so aasmalt, dass ansere grOssten litterariscben Kunst-
ricbter es als frostig and yerfehlt mit Recbt baben bezeichnen
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108 Zmr Charakteristik des Horax.
dtlrfen, wobel Lessin^ (Laokoon, Berlin 1788, S. 118 f,) 4en
FeUer aus der Wahl jener Attribute aus dein Bereu)]ie des w«fi]-
g'er Klarheit bietenden GehOrs herleitet, Herder 4sLgegen in den
kritldcben W&lderii (Werke zur sch. LU. u. Kunst XIII, 143 IT.
146.) 9 iB^t Verwerfopg^ der LessiDg'^schen Annahme, iha in der
Composition der Attribate zu einem blossen Sjmbole findet: se
darf wohl.nieht vergessen werden, einma! fiir die Form, wie weni|^
die spracMiche Darstellang* g'eeignet ist, eine lebeudig' in ihren
neben einander stefaenden Einzelheiten an^eschaiite Gruppe , Siiya-
tion, Scene u. s. w« befriedi^end und rasch vorzufilbren, and dass
besonders dem rdmiscben Dichter nach dem ganzen Standpuncte
nationaler Denk- und Redeweise kein anderes Mittel g-eg-eben war,
aber auch fir den Inhalt, eine wie fur€bQ>are Macfat dem g'anzee
Altettbume, das den Sieg* und die unendliche Obmacht des Gelstes
ilber die Natur nocb nicht kannte, die aus d^ Verkettung* der
Ding'e und dem Dran^e lUisserer, natiirlicher VerhUltnisse ber-
Yorgebende Nothwendi^keit war, geg'en die weder dem menseh-
lichen Willen nocb aucli selbst dem obersten , Ailes nacfa boheirer
Einsicbt leitenden Schicksale irg'end eine Ent^cheidung* iibrig
g'elassen wurdcf. Bild und Gedanke laufen bier ilberall nebea
einander wie Text und Erkllirung', so in: der dritteji, 90 in der
sechsten Strophe jener Ode.
., nee comitem iibuegat,
Utcunique mutata potentes
Vcste domos inimica iinquis.
At valgus infiduin et mcretrix retro
Periura cedit.
Beim Scheiden des GlQcks blelbt auch die Treue nicbt;
nein — die gemeinen Seelen wie die Freunde aus Jeii guten
Tag'en entfliehen dann. So nemlich steht at fur ein scharf her-
yorg'^hobenes Nein bei voraufgegangener Inclination des ,Gedan-
kens (nicht Immer auch der sprachlicheu Form) auf das zu erwar-
tende oder zu wiinschende Gegentbeil. Dass aber bei solcber
Auffassung' keine Aenderung'en, wie das Bentlej'sche vertisj notbig
oder'zul^ssig sind, wird sich leicht von selbst ergeben.
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109
VI.
II r a 1 i a ii a.
Caput primuin*
Agitur de iis quae ex Graecis traxerit Horatius atque de pojgtica eius indole
per carminuDi libros panllatim exculla. Uter dictus Aiax sit 1, 15, 17.
Qaid daxerit ex Graecis exemplis ad formulas dicendi et coiistrnctiones.
De iiidicativi nsu in interrogatione obliqua.
Uoratiuin nisi accurata gTaecoriim po^tariini comparatione
recie explicari posse qnum iani patruni menioria malti fulssent qai
negarent turn hac nostra aetate niulti deMio monuerunt. Umim
prae ceteris noininabo hulus rei auctorein et suasoreni Bernbar-
djum (H. L. Z. 1837. p. 412.). Tot enim reperiontar in l\oc
po^tar graecae dictionis vestigia, tot alia quae utrum ex propria
latin! sennonis indole an aliunde repeteiida sint vix dicere queas^
tot denique non dicllonis solum sed sententiarum atque rerum
cttni graecis locis siroilltudines , ut ad iustam perfectamque huius
po^iae intelligentiam perpetua graeciie et dicendi et sentiendi ratio-
nis comparatio necessario requirl vldeatur. Quani yiam iqg'redienti-
bus nobis In nullo^carniinum elus libro plura erunt obvla eius rei
documenta quam in ipso primo^ in quo bunc irere graecum^ colo-
rem traxere plura deinceps carmina, ut VI — VHI^ X, XIV—
XVI, .XVllI, ita ut facile tibi in mentem venire possit, in bis
prima deprebendi nasceutis poetae ing^enii per varias deinceps
viclssitudines excolendi vestlg'ia. Ac dubito quidem, quid ludi-
cent alii, ii maxime, quibus etiam nunc controversum sit, carmi-
num libros duosne. an tres priores simul ediderit po6ta et quandb
hoc factum sit, mibi certe quidem sic yidetur: Qiuim certum ali-
quid proponi non possit de aetate sing^ulorum et carminum et
llbroram , quum externa nobis nulla in proij^tn sin^ eius rei testi-
monia, internas mag'is anquirendas esse rerum, sententiarum,
ifigenii pontic! progressiones ; qua si insistas via, non quidem
omnium inter sq carminum nexum eorumque iustum facilemque
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no Horatialla^
progressam ) at tamen libronim^ qulbas carmlna complexns est
sive po^ta ipse nlve posterior aetas, carsam qnendam ac pro-
gressym reperies. Ac yidentiir podtae ingenil ^rogressioses
et ex forma et ex materie ponderari posse, qaamquam vere ana
eademque est, ita ut qaae sint reram atqae argumenti vices atqof
mutationes, eadem habendae sint formae simulque* totins po#tIcae
facultatis. In prlmo libro argnmentum suam maxima ex parte
depromsit ex graeconim Hbrornm lecUone, Imltatur poetamn
graecorum exempla, sententiam aUquam ex illis petitam propria
quadam vi prosequitur, uberias nobis familiaritas demonsiratnr,
qaae Horatio Intercesserit cum amicis. Banc rem magis etian
complectitur secmidus liber, nnde rttae lllius nanclsdmnr atq«f
temporum illorum illustriamqae aliquot faominum imagines; sen-
tentiae universales nondum proponuntur nisi aut ad certum bo-
minem accommodatae aut ex una certaque re aptae. Longe
ultra prog^editur tertius isque baud scio an perfectissimus liber,
hi quo summam reperies sententiarum vim atque ardorem, vlvi-
dam aetatis illius ingenil morumque imaginem, artem denique
naturae legibus bene temperatam. Quam artem si magis etian
excnltsnn velis, quartns liber tfbi perfectissima exbibebit monu-
menta ex provectiore aetate po^tae. Quare facile accederemus
ei qui singulos carniinum libros deinceps esse evulgatos neque
tres simul editos contenderet. Maxime autem ex Homero Ijri-
cisque po^tis in sues usus transtulisse videtur, sed quemadmo-
dum banc* rem in singulis locis administraverit* dictu nonminquan
paullo difficilius est. Num memoriter exbibuit res ex illis fontibas
enarratas? an ipsi scripiores in promtu fuisse censendi sunt? an
ea eius ingenii ratio fuit, ut quae ille bistoriaruni omnium atque
mjtborum fons memoriae prodidisset, et immutare et suis usibus
accommodare fas esse arbitraretur? Ut unum nunc proferam
exemplum, in carnu I, 15, 17. ambigitur, uter dictus sit Aiax,
Telamoniusne an Oilei filius; ilium dicit Orelllus, ipse tamen
inter se permutata esse solemnia apud Homenfm utriusque Alacis
epitbeta statuens; secus nuper DiUenburgerus in specimine quae-
ttionum Horatianarum p. 12 — 14. atque Duentxerua in inier-
pretaUone cartninum^aratii germanice scripta p. 383., Quorum
ille compluribus suae sententiae nititur argumentis: commemorare
Oilei filium quum accommodatum yideatur ad laudes huic ipsi ab
Homero n. 4, 285. impertitas atque ad eum quem obtinuerit Inter
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"'HoratlaBa. Ill
ttdreni printipes locum 7, 164 , iiHii Mixiiie cemmendarl singdMri
celeritatis nomine quo instils sH 14 , SfSO.; neque oninino mirari
licere ait, 8i etiam leviores atqne mlnoria momenti houilnes com-
menioreniur ab Horatio, quippe qui sic consueverit omntno, ita
ut habeat Tencrum, Deiphobtim, alios , in carnu IV, 9, 17 sqq.
Ego vero ^vix crediderim accoratam animo po^tae obversatam
fuisse slngulornm Imaginem, atque is maximum erroris periculum
subibit, qui exprimere voloisse eum homerica verba dicat. Ublvis
memoriae ope confisi sunt, sic certe videtur, scriptures antiqai,
quae quoties lapsa fuerit, facili asseqnimur coniectura. Hinc
CioeiODis aliorumque errores, quorum aliquot cum hoibericis locis
collata loca yides apud Dillenbargerum , ut CIc. ad fanu 2, 39,
83. cum H. IK 9, 236., elusdem 2, ^. cum IK 2, 299 sqq.
Sed cur qui Comeiio, qui OVidio vitio yerti possint errores in
Horatio coarguendi non slot, me non yidere fateor; poatae multa
condonabuntur, quae cum fide bistoricorum pugnatura slut. Ut
concedamus Horatium ingenlis bomericis eorumque cognition! dill-
gentem et ^ssiduam operam nayasse, quidni aliam yiam ut in
uniyersis sic in singulis rebus ingredi el llcult? Accurate ad
yitae yeritatem et necessltatem pinxit Humerus, ad suam yolun-;
tatem atque consilium singulare accommodaylt omnia Horatius;
res ex graecis fontibus haustae non sunt apud hunc nisi exem-
plorum gratia, num Id quod dictum est prorsus cadat In eum
quaHs yere fult yix quidquam Interest. Quodsl allquando yerbum
yeiiio reddere yoluisse yidetur, non fellclsslme IpsI successtt, ot
quae uniyersa elus fult singulatim yerba reddendi slye imbeclQltas
uiye Incuria, ea Interdum effecit, ut quae alio sensu graece dice-
rentur, alio sensu, si Ipslus yocis proprlam teneas signillcatlonem,
8U0 sermone exhiberet. Tydides superls pari, 6, 16* utrum est
&cii>i&tr haXiyuiog^ ataXavrog^'^e^j'l, an yere ludicamus ^e cer-
tamlne cum Venere (IK 5, 335 sqq.) et cum Marte (IK 5, 858
sqq.) Inlto cogltasse po^tamf
Multa de argnmento ex graecis fontibus ducto apud Horatium
dispntarl possunt , qua In re earn antlquorum m jihorom firmlsslme
tenuit formam, quae ad ipslus yoluntatem atque consilium maxlme
erat accommodata; maxime Id cadere yidetur In Ijricos poCtas aut
eorum fontes , qui abundabant m;f this fabellisque maiore etIam quam
^nales apud Homerum sunt yi po^tlca Inslgnibus. Sed alia exstat
«aque baud leyior quaestio , quid ad enf nclatlonum composltlonem.
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m IIorailaQnr
ad tdtias oratlonfai fonnam , ad mod^raoi deaique earaaaiqae mami^
fx graecis'Mnxerit romanae Qiiecn lyrae. Unum nuiic ia medii*
proferam de niodoruni usa locqm; .nibil enbn est, quod ma^
- .pertfneat ad decfarandani ingenii studio graecoram po^Urim ex-
ciil|i iQutatioAem ,; niBi ea, quae in uaiversa sehtiendl co^iiaaidiqic
nttfone versanfiir. Caivis enim nodique formae aunt, qaamm tpc
mens huniana res sub ipsius potestatem missas adspicU cog-itatrt
Eius rei ansani praebet locus in earm..!, 14, 6., in qoo dndaa
quaesitum est, utrum indicativus an coniunctivus locum h^eat ii
eiusinodi interrogationlbus, quae non per se posilae, sed alioade
nexae sunt, quas (Aliquas g^rammatici fere dicunt. •]^ ,
Uberrime bunc osuni exenplls ex pedestri oratione sustis
illustravit Ranuhornius In gramm. lat. p. 712 sq., additis quidea
aliquot locis ex comicorum sernionit petiUs. Quo in ^enere yeretr
ne nominentur quae nominanda non sunt; nam potest interro^aa^
triplex exsistere ratio: aut enim per se interrogatio exhlbeaUr
neque apta alicnnde, aut potest apta esse a reliqua cog'itatioiie,
ita ut non suapte vi efferatur ex animo faumafto, aut denqu
medium quoddam et anceps genus est , ita ut sua quidem potestaie
ac gravitate fruatnr, sed pendeat e tota sentenUa indeque prodeat
aliquo modo. Hoc lis indicatnr particulis, quae non interro|^and«
duntaxat inserviunt, ut quomodoj qua rationed ah; saepe etiaa
admonemur praemissa voce quasi praeparatrice quadam, at soat
pronomina demonstrativa eiusdemque generis ad verbia; idem deai-
que fit, ubicumque ante relativum v'erbum id quod bulc respondet
subaudiri potest, ut Cic. Ro8c. Am. 30. Off. 1, 7. 2, 7. U
factum vides in Cic. Cat. 4. nihil est admhrabiUus quam qwh
~ mode tuUt (quasi dictum sit: qumm is modus quo etc.) cf. Cic
j^gr. 3, 4. Praeparatur autem , Itaque utrumque enunciatl membraa
suapte ri praeditum est, in Cic. Rose. Am. 43. primum hot
videamusj qua raUone venierunt etc. Consentaneum est eanden
formam induere quaecumque interrog^atio non ut respendeatv
illi, sed exclamationis instar rbetorica quadam vi elTerri soiet,
at Cic. Mil. 18. videtCj quantae res his testimomis confectae sunL
His igitur a ceteris seiunctis illud ipsum restat, in quo coalescere
piorsus et in unum coire vides utramque interrog^atlottis formam; ati
ia eo triplex iterum dignoscitur ratio : nam aut negligentlae cuiusdam
est atque facilitatis loquendl qua uti consuevimus in quetidianm vita,
quare in comicorum usu maxime frequentatur , transit autem iiide si
ser-
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Horatiana. ^ 113
sermtMiem qilalis in seribetidfs epistolis est (Ctc. ad Att. 7, 12.
14, 13. iitroqae tamen loco Orellius conianctiyom recepU); aut
oratoriam fxhibet vim atqae nxm nniTerRani loqaendi Dormam , sed
sln^ulare scrlbentis consilium seqnitar, haec autem ea ratio est^
ex qna haiosmodi exempla In pedestri sermone obvia expedias
(vid. Cm?. Verr. 3, 26. de /?«. 2, 5. ap« Ramsh.; Rut Lup. 2,
6. quid qmmi esiis hfibituri, quaero? ubi recte docuit F. Jacob
indicatiyiim esse positum, quuni quaestio iam finiatur); aut po^-
tarum est. Horuni, ut ad propositum revertamur, morem paullo
aecoratius videbimus. Ipsa primum exfaibere iuvat exempla, ex
Virgilio: EkL 4, 52. adspice laeiantur ut omnia. 5, 7. adapice
ut 8par»it. Georg. 1 , 66. noime vides ut mittit. 3 , 250. nonne
vides ut pertentat, Aen. 2, 740. f atone substitit erravitne seu
resedit, 6 , 780. viden* ut geminae etant veriice cristae. 8 , 352.
quis tdeus^ incertum estj habitat detis* 10, 20. cemis ut insul-
iant^ sMlinsuUent^ sequitur enim /bra^r , rtlat; Cut. 215. viden*
ut collucent. Ex Ovidio nulla afferri possnnt exempla prae-
ter Met. 10, 637. quid facit ignoransy quae enim alia solentbuc
tr^bi, in ils constanter obtinet conionctivus modus. Met. 11, 79.
Am. 1, 6, 18. Fast 1, 75. 2, 57/ ex Lucano: 1, 126. quis
tustius induit arma scire nefas. 6 , 592. liceat mihinoscere finem^
quern belli fortuna parat^ utroque loco inter coni. et ind. modum
fluctuante scriptura; ex luvenale: 7, 106 sq. die igitur, quid
praestant offHcia. 14, 211 sq. iftc, quis te festinafe iubet? cum
viyida Ilia quotidiani usus formula, quae utrumque membrum per
se emittit; ex Catullo: 59 (61), 77 sq. viden' ut faces splen-
didas quatiunt comas. QXi (62), 12, adspicite ut requirunt; ex
Calpumio: 6, 37. adspicis ut fruticat et lucent. Apud Horatiuni
non esse videtur nisi unus locus, qui indicativum admittat; nam
in sat. I, 4, 109. II, 2, 76. Epod. 4, 7—9. coniunctivi modi
le^ntur non discrepante scriptura; neque in carfn. I. 9, 1 — 4. .
a codicibus omnibus non servatur coniunctivus , ut iure miremur
ibi Cunin^hamum primo quartoqne versu ind. scribi male iubentem,
qnum in secundo versu coni. modus necessario relinqul debeat.
Qnare solus restat de quo ambigi possit locus in carm. I, 14, 3
sqq. nonne vides ^ ut nudum remigio latus et malus celeri sau-
cius Africo antennaeque gemunt^ ac — vis durare carinae pos-
sunt etc.? OiTerunt libri utrumque modum aequo, ut videtur, pretio,
quamquam ob antiqulssimorum codicum auctoritatem coniunctivum
LUhher, ges. Schripen; 8
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114 Horatlawa. *-•
reeTjpiendam sUiuit Orellius , recte mourns eifam iiidlcatirvm pen-
iere a verbo vides^ neque iHstin^endiiiii maiore si^a past v. 4
intellecio yerbo sit; idem fecerant Bentieim, lani, Mitscherlidi.
Doering'. (etiam In nova Regelii editione), iifdiditlvum taentor Fea,
lahn^ Bleineck. eodicum fide nisi. Similiter etiam Tiballas semel
tantom, IL 4, 18. indicativum admisit in hac constructione , all«-
quin coni. rettnens nt II, 1, 26. I, 7, 22. (discrepanie qaiden
]ibrorum scripiura). Prop. I, 2, 9 — 12. qnater, qnaniqnam prioM
loco ind. est in aliquot codd. Ill, 33 (II, 34), 55—67. SIL It
12, 713 ^). Ultra qnam par est prog'ressi vfdeniar, qui qaenad-
modom G* E. Weberus in corpore po^tarum latinornm in MnaibBs
fere locis, interdum etiam inyitis codicibos, Ha exarandum cnrarit
(ablegant ad elus cendorem, /• L. Z. 1832. p. 444.), indlcafi-
Tum modum ubiqne tamquam po^tis necessarinm exhibent, qanm
ne consilio quidem scribentis sic bene consulatur. Qaae non bh*
nvs abiicienda ratio est quam altera, quae ad amusslni omnia tra-
otando leg'itimnm coninnctlvl usum etiam po^tis obtrudere cnplt
la eornm qui ita fieri iubent numero videtur esse lasi in art. podt
p« 171., qui hunc dicendi modum pro formula accusatlvi et iiA-
ttltiyi usitatum esse existimai. Videntur antem eum usum alii ada-
mare 9 alii respuere; sunt vero etiam qui non admittunt nisi rari
ei caute^ atque ex his est uiique 'Horatlns , quum alind praeter
hoc IndicaUvi exemplam apud eum desit. Unde tibi huic ceteris-
que de quibus ambigltnr locis certam quaerenti normam facile illuJ
in mentem yeniet, exordfri fere eiusmodi enunciata per partica-
lam ut^ quippe quae minime certam habeat slg'nificationeiiiy Ita
ut nihil paene nisi res ipsa indicetur, particnia autem ratlonen
doceat, quae intercedat Inter utrumque enuttciati membrum. Qoodsi
enim dico: mm ignaratisy ut revertaniur (Cie. pr. Cluent. 25
[bit.), yix diiTert aliquld ab eo: nan ignorMtis eos rev^rtij nisi
quod illud ex condlcione quadam aptum est; nehaec qnlden ineat,
' si Ittdii^tiyum posueris* Rescribe: quomoda revertantWy et in-
dicatiyo non erit locus, quoniam nunc non^ipsum IHud reperti
2) Desiderantibns plnra sappeditabant: Ruddim. II, p. 347. not. l4^
Billroth §. 306. not. 1., Reisig. lat. Spr. WUm, §. 329. not. 504., Bach. nd.
Ov, Met. 10, 637., Burm. et Cort, ad Lucm, i, 126., Oclisner. ad Cic, eel
p. 2a, ForUger. ad Virg. Bch 4, 52., SUHg. ad CM.6i (59), 77., l^^ers.
ad Ov. Her. tO, 86., WifkmM. Uctt, TM. 2, 5« ^ <45. c£ 312.
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lg:ttoiimia8 ^ sed nwdum revert^ndi^ kdc if Hur mbliitie per lie pdrfiifM
eifi, sell certo ine ei eonslllo, SI Mettk Igltnt antecesserlt qoaeglioy
ttt ill loco Heratii: nonnevidei, quae est admiraittid , aliqaid latere
iMt ftt^ere quod sole clarias alt, facile rides iam noB tata aft
posse de ratiofie qua fiat id qaod lateat, quam de re Ipsa quae
nds^ectum fs^iat; sed per IttdlcatiVBUi affirniatar, vete allquid
ei^e, qttamvis id lateat alteram ^ per cofiicnictlvtim noii sola res
MflsHits nostds sukteeta exprliiiftar ^ sed etfam iaternus Inter rl-
dendl faeaHatem et rem ad videndtitii faeile paratam nexus lndicatdr<
HldstrabO rem ita: nonne videe utsaudua es/hoc sfl>l yalti saucius
e$t^ videsne? at contra: nanne vides ut sauciu^ ait^ hoc sl^ni-^
fleet : tu nan vides eatsehim eiee^ quufh tarn Operte $aucitM sitf
BrH Igltar foriasse caussa, ok qsam retfneamiis koe quoqoe loco
coninflctiram , qaom non sit quaestio qtiae respoasum ferre rult^
sed admlrabnndl exclamatio et repreliendentls querela, qsod patet
ext lis quae antecedunt: o quid agis He. et t:si eorum qsae se--
quonlttr indole nniversa^
Caput seeuttnum.
Ironiae usus freqaentissimus apud Horatium. De carmine in Arck^iam
scripto 1 , 26. Irridet etiam sui temporis asirologiam. Spnrii lial>en(li non
sunt carm. tt, 17, 15—3!^.
Admirabiiis est usus Iropiae apud Horatium, qoam quum saeps
Mi^excrrini Interpretes, po6tam Ipsum^ ridendo dicere verum nUiil
retare, monuisse immemores, miram quantum in quorundam eta^
■teum explicatlone a yero eorum sensu aberrarerunt. Quam'obren ,
de coroplnribus Ipcis e^regie meruisse censendus est Eicbstadias,
qnl in decern paradoxis Horatianis summae et iadicii et orationis
elegantiae plenis simulationem quandam et irontam primus aliqao-
ties aperuit et e;cpl!ca?it. Et bant scio an eadem ratio ample-
ctenda sit etIam in carmine 1 , 28. , in quo quom sermones nauta^
atqne Arcbjtae Tarentini mper defuncti inducantur , de lis quae ad
atmmque perthieant multum dubitatur, quum ne Buttmanni quidem
Sententia, yersum 21 Arcbj^tae orationis exordium facers, omUes
Buperarit difficultates. Alio loco uberius ag'am de ea re; atpa^*
nuuDe recte yidemur ideirco nautae illj^ yerba trtbuere, quia l&r
ita loqui f«it«lsse Muti^am yidetor? Po^ta ipse certe lesKer
8*
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116 H^ratl'ikiia. . T 1
irrisurus pUIosophorani ex P jthagorae dlscifiHita commeoia aifiM
placita, non vitam moresqae speetantia, sed ultra qaam ^minl
fas est divinas hunianasque res peraerutari conantia.- Nonne id
ipsnm apparet ex oratioRis quadam simulata iactantia, ut ia, t. 1
et qued opponitur y. 3, item r. 5, denique ex eo quod niurratiif
y. 10 — 13 et additis yerbls: non sordidus auctor etc.? Poieraine
aliier accidere Horatio non scholae^ sed yitae pliilosophanU? Sed
mittamiis nunc ea et yideanms eademne fuerit cansa, 6b quasi
carmen il, 17. tantas Peerlkampio mayerit dabitationes. Satis
enim subtiliter In hoc carmine subridens illnsit Maecenali, quen
yerislmlllimum est astrologiae, qnam ilia aetate sat multi liqne
in ceteris rebus egreg-ii yiri amabant, pauUo stndiosiorem fuisse.
Haec enim Chaldaeorum ars erat, quo nomine non ex artis quldem,
^ed ex gentis yocabulo appellati sunt; erant autem ab Initio aacer-
dotes loyis Beli Babjlone (HerodoU 1, 181.J, cuius in temple
siderum situs rite obseryari soliti sunt, neqne absurdum est putare,
gregiyn pastores in amplis Mesopotamiae campis primos astlNilo-
giae operam dedlsse, ita ut eorum qui artem primi profitebantur
nomen ad ipsam artem transiret. Hi diuturna, nt Cicero ait de
div. I9 1*9 obseryatione slderum scientiam putantur effecisse, ut
praedici posset, quid cuique eyenturum et quo quis fato natus esset;
hinc chaldaicae rationesy Cic. de diy. 2, 47., Wncnumeri Baby-
ioniij Hor. carm. I, 11, 2 sq., dicebantur ^). Secundum Roma-
lior|im relig'iones quaeyis colebantur coelestia sig*na , tamquam loyis
optimi maximi non minus coeli quam fatorum moderatoris; prae-
tereaque ayium cantus yolatusque, exta animalium, prodlg*ia atque
omina accuratissinie obseryabantur ; hinc consentaneum erat iudl-
care, suam cuique homini certissimam neque ullo pacto mutaibilma
3) Exposiierunt de astrologis inpriinis Lipsius in exc. ad Tac, Ann. 2,
32. , Fabricius ad Dion. Cass. 49 , 43. 56 , 25. , Rupcrti ad Tac, Ann. 2,
27., G. E. Weber ad luvenal. 6, 553 sqq. p. 424 sqq. Minus quam par
est potcstati eius in hac certe aetate tribnisse videtur I. Rabino, Unter-
suchungen uber rom, Verfns$ung^nd Oesch, I, p. 39: Die ROffler lietrac^-
tetenSlerndeuterei, Stellnng Yon Natiyit&ten und alie Zahienkanste der Ghai*
daer als eiue ihren Sitten fremde und gefahrliche Neuerung; sie achteten
nur selten auf Traume, nur hie and da einmal auf begeisterte Seher and
Orakel. Apposite ad ea quae mox disputavi I. A. Hartang Relig. d, Rihn.
I, p. 11.: Nahe daran (den meteorologischen Ersckeinangen) liegt die
As^ologie, die, wo sie herrscht, auf Fatatit&tsglaoben deotet.
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HeraUana. 117
soriem ante ipsam orig^inem esse paratam. Erant qalAem qui ea-
omnia parri facerent, quemadmodmn testattir Ennium Cic. de div.
1, 58. dixisse: non habeo nauci Marsum au^urem^ non vica-
noB hamspices^ nan de ckco aeiroiogoa^ sed id ipsam docere niihi
videtor, mulios praeclarosque homines, id quod omni tempore
factum esse constat , huic ret paulo cupidius se dedisse. lloratiHin
rero in contemtu kabuisse eam patet etiam ex earm. T, 11. lam'
vero laudatne eam in hoc carmine ad Maecenatem dato? Etlam
hie certissimc destinati fati co^itatio subest; in eam accurate
cadit siderum cont'emplatio. Quis ig'itur scrapulus est qui tam
acriter pupugerit Peerlkampium ? r— Hie enim tres priores stro-
phas a^noscens reliquas omnes prorsus abiicit. Primum Chimaerae
atque Gjgis, anilium fabularumin g-ravissima re, locum hie omnino
non esse; desumtas insuper videri ex Firg. Aen^ 6, 286., nisi
quod pro Briareo a metrica lege abhorrente Gygem suniserit.
Ittstttiae, quae etiam Astraea dicatur, hie aptum locum concedl
non posse; if^que quomodo ea Horatio suam sortem destinaverit
intelllgi posse. Sed vehementius etiam increpat sequentia , quam-
quam ea lam testimonio Seryii ad Virg. Georg, 1, 336. Aen^ 4,
1^., schoL Pers. 5, 45 et Prisciani confirmata sunt, alterutrum
nominandum fuisse po^tae putat, aut Libram aut Scorpium, non
utrumque; bene enim cognitum habuisse Romanes, quo sidere
singuli nati fuerint. Finge igitnr Horatium parum aut curasse aut
novlsse res astrologonim , non tamen ideo eom in repngnantiae
ritiam iocidisse culpabis. Nam si amici thema bene novit, suum
il>se non item; quomodo utrumque egregie consentire dieat? An
loeose haet^ omnia exhibuit inter tot seria et ad amicum ae^ro-
tantem ? Deniqne sidus non adspicit homlnem semper et per totam
vitani, sed nascentem adspesit^ quod quo minus diceret obsta-
hat versus. At nonne vides posse cum vero intimoqae amore bene
.conspirare irrisionem quandam cuiusvis ingenii et ima^inatlonis
lasus, cni indulgent amici; astrmii autem ut proprie dictum oBse
non potest, sic translate dictum esse ad indicandum animi'Sen-r
sum atque voluntatis communionem facile dooemur adiuncto con-
sentiendi voeabulo. Quare quid est cur tantopere oifendatur in eo
quod legimus utrumque nostrum astrum et ineredibUi modo^ Mc
enim nova quaedam incipit sententiarum progressio; antea quid
^L astrolon^iae rationibus capere utiiitatis et commodi posset, quum
perstaringendo earn monuis^et, nunc quae vera et animorum et
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118 HorAtiata.
fortsBae utrioiqiie rideatvr shniliiodo esse profert Atftnm Iwe
aensu bene diol posse altiorem illam, quara ignotam qnoMaH
Dumen in iritam nostrani exercet vim et potestateni, facile patet,
incredibili modo aatem eopsenitre atramque idclrco dictum est, nt,
qnod de rebus levissimis atque ad veraai vitae homaQac condl-
, •lenem ac felicitatem prorsas aibil per^inentibiis serio dieatar ac
'sentiatur a qaibosdam,. id malio uiagis atqae supra fidem hamaaan
eadere sen'tiant iu admirabilem illam atque eertissime eonspioaaB
" Buminum tutelam atque custodiam , quam etsi praesentissiinaiii e(
dilucide apparentem vul^p tameu neglig'ant ac despidunt* Hoc,
quod cernimus oculis , vix credimus ; illud , qnod cogitatione tIx
eomprebendere possunius, quasi verissimum sit amplecUmur. Ti
morbo mortem acceleranti ereptus es non sine civium laetlsstna
acclamatione; eg'o cadentis arbQiis peri^ulum subterfug*!: ta illd
stellae tuae, 'ego uumiui poetas custodienti elusque quo9 habet
ministris tribuo; uterque salvus atque incolumis gratissima meite
renerabininr, quorum in nobis tam apertissima posfta cora est
Haec si rectc disputata s^nt, nae tu g^enuinam astrolog^fae ratio-
. nem non desfderabis; si utromqne astrum consentit, non nno ft
. eodem temporis puncto^ in eodem omnino sidernm situ natl soat
(aecuratam eius rei administrandae iriam delinearit Cio. de dw*
3 9 42). Quam absopum forct hoc loco de diversitate atriusque
yiri GOgitare, de ig^nobiiitate, paopertate ac bona yaletndiae HoraiH,
de nobilitate, diviUis atque tenui yaletqdine Maecenatis ! Nihil e^
eur petamns ea quae sequuotur ex Persio , nibil commune habet can
' allato huius poatae loco » nisi quod illic do conspiratione aatrorun
sermo est, 4iualem hie no cogitayit quidera Horatius. Sed ne ultra
progrediaris , fines enim migrant! errare pronum est^ paucis addan
'Duent«eriexpIioatiouem9 quae nimium affectansy utfit, parom pro-
ficit. Is enim, qunm Libra sub Venere, Scorpius sub Marte, Ca-
prieornus sub JSaturno oriatnr, Augustus autem, ut Cruquhis do-
' eility^sub Capricorno natus sit, hlc sibl symbolicam aliquam yiai
deprehendere yifus e^t, ita quidem, ut amoris cupiditas, hellaai
; Horatio paene perioulosumy certe laboriosum, Unique salus per
Auf ustum (bine sub Saturno natus loyis personam susciplt po#tae
ffratia) hnpetrata per imaginem descripta ait* Haec tria, inqult^
conapirant in ut^oque yiro. Vix puto moment! aliquid in eo inesaf,
quod uno eodemque tempore yltae periculo liberl extit^int Ulaii
ter repatitum sonum noo ex tribus api^ctaionin ordfaifhusy ntqac
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koratfana. * 1*» '
x ImiVMme' Prop^rtii 111, 8, 3., sed de re Ip9a atque natara
ommunis laeiiiiae in uno iiupulsu niinime acquiescentis facile recta ,
aiione explicabimus. Levandi et notlonem et vocabulqm satig iam '
riodicavit Orellius; Fauni meniionem inilcere non modo hnicloco
iptum sed etlani necessarium quodammodo erat; quaniquam enim
Wercurins atque Bacchus sua uterque vl et sii^niflcatione po^tarum
autor et custos dicitur ab Horatio, tamen vateii nemora amaiM
irbesquc fugiens, solitudlnis atque naturae rerum studiosus, In-
^rlinis Fauni praesidio utitur ut 1, 17. Ill, 18., alius vero cuius-
^uam custodia vix nominari poterat in agris, in quibus Mercurium
adfaisse vlx verislmiliter iudicabis; hinc Faunus Mercurii minister
noniinatus. Grati dcnique animi testiBcationl egregie hie locum
con.cedi posse ex iis quae monuimus satis patere videtur. — Occu-
pavlt autem has loci susplciosi vindiclas ante nos fRss in quae-
stietmm quas dicii Horatiarum libello octavo p. 23—25., quani-
quam paullo diversis utitur argumentis et pluribus cedit, quibus
concedendura nescio an non sit. Nam fabellas istas introducere
nan ex re erat, ubi verum graviterque affectum animi sensum pro-
rerre .rolebat, neque laudandi fuerunt poetae antiqui, si cupide
arrlpcrent im^lnes ex nijthologia promendi occasioneni ; m} thorum
fides diu ,evanuerat cordato ac prudenti cuique inter Romanes;
at ubi ludit atque ridet po^ta, ibi adeo resurgenti Gjgi locus
est. Ulrumque astrum poCsim non dedecet, nisi forte statuas tritum
quodque ac vulgare sermonis pedestris esse, hie vero etiam altior
vocabuli notio antiquam po^sim egregie decet.
Caput tertium.
De eo ironiac genere quo allndit po^ta alioram scriptorum verbis. Epodum
secundum non posse ad TibuUi oarmina isto modo referri conWnditur con-
tra Gruppium. Num abesse debeant aliquot haius carminis versiouli
(37sq.52sq.).
Unura sive Ironiae sive licentiae iocularis gcnug Hpratio pro-
prium est, quippe qui suae aetatis scriptorum, maxime po^tarum
verba atque sententias ita respiciat, ut interdum alludendo ipso-
rum verbis utatur (vid. C. Kirchner. ad SatA, p. 166). Quam-
qiiaip in ea re summa cautio adhibenda esse videtur, ne, quae
aut forte quadam conspirent aliquo modo aut quae minime ipsl
poetae ante oculos versari potuisse videantur, cum ironia qua-
dam hinc mine desumta esse dicantur. Hoc moneo propter O. F.
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120 Horaiiana.
Qrupptutny qui in libro praeclarisgimo ele^anterqae scrlpto eiegiae
romance I, p. 391 — 96. in epodo IL simllem rationem sibi primus
repeiisse visus est, In hunc fere modum disputans. Quae raiio
intercesserlt Inter Horatiam atque Til^uIInm ex panels qaibasdam
argnmentis colligi potest; habemus Horatii unam epistolam I> 4.
ad Tibullum scriptam, in qua Epicureornm rationem amici Titae
opponit, nnnm carmen I, 33., in quo ob anioris curas, ac lamcB-
tationes nfmia animl commotione excitatas lenlier irridet amiciiiB.
At rero aliud est praeterea — hoc niniirum dicit : Beatus ille qui
^procul negoUis etc. Epod, II. — quod necess^^rio ex eodem finni^
rationis TibuIIi habitae derivanduni sit. Quod proposuit In episiola
lUa, Di tibi dwitias dederunt etc. cui omnia suppetant, ^etlam
niundus rictus, non deficiente crumena, id nialore etiam sentlesdi
alacritate hoc carmine exhibet, ita quidem ut doceat, quantopere
vita qualem ag'at Tibullus ab indole carminum ipsius abhorreat.
Tu (sic po^tam facit ad amicum loquentem) temporum prisQpnwi ^
simplicitatem praedicas et victum moderatum , Ipse autem lautls
atque urbanis gaudes epulis ; tu laudas sinceram prisci aevi cob-
dicionem, at ipse tranquillus Romae foeneratorem agis. — .Uode
hoc colligam? Inquies. Ex Ipso carmine, in quo tot obvia rerba,
tot dicendi formulae dictorum TlbuIli memoriam aperte. revocan-
tes non casu nescio quo ortae esse possunt. Uter Igitur atte-
rum secutus est? Facile poterat Horatius Tibullum , at contra non
item; Horatius enim nisi aliunde depromsisset vix dicbret, qaam-
vis arcessita longius atque certis rebus destltuta ratione dixerlt.
Ironice dictum esse, ipse docet finis; quo autem spectet, facilius
noscas, nisi impediat metrica indoles. Haec autem consentiunt:
V. 2. cum toto Tibullo; V, 5. cum I, 1, 4. 10, 11.; V. 6.
cum I, 3, 37. 1, 50.; V. 9 et 19 cum 1, 7. &; V. 23sq. cum
1, 27. 28-; gramen cum I, 2, 74.; V. 27 cum I, 1, 48. 2, 78.
. Haec eg(t Gruppii argumentatio , cui primum illud obstat,
quod quum hoc carmen vix possit^ post annum 724 scrlptum esse,
id quod consensu suo comprobarunt Kirchnerus, Frankius, alil,
Tibullus tum,aetate minor fulsse videtur, quam ut in eum haec
omnia apte cadere possint. Ipse Gruppius p. 151. 254. natalem
annum Tibulli 705 aut 700 acciplendum esse statuit ; dicit ^um
anno ante (723) imperitisslmum omqium fulsse et vitae et civi-
tatis condicionum; fortasse puerilem Institutionem pauUo ante rell-
querat, atque hunc eundem po^ta eo quem videmus modo allocutus
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Iforatiana. 121
: est? lam vero s! siiigala spectawus, camieii libri primf priniiiniy
( secondom, tertium, decimam iDpriniis ante ocalos habuisse Hora-
• tium censet Grapphis; haec vero aut oninia aut eerie plurima post
» illiiin demum, quo epodum scciptum vidinias, annum facta esse
i possnnt. Haec quam ipse concesserit Gruppius p. 168 sq., suo-
r mm ipse argumentoram Wm ac potestatem infreg'isse videtar,
I docens non singalis oblatis occasionibos Data esse Tibnlll carniina,
i sed uno atque integro consilio tetum quoddam corpas absolvisse
^ po^tam y maltnmque abesse , at indicare Ilceat yariis teifiporiba».
t loclsqae TibuIIam saa carmina scripsisse p. 194. Oenique quam
I reperisse sib! risus est slngulorum verborum simiiltndinem, ea neqne
I per se Insig'nis est et tarn vulgaribus in rebus atque sententiis ver-
I satur, ttt eorum exempla simiilima sexcenta proferre possis ex
I omnibus scriptoribus* — At^ tua, Gruppius inquit, explicatio
! minime ferenda est; expedi, amabo te, verslculos illos 37. 38., ,
F quam inepte, atque mire dicti ab homine qoalis vulg^o erat foene-
I ra;U)r. En adstipulantem iiline ultro Peerlkampium. Turbant, In-
I qdlt^ rectum ordinem sententlarum ; quid bic sibi vultamor, quid .
I foeneratorl cum amore, foenerator non ai^are solet, quia magni
\. conl^taret; postremo offendlt, qpod dictum est neque malarum
I eurarum quas amor hahet\ neque per attractionem quandam qtms \
I malas euros amor habetj sed malarum^ quas amor cura» hahetj
\ ita ut comiyisceatur quodam modo utrumque. Quam difficultatem
* si non remoyisset Krupgejrus in libello de attractione in lingua la-
tkia. p. ^01 sq:, varia buius rei genera his demonstrans exemplis:
Hor..Sat. 1, 10, 16. 4, 2. Virg. Jen.^5, 728. PlatiL Aul.
2, 2, 19. Ter. Hec. 3, 1, 31»; ego quidem sic dicerem: At^
trlbutivi duplex potestas est^ altera amplificandi, altera definiendf
notionem hab^t; iam vero quum per attraotionfs formam una efB-
oiatur notto, non potest addito^ adiectivo In ipsam recepto definiri
accuratius atque pars quaedam ex notionis ambitu excludi; id jgitur
si fieri oportet, non in attractione, sed praeter earn atque cum
primarlo enunciato coniunctim coUocari- solet. Ita est in nostro
loco. — At item Peerlkampius etiam alios damnat versujB 51,
52., et id quidem non minus ut yldetur ob vocabulum inionata
sine exempio dictum , quam quod tanta tompestate neque opus
esset, ut Romani nanclscerentur scaros, neque consentaneum esset
COS bas dellcias expectasse 4 ventis, quorum vehementcs illi im-
petus rari erant, ita ut in rerum annalSbus apota^rentur. . Quam-
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Vii Eoraiisn-af
^am quod nobig exr Sallasttt' fra^^i^eoto' servatoiu eat f xenplim,
inde de gravitate huias rei tIx jquidqnam coHig^i poterit, ubi totm
orttUonIs prog^ressug absit. Sed neque utriusque viri sententia
alterum confirmat; hie super vacuos, ille, si ipaius sequaris inter-
pr^tatloneni 9 etiani necessarios esse iudicat.
lam si nimium- sibi sumsisse bi duumviri videntur, rectam
fortasse viam iqgressus est Frankius In fastis Horatianis p. 26
sq* Is euim quum expressisse putet Horatium, in satira prima
£nem libri L Georgicon, earn autem observantlam Virg'iliain
yicissim imitatione sua in loea Georg. 2,. 458 sqq. compensavlsse,
ilium rursus aemulando effinxisse statuit Vlrgilianum locum in £pod.
2. 9 quippe quum ad illud Virg'iili sua si bona norint aptissime
respondeat et exemplo Alfii egreg'ie doceat, etiamsi nossent sna
bona homines , tamen eos pliira cojiquiren^i furor.e quodam abripi.
Haec sane multo magis et cum re ipsa et cum aetate conveniunt,
Qeque hoc'non aptuni est, quod Hor. aliorum po^taroni verba
aliquo modo aut repetens aut exprlmens non simul sive argu-
mentum orationis ipsorum sive eorum sentiendi et cogit^ndi ratio-
nem respexisse censeri debeat.
Caput quartuin.
Agitur d/s epodo decimo sexto deque eius integritate e^ sententiarum pro-
gressu; genuinos esse yv. 19. 20. ostenditur, quaeritur contra an insertus
sit de reditu diris prohibendo locus communis v. 25 — 38. * Expli«antar
versus 15 et 16.- . '
. Veterum po^tarum Romanorum omnfno ea condicio fult,' ut
minus rei qnam tractabant ipsius Indblem fitque naturam sequentes
quam consilium finemque orationis suae accurate prementes multa
scriberent, quae non ex re sed ex sensu rei sive ea potestate,
quam exerceri vellent in audientium le^entiumve anihios, oril-etur.
Hoe qnemadmodum in plurimis Horatii iocis explanari atque ad
enm rectios interpretandum prosperrime adhiberi potest, ita ne
OUBc im est, sed egregie ante vl^inti
annos o commentariorum et opjusctilorum j
varioi x:posuit. Horatio Igitur saepissime i
Id ac( cime eius voluntas fuisse', singulis
sempt ^roposuerat finem acriter persequi.
HInc , hinc complures tautologiae sive
inanit ines^ hinc imprimis acris Peerl-
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kninpil noUtlo* Ita faotam'e»t> ixt immerlto sospectoa ac param •
^enainos iadlcarei I^ 3/15^20., epod. 16,. 19. 20. Poto^i {
quidem priore locO facillas * credi fieri potoiase, ut ab hominibi^ ;
quibusdam carniiqa pangeniUms versicaH ad explicanda cetera
apti incalcareBtinr, veram ^accaratius intaenti non persuadebiiur; .
iremm qvod altero loeo factum esse dicUor, yix credibile est*
Tarn arete enini cohaereDt cam reliqufs, s^nctura eonim qaae
antecedunt tarn plene continaatur, ut qui haec insereret, ita at ?
postea ne ullum quidem appareret depravationia ievissimum vesti«^ i.
g'ium, summa ille admiratione di^nitd esset. Et quid tandewi '
accQsat P« ? Male rep«titam ex prloribus sententiam , fugae no^
tionem nirols exag^g'eratam , remedkim quod in his ineat noQ iuci-*^
tandi sed deterrendi Romados a slmiK consilio, denlque moram^
affereotem celeremque pra^ressum impedientem orationem. Quid,
tandem adducere poterat, ut intersereret aliquis bos rersiculos;
ego non video. Quodsi Acercitatienes eiusmodi iu sclioUs babe-
baiitnr, vix tamen quidquam . excbg'itari poterit, cur adeo subti-^
liter sarcirent et quomodo ex ipso ar^umento accuratoque eiusr
prog'regsu ansam repeterent. Long-e aliter res cecidit , ubi aliquid
in carmine qiiodam inest, quod ad communes quasdam sententias,
qnibus veteres abundabant, pertinet; huiusmodi enim ad exemplum
allatl poetarum Ibci proponebantur dtscentibus , ut simiiia inde
effingerent. Hoc accidit in eodem carmine , in quo idem P. ver->^
sua 27 ---38 spurios esse iudicarit; Orellius 'auiem poCtam iuve-
nili ardore abreptum fortasse nimis in bis imaglnibus cumulandfs
laxnriatnm esse largitus est. Est ex genere locorom cummunium
et quidem ex scbemate tou idwarov^ *de quo iam Hesyciius:
TipaQOifiia im xwv W hm^ia ycvo/i«vwv, X6;if^^vra# xai uihxvloc
aai EvQiniStjg, Ear« Med. 410. aVfi) Tvora/mv Uq&v x^qoZci
ira/a/, ndl 6Ua xa« nivva niUv ^nQs^srai. Suppl. 520. aVcn
yuQ av qioi tu irQayfiad^ oitwg^ d V/ra^o/ACflr^a dij, Afferunt
alii praeterea Lucian. dial* morU 6, 2., pr. mere. cond. §. 1.,
JHog. L. Vt, 36.9 jilciphron, Mp. 3, 33.; Orellius autem praeteir
Arcbilochi locum ab* ipso allatum iuramentum confert Achillis apud
Soms lU I9 234, vu\ fid T '(te axtjnTQOv^ ro fiiv ovtfots fvila xo^ ei^ovg
^v<r$t^j hrel 6^ TtQwat tofnijv iv oqw9i Xihi^mBv 6v6^ dpaS'tjl^^wsi*
liarlparm.Ij ^y 10*-^12« quis neget arduis prono9 relahi posse ■"
rlpoa moftdbus et Tiberim reperti^ cum tu etc. Prop. I, 15| . .
29* Muta prius V0sto lab0irtur fiumina pontoj Annus et ineer^^ ^ *
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124 H0r*ai4aBa.
««* duserit ante vices etc, (Alterum qui nominari solet PropertS
Hcum II, 12, 33. rcperire non caaiigil), Sil. 5, 253. Trasi-
n$enu8 in altos Adscendet cilius coMes. Claud. Etdr. 1 , 353.
Prona petutU retro fluvH iuga. Ov. Her. 5 , 30- Cum Paris
Oenone paterit spirare relicta , Ad fontem Xanthi vtdrsa retmrret
aqua. Hoc qaum suspiciosum per se alt, qiioniani poterani etiam
invito scriptore eiusmodi carmina arte elaborate exeniplis, ui
quae efformabantur, facile iiuinisceri,- turn diibitationem aug^et,
atqae efficit ut, quae alioqyin po^taeipsi vitio verteremiis , vere
ab eo profecta esse negenitis, si aut senientiarum ordo totinsqiie
carminis consilium turbatnr aut singula quaedam deprehendi pos-
sunt quae cum po^tae dicend! sentiendlqire ratlone conciliari ne-
qneant. Neglexit paenc ea omnia Peerlkamphts jieque quod
maiorls moment! esset quidquam in medium protutit. Sententia-
rum autem decursus htc est: Postquam intestinorum belloprtn
calamitates tantasque eonim clades, *quan4as extern! hostes non
focere, v. 1 — 14. adumbravit, ad meliorem salntis capessendae
vlam cohortator, quae posita est in reKnquendo patrio solo et
ellgendis noyis, qualescumque fors offerat, sedibus r. 15 — 32.
Quod consilium, si nemo est qui melius snadeat, qnidni seqnemor
iUico? y. 23 — 3^1. abiecto inani luctu statim rem aggre^-
mini; meliora longe nos exspe^tant regna, v. 39 sqq. , quorum
accurata et uberrima nunc sequltur descriptio, unde facile yideas
obyersatam yatis itfgenlo fuisse aetatis qualem yulgo fingebant
' anreae iroaginem (cf. TibuU. 1 , 3 ^ 35 sqq. , cuius aliquot yersns,
nt 45. 46., express! in nostro carmine yidentur y. 49 — 50.).
Tides haec bene ita procedere, neque necessarium niodo, sed
ne aptnm quidem aliquid inserl posse medium. Post illud quid
moramur neutiquam exspectabis: .see/ non redeundum est^ prae-
sertim quum infra y. 39, quasi nondum de noyls sedibus loquutus
esset, abiiciendum mullebrem luctum et nayigationem nunc susci-
piendam esse moneat. Amitteretne plane omnem yim, si iura-
mentum illud, se non relicturos esse, quas nondum petirerant,
regiones, tam leylbus atque ridiculis paene condicionibus adstrin-
geretur? Quae deinde oppositorum ratio efGcJtur particula. «e^^
Statim quaeso abeamus bonis ominibus atque auspiciis ; sed ne
redeanms; eseamus! Ita certe non solet Horatius. Ergo si
. quid subditldum habendum est, non modo expelle' ea quae inser-
yiuntad amplMcandam primam sententiam, sed baac iplsam in
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TtBnte poBitam atque progr^siSinn coninrbafttem riimiK AcceAt
quad eadem qude in v. 25 sq., lice! plane diverso moiQ^ tnshit
iu V. 17 sq.; vide, quae tradat Herodotus, apitd Orellium; alia
quum slmilitudo nan sit ctmi Pliocaeamm (ag^a qnam Ipsa baec
patme exsecra4io v. 18. y aut Plrocaeorani ant iaramentl meniio
facienda non erai. Denique sunt, in qnibus dispUceat Ipsa ora-
Uo; panci? indicabo: iuremm in haec; renaritU vadis (eane Ima
dicas?) levata^ ne sit nefas; seu — procurrerit; repetitio liumis
quae est in : Eamus otrmis essecrata civitas y aut pars indoeiU
melior grege ; denique ultima ilki verba: inoimnata perprimat
cuAilia. Ceterum exeniplis supra coHocatis apparet Topddvtdfov
doeumenta non solere peti ex animanthini natura, sed ex rebus
inanlmatis firniissimisque hstrum le^ibus ; inter illas enlm vix quid-
quam tani longinqunni et aiienum est, quod non aliquando praeter-
exspectationem et consuetudineni accidat, bae vero slncerrlmo
naturae aeternarnnique iegum imperio obsequuntur.
Verum sat mulia praeter haec insunt in boc carmine^ diffi-
cilia ad explicandum; quod quidem eo minus admlrandum est,
qnod ne nunc quidem inter omnes^ constat interpretes , utrum yere
ac siwpliciter an^allegorico quodam modo inteilig^endnm universum
carmen sit, quamobrem disceptatur etiam multum de ea aetato,
qua or^um sit. Novissinrae de hac re Duentzeri atque FranUl
curae plane inter se contrariae sunt. 411e enim cum Grotefendo
annum 722 buius carminis natalem esse v.ult, hie cum Kirchnero,
cuius In partes cedit Orellius, anno 713 sub inltium belli Peru-
sinl ortum esse censet; ille allegorice, bic historice interpretatur.
Sed roulta quae Ille attulit Interpretatlonis causa artificiosiora
qnam rera sunt. Non ne^amus aliquam esse buius carminis cum
III, 6. et 24. similitudlnem , veruratamen qua ratione rem suam
administraverit po6ta, ea prorsus di versa est, et quaecumque
in boc carmine uno quasi obtutu comprehendit neque omquam ad-
dito sln^laris adiumenti consilio proponit , ea in lllis suam habent
indolem atque formam, id'quod ipsa extrema ntriusqne (III, 6.
et Ep. 16.) carminis pars satis docet* Non insunt bic univer-
sales quaedam sententiae, quas siderum instar babetillud carmen;
nan est gnomicum, sed mytbicum potius, non ipsa temporum con-
dicio disertum facit vatem, sed, singula magis curans quam totius
vim, complnra quae ad summam carminis leviora sunt uberrlme
ac luxuriofire ingenio suo exomavit* Horatium ceteris fere in
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1% H*tit\i»n.
lecis ad emiMidaiHlflHi rem pabUclini ^xcitasse fton video; milti
't>otiiis ittbet cMies super nrbe- euraa; si qua apnd ipsoin ex-
liortatia InveniUir^ ea in nioribas eorumqae tune satis neceasaria
emendatione poslta, neque- rero ex eoruni beUorum civiiinn cala-
itiitate profecta est. Detilqae carpit stmul leniter eos^ qal 1i«b€,
qaoBiam eos praesens qui erat renini status penUas pig^erel, ad
g'flavQtn dliqaod ooDsilium capieDdom haad parati .assent. — \Forte
quid espediat etc. vexatissimas locus, in qao miiltl perlciltati
Bimt. Explicant earn hoc modo ivng'entes yerba^ Orellius: fmd
expediat .carer e ; alli: forte Id est fortasie oHqtdd expmSai;
Ferd. Hand., Tursell. II, p. 740.: cammumter aui pars meHar
muHi ear&re lahoribus quaerUis^ quid forte espediat^ qnanqvan
melior ea Hotlone posse coniung-i cuiri yerbo quod dieunt intraii-
sitfyo negayit Oreilios (habet quidem.elus rei duo exempla, ZToik/,
ex Perg. 4, 16. melior sorbere^ VaU FL 1, 424. meUor eon-
tunderej sed non qualia reete desiderat Orell.), etiam forte pro
fortasa^ positom excusare difficillus el yidetur, de quo mox y|-
debimus ; displicet Rutgersi senteniia Bentleio probata Forte {quod
expediati) legentis , In . qua - n^tione yerbuffl expedite exenpHs
caret, tota oratio friget. Admirabilius etlam, quod Duealsi. p.
346. tiota sobiecta alTert, forte quid esse aliquid quod sit forte,
fortts animi (Fuse carm. lat. p. 185., non aliter Wa^dertfs ap.
Hand.); Ouentj^erus 2 Fortasee quaeritie commumter quid espe-
diat (faciendum $it)^ aut meliat pars quaeritis m. carere lab.;
ita ut quaeriUs doplici sl^nificatlone positom sit. En dlfflcnltates
lie Itt simplicissima quidem interpretatione evitaias! Forte transiit
In notlonem quam habere non potest nisi in condicionalibns enan-
clatis: fortasse. Infinitlyus utcumque lunxcris poatico more poai-
tus est, sed quaeritur nam ferri possit eo modo qui ad senson
melior sit, altera enim cunt y. quaeritis coniunctio etiam apad
Horatiom usitatisslma est, sed qoemadmodum quod Bentlc^lus la
carm. I, t, 0^ legend um statoit: nobiUs evehere i. e. ad et>ehen-
duTH^ id feni posse trllo modo ex le'g'ibus sermonis fortiler itt^
gamus, Ita cayendum est ne hoc quoque loco admltlamos quod
ilienum sit aut ab lingua aut ab usu. Videtnr sane dupDceui
ferre structuram , slmlHfer atque yoluit Duefitzerus et ut yidemta
factum esse In carm. If, 18, 38—40, ubi infinitiyus levare et
a voeatus et a y. audit pendere potest. Nott secuil tnaUs carere
lab. interpretaberis ut maUs careati3 laboribusl M aut^mf trabi potest
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HDraKana. Iff
etr ad expediat et ad quaerUis, — ^Xjh^mwm^ forte simile est
iGraeconim particiilae aV, quamqaam otiigo lange idiversa esk
Fors enim qaemadmoduni i^onsfllo oppOsMa est {¥• Fabr. ad -Lir.
2^) 49 9 14.), sie quod forte fit 9 cattsam id qvidem liabet sed
qtiam neqiie exspeetavimas neque voluimns; ergo eiian illud, quod
non ex dicta quadani cansa, sed alicuade peDdect, non ig'itar *per
se, sed condlcionibus quibosdam adstrictom est. Solet qnidem
lioc fieri praeihissfs particulis condicionalibus : «f, Mstysin; potest
tanien etiani post particulam finalem ne eodem voeabulo vernacliie
reddi, etsi non necessario; nam condicionale enunciatmn aliqnld
exhibet qaale a nobis cog'itaium est, ne antem^egt prohibentis,
qaominns aliqtiid fiat qaod fieri potest; in omnibus his non aliqnid
est rel fit^ sed fieri potest. Contra in particalam ut non cadtt^
qaae qnnm enuntiatnm alTerat, in quo certnm aliqnid efficere
studemns, non apta esse ex alia quadam re potest. Condicio*
nalem antem naturam indnnnt etiam relativa (nt Firg^ Aien. 5,
485. qui forte velint) atqne interrogatira et verba et enunctata,
et nescio cur interrogativo eadem notione postponi posse v. forto
contra Krebsiom firmiter negaverit Handius p. 740. (Praeceptom
^ammatieoram fluctuat inter utrumque, plerumque tanien addant
etiam num^ v. Zumpt %. 728*9 Grotefend ^. 131., Weissenb^
§• 398. , 4. , cf. Herhst ad PUn L Ep. p. 90 sq.). Qui quae exem-
pla neg'at esse, tamen exstant, ut Quint. 7, 3^ 20. num forte
supervaeua an amhigua sitfinitio. 5, 10, 122. an forte respon--
deant. Ulp. Dig. 4, 4, 16. num forte aliqua actio posslt
competere^ nam quod in Cic. Acad. I, 1, 12. eequid forte JRoma
novi leg'itnr, a librornm auctoritate non plane firmum est, recepit
tamen Orellius. Relatfris pronominibirs, qnae maxime condicio-^
nalem et indefinitam rim habent, maxime adiungi solet; ex eo
g'enere est pronomen ihterrogationfs, ut quid^ quod in nostr6
loco est. Coniungunt igitur Romani in hac notione et quod ipsa
rei condicione fieri potest et nobis verisimile videtur, ita ut,
quod nos ad subiectivam quam dicunt et obiectivam yim deno-
tandam daobus fere exprimimus verbis, latinus sermo una
eodemqne verbo exElbeat. Cur forte hie priore loco positiHf
sit, ne quaeras, id eonsulto factum esse statuimns, quia magis ret,
quaecumque est (quid)^ quam verbi ^J*j9^c/ta^ notio elferenda erat.
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KS
VII.
De Bsa infiDitiYi Plahtino eommentaiio ^).
Vix quidquani videtur snsclpi posse ei ad cognoscendaa
antiquaruni lin^uaruni verani proprianique natiiram fruclaosius ei
ad constitueadam le^itiniam rei gramiuatlcae normam utillus q/um
accurata sin^uloruni scriptoruni pervesiigatio , qua quttin oauua
eruantar, de quibus vel propter lectionis yarietatem vei coiuposi-
tionis ambfg'uiiateni in utramque partem dispntari potest, ton aJ
plenam absolataaique per varias temporom vicissitudines at natlv«
quaedam intern! progressus vesti^a et slg^na totius tiu^uae htsto-
riam perveniatur. Quare nanc de Plauto elusque usu iofinkiW
ac ceteris hnic rei proxime co^natis dicendi formulis mihi disse-
rendum statu!. Duo vero coinnioda niaxime sunt, quae hoc moilo
fonciliar! posse confido; prinium enini de multis rebus etlam nimc
fluctuare videmus eruditoruni iudiciuni , neque . inlprimi^ quae de
usu infinitiv! co^natoruinque dicendi modorum praecepta in ^aBima-
ticis, quibus uti consuevimus, libris proposita sunt aut omne^
eius rei anibitum coniplecti aut certis quibusdaiti et quasi inde
a stirpe ac radicibus repetltis rationibus obsequi ceraimus; io-
reniuntur baud pauca veterum scriptoruin usu comprobata, quae
yulgares et acceptissimas leges gramniaticas migrare videntor;
colligenda ea accuratlssime censeo ex gravlssiniis quibusque ser-
nionis vere latin! auctorlbus, ut omnibus si fieri potest coacer-
vatis opibus vera et legitima sernionis latini ratio exhibeatur;
deinde vero non minus de ipsa modorum, imprimis infinitiv!, natura
inter
1) Haec commentatio ante hos novem annos scripta est ad concele-
brandara solemnitatem fandatae ante tria saecnla scholae Vismariensis , in
qua ipse antiquas iiteras dooere coeperam, non quidem ampiins eenlies
tjpis rcpetita et later amtcos dispertita. Giiiiis quam ratlonem habaerit
satis diligentem yir exquisitae doctrinae et snbtilis indicil, W. Weissenborn,
in egregia comment, de gcrundio et gerimdivo latinae linguae Isenaci 1844,
earn boc loco panels Immntatis repetere, ad rem Ipsam yero denuo per-
lustrandam alio tempore reeurrere yisnm est.
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De U8I1 infinitivi Plautiiio commenUtio. 1^
nter erudttissimos Iiii|piuiraiii indagatores ortum neqiie ad extt«iii
lerducium certamen est^ quod ita demum componere licebit, ui
id universae ling^aae elusqoe siDg-ulorum scriptoniin accaratam et
lubtiiem perlustrationem acerrimo te studio acdngafii* Utraque
]uaes(io diirelli nequil; haec tamcn prius yidetur exponenda et
iberius, ut quid rei agaturperspicuum sit.
Natura infinitivi quae sit,.et qui cum reliquis verbi fonals,
inprlinis cum yerbo finito atque participUs, nexus illi intercedat,
iam Stolcorum doctrina quaesitum est. Qui quum quinque oratio-
nis partes constituerent, Q^fM autem yerbum per se spectatum,
neque temporis agentisve personae notatione determinatum , neque
omoino in oratlonis structuram receptum [uavvd-STov xatfjyoQfjfia]^)
esse iudicarent: infinitiyo similem formam etsi si^nificarunt, uni-
versani tanien rei notionem potius quam certam formam spectasse
videntur ; non enim inde difficilius yerbi finiti formae {xujtjyoQijfia
8. cvfAfiafia) deriyantur quam ex ipso infinitiyo. Verum siye ita
81 ye secus rem animo suo informarunt Stoici, qui philosopUae
yiam rationemque sequentes proprietatis ling'uarum fere incuriosi
faisse yidentur: rectius atque ita propemodum ut in iis plane
acquiese^re possis rem instituerunt posteriores grammatici) equi*
bus Apolionius Djscolus') ad yeritatem proxime accessit* Is
enIm g'eneris atque temporis notionem infinitiyo adiung'ens id.
magis respexit^ quod non in eius natura per se latere, sed ad
usiun et yeritatem pertinere yidetur. Nostris temporibus eam
rem noyis curis egregle expediyit Guilielmus Humboldtius ^ im-
mortalis memoriae yir ^) ; cuius quanto rectius veriusque instituta
2) Diog. L. VII, 58* ^fjiia.iatl /aIqos loyov otifiatvov dolvBsxov icariy-
yoi^tjfiay ^ oTotxblov Xoyov antwrov orj/jLolvlv t& awxaxxov nt^l rivos tf
xivmv* Quamquam graipinaticaram denomlnationaiii apnd yeteres atqae ipsos
Stoicos parum certa et coiistans ratio est (vid. /. Classen, de gramm, gr.
primord. p. 61), rectius tamen de Stoicoram doctrina iudicasse Tidctur Rud.
Schmidt in Stoicorum grammatica p. 44 sq. qaam alii , in quoram namero
sunt etiam Laur. Lerach, die S^rachphilosophie der Alien II, p. 31. 36.
204. , S, Stern, Lehrbuch der allgemeinen OrammaHh p. 125. atque Oefpert^
Darst d. gramm. Kateg, p. 53. '
3) De construct, orat. III. 13. p. 230. Behk, idiov ai fi^fiaTOS iotiv
iv iSioti fiSTaaxijfitaTi0fio7e ^tdg>Ofos %q6vo9 ^td^tolg ra 17 ivtQyijtiuti , rj 9ra-
'Bijttxij ual iri ^ fiiotj * dtp ndvnov fAitilafis %6 ysptxwrator' ^ig/ift * l*y^
TO dvciQifig>avov» cf. Lersch p. 128.
4) A. IT. v.ScMegels Indische Bibliothek If, p. 74—99.
L^bher, ges, Schriften. 9
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130 De «ra iiiMliri PlanUnd cewmrBtaito.
iispiiUtio rideisr, ^aata inagis nobis vesligiis fneistendam eriU
Untoqoe magis mhramur, qoomodo faciam sit, at receniiores grwm-
matici ab hac via rursua aberrarent ^). Ad boac igiiar onus
fere nostra dtspoiatio rediblt.
PriDium i^tar qaaeritar infinitivus nomen sit necne; potest
enim ita sane videri, ac vulg^o (it, ut eiusdem nominis priaas
casus dicatar, reliqui aatem g'erundio Iribuantvr. At nnltae ok-
stant quo rolnas Ita censeas difficultates. Primum enim onumo
aliam prorsus vim exhibet verbam cum nomine atque cam infiai-
tivo ianctum; hie, at Ilumboldtius docuit, cum verbo sao fiaito
arctissime cohaeret et in unam quasi coalescit notionem^ noMefl
vero e verbo pendens plane seiundam ab illo habet rationeM ft
per se valentem. Atque ubicumqae in g'raeco sermone usom ia-
finitivi eiusdemque articulo addito comparand! opportunlias daU
est, baud levem utriusqoe formae diierentiam deprebendes.
Deinde consentaneum bine foret, infinitlvum In latino semoif
omnea at obiecti quod grammatici dicunt et subiecti vices sosU-
■cre; quod nisi fit, nomen esse nequit. Ac revera g'emndii ac-
casativnm non babemos, nisi cum praepositionibus coniunctoai:
f»er se poni atque obiecti ipsius naturam induere earn vix uw
probatur exemplo. Accuratlus igitor iBfinitivi notioneRi asae-
queris, si et cum verbo finito et cum participiis eam contaleriB:
illud fecernnt veteres g'raromatici, hoc Imprimis inter noMrates
Humboldtios. Partidpium enim et adiectivum attributivoroni partes
sunt, illud auteni ab altero Itas^distat, otefficaciae, motus^ actio-
nis notionem babeat propriam; unde si detraxeris id, qaod attri-
butlvum efficit, meram Infinitivi indolem nancisceris. Medinm igitiir
5) K. E, Geppcrt , Ditrstellung der gramm, Kateporien p. 53. : Dns f^fin
ist in dieser Form wieder em Zvofia , es hat nicht mehr den Ausdruci der
hesHmmten Person, sondem nur Personlichkeit , es hat nicht die Unter-
sehiede de$ GescMechts, aber es isl ein Neutrum — aU Neutrum aber, ah
dritie Person, aU DarsteUung der Hand^mg an und fur sich, ohne tdlt
MUcksicht auf irgend eine% Untersckied, der nicht in dem Begrif selhtl
liige, ist es ebeti so nothwendig ein Adverbium, und enthHlt den BegHf
der reinen SubstaniiaHtat. Contra ea Tide quae diMerit Humboldt*, p. 84.:
die Abstraction hann, indem sie den Begriff des Attribntivs zuriickstdssi,
ouch den der SnbstantitaHat entfemt halten, nnd mass es, wenn sie rfw
das auffassen will, was das Wesen des Verbum msmacht, Wie sie rfff
Substantialitat einmischt, geht dies Wesen nothwendig perloren.
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De QM iBlfiitlri PUutiiio commaitati^. 131
Ioe«tt obtinei infintthma inter ptrtldpiim et Bomen^ non at iftrii»>-
que formae nattram la ae compleetatar, sed ab Itlo profioisceaa
ad hoc tam prope accedat, ut fadllime traasire in etas et vim
et formam poastt®). Vemm saat qai infinltiran propria substan-
tiri qood dicont rerbalia indole praeditam esse noneant ideoqoe
Hondnis aataram ei vindicare stodeant; at quod in sobstanflvam
onirer^om, etiam in hoc eiaa genas cadit, ac recarrunt ita dif-
fiedtates qaas contra illud moveri ridimus. Sobstantirom ter*
bale aotem naseitor turn demon ^ quom ab ea^ qoam posolmaa,
infinitivi origine pauHo ulterius progr^edimor, ita ut, non omissa
aetionis et potestatis in aliqaam rem transeantia slgnlficatione^
aabstantivi virtutes qnaedam^ quae verb! natarae non repagnaat,
bnic novae verbi formae adhaereant. Vernm fluctoat haias rei
et Bomen et notio; etenini Bernhardius inflnitivam fpsam ^ Trjpho,
vetus grammatic^s, inf. graecam addito artlcalo, Hamboldthia
non ferundiam, verom a verbo deriratam subst, quod rerbi
¥im et naturam prorsus exuit^ nomine subst verb, ornate ex
Plautl sermone yera singularia eiosmodi formae usus afferendaa
est, qui hoc nomen necessario postalat^ sed verbalem natoram
mlnime abieeit ideoqoe arttioiibos coatinetor legibus. Ex qoHiue
rtbas quom diyersam ab usu lingoae per se necessario vlam inlri
in slngalls Hnguis appareat, neque quam Humboldtius iHius appel-*
lationls canssaro protalit neque quam gerand|o tamqoam necesaa** '
riae omnlumqoe lingnaruin cemmani formae tribuit laiidem, ea
facile nobis probabitar.
Ne long! simus in exponendiC egregii viri argumentatione,
aabsistamus pauliulum, ut earn, de qua nunc maxime agitur, rem
antea componamus , deinde ad alia transeamas. IIllus quern modo
dixi usus haec ratio est: primuni substantiva verbalia , ni amatio^
f actio J ibi leguntur, ubi posteriores scriptores Ipso Infinltlvo
6) W, V. Uttmlohlt in iful. Bibh H. p. 81.: Da dan infinitiv, nacH
der ersten der Mer versnchtcn Uerleitungm, der Ausdruck des bcstimmtei^
Seina mangeli, wid er nach der siteiten weder xnhHrent, uoie ein Attribth'
tivum, noth sethstHfidig , wie eine Sulstnnz i^t, so kann er sick nur in
einem ZusUmde der AhhWngigkiit hefinden, und das VerhHUniss die$^'
.AbhiingigJieii muss dasjenige sein, m welchen\ ein Handeln zu dem fMnddn-'
den Subjeefe steht. An stch hezeichnei er, nach Bernhardt 9 eehr gelttnge"
nem Ausdmck, niehts ah ein hfosses nnnnterseheidhares Flieesen der
Handlung.
9*
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133 De QM MMvl Pfamtiao cowmpUUo,
vtantur: aeerba amaOo mt^ Poen. 5, 2, 136., yel aMito gmi-
iirOy tamqaam vl vere MbsUntiTi nominls, odiosa €iu$ itmaik
esty Rud. 4, 5, 14, rel iia, vt ad gerandivi nataram ei neces-
sitatis notionem prexime aceedat: cauHo est. Pom. 1, 3, 36^
istaec magU iua euratio estj ib. 1, 2, 141., rel ita «t netis
intef infinitivi et partcp. pf. pass, ^atnram media exsistat; quae
kaec f actio est^ Bud. 6, 3, 15.; turn etiam aliae solistaiitiTonn
a rerbis derivatornm formae cum eo qaem yerbmn babet.casi
foniungi pergant, relat satis frequenti usa roc. uims ''^ am
ablative (example recabali opus)^ deniqae miro qaedam mo^e,
quern posterieres scriptores antiqaae sinplicitatis aemuli imitati
sunt, vulgaris ilia snbst. verbalis forma eaque solo nomiaatliro
casu et addito verbo esse ita ponitur , ut et casus a yerl>o reqairi
solitns et brevia enunciatomm relativorum membra inde apta siit,
Beque aliud quidquam fiat, nisi nt'certa verbi finiti forma expri-
matur^). Singnlari profecto casu accidit, ut ex bac re nasceitig
linguae primordia et successus nobi3 appareant, in qua infinitives
.neque a norainis natura et forma iam liberatus ad suam proprian-
que normam pervenit neque -verbi finiti forma dare expressa est
Verumtamen adeo exculta ea forma est eiusque usus tarn ardls
eircumscribitur finilms, ut, qui antiqaiorem infinitive fbrmam indeqie
demum infinitivum et participialia nata esse docere vellet, nulla
fide dignus haberetur. Est potius imitaiio natnrae cuiusdam son-
plicitatis, quae in po^tarum comicoruni sermonem magis cadit et
quotidiano usui accommodatiorem et arcessita quadam ne^Iigentii
7) Men. 5, 2, i, Pers. 2, 5, 27. Rud 1, 2, 12, 2..3, 67. 4. 4, 39.
Stich. 1, 1, 56. cf. Virg. Aen. 8, 441. ibique Forbigcr.
8) Exempla afTeram haec: quid Hbi hanc euratio est rem? Amph. U
3, 21. quid tihi hue receptio ad te est meum virum? Asin, 5> 2, 70. quid
tibi ergo meam me invito tactio est? Aul. 4, 10, 14. quid tibi istunc tacHo
est? Cos, 2, 6, 55. 57. Cure. 5, 2, 27. nihil in ea re captio est, Epid. 2, 2,
112. quid me vobis tactio est? Men. 5, 7, 27. quid tibi clamitatio est? Most.
t, i, 6. quid tibi me aut quid ego agam euratio est? ib. 33. quid illi redi-
tio etiam hue fuit? ib. 2, I, 30. quid mihi scelesto tibi erat auscultatiol
quidve hinc abitio; quidve in navem inscensio? Rud, 2, 6, 18. 19. quid
tibi interpellatio aut in concilium hue accessio est? Trin. 3, 2, 86. quid rtW
hue ventio est? quid tibi hanc aditio est? quid tibi hanc notio est? True 2,
7, 62. De aliis vide C. G. Herzog, ad Caes. bell, gall p. 629.sqq. et
Reisig, scbol. gramm. lat. ed. Haase §. 340.
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De HSU Mflftfvt Piautino commenUUew 138
Isaepe commendatum ; neque aUtar ea fermtila Plautna aut, mnUo
^tfam infreqaentiiis, Terentiud nisi in interrog^aiionibus cam admi-
rationls qaadam et indi^natione interdam expressis,^ quae ne^aniis
responsionem expectari inbent y ideoque seme! etiam in ipso ennn^
ciato per negationem expresso.
Videmnr nobis id nacii esse disputalione nostra, ut pecu-
liarem banc formam, etsi illo nomine substantivi rerbaiis dig'nis-
slma sit) tamen neque nudae verbo expressae actionis significa-
tlonem habere neque infinitivi vices satis sustinere appareat;
quippe quum ex nonilnis natura iam plus sibi assuniserit quam'
cum merae actionis notione concHiarl queat, eamque ob causam
abiecta paene verbi natura mox in perfectam substantiri potesta-
tem ablerit. Videamus igitnr id quod quaerimus, num forte gerundio
et g'erundivo ipsove infinitive adepta esse lingua latina merito
videri possit. Verum ibi quoque nova occurrunt impedimenta.
Primum enim carent g-erundii forma alia^ linguae, graeca prac-
sertim; quam vero haec habet adiectivi verbalis formani, eaexi*^
g-aa tantum parte gerundivi Latinorum notioni respondet. Per
se igitur parum probablle est, ea forma contineri universam et*
ab omni rationum nexu abstractara verbi formam, quae unius
tantum linguae est. Deinde ambigi iteritm poterit, gerundivi an
g^rundil prior forma fuerit et ntra ex altera prodierit; utrum
necessitatis notio ipsi antlquitus adhaerere eaque quum infinitivi
iinperio subiiceretur sensim evanuisse, an nada actionis notio prima
fuisse atque ex infinitivi demum natiura necessitatis significatio
derivata esse censenda sit^), Qaamquam vero notiones necessi-
tatis et rei futurae inter sc proxime cognatae sunt, non idcirco
9) Ex uniTersa rei contemplatione magis desoendisse ad peculiaren
lingaae latinae formani qaam liinc ad summam totius rei expositionom per-
venisse yidetur Humholdtius p. 91 : Mm bediente sich also des Neutrum des
Singulars jenes part. fat. pass, und in bestimmten Wortstellungefi, alter Casus
desselbei^, urn die Umwandlung des Infinitivs in einNomen zu bezeickiten, und
so miscU sich in dem lateinischen Gerundium der Begriff des Infinitivs mil
dem dieter, eine NothwendigJceit bezeichnenden Verbalien. Atque p. 93:
Das Gemndium, der Form na/ch das Nentr, sing, jenes Particips, wird von
ihnen (den lat. Grammatihern) wie ein Verhim, ein Infiniliv, in einiger
RucJssicht ouch wie ein Adverbinm behafnlelt , das Pdrticipium nach Art der
Nomina. Dortjiegt diescr Unterschied nur in der Construction und der
gramm. BehtmdJung,
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134 De HSU MsitiTi Plantiiio iHmmetMio.
tameii dnplfeem Mm tigidficatioflem steteeDdam esse puto y etm
iiia3diiie lA causav, qsia non nodo fllias Batam adeo aaceps
eat, at atra notio prior potiorqae sit eog^osci nequeat, veran
etiav quia ntraqae non onai ex parte ita expleri hac forma wldeiwt^
at aliis ad earn exprimendam formalia carere possfanas. Si quid
rldeo, hie deprehendimas anam ex Qlia sat nemorabililias et
draixa attentioae di^nis in aniversa ling'oaram et rei ^annnatieae
eontemplatione locis, in qaibas formae notionesqae non sibi plane
respondent et secnm con^oant, sed anim! cogitationisqae ea Yk
ae gravitas est, ut — si licet imagines adUbere molii teneraeqae
Ingenii naturae — aberem plenamqae fractum boc tamqoam pata-
nep eapere non possit. Quamobrem cave ne nimis sollicite qoae-
rasy qaomodo ortae formae atqae qaatenas iis notlones aptae sint,
bae enim illarnm ambitam saepe peragrant, ambae se inrieen
perragantar ; noli nimls anxie perpendere qaae origines formarom
sint qoore temporum orpine sese exceperint: exstant eodem tem*
pore, nascdntar et vigent simni, progressas et incrementa raris-
slme reperies. Gerundiam et gerandiram. simul foenint, et si
ipsam gerendi agendiqae notlonem tenes, ilia forma potior babenda
erit, nisi forte sermonem latinum universam magis ad patlendi
qoam agendi significationem incllnasse probareris ^^). Opas fait
sermoni latino roeram actionis notionem infinitiFO expressam dapV-
citer in nominis naturam transferre , at qaomodo et ei qai ^gH
et rei qaae agitar inhaereat dilucide perspiciatar; baec igitar
10) M agis id evenisse vidctar posteriore sermonis latiiii aetate , qaam-
qaam malta iam apad Plaatam reperiantur commatati ac plane permixti
Qtrinsqae generis docnmenta. Spectat hoc simul ad illam quae infra dili-
^entins explananda erit nudi infiniti?i eiusdemqlie addito accusatiyo freqnen-
Uan; passiri enim generis infinitivns vim accasatiyi et inanitiTl ^nam
aequat Interdum ne poterat quidem sine gravi sententiae de^imento ijit
a(^. poni: longum est tricouem maleficum exomarier. Bacch, 2. 4, 35.
f acinus, indignum herum meum deripier, Men. 5, 7, 17. quibus insputitri
sulutiinit, Capf. 3. 4, 23. i in aliis locis vix quidqnam interesset actiraa
poneret an passiTum: concedi optimum est, ib. 25« Et amantisainns inter-
dam PI. hnius passivi dicendi generis est: desitum est esse et hUd, Mo^
4. 2> 40. ?inud intermissum est esse et hUn, ib. 41. Notanda astern hoc
loco etiam singularis vocaboU posse apnd Plautum signifkatio, quae inter
mlgarem et intransitiyam fluctnat: video non potesse quin tUti eius nomen
eloquar, Batch. 3. 6, 30. cf. Most, 2. 1, 49. Pers. 1. 3, 62. Poen, a 1,
64. et sexcentos iilos locos ubi le^itur: potin ut sim.
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De uwi' iofiiiiU^j Plaoiiuo ^omniettlaiio. 135
adieeika illius forma pariiiu »gwim erat pariim paUentis *'),
illani pariicipiam qaod praeseniis aciivi lewporia dici solci, banc
quunt eadem passlvi i^eoeria foriua exhibere deberet geruodivi
quod dicimus dive pari. fui. passivi, queniadmodum paruM apio
same vocabulo nuDcupatur, forma expressit/ cui participii praea*
pass, nomen iribuendutn esse propterea non videruni veieres g^ran-
matici, qala nullani prorsus teniporis aotationem in participiis inesae
paruui respexerunt. Eiyniologoruiu est diiudicare ipsaene his quae
tlixJiims formae consantaaeae sint et nuui quid ex aliarum liii|^ua-
ruBft comparatione admiDiculuiii huio senteniiae accedai; nobis satis
erii cog'novisse, non posse alia via rei difficuliateni planius ex-
pedirl. His auteui forinis prae^^r g'erundiuiu infinitivas quasi sui
iuris esse desiit, actio quae inest in illo non co^noscitur nisi in
ea re in quani eius poiestas transit; restat g^erundium ipsun, in
quo eius efBcacitas, afficiendi rem obiectaiii et in eam transeundi
poiestas y cernitur. Ilinc factum est, ut g'erundium ag^endi notio-
aeni qualis infinitivi est et irerbi terminos numquam migrasse dicere
ficeat; et, quamquani non ii sumus, qui larg'am huius formae vim
siabilemque naturam satis ^ita compreliendi et exprimi posse pute- .
wus, dici tamen probabiliter potest, verbi quoddain adverbium
e&se, Imprimis casu ablative. Etenim actio, quae neque temporis,
personae, modi rationibus plene deierminata verbo finite, neque
aclloni cuidam per se aliqua ex parte niancae acclinans infinitivo
ex^rlniitur, non potest nisi aut cum nomine aut cum verbo con-
lung*! , idque aut arctissimo nexu aut hxiore cui ipedia quaedam
notl9 Interposita est. Erg'o actio aut inest in homine agente
(part, pn act.) aut in ea re quae actione ipsa maxime afficitur
(gerindiv. s. part. pr. pass.) aut in ipso agendl niotu conspicitur
(geruid.); hinc simul colligitur, participium primum condiclonis
duranlis et in ipsum illud quo qnis agit tempus incidentis, alterum
perfedae et quum id accideret quod primaria actio est praeterlapsae,
tertlun (idque ut videiur posteriore sermonis usu magis ma^fsque
excuUun) instantis et exspectatae turn, quum altera actio fieret.
11) Quatnqnam ne hoe quidem discrtius dici fas est, si attendimas ad eum
usnin, fualis est pcreuuda est puppis, Epid. i, 1 , 69. placendn do* quoque
e»t, Trin. 5, 2, 35. •qaam cayc ad comici seraionis liccntiam referas, qnua
vestigia potios eius aetitis a^noscas, in qua yerin ai^tivi et passivl aea-
triiiYe notio nondum satis cxcalta ct disUncta est. ;
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196 De mn faifiiilUvi Mautlao comm^rtatle.
VUtn denvo mviiieBdaiii cnrarfanas, in qua tate iuristare me
progredi omnts nostra dispntatlo possit, ut et uaiversa quae^o
et pecvliaris huius scriptorls pernio nmtiiam praebeant et accipiai^
Inde locem. Accedlmus autem , ^ostquam haec iecimus dkipata-
tionte fandamenta 9 ad slngalas qaae de Plaati asu loquendi nolm
proponuatur qaaestiones. Solemas eniiii primum fere tcm ita
institoere , ut gernndium hac lege in gerundivi formam commntari
doceamasy si casus quem yerbnm adsciscit aceasativas est; atra
aotem harnm fqrma magis primitiva cen^enda est? Qaamqaam
hie quoque tempos nlliim faisse nego, ubi alteratra forma sola
exsisteret, tamen genindium, quod et notione sua et nexo com
reliquis verbis inito infiDiUvi naturam et activam vim fortius retlnet,
prima ilia aetate frequentiore quam postea usu adhibitum esse
videtur, ita ut optimo latlnitatis aevo cum accusative verb! neo
fere legeretiir , nisi ubi perspicuitatis aut gravitatis ratio postularet,
extremis deniqne litterarum romauarum temporibus , teste Prisciano,
hie usus evanesceret; gerundivum autem ibi in usu esset, obi
non tarn actio quam res quae ea afGcitur spectanda est* Sic haba
Plaotus: spatium et dabo esquirendi meum factum ^ AuL 4, 1€,
76. rem perdendi gratia^ Cure* 5, 3, 28. \Epidieum operan
quaerendo dabo, JEp* 4^29 35. te deprudandi causa ^ Men. i^
3 9 13. dolent manendo medicum^ ib. 5, 4, 2. hominem invesH'
gando operam dare '^), Mil, 2,2, 105. exorandoj hand adv^r-
sando aumendam operam censeoj Stick. 1, 2, 22* ret agenSae
isH Solent operam dare^ Merc. 5, 4, 27. nos latando opemrn
dederunty Poen. 1, 2, 13. potestas est adipiscendi ghriimy
Stick. 2,1,8. n^que tamen rarius gerundive per omnes efos
formas usus est, adeoque in genitivorum aut dativorum cunnla-
torum usu et perspicuitatis et aurium ac numeri paene negbgens
12) Hinc rcfititnendum etiam Trin. 4, 2, 27. videlar: agitmmm sit
vigilias, cnm Grutero, quem. subsequuliis Lindeinanims est.— Cblcram,
quae est huius scriptorls summa in yariandis formis ac diccndi gsiieribns
ttbertas, aliis locis banc dicendi formniam cam infinitiyo iMen. 2,1, 19.}>
de qua re infra agetur, aliis cam pracpositione ad hoc yerbam ooninngit.
ut Merc. 5, 2, 94. operam swnam ad pervestigandum , ubi sit ill^c; ean-
denique particulam etiam snbstantivis adinngit; ad advorteudum benigwias,
Merc, I, 1, 15. comitas ad enarranduniy ad auscultandum benignitas, Sftl.
2, i, 1 sq. tanta ad fMrrandum benignitas, Men. prol. 16.; neque a iter
adiectiyis: ad perdmdum magis quam ad scribendum citus, Bacch, 4, 4,86.
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De usa isflnltiirl PlaaUne commeotatio. 1S7
full : hero tecarendum eat apUmo^ MiL 4, 5, 11. linguae mode"
randum est ndhij Cure. 4, 1, 25. armamentis comptieandU et
ctMinponendia studuimus , Mere. 1 9 2 , 80. teeth atemendis atu-
€iti$mus munditHaque apparandia^ Stick. 5, 3, 5. habeo linguam
natam graiiae referundae^ Pera. 3, 3, 23. centuples niurua
t^bua aervandi^ parum eat^ ib. 4 9 4 9 11. haa opeaque apeaque
t^oatrUm cognoacendAm condidi (quas formas non pato Plautmn
ob soni iDsuavitatem contraxisse , at censet Reisi^ius p. 775.
sed metri eausa, cf. Caa. 2, 6, 66.) Bud. 4, 4, 101. Etiam
ablativo gerund!! casQ freqaent!i^!iue et ita quidem nsus est, at
non primarium verbuni aceurat!us tantumniodo «t adverb!! instar
deiniatar, sed at raUo, eaasa, remed!um exhibeantur, qa!baj9
Ipsa primar!a actio efOcitur ; pugnia memorandia meia eradicabam
kominum aurea^ Epid.S, 4 9 22. lucro faciundo auapicavi ^ Pera.
49697. cor retunaum eat oppugnando pectore ^ Paeud, 49 49 8.
reapae esperiundo iia datur acerbum^ Mud, I9 3 9 2. Nonnotn-
qaam ct!ani adiectis vocul!s in^ inter sIm. nilill vM verb! finiti
forma cam temporis particula exprinii videtur, quibus !n locis
qaam apte gerund! vam participiani praes. pass, dicatnr clare elacet:
in cogitando maerore augeor 9 Stich. 1 9 1 9 54. inter rem agen-
dum iatam, Ciat. 49 29 55. Hoc denique niodo fier! potu!sse
demonstratur 9 at gernndium aliqaando p^enam perfectamqae infini-
tivi nataram retineret assamta modo declinationis forma 9 !ta at
accosativas cum !nfinit!vo !unctus9 l!cet inf. e nom!ne subst. pen.
dens in gerund!! gcnitivum trans!ret9 tamen locum suum obtineret:
noa detia loquendi locum , Capt. 29 I9 21. (vide notam-Lindc-
manni ad eum locum) ub! noa non oblect! quod d!c!mas9 sed sub-
iect! accusativus est: detia locum noa loqui. Quum autem hie nc
aceusativo quidem et infinitivo solemnis locils sit 9 bine simul pro-
batum ire licebit9 infinitivum ompino posse accusativum ilium
sib! expiicationis causa assnmere.
Sed iam altera adest quaestio : quaenam intercedat ratio inter-
infinitivum et gerundium; id a^utem maxime evenit casti genitivo,
praeterea etiam accusative cum praepositione coniuncto, neqae
saepius quam has a posterioris aev! po^tis confund! vides uUas
formas. Noli tamen inde colligere Plauti usum verlorem huius
re! ttormam exhibere; expectares enim ita antiqulorcm formamne-
cessario apud antiquiorem scriptorem magis tritam fuisse, atqui
prior necessario infinitiv! si non forma at certe notio est^ Bt ita
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13S f- De lUNi infinUivi PlaQtiao commeitiitio.
vere accidit; qunni ^ernndimii forma ipOniiivl aeque neees^aria
eral, haec non miiias amplo ab initio valebat usu, ita ut infioi-
ilviis postea adeo -frequenter in enm qnem dicinius modum abhlbliiis
nunc et rarlos et cautias ponatur, etsi certi inter utrnniqiie die-
crlmlhls lex nondum appareat. Sic le^ar saepisslme nee miU
iu8 meum obUnendi opUo M^ Can. 2, 2, 16. adipiscendi potesias^
Ep. I9 1, 12. cunetan^i copia estj ib* 1, 2, &9» oceaaio est fa-
diindij ib. 2^ 2 9 86. conveniendi copiam ^ Capt 4:j 5, 90. Mere.
5j 2j 9* iempus non est introeundiy ib. 5, 2> 75. locus loquendi^
Ml/. 3 9 I9 8« esemplum experhmdi y ib« 42., canvemendi potesta^s^
ib. 4, 2 J 19. copia adeundi atque impetrandiy ib. 4, 5, 11.
id erit. adeundi tempus^ Pers. 4, 2, 8. c^ Mi concUiandi face-
rem eopiamj Pers* 4t. 3 9 69. in capite tuo conflandi copia eat^
Rud* 3, 4, 60. tempus adeundi est^ Trin. 2, 3, 31. illius in-
speciandi maior copia ^ Bacch,^^ 3, S3, tacendi tempus estj
Poen. 3,49 31. est mihi adeundi ad hominem tempus j Bacch.
4, 6, 4. malefaciendi potestasj Stick. Ij 2, 60. potestas adi-
piscendi, lb. 2, 1, 8. redeundi principium placet^ Stick.' 5 ^ %
23.; inveninntar tamen etiam looi^ in quibus infinitivus eiosmodi
sabstantivis apposttus est: f acinus postulate ^ Bud. 2, 3, 63.
est libido komini sua animo obsequij Bacck. 3, 3, 12« qui tidi
libido est male loquij Epid. 1 , 1 , 87. id lubido est scire , ib.
292, 56. Men. 1 ^ 1 ^ 7. lubido extemplo coepere est conviviumj
Pers, I J 3 9 4L lubido est perdercy lb. 2 9 2, 6. kunc irriiiere
lenonem lubido est 9 Pers. 5 9 2 9 27. est lubido orationem audire^
Trin. Z^ I9 26. magfs lubido 'st observare^ lb. 49 29 23. certum
consilium est oppugnare^ Ep. I9 2, 68# consilium est ita facere^
Mil. 29 39 73% occasio tempusque abire datur^ Men. 3, 3, 29.
tempus est senem alloquij Most. S^ 29 25. nunc adest occasio
Aene facta cumulare^ Capt. 2, 39 64. ut quaeque otcasio est sur-
ripere se ad me^ Cure. 1 9 1 , 60. nunc est occasio ulcisci^ Pers.
4, 7^ IS. agere tuam rem occasio est, Poen, 3. 3. 46. facere
oee. est^ ib. 5^ 4, 42. Alia vero verba dicendique genera cum
part, ut a Plaqto coniaugi infra denionstrabitar. Etiam cnm aliis
gernndii casibns conimatatur infinitivus : sum d^fessus quaeritando^
Ampk. 4, 1,6. aggerunda aqua defessij Poen. 1, 2, 14. pui-
tandoj Stick. 2, 1, 41. at contra: sum defessus quaereroj Sp.
2, 2, 13. 59 2, 54. pervenarierj Merc* 4, 5, 3. Atque cuius
vocabu]|f (dare) propria cum infinitive coniunctio a po6tls postea
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De asa inlniUvi Plavtitio €oinmenUii#« 139
frequentatar, etas tix mnm in Plauti fabolis, praeter locum in
P^rs. 5, 2, 40, bibere da usque plenia eOntharU^ exenplum, saepe
vero cum g'cnindlvo apud illam est") (at Per8. 1, 3, 38. 47
8q. 50. 3, 3, 35. Mi/. 3, 1, 10. Poen. 1, 2, 125). Hoc loco
antem Idoneam yidetar verbulum addere^ de eo Infinltivi nsu, quo
cum sopino proxfme conspirat, et cuius aliquot in fabulis Plautinis
exempla exstant, quamquam supini usus apud hunc adeo excultus
et frequens est, ut non possit apud alios maior esse. Neque spcr-
nenda eoram sententia est, qui (Humb. p. 97) banc formam ex
indlca lingua infinitivi loco in latinum serraonem pervenisse ac
primo quidem ampliorem fuisse et ibi quoque usitatum esse indi-
cant, ubi suus postea infinitivo locus erat. Et habet apud Plau-
tum eundem , atque verbum , casum : ^t suppHcatum venio , ^ul*
4, 10, 22. id adeo te oratum adverdo ut ignoscas^ ib. 9. earn
veniquaphitum^ itfiY. 2, 5, 32. ire amanti operam datum j Poen.
3, 1,9. quum patrem adeas postulatum^ Bacch. 3, 3, 38. ex-
quaeaitum mores venis^ Stick. 1, 2, 50. salutatum deo8 devor^
tor J ib. 4, 1, 29, quam arceasitum missa aum^ ib. 1, 3, 42.
Vcrum omnino tarn long'a exemplorum copia est, in quibus Plautus
utraque supini forma utitur, alii scrlptores ad alias formulas con-
fu^iunt, ut de antiquitate et necessitate, quoad quidem latinitatis
ratio postulat, dubitare nequeyis; idque ad veritatcm eo propius
accedere videbitur, quo magis in propriam supini naturam etori-
^Inem inquisiveris. Sensit latinae linguae ingenium^ duas sibl
formal esse necessarias •*), quibus infinitivi cum nomine coninnctio
13) Non difficile erit utriusque formae notionem accurate dignoscerc:
gerundivum enim oinncm actionis (dme) vim trans fert in illam quae certo
aliquo consilio datur rem , infinitivus paullalum immutato saepius yocabali
sensu ipsi action! plnrimnm uomenti tribait atqne tum uecessario requiritur,
quum ccrta quaedam res omnino non est quae adiiciatur: exprimendum
autem erat per ipsum gerundii accusatiyum, cuius vices quum sumat infini-
tivus ipse , haec res legitima potius quam praeter normam facta existimanda
est; id quod monendum erat inprimis propter Humboldtium, qui p. 94. iii-
fin. pro ace. gerundii habendum esse negat. Vulgaris usus exempla prae-
bent etiam Bach, ad Ov. MeU 7, 405 sq. et Hess ad Tac. Or. 7. p. 42.
t4) Aliter iudicare videtur Humboldt, p. 97, quamquatai neoessitas ilia
nihil aliud est quam studium illud linguae suam propriamquc indolem omni-
bus numeris explendi et proglgnendi: Von mehrenm Verben waren Jceine
Swpina uhlich, deren man, streug genommen , da man Infinitive md Cfcnm-
dien hatte, enthchren konnte. Dock Ut nickt zu laugnen, doss sie, ener^
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140 De 11811 Infinitivi Plantino comniBiitatlo.
exprlmeretor; dterain nascentts et mere cogttatae, alteram per-
fectae et vere actae conditionis , ilia iaest in verbal! substantiri,
de quo supra diximus, haec in snpino; Ilia tertiae, haec qnarUr
declinaiionis forma est, atqne prout necessitas loquendi postalabit
magis minusve in veri substantivi naturam transllt, Ita ot certn
fines constituere non liceat. Quuni autem id quod in supini notlonf
Inest non adhibeatur nisi ab agentis consilio suspensnni , anice finei
denotare debebat quern actio ipsa spectaret* Id autem dopllci roedo
fit, aut propinquiori aut remotiori; si efficitur Ipsa res, accasa-
tivus, si per aliud quoddam quod quasi medium interposltam est
res afBcItur, dativus casus reqniritur. Atque hi casus snot, a
quid video, ambae illae supini formae; ita quidem ut datims,
quum antiquiori tantum forma uteretur quae cum ablative conspi'
rat, mox pro ipso ablativo et, suborta originis oblivlone, pro-
miscne cum Hid haberetur; quamquam habeo, qua alia ratioM
dativum supini cum formula opus est aL coniunctum explanandao
putem, quippe. quum agendi consilium et remotior quidam finis h
ea agnoscatur. Quod si ita est, babet supinum quandani co^tatae
perfectionis (en propriam aoristi Graecorum potestatem) signlfi-
catlonem, minus quidam gravem, ubi proximo instat actio ipsa
(is dormitumj Cure. I, 3, 27), graviorem vero, ubi longm
quodammodo in futurum tempus remavetur (facilia facta facta,
Pers* 5, 1, 9. pessimum aggressu^ Pers. 4, 4, 10. '^invenU
pessimas) Merc. 5, 2, 6.). Quae notlo quum neque universe infini-
tivo neque praesenti aut praeterito eius tempore contineretar,
hinc causam suspicari licet, cur apud Plautum minus quam postea,
quum infinitivi laiior quidam ambitus ac vis orta esse videtui,
gischer als jme heiden Fomien, die Bcwcgung dcs EntschUisscs atideufeu,
und dem Lateinischen Ausdrucic dadurch nicht nur eine schone Manmck-
faltigJeeit gehen, sondern auch die ikm gmhz eigenthumliche Festigkeit, Wnrdc
und Kraft nicht wenig befordem. — Quamobrem si iudiciuin sibi^ constat,
ctiam ibi, nbi supini usus cuip gerund ioet tnfinitiyo commutari potest, erit
cur hand levcm inter ilias formas discrepantiam esse contendas; etcnin
aec. ger. cum praep. ad et magis nniversa dictio est et minus arctiore con-
scquentiac nexu icnm primario verbo cohacret quam prior supini forma.
Secus visum Humboldtio p. 98: In dem Supinmi in u findet sich dahfr
noch mehr, aU in dem in urn, die Natur des Mnfinitivs , und es entfmt
^ich stHrJser vom Gerundium, da es nicht ehen so durch das Gerundtumin
do, mit der Priiposition i n , wie das Supinum in u m durch dm Gerundiim
in dum, mit der PrHposition ad, vertreten warden Icann,
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De 118V bifinHlvi PbiitiDo Cjommentatl^. 141
inprlmis postqnam graecaram liUerarom maixiina exstfUt In romanas
litteras ling'iiamqae laUnam potestas, commatatioiiis supini et in-
finitivi exenipla deprehendantur. Sunt fere haec: ibit arceaserey
Bacch. Sj I9 120. venerat petere^ ib. 4, 3, 18. abivit visere^
ib. 4, 89 59. missa sum ludere^ Cos. 3, 5^ 50« eximua vigere^
ib. 5, I9 2. mist petere^ Cure* 1, 3, 51« venio viaere^ Bud. 1,
2, 6. ire profectus es^ ib. 3 9 6, 9* ire volo parare^ Most. 1,
1, 64« visere v^nit^ Poen. 5, 4, 2. recurre petere'j Trin* 4^ 4, 8*
Veram satis videtur expositum esse de infinitivo, qnatenog
cunr g'erundio et supino proxime usu et notione consentit; venlen-
dum lam erit ad eum hulas formae peculiarem usum^ quo et
clarissiiue et 'gravissime eius natura lllustratur, atque obi, si de
paucis quibnsdam exemplis recesseris, aliud dicendi genua omnino
adhlberl nequit. Infinitivus aliis verbis ex propria Ipsorum natura
actionem quamquam non plene exprimentibus adiicitur, ut quod
jpsis ad integram et nulla ex parte mancam signlficationem deest
suppler! et in unam cum altero verbo notionem coire possit.
Quo in genere di versa ratio esse potest, qua ambo verba ad se invi-
cem referuntur ; aut subiecti aut obiecti vices tenet Infinitivus, sed sive
hoc sive illud est , noa tamen eo commutatur ipsa infinitivi potestas*.
Verum assumit in notissima ilia accusativi et infinitivi coninnctione
accusativum casum, qui a verbi quod infinitlvo subest potestate
requiri non potest, quem aut propter ipsios infinitivi vim aut
libero absolutoque modo (id autem non fit, nisi quum suapte v!
fertur, tum vero notionem habere potest cum alterius formae
potestate consplrantem) positum esse necesse est. Si quis vero
hunc accusativum ab eo verbo adsclsci putaret, a quo etiam infini-
tivus pendet; is quidem non haberet, quo vel proprium usfim
Plautlnum expediret , qui non modo multis locis ponit accusativum,
.ubi alii scriptores omittunt, verum etiam saepenumero. omittit,
ubi ceteris onilttere .non visum est. Haec autem ponendi aut
omittendi licentla unlce in pronominlbus evenit, quae, quum ex
eof um qui inter^ se confabulantur sermoulbus facile subintelligi
possint, sine magno incommode omittuntur; id autem quum in
neminem magis quam in fabularum auctorem cadat, hinc causa
patet, cur in eo genere excellat Plautns ^^). Sed redeamus ad ex-
15) Longa afferri potest exemploram huios rci copia: Bacch. 4> 9.
90. 115. Cfi«. 3, 3, 20. 5, 31. 39. 57. Cist. 2, 3, 63. 4, 2, 5. 75. Cure,
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142 De ttsii iiiflnithri Plautido comiiieittatfd.
pedtendam accasatfvi necfasifatem. Subtlliter naper ie ea re
Fr, Haastus comnientatus est In adnotatlonfbas ad Retsig>li sehol.
g^ramni. lat. scriptis (§• 601 , 6) , sed in impedfiissima re param
dilacide '^): rereor ne idem niihi acctdat. Intemae caiasdaB
eognationis leg'e accusations ct infinitivus secnni coninng'eDdi sust,
nam accusativus In nomine eadem utitur condicione, ut sit plane
non sni iurls rerum omnino alicunde nexus et suspensos, qoa ii
verbo infinitivus; quid igitur fieri potest aptius et magis necei-
sarium quam ut ibi^ anibae formae cortiung^antur , ubi enoncfatifl
mere cog'itatis ea res snbmittenda est quae in ipsa cog>itatione
observatur ? Hand contemnenda tgitnr ridetur bac ex parCe eorun
explfcalio esse, qui, ut olim praecipi solitum est, litramqae for-
niam (et ace. et inf.) per se cum rerbo primario coniang'eiidan
^sse monerent, quamqnam externa haec mhgis rei species est,
per quam vera eius natura cog'uosci et ex altioribus mentis humanae
leg'ibus repeti non potest. Neque vero Id observasse sufficit ad
explanandoni usum Plantinuni ; multa enim In boc et verba et dicendi
g-enera cum ace. et inf. cemponuntur, quae minime ea potestate
sunt, ut accusativum poscant. Primum eHim complura substan-
tiva sunt, quae addito verbo esse iliam formnlam secam daeunt;
praedfcatur aoteni aliquid de ea cogitatione quae quia cog^tatid
est IHa ace. et inf. forma aptlsstme exhibetur, minime vero avSh
lecti loco est ant actionis inde profectae, ex quo vis qaaedav
transeat in eam rem, quae ace. et Inf. expressa et. AiTeraffl
singula: audacia est. Pseud. 5, 2,8. confidentia estj MiL %
2, 75. scelus videtur^ Merc. 1,2, 96. miseria est, MiL 1, I,
68. et omisso accusativo Pers. 2, 2, 56. Poen.ij I, 4. facetia
2, 1, 11. 4, 3^ 44. 5, a, 32. Ep. i, i, 65. 2, 2, 88. 4, 2, 33. Men. 3,
2, 47. 4, 2, 70. 5, 1, 50. 5, 5, 41. Merc. 2, 2, 5l. 2, 3, 8. 3 , 4, 45.
50. 4, 1, 2. 5, 2, 104. Mil. 2, d, 75. Most. 4/2, 36. 3, 30. 5, 1, 31.
36, 38. 5, 2, 18. Pets. 2, 2, 40. 4, 4, 52. 89. 8, 4. Poen. pr. 101. 3, 3,
98. 5, 2, 62. Rud. 5, 3, 43.
16) „Ich nehme es nU zugegehm, dass das PrHdicat im Aecusaiiv dm
f^set des esse ist; nun soU aber dwrch die Verhindung mittelst der CfopmU
die IdentitM des PrUdicats mit seinem Subject ausgesagt werdeni folgUck
ist auch das Subject hier das Object des esse, welches ebeih nicM bloss
das Prddicat ftroducirt , sonderfi dessen Identitat mit dem Subject, oder wel-
ches das Subject zu dem macht, was das PrHdicat aussagt; es isi oIsq dameHbi
VerhUltuiss, wie wenn man mit dem Factitivum von esse sagt i facio me miiUem.''
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De mm hOjiAttrl PiaotiBo cMinetttati^. 143
e«/, Stick. 5, 4, 47. officium e«/, TnVi. 1, 2, 137. sttMUia
cai, Cas. 2, 4, 4. 3, 3, I. CiV. 1, 1, 63. Ep. 3, 4, 20.
i%§iL 3, 3 9 6. Per«. 5, 2,20. Poen. prol. \0. oniisso ace. Stick.
1.2, 82. periculum est^ Mud. 1, '2, 56. laus est^ MU. 3, 1,
109. molestia est^ Mud. 3, 5, 51. Et solet his oiunibug pro-
nonien deiuoustrativiini add! , quo fit ut ace. et iaf. magts apposi-
tlouis quam subiecti indoleiii habeat. Pertinet hue eiiani tempu$
^sij cuins dnpliceni supra vidimus, qiiartam infra Tldebimos stni-
cturam: nos iempus est malas peiores fien^ Mil. 4, 6, 3. Trass-
liani denique facianius ad adicctlvorum genus, haec duo memoran-
tes: iu8 est^ Pers. 1 , 3, 26. el opus est^ Merc. 5, 2, 76. Most. 1, 3,
129. Pseud J 5, I, 10. et oniisso ace. Pers. 4, 4, 35. — At enim for-
niiilantm cunhadiectivis conipositarum maior etiam copia hoc perlioet:
cerium est j Cist. 5, 8. Cure. 4, 2, 46. Men.o^ 8, 9. Merc.Sj
4, 57. Trin. 2,4, 184. et certa res est, Merc. 5, 2, 17. sed
niiilto saepins oniisso accusativo: Bacch. 4, 9', 73. Capt. 3, 6,
98.4, 2, 14. Cas. 1, 4. 2, 4, 15. 3, 1,8. Ost.Z^ 16. Cure.
2, I, I. 5, 3, 8. Ep. 5, 1, 57. itfe/i. 5, 6, 13. Merc. 1, 1,
39. 3, 1, 7. 4, 7a 5, 2, 93. Mil. 2, 3, 31. 6, 5, 42. 91.
Pers. 2, 2, 39. Poen. 3, 3, 17. Mud. 3, 5, 58. atque Mil 2,
2, 112. Most. 3, 2, 17. neque aliter persuasum estj Baeeh.
4, 9, 93. et decretum est, cum solo inf. coniung'ttur j4uL 3,
6, 36. Bacch. 3, 5, 18. Cas. 1, 6. Cist. 3, 17. Mere. 1, 1,
1, Mil. 1, 1, 77. At aecusativum simul ant poscont aui ad-
mi ttunt: curatumest, Bacch. i, 9, 144. consentaneum est, Cure.
1.3, 9. ferox est, Asin. 2, 4, 62. tnaestus sum et m. abeo^
Cure. 2, 3, 57. Most.S, 2, 109. Mud. 2, 3, 67. (similiter, sed
sine accusativo aegrotus sum, l^rin. 1,2, 39). aequum est, AuL
2, 1, 11. (om. inf. ib. 3.) Bacch. 3, 5, 29. 4, 3, 7. 9, 99. 5, 2,
46. Cas. 2. 3, 47. Cist. 1, 1, 116. Ep. 2, 2, 72. 4, 1, 25-
2 , 16. Men. 4, 2, 96. 5, 7, 21. Merc. 2, 3, 117. 3, 2, 6.
3, 8. 5, 2, 57. 4, II. 66. Mil. 3, 1, 129. 132. Pers. 4, 4,
94. Mud. 4/7, 20. et si infinitivum repetere libet ib. 2, 2, 7.
Poen. 1, 1, 13. 1, 2, 43. 3, 6, 5. 5, 2, 121. omfsso autem
accusativo ter tantum, si bene ridi: Bacch. 4, 8, 84. M$L 2,
6, 35 sq. Poen. 1, 2, 20. par est Bacch. 4, 3, 8. Cure 2,
17. Pers. 5, 2, 21. Poen. 3, 1, 19. et si infinitivum suppleverb
Pers. 5, 2, 53, satis et satius est, Merc. 3, 4, 69. sine ace.
Bacch. 2, 1, 43. Cist. 4, 1, 10. (sed satius est satis habitu.
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144 De 0011 iitfniUri Plavtlno GOwmiei^Uo.
Poen. 1,2, 75.JI patam est^ Mil. 2, 5, 65. melms esi^ Men.
5, 9, 32. Merc. 2, 3. 12$. Pers. 3, I, 41. Poen. 3, 1, 43.
65. 3, 3, 6*4. 66. neque vero minas frequenter omisso accnss-
ilvo: Mem. 5, 2, 51. Mil. 2, 3, 21. 3, 3, a 4, 8^ 63. Mesi.
5, 1, 20. Per8» 3, 1, IS. (at contra optimum est factuj AuL
3, 6, 46. habitu^ Poen. 1, % 29^. auavius est, Pers.i^ 3, 7A
decorum est, Asin, 3, 1, 5. aegre est, Capt. 3, 5, 43. Cos.
2,7,6. stabile est, Bacch. 3,5, 25. necessie et necessum est,
Cm. 2, 5, 36. Pseud. 4, 2, 3S. omisso ace. CisL 2, 3, 82.
Mil. 4, 3, 25. Stick. 1, 3, 66. et addiio etiam dativo personae
agentis : Men. 1,2,9. acceptum est {habeo} , Most. 1 , 3 , 67.
90. dignum est, Mil. 3, 1, 126. Pers. 3, 1, 43. Trin. 4, 4,
38. volupe est, Mud. 4, 1, 1. omisso aatem ace. Mil. 2 , 3, 6.
denique nihil est, Cas. 2, 4, 7. vestrum, tuum est, Stieh. 5,
4, 36. et sine ace. Poen. S, 1, 69 sq., rectum est antem ci»
sofo inf. Mo^t 3, 1, 134. Neqne secus fit, ut, ubi consnetK-
dinis et universae cuiusdam condicionis notio exhibetar, qaa^
subiecti locum teneat, infinitivus in locum particulae ut svLCcedsit:
petere more fit, Trin. 4, 4, 28 sq. — Denique panca qaae-
dam verba aut verbis efficta diqendi genera, sive personae nota-
tlonem habent sive carent ea, in hunc censum veniunt; hlc auten
non dicimus nisi de inf. cui ace. accedit, solius enim infinitiri
cum aliis verbis coniunctio alTam sequitur rationem: desiderare,
Mere. 1, 2, 37. Stick. A, 1, 10. studere, Amph.3, 2, 4. Stieh.
1, 1, 51. postulare, Capt. 3, 5, 60. 81. Cas. 1, 39. 2, 2, 23.
Men. 2, 2, 88. 5, 2, 17. 44. Mil. 2, 3, 31. Poen. 1, 2, 187.
8, 5, 31. Pseud. \, 3, 144. 3, 2, 64. Rud. 2, 6, 59. 4, 3,
51. 5, 3, 30. Stick. 3, 2, 32. Trin. 2, 1, 15*. 4, 4, 15. scd
hlc tamen etiam omittitur saepissime ace: Aul. 4, 1, 3. Cas. 1, 53,
5, 4, 1. Men. 5, 2, 43. 9, 21. Mil. 2, 5, 27. Most. 1, 3,
102. 3, 1, 82. 4, 3, 29. Poen. 3, 1, 41. Psewt. 3, 2, 62.
Rud. pr. 17. 2, 3, 63. 3, 4, 4. Tnn. 2, 4, 40.) invidere,
Bacch. 3,6, 14. vereri. Mil. 4,7,3. videri, AuL 5,4. per-
cipere, Most. 3,2$ 39. cruciari et discruciari, Mil. 4, 8, 11.
Bacch. 3, 3, 31. 5, 1, 14. dec\dt, condecet et addecet; Asin.
2, 4, 64. 5, 1, 6. ilferc. 5, 4, 23. Mil. 1, 1, 40. 3, 1, 21.
139. 167. Most. 1, 1, 50. 4, 2, 19. Pers. 5, 2, 26. 55. Poen.
1, 2, dl sq« 115. 3, 3, 61. cum solo inf. Merc. 5, 4, 21. AuL
4,
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He Qio laCriUvJ Plurtiaa eottmMUtta* 145 *
4, 1, 4U aporief, Most. 1, 3, 106. 126. 3^ 2, 115, (om. ace Ik. 114)
4, 2, 51. Pers. 4, 13. Poen. (om. ace. 1, 2. 1^.) 3, 1, 9. 17- 23.
3, 3, 15. Ucetj Amn. 2, 4, 15. Cos. 1, 1. 3^ 5, 63. Pen. 5, 1, 21.
Mud. 2, 4, 12. praeter qaam ioBoIentiorem etiam ralgarte (Poen.
I, 3, 3. ae. saepius) et eleg'anUor iUa, qua id quod praedicator in
fdnnam.a^ei^ls persoaae iraosgredilor, structura iiiveBitar: fmeio
Ubi Ucet esse J Ep. 39 2,2. tU^i incoenato esse hodie Ucetj SUfA. .
4, 2, 31. refertj Cure. 4, 3, 23. atHnet^ Pers. 4, 6, 19.
Deaique formulae aliquot dicendi sunt: nihU morarij Baech. 2,
1, 45. ast.^, 5. MU. 2^.5, 37. Most. 3,. 2, 157. bonum ani-
mum habere y Pers. 1, 3, 87. ammum inducere ^ Pers. 1, 2, 14.
Mud. pr. 22. confido fore, Capt 1, 2, 62.
Unum est, in quo haee structura, quamqaam ab uaa c<Hi-
ionctiyi differt, nihilominus ad liaac modum adiecta partieula utpro^
xime accedat. Etenim si quid quod aot nego aut nolo esse, ardore
quodam animi sive obstupefacti sire irati profero; id non aliwide
sQspensuni est, venim ex solo meo animo proficisoitar et peBdet.
Neque igitur grammatictts quidam membroriMi enunciati nexus
eat; quare si in sola cogitatione consistit, quant menti meae ob-
yersantem addubito et admirer et fieri onnino posse difSdo, ace.
ei inf., sin quod quis alius poatulat expectatve, ego yero et
nolo neque a me postulari recte posse existimo, coni. cum part.
ut utendum est. Habet eius rei multa exeropla PL, maxime vM
interrogatur cum admiratione quadam aut indignatione (huic autem
generi interrogationum inpriroi» accommodata part, ne est) : cum
istacine te oratione hue qtd me adire ausum^ impudens? AuL
4, 10, 16. magisfrone qnemquam discipulum minitarier? Bacch*
2, 1, 44. adeone me fuisse fungum ut qui ilU crederem? ih.
2,4, 49. criminine me habuisse fidem? ib. 4, 3, 15. hoedne
me aetatis ludos bis factum esse indigne? ib. 5, 1, 4. nonmM
licere meam rem me solum — loqui atque cogitare? Cas. 1, 1.
hqcdne "fieri? Cure. 1,3, 44. hanccine aetatem exercere me mei
amoris gratia? Mil. 3, 1, 31. siccine hoc te mihiftM^ere? Pers.
1 , 1 , 43. Haec autem loquendi ratio etiam alioram scriptorum,
oratorum^ maxime, est; neque tamen desunt enunciata sine inter-^
rogatione expressa, in quibus in ace. et inf. similis quaedam yis
inest. Quum enfm yerbo finite ea exhibeantur, quae yere sunt neque
in cogitatione mode yersantur, non est, quo, quae quidem sunt,
at nolimus esse siye ea infecta non reddi siye commutari poterunt,
Lubker, ges, Schriften, 10
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^46 Ite «8« tarfMlM Pbvtino oonmi^ttUo.
aptias tloqui ptM^imus qoam Ipsd iafiaitivo ; hinc sadpiutltte -cain
irrisione qaadam ei Ironia: quid hoe sit negoH? neminem meutm
di^um magmfaeere. Ann. 2, 4, 1. hariolare; edepai senem
^ tepidum fuUse noUs. ib. 3, 2, 34. immo edepol sic ludos
fketum caro cap^e — mkerum me auro esse emunctum* ib. 14
aq. ad iUum modtun subOtum os esse hodie miU. Capt. 4, 2, 3 '^).
De taflnitirt vatara quod supra quaerere omigimus, mm
MlkiecU obieetlqiie quod dicimos vjces rite gustbiere possit; id
ntiDO accuratius et de obiecto imprintts repeteodum est. Eteoin
^amquani iniiiiitivi cum gerundio permiitatioiNs aon tarn muHa
apad Plautvin qoam apad posteriores pastas ex^mpla sunt, alia
tamen eaque non minus larga verborum copla est, quae <mm
hiiiiitlro nude componi solent. lam quaeritur quae sit ea ratio,
qua tafiaitiTas ad rerbum finitnm referatur ; utrim aeeosatiyi l»ee
ponatur, itaque obiectum alterius rerbi sit, an alio pottos mode
eoqne baud sane perspicoo com Hlo cohaereat Quorum pcius iliod
in perpanciB raodo exemplis certo aHfirmare, in aUis quibosdam
dobitanter proponere, in plurimis pror^us neg*are licebit, quippe
quae soleamt omnino non cum accusaiiTo rei eoninngi; neque r^ra
quidquam expedietur ea ratione quae ipsa rnrsua explicvtione
egeat. Prhmum igitnr in fiuno.dumerum referenda ea sunt, ^ae,
qttttttf soleant apod optimos seriptores cum ace. et inf. coniungi;
apud Plautum quia utrique verbo sobiecta persona eadem est accv-
Batfrom illamomittunt; sunt igitur fere verba existimandi etdicendi
atque pronum est bunc usnm conferre com 6raeconim nominatiro
et infinitiTO. AUerum genus earum est , quae nascenteni aliqoam
actionem eanique agentis condidonem nobis demonstrent , qua ipsa
actio ieri ac perfid nondum coepta in eius animo ac voluntate
rersatur (veri>a consilii et voluntatis, aaimi propensi ant aver*
aaatis, cokortationis et debortationis; congruant cum lis enonciata
17) Ouo certius possit discriminari utraniqne genus paaca hlc submit-
tam exenpla, in qnfbns u% cum coni. locnm obtinet: egone ut apem mihi
fiVre fnOem posse mopem te? Biu:ch. 4> d> 24. egti Ulnm anumirridere
ms Hi «ifMitii? Cist, 4, 1, tO. sgome mi ad ie ab Hberttna esse mmdersm tnttr*
nmncius, Mil, 4, i, 16. mecum ut iUn hie gesserit, dum iu hwc abes, ne^M
quidquam? Most, 4, 3« 25.: qui locus tenerrlmo tamquam file seiungitur
at) infinitivo: magis tamen se numqnom id passum fuisse quam alter! sic
oensendi idoneam caassam non esse monlturus est; similiter: means ancUU^
lUetn mt 9itf Cwrc. 5» 2> 18* OrMomni senno alia tuppeditat exempla.
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% ' Be tf«a ktMiM Plavthio «Mmetteth>. 147
p^f^tnlin utj fWj quondnusf quin exMMta). h qirfb«9 qmmi
verlram finitvm poni non posset, neqiie per se Bteret omnfcio m
seapte r\ sastlneretiir actio, gad ex altera plane penieret, fletl
BOfi potulsse conseHtaft^mn est, qoin sol! infiiritiv^o locos esset.
Kademqae ratio in omnibus Unguis eorum verboram est, quae p^
se non plena, sed aliunde snpplenda notione in onmt sennonfti
g'onere ininitivan poscant Teriinm deniqne g'enns est^ in quo
obiecti vera indoles sob infinitivo latere videatur. Horum trium
g^eneram exempla mmc collig'ani; non est antem, quod fines inter
singula genera interdoin dfgnosci aut vix ant non posse moneam.
1. drbitrariy Ampiu 2,2, 43. optare, AuL frol. 11. ejf-
igtimarey Baceh. 3, 6, 19* meminhse^ lb. 2, 4, 94. J^^S, 1,
52. Mil. 8, 1, 49. Stu^. I9 2, 2, i. scire^ Asin. 4, 1,48. Mere.
8, 1, 24. 4, 1, 20. Pers. 1, 1, 6. 4, 4. 92. 5, 1, 10. 2. 71.
0bHvi8d^ Most. 2, 2, 56. Pers. 4, 7, 12. Poen. proU 118. tm-
memorem esae^ Pseud. 4, 7, 3 ^^). affectare^ Bacch. 3, 1, 10. dicere
et negare Bacch. 4, 9, 115. Cas. 3, 3, 20. 5, 57. Pers. 3, 3,
27. Stii^. 2, 2, 68. Most.d, ly 100. pomcen, Mw. 2, 2, 37.
MosU 5, 1, 36. 38. prondtterej Bacch. A ^ 8, 79. Cas. 2, 4,
9. Cist. 2, 2, 7. Bud. 3, 4, 73. minari etminitari^ Men.&y %
89. 6, 36. Stich. 1, 1, 21. credere, Cas. 2, 3, 63. faterij
Bacch. 4, 9, 90. sperare, Stich. 1, 2, 23. aio, Cas. 3, 5, 31.
fiist. 2, 3, 63. iurare, Cas. 3, 5, 39. (paolo aliter adiecto infill^
tiro fut. temp, sine esse). Pers. 3, 2, 2. Poen. 1,2, 148.
Rud.6y 3, 20. 23. assimulare, Cist. I, 1, 98. annuere, Cure.
2, 3, 63. et cum inf. fut. Bacch, 2, 3, 9. asserere. Cure. 6)
5,*68. affirmare^ Pers. 2, 2, 40.
IE. agitare Bud. 4, 2, 31. cogitarcy Merc* 2, 2, 46.
par are, Cas. 6, 4, 14. apparare, Asin. 2, 4, 28. parttare,
Merc. 3, 4, 62. adornare, JEp.&, 2, 25. animnm inducere ^^}y
18) Haee verba, m«witnw««, «cir€, oltHwisci, alia significatione sunt,
si solum infinitiTuiii et si praeterea aoe^ adsiscnnt; hoc ad aiiquid pertinet
^od in menoria et cognitione iam adest, iiiid rero rem reoordationi
dem^m submittit. Qa^ropter ant in earn censnm in quo sunt tenere sim.
ant ad secundum genus referre praestal. In aiiis verbis , ut dicere, pro-
mittere, sim., simul praes. inf. pro fut. positum infra diserte monebitnr.
19) Neq«e tamen , licet haec verba alias cum part, ut inngi solita apnd
PI. ea careant, Ptautus Idcirco hnius parttcniae non amantissimus est.
Omnfa eatmerare iongum e«t; paaca deligam? id umm ui, Most, i, 3,
10*
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148 D« «i« laMtivi Hiiitiiio conrniettatia ^
jtud. 5, 2, 73. om. animum^ Amph. 3, 2,' 36- exsequi^ Mwre.
B, 2^ 72. per^equi, Bud. 3, 3, 4. imtituere^ Baoeh. 4, 10, 7.
imisterey CaptS^ 4, 52. peraisterey CM. 2, 3, 39* aecmutum
habere y Bacch. 3, 6, 21. occupare^ Mcst* 3, 1, 36. Aieii. I,
2, 107. Pseud. 4.J 1, 15. Bud. 1, 4, 28. «*c*.l, 2,32. oeeu-
patum esscy Merc. 2, 2, 17. iubere, Asm. 5, 2, 40. espeririy
Capt. 2, 3, 65. expetere^ Cist. 2, 3, 12. Cure.ly 2, 11. Afi/.
4, 6, 43. Most. 1, 2, 47. 3, 1, 97. Poen. 5, 3, 12. Bud.ly
4, 20. 4, 2, 12. ^e^/iVe, Cos. 2, 8, 35. Afei. 3, 2, 21. Mt«.
1, 1, 8. 5, 5. absttnerej Cure. 1, 3, 24. Mil. 4, 7, 26. <fc-
sisterey Bud. 3, 3, 20. miitere et ondttere, Aul. 4, 4, 24.
Pers.^y 2, 25. 3, 3, 26. 4, 4, 89. praeterire^ Merc. 2, 3,
. 68. eximercj Cos. 3, 1, 3. perdere^ Bacch. 2, 1, 50. parcere
et compercercj Bacch. 4, 8, 69. Ep. 3, 4, 32. Per*. 2, 5, 11.
Poen. I9 2, 137. quiescerej Most. 5, 2, 51. cessare. Cure. 5,
2, 72. Per*. 1, 3, 32. 2, 2, 15. 4, 4, 3. 9, 6. metuere, Pers.
3, 3, 36. vereHj JSpid. 1, 1, 39. Mil. 4, 4, 32. temperare,
Poen. pr. 22. 33. 5, 2, 76. odisse^ Amph. 3, 2, 19. obtMsdj
Poen. pr. 118. negUger^^ et negUgentem esse, Merc* 1) 1> 85.
Mo«/. 1, 2, 61. occultarcy Pers. 4, 3, i^ morarij Cos. 3, 6.
19. compescercy Bacch. Sy 3, 59. ^roAiJerc ^®), Cferc. 1, 1, 35.
' 121. optimum esse ui, Trin, 2, 3« 85. tempus est at, MU, 1, 1, 72. ex,
re est pt, Ps. i, B, 102. sententut est ut, ib. 145. occasio estwt,ih.Si.
hoc obtinere ut, Most 3> 2> 102. paratum estut. Mil. 2, 3, 24. officium
ut. Most, 1, 1, 27. volo dicere ut, ib. 1,2, 38. delatum et datum ut.
Mil, 3, 1, 202.' venit in mentem ut. Mil, 4, 8, 48. Cure, 4, 4, 2. nee
verisimile loquere nee verum ut. Most, 1, i, 13. cogere et suhigere. Men,
5, 3, 2. Mil. 4, 2, 15. Most. 3, 3, 14. 4, 2, 10. 5, 2, 52. Per*. 2,
2, 2, 12. poenitet, Poen, 1, 2, 72. i?<fccA. 5, 2, 63. inw«o, ib. 65. animum
induco, Poen. 4, 2, 55. Stick, 2, 2, 22. promittere, Rud, 4, 6, 13. himi-
liirre, Poen, 5, 2, 158. lahorare. Stick, i, 3, 52. aequum, Rud. 4, 7,
4. «t i<« est ut tu sis, Poen. 5, 2, 112. censere, Merc, 2, 4, 15. studere,
Poen, 3, 1, 72. (Non in eundem censam referri potest: ewspectare, Trin.
3, 3, 6. qaoniam hoc yerbam, quod rix opineris, etiam apad alios sori-
ptores eandem seqaitur structaram: dc. Cat. 2, 12, 27. Rose. Am, 29,
82. Lhf. 9, 32. cf. Doederl, lat. Syn. u. Etym. 3, 57. Reisig Ua. Sprachw.
V. House p. 789). Interdum utitur in his eliam particala«t: Poen. pr, 12.
4, 2, 99. Mil. 3, 1, 18. 99. Most, 1, 1, 13.
20) Quae hoc yerbam snbsequi soiet particnia quo minus, rarissime
legitnr apad Plautam. Contra particnlae quin amantissimns est: veto quin.
Cure. 1, 1, 33. non possum quin, Trin. 3, 2, 82. nequeo quin, MU. 4»
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De im teiiiKlTi ti^tiMO comcsUtio. 14®
DI« tenerey Baech. 4, 4, 10. JHerc. 1, 1, &2. faeere^
Ep. 3, 3, 31. Per9. 2, 2, 42. Veruin tamea paacissfana sunt,
et 9 qaam tenere eandem ^ qaam sspra posni , Donnam seqa^ posslt,
omnia' ad notionem faciendi redemii; einsdem exempla sunt qaae
apad Horatinm (Ep. 1, 7, 2&> et Vlr^illam (Aen. 2, 538.J
legnntur, plura «t alia apud Oyidiiim, de qnibus vide Bach*
ud Met. 10 y 200. Pertinent hoc etiam hi loci: tuum eonferto
amare semper^ Cure. 1, Ij 28. totutn insanum amare^ hoe estj
quod meu8 herus facitj ib« I9 3, 21.
8, 32. Men, 1, 3, 8. Pers. 5, 2, 43. cf. 4, 4, 59. 5<tcfc, 2, i, 30. tion flmie-
tam quin. Stick, i, 3, 33. non depellor quin , Trin, 3> 2, 14. nequeo
tontinere, retineri, ahstinere, durare quin, Rud, 4, 4, 28. Trin, 3, 2, iS.
Mm. 2, 1, 28. 5> 9/65. Pers. i, i, 12. Jlft^. 4, 6, 35. ftmkl causa est
quin, Most. 2, 2, 5. iltni. 5> 3> 41. neque potest quin, MU. 3, i, 6.
100. 2, 2, 107. numqtMm fiet quin. Stick. 5, 5, 13. numquam me vinces
quin, ib. 15. non faciam quin, Mil. 2, 3, 12. S, 63. non desistam quin,
Rud. 1, 4, 9. numquam deterrebor quin, ib. 2, 4, 16. vuc reprimar
quin. Mil. 4, S, 58. Most. 1, 3, 46.
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tfiO
' / • ^ ■
VIII.
*
SyDOoyBionuH libellus.
Magna froimnr aetatis nostrae felicitate, qua omnia llttera-
rum g'enera in dies magis ab externa varlaram rermn coflectioBe
ad plenam iusiaeqne niensurae artem perreniant, atqoe, q«ae
olim nullo Intemo nexa copulata videfeantar nnnc ratiooe et arte
composita et nexa appareant. Verunitanen in amplissimo litle*
rarnn eimiinn spatio malta etiamnunc restant/ quae qaaniyis per-
tfneant ad colendas Ulteras neqoe alio modo abesse possM, tenet
ipsamm arte atqne doctrina complect! non liceat. Est qvideiny
nt de Iioc unnC'dicam, linguae ratio quaedaui atque disciplina,
quae suo ordine tradi potest ; verum iuHuensa ilia copia ac prae- -
stanUssima^ quae est linguae humanae materies, in qua summa
omnium cogitationum atque sententiamm ris inest atque nbertas,
non comprehendere potuit qpisquam umquam nisi extemo quodam
eoque satis debili et manco litterarum ac sjllabarum ordine. Hinc
exstitere, qui ad etjmorum rationcs acute quidem inyentas satque
exprasas, tamen yalde dubias et incertas, meliore utiquQ via
lexlca struerent. His autem condendis propinqua sunt eorum.
skidia, qui in eruendis rerborum propriis significatlonibus direr-
sitatem poUus sequerentur quam consensum. Xeque potest rero
qnicquam ad indolem generis bumanl populorumque Ingenia pcaltus
cognoscenda maius atque grayius excogitan aat inrealri, alsi
linguarum perscrutatio atque 'intima eius quid cuique propriom
quid allenum sit inrestigatio. Ea autem omnino duplex est Altera
pertinet ad formas verborum, altera ad materiem; ilia continetur
ars grammatica, quae kabet duas quidem partes, quarum ilia Yet-'
borum formas, qualia per se sunt, baec qualla sunt secunpnmcta
atque nexa contemplatur; utramque tamen ita demum diversam,
ut neque altera sine altera esse, neque baec cum HIa non arctis-
Bime coniung! queat; Id quod bodieque desiderari magis quam fieri
Tidemus. Verum altera ilia quae ad materiem spectat vix babet
^ disdplinae formam eamque propemodum respaere Tidefav, itaqac
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Sjnonymorum Ubelliw. y^X
Id rariui rarlae ^(mtrinae libris satis ntiUbos ac Be^sessk^Ui ootii^
prehensum est. Possumus autem In hac parte iteram doplic^m
iii^redi viam; aut eoim verba quid per se aiat atque si^Blficeat
videbis; baec est lexicograpbomm opera; aut quaiu hab^at inter
se cognatiosem atque affinltatem notionum et sentantiaram doee-
bjs^ unde quicquid animo iag'eniove complex! slntpopuU, qua vol
copia vel inopia fruantur verboruQi atque sententiaram , qufim
denique babuerint animi universam condicionem} nobis patefieri
poJB^t. Lon^ maior itaque atque fructuosior baec opera est
quam elas qui alienae linguae vocabula sui sermonis aptissimM
reddere atque uaam vocem alia quadam, numquam rero prorsos
eadem, resarcire c^natur. Reperies enim, qaemadmodum nequo
duo folia prorsus aequalia monstrabis, yix duo esse duarum )in-
guarutti vocabula prorsus et notione et ambitu secum conspirantia;.
qsare ^ qui synonjma diversarum linguarum esse oiBBioo verbis
reddenda indicant, parum recte illi quidem faclont. Hoc vero
non Ua dictum volamus esse, quasi non multa unius linguae verba
caw iisdem alterius in oratione ipsa apte componi atque istis teddi
posaint. Verum saepe accidit singulis locis, ut in bac lingua
phiribtts verbis aut alia verborum forma exprimea4ii sint quan
in ilia; in hac autem re maxime omnis verae int^rpretationls
vktns versatur. Itaque fit, quod unum prae ceteris moaeam, in
latino sermone ut €ae notione/ quae alias uno verbo dici possunt
pluribus ^) exlubeantur;. neqpe paeiie nrnquam in ulla liigva maiof
sit figurae ev did dvoZv atque sjnonjiporum eumulatoram osaa
qaam in latina. Exemplura huius rei affero*insigne quoddam, quod
est in Ciceronis pro Murena cap* prime: Quae depremtua a dm
tmmortalibua sum . — eadem precor — ob emsde/n homims con-*
mtiaiufn' una cum salute obtinendum et ut vestrae met^e» atque
eentenUae cum populi Romani voluniatibus mfra^que couMen--
tiant^ eaque res vobisy papuloque Mamano paeem, iranqidUUa^
Um^ otium concordiamque afferat. Non id soUus oratoris pro-*
^um est canwlare eiusdem notianis verba"; qist potias nnlversa
1) Nihil melius in banc rem afferri potest quam ipsam Giceroais testi>
monium in Tusc. Disp, 2, 20, 46 .* Nihil enim Jmhet praestmtius , nihil quod
magis exfetat, quam honestatem, quam laudem, qunm dignitatem, quam
de<m8, 'Hise0 ego fiur^bus nomimhus unam rem declarari volo, sed itior,
^ pitrn nMviaie $l0Mteem, phribm.
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1&2 Syno&jmonutt libeHiM.
lattn! seirmonis iiuloles, qaae qoidem oratoris naturae ipsa per ae
maxisie farere ridetor. Neque tamen rhetorica ilia Iris exitem^
quae ibi leguntur verbis inest, qualis inesset nostro, si adeo camu-
lare yellet, sermoni; esi haec latinitatis proprietas, ut quumabs-
iracta et nudata magis potestate slut quam plena atque nbere,
duae mode voces unam notionem penitus exprimere possint. FtBcem
ig*ltur externam esse rem patet, iranquilUiatem imag^ine a mari
ducta in nobis sitam, oiium rednndare vides ex pace, concordiamf
utroque firmatam adintamque, esse conspirationem onnium ordi*
n.uni ad defendendam libertatem, ut habet Cicero ad familiares
12 9 15. Quod^i latino sermoni verba quaedam essent ^oj^
satisque rem significantia , nulla talis foret cumulandl necessitas.
Verum quum ex usu verborum peeuliari vi praeditorum ad emn*
munes notiones universasque sententias ventuni esset, hae trans-^
latae non eandem habebant et propriam potestatem, atque cubmi-
latis demum pluribus slmilllmis verbis vera exhibebatur notio.
Fajp autem constituta factaque est, convenit de ea Inter homines,
exstat per hominum voluntates atque decreta, non per se, soil
suapjle vi orta; tranquiUm Is animi status est, qui non prodU
ttllam turbatam speciem, in quo non cernitur motus quidam et
cupiditas, quae non integrum placidumque admittunt vultuntf
otium eius est, qui nullo neque publico neque privato impe*
dimento a quiete vltaque laboribus ca^ente abstrabitur, conti-
neturque buius vocabuli vis in tanto privatae publicaeque vitae
discrimine, quanti vestigium apud nos vix ullum est; c&neardkt
denique si vera esset* perfectaque animorum conspiratio, neque
vero ille externus consensus, cui motus ac turbae non insiatt,
hac una voce In fronte poslta toto genere defungi potuit scriptiNr. —
Bed inest in eadem perlodo aliud elusdem rei exemplum, illuil
dlco, quod mentea atgue senteniiae — voluntatibus suffragUsqm
opponuntur. Nemo erit, qui horum rhetoricam vim non agnoscat.
Quae enim ludici mens est, qua cognoscit atque decemit, ex qua
proiciscitur ipslus sententia, certa quadam forma mentem iHani
exprimens, eadem est populi voluntas, quam prodlt suffraglo
ferendo. Igitur mena et sententia, atque voluntas et suffragiuni
ita sibi respondent, ut interna quaedam res formae exteriori vd
ut communes singulis rebus; quas quum acerrimo semper studio
selungat latinitatis lex, banc veram et peculiarem depreliendiiiiitt
Rpmanorum cogitandi rationem. Meiitem ap^rke did ^qols potes^
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mmi pefittus oe^iiosdtiir tarn oDirersa dos 0enttondi indoles , seB--
tenUa yero nen opposita vere est enondatloni, est pottus mentis
in sio^larem aliqnam rem ifltestae certa signMcatio. MeBtem
froBie te^ere bob possanmB, veram seateBtiam; mentem si muta-
mBs, prorsBs aliam induimus BatBram; creBteBtia aBimi vel certa
est volBBlatis propeasio rel tails persnasio, qoam siae colpa
neirtra abileere bob lieet, meas rero aniiai Bairersa iadins^o est
alqoe qvidam eias qoasi soans. Voktatates eadem ratioae bob
soBt siBgBia qaaedani vota atqae deslderia, sed iaest aaiascoiasqBe
saa ag^adi atqae ciipieadi iadoles j nade plaralis ehis aoaieras
aipte locjBi babet. — At relfaqaamas baec j post enBdem ia locom
lai recurraniBs; plana snat quae dicere rolai atqne yos qaibas
poUssimnm baee scrips!, disdpali aiei, fadle meaiiaeritis quae
inoidta siaty quam leg'ebaaias aat ia Cic. pr. Rose. Am. 16, 48.
, SBflnaam laadem Sex. Roscio viUo et calpae dedisse. 19, 53.
expUcare omaia ritia atqae peccata filii; aat ia Tadti Agricola
c. 33. fiaem Britaaaiae bob fama aec raniore, sed.castris et armis
leDemas, et ibid, paallo ante: octarns aaaas est, ex qno vlrtate
et aospidls imperii Romaai fide atqae opera vestra Britaaaiam
Tkistis. Ideoqae aemo latiaitatis satis gaaras mirabitur earn, qa!
bodie latiae scribens qaae bos aaa voce possumas explicare eadem
lUic saepe daabas exbibere debeat, aeque tamea ia taatolog^iae
re^ebeadoaem iacarrat.
At, qaaeret fortasse qaispiam, quo tare baec omaia sjao-
■ywerom g'eaeri adiaag'is? Meo, iaqaam. Quid eaim est sjao-*
Bjmam? et qaibas deaiqae fiaibus coatiaetur hoc g^aus? Iliad
varie dieaat, bl certi bob saBt; ega sic existimo* Triplex sya-
•Bjiaoram et aomea et geaas est. Primam poao ilhid, de qao
praecepit Aristoteles ia cate^oriis, qaod babet Boaiiaa geaere
taatam et spede di versa, qaippe qaam baec fa ilk necessario
. semper iBCsse debeat. Secuadam geaas aasdtar ia ilia Hagoae
aetate, ,qaa praeter yalg^ares asitatasqi^e.aotioaes et voces alia
desideraatar rebus qaibusdam sire ia arte sive doctriaa sire in
idttore Titae ^eaere obviis propria aomiaa; qnemadatodom ipse
Homeros multaram rerum duo aoaiiBa aovit, alteram qaidem buma-
Bum, alteram rero diviaum. Haec aatem ipsa abaiiais quasi dlvi-
Bitas est, qua differuat artium atqae doctriaarum aomiaa ab appel-
kticHiibos Bsu Yulgari tritis. Aecedimas deaiqae ad tertiam geaas
et qaidem Wad , de quo bbbc ipsam qwiorimas. Qaa ia re qui
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154 SjmoiiyiiMHriM Ubelhis*
sjnonjina esse omnioo ne^arani, reele qvfalem Ull fecervit, si
reM Ua Inielligis, sjnonjma vejrJia esse pr^rsus idem si^nifioaii-
tia, qaae ideirco liberam semper sui optiottem pcaebeant. Nam
Hon easdem sed similes atque oognatas nsiiooes compreheEddiit;
eae aitiem flrequentiores sant aat rariores in isisdem rebus pr#
raria Ihiguaram indole ; deniqne eadem utriusqae Kn^oae Sjmon jiaa
qnamqnam siniilem habent signilieaiionem , tamen et ipsa pro sift*
golari ilUns linguae indole et ririate aliena et inter se dirersa
esse possnnU Quae si accnratias perscratalieris, oniversam aniosr
ealssqne lingoae rationem rectins demonslrabis.
lam rero in qnibos rebus maior inerit lin^sanim el conset-
8«s et dissensQs; atrom in externis rebos et q«ae corporsm snt
sigioficandis an in lis qoae internae magisqie animi ac sessaw
snnt? Uti hae p^res fere sont, ita etiam maiora hab^ii ori|riAii>
Indicia atqoe multo vMLgh ah una lingua in akeram propagantiir;
QIae rero adnltiore demm sermonis aetata nasci solitae magfo
propriae siat atqne pecnllnres. Qnamobrem nnnc aliqnot bnios
generis exempla proponam, wide plana fieri poterit Graoconun
Homanommqie eas notiones verbis et ezprimendi et distingnendi
dirersa ratio. Etenim nralta boe^ Hbello perseqnl tam esset initnm
qnan omnia tractare lexicograpbornm operam exseqnatnmm esset.
Yldemns Igitnr plares esse internae bombus natnrae appd-
latlones; Graeci distingannt fere rove > ^»jr9> 9^> Us respondent
RonMaomm mnmafs, ofdauij metu. Ac progrediebantar fere ab
extemis qubnsdaai et sensn perdpiendis rebns, qnae HMvefait
aUqno modo aninuun; ant exprfaicbant sensibile qnoddam sed akins
Titae signain , qnale in spirits est q«em dadnms* At bie depr^
benditwr ipsa ntri^qne Hngnae diseiepantia ; etenim q«^ Initio
fvMem nlrersae rei significandne inserriret, id postea nnam
qnandam eins partem rel actionem comj^ectebatnr, eamqne into
fittgvae per temporms Tidssitndines TariataMoie tiTeqfanu Ifiac
tpirUms et ^»x4 ▼^rba A eadem origbM prolecta aliam ni#x te^
daemnt natwam; qmites, praeterqnam qnod M rtttkuimm es^
nbt TiTcre bomhnem didmns^ qni spfarat, et spkare qni Tivit
(Qmima. imsi. or. 5, 9, 6.) atqne do nl&i rdMs adbibetar, qJkm
gnooe wws m pm aptkn yidetmr, nt de omnibns ex mftcrM €orpo»
pntofiMAs fAn respbrasdi nro anapiramdl niro tc
alte pntacndl motibn, etiani bm rospondot rf ^mgf^
Tilao cottsenrator ot qnni paiWB. On. ZWtt. 3, 6ltnMfie^
r>
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SjBOfljMonwi Vktlhm. 1S5
Tiettam ¥«bt altM te aoraitt spfariins. ^Vf • jien. 4, 33& iMi
sj^kttw hos feget artas. Deiade ^ ip«e yHju) anfmi^se omte
a«ctw et racier, sire In homiiie sire in mmido sii. Virg. Aetu
<>, 724. spirlttts intus AM. Et quoaiam favore nostro aiqoe indsl^
geotift non selemns anpleoti corpus lioniiflis vel spiriiom sed eno-*
Item jpawm qsalis est singiilari coodlUone loterna, Unc etiaM
p^sonani qoaiidaiii iKunliiis Indieat. Veil. Puterc. 3, 123. sab-
rectos coDspeela aUoquteqoe dtfisslmi silii apiriiua^ nbi Tiberinm
dioit. SimlUimum est GraeoorQin ^Ihf xpvxi in ipso personae
idloqqio* Turn vero suam ulraqne lingrna Tiam io^rediULr^Clraect
eattdeni roeem vitae qootidianae Datrlmento et appetltai simulqae
akiori *seiisiti' ejcprlnendo yel aadaciae vel saperbiae tribiiit; ladaa
bilk seli> illi vero non. Deaiqiie quae latine dicitor defnacti
amma^ ea graece ^yx^ nowinatar. Nam quum Graecis liceret
Tocabulo ^vxi integ^ram atqne totftm animi nataram qaalis perse
est atqae etiam abieota corporis forna manetexprimere, non idem
fieri poterat apad RtmanoS) qui dob fere aisi abstractam quaBdan
iltts rei BotioBem tubeieat. Adeoqoe conspirat cum oidmo lati*
BorBott qiuuii utrlusqae ratio ea sit, ut oaiBiam lUHdhnm atqae
eapidltatttm sedes dicatar; ride quae affert FHd. Jacobs^ ad Thea*
erit, $9 35* edit. fVmtemann* — Itaque queaudmodaai dk eadem
profeetae origitte roces mox tamen direraa indkaat, sic ridemaa
BVtrersam sermMiis Iwatani indolem ab iisdem fere primerdiis
prodire, neque rero dia in lis consjstere, qofppe qnom suam mox
iriarn incedat. Est autem animi duplex quaedaiu agitatie, altera
faidsw reddendo , altera ageij^do te»etfur« Hiflc distinxere Graeci
Inter vcvi; et fgif^^ul accedebat oairc^ae aniaii huma&i naturae Botte
^X!^. * Latiai eaadem dtreesitatem Bon tarn admiseruat ia nomfnib«s
ilki qiUMB in rerbis; cegUare et sentire. Iliad agit, moret, impeiUt^
ex homine transit in res; boc ax rebus transit in homii^s, redpttor
intas^atqne alltun Semite igitor et tKeere nl eioqtd; cogitar^
et agere sibi iaricett oppaaaBtur. Quinot* in$L or* 3; 6, 4*
faas recte sensisse, parum elocotos puto. lb. 9^ 4, 147. cara
Buigna, ut aeatieBdi atque eloqiieadi (alii babeat aiale: loquendi)
prier sit Porro quum neeesse sit loqueaiein prius eoasuhiisse
lif quod di^tarus easeti cogitate oppMiitar ei loqui^ ^ribers^
mgers* PhauU Mere. 2^ Sy 10. neqae qald ioqaar cogitatum est.
Tmrm^ HemlmU. 3, 3^ 46. qaid faoere mgV^. Caio de re
rm0^9^ os^yitaEe Aon opertet, aed I»qm» oportet. )Q«iB In his
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1S6 SjBdBjmoram Ubelliis.
»
Ifm, a^ndl noUo onlttiiur: €%;. ad Aft, 16 ^ 3. in Potnpelafimii
i^ogitabaBi* 9, !• EiepMas eras cogliabat Recte autetn proeed^
oraiio, qaamqiiam gradatione inrersa^ a saperiore et graviere
pergess ad inferids, quam legltnae Oc. de orat I, 51. Telle,
co^Uare, sen^e, opiiiari. Cog-itamas omnino quae sponte ant
agenda ant loqnenda nobis saminias; efBcere studemos aH^iM
atqae efformare anfmo, unde n'anciscitor saepe recordatfmiis qiM
sponte fit notioneni. Tac. Agr. 32. eogitate maiores et postering
nbi eodem iure aceusatirnni rei a voinntate nostra prorsns aplae
poni yidimos, qnem occnpavit simiii in loco recordari lUd. eod.
cap. DiaL de oraU 2. cogitat tantnm Catonem. Qnare et
personae et rei accnsativum nierito hole verbo adiangere lieet,
deniqne non tarn infinitiro qnam conioRetiro praecedente par^
ticnla faret. Sed sunt loci qQamqaam panel , in qoilHis, ^nnn
^rnimi tui propenslo atqne voFantas non satis certo fine seinngi
possit ab agendi consilio vel ipso facto, ntmmqne sentiendi et
eogitandi yerbum commatatum videtur. Id factam est minns Cia,
Cat. 6. Cartbagini male iam din cogitanti belinm niulto ante de<*
niincio, qnam in lis qnae scrlbit Antonins ad Cic^onem in ejM.
ad Att. 14, 13. si bumaniter et sapienter et amaURter in me
cogitare yis facilem profecto tepraebebis, nbisentlendi eta^esA
Botiones in nnam eogitandi notionem contractae yidentor. Ilise
(antummodo Damitiani waeva eogitatio did potost Tac. Agr. 3R
Cogitat igitur aliqnis semper, qnod acturus sit atqne nnde <»»-
modi aliqnid ad ipsnm rednndet; non eins finis et pretinm ki ipfl^
Inest cogitando, sed extra illad in re ailqna cogitata ^yel acta
sitnm. Qnare hoc sensa non potest vim yerb* nostri decern
aequare, certe non alitor, nisi qnatenns illud est paene idem qnod
var^Uen. Cic. Acad. 4, 12. nihil agens ne cogitarl qnidem
potest quale sit.
Qnam diximos differentiam esse intar cogitare et smUrej
eadem paene inter vovg et gp^^V, inter animus et mens est; sed
quum ea distribuant yeteres linguae, aHa rursns notio est hale
proximo cognata, quae, qnam dnplice utatur nomine apud bos,
apud yetares nno tantnm eodemqne ymrbo nominari potest (lihlen
— empfinden; aentire, aUr&av&rd^ai) , quorum hoc ad prius noskum,
iUttd ad posterius maiore yi se appUcare yidetur. Ac vere, si
contemplamur.tttdus^e rei naturam, empfinden est recipere sen-
sihns wmes qui extrinseous nobis yonfamt motus atqne ailfo<*ii9i
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SjnMjTtttnmi MMvs. 18i7
fOklm hternmii qui inde retenkit anM nostri statom ma^b ie«^
darat, quare exiUo (seatire) eo^itfo (watentia) , ex lioc (oj^^o-
ymd'fu, derivatom quideni proxime ab exierai seaaas sjgnificatioae,
odlm andie, geasu percipio) oaiais oopimidi atqae appeteadi ratio
pradire yidetwr. Nonne aiiiem .ridetar suae atraqae vox ^eaii
Maxime propria ease atqae eios iadolem exprimere? Eodeai
hmhIo alia naacoaiar singatti lia^is rerba, qaonua necessitaiem
Tix aUgg alias aermo agnosoere ridetar. I4a ingenU vocem effeeii
RoBianis oppaaita proxiaia arUs aotio; qaae si noa omaiao gra-
rbaimam naola esset in Roaianoram yila potealatem , neqoe altera
Tox, a qua maxiaie diserimiaari aolet, umqoam desiderata eaaet.
Haeo eaim deaotat, qaod alioande cogaitom rel apprehensam yel
coaciliatum eat; ittad effert^ qaicqnid natara nobia ingenitam
aaapte y\ proficitur.
Sed redeanitts ad graeca aabstantiya vovg^ f^xi* 9QV'^'
Um diximoa fpvx^r esse vitae onmis fontem ; idem aotem did potest
1^, sed ilia qaateaos vitam ipsam alit atqae plena integraqoe
Maaiom seasaam complexione continetar (Seele), haeo tamqaam
cagaoseens atqae samma reram humanaraai diyiaaramqae momeata
eeaiprehettdeas (Geist). Quod si seqoeris, vere qnidem, at facile
iatelligitar, ^fffvxv rd ovra nwg krrl narta^ at praeclare monait'
^e Afistoteles de atnma S, 8. Sed ex altera parte etihmvoSg
Qttaia eomplevisse atque tenere iaai dici bene poterat; qaod noa
poteraat accommodate reddere Romania nisi si aaimam maadi
ttaarinareat Iteram 'deprehendimua Graecornm notiones et verba
angis plena atque stabilia (coacreta), Latiaorum magis nada
aiqne alicande nexa (abstracta). Sed at paoUo ante moaitam
a me est, noa est eadem cuiusque verbi notio per omnes liogaae
rioisaitodines, quemadmodam apud Homeram ^vxi nondum exstat
attiore ilia atqae a ceteris seioncta significatione, sedntextemae
Tttae docomentam j inprimis ibi ubi fidacia sui regit aninnim ideoqae
emn f/^vog et d-vfiog apte conciliari potest. Ham. IL 5, 29&
8, 123. 315. 11, 334. Od. 21, 154, 171. Itaque et ipsam
yitam atqae id temporis spatiom indicit, quo eios spiritam daeere
Ueet, appoaitum simUUmo aUiv Horn. IL 16, 453. Od. 9, 523.
ttestat, at hoc semel certe moneamas: omnes has notiones non
certis finibus curcamscribi ita, at non altera alterias notionis vices
occapare possit, atque in duidias lingnis at non eiasdem verb!
pronas eadem notio insit, atque omnes tantum in uaam compre-
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188 SyndBjtnorum Itbelliisi.
hehsare noiiones yeram fBtegTArnqne antml iijftmnHB tfxpiAmnmt,
qaippe qnQm neqoe partlb«s dfvMi neq«e nne yocabalo irte^a
.ehis via satis comprehendi possft.
Quod si iani in comparation^m yocamus Oraecoram vm^
atqne Latinoram animus ^ atraqae vox latfssfmo nsu valeve vf^te-
tar; respondet avtem fere nostro Sinny cuius orlg'ineni ai» exierm
sensu repetendam esse apparet. Vernm remaoHla Ktgtta ein^sfaw
eias actiones motasqoe diversis potius nomiiiibus (Hera --* Gemttk
— Gesinnnng') indicat, quae quuni minas sefitireiiliir aat eerie
disting'uereiitiir in popnlari yetemm yita, dfserta nomiAa yix deal-
derafoantur. Animus proprie nihil atlad fuisse yidetar qnam gpi^
ritns, nt qui etymon respexerit yidebit; sed neqoe hie neque in
reliquis etjmorum rationes multnm curamus, qnippe ex quftiis
non nisi ad priniam yocis cuiasflam notionem aliqnid did posser
nobis qnoqne persaasissimoni sit {Naeg'elsbach exe. ad Horn. Mad.
p. 154); quid deinde signi6cayerit , Id ex nso qnaerendmiii e»U
Atque qaom prime proxime cohaereret com atikna^ mox tamett
discrepabat ab ilia. Anima manebat'etiam in morte atqne eyolavit
e corpore; animus qui est ut roK singnHs quihusqoe proprta,
non universus , cuius non ipsam naturam , sed actiones atque notos
spectamus, honinis est siye agentis siye ceg'itantis al^uid sfye
sentSentis yel efflag^itantis. Immortalis est, non solam In haevite
diuturnus, permanet enim in anima post hominis obitum. Me»9
yero, cuius compotem nos fadt natura, excolli potest, seryaH
atque rursus aniitti; ea Itutem summa quasi atque paene dirioa
animi uniyersi gubernatrix est. Quare animus mentis eme
potest, atque rursus animi mens, atque anImi mentes per phira->
lem nunierum dici possunt; mentes enim recte diet snprarmonitMni
est , quemadmodum Romani pro sua insig'ui ab ipsfs rebus adbstm^
hendi facuitate per plnralia elierre solent comphnres uniu9 rel
actiones. Unum affero exemplum ; plura post indicabo* Lk>. 37,
46. animos, qui nostrae mentis sunt, eosdem in onmi fortvHi
gessimus g'erimusque. ,Atque mens omnino potior animo est
atque excelsior et eius imperium tenons; solet i^tur si atnuiqao
copulatur ilia hulc antecedere. Caes. 6elL galL 1 , 39. tell, dv*
1, 21. Virg. Aen. 6, 11. Termt. Andr. 1,1, 137. GeiL N.
^. 2, 1. 15, ?. Mens anfml (fftvx^^ o rove) sic dioi reetisBiait
potest, ut totius TfA pars quaedan expilmltvir; yMetur ianiM
mafis poetlfl esse qii«n oratfoiis j^osariae, yide Plaut. OsML
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S^aajmoruii UbeUiis. 169
2, 1, 6. Mpid. 4, 1, 4. Lmcrti^ti, 616. 4^ 7Sa 5, 190. CaiiUL
64, 3. Anlmiis fert nes aiqne ad age«4am impellii ableamqae
e9g\tiLikfn\ Iacus iion est in rebus levioribM; ness regit atque
administrat. Vide illnd in Homt. Epi$U 1, 14, 8. tanien Istue
mens animnsque f ert ; hoc in Ore. de not. dear. 1 , 3. deornm mente
atque ratione omiiein nmndiiin administrari et regi. Hiac ladnl*
genus animo, vbi pro Inbttu agere licet; atqoe animi csmpos est
<|iii ^1 arbltrio ac volontate decernit, sed qui a meiiie decedit,
amens est. Indiuare yides itaque oientem ad cogitationem et ad
owttia agendi censQIa, animuni ad Toluotatem (rid. O. H. Grauert
amat, hist, et phUolog. p. 46.) ; quae lubens aique facilis conaris,
ea cum ^animo agis; quae inritus facis, tantummodo quod sana
videantur tibi aut necessaria, ea ex mente agis* Quapropter in
omnibus rebus, ad quas perficiendas slngolarls quaedam requiritur
yiiaii fortitude atque constantia, mente ea agi dicemos. Satis
igltur certo discriinine, neqne Inter, se commutata baec rerba
posujt Caesar In beU. gall. 3, 19. ut ad bella susclj^nda Gal--
\QgmiKk alacer et promptly est anlmas, sic mollis ae minlme resi**
BioiM 4d calamitates perferendas mens eorum est Pari modo
apad Graecos vovg est regens atque gubemans , tftv^V ▼^f ^ vlgo^
rem oronem atqae vUae alaoritatem praebens, quare has notiooes
gibi kivicem adkingeates neetuatar saepius; Flat. Crat^L p. 400^
A. xtt« T^v twv aXlwv dTfpivTwv ^vaiv oi mffvsi&g ^Aval^otfOQt^
yovv Ts xui ^vx^^ slvoi x^v 6i6acoa/Aovaav mti l';|fot/<rav. Atque
^ovg intemus ille animi senstis est, qui quicquid per extemos
stnsus perceperis recipiat, ita ut turn demum eius quod cadit in
s^som conscius evadas. Earn rem praeclare, quamquam alDs
verbis nsus, proposuit Plutarch, de solert. anim. p. 961, A. tig,
Tov n€pl ra ofAfiara xui wra ndd^ovgy dw ft^ na^^ ro ^qovovVj aUrd'tj'
aw ev mnovytog. Possnni autem inde derirari atque explieari
rellquae eiusdem verb! forniae, inter quas primum est vostv^ prae-
dUtam et ipsom proxima cernendi significatione ; tamen etiam turn
inast; ridere id quod non quaes! veris, quod cadit In sensum tibi^
BOO prodit ex a^mo aut arbltrio tuo; Horn. II. 4, 200* tov d^
h^ffs iinom\ Od. 24, 61. sv^a xiv oiur ddaxQvrov y hoij^
ang. Adiungaatur hulc composlta itavoiw^ twok^y natopoiia et
q«ae ex his formata nomina substantiva sunt Hobum discrhnlna
autem In praep^^sitionibus Insunt: dtotvoBtv est ita rem cogitart,
ut ad finem pervenlas, consulere, deliberare, certlssima actionis
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IM Sjrnonjmonmi libdkni.
max sequuturae indlcatione; ewostp commorarl in ipsa cogttalUi^e,
eognitioiieni ex extern quaerere, saepinsqoe etiam iigendam ren
adeo considerare, ut faciendane an omittenda sit haereas; xo-
tavo£i¥ consilioni qooddam rel mentis a^itationem in anas usns
Gonvertere, contemplari atque observare. Priorum daorum rei-
borum etiam snbstantivae reperiontar formae diivomy hvosa^ a
tertio vero niiiil elnsdem plane generis (nam' xatavonf^a et xora-
vw^ag aliam yiam sequuntur)^ idcirco quia aut proxime aliquid
spectant quod per6ciendum sit, aut certe res quae lis subest slve
actio exprimi potest. Actio autem et id quod ea eflGcitur vete-
ribus linguis eadem voce exhiberi solet Ac primum illud Aks*
vostG&ai medii g^eneris formam fere habet significatui aptissimam,
atque pro sua notione coniung>itur nude cum infinitive: Luciafu
diaU dear. 2^ I. rl 6i cs fieya ^din^ca^ dsoji lu xal nsi^m
diavo^. . Plat. Gorg, p. 472, D. aUo ts wg oSrw cov vofUC/ovit^
diavo(jSfisd-a. irdwys. Itaqpe didvoia pariter argumentum signi-
ficat atque consilium: Flat. Phaedr. p. 228, D. tif ovti ydq
nartog fiukXov rd f$ Q^fiata ovx iiifjbad'oy. t^v fiivro4 ^Mn^oi(i»
o'jI^cJov indvTWv dietfu^ Lya. p. 205 , A. ov ti J(h fUrqfOv ddofHU
axot/0'a<, ovdi fiiXog^ eV Tt nenoirjuag slg rov vsaviffxov^ dXXd t^
Siovoiag. Ion. p. 530, B* xai t^t toitov (^OfJtijfov) didvota»
iufjtav&dvuvj fitj fjtovov td intj ^i^hatov latir. ibid. €. tqv yoQ
Qa^do¥ BQ^fivia dst rov not^TOv %^g diavoiag yiyvsad'ai^ toJIq
dxoioyfft. Crat. p« 416, B. Isocr. Paneg. p. 51 edit. Stepb.
atque ibidem p. 57 et 67, quae loca nominatim hie afferre non
lubet* Notabimus vero pauca de reliquis; Ivvoiia Plat. Crat. p.
411, C. Xiyf^ i^ ivvoi^ag nQog ndna rd yvv 6^ oyo/Mxra; lb«
p. 501, E. Ivvsv6fj9id x$ fffjt^vog ao^ag. Ex iis autem quae
supra diximus metuendi quaedam sig*nificatio in hoc verbo apparet,
quare saepe coniungitur cum /iif, Xenoph. Anab. 3, 5, 3. Ivv^'
oifuvoi /ii7 rd hnt^deia^ tl' xa^isvj o^x l;^oi€v mod'sv Xaft^d-
toisv, itemque ibi 4, 2, 13. 5, 9, 28. extr. (edit. Krttger.).
His addatur Plat, de republ. X. p. 609, C. xal ivvosi fi^ii Ha-
nuTfidtwfisv y ubi similia adscripsit Stallbaum. Denique unum ex-
hibemus rerbi xuTuvostv exemplum , quod omnium Instar sit. PlaU
Crat. p. 411, C. ov xajsvoijcag iirmg td aQji XByopsra. At rero-
eanda sunt, aYitequam progrediamur, vocabula ivvo^v proxime
cognata: iVro/a et iv v6(f ix^^y utrumque et notione ac vi aiaiil-
limuqM
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SynoAymomiii MieHas. 101
Uttmm* Ac statin oceurrit iHai Xcnophoiitis vhi exor^tvLr Cjri
tftfttUvtioaes : hvotd m>d-^ rifxtp iyinto. Nob est ig-ltnr co^Ha-
tio, lit qua cemaioraiiMHr diiitiiis sed ifi qnam fere inoidimns seniel;
exfariwecus vel per alias eegitationes alEertar nobis , eadem antem
s! prosequimiir cog^itatiofie nostra consillove , exhvei^H iidvoia.
n^mlvMt tgitnr yerbontm similiam differentia versari videtar in
gr^eo sermone elrea iikd, at fons et exitns, materies ex qni
n^is res atiqna obviam It a«t forma qua earn indui rolmnus,
orlg9 ant consilium sigi^cetnr. Alia latinltatis grarissima ratio
est. Hi habei^ in ammo habere (Cic. pr. Rose. Am. 18, 52.
21, 36.) , €71 afdmum inducere^ animum advertere sim. non altter
atque Graed iHud h ^6^ ix^9 , tov voSy sxstv , alia. Licet antem
iK^q propflam bominis citf usque sentiendi ag'endique rationem sig^nl-
Aeet, ylx tames ei tribnenda est iUa qaam lexicog^raphi habent
fotio potestafe ingeaif cog'itationisque itniTersae. Prorocant
antem inprimis ad Eurlpidis Pbeenissas v. 1427. tow vovv nqig
adtov oix l^cuv, hi€t&8 d^, nbi non mitins flhid latinorum animum
advertere inest quam in its exemplis quae collegit ad ilium locum
Yakkenarii industria. — Proponanras deniqne quatnor ilia nomina
mens J animus ^ spiritus^ ingenium^ uno qnodam et illustri exem-
pie: scriptoris mens didtnr de sententiis ieius atque rebus quae
insunt; animus de consi&o ac fine qnem seqnitnr, de voluntate
atqse sen^ndi rstione; spiritns de tenore nniverso oratfonis, de
enblin^te, impetn, yi atqne alacritate, quibns fruitnr; ing'enium
denique de ipsa eiiis primafia indole atque virtnte, qna utitur sive
In sententlis siye in verbis.
6ed ne snbtilius ag^ere nunc ridear quam utilius, alia panels
percensebo latina nomina IMs proximo cognata. Primum sunt:
mrlntrorj opinor^ reor; deinde censeo, puio^ dredo^ ea:isiimo.
Bieri bomm £s<^mina enarrabo. Quae priore loco posui, ea re
mnnino distingnunlar ab illis quae subsequuntar, quod deponentls
generis formam babeni Eorum antem activae formae non paene
idsi anfiqi^bslffla Unguae aetate reperinntnr , maxime apnd Plautum,
qnt primas yerborum notiones yel integerrimas et yerlssimas
sermKyM. Hac in re teneo Hind , quod disputayi in eommentatione
de partteipiis p. 27, cuius me nondnm poenituit, etsi plures exinde
earn' rem explicuere yerbts magis quam re ac sententia discor-
dantes. Sigaifcaat ergo magis condicionem ex actione profici-
^entem qnam actionem ipsam; atque ita fit, nt mnlto saeplus
t4ubher, ges, Schriften, 11
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rttolute ponastiir^ rM^u rero Magit MMft«e«, qtt«4 IHImM
•kieeittin est. AtHtrari^ hob male derlrafom ab or (a4) eiMn
(ite), grarios eat priiaiim qaam opinarij Graeconiin oTsfr^at^ qn
paaaira forma eat yerbi ^Tmfero^ ergt) ferri ad allqnam offakm
yel senteatiaM, noa addaci rerltate eiua aat Ipaa seasain per-
eepttone; in iHo plaa certi inest^ ia hoc parvm pwhaMMifk
mrUtrtaur is qi^ auiB ipae sesaibaa atiqaod Mvet re! testinMia
atqae caiba enuaciatum aliqaod veritatlb adminiealam eat, ofmk
qoi aaaentitar parma percepto (Cic. Atad. pr. 2, 48 9 148 U
ipals jiiitar verbia) , qui aeeipH M ^ quod non veram , ui m
tantam simile est 9 q«i sperat, cum quo verba saepe iaagMiril
Qniaet P^. 4., deniqae (at sapra iam vidfaras fnteresse teter co^'
tare et sentire) arbitrari aliqaia diekiir allqaid aensu plmM actin
ia^rioris apad Plauiaai Capt^ 2, 1, 24. secede* buc procnl, i'
mrUtri dicta nostra aribitrari qaoant, abi non solam est aoscilliR
et observare, sed potins testem esse atque testidcad rvrm
BaeeK 3, 6^ 41. tt pergis parum niiH fidem ariilirarier; at^
in iBIa quae simul etiam activae formae exempla snnt: Bfiii
2, 83. continno arbilretnr uxor tuo gnato. Pseud, i, i,SI.
io si arbitrarem dignum, misis^em tihi. SHck. 1, 2, ^7* pre^
res credo arbitrabunt, si prdiis narraverfa. (Aciivae fom
veriii apinari exstaat in fragmentis Enaii atqne Pkaii, etpiHi'
dpioram SbieU Oae». 6ft. Qtdnci* inaU or. 1, 4, 21.}. ^
qaam vertNim ariitror omnino oppoeitnm id kabeat, quod •»"»
sdant, in qao onmea consentiant, opkmri id qaod quis ratioail*
atque arg'umentis evincere potest, iam ilttaa rocaball solffMb
qatdam usus erat etiam iuratorum, qui quod dfcereat pertmstS'
sknam certissimumqae haberant, moAesMa quadam tempera^ i*
iudieits, ita ealm docemar ipso Cioeronis hico pr^ Font. 9, 1!^
(yeribum considera^issimum aostrae oonsuetiidlais , arkUr^f) V
BOS etiam tanc atimur, qaum oa dicimnft iurali, qaae tmf^
babemus, qaae ipsi vidimus). Atqae verom illios usam taitaitw
loei apad Livium plwres 3, 13. 4^ 40. Opinofi autem et «a«p»^
habere sfti opponi docet Suet. Caea. 66. Cit. pr. Mur. 30* ^
xime autem acoedit saepe, ut ante faidicatam a me est,'i'^
tiendl notioaem Ctc. in JPken. 20. de vobis hi& ordo ^^^^
non secas ac de deterrimfe hosUbus, a^pie liaa/e opMri ^l
Suetim. Octap. 51. Mear autem negatira qaadaav vi ia'*^
videtur, id quod gueo distin^it eiposmtrnf aat eatoi iae^^
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VMi^m. 16S
ipsis fMBOlRtk Mgaiittta9 ast (wvte to ipsa BignffimtiMie vd
^pposerit ratlofte negfttlo ^pmedam per«pldtor. Qa«mad«iocNM
reB et fadvm siU oppoBi possmt tta, ot in cofMatloM iattam
▼•rottnr tdaqiie sit aot rere iam ad f nem addocta el perfect
sio ettam rert el fieri alfqoa ex parte sibi of^oDmiUr. (Aliqoid
fataran eaee eiospectare qnod Tere nen iat, atqiie — fieri re
vera). Haftet enin cam notione exspeetandi pro]riiiq«ani omafaHi
ai^iteationem, iM quid factam esse ant fore exlstimakasy qaed
alfter iam evenit Ita fit, ut praecipuus hains verb! usas irit ia
praesenti, imperfecto atqne fotoro tempore; inprimisqde familiare
verbam est poetis, ita at ipsi latliii scriptores (Cic. de oral. 3j
38. Quinct. 8, 3.) partim iHud a^noscere nolint. Vtrg. Aen. 7,
437. non ut rere meas effugit nuntios aures. Plant. Atnph. 3,
3 9 20. His ottinibos tribus verbis semper magis interna qnaedam
condicio inest; possumns quidem ea quae in nobis sunt etiam
palam facere, sed boc ipsa verborom notione non exprimitar.
Verum in reliqnis illis activae formae verbis haec long'e g^rarior
atqne potior est agendi atqoe exprlmendi simul ea quae senseris
significatio. Existimat aliqnis ex rebus quibusdam, condicionibus,
factis ad verum rei statum, cuius aut gradus aut virtus quaedam
dignoscitur; putat is qui ex diversis rei caussis atque rationibus,
amputando atque tollendo eo quod non verum videatury id evin-
cere studet quod rei caput est; credit is qui aut quod alii dixere
sponte accipit, aut quod ipse senserit nulla sua auctoritate atque
fide aliis elocutus est, cemet denique qui sententiam suam pro-
ponit ita ut aliquid faciendum esse dicat. ExisHmare igitor
originem sententiae eiusque caussas, putare ipsam rei condicio-
nem atque veritatem, cenaere finem atque consilium maxime special;
credere autem facilem notat sententiarum transitum ab ono ad
alterum, neque pertinet In illam seriem. Quodsi iam ex Grae-
corum bulus generis sjnonjmis unicuique latino quod graecum
voeabulum maxime respondeat dicere velles , vix quicquam simile
reperies in illis vofil^eiVy idxsity ^ysi&&ai; quorum quodque aliam
prorsus viam sequitur quam latlna ilia. Existimans autem — ut
semel etiam repetam — de dignitate, pntans de veritate, censens
de utflitate cogltat. Pauca addam eaque illustria exempla. Cic.
de leg. 1, 2. de scriptoribus qui nondnm ediderunt existimare
non ')[)ossumus; ad fam. 1, 7. ex eventu homines de tuo cob-
alio existimaturos videmus. Cic. pr. Plane. 4. in quo primum
11*
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164 Sjnonymonin Ifteilns.
IHiid dcbes putare ^ comitlis praesertim aedHftiis sto^m esse
populi 9 non ladicittm. Lael. 2. Aitilius quia pmdens esse in tore
ciirili putabatar. Ctc. pr. Rose. Am. 39* Deque qn&sqaam credit
nisi ei queni fidelem putat, de dor. orat 93. credo qnod rideret
neminem esse secimi comparandum. Ctc. ad Att. 10, 11. quid
miiii animi in navigando censes fore? (id scire ineum interest).
Cie. in Ferr. 7, 68. censeo mag'nopere, desistas. Consentimeum
est verbom censere ita proxime accedere mnhm in locis ad Hhid
suadere.
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165
Phtlologische Aehreniese.
a) Vcrmischtcs.
1) Waram hetesen die Horen bei Theocrit. 15, 104. ^oq-
di4nai liianaQWv? Mir scheint es yon Manso Versuehe uber Mythol.
p. 399. durch die Besiehaa^ auf Venas sehnsiichtige Liebe kei-
nesweg« g'eni^end erkllurt su sein. Viehnehr sind aoch bier die
Horen als GdUianen der Jahreszeiten, des g^anzen Jakresverlaafs
mit dem Keknen, Reifen and Absterben seines Lebens gefasst,
jedoch 80, dass, wie ancb g^anz gewOhnlich in der Bedentung'
vw iS^a liegt, der BegriflT der ax^% der aeittgenden Reife nnd
VoUendong', besonders beryorgeboben wird als der Cnlminations-
panct, mit dem andi zugleicb der. Tod wieder eintritt. Diese
Erscfaeinnngen, die einselnen SUdien der Entwlcltelttn^ sindnicbi
Moss anbiectiv, f<ir den Menscben nnd seine Betrachtnng, lang-^
sam , insofecn sie sebnsttcbiig toi ifcm erwartet werden {jipo&€ivai)j
sMdem ancb insofem nacb weiser Oekonomie der^Nator dnrob
den Wiilen GoUes wirklicb in der ganzen sichtbaren Welt, am
stjirksten hervortretead in der nnorganiseben der Pflanzen, alle
McHuente der Lebensentfaliang* bis zn diesem hdcbsten Pnnete
sehr albn&hlicb erfolgen, am dem dessennngeacbtet oft toII Un-
^dald die Reife beschleunigenden oder doeb berbeiwilnscbendei
Bimscsben gewissermaassen einen Ersatz za bieten fttr das rascbe
Absterben naeh dem Eintritl^ der bdqbsten Yollendang. — Dass
aber diese Bedeatung der Horen, nacb der fortlaufenden Paral-
Me, die die AUen zwiscben dem einfachen Natar- and Erdleben
and dem geordneten Staats- and Gesellscbaftsleben zogen, eben-
sowobl eine recbt arsprttnglicbe als eine lang sicb erhaltende
war, zeigt die Yertanscbang and Yerwandtscbaft ibrer Matter
Themis mit der G^ (vgl. Siuhry ReUgianssysi. d. Hell. p. 189),
das zu ilinen gericbtete Gebet der Atbener um Abwendnng der
Dttrre and am Zeltigang der Feldfracbt mit warmem Regen (s.
die SteUen bei Creuxerj Symi* und MytkoL I, p. 166. 2. A.),
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168 PMIoIo^ische Aehrenlese.
das bedeiitiuigisyotle Nanienreg>ister bei Uygiu und so vieles
Andere mehr. Aaf jenesBeiwort nimnit man jedocli setten Rttck-
sicht; auch fFustemann hat es an jener Stelle nicht ^erade n&ker
erklftrt, and Burehard in seiner rortrelTllchen Anthologia Graecm
p. 256 lasst eine Bemerlnm^ vermissen. — Da des letztern empfeli-
lungswiirdig'en Schnlbaclies Erwldmong* g'esddelit, , an dem wir
im Uebri^en seltener das znm Yerst&ndnisse Nothige vennissen
als zu yicl finden j so m6gc bier nocb eine kurze Bemerkang' dazn
folgen : Ansser dem Vs. 8. (in den Adoniazusen) fehlenden Names
AtT Praxtnoe, wie Vs. 78. dem -der Gorgo, tadeta war Vs. 124.
tie WM der Lesart ahtw — ^iQcmog^ da ans dte b#rkdmmli<Ae
ttUna yii^vtsgy deren er nicbt erw&hnt, d^ Vorzog so rerdle--
mn scbebit. In dem Bpigramm des Erjcins p. 397 erUirt tick
Hr. Prof. Burthard nicbt entscbieden, welche der beiden ange-
gebenen Bedentungen des Pwrticips xcxAi/uivov ¥s. 4. er bflltg4«
Wir treSin besonders bei griecb* OiGbtem nocb anf andere Stel*
hm, wo ^s nicbt sicher ist, ob das Partieip eine caossal befttft*
dende odmr eine appositionsweise modificbreiide Bedenteng lint,
ob es mehr s^stHadlg «if dm frflheren Zastand hlnwdset, oder
dn nnmittdbarer Brkbrimgsznsatz zi 4em Hanptreitnm isi S^
kttnnte man Soph. EL 886. Sga^ xamg nguae^U fwp fM$itw uetmi
X9^tFiifjL€&\ el'rtg rowi* nuowKtai Xofovg^ einen AageiMick fal
der Weise missverstdien, als ob n^ccovts WeAzeug o*w Ursai^
angibe yon dem eriangten sdiwereren Leid: Tide, ne male ag^ido
waiora nancfscamnr mala; dem widerspr&cke mehr als die ftadoa-
tttig des xecxcS^ nqvoMfeiir der ZosMz: bV ■t^g-^ Xiyovg^ deM
schon Ton dem blossen Reden, nidit etwa nnr to« Handain,
fttrcbtet sie Vergresserang des fiiends. Dass es dort yid*
mehr die sichere Bezeichnnng eines festen Zostandes bat: iie
wir nns schon im Elende beinden, das yermittelte dem grieiAfr-
schen Ohre wobl theils die Stelhing, Toranf Tor dem /^ly, thiA
vielteicht anch der Dual, dessen zn einer bestimmten tiemeinscbaft
^nsammenschllessende Kraft eber an einen fest^, Torbandaictt
Kn^nd, als an das Nebenaccidens einer nooh erst zn Torwlrk-
licbenden Handlung denken liess, wofttrwobl der Plnral goeig-
neter gewesen ware. Den entgcgengeaetzten Fall nehme leh in
Jcnem Epigramme an: das BeiwOrt frrufQa to« der Btdie scheint
besser anf die Ruhe eines Lebenden inter dem schtttigen Bame
IH pass^; daeu wird das fiemalde atisgefilhrter und Mb^Hilger,
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PUjtDt^etoelie AekeBfam • 167
me die SehnMcht sfeh em 8# gtrnvMtf a«ch dem Mg^riea mk eat-
adKUteader Wirkua^ euitreteiideh SaUe: cSlco-^i^a^ n^c%^q96 xt-
faiwt^, nidit scbon im Vorwe^e s^ne Kraft g^eraubt. Ich eBtscheide
midi ako gegen die awelte UebersetouBg: cum iam quiescas morluvs.
2) la der ZeiUchrifl fur AU. WUb. 1841. S. 262 remtest
Amm InMablliaiiseii, bei Geiegenheit einer Receasioa des Tbeo-
brii voA Boigsonade, eine Nachweisung dee Worts viwiov. C.
A. BoiHger in s. erkL Anmerk. xu d. Od. d^ Hwrm* Tb. 2. f.
124U filbrt, wie icb in meineni Coinmentar zn Hora% Oden p« 524.
is Vemalassnng des^.wenn es nickt onomatepoetigchea Urspcungs
wky gewiss biermtt verwandten naeaia bemerlit babe, folgende
Sielle aii« dem Ues^him T. II. c. 693. fdr dieses Scbliinunerlied
HB: vivrwv bfl r^tg nrndiot^ xatuflavxakovfistoig yxurl Xeysffd^m*
Dieser Wiei^enlieder unicr dem Namen fiavx^fiuju oder natur
puwiiaki^9$^ gedenkt auch Becker in seiaem anziebenden Charikhs
I J f. 29*9 obne j€Ml»eh jenes andern Ausdmclra an erwlibnen.
3) Ofo schwierige Stelle bei Firg. Aen. 1, 396. scheint
mir dnrck die verscbiedenen Oentiii^pgirersncbe der Ausleger npch
nidit genH^ei^ aufgebelH an sein» Dfe als Jabgerin dem Aeneas
niilgegeiik»minende gotUiehe Mujtter gibt ibm eine wnaderbve
fropheaeinng: Zwolf frohlieh sehwarmende Sekwane verfoJ^t
Jnpilers Aar ans der Hohe des Himmets dtirch den freien Luft-
ffiMHn — nwc terras nrdine longo ant OHpern ant capt3as iam
denpectare videntnr* In ianggedebntem Zoge anr Erde sich sen-
kand hat ein Theil scbon dieselbe erreicht, ein anderer fiiblt sicb
4ttrch die NiAe des fast scbon erreicbten Landes Tor der femeren
Verfotgnng sidier. Zu einer solcben KrUarwg notbigt woU
der dem Vergleicb ais Substrat des Gedankens entspreobende
6ata Vs. 400: Aut portum tenet ant pleno subit ostia tcIo. Neb-
men wir das captas iam ftir nicbt bloss ideell^ sondern wirkUch
nebnn errelcbt, so feblt ein Zvy^iscbengedanke, n&mlicb der, dass
file von dem anf der Flucbt erreicbten L^mde sicb sofort wieder
k dieHftbe erbeben, und also nun erst ver&cbtlicb anf das sQboii
g>ew0nnene Liand herabbliclten; jener Zwiscbensata aber ware
wobi weder der Natur der Tbiere noch bier dem Zasammenbange
nag^emssen oder obne Weiteres ron selbst verst^dlicb. Eigen-
thamlicb freilicb ist dieser aoristiscb-idecUe Gebranpb des Partic.
Pacf« y aa dem der entspreebende Gebranch des Inf. Aor. im Griecb*
efa aekr bii^ sieh darbietendes Aaalogoa bildet. Die rdm. Prosa
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H8 . nillgle^wdie Aehradese.
bymte simi^t einea Anlfeb^ii Oebraack wohi brin bf., aiif^
f^dleader wie Tac. de erat 24. pramissam iimnfitasse nan <Mfm
{ygh Pabst und Hess dazu) oder jEKs^. 4, 73. uiiliuB sit andlsse
^am dixisse, ab we es darck das Hauptverbuni scbon ablnbaU
eines Gedachten oier BaipfiiiideBen vorbereitet ist. Bdspiele
Tom prosatschen Gebraucbe ^s Partieips, wie Liv. 23, 38, 7v
viginti paratas alias deeermiiit, wttrden, aiich wem hier iddd
jetzt yieknehr parari (s. Fahriy mit Recht geiesen wiirde, flMr
diesen Fall nichts beweisen ; dieser scbemt Im Gegenlkefl meht
der Dichterspraebe anziigehdr^ii , ist aber fast dberall eisgetretev,
wo man sagt, dass das xwmte {Vett pass.) mit dem vierten {Vv^
pass.) Partie. yertanscht Ist — begreifltdi, da die grdssere Leb^
haftigkcit, dk sicb darin aHsspridit, der Dichtersf^adie natilrlidi
nad angemessen 1st. Forbiger erwahnt 2a F. A. 2, 721. fol<^
gender Belspiele: Stat. Tkeb. 1, 244. 8, 11. Xmor. 7, SOU;
Bach zu O. ilf. 10, 541. weist ebie noch grissere Verseliietai-
arilgkeit der Bedeitang in dieser Form nack; kallen wir daaitt
den Gebraucb znsammen, den Th. Sk§fM zn Hor. JE^ 9,2,8^.
mebr allgemein als mit Bezag anC das^doeb sckwerlick za wtii*
leade contacta an jener SteHe , fUr den sogar der Haoplkuidlaai^
eigeads vorsckwebenden Zweck nacbweisi; so erkennen wirdoefc
aucb wohl klarer, wie das Sttpinnm nnd mit weleker BedenAwig
es sidi darans gehiMet hat (s. meine Sckrift de participik p.
fi7 f;). An nnserer SteHe kommt das von einer reckt nodi erww*
teton Handling geltende iam (Hand Turn. III. p. 124 f.) soIcAer
AufTassnng trefflieh zn Halfe; wir werden sie also, wie a«cli
seh«n von Andem, nor weiiger entsckieden and aasgefttkrt, aiK
genvmmen worden ist, dakin deaten, dass jene Tkiere nadi des
Dickters Vorstelhing tkeil^ sckon den Boden erreleken, tkells dock
auf den gleick erreickten mit Veracktung der Gefakr stolz nad
woUgemutk kerabsekanen. -t- Von solckem aoristiscken Gekraneke
fiaden wir ansserdem kel Virgil nock manckeSpar; lek will hier
nor an das Plnsqaamperf. im Absicktssatze ; A. 8, 206. ne qnlii
inaosam doli foisset, wo es gewiss nickt als blosser IiAodt der
Erzaklung oder als eine dnrck den Erfolg nkkt kestitigte Absidit,
Bondern gerade als die gedackte Vollendung In der Seele ims
Handelnden kervorgekoben werden sell, and an diesdbe Zeitlnrai,
«ach dem Vorgange des grieckiscken Aorists ziur BezeichuHig
des Anfmgs oder ersten Moments einer eintretenden
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Pliaoi^Mt<^ Aekrentese. 169
^em LjrideBwhftft isi^r ^m AStcto ^braa^, 8, 219. farHs ex-
ini^rat atrcr^Mle dolor, ortmiere*
4) la der bokamtien Horasdschen Ode I, 14. erkeimt man
ill^r^iuein die Nachahoiuag eines ^eehiscboft Mnsterbildes. So
labcfl neuofiliA^s Ladmann ia dor epiat* ad* Frank. (Mnter deos.
fast. Hffiratt.) p. 337 atif ein alc^schos, Paldamm in Zeitachr. f.
^U. msfi. 1840. Nr. 139. p. 11^ auf ein arcMIooliisches Gediclit
^escMossen; hesUmmier fasst es.JiT, (k MUUer in deni scli5nen
\¥^rbe seiner ^eistigen Hinierlassensciiaft (Gnesch. der griech. Lit.
beran^. Ton E. MiiMef. I. p. 300) als Wiederholong' elner roll.
^#sserer Dentlkhke it za eritennenden poitiisclien Siiitation in
4eiu Leben des Alkaos: ,vAls Myrsilos auf deni Wege war
eiiie t^rannisohe Herrsehaft in Mityleae zu ^rflnden, diditeto
Aikios dm schdae Od#, worin der Staat mlt oiaem Scliiffe rer-
^liclien wird, das die o^rmisdien Wo^ea hin and lier .urerfea,
'walNRead das Seovrasser iai Soiiiffe schon den Boden des Mast-
baumes erreiclit and das Seg'ol Toa den Windto zerrissen wird;
wfr keaaeasie, aas^r eiaeia bedeotendea Bfodistndr (fragm.2i
Blomf. 2. Mmith. vgl. 3. [hor^c^iteilt jetzt aucli voa der g-esdiick-
im Hand f%. Bergk's in ZeUschr. f. Alt. Wias. 1840. Nr. 103.
p. 847 fr]) durdi die sdidne, obwoiil ilir Original niclit errei-
dieade Naefabildaag dos HiHraz {Camu 1, 14. naris referent — ).<^
Uad Mulles: fUInt dabei so*' weiter fort: ,, Als aber Mjrsilos
g'eattrben war, wie stumnadi und raasdiend ist da die Freude
des Dioirters: Jetzt darf maa sich beraascben, jetzt den Tafel-
^^nossen za aaatassigeai Tranke auffbrdera , da Mjrsilos gestor-
baa ist (fragm. 4. Blomf. 4. Maitk.); aaeh yon dieser Ode hat
Horaz wenifpstens dea Aafang fUr eioe seiner sehonsten Dick-
toagen genomniea (Carm. 1, 37. Nunc est bil^endnat, nunc pede
libero — ).^^ Hatte die Frage naeh deai Verhaitnisse des Vor*
and Abbildes bier unmittelbar auf deni Wege des trefllfehen
Farschers gele^n , so witrde die eigene Andeatung- yon der let^-
tefen Ode wobi aueb Einfluss auf eine etwas aaders gestaitete
Meiaaag biasicbtlicb der erstea gebabt haben. Jener Vorwurf,
wean es eiaer ist, sein Ongiaal aicht errdcht za hab^n^ tnmnte
^en fdmisch^a Dlobter sdiwerlich treffen, da es ihai um eine
NaebbilduBg gewiss aieht za than war. Wir seben nua aa diesea
Beispidea so redht deotlieh die Art and' Weise, wie solely
SdM^aagea in seiaer Werkst^te entataadea siad. Die sprMe,
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170 FyMitlMlie A O ti ri i iP .
abtelweirie ¥uUff to^dhen m AhkamOxBg eigraaidi JrfstoiiBdMMr
und politischer Ge^enst&nde besUM'^t afeh «ach hfer roIlkomiMM;
nidit die Saebe selbst beg«isterte Iho , soodeni ersi die poetische
AtffTassqpg', dereB sie f&hig ^ar und die sich Ihm in dem Sttteke
einefli griech. UleisterB vor Aogea stellle. Die S^tnatioii Ist oil
eine gaas aadere^ ja bei elaem bisweilen vid grdssere Aehi-
liclifceit Bocb g^estattendeii Thema doch aasdjrilcklloh. so gewlddt;
die Neubeit einea Bildea, def Reiz einea ireffeiKka GedaakeiMi
weclite in ibm den &bnU<Aen Veraaeb. So hat Qorai auA kiet'
^uwt die allgemeine Verglelchuag des Siaats wU, elneni Sdsffa
mit den griech. Didkter gemein, der liesondere Standpcmct^ dea
jeder ron baiden gewftbit hat, ist verschieden. Beiin Akms
befiaden wir ana mitten im Stiurme auf dem Meere -^ die umak*
weadbare GeGdir.fQr den Staat Ist hereingebroctmi , kigam glinst
ein adiwacher Strahl der HoiTnttng, wie deraelbe l^dnae gerett^
werden; die Art der Lidsung In dieaem Gedlchte hat «ns M4er
daa Bruchsttick niobt aafl»ewahrt, and wIr k(^nnen aas Horaa
nicbta darfil>ef entnelunen. Bei Horaz befinden wir oaa iai Bufemj
endUch Ist nacb langer Gefahr und Noth der Pert der Rahe
errelcht, nichts ist mehr zu ftirchten, als dass di^er sicbere
Standort nicht bebauptet, sondem aus Blindhalt ader TdlkfthiArit
rerlassen werde; der ScUuas der Ode eadtioh la Uiren tetatea
drltthalb Strophea I&sst uns kannr eine Aebnllcbkeit mit jeser
griechiscben Darstellnng abnen. Woher denn diese so aligemeia
angenommene Idee, Aletos babe dem Horaz rorgeschwebt? jesea
Bild musste ihin doch wolil aus einer Menge aaderer SteHaa
bekamit seln, und die friihere Vorliebe, zu rdm. DIcbtersteUM
griech. Parallelen aufzufinden, hat bier doch wohl entschledea irre
gefllhrt? Ich meine nicht; vielmebr glaube auch ich^ daas dfo
Lesung jenes Aic&iscben Stacks den Dichter veranlasate^ and
awar nicht, weil die blosse Form^ die Schdnhelt des VergleldbB
ihn ansprach, sondern weil die Sache, die Gleicbheit in dea
Staatszustlinden ihm ein lehrreicher und interessanter Gedaake
war; die Noth des Staats aber konnte selbst bei yersdiiedeDen
insseren Yerbldtnissett dieselbe sein, es ist die Gefahr jeder
Umwftlzung tkberhaupt, und so moditi^ es, wie beim Aldus die
Farcht vor GewaUberrschaft, bier in Rom die Reactionsversacbe
aus dem Volke iAerbaupt sein, die dem Dichter vorschwebtM.
Uebrigens wttrde rielleidit noch die Aufiaaaung der BiahaK In
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iem GaMen ttdorch ar]el<^tert, wenn wir ^e ScMdttwi^ V«*
4 — 8. iteber ailgeviei^er ron der Gefalir und Unsicherheit eiiies
inv Siiffm besffaftdi^ten nnd nicht wiedcr mil alien MMteIn aas-
g«ripteteii 'Schifes rersteben^ Vs. 9 ff. aber als die g'ewisser-
marassen daraaf antworteiide A'nwvndaii^ im Einzelnen fassen,
aieb beziebeid auf die besradere g'e^enw&rtig'e Lag'e desStai^;
flanii baben wir aieht iHitbig*, eiaen verscbiedeDeii StandpuncI)
Blmlieb erst muser und dann in der Gefabr, anzHnehmen, nnd
Mch das videsy was dann mehr ein lebhaftes intelligere als ein
asdire iei, bekonmt seine rechte Bedeutnng'. — Es wttrde nicht
sehwer sein, nech mehr einzehie Aehnlicbkeiten za der Ode aua
^eeh. Dfchtnm nachznweisen, wohin ich nnter andern Soph. 0«
T. 26-*— 26, znm bildlieben Ausdmck ^eworden EL 1057, zlAlen
wirde; allein Ich halte diess in diesem Falle anch schon dess*
haib fiir bedenblidi, weil die griechiscben Trdgiker woM in
gerlngerem Maasae Geg'cnstand der Lecture bei den lUknem
wareiK Darum kann ](A anch keine eigentliche VerUndung anneh-^
Men zwiachen Her. Od. 4, 13, 7. and Soph. AnU 776, welche
Umi aHe Aasleger des Horaz, auch G. Mermann z« d. leltAi.
St. (a»ch Paesow kn Lex. s. v. hwxBvw scheint diese anza^
ieuttn) «id ne«ilich R. KhOz in der EpisU criu ad God. Her-
tkannum (Lips. 1840) p. 23 habea ftnien wollen; wenn dort
die Ueb^ auf den Wang^en tbront, #der einig'e Vetse spiter,
ibereinstimmend wH dma Ansdrncke in grieeh. I^igramman, der
Sdmte das Hanpi bedeckt; sa sa(^ ich die Ursache soieker
Aebnitchkeiien mehr in der Natar der d^rgestelUen Saclie als ki
einer Entlehnang des Bildes. Ein Anderes isi es, wenn eine
Anffassnngsweise nns ii^endwo begegnet, die dem rdmischea
Alterttame lil^erhaipt fremd scheint So spricht mir ein Fremid
die Vemrathang* aus, in der vielbesprocbenen Stelle bei Horaz
{Od. 2; 7, 9 ff.) sei wesentlich an griechische Nachahmong^ za
deaken, indem die Wegwerfung des Schiides nicht sowoM a«f
wfarkticher Thatsache bernhe, da der rondsche Kriegstrihun sckwer^
Uch mit demselken betimffnet gewesen sei^ ate yielmehr aus der
Erianernng^ der griech..Verhftltnisse nach den noch vorliegenden
Zengiiliss^^ stamme. Idi mOdite diess als Frage hinstellen nnd
darmi noch diese andere Imllpfen: ob es verstattet sel, den leizten
Vers jener Strophe von eiaer so schnelien nnd nnordenUichen
nacbt ZH rersteben, da»^dkFUelMiid«i la Fdge dersdben stol-
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172 PUlologtg^ke Aelurenlese*
pemA hM dem Geskhte anf den Boden stnrzen? -fis wiirde vides
frachtlosenBemtihimgen aasg^ewichen werden, wcnn eine soteheDeo^*
inngj namcntlich nift dem Ausdrncke tan^ere, vereit^ar seta solH^.
5) In dem von rasclier Leidenschaft beweg'ten Wecjm^
gcsprliche zwisehen den beiden Schwestern in Soph. Elektra Vs.
1003. hat der verdiensivolle Uebersetzc^ Tbudiehum fiir die
Worte der Chrjsothemis Vs. lOU. (1028.) eine Erkl&rnnff Mmt^
thias ang^ezogen, die einen von der gewohnlieken sehr abwei*-
chenden Sinn g'ibt: es ist mir einerleij ob du mich tmdelst oder
lobst; and scheint ihr siiebr ^eneigt zu sein, wenn aveh seine
Uebersetzang : Oeduldig widrd^ ich horen^ auch toenn Imb du
sprichsty der Dentnng sehr vielen Spielraum lUmA* Ich frage*;
L^pst, abg'esehen vom Ideeng'ang^, das Ztav mit dem Coni. einen
splehen Sinn zn? Ich meine vieimehr, dass damit anf eine sick
einmal, friiher oder sp&ter, vor Augen liegende Entscll^no^
hingedeutet ist, nicht anf das eben vorher g'esproi^ene Wort
der Elektra, das ein ei Uytig erferdem wurde; diess war ahw
anch kein wirkliches Lob , yielmehr nnverkennbare Ironie. Es iat
jene scheinbar beneidenswerthe Elugheit, die hinter de)r Mask«
besonnener Vorsichtigkeit die genietnste Fei§fheit verbirgt^ damtt
verworfen; die chi^tische Wortstdlnnf and die, eine wiritiidi
trennende Gegendberstellnng* aafliebende, Auslassnng der Partikel
fiiv lassen die beiden Satztheile gar nicht von einander akldsen,
sondern nor als Ein Ganzes fassen , and da versteht es sioh dana
von sell>er, dass, wenn das angeblich Bewunderte veralnwheai
wird, es mit jener Bewunderang* nicht sehr ehrllch gemehit se^
kann. Ghrysotbemis erklllrt den bittern Hohn der Schweslear
tragen za wollen, anch wenn derselbe sich einst als Lob fir sie
aaswdsen sollte , so d^s das sichere Gefiihl angerechter Beband^
\nng also den Schmerz, von der Schwester so tief gekr^kt za
sein, noch vemiehrt. Elektra antwortet, dass sie dieses (Lob) von
ihr nie erfahren werde ; sie kann also ihre eig-enen letztep Worte
aach nicht als Lob gesprochen baben , and g-ewissermaassen voT'-
steht sie die Schwester verkehrt (eine Eigenthiimltehkeit der
lebendigen Wechselrede, welche Sophokles noch mehr in dor
frtiieren Unterredang zwischen Matter and Techter hat eintreten
lassen), als ob |iie noch ein besonderes Lob, nicht die znm Lobe
gewandte Benatzang des eben besprochenen Tadeis erwarte* Aber
Elektra darfte so sprecben, indem sieGewicht daraaf le^en wffl,
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Hiflologisclie AehreBlcse. 17&
jhfi8 Mch ein uftgUcfclicber Ansgan^ ibres VorfaaV^s nie die
Clesinnang' ier Chrjrsoiliemts recMfertfg^n werie* Vni dass hier
Ton ehier sN^ldRKii Entseh^idan^ dareb die That, nidit durdi
Worte der Elelftra die Rede sei, zelg't der nftchste Vers: to
stQtrou rafca, womit Chr. ohne Zweifel bezelchnen will, dass
i^ne endlofi lan^e Knechtsdiaft das Resaltat ibres frucbtlosen
BeinlAens nel and ibr in soieher Notb aueb wobi einmal das Wort
2urf die Lippen beryordr&ng'eii wehle: w^re icb der Scbwester
IMer ^efol^t ^) — Diese so boebadittare Geginnun^ der Elelitra,
die Qftbekittiiiiiert um den Aus^aag* dem Drao^e ibres Herzens
folgen wHI, scbeint aacb der Cbor nacbber zn wttrdigen, jiiir
deft'GedkiBken an den Tod , sebon aus nacbsicbtlg'er Scbonang for
lie Elektra, st^rlier festzabalten als den abscbreckenden der
Kneebtscbaft. WIr wundern uns daber, dass Vs. 1068. (1085.)
die Brkl&raD^ des ifdyxlavToy td&va wivov &lov vom Tode noch
tomier nlcbt allg'emeineren Eingan^ findet, weni^tens bat Thu-
didmm es wieder darcb thranenreiehes niederes Daaein erki&rt,
was dem griecb. Ausdrucke nach wobl mindestens eben so viele
Schwierlgkeft bat, als die andere von Wunder gat gesttitzie
Erklftrong'. Icb will es daliingestellt sein lassen, ob sinatQiq
Vs. 1064. (108L) die gate Tocbter oder die Edelgebome bezelcb*
net, dbwobl an die onablilssige Klage am den Vater sicb das
liOb Jener passend anreibt ond mit der neaen Stropbe ein nener
jReduke begfamen kann; aber den Commentar dazu, wenn es also
dner itt, bat er scbwerficb ganz genau gefasst: Kein Edelgebomer
MB9t sick durck das VngUtck verleiten^ za tban, was seinen Namen
sdi&ndet, Ibn za einem vwwfwg maebt. Das d-iXs^v ist so wenlg
eine VerMirang dazu, als das ^^v xaxwg Unglttck; vielmebr jenes
bewnsste and tbatkr&ftlge Absicbt, dieses eln scbm&blicbes, des Edel-
gebomen nnwiirdiges Leben, in Kneebtscbaft and Unterwttrfigkeit
b^sonders, das ihm den Namen nnd Raf seines Stammes ranbt (ywvv^
fiog)z l]d>er wHl er also sterben, als scbimpflicb leben (^t. 479 f*
rgl. Wunder %.VL. St.). Diese Todesfreudigkeit ist Torbereitetscbon
Vs. lOtl f. , die Wabl eines anwiirdigen Lebens wtirde aber ja mit
d^n aufgestellten allgemeinen Gnindsatze'in Widersprucb steben,
Old wo bliebe denn dIeWeisbeit, die an ibr ja gerade (Ys. 1071.) neben
der fandBcben Liebe mit so scbdnemHobme berrorgeboben wlrd?
1) Man Tgl. Jeizt Wunder$ Annikg, in 8* zweiten Ansg. der Biektra.
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174 MrfM^ifiseiie AfUkeideBe. '
6) Die Tempu$folge \n dar lalefaifscheii Spradie folgi ^bm
80 streng-en lo^fschen Norm , dass Hire AnweiMung' das deatsche
Sprachg^eftthr oft rerietzt oder frre fflhrt; Wens Cicero im (ha-
tor 9 J 29. vom Perikles sag^t: q«i si tonui ^enere utereiurj mmi*
qaani ab Aristophane poeta fulg^ere (onare permiscere Graedam
dictas esset, so bemerkt der neueste Heraasgeber, Prof. O. JiM
dazu: 9^wir ervrarten das Plasqaamperfeetum /^ niid ' bezHehnei
e» ats eine efgenihUmlicbe LdlhafligkeU der alien Spradien, bei
hjpothetfschen Sfttzen die ang'enommen^ Bedingung' gewlsaefrnm^
sen als g-egenwirtlgp za setzen. Weder die Bemerknng^ aelbst
ftooh ihre Be^ritndung dfirfen fttr berecbiigt g'eliei. Bie Fmgt
muss znn&cbst die sein, ob ttberail das Plusqaamperfectum an
dfeser Stelie hfttte steben konnen; nnd diese Frage mass a)ler-*>
ding's verneint werden. Man Tergisst die Relativil&t in diesea
Tempnsformen der rOmischen Sprache. H&tte Cicero nsns esset
^eschrieben, so wftre das ein relativ, d. h. bier also inBi^ithvaf
anf dictns essel, rollendetes ^ewesen, wlibrend es natOrttcber Weise
aQob dann noch fortgeht, wenn anch schon emmal yon Aifek^
phanes, noch dazu einem nur rieHeieht etwas jOn^eren Zeitg'e-
nossen, ein solcher Aasdruck gebraocbt worden w&re.
7) Es ist allerdings ein seKener Fall> dass ^wei Wdrter
rerschiedener Spracbea in ihrem hhalte and Umfang-e wfarkReh
sieb decken; trifft dieses aber einmal, so sollte mUn diesdk
ben sorgf^Higst beachten nnd stets fttr einander subsUMre*.
Diess gilt von dem lateinischen praesertim ond den de ntoch e i
zunial) beide Ziehen den Kreis enger and enthalten daher an sidk
eIne Beschr&nkung, freilich in einer durchans sobjectiren A«f^
fas^ung^-' and Ausdrucksweise. Wenn daber Cicero In ebeit-^
demselben Orator 9, 32.' vom Thucydtdes sagt: nee vero, at
bfetoriam non scripsisset, nomen eius exstaret, eum pnmserHm
fiiisset honoratus et nobills ^ so sollte Jahn das nicht «rirl&roftt
and daS) obgleich — , sondern: zumal da doch n. s. w. lis
^ebOren die so oft (s. die Beispieie von Jahn) zusammensleleiiitt
cam praesertim anf das Genaoeste zn einandor , we9 In beldeii
elne Beschr^nkong liegt, eine genaaere Bestimmnng^^ die Mk
aaf das Vorige znrOckbezieht, In beiden eine sabjective A«fllM-»
sang*) so dass man auch kein anderes sinnverwandtes Wori bef
diesem restrhigirenden quum finden wird. In dem vor einem 8ol<*
cben qnam voranf^gehenden Satze lie^ aMemal stUlsdiwei^eiid
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iteses restrinf-ireiifte qaum begrindei wird* Erwil^t man nvn^
4ai9s ekes das Befremdende nicht elngetreien ist, so ist es ^am
mlQrHeh, dass qaum }ii diese bescbrilnkeBde Bedeatimg' ttbergehl;
p ffws eii tm stefg-art dtese Verwanderoag noch ond qoam glbi
wkMdemrii davon den Gruiid an.
8) In demselben Ortd^ 18, 58. schrfefc Ernesii nnbedenk-
Wh: ipsa enini natura — in' omni^verbo posbit acutam vocem,
nee una p1«s nee a postrema sjllaba ukra tertiam. Die Hand*
Kfitriltett haben frdlfeh cttra, aber Ernesii war seiner Saehe voll'»
konfnen gewJis: hoc rMfam mm animadversnni esse ei tanudin
Mertftnm mfror. Spriding and SchQlK verwarfen es freiUeh, audk
tioHer hat eitra beibehalten; hidessen der neneste Heraisgeber
Jahn ist wilder m Ernest! zurCickgekehrt. Wie, wenn es hfer
nnn aber ultra gar nieht einmal heissen kdnnte! Frellich kann
man unleugbar bei der Silben^hlung eJnes Worts seinen Stand*
punct am Anfiing and am Ende desselben nehmen ; wenn ich aber
einmal die let%te SiJbe nicht extrema , sondem die hinterste, post*
rema (s. Dothrlein^ lot. Synon. u, EtymoUA^ 383.) nenne, so
mass ich die Reihe von rorne an Ckberblicken and was tiber die
dritiletzte Silbe vom Ende an hinaus ist, ist oifenbar diesseits,
nach dem Anfange des Worts zu. Aagenscheinlich hat hier eine
mangelhafte oder ongenane Aufrassang des Unterschledes zwischen
postremns and seinen Synonjmen diesen fortgepflanzten Irrthum
reranlasst.
b) Za Sophokles Elektra*
V. 4. Folge ich der alten Lesart to ya^ naXaiov — To<te ^
weil ich die Klarheit des Sinnes, die nach Rosenbergs Meinnng
hier, wo es daranf ankommt, den Zaschaoer za orientiren, beso&-
ders beabm'chtigt werden mnsste, keineswegs a)s das Haapls&chr
llchste Oder als so werthvoll ansdien mOgte, dass mir da^eg^H
die in der Versabtheilttng entgegenstehende Schwierigkeit oner-
fiebHeh w^re. Der Dichter will hier nicht eigenUich oriestiteii,
2) Die grundliche Darlegung mcines FreundesW. G. Kotster inMeidorf,
in Schneidewins Philologus V , 2. S. 193 ff* , ist mir erst spater ZQ Gesichte
g^ommen.
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176 PWtolofbcte Aehradnse.
gekt ntebt belehmid m Wcrke raft VM^mMeiifcr RilAiiclit aaf
Me Zmsobaner , viclmehr will er uni^ lebondi^ in -ikm StOdi , fat
He Haiidlun^ hineia versetzen. Die vielJldHrig^c SehiuMeht Orests
ist nun erfilllt, er sieht die Heimalh wfeder, die Ihm bei eeiser
damaligen Entfernun^ aus ibr naeh heHeniscben Be^iAHi sdiMi
gewordene Aafg^abe der Rache soil nim sicb erMlen^ der erste
Anfang* des Stiicks welst auf das Ende desseiben, wie die abnangs-
rollen Worte Y. 10: das verdeitenrolle Haas der Pelopidlto^
in y. 1472 f. ihren Wiederball finden. Daram knipft er anek
die Gegenwart sefort an jenen AngenbUcIr ibres Abgai^ it -ite
Fremde V. 11. an und l^st Bestininiung und ErfMkmg V. 14 -^l&;
in die eagste VerbiBdang mit einander treten* — tUb iM bttt
also nicbt Subject, sondern Pr&dteat.
V. 19. Gegen Wunders richtige Fassung* der fiiXaiva aatQwv
Bv^QovT}^ als dunkler, nicht von der Sonne {XafiTtQov ^k&ou asXag^
V. 17.), sondern von den Sternen erhellter Nacbt, wodurcli ein
lieblich malerischer Gegensatz in die Naturscene gebracbt wird,
hatte Rosenberg" eine schcn spracblich gar nicht zu recbtferti-
gende: von Sternen unerheUte iVac^^ / nicbt aufbrlngen soHen.
Vergl. tibrigens noch E. Miillery tU* soph. Naturamch.^ S. 17.
V. 25. darf fur den Vergleicb des Dieners mit dem edlen
Rosse zwar iiberhaupt nicbt vergessen werd^n, dass das Ver*
haltniss des Dieners zum Herrn als elnes krUftigen 'Ausfuhrungs-
werkzeuges fiir den Wlllen des letztern bier in Betracht zu ziebeo
ist, allein mehr noch erklart es sicb in Folge der bobern Stellung,
die die Thicrwelt, die ediere namentlicb, iiberall im Altertbum
hat, aus dem sebr b^ufigen Vergleiche mit Pferden. So liegt
es der virgiliscben Darstellung von den beg«isterten Zust&nden
der cumaiscben Sibylle: ^en. 6, 77 If. iiberall zum Grunde und
kehrt auch V. 100. wleder.
V* 36. Das avwog^ welches im Griecbischen redit dasm
dient, eine Person wit vdlUger Abatractfon vot allem Uohriges
so recht zu fixiren , erlangt seine Klarheit erst aus dem Geg^mi*
satze , der bier durch das dabei stehende dffnidmv ts kuI a t^mM f B
deutlich erbellt; der Gegensatz anderer Personen als Heifer dabei
ist zttnacbst ganz ausgeschlossen, daher auch dj« Uebersetavng:
allein^ irre leitend werden kann (solos, nicht unus).
V.
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P]iy#l#l^fiAe MhMkMe. 177
V. 86 ff. nut ebier Dtamerang, die die Fon Grekie g«ae|p*
4011 Ge^easryiiide kaiiBi jdeoUich erkeanen lisst, sisd sie to des
Prelogns elii|r^eteD; jetat aelgea sich die ersten Strahlea deii
FriliB^bis, dessen Wirkon^ bei der Dorcluiichti^keii und Reinhett
i&[ 8fttfichieit Atmosph&re nodi erhebllcb grdsser and magtecher
sein moss als bei nns; daher die Anrede an Licbt and Lnft etwaa
Er^relfendes hat, wo die sie umgebaide Menschenwelt for ihre
Uefdringenden Klagen tanb ist Hierdorch bebonunt ancb erst
V. 91* oMQtmv iv. ¥. vnolBifSt^ sein yolles VersUndniss, das
dnrck die Eatlebnnng eines (dir^avsi ans dem voraaf^bend^i
^9t>v nicbt binliUiglicb ^esicbert ist; av mii dem Con!., smnal
das Aorists, driicfct vielmebr den im eiaaelnen Falle erwarteten
Umstand, bier also die naeb bang* dnrcbwacbter Nacbt a«f daa
FiilkUcht ^ericbtete Seblmacbt aos, demselben sein Leid kla^ea
an lidnnen; denn scbon in der Nacbt (so ist ^'d^ zu verbinden
and der Gegensatz zwischen der Nacbt and dem Tage nicbt zu
Hberseben) ert5nen die Klageni, aber nnr das Lager veniimmt
sie; denn die todte anfrncbtbare Nacbt ist taab dafttr.
^ y. 105. igt' av^ bis doss, scbla^t am in die Bedeatnng
so lange ala^ wo der Moment des Aufbdrens entweder als anmdgr
lieb angenommen^ oder ais mOglicb, wenn ancb nar in der Feme
geflircbtet wird. So sagt Aristides za dem spikrtaniscben Ge-
sandten {Plut AriaL 10.) aaf die Sonne weisend : iix^i^ av ovtog
tainfiv no^Bvrirai t^v noQsiavy w^flrden sie ibr Vaterland vertbei-
ti^en and r&cben.
V. 298. Diese Verse weisen entscbieden auf die Worte
det Elektra im Cborgesange Y. 166 f. zariick: Immer lebt^Sebn-
gfieht in ibm, docb will die Sebnsacbt ibn nicbt brin^^en* So wie
nemlich dort ein leisec Tadel gegen den dem Anscheine nacb
^ar zn anseblilssigen and zdg'ernden Bruder im Mande der ange*
w^nlicb rascb zar Tbat entschlossenen Scbwester nnverkennbar
tei; so iiegt ancb bier eine sdmlicbe Verstimmun^ ffegen die,
jede gegenwIUrtige and zukttnfy^e Hoffnang ranbende, Langsi^n-
keit seines Verfabrens znm Grande, wie dless aacb deatlicb ans
^en Worlen V. 312 and 14 erbellt. Icb mdgte nemlicb Sjroicetg
ninAt mit den Ausle^ern far die yergan^ene Hoffnung nebmen^
denn wie die als eine dadarcb vernicbtete bezeicbnet werden
kfinne, si^t num scbwer ein. Die feme Hoffnong im Gegensatz
der oaben kann natfirlicb gat in amoiaag liegen, diese dann fireilich
Luhlier, ges. Sehrifton. 12
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178 - Pkttitegisdie Actoealese*
an ticli ebetmowM v^n der Verg^ii^enbeit ab von 4er ZnkoBlt
erkUfft werdea, ater sehoii nach dem Geseise d«i Sieifer«B|r
liegt bier der Gedanke ati eiae noeh mdglidie, komnende, entr
femte HoAmb^ w^UiUAer. Der Manuel ^e^enw&rli^^r Hofctoi^
ra«bt die BesoiuieDlieity das efa^^vBtv V* 300., der eher m^
kUaCUgeii. und entfemten das CloitFertraHea, sS^B/kTw V. 301*
V. 555 f. sekeift mlr bedeatan^siroll fSr die Eaiwidrehmg
d«8 gansen Dvaroas, denn offenbar nicfci sawobi die aa den Tag
geiegie Lleblosigkeii Agameainons gegen das eigeae Klai soil
die Hotter in besaerm Llebte erscbeiaen latwen, Vte Roseabei^
g. 68 f. meint, soadem die gegen die Gdttin gettbte Sfi^g ^^
mafJknoieag sn^g ti) ist die Haiiptaacbe and stellt den AgameiaflMi
jbi die Reibe der mit Sebuld wie mU Strafe belad^eo filleder
des GeseblecbU blneiii. fis war aber enCsehieden eine SiAald,
die gebtisat werdea musste, keiaeswegs eia Dienst, dec d«ai
gemelBsanien betlenisebea Unternebmen od«r der Uebe au dem
firader Meneiaos dargebradii werden sollte, vergl. 563. Ja, ea
wird bier aualicbst gar nicht eimaal gesagt, daes Agameain^
den Hirseb erlegt babe, wir sdiliessen es vielmafcr nur ans ai^
vtifk^liov tov ^^tQog^ V. 558 f. Aber iadem die Elektra selliat,
wie tiabewusat and wider Wilien, dee Vaters Sebuld bekeml^
wird eben dadi^rcb allerdlngs der Matter Vergeben Inaafern la
ein mHderes and riehtigeres Verh^ltniss geluracbt, ala der yea
ibr zuvor angeftthrte Grand nicbt ala leerer Vorwand erscbeiaea^
vielmebr so erkannt werden kann, wie in ilyr desbalb die Llebe
erkalten and eben daniit der bttb^eriscben Lust, die der Grand
thres Verbreebeas allerdings bleibt, die Baba bereHet werdea
«i<»cbte. Ebc;a daaa sollen gewiss aacb die Aeasseruogen von Ibr,
V. 753 if. and 757 f. , dienen , dazn wobi aueh die iange Redbt**-
fertigung , die Klyt&maestra V. 760 — 74. gibt. Uebilgens adieiat
mk der Grundt, warom der Dfchter grade die^e Herleitung siatt
der andera (irergl. Wunder z. d. St.) wfthHe, fttr die Oekaooaik
dea 6*naea rwi den Aaslegern nicht binrelcbend berickaieM^t
so seln.
2m v. 610* bemeAt Schwenck im Riem. Mu9. 184& ».
6&7 f. , dasa 6qw fiip^g nvioitcar gar nieht gesagt werde» k6ue
ven jeiiiand, der eIne herbe Rede vdltfg beeadigt oad dwok
dfeaelbe seinem IKorne Laft gemacbt bat. Vidbiebr sei die vidi**
tige Aaslegoag: ieb sebe Kijtlminestra. dordi Elektra's Rede hi
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Philofoffifldie Adtfeslese. 179
Boni rersetst, ob aber mit RecM, das bedenkt sie nlcbt nehr,
w«raiif Ktyttmnestra sa^t : was brauebe icb das noch zn bedeii-
keil Mtt jeBen Worten m6gie der Cbor den von EljUnmestra
df^iMmdeii Zonuittsbnieh mftsslg^en darcb die rerstecfcte HDnwei*
BWg^ sfe md^e bedenken, eb sie mH Recbt in Zom aodirecbe,
•dwElefctras Rede milder anfnehiiieA kftnne and ibr, statt zornipy
pMg zn sagen Fermdg'e, was ste auf die Anklag'en zn antwortes
babe. — Aneb Unitmg scheint die Worte so zu fassen, wo-
gtgtn Hermann and Wander sie mit dem Scboliasten von der
Elektra rersteben. Es is( dabei ]>esonders an die ron der Klj*
tinnesif a V. 543. pegebene Eriaidmiss zn erbmem , aaf die bet
ehiem neuen Aasbracbe Ihres Zoms Elektra V. 615. nechmals
binweisi* '
T. 810 ff. Der Cbor, nlcbt die Elektra, die vlelmebr fOr
den AagenUick nar ikrem Scbmerze sich bingibt, erwartet in
rdrfger Betracbtang die strafende Gerechtigkeit der Gdtter j denen
nichts Terborgep bleiben kann, zanliGbst des Zeas, der Alles
sieit and lenkt {EL 170. ^nt. 184. 305.), der als Wisser and
Kenge der Wahrbelt so rielfacb angernfen wird, TVach. 396*
483 f« 9 aber aacb eben so gewiss ein VoUstrecker der Gerecb-
flgkeit ist, IVach. 276. HIer wird Ibm nocb beigegeben der
sdion nacb bomeriscber Vorstellnng* {IL 3, 377.) Alles fiber*
schaaende Helios, der mH Sonnenstrahlen scbaot {kgmn. in Cer* 09.
a. das. Vo88.)^ der Im fankelnden Glanze bell leochtend and mit dem
Ange siegend aacb der Dejanira and dem Cbore den Aafenthatt
des Alkmenesohns offenbaren soil, TVach. 94 ff«
V. 83(2 ff. Der Cbor will die Elektra dorch das Beispiel
des AmpUarao9 trOsten, der, wean aacb darch die Tom Polj-
neikes mit dem golddarcbwirkten Halsgescbmeide der Harmonia
be? tekte Gattin Eriphjla Ins Verderiien gefnkrt {vg\. die treff-
4idie Zusammenstellang bei Thudichum In s. Uebers. B. 1. S»
316 f.), docb noch in der Unterwelt roll Leben (TfufAiffvxog) herrsdit*
icb m6gie jedoch bezwdfeln> dass diess mit den Aaslegem fir
das Fortleben des Mannes Im Nachrabm genommen werden darf ;
jlaza hat ▼tellelcbt beiEwnder« die Stelle €lcero's tan der fFek-
BBgrnng 1, 40. getrieben, die jedoch nar Clbero's elgentbiiniUche
Anffassong bletet, wie er sie in Bezag aaf das alleinige Fort'*-
leben der Seele im Kacbndime so ylelfach, nameirtlich anch im
enten Bocbe der Toscalanen, darstellt. Dem Griechen erscUen
12*
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180 Philologi^he AehtenXege.
die fortwirkende Wtirde des Todten ^wfss mehr als eine rcalc
Maeht, die im vorllegenden Falle sich darin kand g-ab, dass
Ampluaraos, nachdem er im Leben sclion die Kanst der Weis--
»&gmg geiibi liatte, aucli nocli im Tode Von unten her Tribune
scliickte , wenn die Befragenden nach Fasten and Opfern , aaf
der Haut des ^esclilacfateten Opferthiers roliend , bei seinem Dent-
nal und seiner (leiligen Quelle in der N^he von Oropas efng«-
schlafer waren. Die Elektra nun bezieht ihr: Wehe! (V. 837.)
offMibar auf die Wurde des Todten in der Unterwelt, die, wemi
sie auch gern voni Ag'amemnon ein Gleiches annimmt, doch ebeik
damit an die Unmdgllchkeit einer noeh zo hoffenden Rache erin-*
nert wird. Unigekehrt aber leitet aus der Macht des'abg^esdiie-
denen Amphiaraos der Chor die an der Eriphjia dorch den S«din
^enomniene Rache ab und wendet daher das Wort der Elektra
in 9einem Sinne mit einem: Ja wohl wehe! urn. Das beg-rttn-
dende Venn wirkt dabei klar auf einen vom Chore angenoiBmen^i
inneren Zusammenhang bin, der wohl denkbar war, wenn auch nir-
g^nd im Alterthume erzahltsein sollte, dass der gestorbene Vater deH
lebenden Sohn durch eine Traumerscheinung' zur Rache aafgefordert
habe. Rief man ja doch auch die Todten selbst um Beistand znr Rache
an, wje Elektra 'V. 446 f. die eigene Schwester dazu auffordert.
Ftir den vorliegenden Fall gmg der Trost freilich rerloren, so
lange man . nicht anders wusste , als dass mit dem Tode des
Orest das letzte Werkzeug zur Vollstreckung' dieser Rache dahin
war. Das deutet auch Elektra mit den folg'enden Worten an:
Es erschien rachend ein Geist um seinen Gram, also doch woht
erweckt durch seine Trauer iiber die unterbliebene Rache ; mir
aber ist keiner mehr, denn der mir war, ist mir fortgerissen; ed
tst keine Hulfe und Heilang fur ihre Leiden mehr (vgl. V. 858 f.};
Der Chor scheint bei diesen Worten auch zu ftthlen, dass die
von Leiden Heimgesuchte damit in neues Leid gefallen ist; sfe
versieht die Klage (V. 838.) und ihr Trost endigt in dem G«-
danken , dass alien Sterblichen der Tod bereitet ist (V. 844.>
Dieses allgemeinste Loos {^Ant 236.) aber, daror der in
Allem rathkundige Mensch kein Entrinnen weiss (das. 360.),
davon nichts erretten, keine Klage {Horn. 11. 24, 524. amere
ftnstere Klage richtet nictits aus und 550. die Trauer nm den
edlen Sohn iruchtet nicht?, er wird damit nicht wieder erwedci
Surip, Ale. 999. du wirst die Gestorbenen nicht mit deinen
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Pbllolo^ische Aekrenlese. 181
I Wartoeii aaf die Oberwelt brlngen) and kein Flehen befri^iea kahn,
jsi zogleiqh dock der Alien gemeinsanie Ilafen {EL 145.) nach des
Lekens Mtiken and Stiirmen , der sog>ar als ein Gewinn ersekekien
l^mn, insofern die Abg^eschiedenen keine Mulie (Track. 1153.), keia
Kammer (El. 1170.) 9 kein Leid (O. C. 955.) mebr trifll, inso-
tern der Tod elnein leidenvoUen Leben vorzuzleben ist (verg^l.
jint. 460 ff.) und die Art des Sterbens selbst nock immer nng'e-
wiss ist. Diese ist grerade Im vorliegenden Falle so schrecklick :
statt im elg'enen Wag^nkampfe za sieg-en, mass er anter dem
WeUkampfe der scbnellen Hufe seiner Rosse In die gewundenen
Riemen geratken. Aas dem nan folgenden uaxonog a Xwfla wird
in der Antwort der Elektra der letzte Begrlff mit dem nvig ydg
oiu\ urn so mekr hervorgeboben , als dem diistern, abnang^svoUen
Sinne der ESlektra die schreckliche Wendung so befremdend g'e-
wesen ist.
V. 941 ist die Fassung G. Hermanns g^ewiss die riektige
«pd allein d^m griechischen Sprachg^brauche angemessen. Denn
mi^ kann schwerlicb so an sicb die Bezeichnang eines Zeltpunctes
^nibalten, abgeseben davon, dass es kler gar nicht so sekr daraaf
aokommt, darck die Frage auf das Dnverzugiicke , alies Harrens
sich Gntscklageude im Handeln za dringeh, als vielmehr die rdl-
Ug-e Grand- and llaltlosigkeit alles Iloffens za betonen. NIekts
isi ausserdem gewoknlicker als eine voraufg'ehende allgemelne
Frage oder Relativform dureh eine nacbgebrackte speciellere g-e-
naaer za bestimmen 9 und wo beim Sopbokles ein Partieip mit .
eiaem Yerbum Im Begriffe nak yerwandt ist, da pflegt sie aucb
kn Sinn and In der Hiisserlicken Bezlekung sebr eng mit einander
irerbanden za sein , aucb wenn Hauptbegriff and n^chste Bezie-
bnug zur Frage eig^ntilck im Partieip liegen.
V. 953. Man konnte iUvd-iga von der naturlicken Freikeit
so versteken versuckt sein, da die Elektra grade auf die bittere
£att»ekrang derselben zum dfteren (V. 182 ff. 801 f.) kinwelst;
allein es spreehen zu viele Grttnde dagegen. Gewiss batte Elektra
iie Freikeit nickt als das zwelte nack der kindlichen Liebe genannt;
ja der Verlust der Freiheit w&rc ibr an sich so sckmerzlick nickt,
sie gUibe sle willi^ kin for eine dem Sckatten Ikres Vaters berei-
teteGena^oon^, gie sieht uberall nicht auf den eigenen Gewinn
and Natzen, sle wird sicb als Heldin im Entsagen bew^kren*
Die Worte: ^XtT yaQ ngig ra x^t^^rd nag op«v, sprickt sie mit
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18S MiHi^selie Aebrenlese.
sAhftem 8p«tte gtgeik iie hi srieher StanesMrt heUngtm dry-
Botfaeiuis, die ja V. 927. gCBt^t hatte: dU! tV ng tfyiUtd r\
ofK dnfitrofiuUf derNutzen, den sie ihr aker zeigi, liegt offenbar
fai der wttrdigren Ehe, die sie ihr ffir den Robai des EdeUam
v^heisst DasB sie diesa meint, zeigt der Verfolg' ilurer tMe
deutlich gemg (V. 956 f. 963. 66. 72.), uad der Chor sdidat
g'rade diesen doppelten Zng der Seelensi&rke und Kindealiebe bi
dem ffoy>ii t dqUna ts natg xf xA^er^ai, V. 1070. , wieder arfawidi*
men. Schwerlich wiirde zu der andem Erldiirani^ weh das Ver^
bnm HaXeT passen, da es sich hier ja nicht am ein Heisaen.eder
daftir Gelten , sondern urn ein wirkliches Sein handela wiirde. Z«
einer solchen Bedeotang* aber, wenn das Wort sie haben kdiMite^
irlirde wiederum das voraaf^ebende €liif>vg scblecbt passen.
V 1165 ff. H6cbst malerisch ist die Spannnn^, die la
de^ Seelenstimmun^ beider Geschwister unter den versdiedtea-*
artigsten Regnngen ror sicb g'ebt. Der Diebter beveist eine
^osse Meisterscbaft in der Feinheit der rascben, lebendig«a
Wecbseirede, auf deren leise, oft unscbeinbare Beziebongen geaa«
ztt acbten ist.
y. 1327 ff. Wozu nocb diese l^nrze Zwiscbenscene? frag«a
wir mit Recbt; Irann bioss eine Milderong des Herbea, was nit
dem dntiXXdx^at d' (ix/iift V. 1319., angekllndigt ist, vnd eine
VeraOgerung' des scbanerlicb ergreifenden Mordnioments rom Didn-
ter beabsichtigt sein? Scbjverlicb dieses; vielmebr ist die eigent-
licbe Antwort V. 1343 f. gegeben. Die Absicbt des Dicbtera
moebte eine doppelte sein, beide aber in sicb eng zasammenbtogeirf.
Die Bande der Familie sind zerrlssen, die unnaUrlicbe Matttr
bat jeden Keim der Liebe im Herzen ibrer Kinder gewaltsam
erstlckt (ygl. V. 1270. 92.); da sammeln sicb ana der Ferae,
and obne durcb das naiQrlicbe Band des Blots verbonden mi sda,
alle Elemente ans frilberer Zeit, die ein b6beres sittlicbes Band
ann im Dienste der Gerecbtlgkeit, dem der Greis^mit ^^fl^ter
Entscbiedenbeit angehdrt (V. 1307 ff. 1349 ff.), enger wleAnr
an einander reibt. Diess soil aber grade in dem VerbAltnlase der
Elektra zu demselben darcb den Gegensatz am so sehyrfer ber*
Torgehoben werden , indem sie nun In ibm elaea Vater (Y. IS^SI-)
*a erkennen glaubt, uidem sieh gegen diesen Etaen Maaa Ik
tiefster Hass in die ianigste Liebe verwandelt (V« 1343 f.>
Bben bierdurch wird zuglelch dem Zascb^aer die Ueb|id»te Week*
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a«s firtecker Brhmenuii: iYie4er vorgefiihrt.
V. 1357 tt. Nicht unwichU^ ist die Ftuge^ waram Uer
die Bleltljra, das Gebet sprechend, jeintritt) naciidem Orest zwt
That selbst und za dem dieselbe y«rbereitendeii Anflehea der
Qdtter getriebea hat? Die UeineStelle ist entscheideDd, sle kit
der ei^ntliche Miitelpunct des Dramas, iodem sle uns einerseits
die erf reifendste Wahrheit desselbeB vorfiOirt: xamtifua r^^fvg^
09tMag ma 4wQovvwa$ ^(oi^ V* 1363 f.) andrerseits auch die
Elektra als die Hauptheldin desselben darstellt, weil ihr dalden-
der Stain, ihr Gebet uad ihre unTtrtilgbare Liebe sum gemer-
iteten Yaier, so wie die dadurch g'ewonnene Vernilttelung^^ der
Gdtter der tierechtigkeit den eadllchen Sieg rerleiht. Sie ist
und bleibt die g^tige Thiiterin Im Gericfate schwerer Blutschald,
(kest ist der vollstreckcnde Arm.
y. 1375. Hermanns Brkl&rung ist nicht so nnbedlngt ver-
werflich, obwolil die andcre, von Wunder vertheidig'te den Vor-
wag verdient* Jene ware so g'ut zu fassen: Der Chor sieht, als
AUe mil der Elektra In den Palast gegangcn sind, das ganze
Gefolg'e der Rachegotthelten mitziehen; er fuhlt, dass die Ahnnng
seines Sinnes nicht lang'e mefar in der Schwebe bleibt, derRllcher
der Untctrirdischen zieht unbemerkt hinein in die Behausung' and
iifnimt nach volibrachter That, die Hiinde noch vom frischen Elate
triefend, Besitz ven dem uralten Hort dcs heimlscfaen Haoses.
Grade auf diesen Punct wird aach sonst Gewicht gelegt: V. 72^
vgh 1271 L Vielleicht kdnnte darum auch der Fortscbritt in
den nUchsten Worten nicht unangemessen sein, denn wenn nach
vollbrachtem Morde der Matter die List aach in offene Gewalt
ubergegangen ^ar , so konnte: man dock noch sagen , dass die List
aam Ziek fiihre (V^.1377 f.), da ja die zweite H&lfte der That
noch abrig gelassen war. Aber grade weil diese noch ttbrig war,
scheint mir der von Hermann darin gefundene (^edanke nicht ganz
passend, abgesehen davon, dass dem Chor diese Vorstellang
wohl noch femer lag.
V. 1379 ff. Die nan folgende Scene kdnnte far nnser Geftthl
etwas Befremdendes haben. Wir werden es zwar entschieden
loben , dass die elgentUshe Mordscene von der Btthne wegverlegt
ist; aber aach das schon, dass sie gehdrt werden kann and dass
der Chor und die Elektra sie mit ihren Worten begleiten, scheiftt
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184 Philologisclie A^renlese.
ntoserm Gefttle leicht aBsMsdig; aber daa wair es keineswegs
nach dem ethiscben Bewusstsein des ^ecblschen Yolkes, es war
bier sog^r nothwendig' am, die objective ^ von jedem blossen Ge-
f&ble abhangige Machl der Gerecbtigkeit darzulegen. Alles Band,
das sie an die Matter knSpfte, ist von dieser selbst zefrissen;
die Vergeltang will, dass dieFrevler den selbst berdteten Trank
leeren, aaf die nemliche Weise, darch List, amkommen, deren
sie sich bei ihrer Tbat bedient haben (V. 37. 1373. 77. an der
Klytamnestra V. 123.); aber di« Gesobwister, denen die Yoll-
streckang' obliegt, sollen es, von Leidenscbaft ungeblendet, im
klaren Bewusstsein ibres Recbts and in besonnener Uebang' ibrer
Pflicht vollzieben. Daber die Robe Orests vor der Tbat, daher
die Reflexion Blektras w&brend derselben.
V. 1395. imX^v^ ja nicht: zweimal, sondem: zweifaeb;
mdge derselbe Scblag den Aegistb mit treffen , dessen Verftt*
rung (vgl. y. 190.) die Matter zar onnatttrlicben That getrie-
ben hat.
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185
X.
Ob QBd wie eifl zi^smflieDhaflgen^r Vortrag der Syntax
der alten Sprachen fttr die dbern Classen aoserer Gelehrtea-
schulen geeignet sei?*)
Die ndtMg^n Andeatungeii fttr die Besclir&nliung dieses The-
ma'iEi sind berelts in dieser Aniiftndigung' g'eg'eben. Denn wenn
der sprachliche Unterriclft Hberhaupt ein wesentlicfaer Theil alles
fijrmnasialaiiterrichts ist, so wilrde eine ErOrterang' ilirer Behand-
IiiDgsweise eine nmfassende Darstellongv rerlangen and manchen
TiiBct be^reifen, fiber den vielleicbt aile einverstanden sind.
Vielmebr soli die Fragc Tiier nur auf die Syntax ond die Nfttz-
lldikeft ilires von den ErklHrongsstonden der alten Ciassfker abg'e-
sondert vorkommenden Unterrichts in den beiden obern Classen
^erichtet sein und dabei die Beschaffenheit nnserer etwas knapp
an Lehrmitteln nnd Stnfen zug'eschnittenen Gelehrtenschnlen beriiek^
siebti^t werden. Vielleicbt entnehmen begttnstig^ere Anstalten
darans einen gleichen Stoff der ErOrterang* oder werfen aos ihrer
Praxis ein erfrealiches Licht in ansere Schatten hinein«. Werfen
wir denn ons dabei znr Beantwortang* vorerst folg^ende Fragen
1) Soil die Syntax in ihreni g'anzen Umfange und alien
ihren einzelnen , regelmlissigen and anregelmlissig'en Bestimmangen
daraas ^elemt werden als ein neu in das Wissen des Schfilers
aafzanehmendes Object; soil also der noch nicht mitihr vertraate
Schttler dadurch in sie eingeweiht werden, and dflrfen die daffir
nOtUgen 2 wOchentlichen Standen als regelmSissiger Unterrichts-
gegenstand Jahr aas Jahr ein dafiir angesetzt bleiben?
2) Oder soU es Welmehr auf einen je zuweilen eintreten-
den, also nichf stehenden, Semester- oder Jahrescursus von 2
Wochenstunden beschrftnkt werden? soil es dann zur Erdrterung'
1) Gelesen in der vierten Versaminlung des Vereins Norddentscher
Schulmanncr zu Kiel d. 3. Octbr. 1837.
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186 Vekei im Vortrag der Syntax der aHen S^eliett
TOD EiiiseOielten oder aur weiteren Erkl&niiig', vIelldcM anck
hritischen Sichtaqg', oder endlicb %nt fibersichtlidien RepeUtion
des GanzeQ dienen? \
3) Oder darf endlich, mit Beschr&nkiiDg' aof die Prima^
nad efnen je anweilen eintretenden Cursns ein rein wissenaclaaftliclier
Zweck verfol^ werden? soil man es eiwa an einer Tlieorie der
Sprachwissenscliaft, sei es nan mil Verfolgungr eines paycbolt^lacheii
oder rein hiatorischen odeir comparativen Grandprineips benntaen?
Yor der Beantwortang dieser Fragen wQrde nan freiiick
im Vorwege das Mass grainmatlsclier Kenntnisse festeaseiaen
sein, das der Scbaler nnserer anf 4 oder hoclistens 5 Stofen
berechneten Lebranstalten aos der dritten in die aweite Claase
mitanbringen h&tte. Davon dOrfen w\p aber dock wohl nar ka
Lateinischen etwas aos der ^Syntax, verlaogen, and awar aadi
bier nor ^in festes Innehaben aller gewdbnliehen in Beaiebong^
auf Caaosrection, Mpdalverhalinissei Gebrancb der Formen dea
verbam initum, S&^e im Accosatiir and Infinitlv, mit lit and
quod n. 8. w. sein. Es bliebe dana der Secnnda die practisdie
EinObuBg and Bebandlong aller dieser Capitel Uk grdsserer Aos*
fahrlichkeit ondTiefe^ vielleicbt aach sckon ein UeinerTbeil der
Partikellebre in den Interpretations- and Stiiatonden llkrig; der
Prima dagegea die eigentlicbe Syntaxis omata, Sata ond Perio-
deabaU) Cbaracteristik des Stils, Untersebeidung der Hanptepo-r
ohen 4ler r<^niischen Spracbe, neben der ihre Tb&tigfceit voraags^
weise in Ansprucb nebmenden Synonymik ilbrig — ein binrei-
cbender Stoff fOr eine'n allm&blicb fortscbreitenden Unterricbt selbst
ifk einem dreijsbrigen Carsus. Im GriecUs'cben wflrdea die Anfor-
derungen an die'Secunda sicb auf das WesentUcbste derSyatax
bescbr&nken and dieses beim Unterricbte in der Prima gelegentlich
welter ansgef abrt werden and an den Partikeln, der Modaalebre, dea
dialectiscben Abweicbongen, insonderbeit aber an der bomeriachep
Spracbe gleicbfalls efaien mebr afs aosreicbenden Stoff findea.
Urn nun iMcbt den amfassenden Stoff auf Eine Classe aasam-
meiiaadrlUigen, liesse sicb der bequemste Aoswiag findeii, die latei-
niscbe Syntax aacb Secoada, die griecbiscbe aaeb Prima in Je eiaor
Stunde in einen regelm&ssigen Carsas zn verlegen. Gegen dKeaen
Vorscblag, einen so bedeotenden ond relatiir scbweren Unterricbts-
gegenstand bereits in der Secnnda anfangen zu lassen, m6gte
icb in der Allgemeinbeit and namentUcb fiir aUe Anatalten tm
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fa ditt obmi OkisMK viHierer Ckilehrtensilialem 187
BUT 4 •der 5 CiaiseB Me Bhweiidin^ii mir erlaukcn , dasg weder
gtnng K^nfiUiisB der Sprache bei dem Schiler snAoh vorhanden sehi
kMm, die an doer Obersichtllclien RepeUlton dienea kftnnte, da
er a«8 seiaer kisherig^en Liectfire imr sehr wen!^ nUkringi, nodi
Mch ea wahrbaft fdrderHeh achefnen mO^te, flin mehr einaehie
BesUmmangeB aas der Grammatik sich aneig'nen zn lassen, die
er Didit rmhtb^ien kann , da Ibm ana der hier beginaenden Leotttre
dea. Cicero, LWlns n. a. w. neben selnen Exercftien schon
ein kaon zu bewftlti^ender Staff erw&chst; da^eg^en f^eilich,
daaa er die hIer skh ihm darbieteade sprachliche Kenntniss de9
einzehien Schriftatellers von Zeit zn Zeit in einen Totalflberbttck
feaaen, das 6l€ti<^rtfg« combiniren, Elgenthimlicbkeiten dea Autors
ron dem alig'emeinen Sprachg^branche sondern trad so thn In der
mttte der Spraefae seines Volkes fassen leme , darfte ja Im Min-
deaten nidits zv erinnem sein; allein dazn ist nicht eine einzelne,
re^elmSsai^ wiederkehrende Woehenstunde nOthig', soiidem wann
•ad wo sicb Geleg'enheit darbietet, wird Halt g'emacht and anter
Leltan^ des Lehrers relht nan der Schaler aelbai das zerstreuC
hi aetaem Wissen Dalfeg^ende zusammen. Dasselbe wird In Prima
ansser am Cicero, am Plantos and Terenz elnerseits, an einzel-
Ben Stidren aas Tacitas oder Soeton andrerseits am g'eeig^netsten
fortgeflbt werden kOnnen, am aaf diese Welse wenlg'stens mit
der Vor- and der Nachperiode des g'oldenen ZeitaHers rOmischer
Spracbe g^ehorl^ bekannt za macben,' w&hrend ein Htnelttfilhren
in die Musterstiicke der rerschiedenen Stilg'attangt^n der Zeit
we^en bescbrftnkt blelben mass. Dasselbe wird im Griechiscben
Tor alien Dingen am Homer geschehen miissen, aus dem als einer
wahriiaft anerscb5pflichen Fandg'rabe die ganze Spracbwlssen-
schaft practisch zar lebendi^ten Anscbauang' g'ebracbt werden
kann; die Secanda Ilisst scbon Im Vorwege keine Elgenbeit dea
joniscben Dialects fahren, obne sie dem Scbttler Im Zasammen*
hange deatlfcb gemacbt za baben , and spart keine Zeit fttr Repe^
tHIon, Vergleicbang, Erg&nzang, Uebersicbt des Gelernten. Die
Prima gebt in gleicbem Sinne immer welter zar Sjntax fort
Qnd findet, wie bei kelnem Antor sonst, bier vor alien Dfaigen
€lelegenbeit, aaf Satzarten and Periodenbaa aafmerksam za
macben. Je leichter die Gelegenbeit, aicbts Vorg^emmenes in
Vergessenbeit geratben an lasaen, dorcb eine nie elgentlicb gani
rakende, hmner wiederkdirendeBesdiftftlgang mit Homer Ton selbat
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188 Ueker itB VortrAg ier %i^x:^er idkiii Sffti^eB
•tunden einireteB ku lasseo. Demosibenes — miiitBter aaeh w^iiU
Tbacjdides nit den Relohtbiitne seiner l^genthilnHcfakeiteii — wkd
den anf Xenophon in der Secnnda g^baneten Grimd der KenniBiss
des Atticisnas welter ansbanen and den irielleiclit seneslerweise
neben Sophokles^ den.Repr&gentanten der atiiseben Dicbter, den
Homer nnteriirechenden TbeokritdieKenn^ifls desDoriftmns erg^&n-
leU) wenn nan sich nicht vieHeidt lieber, an jeder nd^^idieB Zer-
streuang* derLemkraft vorzabengen, nit der sohon beinHon^ ge^
le^entNcb vorkonmenden Berficksichtigang' des dorbclieii Dialekts
begnflgen witt.
Dabei ist es nnn allerdings zugleieh von der ^assersten
WIcbtigkeit, dass derSchaler nit seiner Grammatik selbst nmzn-
gehen and an ibrer Hand beobaebtend, erkl&rend and a^wendend
die Alien lesen leme, well obne dieses ja weder ein riebiigc^
i&d fracbtbares Verstftndniss der Alten, nodi eine Binsiebt in das
Wesen and den Zosannenbang einerSpracbe ndglieh ist. Daft»
wird freiltdb eine nicbt unwissenscbaftliGh angelegte, aber aoeh
aosserden mit den nOtfaigen Hilfsmlttelif einer leichten and beqoe-
nen Nacbweisang versebene Granmatik an geelgnets^n seim
SoUte das in der ersten Frage aafgestellte Prindp das
ricbtige sein, so wttrde die Sjntax docb nach der Prima ver*
wiesen and dort als eine ffir sicb bestebende wissenscIialUiebe
Disdplin betraebtet werden niissen , die der Scbfiler sioh aaglekb
in der dureh sie selbst nothwendig gebotenen Fom ansaeigneii
bitte. Da nan aber eigentlich wissenscbafUicbe Lectionea, selbst
aaf der obersten Gjnnasialstafe, nicbt zozogeben sind, sie mogien
denn in einen proplldeatiscben oder pr¶tiven Theile l^stelien,
wofern nicbt die Gelebrtenscbule der Akademie vorgreifen wolltei
80 nass nan dieses schlecfathin abireisen, and aaf den asver-
kennbaren Zweck and die Leistang der uns yorliegenden gram-
matiscben Lebrbttcber beschrHnken. Ein der Anwendong vorasf-^
gebendes Erlemen von Regein and Spracberscheinongen ab^,
die ibrer Natpr nacb angewendet and gedbt sein wollen and
obnediess den in solchen DIngen oft das cui bono berflcksicb-*
tigenden Scbnler selbst als ein todter Scbatz gelten, wdrde
Ueberladang, Unklarbeit, IJinseitigkeit and Zeitverlost zar Folge
haben. Denn es lassen sicb ja den Schiller nicbt, ohne alle
natttrlicben Sprachgebilde wunderllcb za zecreissen, in den engen
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in den aben Ckssett nmetm QMutemAfAm^. 181
Grcnxeii ehier oiet zweier gn^amntfttisdier Gaj^tel l^geu^ S9Am
zimt Uebersetsen gehtn^ neben 4ie»eii wirdeer also imch Exer--
r>itieii iiitd Le^tttre elne Menge asderer edch anzoeignen geadthigt
sein; e» wdrde ihm die praciiscte dLsweiiditng' g^ar rieler Dinipe
g^azlich fehlen, oder man mtsste, wie bei der ErlHatersag' dar
Capltel and der Graniniatik iminef ratbsam seln ma^ 9 An an einer
neibe geelgneUr Beisplele die Kegd aich l^lar, alcber nnd ge^
wMidt in der Anwendung* macben lassen. Alleia aneb btenron^
scbeint niir, darf man nar yerdcbti^ Gebrancb maiden,. »«i
dlirfte wenl^tens niemals unieriasaen, am Sditasae eines ajn-
taetiscben Abschniites vermischie Beispiele zu g^eboi^ dnrdi die
der lelcbt in trftge Cledanl^enlosi^keU ycrfallende Scbttler jedes-
mal eine andere Rei^el anzuwenden, folglich imner attent nnd
In der riebiiir^n VTabl bebnisam zn sels, ^zwuigen wirde*
Erhetdcbt dag'e^en eIne Reibe von Stdien immer nnr die Anwen-
dnng* einer Re^l, ao wird inzwiscben der niclii sebr Idiendlgro
Sehnler in g^istigen ScUaf rerfallen. Dennoeb entsiebt in den
Begrlffen des Sebnlers dnrcb eine solcbe regelmftasig' fortacbrei^
iende and practiscb einttbende Bebandlung der Sjntax Idcbt Un-
blarbeft nnd Verwirrang; oder es mliaste jliberall leicbter nnd
siiAerer sein, zn dem Gedanlien die entsprecbende Form, ais in
der Form den Begriff nnd Gedanlcen zn finden nnd zn er^eiren.
Bxistirt der Begriff docb nie oltne seine Form in nns; lernt vor
alien Dingen der Menscb in seiner Mnttersprache wie in andera
Spracben docb nnr mit der Form den Gedanlcen, liegt endlicb
doeb in Einer Form ein nnendlicber, nie viMig zu erscb^pfender
Reicbtbum von Gedanken. Soil also der Schnler der alien Spra*
efaen anf dem sjmtactiscben Felde diesen scbwierigen Weg' gebe%
den ibn freilieb nocb immer mMiebe unserer zum Tbeil g'ebraucb-
testen Grammatiken gdien lassen? Man stelle docb die Form
mit ibren Grnndbegriffen varan, die Syntax liefert eine, wenn
aneh immerbin besdir&nlUe, Anzabl ibrer besonderen Erscbeinungeui
die der Scbiiler nk^t anf einmal verscblin^t, in die ibn vielmebr
seine Lecture allmdtblicb onvermerkt bineinfiibrt, die Lecttire nnd
das Exerettienbncb erg&nzen nnd bereicbem diesen Sdiatz mit
Beispielen znr Anwendnng*; aber man qu^e ibn nicbt gleicb mit
allgemeinen Tbeorien, nackten nnd bekleideten Sfttzen, Begriffen
der M^Ucbkeit, Abb&ngigkeit, Ungewissbeit, bei denen er sich
nnr ivrenig* 9der gar nicbts denken kann. Gescbiebt dieses aber.
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IM Uebet 4m Vmttsn^ i(n %ntox 4eir idtM Syirailieii
ieaMeh, iwAm ndgte Ick firftgea, oh ntdit Urrh eiaer 4er
dierlei Grttade «i cmekea tei^ waram insere ^e^enwirti^e! Jugvadl^
wemi a«^ 9kkl getimgtre Bnpftagifdbkeit, dodi gerfaigin^ SpuiK-
krifk 084 beKftb^e4r11ckte Leigtea^en leigt. BndHch mdgte ich
B«cb «iC ten moraHscheii Efailass hfaide«4ea, 4eD derSwang 4es
WAIoM in aHen einseliieii FlUen anattt, wo aw te^ JHuttor-
sprache fai 4ie ftemie a4er imi^efcelirt ttfceraetat werden soil;
wftkrea4 die beqoenie Woiso 4er die S&Ue solmi ftr die Kegel
larecht gtmmchi AuMetendeii Sjntax den Schiller der Ziidit des
NaeUeidcens aad der WM lo leichti llherheht. Besoadara
wohUhiiig wird es hier aefai, weaa die Uebaagea im Latein**
adireibea, tkeils exteaatv, erweitert, tteila latoisir, veratftrkt
irardea, and so die practisdw Eriema^ der altea Spraehea wT
die Weiw erMdblert wird, die aa oad Mr sloh schoa dea hdbaai*
sten dewiaa eiaer sireagecea geiaUgen DIseiptia gewihrt. Nor aa
leidrt w^de mansonst die Erfahrang^niacheai dassaeihat&UgeKdpfe,
die Bidir im Aaeigaea ats Prododrea slaA sfaid, gana elafaehe SMie
aieht an erklilrea YermOgea, weil sie sidi aa efaie rtgetaOtasige
Beobachlaag and Darehdriagaai^ der &ien ia praxi vorgeltoainieaeB
SAtzeaioht gew^Aat haUen, widuread siemitdeaRegelndc^ bel flntea
ehigelflhrtea Grammatik oft his auf den BadisCahen vertraot sind.
Forderi aaa, am aaf die iweiie Frage noch dasjeirige aa
aatwortea , was sieh an» deai ZasaaaaeAaage des OUgea nioht
achoa von sdbst ergibt, der Reichtham der b&«sliehen oder Sdial^
Lectare eiaer oberen Classe eiae aosgedehaiere Behaadlaag eiaer
Reihe apraoblicber BrscbeianB^n oder grammaUadi wicht%er
Panrte ia dea Altea, oder ergibt sich efai besonderea Bedttrfaiaa
dar Sclrtller iasgeaaamt oder tbeilweise, das nieht figlidi nebca
der laterpretaliott^ cAne eiae anerwtaseMe Bescbraabiing dersel^
bca J befriedijgt werdea kaan: so iai daa44 roa selbat ja aaageapro^
cben, wie wHnsebeaawerih ein Semester bhdarcb selhat aadi
aar eme wlkAeatf iche Siuade wirken kann. Soil aber efaie Milche
▼erefamelte Stonde nidit eine wahrhafte pildagogische Sande seto,
so nidgle idi mir die Aadealoag* eriaidien, oh aicbt die Vorsiohi
Tetlaagte, sie aar aater aweieriei Beschrilaknngen eiiHreten saa*
baaen, nemHdi wenn eimnal eiae sicbtbare Neigang and Thett^
aabme aller sirebsamen Scbfiler dafttr erweckt ist , oder aaeh wmei-
tens eben dadareb nnd aater mriem gtastigoi AoUssea deal SiAikr
reioUicber Staff aar gewisaenbaftea Votberdtaag aad Wieder-^
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lukMtg aoB jfeser riieft Sivade erirftd»(. Idi mdgte iii soMem
Faite selbst aiieh, we^^sieiis eiwa in der zweiten H&Ule der in
Sentester dftfflr att^eselzlett SUmden, ehe ibersiiAttMie RepetiUmi
ftif^t lAweigen, wean man nor Mrgvamst dabei m yeriiMen soiiie,
daas der Seliiiler nicht, sich Ueraaf lieaebriiikead, nut der fortwiik^
readen Benataang and iiiarattieaieliang aeiaer GrammaUlc aaflilNre.
AUeIn Boch von einem aadem Standpaacte Ifesae sich die
giMDhe aasehea ^ so dass die BehandhiB^ der aniifcen SjaUx afefct
«ii^ vafkereileade Diaditti Air die Mxeg^e der Altai, vielmdur
6in Hitegfireader TJbeil der Alterttwaawiaaessiteft wHm^ dardi
(terea erheblidiste Seitea der Gjanasiaiaclifiler olne Kwelfel ki
dte aite Welt ehgefArt werdea 8<rfl. Widarmd iba atea aad^e
Msdplinea aaf deai Badea der aUea Welt, in dar Gea^bldiia
jaier beiden g^ossea Vollcer, la ibrea Staatsrerbldtniaaen and
g^eaaattiten EiariehiaBgeii verkebreit kasen, d^fea wir daidi aaeb
gewiss for die inoerste lit^N^aiiiiagerang' dea AKertbama in Spr«die^
mterMar 4iad Kaiist die bei^a ersien Siwelge (msA gleiduaiasig
in Aas^raeb nebmen, wean wIr dami aaeb eia^ aadem TbeS
dies^ Studien, der ia die GeUtete d^s Wiaseas, Glaabeaa and
l>eafceaa der Alien tieCer biaelnfiihrte, mlt der wettereh Aaafib-r
rung des ersterea der encyldop&diseben BebMidlaag der Uairer-
attat llberli^ttea waHten* AUeia so ei^reaUdi ea aaeb sein ai^gte,
am niebr and mebr dad«fdi den Mtoadtgen Gelst, der in dsa
lanare der alien Welt mit vaUer Ansebaoang and Tbellndune
der Seele blaeinfdhrl, za weeken and aa nibren; je signer dies
ai^ekb als Vorberettong gelten kftmite, am in eine ^j^escUcbt*-
Urii and phUeao^iadb angdegie Spracbwlsa^iacbaft einiuifabrea,
airf dass der Scbttier die Spracbe als in dem Seelenlebea dea
V^es begrftndet erfassen and mit aUea soastigen AeaascHraagen
des nationalea Geisles in Zaaanuaenbaag bringen leme; seweaig
mariite dies docb aawendbar sein tbeils bei dem Mangel an Zeit
and Kraft, die Aufgabe der Scbole allseiUg za erfilllen, Uieils
bei der DUrfUgkeit der Anfange, worin eine seiche in der Litterator
obendrdn aersUreate Bebaadlang der Spraebe nacbsteht, endiicb bei
der Geriftgfiigigkeit der Leistangen: and FiMrdemfese, dnrckdte bis
jetzt der Gjmnasialschaler in die dassiscbe W&i des Alterthoms
Ton alien iibrigen Seiten and Richtangen her hineingeffihrt werden
baaa and dnrcb die anleogbar die Anffassng der Sprache im JMittel-
punct der alten Ydlker vorbereitet oder erst mdglich gemadit wbrd.
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192 VoiadilAir wl PlM mthm FMraiM*%ttax
XI.
Vorschlag nnd Wan zn einer Parj^llel- Syntax tier grlech.,
lalein. iihd deatschen Sprache.
In der Yersaiiiiiiliiiig' dentsdier Pkflolog'eii mid Sohnifliftiiiier
zn Bonn ist nach einer von Fn Thiersch aas^e^angesen Anre^
gang' die {^arallde Behandlnng der dentschen , lat. nnd gviecki
Gramniftlik von rereehiedenen Selten besprocheti, nnd znr €te-
winnnng immer sicherer ResnKaie ein guter Grnndstein getegt
worden. Da nnn iheils die vlebeiiige Veifolgung desseHien' 6^
gvnntandes an stoh einen nickl nnerfaeblichen Gewinli yersprldrt^
iheils bei Fragen der vorifegenden Art mdglichst bald von der
aHgemeinen Theorie in die specielle Anwendnng, VM der Idee
zn Verencben Ifarer VerwirUichung fortgesebritten werden nraan^
sebeint es Grnnd genug zn sein, einen demgem^bseen Yoridilag
nnd Plan wenfgstens in einlgen Umrissen fllr die Amfbhraijir
desselben vorzniegen *).
Die ganze Frage sdieidet sieh wobl in ein <H>? nnd Wie!
Die Grammatik ist ja in jedem Lebensalter der En^wicUong dent^-
seber Gymnasien als ein Grnnd- nnd Urstoff i/er Nabrnng betr^eb-
tet worden, die wir der far die bdheren BeddrAisse des L^enn
in KIrcbe nnd Staat beranznblldenden Jagend darzureieben babei^?
dnrch alien Wecbsel and Wandel der p&dagogisdien Systeme
bindorch bat sie sicb siegreich bis zn nnsem Tagen bindnrcbge-
kSnipft, nnd so yerscbieden man nber Mittel nnd'Sttel ibrer Er'-
lemong aneb denken moebte, bat man dodi nirgend' ibrer vdffig
ent-
1) Eigentlich ist das NachfoTgende zunachst far einen Vortrag in der
norddciitschen Lehreryersammlung zn Eutin niedergeschrieben wordenf, den
ich jedoch nieht halten lionnte , weil ich za erscheinea bebindert war. Mt
babe dabei anf das sehr seh&tzbare Programm von O. T. A. Krii^wr^ Am^
deuiunoen zur Pmallelgramnuiiik , Braunschweig 1843, keine nahere Raokn
sicht nehmen kOunen^ sondcrn zunachst nur die schon anderweitig (Ver-
hantllungen der Schlcswiger Lehrerversnmmlung S. 58 ff.) gegebenen und ein
etv^as anderes Ziel verfolgenden Ideen nnd Grnndlinien etwas* weiter avs-
gef&hrt.
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tor ^riedi., Iatebi« oikI dentschmi Sprache. 198
eslbehren za kdnnen ^e^lanbt. — Sellten sfch in unserer Zeit
TielleichI noch das formelle mti das historische Princip der G jm-
nasialbildung- mn den Besiiz der Herrschaft streiten , se werden
doch beide die grosse BerechUg'nng der Grammatik ini llDierrichts-
Bjsteme der Gjmnasien gleich sehr anerkennen, ja sfch auch ilber
den Weg nnd das Fortschreiten ihrer Behandlang' darch die etn--
zelnen Klassen hindurch lelcht verstSndigen kOnnen. Die beiden
einander noch immer ziemlich schroff entgegenstehenden Richtnn-
gen J deren eine die Grammatik im Wesentlichsten aas der SpracAe,
der Jinwendung' und Lectftre^ erlenren zu lassen rith, wfthrend
die andere eine sichere Anfnahme and Behetrschonip der sprack-'
Kchen Formen vor allem eigenUichen Umgange mit der Sprache
verlangt, werden wohl mit einander auszugleichen ond zn rer-
binden sein. Die Rttcksicht anf das uns hier znn&chst gesteckte
Ziel yerbietet fiir den Aagenblick anf diesen Theil des gramma-
tischen Unterrlchts und die daffir neaerdings gemacfaten VorschlUge
welter einzugehen. Gewiss darf der grammatische Unterricht bis
znr obersten Lehrstofe bin es nicht verschm&hen^ dorch eiae im-
mer nmfassendere Aneignnng der einzelnen Erscheinnngen und
immer festere Gewohnang an ihre allgemeinsten F«rmen nnd Re-
geln sich die grUndlichere Einsicht in den innem Ban and das
Wesen der Sprache zu eruffnen. Dabei wfard die Schuie, indem
sie sich eines ^iefern Eingehens in Geist und Inhalt der alten
Schriftsteller und der von ihnen repr&sentirten WeK Immer mehr
und mehr beflelssigt, eine YernachlSssigung der spradilichen Form
and die Entzlehung besonderer Anl&sse zu il»er fortschr^itenden
Erkenntniss andrerselts eben so sorgsam zu verhiiten haben. Alkin
es handelt sich hier zugleich noch um ein Hdheres; es soil ttber
die ganze Mannlgfaltigkeit der Eigenthttmlidhkeiten verschieddfier
Sprachen wie der reidien Entfaltuag selbst einer einzigen hhiaus
und durch dieselbe hindurch das GesetxmdsHge erkamit^ es soil
die urspriingliche und nothwendige Grundlage von dem Schiler
erfasst werden, die alien Sprachen liberhaupt durch die allge-
meine Beschaffenheit der menschlichen Seele geg^en Ist, und
aof der sich das Geb^ude • der einzdien Sprache In einer nach
dem Charakter des sie redenden Yolkos versehiedenen Form und
Bauart erhebt* Diese tiefe Gesetzmlissigkeit , dieser mit verbor-
genen, aber doch aivh schon dem jogendlichen Geiste erkenn-
baren und Bewunderung ainfldssenden Mitteln schaltende Haus-
. LuhlceT, ges. Schrtften. 13
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194 VMscUft? mid >Ph» m ek^ ^raHel-Syirt»
kaH^dieiser lAeuAlgej bis in jtb scheinlmr verelfiadtst^ Z^
md Thdlelien, wie Blflt in die 'Mem^ drin^eiide Organisnos,
Beheint mir grad» aaf der obersten Gjmnasialstafe und sumal Ib
unsem Tagen ein Bediirfniss zu seio j um aus der MamtigfaUig-
keit des Einfltlnen und Vieleo zu der Einlieit des Geselzml^igeii
Mazttfihren 9 Qfii wissenscliafllidtes Intercsge und Bewusstseia ver-
Kubereiien uad avf eiueni fttr dieses Alter geeigneten Boden die
lUehtung' auf ein hdheres geistiges Leben zu befdrdern, vorEiu-
seiygkeit aber und vorscbnellem , absprecbenden Uriheil, nur zu
leicbi befdi'deft durch das von Iceiner b6bem Einbeit gebaltene
Wissen, zu bewahreu.
Idi babe die erste Frage mit grosser Entscbiedeubeit bejahen
zu miaseu geglaubt, freilicb b&sgt aber ihre v^lUge Recblferti-
guDg uud EmpfeMung vorzngsweise van einer zwedanHssigeu Aoa-
Blbruftg ab ; icb will die zweite Frage mit eIner kurzen Andeu-
tuag dessen begrand^, was die Boaaer Verbaadlnagen daraber
'gegeb<?a babeif*
Das bisbeir4ge Verfahren der Grammatik, aacb der. Farm
die Redetbeilcf derselben zu uaterscheidea uud diese Uaterscliei-
duag zur Gruadlage des Gaazen zu machea, so dass also die
durch geaieinsanie Foruiea ausgedi'ttckten Verb&Ualsse, obae Rack-
sicbt auf die Verwaadtsdiaft ihrer Bedeutung, zusanimea behan-
d^t werdea, wird zunlicbst far die parallele Beh^adlaag der drei
Graaimatikea verworfea, maa solle vielmehr die gemeiasamea Yer-
hiiltaisse Aet Bedeutung aufsuchea und dieselbea ia dea verscble-
deaea^Formea jedev eiazelaea der drei Spracbea naehweisea. Da
aua aber dte Spracbe bestimmten, unwandelbaren Gesetzea folge,
.dIese dso erkaant werdea musstea, eigeatlich aber aur ia der
Mfllten^acbe yerstaidmi wttrdea: so mttsste eiae auf eiaem na-
iHrlicbea Sjsteme ruheade d«atscbe Glaminatik der der fremdea
Spracbea ^mm Gruade gelegt wendea uad dazu wird die Beckersche
Gxummirtlk wnpfoUeu.
Beeber hat sich urn die Gtamniatik aicht bios der deutschen
Sprache das unsttrbliche Verdleasi erworbea, dass er zuerst sic
als eia Organlsches vu biluiadeto giiehrt hat, aber ia d«f pelter
Hiaslcht warde des^eaungtacbtet die Sugruadelegung dieses Sy-
stems bei dem Vortrage der Grammatik der altea Spracbea eben
so eatscbiedea verfehlt seia, iiidem m zuirtederst eiae inrige Voraoa-
setzuag ist, dass, well S^ecbi^ aadDeidcea E|as sei, ia der
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ter gricch.^ latehi. «Ml dentscken Spradie. 1S5
Btatiersprache die Geseiae der Spraclie llberiiaiipl am klarslefl
kewasst werdeB, in uB^eirObter Darcli8ieh%keit aa%ewieseii wer--
den kdBoeB , indeni f s ferner abf r aacb ^waltsame Elnswftng'Qii^
in eineB frenidariigen Sehematismnr) ist^ wenn man die fiioiheihinf
In die Syntax Tom einfacben nnd zosanmieng'egeiztett Sat%e, nnd
die des einfaehen Satzes in die SjnUx der drei Saisverhftltnissci^
des prftdicaiiven , attributlven und objecUven, flir die ^iechiscfce
nnd rdnilsche Grammaiik zum Grande leg«n will. Dte Unzweck-
mftssigkeit dieser Meibode bat dort auch fan Allgemefaien, ansser
ehier Stimme , ebensowenig Anklang* oder Vertheidig^ng' g'efnnden;
es isi zu^leicb aber ancb die Haltbarkeit der Ansffibmng* dieses
Planes in der Praxis ilberhanpt bezweifelt worden, well si8 in
der Tbeorie, auf wissenscbaftlicbem Standpuncte sich nicbt batten
lasse.
Man pflegt drei Metboden in der Qebandlnng* der GrammatNr,
die histarische^ pMlosophkche univergleiehendej zn unterscbeiden,
und die erste fiir das wesentiicliste BedOrfniss sowiAl des Jetzi-
gen Standes der Wissenscbaft ais aucb der Gjmnasialpraxis zn
erkliren. Icb glanbe, dass alle drei nicbt filglicb von einander
g^trennt werden kdnnen, jede fiir sicb betrieben entweder des
sieberen Bodens oder der frucbtbaren Anwendong entbebrt. Grade
in Ihrer Verelnfgung' , so dass dieselbe in der aligemelnen oder
pbilosopbiscben ibre Grnndlage und die weitreicbendsten Gnnd-
reg'ein findet, dann aber auf dem bistorischen Wege der wirkHeben
Spracherscbelnungen entwickelt nnd anf 'comparativem Wege zn
einem reicbblQbenden grossen Spracbbaume, mit nnzHUIgen Kwel-
gen, BItithen nnd Friichten entfaltet wird, nnd dann In der An-
wendung^ auf drei Spraohen von so reicbem, tiefem Gebatte sowohl
der Sprachfornien als des Wortmaterials nnd dabd so wesentlldi
ron einander abstechendem Genius, endlieh den Volkern angeborig*,
die doeb unlengbar unter die' grOssten nnd wicbtlgsten Trdg^r
der Weltgescbicbte zu zftblen sind , grade also in der Weise einer
Parallelgrammatik dieser drei Spr^cben milsste es ebensowohl eio^
ansebnlicbes Glied der Wissensobaft als znm wabren Frommen des
Unterrichts — beides ist zum HeHe der Gymnasien unzevtrennlieb
— dienend sein. *
Icb gehe nicbt von Gedankenverbtitnissen in der Spracbe
sms, sondem grade ron den Farmen; diese tragen tjpisdien*
Cbarakter fiir aHe nocb so rersdiledeBe Spracben an sicb; wib^
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196 Voi^Uaff und VUok m elnet ParaUel- Syntax
reiii jene grnie i\e chamkteristischeta Untarsekiede bezeii^lmeiy
wofern sle sich nicht eben wieder aiif die Formen Qnniittelbar au-^
f itekfttliren lassen. Ich veAhnge allerdin^s parallele Behandlung-
der ^an^n Grammatik^ wenn auch zun&ehst die Sjnta:«: als lelch-
ier ttnd mehr vor^earbeltet elne bequemere Erledigung findea
wird. Aber sie Bind so aoaufldslicb en? mit ejnander yerbunden,
dass es kaam ndtbig scheint , tiber die Brileke der Semaslolog'ie
Oder Bedeniang'slehre ans der einen In die andere blnttberzofdhreii.
bt die Form des Worts nicht bloss iiusserllch deni Gedftchtnlss
eing'eprilgi, sondern wirklidi Innerlich erl^annt, so welssmanBe-
deuion^ nnd Umfang ihrer Anwendnng auch schon Implicite und
BeMes Ist nnr welter zu entfalten nnd auszulegien; Inhalt und
Unfang' aber der Bedentung* einer Form beg'riinden schon Ihre
Bezlehung zn den iibrlgen Glledern des Gedankens: Eljmolo^te
nnd Syntax sind unzertrennllch verschmolzen.
Versnchen wir also elnen Umriss des Ganzen* Wie weft
znrilckzugehen sel in die Natur der menschllchen Sprache im All-
gemeinen, Ist hier wohl blllig zuerst zn bedenken. Zwar muss
ann gewiss mit der nrsprangUchen Bildnng der Wdrter aus Natur-
lunten, der thells natOrlichen, tiieils willkiirlichen Vjermehruni^
des Sprachstoffs aus deni erweiterten Kreise menschlicher Vor-
stellungen und Begriffe begonnen werden; aber man wird sich
eben so entschieden ror einer iiberscharfen , spielenden Deutung'
aMer einzelnen Laute an sich und in ihrer Znsammensetzung zn
haten haben. Aber man wird unleugbar so die durchaus allgemein
iprammatlsche Grundlage der Sprachen gewinnen; man wird das
Verh&Itnlss zwischen Form und Bedeutung in der Sprache fest-
setzen , man wird das Entsprechende zwischen beiden nicht bloss
in dem Stamme, sondern auch in den Bildungsformen erkennen*
Die aus den drei Sprachen ohne Unterschied dafOr entlehnten Bei-
spiele werden erklftrend genug sein ; dock werden sich auch hier
woU einige Unterschiede derselben sowohl in der Ver&nderuDg
^leiclilantender Stammformen, als in der eigenthOmlichen Bildung'
der Eftdsylben anffinden lassen. Ist so das Wart nach Stamm und
Endnng im AUgemeinen da^ so biidet sich durch die rerschiedeiifi
Znsammensetaang' bolder ron selbst die Abweichung der Rede-
theile: derselbe Stamm i^t^ je nachdem er eine andere Endung*
orhftlt, Sukstantir, AdjecUy oder Verbuni. Ehe man dahin aber.
kommt, wbrd die Sprafdie sick in ihren drei wesentlicksten Bestaad-
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der grlmh.^ laiein. mid deutscken Spraeke. 197
theften als JFort, Satz und Rede isrchon von seltet darg^esidtt
haben; tder aber ergeben sich wiederam als Theile des Worts:
der Name (SubstaBtir, nomen) als das Unmittclbare , Genommene,
und das fFart im eng'eren Sinne (verbom), das Mlttelbare, Ge-
wordene. HIebei wfire etwa Rficfcsfchi zu nehmen aaf die Schei-^^
dung* dcs ovoiia und ^fjfia In Platons Sophisten, and zur nfitzli-r
chen Unterscheldung' yon der abwelchenden Fassung^ die Stelleii
aus detu Kratjlos anzuzlehen. Dieses Unmitielbare , der Beirach-*
tung Uiitergeleg'te oder als bekannt Vorausgesetzie erscheint nna
theils an sich, thells In Verbindung mit anderen derselben Art,
(hells endUch In Verblndung mlt deni Vermittelten , davon Ans-
g^esag'tcn. In ersterer Bezlehiing kann es ein IndlFidaeiles und
ein Allgemelnes , ein^ Individuallslrtes, iili Raume Wahrg'enommenes
und eiH Idealislrtes , nur dem Geiste Vorschwebendes sein. Es
entstehi die Frage nach dem Arttkel und seiner Bedeutnng, wie
seiner Anwendung oder Entbehrliehkeit nach dem Genius der ver-
schledenen Sprachen , nach dem Werthe der Person , als des be-
lebenden Mitielpunctes, der Verblndnng zwischen Subject und
PrUdikat und dadurch dcB Pronamensy and zwar sowohl in seiner
engeren Bedeutung als die Person unterscheidend ^ als In der
weiteren, eine Person bezeichnend^ jenes nach der griechlschen,
dieses nach der heutigen Theorle; daraus entwickelt sich ebenso
natUrlich welter die Andeutung' der Geschlechtsforni, unter der
die Gegenst&nde aufgefasst werden, ihrer Einheit oder VIeAeit
(genus and numerusj. Ini VerhaUnisse za anderen Nonilnlbus und
Verbis entwickein sich die Casus nebst ihren Exponenten, den
Prapositionen. Aber hei allem diesen niiissen wir berelts daci
Geblet der allgeitieinen oder phllosophischen Grammatik verlassend.
In das Historische der einzelnen Sprachen eingehen , uni nach dessen
genauer Ergrfindung' auf vergleichendem Wege den Charakter dea
aus der Sprache redenden Volksgeistes zu erkennen. Je schwerer
nun das allgemelne Wesen einer sprachlichen Form zu bestimmen
1st , am so bllligenswerther mdchte es schtinen , die oft sehr pr&-
cisen and treffenden Begriffsbestlnimungen aus alten griechlschen
Grammatlkem 9 in manchen FMlen auch die dort flblichen termini
zum Grunde zu legen , oder wenigstens zur ErlHutermg binzazu«*
fttgen. WIe schOn hat Ihre Theorle nicht die Sg&Qa, den prii-
posktven and postpositiven Artikel, als Gelenke, Giieder, beag-
same Bander der Rede den aiv&safioi^ C«Ajun€tionen, entgegen--
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198 Vmrsdilag' uiid Plan zu einer Parallel -Syntax
gesteHt! Die Unterschcidnng der Xi^tg imd des koyog nnd beldmr
von dioiUxTo^, der nQogt^yogia von ovofiUy der nvv&smq and nuQa^
9saigj der fjL&mr^g, der organiscVen and anorg^nischen Rede^
iheile, des ^x^l^'* ^"^ €?^oc, des Princips der Analo^ie and Ano-
maKe eriiffnet an and fdr sich einen hellern Blick In den Baa der
menschliehen Spraehe nberhaapt Im Wesentlfchen wtirdc ihre
Erklliran^ bei der Lebre von den Redetbeilen nili abznhandeln
sein.
Die historische and verg'Ieichende Nacbweisung' kann dfSks
Wesentliche in allg'emelnen Worten, meist ohne alles Beispl^I,
geben; denn derBesltz einer besondem Grammatik far jedeSpracbe,
aaf die der ScbOler verwiesen wird, fst unerlassHch; es kann Im
Griechlscben dazu Rost, % Lateinlscben Zampt (doch wtirde es
gerathen sein aaf melirere gangbare Graniniatiken za verwelsen),
im Deuischen die von Horn oder Hoffmann oder namentlich ihres
zweckmHssfgen Anscblusses an J. Grimm and ihrer trefflichen Bei-
spiehammlan^ wegen, von J. Kebrein (II, 1. Lpz. 1842} benatzt
werden. Die Einsfcht in die Natur des Artikels z. B. wirde dorch
*die Erklarang* der griecfaiscben Grammatik, dass ihm das sidog
wie das o';^?/^^, die Snbstantialit^t and formale Einbeit felile,
dass er nnr ne^ativ vom pron. 3. pers. sich anterscbeide , ent-
weder rdllig* anbetont ist, oder g'ern an das folg-ende Wort sich
ansebliesst (man vergleicbe das Griech. d^dtsQovj ^oi^uttov^ das
deiitscbe: fOrs Vaterland; tiberm Herrscber, aacb Einzelnes hn
Lat. eccum etc.) vorbereitet werden, dann aber aucb anziehende
Aebnilcbkelten zwiscben der griecbischen and deutscben Spra<^
bieten, w^brend die latelnische seiner entbefart; die sinnlicb-g^-
stige Natar der beiden ersten, die rbetoriscb-abstrahirende der
letzten erfaellen daraas; wahrend Individaam and Gattang'sbeg'ilff
in jenen beiden ibre Bezeicbnang' mittelst des Artikels finden,
weicben sie in der Bebandlang* der Eig-ennamen and der BeisMze
za denselben von einander ab, well die grlechiscbe Spraehe jeiie
als von den ihnen wesentlicben Ei^enschaften abstrahirte Appet-
lativa im Bewasstsein noch festhielt and ihnen desbalb den indl-
vidoaltsirenden Artikel beifiig'te; wabrend aber alle BeisEtze zum
Elg-ennamen dort den Artikel' aaf sfch hinnberzog-en, gingen hier
alle diejenigen, dkf ntcht bios ki specieller Beziebang*, sondem
allgemein gtllti^ sind, mit dem Eigennamen ohne Artikel ^ewls-
sermaasaen is EInen Begrlff ttber (K. %. 169.). Hfemit hdMsa
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d«r grietituj lateiii. and dentacben Spradie. 199
wk denn aber a«ch das unbesiimiiitegte Wort der Rede noeh iwd
schreiten so zh inmer besiimmteren und erCttllteren Forniea fort
Dazu bieiet das Nomen in alien seinen Theilen und Anwendiin^^
den allerreichsten Stoff, zumal dorch die den Modis des Verbnms
eiitsprecbenden Casus ^ deren Bedentang' and Umfang einen grossen
Raum des ^anzen Reg'imenU der Sprache einnimmt. Die Lelire
von den Casus and Modi der Sprache wird aocli bei dieser
Behandlan^weise eben so ^ossen Umfang' als Wichtigkeii haben;
dabei wlrd es aber bier so wenig als anderswo irgend Nachiheil
bring'on, wenn Formen erlaaiert werden nittssen, die nur der
einen oder der andern Sprache ang'ehoren , aber doch natttrlich
in dem allgemeinen Geiste des Denkens und Sprechens begrfindet
slnd, so der Dual in der griechischen ^ der Ablativ in der lalei-
nischen Sprache. — Demnachst wird das Verhaliniss ^ea^Nomens
zu den Qbrigen Theilen des Satzes, namentiieh zu andern Sub-
staniiven and zum Verbum oder Adjectivum za besprechen sein;
jenes theils ein selbststindiges (Apposition) theils ein abltiUigiges
(Genittv in alien Sprachen, andere Casus nur in vereinzelten
Erscheinungen bestimmter Zeitalter einer Sprache) , aber hier wird
grade sich zeigen wie die Speciaigrammatik z. B. des Lateinischen
in vielen Stiicken bisher eigentlich nur geUian, was di^ Paral-
lelgrammatik sich zum Principe gestellt hat. Denn die ganze
breite Folle der Regeln liber die Verbindung einzelner Casus mit
der einen oder andern Classe yon Adjectiven und Verben ist
nicht aus einem inne^en Bedfirfnisse strenger Wissenschaftlichkeit
bervorgegangen, sondern winkahrlich nach der zuf^lli^ en Abwoi-
chung Ton der Muttersprache gebildet worden. Was die Appo-
Hthn betrilR, so zeigt sich bei ihr das Streben nach Personifi-
cirung in den alten^ nach Objectivirung in der dentscheli Spraclie:
qoalis artifex pereo , was fdr ein Kttnstler geht in mir verloren !
Einen interessanten Punct bei der allgemeinen Auffassung des
Nomens bildet die Frage nach der Geltung und dem Umfange
seines Gebrauchs in den verschiedenen drei Sprachen ini Vergleiche
mit andern Sprachen; wie die rOmische Sprache sich lieber der
verbalen, die deutsche der substantivischen Redeweise bedient;
wie dieselbe Vorliebe sich auch schon in der Bildong derselben
offenbart, die sich in der einen Sprache mehr an Urst&mme and
andere Nomina, in einer andern dagegen mehr an Verba und
Adrerbia anschliesst.
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SQO ^ Vorgchliig and Plan 211 einer Parallel -Srjiitox
Aat da9 Sidbstanttvsm wird das jidjedkmm M^d; sebie
Anschliessung an die SabstantiT-Formen beaprocfaen, die ADnab^
mefahigkeit far alle Formen deaaelben daraus abgeleitei, aiier
auch sngpleich die Abweichun^en der einselnen Sprachen daratt
g'ereihet. Da wird man findeo, dass filr die Bildttn^sforiiieB
de^selbcn die dentscbe nnd griechische Sprache wohl den grdsatea
Reichthum bieten, wiihrend die rdmiscbe Sprache dem Sobstantfr
^rdssere Bildangsyerschiedenbeit zawies, als b&tte sie sich da
durch den Formenreichthom entschlidig^n wollen, wo sie yond^n
Innern Wesen desselben einen minder omfassenden Gebrauch sick
eriaubte; ferner dass die Adjectiva im Lateinischen meistentkeys
eine weit selbststandig'ere Haltong* als im Deutschen haben, gewdbo^
lich 'Aur BeschrHnkung^ desSubstantiy-Begriffs dienen, daher aueh
nicht im Positiy mtt Eig'ennamen yerbunden %vl werden pflegefl,
wie wohl auch dn Adjectiy biswellen zur Beschr&nkung dea
andern, nnd zwar dann asyndetisch, hing^egen sjndetisch sieht,
wenn beide zor Bestimmung des Sabstantiys dienen; dass Ori
nnd Zeitbegriffe in beiden alien Sprachen statt sabstaniiyicidi
Oder adyerblell darch Adjectlya (hesternus, domestieus, ;t^i£oc,
jfitaTog) gegeben werden, in welchem Falie denn auch dori
zwischen der Beziehung^ zum Substantiy und der zum Verbsin
genau gescbieden zu werden pflegt. — Nach ihrer nicht for^
mellen , sondern gradnellen oder materiellen Verbindung; mit andera
Beg'riffen erscheint es in der Comparation; das Numerate dag«*
gen wird in kurzen Za^en als eine besondere Gattung desselbeo
behandelt
Hieran wQrde ich das Adverbium reihen^ das, in ein^u
idmlichen Verhaltnisse zum Adjectiyum wie zum Verbum siehead,
grade eine passende Briicke bildet, um aus dem ersten Haupt-
theile in den zweiten hiniiberzufuhren, was um so leichter wird
geschehen kdnnen, wenn man zwischen dem formalen und de«i
materiellen Gehalte derselben unterscheiden will. —
Der zweite Haupttheil behandelt das Verbum zunHchst n^ck
seinen yerschiedenen Auffassungen einer in sich abgescUossenen^
und einer nach Aussen dr^ngenden und einwirkenden Tk&tigkdt,
Transitiyum und Neutrum , wie in den Substantiyen der Ausdruck
eines Zustandes und einer Thatigkeit zum Thell schon la iet
Bildungsform sich zu erkennen gibt; dem Genus des Substantlira
und Adjectiys entspricht seiner innern Bedeutong sack .das €retmK
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der griedi. , latefe. and devtschen Spra<Ae. 201
Verbi, worin nur die Beziehan^ der Thllt%kdt za der banddn-
den Person verlindert wfrd; diese (die Person) zel^t sich aucb
hier ak das rechte ag^ens, als der belebende Mittelpanct, von
deni aus aach die wicbH^e Sebeidnng entsteht, diircb die dem
InAnitiv nnd den ParUcipien ^rade das yerbiim finitum entgeg'en-
^eseizt wird; endlicb den Casus entsprecbend die Modi^ bier
aber eig^entbttwlieb bei der Wesentlicbkeit des ZeiAegrMs im
Verbnm die Tempora. Unter alien diesen Fornien mOcbte vielleicbt
mit dem Participiom (^ f^'^oxv) ^^ beg'innen sein, wei! darin die
verbale Natvr nocb am wenigsten entscbieden bervortriti nnd die
meiste Annftberong' an den Cbarakter des Namens, nliber des
Adjectivs, sieb %eigU Von da wCirde der Uebergang* zum InGnitIv
snd welter zum verbnm finitum sieb leicbt von selbst bilden.
Wfire dieser ganze reii^e Tbeil rom Verbum denn nun bis dabin
ersdiOpft, so kOnnte die Conjunction endlicb als ein im gleicben
VerbliUnisse zum Verbum und dessen Moden , wie die Praposition
xo dem Substantiv und dessen Casus stebender Tbeil bebandelt
w'erden. AUein mit der g-enaueren Erkenntniss des Verbums und
Nomens und ibrer Verbindung mit einander ist scbon die Einsicbt
in die Natur des Satsies gegeben j die Praposition bat sieb nament-
Hob im Gange der Spracben, d. b. besonders in dem sp&teren
Zeitalter der rOmiscben Spracbe und in der deutscben als ein
selbststHndigerer Tbeil zwiscben Nomen und Verbum , durcb nicbts
als den allgemeinen Begriff der Copula vermittelt, bingestellt,
die Conjunction dagegen tritt nirgend in dlese Verbindung* ein,
sondern verbindet verscbiedene Glieder der zusammengestellten
Verba und Nomina, also SHtze mit einander, und wir steben
somit auf einem ganz andern Boden scbon, der als zweiter
l%eil der g-anzen Spracbwissenscbaft zu bebandeln sein wQrde.
IHe Lebre ron den Satzarien wiirde bier den Hauptbestandtbeil
ausmacben und natiirlicb auch das Beckerscbe System in vorzug-
licber Riicksicbt auf die deutscbe Spracbe seine anerkennendste
BerUcksicbtig-ung'finden; bierberwttrde aber aucb der grOsste Tbeil
dessen zu zieben sein, was in den Grammatiken der alten Spra-
chen namentlicb ttber die Bebandlung der SMze gesagt wird , die
im Beutscben durcb daas eingefQbrt werden. Zugleicb ist die
Warnung for die Lebre von den Pr&positionen nicbt minder als
den Conjunctionen nicbt zu uberseben, dass sie ja nur die nahern
fixponenten der Factoren sind, die in den Formen selbst scbon
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203 Vorachlag ond Plan m einer Parallel -SjdUx.
ydlllg' liegen , welche nach der aliherkdinmliclien Manler ^u redea
die Casus und Modi re^ieren sollea. Der Werih HirerBedeatang-
Isi, well und Insowelt sie kelne Fornien sind, eig-entlich eln lexl*
eallscher und es ist bisher ausserordentlicli viel Fremdartlges auf
diese Welse In die Grammatiken fiberira^en worden; die Gram-
mailk hat nur Ihre Innere Ueberelnstimmun^ mit den Formen nach-
zuweisen , mit denen sle In Fol^e dessen zur g'enaueren und eln-
schr&nkenderen Bestlmmung' verbunden ku werden pfle^en.
Es w&re nun nach melnem Bedttnken noch eln drkter Thell
dieser Sprachwissenschaft ttbrl^, und da ^eh^rte denn alles das-
jenlge, was iiber Perlodenbau, oratorlschen Numerus, Wortstel-
lung* zu sag'en w^e, Vleles auch, was jetzt in die sjntaxis ornata
gerechnet wird, die Anakoluthie und alle rhetorlschen Figures,
sammt deni, was nberhaupt dem Rhetorisehen der spradilichen
Darstellung angehdrt. In diesen dritten an die Rhetorik angren-
zenden Thell hinein* Und so wttrde auch von dieser Selte die
hier In den weltesten und schw&chsten Umrlssen gezeichnete
Sprachwissenschaft mit der Im nbrigen Gymnasialunterrlchte schtm
vorkommenden Rhetorik und der neuerdings wieder allgemeiner
reelf Men phUosophischen Propddeutik ^ In einen organlschen Ver-
band zusammentreien, alle drei auch zweckmHsslger Welse die
Art der Behandlung mit einander gemelnschaftlich haben, dass
die Lehre der griechlschen Sjsteme des Aristoteles and der
alexandrlnischen Grammatlker entweder ganz and gar bel Ihnen
zu Grunde gelegt oder doch wenlgstens eine besondere und eiii-
gehende ROckslcht auf sle genommen wttrde.
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W3
XII.
leber die Lecldre Cicero's In Gyninaslen, ')
Man hat in neuerer Zeit, wo der Wertk ier einzelnen Clas-
siker ffir die Benutznng im Gjmnasialunterrlchte finer sorgf^Hi-
^eren PrttrHng unterzo^en worden isi, aach die Fra^e mehrfach
aaf^eworfen : welchen Platz ^eg'enwftrii^ Cicero in der Reihe der
Schnlautoren einnefanie j and welche seiner Schriften far die obern
Gjmnasialclassen am meisten zn enipfehlen seien?
Interessant w^re die Aufg-abe, in der Gescliichie der Pftda-
^g-itr die ScUcksale aufzasnchen, denen die classisclien Autoren
In ihrer Bedeutnng* als Bildungsmittel der Jug'end zu verschiedenen
Zeiten unterlegen haben , zn sehen , wie ihre Wttrdig'nng niit dem
Denken nnd Wollen der Zeit In einer nAheren oder ferneren Ver-
bindung' gestanden* Lehrreich w^re aber aoch jene andre Auf-
gabe, jedem irgend hervorragenden Classiker seinen recfaten Plaits
Ini Gebiete der Jugendbildnng nach dem gegenw&rtigen Charakter
des dentschen Gymnaslallebens, nnd mit besonderer Beachtung'
des jetzt mehr als frttber zu Rathe gezogenen sittlichen Elenien-
ies, nachzaweisen. Jene geschichtliche Darlegnng gehdrt nan
allerdings zunftchst nicht hierher, sie llisst sich aach besserlesen
als bdren ; za der zweiten Aafgabe m5chte ich jedoch in einigen
knrzen Andeatangen einen geringfllgigen Beitrag liefern. Ich
darf wohl ausgehen ron der Thatsache, dass der formelle Gehalt
Oder der stilistische Worth Cicero's ^) denselben in der ganzen
frQhreren Zeit fast als alleinige Richtschnur zar rorherrschenden
Nahrang der Jugend im latelnischen Unterrichte gemacht hat; allein
aach die grdsste Vollcndung der Art wQrde ihn heatzatage gegen
die andringenden Klagen nnd Vorwttrfe sittlicher Schw^che and
Mangelhaftigkeit nicht mehr za schtttzen im Stande sein. Ich bin
1) Ein in der Versammlnng norddentscher Schulmanner zn AUona 1S39
gehaltener Vortrag, mit einigen spatern Anmerknngen.
2) Bine ZasammenstcIInng mekrfacher Zengnisse darnber s. in Friede-
m«iMw ParHnesen I. 197—204. (2. Anflage.)
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204 Ufber die Lecttire Cicero*s in Gymnasien.
nun l^eineswfg^ geneigi^ der Uarstellang' sonst trefflicher Histo-
rlker nenester Zefi^) bllndiing^s mich zn erg'eben; wir Icdnnen
nns hier auch nicht in den Strelt fiber seinen poUtiscben oder seinen
moralischen , selbst (iber seinen wissenscbaftlichen Charaliter ein-
iassen; die Frage ist mir, was fur Gefahr oder Nachtheil aus
einer inOglicher Weise begrQndeten Anlilage g^e^en diesen Scbrift-
steller seiner Benntzung als eines Lehrg'eg'enstandes im Gymnasinm
erwachsei und welcbenWerth bei alien Flecken seiner menach-
lichen Natur docb immerwEbrend seine geschichtUche PersOnlicb-
keii nnd Stellnng fur nns bebalten mttsse. Jene ist uni so weni-
get ein absolut Wertbvolles nnd Unantastbares , als die alie Welt
nirg^end eine IndividnaliUt ^eschaffen bat, in welcher Person nod
Sacbe sicb in bdcbster Vollendun^ rereinigte, als yielmebr die
Person vor dem Worte und der Sacbe rerscbwendet, wftbrend
im Cbristentbum erst jene vdllig^e Durcbdringun^ des Subjects
und Objects 9 des Werkes und seines Meisters erfolgen konnte.
JHese ist es dag'eg'en ^erade , auf die ich mit Ueberzeog'ung' un-^
bedingten Wertb leg'e. In das rdmiscbe Leben, in seinen inner-
licben Process und Verlauf, zuni Ursprung^ auf die H5be nnd
zum Sinken dieser Weltmonarcbie soil der ju^endlicbe Sinn ^e-
fabrt werden; auf der Hdhe derselben < soil er vor alien Dingen
verweilen und den recbten Standpunct dadurcb zu einem vorw&rts
und rflckwSrts zu ricbtenden Bllcke gewinnen. Aber er soil nicht
bei dem Allgemeinen, bei dem Ung-efabren nndOberflUcblichen stehen
bleiben , er soil in einen Zeitabscbnitt , in welcben ein so ^ossarti-
^er Wendepunct WXi^ so aus seiner Zeit beraus eingefiihrt werden,
dass er sicb in das VerstHndniss desselben binein lebt und darin
Ydlli^ hefmiscb wird. Aber so wenig* er darum diese wie Irgend
eine Zeit als die absolut bdchste oder ^Ificklicbste der Menschbelt
ebren und sie etwa iiberall zu erneuern bestrebt sein soil; eben-
sowenig* soil er aucb in dem Cicero etwas Anderes suchen, als
3) Besonders sind liier Aeusserungen hrumanns, OescMchte Roms
n. s. w. I, 536. II, 214. 249. gemeint, ygl. dagegen Aheckens Cicero in
seinen Briefen, and die Vertheidigung Weissgerbers in: SchrifleH der Oe^
search, f, Beforderung der Geschichtsh, za Freiburg im Br. 1 , 261 ff. Cicero
hat bekanntlich eben so i^arme Lobredner als harte Tadler gefnnden, die
Englander Middleton and Melmoth yertreten diese entgegengesetzten Rich-
tungen, der Dentsclie Meiners liat sie beide nach einander durchgemacht»
s. Zeitschr. f. Altertliaaisw. 1837, H. 4, S. 327 ff.
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0eber die Le<4tre Cicero's In Gysiiuisleii. Wi
den vollendeien Repr^entanten seiner Zeit, ohne llin mit aUen
seinen Schieksalen und Verlrrao^en zn lieben und zu bewondern;
vielmehr darf ibm keine SchwUcfae and kein Fehl^riflT desselben
verborgen blelben, wodarch es erklarbar bleibt, wie der In die
Verg^angenhelt zurtick sich sehnende ond nach einer Wiederber**
stellung nnwiederbring'lich rerlorner Zustapde strebende Mum,
das Bad der vorwarts rollenden Zeit zu bemnien bemfibt, dem
uBabUnderlichen Uinscbwnnge als Opfer anheim fallen niosste.
Wer aber wftre unter alien g'eeig^neter ein trener Spiegel des
roniiscben Lebens zu sein, als dieser unlverselle Charakler, der
in selneni weniger langen als bewegien Leben den inbaltsscbwe*
renBeruf einer entscheidenden Periode, denUnisturz einer gross-
ariigen Verfassung durchgemachi hat. Wllhrend Homer den
Anfang und die Kindheit, Sophokles und Thukydldes die MiUe
und Manneskraft, Demosthenes die greisen schnell ablaufendeii
Tage des ^ellenischen Lebens bezeichnen ; dieni dieser eine Rdmer
in seiner vollen Universalit&t dazu, das bewegteste and folgen-
reichste Zeitalter der rdmlschen Geschichte, die Tage ihrer Mannas-
kohe, aber mit immer erneuerten Rflckblicken In die Vergan-
genheit dnd mit dunklen Ahnungen der Zukunft zu offenbaren.
Dazu zeigt er die in ihm nie zur Aussdhnung gekommene Tren-
nung des Gelehrten und des Staatsmanns , des Menschen und des
Burgers, und er l^sst daher auch dem zur Laufbahn des Gelehr*
ten bestimmten Junglinge die Staatswirksamkeit im Lichte eines
den Wissenschaften geweihten gittcklichen Lebens und mit alien
seinen Tr<^stungen, dieses aber auch im Lichte und unter den
Fdrdernissen d^s Staatslebens erkennen. Welter vereinigt er in
sich die hdchsten Gipfelpuncte romlscher Nationalbildung, das
Mecht und He Beredtaamkeit; und diese beiden geben neben sel-
nem geschichtlichen Wertbe den richtigen Maassstab zu seiner
Beurthellung. Endlich ist er, wie vielleicht kein Schriftsteller
alter oder neuer Zeit in dem Maasse mehr, auch in formeller
Hinsicht das reine Gepr^ge und vollendetste Musterbild des gol-
denen Zeitalters seiner Sprache; und er gleicht darin dem Homer,
in dem wir auch eben nicht diesen einen Mann, diesen indiiri^
duellen Geist, sondern vielmehr im vollsten Sinne ein gauzes
Zeitalter vor uns haben. Allerdings seh' ich also den Cicero far
die wesentlichste Quelle des lateinischen Sprachunterrichts nach
wie vor an; Ich weise ihm gern, wie dem Homer filr das Grle-
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368 Ueber iie LiscMre Cicero's in G jmnasieD.
diiselie, seinen Platz in den drei lAern Gynnaslaiclassea an. Aber
wean Homer, wie niit Recht ein g'eistrelcher deutselier Sehriftstell^
Shgij das einzfg^e Bnch der Welt ist, dem in eineni irg^nd slnni^eo
Knaben aiich die Missliandlun^ des lir^sten Pedanten nur weni;
Scbaden ihut^so l^ann slcb allerdin^s Cicero eines soldien Vor--
Mf es nicht riihmen. Es ist hier bei der Verscliiedenartigkeit nnd
JMen^e seiner Schriften g'rosse Answahl and Vorsicht, es isi bei
der Eriilarang selbst eine Hinttlierfiihran^ in das Zeitalier notli-
wendig*, es bedarf bier einer nmfassenden g-esch!cbtlichen Knnde,
denn er steht liber den Thaisacben, die er behandelt, setzt ibre
Bescbaffenhelt als bel^annt rorans; ^s fehlt ja notbwendig' dem
anf dem Standpnncte der Reflexion stehenden Redner namentllch
jeiie liebevolle Natttrlichlieit, womit z. B. der Epllser sich in die
Geg^enstjlnde verliert, and anch die kleinen Schattirangen der*
selben nicht anberllhrt lasst. Zuersi also werde der Gynmasial-
schttler mit der Geschlchte Cicero's selbst naeh den allg'emeinsten
Umrissen and mit denjeni^en seiner Zeitg^enossen and Vorfabren,
mit denen er ftasserlich oder Innerllch in nHherer Beriihran^
gestanden bat, bekannt and vertraut gemacbt; dann finde er aef
einer zweiten Stafe das Bild der ganzen Umg'ebang' and Zeit des
Mannes, and* zwar so, dass er sich an die ullgemematen g^ross-
artigen welthistorischen Zage zuersth^i^ and darauf erst all-
m^licb anch in die bleineren specielleren^ aber daram nicht minder
bedeatangsvolien ZastSnde and Ereignisse elngefiihrt and zuleM
in ^as inhere Leben der Rechtsverhdltniaae and dffentllchen Beredt-
BwtikeU geleitet and za der Hdbe freier selbstkndiger Beurtbeilang'
gebracbt werde. Dies g-lbt einen dreifachen Standpanct fiir drei
yerschiedene Stafen: es ist der mehr indiridaelle biographische y der
rein kdatorische and endlich der reflectirende rhetonsche and phiioso-
pbiscbe ^). Fnr den ersten^ etwa die dritte G jmnasialsiafc , wttrde
ich entweder eine Chrestomathie mit besonderer Berttcksichtlgang*
des dafttr ndtbigen Materials, oder die Schriften de amicltia and
de senectate, eine Aaswahl leichterer Briefe and, etwa als An*
fang der historischen Lectiire, and unter Hervorhebang eines
Haaptabschnittes aos dem Leben des Redners, die erste Catill*
narische Rede empfehlen, an die sich nach Beschaffenheit der
4) Aelmlich scheint Kdhler, Apkorismen aus dem Oehiete des Oymna"
siallebefia, S. 42. die Vertheilang aafzafassen.
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Ueber jHe Lectare CteerVs h GjmamOm. 9K
Umst&nde noch die kleiseii Reden fiilr den U^futo md DeJ«UnMy
BO unbcdeuiend ihr Inbalt aiieb ist, aiseUiesven kdiatcfl. Ok
dreL letzten Catiiinarischen Redea wilrde ich fOr eine solchc
Lecture nlcht enipfehlen , sie sind Ib meinen Aag^en eniweder
unftcht Oder des ftedners unwtirdl^, nnd eine scharfe Mn«teronf
lier Einzelheiien wird immer eln ungansti^es Resultat liefem nnA
die Reilie der sprachlichen and sachlichen GrQnde yermehrePi
womit die Authentie jener Reden ang^efochten iat. Die %wmi€
Siufe schliesst sicli an die erw&hnten Reden an und setot die
. darin be^onnene Aufgabe welter fori ; besonders dttrften sicb daflir
die Reden pro Roscio Amerino, de Imperio Cn. Pompeii, pm
Arcbia poeta, pro Milone empfeblen, das 4. Bucb der Verrlnen
und I Oder 2 Pbilippiscbe Reden (vielleicht am liebsten die erate
und vierzebnte) wffrden einen passenden Ueberg'ang' za den ver-
wickelteren nnd icnnstvolleren Reden bilden. Aber neben den
Eeden yertangi nieine Anslcbt and Erfahrung fOr diese StafeK
eine Aaswabl der wichtigsten Briefey deren Erl^I&rang' dem Leb-
i^r dorcb die neuesten scblLtzbaren Arbeiten aof diesem Feldci
sdir erieiebtert ist , dennocb aber scbwerlicb scbon in einem wei-
ieren Umtoeise far die sicbere Gewinnang' and Beiebung der btsto-
risclien Kunde benatzt wfard. Da sicb bieraos scbon ein ang'emein
reicher Stoff ergibt, so wiirde icb die nach Spracbe and Ton
antrrHftig^e Rede fOr den Marcellus sowie aucb die Ueineren Reden
yerwerfen, wenn nicbt diese etwa scbon, wie yorbin ang^edeatet
ward , aaf der frfiberen Stufe yorg'ekommen sind. Die dritle un4
bdcbste Stafe endlicb, aaf der gewdbniicb in die pbilosophiscbeii
und rbetoriscben Hanptwerke Cicero's eingefobrt wird, wobei der
Orator and dieBticber de oratore, die Tusculanen and das Werfc;
de finibus bonoram et maloram ^) unstreitig* yor den flbrigen dei^
Vorzug* yerdienen, soil docb nicbt bloss in das wlssenschaftlicbe.
5) Belde empfehle ith mit Ueberzeagang and iLann die Bedenken K.
G, Sch^Ue's in seinem bekannten Bndie i. 36 If. wenigstcns liinsichtllcli
dieser beiden philosophischcn Arbeiten nicht gelten lassen. Ebenso miissen
die Biicher de officiis wegen ilirer trefflichen ethischen und historisclien
Grnndlage nothwendig in diesen Kanon , in welcliem sic ehedem fast aus-
scliliesslich standen, wieder aufgenommen werden. Dagegen eignet sich
das Werk de natnra deorum schon wegen der vielen kritischen Scliwierig-
keiten im ersten Bnclie niclit znr Schnllectiire,
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208 Ueber die Lectflre Cicero's in GymnasieD.
Trelben der Rdmer, sondern eben so sehr In den eii^entMmlfeh*
sten Theil Ihres OflTentlichen Lebens einftthren, wozn wesentllch
eben die Kenntniss des Rechts end die Beredtsamkeit g'elUiren.
Wenn daher auch eine geflissentliche Benntzan^ des rornehmlick
im Orator so reicbhaltig* rorliegenden rhetoriscben Stoffes und
die sichere Anei^an^ des In festen Fornien und technischen
Beg'riffen sich bewegenden ^eschichtlfchen Materials In der Lecttre
des Brutus®) drin^end empfoUen werden muss, so kana dock
andrerseits ron einer Benotzung' der bedeotenderen nnd schwe-
reren Reden filr den Gymnasialgebrauch nicht abgestanden wer-
den , weii dieselbe nicht allein practische Belege nnd frucht-
bare Gelegenheit zur griindlichen Analyse der in den rhetoriscben
Werken erdrterten kunstlerischen Form, sondern auch den wich-
tlgen Anlass zu der trotz der nensten Bearbeitnngen noch immer
sehr vernachllissigten Kenntniss der rOmischen Rechtsverhaltnissa
darbieten. Freillch stellen Reden, wie die fOr den P« Snila, P.
Sestlus, C. Rabirius, A. Caecina, L. Murena^), dem Verstand-
nlsse von Schalern mehr oder wenlger grosse Schwierigkeitea
entg-egen; wenn diese indessen nnter dem Beistande der wach-
senden litterarischen Hfllfsmittel beseitigt werden kdnnen , bleiben
diese Reden eine sehr geeignete Lecture anf dieser Stnfe, nnd
ieh glaube, dass man- die Benutznng der philosophlschen Arbel-
ten, namentlich eines Theils der Tusculanen (Bach 2 — 4), den
hauslichen Stndien etwa dann flberlassen kann, wenn mi t Bonn-
tzung der Qneilen der alten Philosophie, wie die Sammlong von
Bitter and Preller, sle znnHchst allerdlngs mehr fiir den Forscher
und Gelehrten als ftir den Lernenden darbieiet, also etwa nach
einem sehr wiinschenswerthen zweckm^ssigen Auszuge daraus,
der Gymnasialsclittler der ersten Classe in eine Uebersicht der
Philosophie der Griechen eingefiihrt wtirde.
6) Diese dient frcilich auch gar sehr fur die Privatlectiire , indessen
bietet doch die genaue Bchandlung der Tielen wissenschaftllch - technischen
Formen and die Hineinfuhruug in das litterarisch - sooiale Leben der dama-
llgen Zeit mit scinen Glabbs nnd Cotterien eine grOssere Schwierlgkeit dar.
7) Jetzt freilich darch die treffllchen Bearbeitangen yen R. Kiotz, K.
Halm, G. A. Jordan n. A. wesentlich erieichtert.
xni.
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XIII.
Ueber Ak besondere DehMdlflBg der gHeekiset^n md
rfimischen Alterthftnier im GymBasialonterrielrtii ^)
. Efl ist in neuerer Zeit rielfftch die Fra^e aaf^eworfen
ufid je naeh der Brfahrung' der ekizelnen SdhalmliiiBer bald beja-
hend, bald aber anch, and zirar nicht sdlen, vam^end beaiit-
\rm*iel wordcn; ob iit EinMuron^ in das Leben des Alterthams
!m Gymnastahmterricbte noch auf dne andere Weise uitd in beson-
dereii Lectionen neben der hterpr^Uen der aUen Schrifteieller
denSchtilern darg'eboten werdenselle? Wollcn wir diese alier-
dlng^ ftir den Lebensberuf der Gjmnasien nicht nawfebtig'e Fr^ge
etwas nliher nach ihrer Hnssertfcben Ersdieinun^ nnd praktiscken
Bedeuisamkeit bezeiehnen, so wttrde dteselbe' etwa folg^ender-
mffas^en laitien: Soil in^ der obersten Clasae etees Gjuinasfums
etne Uebersichi des g^esammien Lebens der-belden rorzlt^licbsten
Ydlker und Staaten des Alteriknnis in znsaroinenk&Bg'endeni Vor-
trage nnd in besonders dazn angesetzten Stnnden g'egeben wer-
den? Oder g'enttg-t es^ wenn mH der Interpretation der Alten
setbst den Sehulem das Alterthoip nach alien seinen Seiten und
Rlektungen bin, wofem dieses thnnlich ist, zur lebendfg^en An-
sebanung' ' gebracht wird? Diese mit dem ganzen Wesen and
Charakter der Gyinansialmetiiode auf das Genaneste zttsammen-
hftngende Fra^e mdg-te icb vor d^ier Yersammfain^ in miig^licb-
ster Knrze einer Erdrternng' nnd Beflbtwortung nntersieben.
Der Bedrtheilung' nnd Entscheidung' dieses Problems bietet
slcb ein doppelter Gesichtspunct dar, nemlich in der Person der
nnteiricbtenden Lebrer und in dem zu lehrenden Geg'enstande,
wohl auch rielieicfat in* den zu unterweisenden Sckillem, wenn
auf diese billiger Weise gteiehfalls eine ^ewissc Rflcksicht g'enom-
men* werden darf. FreQich ist es wahr, dass die Hand eines
1) Ein in der Versammlung Norddeutsciier Schnlmanner zn Schwerin
im Jahre 1838 gehaltener Vortrag.
Luhher, ges. Schriften, 14
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210 Uel>er die besoBdere Behaiiihiiig der grieeUschen
ungeschickten Lehrere auch d^ an sleh ZweckmSissjge wertUps
luachen J^ann, wie umgekehrt, dass ein geiibter Lehrer aach ei-
neni bei gewdhnlicber Behandlung' wenig fruchtbringenden Ge^en-
stande reichen Gewinn an enllocken TermO^en wir^; aber von
dieser Neigung und Individuality die Sache abh^ngen zu lasseii,
das biesse, sie der schrankenlosen WillkOhr der SabjectivlUlt
preiiigeben. Die Scbnle iat ja ein lebendiger Organi^nla8 9 der
iiber dcr^^rachiedenbeit. der lehrenden Personen atebt; sie bat
eine bestimnite Anfg'abe, ein sicberes und unfeblbares Princip,
nach welcbem daber aucb die Tbeile beurlbeilt werden mussen,
die Glieder des Leibes miissen sicb nacb der ibre Einbeil bervor-
rufcnden und erbaltenden Seele ricbten. Irre icb nun nicht, so
ist wobl nacb allgejneinateni EingeatlUidnisse als das innere Le-
bensprincqi der Gelebrtenschule angenommen die Reproduction des
AUerthums sM^t in Geist und Leben^ in Wqri und Tbat; das
lebendi^e Hineingehea in jene verscbwundene , von der Gegen-
wart so innerlicb g'eschiedeoe grosse Welt, das Hindurcbfiibren
des jugendlichen Geistes durcb alia Kreise und Zeitalter dieser
Jugendep^cbe der Menscbbeit bis aa die Grenzen des Heidentbums
Oder in den Vorbof cbristlicber Offeabarun^ binein , wie jene altc
WeH in die Crabesten Bildungen des Cbristenthums selbst ausl&ufi;
ebenso rein vorbildend und vorbereit^nd , wie das. AUertbum die
Vorbildung und Vorbereiiumg der neui&ft cbriatlichen Welt gewc-
sen ist, eben so wenig abscbliessend und irg'endwie vollendend,
als die Gelebrtenscbule ein Letztes und Abscbliessendes ist, das
nicht vielniebr nur in die einzelnen Zwei^e cbristljcber V^'isscn-
scbaft selbst binuberfabrtc. Weder also die Sprache alleln , noch
aucb die Gesducbte und der ^anze reale Inbalt des Altertbums
ist der Inbalt uiscrer Bestrebuo^en oder ibr Ziel, sondern viel-
niebr das g'anze Altertbum- selbst , wie es war und wie e« lebt
In den Werken, die es binterlassen, und in deni unzertrennlicben
Vcreine von Form undStoff, von Sprache und Ideen, und in der
lebendi^sten Wecbselwirkung derselben unter einander. Der
Einfluss an Klarbeit und Bewe^licbkeit yird bier urn so grosser,
sein^ als diese Welt, eine vollig' abgescbioaseoe und entscbwHa-*
dene, unserem modern en Geiste fremd gewordene, ja zuni Tbell
diametral entgegengesetzte, nur durcb die Kraft und Th&tigkeit
des Geistes wieder unser werden kann, und als die wichtigsten
Erscbeinungen, in deneu der menscblicbe Gelst sicb uberbaupi
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qmI r#iibi^n Altfrtfc)ibiier fan fijniiMwIilaiit^rrldUe. 311
offenbart, Mer In ftrer Ab^ridsAelt odier eesondertiieit and da-
darcA In ikrer g'an^en Entsdiiedeiihdt dem Beschaaer entg^eg^en-
treten. 1st dcr ju^endlldie Sinn in dleser WeR rdlHg* hefmisch
geworden, dann hat er die rechte Llebe and die tiefe Sehnsacht
zamHdheren gewonnen, dann wfrd cr ven menschHdier Wefsheit
and irdiscfaen Handeln za wahrer ^hrlstHelier 6esinnang> mit wah-
rem Ernst and Innerem Drang^e bfntlbersiehen and beim Anbaa
welcher WIssenschaft es sd niemals idas gemeinfinme Band itber-
gehen, das alle amscblangen h&II, noeh das^letzte grosse Zlel
and Erg^ebnlss rergesaen, za dem am Ende alle WIssenschaft
fBhren mass.
Es 1st hier nkht der Ort welter anszofiihren , in welehem
Verhiltnisse za dieser Aaf|^e der Geschie^unterrickt steht,
der In das polltische Leben der Staaten des Attertbams aoch aaf
den obersten GymnaslabtaflMi neeh mdgllchst lebendig*, tief and
innerllch einfUhfen soil, and sieh eben deshalb an das dunkele*
Gewirre der neaesten Zeit rleilekbt nicht wird wag>en dttrfen;
Oder der mathematiseke^ der na<A Beschaffenhdt and Wlrbang^
dem Gelste des Altertharas so noch yerwandt 1st and die bei aRen
Betrachtangen desselben fast Tor^gsweise ang^ewandte Seelen-*
kraft abgesondert and vom Inhalte los^trennt za thtlh sncht;
endli^ der Unierrieht in der chriatUeken Rettgkm^ der dem
SdiQler in einem amfassenden Ueberblicke ebensowobl als in
einer grilndlidien Darchftthrung' einzelner SeHen naeh den Qael*-
len grade das geben soil, was er im Alterthame zwar wohl mit
allem Eifer gesoeht, aber doch za Icelner Befriedig'ang' g'efandeii
bat. Es Icann hier mit einem Worte nicht die Aafg^abe sein, di(3-
sen Tbell des Gjmnasialunterrichts mit dlen fibrlgen in eine an-
gemessene Verbindong' za setzen; es kommt hier nar daraaf,
darch wlchtig^e ErOrterang dlie Frag'e Ins Licht za setzen, ob
die Interpretation der Griechen and ROmer far diese Einftthrang'
In das ganze Alterihum nach selnen politischen, mlHtairischen,
rellgidsen and bttrgerliehen Institatlonen gendg-en k6nne? Diese
Ton mehreren sebr ach^aren Sehalm&nnern in jangster Zelt wieder
bejabend beantwortete Frage l&sst mir entsdiledene Zweifel abrfg*
Ich gebe allerdlngs za, dass die Lectfire der grossen Alten im-
merwihrend die Eine Haaptsache ist and bleibt, daher aach fflr
die Kenntniss des AHerfliaras die wesentHcAste and ergiebigste
QaeHe sein mass; aber ich finde sle bei allem ihrem ant^ergleich-
14*
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212 Ueber die beamrfef e^ B^liMidll«iir ^r gfteoUschMi
lichen Wertbe doeh fflr itm iiiiF^eil«bare BedttrfUss der oberstea,
in eineni gewissen Grade lAscUiessenden Bildiiiigsstafe dei Gjm-
nasiunis nach zweien Seiten hin unznreicliend , nenlich einmal^
insofern dadureh manehe wicbtige oder anzieliende Pariliie mdH
eben betonders znr Sprache kommt, und dann, weil dadnrdi nwr
Kenntnlss des EUnzelnen, aber niebt der Ueberbliek liber das
G^nze und die ricbtige WttrdigHng qnd Vergleichong erreidki
wird. leb hiUie bier rieles Einselne naniliaft zn machen, ff^
dessen zwedroiitssige Erledigung ich Birgend den rechten Raam
im Gjmnaaialimierricbte glAabe finden zn l£(Minen. Denn geseiat
ancb, das8 die Bodenbeschaffenbeit and geograpbiscbe Lage der
einzelnen Lender, die Staatsverfassnngen nnd was sonst noch zu
den sogenannien politi«ehen Alierthttmem gebdrt, fnglicb im Ge-
schicfatsvortrage behandelt, aueh die Lttterainr nnd Cnltur eines
Volks, wenigstens in den allgemeiiisten Umrissen, dabei genil-
gend berttclrsichtigt werden kann, so wird dieses deeh nnr dana
einigermaassen ansreicbend mdglleb seio, wenn der Gescbiebtsnn-
terricbt der obersten Gjmnadalclasse^ was schwerlich allgemeln
der Fall 9 ancb an sicb Tielleicbt nicbt statthaft ist, sicb gftndi^
auf das Altertbnni bescbrltekt. Aber ansserdem Meiben nocb
manche Seiten ilbrig, die entweder niebt nazeffsMckeli and ia
lelrendigem Zasammenbange , oder aodi dberbavpt nicbt in der
nttthigen AosftlbrUchkeit vorgetragen werden kdnnen. DIess gilt
Ton den btrgertidten and socialen Znstinden der altei^ Welt,
dem iiasserlicben Verkehre der alten Vdfter, ibrem litterariscben
and kfinstleriscben Leben, ihren bftrgerlicben and bftnslicben Kia-
ricbtongen and dergleichen mebr. Hierzn kommt nocb ekie^ der
Berncksicbtigung sebr nabe gelegie Pticbt. Eine der wkbtigstea
Seiten des geistigen Lebens der alten Welt ist sehi religitoes
and sittliches Wesen , welches yon seibst dnrck die rersdiiedea-
sten Anlftsse den Lebrer des classisdien Alterthmas anffordera
moss 9 seinen Schtilem den wahren Stand der religite-sittlicbea
Gesinnang der Alten ohne Verkleinerung wie'ohne Ueberh^ang-
and in ibrem ^ten unrerkennbaren Unterschiede Tom Christen-
tbame vorzalegen. Freilich bieten sich manche besondere Anllsse
beim Lesen der Alten dazu dar, indessen wird aach bei der
sorgsamsten Benatzong derselben die Plicht nicht abgewiesea
werden kdnnen, ron Zeit za Zeit einmal geflissentlich das Ver*
einzelte zam Ganzen zn sammeln and so einen anschanlicbea
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mmi rdniscben Altefymmer im QynmiMtdmiUnkkie. St3
Uei»erUlck au g'ewihren, wo sosst vMleieht eiiie eotfiise Zer-
aidckelimir 0^ elnsteHen mttsste. Zwar bietei aiicb der dirist-*
liehe Relig^taigiiatefrieht anr Bebandlimg' dieses Tkenift's eine
giliistige Gele^eidieit dar, alleln IheSs wird iu dei vorlmrfejiet
LehrktekerB &9€h Blcbt hinreichende Rttdtsieht dara«f genemmeB
and also aiich die passende Ginndlage dafir nickt kereltet, theila
ist Doch au oft an unseren GjniDasieii das Lehranit des christ-
Kehen Rellgloflsunterrichts voa dem Berafe des phiklo^ischeH
Lehrers ^nzlicli ^escUeden, so dassleider von dem einen Ge-
biete %a dem attdern biniiber der Blick nicbt ^eworfea wird, so
Doihig solcbes aucb ist. Alle diese einzehieii Gegenstande uod
BealehangeB nan, deren slcb nocb viel mebrere aiiffinden Itesseny
k^nnen aUerdings bei verscUedenen Anlassen bebandeli werden,
yerlangen dann aber dort vlelleicfat einen relehlleh so g^rossen
Zeitaufwand, als sie in elnem olAer zusammenblUigendeji Vortrage
erfordera wQrdea^ Dasa wurde es aach leiebt dem Zofall anbeim-
^e^ebea bleiben, ob diese zam Theil so wUMigtn Parthieen
uberall im Gjmaasialcarias ibre BerOckslcbti^aa^ faoden oder
nicbt; and endlicb wlure, wenigsteas wennder Gescbichtsaaterricbt
in der g^ewdbnliobea Weiae and nicbt etwa in einer JMethode,
wobei die Keaataiss aller Hanptdata voraasgesetst, die wicbti-
geren Paacte aber ia einer vergleicheadea and all^emeia Aber-
stcbtUcben Weise bekaadelt werden, leicht die Gefabr vorhaaden,
dass dasjenige ganzlicb ans dem Gjiunasialanterricbte verscbwinde,
was docb so recbt den Kern desselben aoszamachen bestimmt ist.
Die Anffassnng der alten Welt ist nicbt so leiebt and einfacb,
wie es bisweilen scbeint; das Gepr^e der altertbiimlicben Mensch-
keit ist bei aller Scharfe and Reidieit docb so eigeatbamlicb and
^andverscbieden von der niodernen Art, dass eine aaf richtige
Fassang aad lebendi^e Wiedererzeugung gericbtete Tbatigkeit
Dicbt entbekrt werden kann. Sonst dttrfte leiebt aucb den freien,
scbriftlicben wie mandllcheu, Uebungen der GjmnasialscbUler der
besste aad reicbbaltigste StoiT oder wenigstens die Auleltung
za eiaer erfolgreicbea Bebandlung^ desselben entzogen sein.
Das Wesentlichste, was mithin als die Aafgabe einer sol-
chen Lection betracbtet werden kdnnte, wilrde Folgendes sein:
ScbOderang* des Scbauplatzes der alten Welt, EiniQsse des Bo-
dens, Klimas a. s. f. aaf die Geisteseatwickelang and practiscbe
EiffentbUmlicbkeit; politiscbe aad bttrgerlicbe AltertbUmer la Urn-
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314 Uefcer B^andliniff der grledi. ttsd rdm. AlterthQner.
rlssen and Parallelen, das Leben in Staat and FamfHe, In Ut-
teratar and Kanst; Charakterisiik der Spraohe and LHterainr,
Henrorhebang* der bedeatendsten Geister and mdglichai g^enaue
Eetchnang deijenig^n SchriftsteUer, die in den Kreis des Gym-
nasialanterrichto fallen; endlich eine Dargtellnng- des Wesens der
antiken Religion and Ustorlsche Ueberslcht der Mythenbildang'*
Allerdingfl fehit fir eine soldie Behandiang augenblicklich
Boch die Ittter&rische Belhttlfe als geoignete Grondlage Ydnig*;
der Lehrer wfirde sich also selbst Bntworf and Aasfibrang an-
mlegen haben. Aber aach so darf ansere Bmpfehlnng avf kei-
sen Fall anbedingt and anter alien UmsUnden gelten; es geh5rt
eine von wanner Llebe and lebendiger Kenntnfss des Altertboms
dnrchhaoelite, anregende PersOnliehkeit des Lehrers; es gehdrt
eine gate, nit den yerschiedenen Phasen des AHerthums schon
bekannte, mlt den wesentlichsten Qaellen sam Stadiam desselben
siemlich yertraate, endlich mlt Neigang za emster ond grftndlicher
Forschang aasgerttstete Gjmnasialctasse daza. Der Vortrag*
mnsste wesentlkh akroamatlsch (yielleicht bisweilen, namentllch
bdm rtfmlschen Alterthame in latelirfscher Spraohe gehalten) seln,
womit regelmissige Repetition oder yielmehr freie Reprodaction and
eingereihte Erkandigong nach den Kenntnissen and Fortschritten
der Schttler nicht ausg^eschlossen wlUre. Alios wlrd darauf an-
kommen, die Jagend mit warmer Theilnahme and lebendlgem
Jnteresse fQr das so dargestellte Alterthnm bu erfllllen.
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215
Ueber die EiufOhruiig iiiiserer Jugend in das AlterllHim. ')
In einer Zeit, wo man die formale Bildung', die allsei-
iig-ste arid scharfste Entwickelang* aller g'eisti^en Krafte und
Gaben fiir das einz?^e oder Iiaupts^chlichste Endziel alles hdheren
Schalimterrichts ansah, konnte es als eine leiclitere Auf^abe
erscheinen, der alien Forderun^ des non niuUa, sed maltum
nachzukommen. Damals batten die Wissenschaften sich von dem
Leben in weiterer Ferne ^ebalten, die classiscbe Bildun^ war die
tucbtigste, aber aucb bis zu einem ^ewissen Grade unentbebrlicbe
Vorbereitung' fiir das akademische Fachstudium , wenn es aucb
daneben allerdings dafiir gait , dem Menscben eine seiner wiirdige
allgemeine Bildnng zn geben. Dem Geiste des Menscben scbien
einen nicbt gerlngen Zeitabscbnitt hindurcb von Gott die Anf-
g'abe gestellt zu sein, seine Kraft and Scb^rfe, seine Klarheit
und Tiefc zu erscbopfen; es war die Zeit der H5be unserer na-
tionalen Litteratur, es war die Blathe unserer in die ganze Zeit-
entwickelung lebendig* eingreifenden Pbilosopbie, die Meister-
scbaft uber den Gedanken, und die Herrscbaft tiber Form und Rede
batten be! uns den Gipfelpunct erreicbt. Da musste denn aucb
in deuiScbulen die formale Ricbtung* berrschen und das Konnen
bis zur mftglicbsten Virtuositat gesteigert werden; aber das Kon-
nen bleibt Ode und leer, wird arm und matt, wenn es nicbt in
demselben individuellen Geiste einert in sicb weicben und frucbt-
baren Stoff findet, an dem es seine Krafte tiben, seine Blutbeii
mit imnier neuen Frucbtkeiiiien begaben und das Striimen seines
Lebenssaftes vor Stockung und Tod bewabren kann. Das Konnen
bat nur zu oft verEcbtlicb auf das Wissen geblickt, aber das
1) Der in der VeraamnlMig der Norddeatschen Sehnitfi&aner zu Glftck-
stadt 1845 aber dasselbe Tbema gehattene Vortrag , dem nichts SchriftUcliea
zam Grande lag, ist liier nachmals ausgefulirt and darauf mit einigen
Auslassungen in der Mittelschule 1846. H. 4. S. 481 — 503. abgedruckt
worden.
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316 Ueber die EinUliratier vnserer Jngeni ^
Wissen nlchi fielten dem Kdnnen mlt einlger Besch&man^ gegtm-
ttber gestanden. Aber allni&hlich ist die Zeit eine andere gewwr-
den and hat, die Einseitlgkeit tt})erwindend , dem gansen Umfange
geistigen Lebens das gebtthrende Recht einger&nmt. Der Uefe ^
Inhalt der Wissemchaften ist in einem frOber nicht geahnten Maasse
herrorgetreten 9 alle Geblete der Natar und Ae^ Lebens, der
Wissenschaft and der Kunst haben sich einer eifrigen und uner-
mttdeten Erforschong gedffnet und dieselbe 'mit den reichsten
Resultaten der umfassendsten Art belohnt; endiich hat das Lehen
eine Macht bekonimen, einen universellen, Alles beherrschenden
Einfluss, wie es vielleicht niemais, so lange als die Welt steht,
selbst nicht injenen frischen biuhenden Zelten bellenischen Lebens,
gehabt hat. Und daron sollte die Gekhrtenachule unberuhrt
geblleben sein? Ich denke, so wenig, dass ihre Aufgabe und
Bedeutuog yielmehr wie unvermerkt eine ganz andere geworden
ist. Than wir einmal einen stillen Bllck rOckwarts: dlese Anstal-
ten jetzt und vor 300 Jahren! wie ganz anders ihre Stellung
und Bedeutung ! Aber wie sollte es auch konimen , dass, wahrend
alles, was dem Kreise organischen Lebens angehdrt, seine Eat-
wickelung und Gescliichte hat, einzig und allein diese, eine so
wichtige Quelle und Tragerin hoheren geistigen Lebens, dersel-
ben nicht unterworfcn ware ? Sie ist ■ in einen zuni Theil re<4t
harten Conflict mit der Zeit gerathen, aber nicht alios, was
diese auf der Oberflache ihrer Wellen tr>, hat.wahres Leben
und ist niehr als Schaum und werthloses Kraut; sie hat darum
eben so wenig durch die Zeitstimmen sich bethoren oder irre
machen zu lassen , als sie sich d.er fortgehenden allgemeinen Be-
wegung des Geistes widersetzen darf. Sie ist ein Baum, der
in dem Boden der Gegenwart wurzelt, der alljahrlich neue Aeste
und Zweige treibt, aber anch wirde Reiser, die eine sorgsarae
Hand von Zeit zu Zeit mit behutsamer Schonung entCernen mass.
Den tieferen, wahren Bediirfnissen der Gegenwart muss die Ge-
schichte sich fagen und folgen, ihre Forderungen im Verhaltnisse
zu den wachaenden Miiteln steigern und erweitern, zumal wcnn
dieselben mit der innersten Natur des Geistes in Einkiang sind
und die Leistungen der Vergangenheit nicht gesehm&Iert, sondern
bereichert in sich aufnehmen. Wir erkennen hieraus die eigent-
liche Stellung und Natur der Gelehrtenschule ; ihr Lebensodem
ist nicht die Wissenschaft, sondem die Erfahrung , ihr StolT nicht
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in iw Alteftliiiin. 217
die Gegenwmtty sundern 4ie VergMgeAeli^ thre Fafrm nicht die
•jstematlsdie, sondem die Ustorlm^e (sjntlietisciie), ilir Zfel niciii
Erirenntni^s^ Bondern Blldmig'. Sie ist nidit stiffen weise , sonderii
weeentlich von den ai^adeniisi^en LebransUiten nnierschieden ; diese
haben eg mit dem Neben- I>nrcli- nnd In- Efnander der Idee,
sie aber rait dem Nacheinander fortscbreitender Entwiclcelang^ zu
tban, dieae beginnt, wo jene anfbi^rt, nemlicb auf der g-eg'en^
w^Ug'en Entwielrelflng'sstnfe des Geistes nnd der Wissenschaft ;
Jene ttbt ein ScliOpfen ans der Tiefe , diese ein Nebnien ans der
Hobe, jene durclidring-t nnd erzeng^t ibren Sioff, diese i&sst sich
Ton dem ibrigen dorcIidriB^n nnd befruclitf^n. Damm bat anch-
die Gelebrtenschnle alles eigentUcb nnd formeil Wissenschaftliclie
dorcliaus von sicli fern zn tialten , obne damm den schdnsten StofF * *
der Wissensebaften , wie er siob bistorisch in dem Fortg'ang-e
der geistigen Entwidcelung* liervor^ebraclit hat, ii'g'endwie zn
entbefaren. Unseres Wirkens Anfg'ilbe, sag-ten wir, ist BiUlung;
wenn wir aber bilden, so soil eine Gestalt entstehen, sei es dass
wir das lanere des Geistes fm Aeusseren darstellen, oder ein uns
Aeusseres nnd Geg^enstdndHcbes in unsern Geist anfznnebmen nnd
ihm zn assimiliren haben. Wir balien ferner f^, dass anch die
EntwtclEelun^ der Mensehbeit ein Or^anisebes, ein Stetig-es, ein
dem Zie}e hoberer Vollendung* nnanfbaltsam'Entg'eg'enreifendes ist,
ob wir g'leicb oftmals die Weg-e, Mittel nnd Grfinde des himmlischen
Erziebers eben so wenig* verstehen, als das Kind znr Zeit imnier den
Vater oder der Schnler den Lehrer rerstebt; Diesen grossartig'en
Gang nnd Plan, den die Menschheit geg'angen ist, sollen aucb
wir in unserer Entwickelnng' geben, wir sollen in nnserer indivi-
dnellen Ausbildnng die allm^licb gerelften Friichte des Geistes,
wie er dnrcb alle seine Perloden und Pbasen bindurcb geworden
ist, niebt bloss brecben sondem aucb g'oniessen, nnd mit rascber,
ooacentrirter Energie in unserm Innern eine Gestalt desselben aus-
prUgen. Iliemiit erhellt Ton selbst die ausserordentllcbe Bedeu-^ ,
tnng einer in solcbem Sfnne geCassten GeschiMe fttr die Gelebr-
tenschnle^ dieselbe muss entscbieden in den Vordergrund treten
und ron ibrem Standpuncte ans , ich mochte fast sagen , alles des
Denkens und Hedens Wflrdige betracbtet werden. Natiirlicb aber
nehmen wir bier die Geschichte nicbt In dem cngeren Sinne , wo
sie den Wecbsel nnd Wandel der Staaten niid Volker, die Zer-
ittttungen der SiUe und die Woth der I&flege, den Bestaud ier
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218 Ueber die MhflahritD^ umetet Jag'end
Verfassttngefl .and die BMihe der SMIdung' in poHtiscber und Oul-
tnrg'eschichte Kasamm^nfasst ; wir verstehen gle vielmelir ats den
Inbegrllt metigeUfdier BUdun^ nach der g-esamniten reichsten Eilt-
wiekelnng*, deren sie fHhig* 1st, als die in alien ibren Factoren
expHcirte bdebste Potenz ^eisti^er Empfftn^nlss und Wlederer-
zeng'ung, woron Sprachen und Wlssenscbaflen , Lltteratur and
Konst im Laofe der Weltgescbfcfate das tiefe Qefvhge llefem.
In diesem Sinnc 8o|I der g'ebildete Mensch, der berufen ist, seinen
Gesicbtskrels ttber die Gegenwart and nUebste Unig-diung aus-
audehnen, alle die verscihiedenen Stadien der Geistesbildun^, die
der Standpunct der einzeinen welt^escbfchtlicben Nationen g'ewesen
sitid, in semmn Geiste durcbwandem and, anf kefner derselben
steben bleibend, rfelmebr sie als Blatben und Frucbtkefnie bOherer
Geisteseniwickelun^ sicb anei^nen. Der gebildete Menscb hat,
wenn er die^cbale, von der wir bier handein, betritt, die bunte
in KaturscbOpfungen sicb fiberbietende Welt mor^enlatidlscher
Pbantasle berelts In der Feen - und MSibrcbenwelt seiner ei^cnen
Kindbelt ttberwunden, sein StandpuUet ist vlelmehr ei^entlicb der,
wo der Geist seiner selbst bewusst wird, sicb in seiner WeH
nod Um^ebuttg* zurecbt findet; man wird ibn daber ^em vorwarts
^ben lassen and ibn erst dann, wenn er selbst fester arid bei-
miscber darin ^eworden ist, zurfidrftthren in das Kindesalter des
inensdiU^n Geistes nacb Indien und Aegjpten , und auch dann
nur einmal za einem kurzen and fliicbtigren Eiriblfcke. Yor alien
Din^en soil er jetzt rerwellcn bel dem Volke, das an der Hand
Gottea gingj aber aucb bei den beiden g'rossen V5lkern, die
Gott Hire eigenen Wege ^ebcn Hess. Mit jenem soil er wan-
dern in das Dienstbaus nadi Aeg'ypten und in die Wflste, soil
mit ibm jaudizen auf Zion, aber atcb mit ihm trauem an den
Wassern zu Babel, und in Allem soil er erkennen lemen die
Wege und Abwe^e des elg'enen Lebens und Strcbens. Br soil
das Ratbsel idsen, das dem bellenlscben Volke gestellt war, und
in ibm die Fttlle der Krafte und den Reicbtbum der Gabon and
Erzeuffnisse scbauen, deren die rein menscblicbe Geisteskratt als
solcbe Ohig ist; er soil mit freudf^er Liebe bei den barmlosen
Scbdpfungen der Kunst, der bildenden wie der redenden, bef den
Denkmalern der Gescbicbte und Weisbeit verweflen, aber aucb
die Tbatkraft und den Heldenmutb des Romers bewundem, der
fiUf Bin grosses Ziel Me seine Kr&fte und Neigungen, Gut und
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b dM AMe^um. 219
BIttt opfert, d&mit seln VaierlaBd h«mer herrlMifr wetie. Ahet
was ist Gektesblililie usd Thatendorst, was ist auck die gi^n-
zendste Entwickeluu^ der Hmiia&iijit, was Ist selbsi das schdnsle
irdbcke Vaterland gegeii das W'umen von der eii#0eiideB Liebe
and deo Hunger naeh dem Brede des Lebens, gegen dM reich
ealfaliete Leben eiiier durcli Chrktwn begoadig'teii g^UUibig'en
Seele , gegea das ErbtheH imserer himmlischen Bersfiuig* und dte
ewi^e Helmath droben? — Das GhristenAiini irai in die Well,
md damit eme Alles aberwiHigende-^eisti^e Macht, eln Saner-
ielgy der alle Gebiete des Lebeos zn dardidriog^en* besifmiiit war
Httd diese seine rdckw&ris und Torw&ris n^heade Kraft grar bald
an den Tag* legen sollte. Nnn sind aHe RUthsel d^ Zdi ent-
htlilt, die Bedeutung* der Ver^aBfenhelt ist geoifeBbart wie der
Sinn der kommenden Zeiten gewiesen; mit diesem ScMissel, der
aach den reehten Eingang In das Alterthum 6fnet, treten wir
getrest in die dankelen vnd rerworrenen Zei4en des MittelaUers,
md seben aoch da eln wonderbares Lloht, das ois hiniberge-
leiiet in die inhaltscbwere Geschidrte der letnten J^hnnderte
ond damit in die Zeit, deren Kinder wir selbst dnd and in der
wir in einem hdheren Sinne nns Knrecbtc^nden und helmisch macteft
sollen.
Das ist der Gang* darcb die Geschichte, den der geUMete
Mensch gehen , dessen Entwlcbelan^stofe er Innerlich durdileben
soil. Eln solcker Gang* glelcht dem Blieke eines Wanderers yen
einer Hohe hinnnter anf ein anemiesKlieh weitea Ackerfeld, anf
den die vdrsehiedensten Fruchtarten and Pianzen neben einander
wacbsen, wo eln Gewiichs das andere ilbersiAaltet ond yerdrlUig't,
Uns&blig'es fracht- and spnrlos wieder yersckwisdet , Anderes
der Erde seinen Samen wiedergibt and sterbend nenes Leben
ersieagiy wo bier silberiieUe Qnellen aas dem tiefen Sekoosse der
Erde enporsteigen, dort ^wattlge Strlkne raaschen and ikre
rellenden Flnten dem Meere aatragen, bier die Aa^ grOnen,
dart Berge and Felsen sich emporthttrmen; so wenlg aber dem
roUgen Besekaver bei alien bmten Wecbsel, bel alien Un-
scbwnngey darin die Erde urn sich sdbst and am die Sonae sick
b«wegty das Einzelne sick entsieken kaan: so wenig' geken die
Welt^sckicke im Strone der Zelt onter, nor die nidiste Urn-
gebang' am Fasse des Ber^s yeibirgt sick ikm, die Qegenwart
iat kerne JSiidungi^Aare fur den Geisi.
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SS^ Ueber die JSkMtmBg Mscrer Jagend
Bf erkeHt w«U wM Leiciiiig^^iK,' was denn nan aaf ioMm
Wege nadi seinem mmb j^wMv wti lBM#risdi iiiiertlekrkt Ui-
.fan^ and lokalte ab besondarea BildimgsmHtel der Jig«»d n
s^Iebew Slw«efce an- and anfsnaehmen 1st. Die Ton einen Tale
irg^ndwie tiberlieferte g«scU«Ulicli6 Knnde iai kein aa«reidMiin
Stoff dann; aein Ld»en nMian geMlg in Werlcen d^ Utientir
anch der Knnnt ansg^eprii^ sein, aiier nar die Werke der U-
. terator kdnnen fir die Jagend sieii eig>nen* Aber der meiisrh-
iidie Geiat hat aeine Gaben anch %q memcUii^r EntwickeiiiB^
empfani^en; wie den Kneebien von dem ilerrn des Bimmelreicl^
4|e Cenlner zuj^eilt warden, einem Jegiicben nack seiMi
Vemdgen (Mu 25, 15.), so sind auch nnsere Gaben and F%-
Jkeiten zwaf in den Diensi eines hdberen BemliB g^stellt, akr
dennoch der dgenen Eniwickelnng nnd Ausbiidung^ dnrefa die m
Gott geUthene Kraft eben so empfang-lieh als bedttrfUg, ^rwrn-
fesetnt, <b88 aie den angegeb^i^n endlicben Dienste nicliieii-
•iKOgen .werden. Neben dieser, oft frdlich mit ihr eng versdiln"
*gen, gebt eine radere Faknmg ber, ich meine die der moM-
baren Gnadenwirknngen Gottea an den Seelen der MeasM
^nen der Erzidier dodi audi an sebem 'JTbdle entgeg«»iio>-
' men bat, so dass er dem oft wenigstens zar Zeit nor noclkuei
2age der Gnade fttr die kr&ftige Aneignang nnd bakiige Befrocb-
tang eine grdsaere Folie untersobreiten sad^n mass. Der Hen
Kiebt nns sa keiner Zeit allein oder aach nor vinrsagswdse fif
.dM 7At\ des Erdenbirgers beran; nnsere bdhere Bestimmas§r ^^
nie yergessen, daram sollen aaoh wir ibrer liesonders eiii^<i<^
. «efai. Ebe wir aber in Clirteto ron dem heiligen Geisle obs \^
' nen erleacbten, beUigen and fihren lassen , bedarf es- fdr nwi ^
manebes besondoren Weges. Em anirergieieliiicber Sj^jeg^ ^'^
ist die Geschicbte des alten BondesYolks, wie sie in denUH^n^^^
des A. T. Yor ons liegt, eben deshalb aacb eine nidtt g^
zn preisende, wemi aacb keineswegs genagend benntste, ^^^'
scbOpflicbe Fondgmbe fdr die rechte Erziefaang der ekiekf^
Seele zam Gottesreiobe. Das aaserwUblte Volk dardiikf «» <icf
Hand d^ Herm alle Stadien and Alter des Ldiens and wur'^
ein Vorbtld ^en irdiscben wie des ewigen <}ottesreich9. Aiter^^
aaf dem Standpnncte des A. T. stebende Seele ist der Erid^
dem Keime and der Kraft nach schon theilbaftig geworden; i^^
Herr ab^r holt sich seine Beote so gern ans dem Keiclie ^^^
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In dfts AUertbtim. li^l
M^elt and will die am Hasten , die raii Men mi^sddldieii CUibeii-
ind Kr&rteii am reichgleQ aas^estaliei siMd. Diese Seite saehe
nan nieki hex dem prophetlscben , soAiern bel dem paetisclien
iii4 dem practischen Volke der Vorzeit, nielit bei den Er^TiterB^
iondetn bei der jQg'end and d«m Mannesalter der Wdl^escblcbte*
Darum g-rade bat GoU diese so iiberans rei^ ansgestattet, dantt
an ibnen alle folg'enden Geschlediter das Liebt measdhlieb^ Er-.
keaiitiiiss anstedcen i^tonten and hat ibnen vor aUen Din^en wil-
der daa Weriizetig geg^ben, das der Taltemann des Geistes,
die Wunschelrnthe des Gedankens ist and wie m!t einem Zftuber-
scblage die Enden der Er de , die Femen der Zeit and die Ge^efii-
s%t%e des Sinnes in den lebendigsten Verkehr and bi die stau-
oenswurdig'sie Einheit versetst, das Wort meifie ieb; imd darom
soil und wird das Wort aucb in aller biberen and edieren Scbal-
blldang' Anfang-, Mitte and Ende bleibea, woraas, wodorcb and
wozn alle ibre Thattgkett skh ergelit. In so fern wird aach die
g'eg^efiwartig'e, erweiterie Gestalt unserer Aafg-abe das frttbere
formale Princip nicht zu reracbten und aoszusobeidten , vjelmebr
willig' in sidi aufzunebmen bafoen. Das Wort selbei aber kann ,
mm wieder noeh aaf dreifaebe Art btldend and g^eslaltend wkten,
nni maebt darnach jedes Mai eijuen besonderen andern Tteil der
BIMun^tbali^eit aas. Es ist neralicb ja einmal der Vermittler
alles Unterricbts uberbayapt) es ist also das lebendige Wort des
L«dhrers, womit and worin er an den Scbidem arbeitet, and ge*
wiss wird, je scb(ineres Gef^ri^e rdeben Geistes darin tob
GoU dem Einzelnen verlkben ist, am so grosser ancb der Segea
der Wirksamkeit sein ; allein wenn der GymnasialaBterriidht dieses
R&staeog^ seines Kamp&s mit allem Unterricbte g'emein bat, ge-
Blesst es durcb die grosse Nabrung' and BefracUong^'seines Cieistes
Slit dem in den ihm g>anz yorzilglicb fiberwieseaen spracbUcbea
Urbanden liegend^ Scbatze noeb einen besandem Vorzag. Welter
ist dann aber der anberecbeabare Gewiaa dieses in aafkbertrof-r
fenen Denkmalen geistiger Grdsse niedergelegiea Wortes der
zweite Gewinn, den man aar gaaz eiafocb aafMtbaa braacbt^
am seinen Kern and Gebalt natzbar zo macbea* Es Ist endliiA
die so natilrlicbe, aber aacb so netbwendige Aofgabe, dieses
Wort sammt dem beseelenden Geiste aicbt bless la sicb aaf-
zanebmen and seinem Geiste zu asslmiliren, sondem aacb in le-
bendlger Kraft wieder aas sicb zu erzeugen. Dazu ist das
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n3 Ueber die IHsfMiniiig misfrer Jog^end
-Wort ans ekie 00 grosse Gabe and in dem Worte kaben wir nidit
etwa eine abgi^zogene, ibrem Inhalie mekr oder weniger fremd*
artige F^rm, sondera viehiiebr den reinen and rtiHsgen lohiilt
iMuft seiner ganzen reichen Entfaiiun^ nelber and ^rade nir^tmd
h% das mebr der Fall als eben in den Spracben imd Liiteratareii
des darnm mit Recht so genaonten classischen Altertbnms. Das
in ibm sich bewegende Leben wird anser werden, wenn wir mit
an^eslrengier Kraft die drei Wege ^eben, die mit dem Worte
gegeben sind, dass wir einleUen dnrob and in dassellie, dass
wir es aushgen and dass wir es anwenden oder wieder erzeog^n
(Introdneiion , Interpretat^ , Reprodaction). Das sind demi aacb
in Wahrheit die drei Haaptstttcbe im gansen Haoshalte einer
Gelehrtenschale, and ste wird am so segensreicher wiri^en and
sieh der BrMlang' ihrer bdefasten Aafgabe nibem, je mdir diese
drei aUe in den engslen Zasammenhan^ and die lebendigvte
Wechselwirltang' mit einander gesetzt werden.
Za der eigentlicben JSinleiitmg oder Einfllhrang' in das
Alterthnm reeline i^ natftrlteb mebr als man g^ewdbnlieb darnater
rimrstebt, and namentKch muss der ganze bistorisdie Unterridit,
ia so weft er das Allertbam betrHR, hierher gezogen werdM.
lob wttnscbe, wie in^ diesem g'anzen Unterricbte, ttberbaapt dareb
lebehdi^es Zasammenwirken alter Kr&fte and Aafjgabeo das ersetxt
w^den mass, was sonst so oft ein immer gestei^ertes Maass
Tsa Zeit In Anspradi genommen bat, so aueb besoaders zwischea
dem Gescbiebtsanterrfobte and der einscblagenden Lecture ein
mdglfelwtes Ineinandergretfen , well -dadarcb diese eben so sdnr
beiebt als jeaer anschaallcb and eindringlicb ^macbt werden-buni.
Man bemilse za diesem Ende scboa aaf den antersten Stafen den
Cornelias z«r Aasfihrnng biog'rapbiscber fiemidde, za denen et
so trdniche Sfcizaea liefert, and lasse etwas spelter selbst den
aas spracblidien GrUaden oft yerscbmibten Jastin niebt aasser
Adit oad steig^re diess bis za der obersten Classe bin In am-*
fasseaden Zeitg'enriilden , za denen Taeitas and Tbacjdides so
auiebenden Sioff liefem, aber aoeb selbst die attiscben Redner
eine stlHe N«tbigrang^ enOaltea. Gescbiebt dieses, so bedarf es
maadier besonderea Sionde aiebt, die sonst mit Redii die bisto«*
risdien DIscipllaen mebr fOr eocb in Anspracb nebmen wQrdeo.
Was bliebe deaa aber ei^atHcb darnacb die Aafgabe der Ehi-
^leitang*? Sie ist einmal ekie weitere and bat die EinfQbnnig' in
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ill das Altefthpn. ass
^ gnme AUerUium mm Zwecke; sie tet aber aach ekie en^re
uml sucht auf dcin Boden des eiiaeken S^iftw^rks %m orienthrfii.
In der ersten Weisc gehoren wohl aa^s^r i^ im GeschidiUHinter*
ijcliie YorfcoAuneiideii Behaadlun^ des Alteribiins fM^werlteh besM-
dere Leciionen hieAety eg sei denoi da«s mao aaf der eberBtea Sto^
bel schon grosserer BekaonUchaft mit dem Altertkame vnd bei
den salbstandig^ren Stadien, wekhe die S«hliler ^ar :fokeBDtDbs
dessell)en durch Lectttre und llolfsschrlften machen k4teneii, Rann
dafur finde* Man kann nun freilieb wohl nidU levies, dass bb
jeizt durch den g^eschicbUlcfaen Unterridit e^ne ^en^ende Vor*
bereitun^ und Beihul^e zur Einfidirun§^ in das Altertbom nicbt
erreichi, ja zum TbeU gar nieht beabsichU^i worden ist, weil
man iheils diesen Unterrrcbtszwei^ nach Zweek «nd Wesen fftr
sich betrachtete, ohne ihn mit dem- Ganzen ia Verbiadsng' zu
bringen^ theils aber aucb nocb immer eines recht geeig'neten
Fuhrers als Grnndlage und Studienbuch entbebrte. Als redlte
und unerl^liche Vorbereitung' fiir die Ges^cbie ^ines Volks
dient eine genaue Kunde seines Landes, wobei nat^rlich idles
dasjenige am siarksien berrorgebobcn *werdea muss, was auf den
geistigen und silUichen Charakter seiner Bewohner roa wesent*
licbem Einflusse ist* In diesen Gescbiehtsatoir selbst aber geh(M
mit alien Zweigen d^r Cultur aucb die Litleratur hinein, Ober
die nundestens in so welt eine [Jebersicht bier gegeben werden
muss, als die Schriftsteller mdir ader weniger nieht bios ihrem
Leben, sondern aucb ihrem Geiste und Chiarabter naeb mit ihrer
Zeit in naher Wechselwirkung stehaa, worilber eine Naehwel-
sung* fiir das lebendige Erfassea ihrer Geisteserzeogaisse besoa^
ders lehrreieh ist. Es wurde eine fQr die ^hule durdiatts aa*
geeignete Betrachtungsweise sein, wena man eine Gattung der
Litteratur durch alle Ibre Gntwickelangsstufea hindureb, wobtA
die Namen Ihrer rorzUglichstea Bearb^ter aar die fast zafUligm
Trager der aaeh einem inneren Naturgesetze des Geistes sfcb
entwickelnden Fortscbritte und Eigenthttmlichkeilen waren, wissea-*
schaftUch - s jstematisch verfolgen woUte; das geh^rt fi^ 4k
Universitat; die Sdiule bait yielmehr die historiscbea Pers^nlicb-
keiten fest, zeigt wie dieselben dardi Zeit und Umgebaag g«-
worden sind, wie sicb in ihnen die litterarisehe Aufgabe gebil-
d^t hat 9 mit welchen Hauptpersonen des polttiseben Lebeas sie
in naherem oder entfernterem Verkehr gestandea; diess AUes
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234 Ueber die SMttniB^ fumettr lo^end,
ftbet nMii in vfUmmsehsiUkket Tfefe mid AosfdhriMAeit^ tM-
mekr oft mir dmreh Hi^rverlieteii^ eiaig^er besonders wi<Mgt^r
Persenalien. Dast besondere Sdkriftwerk aber mit den Hbflgea
Bfvea^issen dersriben GtUaftg' la Besidran^ sn selsra, bl^e
der besoaderen fiini^itosg* ia die Leetdre vorbehalien. — Nebea
der LItieraliir ist a«di der Colinr Im weftoren Shae zo ^edenken^
der Reli^oa aad Eanst, der Verfassaag' uad des bftrg'eifidiefi
Lebens, dodi aar ia so weit, als es wIrkBcb voa eiaer ^escbicbt-
lichea Bedeatosnd^eit Ist aad sk;h aidrt etwa aaf die Befriedigpaif^
ekier gewii^ea IIMerariacbeB Neagrlerde besdaraakt, der tberall
leia Versdbob g^eleistet werdea darf. Maa k^te freiUch bie-^
g'eg'ea dea grossea Umfaag' eiaweadea*^ dem eiae froditbare aad
erfolgreif^ Bebuidlaag' des Gescbichisaaterricbts aaterHegea
aiHsse; docb fdrcbte idi diese Gefabr iQ Wabrbeit aidit, theiis
well maa ia dea aehibarstea aeaerea Liebrbdobeni scbon dies»
Alles ia dea Kreis desselbea Uaeiag-ezog-ea siebt uad aUe beson-*
derea Leetioaea dafdr we^lll^ sela wQrdea, tbeiis well* maa
yea aadrer Seite darcb die sorg^sanrate aad streag'ste AusumM
des fiir die MIHbeilaag' g^ei^etea Staffs soMier Ge£fthr jedea-
Mis Torzabeo^ea die Pilcbt bat. Grade hfelir aber aitsate.eia
solobes Ldirbaeb roa besaaderem Wertbe sela, well es deai
Geschicbtsl^rer soast g'ar za schwer werdea wiR dea aaeraiess-
Meh relebea i^ff der^^talt za beberrsdien, dass er das nadi
Alter aad Staadpaact Wliascbeaswerthe aas dem g^aazea S^Aalze
gtmaa aaazawliblea im Staade Ist. Wer, dem diese so sehwie-
rt^e Aafgabe im Scbataaterrlchte za Thetl g^wordea ist, woUte
soast alcbt wll% da^estebea, dass es eiae vdHlge Sacbe beson-
derer Vorliebe aad Nefg'aag-, eig^atblimUeber lUcbtaa^ii vsd
Stadlea, selbst der zulftlli^ea Qaellea aad HMfsmittel ist, die
der L^rer bei dem Uaterrlobte zar Seite bat, ia welchem Maasse
aad mit wekber Aaswahl er das gesebiebtlirhe Blateriat dea
Scbdlera^ zatbetti- ' Diesem Uebelstaade w&re vorg^ebeag-t and dea
Lehrers Arbeit weseiitlieb darcb eiaea sieberea Ftthrer la elueai
soldiea Lebrbacbe, wie es bezelchaet wordea ist, erieicbtert.
Docb soil daa#t dem Zwaag^e , womit etwa ela bestimmtes Lehr-
baeh der Art aaf b<)bere Aaordaaag* yerfatst, dema&ebst appro*
birt aad la aHen Sebalea ^lekhmftsBig* eiagefiibrt wtUrdo, ebeil
so weai^ Vorscbab ^eleistet werdea, als das aar za oft Jeist
wieder
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in das Altertlmiib 225
wtetor avfUnebende Streben, die Metbode des Unterridte z# unt-
fomiiren und dadarch wo mOg4icbiiach yon dieserSeit^ her das friscbe
iwd selbst&ndi^ Leben derJugend zu iilirelttren , irgend eine aucb
nur scheinbare Unterstatzang' oder Anerkennani^ erfahrefi darf.
Die besondere Mnfuhrung in die Lecttlre der alien CMassf-
l^r ist von nng'enieiner Wichtig'lieit, darf aber darcbans nicbt
aof eine Einleftung' in dem g^wdhnlidien Sinne sicb beschr&n-
ken, mnfasst vlelmehr denjenig'en Tbeil der Interpretation nber-
haupt, weicber den Znsammenbang des Schriftwerks mit Leben
und Geist des Verfassers wie der g'anzen Zeit, in der es ent^
standen, nachznweisen bat. Soil diess aber mit elnig'em Erfolge
geqebeben, so ist es unerliisslicb , diejenigen Wlnke und Bemer-
knng-en Yorausznschieken , die die Aufmerksamkeit des jnngen
Lesers spannen und sein Interesse fe»seln, ohne dasselbe za
dberreizen oder Erwartung'en zn wecken, binter denen der nacb^
malige Eindruck zuriick bleibt. Die Aufg>tbe solcher EinleRung
bescbr^kt sicb also auf eine kur«e Nacbweisung*: a) die Eig-en-
ttiimlicbkdt des Scbriftstellers in Bildnng', Geist und Cbarakter,
so wie des Einflnsses seiner 2teit und Umg'ebun^ auf ibn und .
mine Arbeft; b) der VerUndung', in welcher das litterariscbe
Erzeugniss desselben mit anderen dersetben Gattung* vor und nacb
llm stebt, seiner kttnstleriscben Natur und Wttrdig'ung'; c) der
Bedeutung, des Inbalts und Umfangs, wodurcb sicb der yon dem
Scbriftsteller bebandelte Stoif auszeicbnet und urn dessen willen
er dem jugendticben Leser in mdglicbster Friscbe, GrtindUcbkeit
und Lebendigkeit vor die Seele gefQbrt w^en soil.
Der Uebergang' aus dieser Aufgabe in die zweKe, die der
InierpretaHony 1st Idcbt und unvermeiklicb ; g^ar oft werden sicb
die Grenzlinien zwiscben beiden g'ar nicbt untersebeid^n lassen.
Wir treten aber damit in das Hauptg^ebiet des g'esammten Gym-*
nasialunterricbts , in den grdssten und ebiflnssreicbsten Tbeil sei-
ner Wirksamkeit Der Lebrer kann bier durcb Ein8cblagung>
eiaer rich%en Art eben so segensreicb wfarken als durcb Febl-
^riife der guten Sacbe wesentllcb scbaden, nie aber den unver-
kennbiuren 'fiewinn zerstdrao, den die Lectiire und der stille Um-
g^aniT mit grossen geistigen Genien unwillkilbrlicb auf jedes em-
pftnglicbe Gemtltb ausnbt Der Interpret sell es sicb zur Haupt-
anf^abe stellen, den Scbriftsteller md^Iicbst ganz und roll, rein
mid firiscb auf den Leser wirken zn lassen; er strtt vor einem
Luhher, ges. SchHften. 15
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S96 Ueber die fiMttr«« aaa^rer iugeni
veickiB AMtUe, aiif wekdiei eln begierifflii Aii|^e schai^; or
sor^i dafilTy Ims d«8 re^ie LMbi wS «Ue TheBe falle, keiner
durch irffoid eine Itognait rerdnnkelt oder dareh UnacMsi^lEeH
trotz seines* Wefthes ffii: das Gaaae oBberoeckt getagsen werde.
Sr w«M «le^a«f die nasdMifei SltiiatiQaea, SceaeB^ firappen,
Zti^e/ dfe das GesamntbHd rollendea; er saeiit 4i«selkeii efstia
Eiazelneii dentUeh %a maqben , bringt sle daan ia ZosanmeahaBg
mi dem Uebrigea, s^eitet zu immer weiteren Kreisen ym*wMi
nnd wirft airietzt eiaen RftcIiUick aaf das Gauze. Der Interpret
sail elfizig daraof bedackt seia, skh baldn^^iohsi eatbehrikk
sm mackea, er ssll alls Aufmerksamkeil yea sick ab and aaf
dea Geg^nstend kimlenkeii, er soil also auch rarbAten, damu.^
Blidt Yon dsmelbea abscbweife aaf eia^andbres Object hbt oder
das. Vacbdmkea be! brifend elaetn, yieltelckt ^anz ftasserlkpheB,
AnlAsse * sidi anderswobia yerliere sder in sick rersinke. fis M
.Diit diesea Werten adon auf viele Verirrttng^en kingewies^i , id
die man lelckt irerfallen kMin and die wirklidi oft be^angpea w^-
d«i; aber keine sdieiat mir nacbtkeiliger nnd zerst^ireBder aaf
den ganzen ^reasen firMf clawis<^er Lect<lre einzawirk«a , tk
Mena der Ldirer Aalass nlmmt- von' jeder snf^g^n and mwa-
aeniikben Erscbrinuag, sdhie Lieblingsideen yor^tragen nad
4bE denselben baU in die weiteste Ferae za sckwdfen^ Ymk.uro
Jde Rttckkebr znm Scbriftworte beinake unaii^glldi wlrd, er mit-
bia das eigentbttnilkbe, aneh in dem todien IVorte so lebendigc
nnd wirksame Gelsteserzengaiss an einem blossen VeUkel be-
bagliGter Expectoratfaaen and zu eiaem Felde eigeaen , went Bmdk
nidi so tlldhUgea, Scbaffeas maebl, aaf wekhem die r^cbtmiraig
gewlAtte Grondk^^ entiwder rerscbwlndetr oder . erstickt wbd.
Die allerberedteste nnd eindringUckste Weise der BrtdiraBg' ist
gar oft He stanme , es wird daber bisweilen wM gethaa seia,
deni frei nnd fiiessend in dentscber Mandaii irom Lebr^ wiedar-
kalten Stik^ nidits weiter fainzaznOgen, Inmer aber den JUudt
dea G^smea redrt lebeadig TonBafObren nad mittam aiitBDn
Leben, das in skb ao abgerandet aid dar^drnngen war^ h
Verbindang nnd Znsaaiiaeidiang zu se|aen« Wfar mXamm ntt dca
Drama nns dergestalt in die attiaebe Bttbue yerseizen, daaa jAdtes
wie yar nnsem Sinaan si<(b begibt; wir miiasen nM dem Ctere
j^nigen AirtbeS nebmen an den ScUakaalen des geliebten Hen-
sebeiluMisesi aber aadi ^cb deai diunaligen Znacbaaer dea Arafca
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in ^ AKerUmn. mST
ftilck iber die gwne Entwiek^hm^ otB hfmnkstm^ intssen i^m
frireclce #Nr benksidii^g'teii Tftnseban^ gem$BB in fi^lNries Elek^
rid An^Bcevgefi von Oflest's Gi^BN^iclc at Krisgas Straai waadeni
^er zQ andrer Zeit dem Gang^ ^r olyvq^ken S^e fdife%
dtn Uebiing^ spartoniacher Jtngliiige m den iorbeanradnrftDrten
ilfem dea Earotas snsdiaaeii, Uer an den PaaatbeBien -ana deal
flbrainefbM dnrak die Hernensiraase and die rite Burg* Attieias
imd m den weiaaen Marmorbau der Pritpylften Unan aam vAUnet
J^rtkenoii, darf wit dem rdmiadien Imperator tma Tbore am
Circus dnrdi die beiUge Straase Jifai %mm Gapitri^eben, am dieaeli
»Me Leben In seinen ^naendaten Moteentea oad Berie^angea
iinscbaaliefa aofzafaaaen. Docb aicbt daa allein: wir mOaaen ans
recbt eigeailicb mitten. in daa V^Nnleben stftraen and an sefaies
Tielseitig bewegten^ Int^eaaen iMfgen AntiheQ nelmien^ wIr radsaen
lait den Handelnden Parthd ergretfen, mit d^n AageUagten bm
Oariebt, mfi dem ftailhaeblagenden in die ValkaTeisaninilang md
genatssttaong gehen, jft ancb in die eigenttillmlialie Deriraaga^
md" Enifiadangsweise d^ AltfffihaBia ana bineinreraetBen, ipaabei
der oft ao sciiraffe Abatand gegen aUe ntodenwa Lebaaai^erbl^
niaae ana zo Hrife Icoramt. Nieht aeHeA wird eine Gelegenbtft
airii darbieten, we die Ansobaauag d<»r Nator, die Binvirfanig
der KaiHi4» die ffinfittaae BHHinigfritigerGenifithsaast&nletaBdLebeM-
anaiditQa in ibrer ytiligen VerscbiederiMit ran der dohdi dui
Cbristentbnm nmgestalteten Writaasicht klar and stark ana ent*
gegentreten, and der Interpret wird aicb wf^igatens einzelner
Andeotaagen dabei ni<At zu esOaiten Imben, je aaeb dem Maaaae
der F&bfgteit aMh Empf^glicbkeit, die er in der ibm tiberwieaentn
Jottgen Sclm» Foraoszoaetzen bereoMlgi ist. Aiicb wird Uer
rine die Gefabr der Ueberladung oder Ud^wapamiang Tiel za
erreidwn setn^ wmn fOr alle solcfae Mtttbeiioag dea InterpMlpi
dasGesetz der Anscbaalidikeit geacbrieben and d^Cbaraeter dee
Plaatisdien oder Grapbiacben bewabrt wbrd; nur alles Nebri«ae)
in allgemeinan Utnrissen and abstractea G«danken Veraehwlnunewie
bl^lN ja fern dairon, es wirde an aicb scbon dem GeMe dta
Altertboma widersprecben. WobI aber fet der gereifte Sebfiter
fiAig, eine ram Sdmierze rersteinertd Niriie van eiaer mater
driorosa, den bei allem ReiebUnim jhtrbenien Eros <les Sokrates
rm dat rdchen, reinen Uelie, 4erm Triam^gesany^ beim Af.
Faolna isrttot, etoe sofhllMadha Kli^e liber die NiebtlgteU dea
• 16*
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330 Udier die BittflMirilig aaaerer Jog^eni
LcbeiM von ier tMen Wekmiidi des ^ebesgten' Siiders o4er
eiien platertichMi yon eincm cliristlicheit Beter ttntersekeMen s«
leraefl. Oder wer wQrdo sieh desn enUuillen kMnen bei Herasena
sehOner Ode Pindamm q«isqa!s studet aemalari mit jSchtllecs
Macbt des GesaBfr^s ^^ ^*be mid letarreiolie Parallele za vie--
heUy oier bei den vor den Schreeknissen der Natur rergatmemcM
Wir&nen in der horazisebett Ode . an Vfar^ils S^iff wm rechUtt
VersUndniss der sicci oe«li an den weken Abstand von der
WebmuthszibM ao errinnem , an Goetbe's Wort im Tasao mid an
ti«rd Byrons berfHcbes 6«dicbl (die Tbr&ne) ansvknttpfen?
Wohl trikgt es sicb bfebei nun, wie welt das spraMidm
VerstAndniss zn verfol^en sei? Es verstebt sicb g^anz ronseUiec,
tiass jsde Sebwieri^keii, die rwa dieser Seite ber irorbanden b^
tai in den vollen Sinnnnid Zusunmenbang bineinzftdrmgett) nottn-
wendig^ binwe^gtr&nmt werden mass. Aber ift dem Worte , bi
ier ganzen spracblieben Form mlt dem Reiahlbaine yon BiMniicpfiii,
«it dei^ fliannigfalligkeit von Fttgiing uod.Stelhing liegi eine anf
das Material der spracblicb ipw^filbrten Be^iffe ]^ weiteai
iricbt besdirlinkteGedankenwelt* Gerade der siniiMlle, dier gedan*
kenreiche Scbriftsteller li^ %b von der grad/on Heerstrasse des
gewdbniicben Ansdrucks abznweicben, eben weil sicb dio ^aitae
ZasanHuenslidnng von Vorstelinngen nMb Empfindnn^^ im die
^sstoh nun zun&cbst JMndelt, in seinem scbdpferiscb lebendfgen
deist* nocb eig^entbttmlicb geClrbt bat* Diese Abwddion^a
"werden oft in b<riicm Maasse lebreeicb sein, der Sdiuler aber
wbrd scbon n» deswillen, daravi- anfmerkaam g^maclii "werdn
missen^ damit er das allg'emeine oder objectiv Geset^kibe tm
den iadlFidneU Rbet«riN<ien nnterscbeiden leraen; dabei ab^
wUrde es als ein ^ieh scbweres Ver^eben an dem Scbriftsteller
wfii' an ^r lemenden Jag^end erscbeinen, wemi man solcbM
wolHe eine Mosse Abweiobang* nennen, obne den g'eistigen labalt,
wenn aneb nwr in gerin^er Nttai^ bes^lossen, darans vol eal-
wickeln, der eben dem deidcenden Scbriftsteller dk. Berecbti^nir
zn 'diiMr freteren Bebandhu^ des Spracbg«ietzes gibt. Aw
Lebrer wird «aber aOcb bei dem reiferen Alter nicbt nmbki kftasea
anf das spradilicb EigentiHImUcbe eines SdiriftsteHers Qbeiliaapt
biniaweisen oder die TerscUedenen Zeitalter an bestimmten nidk-*
tni^en koMtUcb zn niacben^ znmal wean die Ueber^iain^ .tei
mMitiffon UmwAMiBffen des §ranatfi.;a»siroii md priltiacbm
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iin das AUertham. J^
Lebens sa mcrkliche unA hitere^sante stad, wie dur Abstasd de»
ciGeronlscheB von dem eig^enthiimlSoh au^nsteisclMi fleitolter, ^
kaum dardi ein AfenscheBalter g'ctrenni sind, was- aber,. ^ftdt.dte
G^chidite Am jiiBg'sten JPerioden unserer LiUeratar zar Geniig*
T^giy far eine erhebHche- VerscMedenkelt im Gebiete gelsiiget
Zast&nde schon ein gunz ^viiOg'ender Zeitranm ist* Es "wird bier*
bei, uM nnr an ein Paar Beispielen das Gesa^ nllher fetsnntlidi
zv machen, die lose Satzverknilpfan^ mit tinem sic-ila bein
Livins der strategiscfa abg^schlosf^nen and voll g'emnietM Periode
eines Cicero entgeg^nsastdlen , es wird nicbt zn rergessen sein,
wie Mittel und Ziel in der Auifassnng mtt einander rertanscht
worden sind, wenn die W6rter des fitewdhnesi vor Aa^osto
90it den Geg^mttand, worin die GewAnnnf staUfindei, aU
MItM dieser ThMf^keit, ispS^er als ihr yorschwtbendes Ziei be*
bandein, welcbem jene Tbfttigkeit sick n^ert (assnescere n.
fik w. mit AbL, sp&ter mit Datiy); es wird binznweisen sein a«f
die tibertragene Bedeutang*, die allmliblieh die znn&cbst nwr
rftamlicbe Verb^Hnisse beseicbnenden PrIlposiHonen, wie sab, ex
ttt a. (s. Fabri zu Lw. 21, 12.) naeh einem natttrlicben Ent^-
wiekelungsgesetze der Spradie eriang'en* So bei rdmiscben, so
bei ^iecMscben Schriftstellern ; wo man unter anderen den grossen
Gewhra, den Homer fttr did Erkenntniss einer in ibrer Bildunf^
begriifenen Sprache an deatlichen Kennzeichen and Spnren btotet,
luebt unberQcksicbti^t^ noch das Energ'isc^ in dem sopbokleiscb^i
GebMiQche des Substantias and Adjectivs , mit bisweilen transitirer
Bedeutung', nicbt nnerwogien lassen darf. Diess setzt dann aber
notbwendig* voraus, dass, wenn solehergestalt dem rbetoris^
individaellen Character dersich innerbalb der allgemeinen Spradi-
gesetze beweg'enden Schriftsieller sein Recbt wiederf&brt, aoch
der Grandtjpus and die g'esetzliche Basis der spracUicben Ent-
widbelang* eines Volks nicbt verabs&ttmt werden ^rf , viekneiur
jenem gegeniber nnr am so strenger aid scli^er festzahalten
ist Ans diesem Grande sind besondere grammatische Stonden,
wenn aach nicbt in alien Classen oder in stebenden Leetionen,
sebwerlich za eotbebren, urn so wenlger bei dem gegenwftrtigen
Stttiide onserer grammatiscben Lehrbitoher. So trefflMi diese
nemlich an siob aacfa shd and eiaen reichen Scbatz grtintf icter
Bekhmng' darbieten: so fehlt ihten dodi iia<^ einer ^ wie ioh
^aabe aanebmen za dMea, weit verkreitelen Ueberzea^Hilf
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33ft Udirr die Hsfflvdigr wteemr Jv^end
pndUiidier ErMinnifr j«s« (^ ^» BsMrfniss mis^rer SdMM
Mlliweii4i9 Hi •■ ntw fcenjte gnroMie ^tfachkeit and U^efBicktHdi-
kett. Eii bedarf flElr miflere Zweeke eiaes sdir kiunes Ahtkaea
almiurf der wkkHch ^esetuntosi^ett mid Mre«fof«r der d«rdhi»B
d^eAtttaHcben Bildtng^ einer Spradie; g^wiss kuiB bei Ab-
wtnAwBg #08er beiden Gmndditae Mwh di^ Fomettldure , kt riet
frtaMPtn Biaasse jedecb die Syati^ der alten Spraehen vn en
(pnizi Bfdentendes Tereiifacbt und dibgtkttnt werdea, obne daw
■an jedoib ^r tfeCen nad ftiUd Micbwi Einaidit in die sianTo^
Katv aundier' SpracberscbeiBUBg, die dvreb die aevesteo Far-
aAuigeii gewonaeii warden is^ dedialb verlustigr za gehea braadit.
Kinr Kiaateii amkvnck die beiden Gesiehtsponcte mit md^ltaM
aireng^er Canseqaaaa iesinrehaUen werden: dass die xahlreicbfe%
wader etymote gia a bc n noeb sjniakttscken, soadem rein leiriea-
Uadien Beatiannangen , die aick jetit in nasere beaten and gan^-
b»sten Granmatiken sogar hineingeschlichen baben , Tdliig' wieier
aaa dfieaeni Gdiiete ab einera fremdartigen ansgeadueden werdaa
laiBaen, and dasa fttr die Anordnnng des Ganzen ebie eiafaeh^
aaa deniGeiate der jedesmaligenSpracIie settst enUduUefiintheilang
uid GlieAerang gewtidt werde. Za dem ersten Paaete z&ble iak
fiireBieb aaeb aHe diejeal^en Regeln mit, welche iedigliditdadvcb
e a tel e ken , dass ein Wort nrit seiner Bedeaioag in eine andere Stmetar
QBi'Rection llbergeht, wo mitbin die Regel sdttst nicbt darcb das
Wort ala atlehea, sondem darcb aeine Bedantang bestinunl wfard,
weshalb aacb nar diese ttberhanpt eigentlieb maassgeliesd aeis kua.
SoHte man aber dennocb bezweifeh , * dass eine elaii^ef^
laa aa ae n genigende and zar Aaffassang eiaes BiUes vem AMer-
tbam dienende Kenntniss dessalben durcb die Leolilre gew^onea
warden kdnnet 8# w&re daraaf za entgegnen, nicbt bloss, daaa
eiae^ aaf eifeeai beaehr&nkteren Gebiete mit siaoiger Liebe v^-
waHeade > dftar dazn zorickkebrende and sicb mit grilndlidttr
Veitraatbeit darin beimiacb macbende Beschi&fUgiuiir* scbon Toa
da ana efaie aiabere and beasere Bekanntscbaft mit dem CSansen
gewionty als ein iflebtigea Darcbeilea obne Rast and Wabl rer-
sahaftft bann^ aber aiuch, daB» darcb Coacentaatioa wiet durcb
Beimtzung der Priratle^ire, anf die jede Sdiale, dte bn Uakcl-
gen 1b«e Mgtmg^ nar ja nickt mit vielerlai GegensUnden ud
wferbeiten.flbealadet, dKn ao gewisa ceebnan «aU alfe^iecbaeii dhyrT,
vMieiobt mebr enrekbt werdM kaon ab^ man gew«imlidi denbt
4
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hi tes Alierllunii. ^i
Idi, &r{ hier ekmial die Lecture euies Scliilei» immtorir, d^,
w( mUUereft geast^n Gabw aiugefiislAt} etvra wfl sekiew
nemiten eder zebnta l^B. neoazehiten odkr zvraoiigBtei LKAeaff--
^^e die SfMbafau durcIiteiA; idi iieliiiie dabel alleriin^ da
Gynnasiam von 6 Classy aa, was zwar ki nnaereni.Laade Mfl^
J»i&t nock eioe seltene Ersdieiimip isi, wown sidi jed^cft eiit
gpMdber MaasslsA. ^e grosae AvfiipCerang^ aacli adf kleinore;
Aastaltim tbefkagen l^st, da diel^hidbe^ i/9A bAmer die nem-
Itehe hMhm wkM Mk reehne aaf die unteiate Stufe 1 Jalur,.
aul im betden a&cbfittot^Bdeii je IV39 anf die 3 kdh^en je 2
Jakre ajs regefanassigei^ L^cacsas. Idi ba^i^ke da|fi feraer
smdlr^ckliebf dass kb mlch anf wkUldie Brfabmo^adab^i^iitoe
mA jedeirfatta fiir alie wicbii^ren Pcocte dariii mtcb enisebied^B
dadarcb kiien lasse^ indeni das aligemeiae Maaafi dadarcb emiit-
telt wir^^ wahread iBe Apswabl setbst ja gar leicbt bei den
veracbiedenen Sebilern eiiie veEa€biedeBe^ sefai kana. Icb se^e^
dabet eadlicb ^ Verfabr«fl Yoraiis j, das den Scbiller in dem Ver-
sliiidnisse eiaes Sdirit'tsiellers eral in ku^samer, mli seifl^
BtgenthumliehteRen verirani macbender Meihede bef^tigi, danBu
abet dnnsk raacberea Fertgeben nnd rielfacben Verkehr mU A^r.
se^en ilin in aeinem Verstelien nod Erklaren gellUifig zn maoben
snebt. Dazn mag^es besond^rs nutelli^sein, wenn er aageteitet
wird, nnmiitelbar aaeh living eibes Scbriftsteliera in*d^r €la9se
ibn fiir die nach^ifolgende Zeit zuai Gegenatande seines Prkrat-
fleisaes zn Qiacben nnd nicbi cber von ibm zu weicben, als bis er
vaki ihtt wirklicb Ferlrant geworden isL Die Privatiectire , wobl
geerdnet nnd in Zasaninienbang gebracht mit der dfenHlebeii and
dem ganzen Unierrtebte, muss allerdings wesentlieb zu HMfe
bwnimen, kann es aber aucb, wo ini Uebrigea (nnd ancb bl^r,
wenn ivgend G^fabr drofat) eine Ueberiadnng fern gebalten wird,
die das Glrab^ ailes gedeihiiqben Scbnlld^ens nnd dler fr#hU(Aen
JugendbiUnng ist*
Oer Scbaler autg ini Lateiniscben aitf der drKten Slufe ron
unlen, im Griecbiscben^ wojrin der Unlerrlebt natllrlicb spilter
jmffismij erst anfi der vieiten Stnfe die Lectttre iron e^nttteben
Scbdftstelleni ai^aagen: er wird demnaiA etwa Folgendas yob
dt. an bis zn seinem Abgange zar UniFersitlit vottsnden k^nnen.
SdiBkebst im LateipiscbeB lie^t ei d«n Ciomelins ganz, ebeiiio
4ie Fab^ln des PblUbaa, Tom Gl^mc e(wm. 4 BAcb^r, ronr.Ovfd
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UeBer die l^lArwg uaserer Jogefid
^bra 6 Bficker Anr MetainorfAoseii und einl^es Aiidere, dao Ju^b
MB liebsteq^aaz, niloA^sleiis aber die lUlfte; He Leetfire Cieeros
hegiBBi mit einer paa^eiden Auswahl liMortecheii Stoffs, woffir
geradeL bei ibm so Manehes zn fodea ist in Werken, die somst
dodi nicht zur LecMIre sich eignen werdea, und geht zoaltoM
vieHeicht zo den tatilinarisclMn Reden (nidit gerade alien) o^
demLftllQs iilrer, wSMt dann aber die besten Raden, abo wenl^
atens die fttr den Rosciua von Ameria, fibr die manilische Bill,
den Milo, den Salla, das yierte Bocb der jFerrinen, 4aneben
^e gate Lese von Briefen (ror^ngsweise naiA Sipfle's ;4«s-
wahl), am liebst^ im gescbiebtMcben Zosananenbange mit der
ThMgifgii and im Lebensverb<nissen Cicero's, d»6 der Schiler
aas seinen Reden kennen lemt; bierauf den Bratas, Orator, das
Werk de oratore, die Tascalanen, Of&tien and Bttcher de finibvs,
entweder ganz, oder nor in den wesi^licben Parthien and dana
8|att dessen noch eioige scbwerere Reden. Neben der Lectiire
seiner Reden gebe ein tttcbtiges Stadium des Lirias, von wel-
cb^ er mindestens 8 Bacber lesen kann , am liebsten den zwett^
|fipiscben, d^ macedonischen and die Samniterlo'iege; vom Sallast
itw|^ das eine Werk and aas Plinins Briefen eine Auswahl, wie
die yon Herbst. Yon romlscben Dicbtem liest er Jedenfalls Vb-
gils Aeneide and Horaz ganz, letzteren jedoch mit Ueberscbla-
gnng der Epoden and einer Reibe Satiren, von T^erenz uad Plaotos
Je 2 Stticke, vom Tibull die beiden ersten Bilcber, Daza kommt
endlicb vom Tacitas der Agrlcola and ausgewablte Stticke aas
den Annalen and Historien, das zebnte Bach des Qaintilian and
vielleicbt ein Paar Biograpbien Snetons.
Einfacber ist natiirlich noch die Reihenfolge and der Umfang
der griecbiscben Lecture, wenn auch der Abstand dess^, was
sicb bier erreicben lasst, von deiii, was friber meist erreidt
and bezweckt worde, leicbt noch weit grosser sein mag* Die
Lecttire beginnt mit einer zweckmassigen Auswahl aus Xenophons
Anabasis und mit Homer, den entschieden jeder Scbaler ganz
gelesen babei muss, ebe er die Sdiule verl&sst;- vom Herod^
In den der Scbuler sicb sebr leicbt bineinliest, ist fast die
Halfte zu tiberscblagen und yorzugsweise in diejeigentlicheMltte
des persiscb-belleniscben Kampfes hineinzufiibren. Vom Lucian
sind 6 — 8 der kleineren Schriften und yom Plutarch eben so
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Itt das Altertbiim. ^33
riele der scMnslen .Biograplkn so wAlen ^)« Es werden 3 — 4
platonische Diakgcn, ebea so viele Bieher des Thncydides imd
Stantereden des Demosihen^s nebst der des Lykarg wider den
Licokrates oder elner y<>m Lysias, 4 — 5 sopbokleisdie and
3 — ^, euripldeisdie Dramen (vielleicht noch efne Answahl ans
Aem Abrigen po^ischen Schatee der Hellenen, etwa nacb Bar-
cbards oder einer andem Anthologie) ehen aasreicbenden and
Frntifctbaren Stoif bilden.
Icb konime endllch an der dritten Hauptaufgabe ^ weicbe
In der Xepra^etion- des aldo darch Lectftre and Unterridit ge-
wonnenen Stoffis der Einsicht and Brkenntniss bestebt. Diese kann
eine gar vielf ache, yerschiedenartige, sie kann eine mtlndliche and
schriftHche, ebie regelm&ssige oder von der Ganst des Augen-
bllcks unmittelbar gebotene isein; sie tst eine erweiterte and ver-
geistigte Repetition and lehnt skh an eine solche oft aan^chst
an, Unsere Zeit bat mancbe v#racbtete Kraft der Seele, manche
ehedem werth gebaltene Uebang and Besch&ftigang' wieder zu
ISiren bringeir mttssen; icb hoffe, dass bieza aveb die Repetition
teMrf, aaf die man eineWeile vomebm berab zu seben gewobht
war, als sei es nicbt wertbyoller atff einem kleinen and bekann-
ten Gebiete sick mit Leichttgkeit za bewegen als wie ein Frenid-
ling* mlt ansicberem Tritte aaf fremdem Boden za wandem. In
classiscbem Lande, als worin denn docb wobl nnbestritten anser
ganzes Tagewerk sicb bewegt, will man natttrlich vorzagsweise
gem heimisch werden, and es ist gewiss ein scbdner Genass,
wenn das wabrbaft erreicbt ist; daram mdg«n Lehrer andScbtiler
es bei keinem Sehriftsteller verscbm&ben, nicbt bios yon Stande
za Stunde, sondern aach nacb langeren Zwiscbenr&nmen immer
wieder za derselben Aafgabe zartlckzakebren , bis ein y6lliges
Yerst&ndniss and die Fertigkeit eines radcben and gewandtcn
Wledergebens bi der Mntterspracbe erreiclit ist* Bei dieser pas-
1) Es ist Itier nicht der Ort die Wahl der Sehriftsteller zu rcchtfer-
tigen Oder einen allgemein gultigen Kanon aBfiustellen , «o wftnsiAeiiswerlh
aui^ elm^ grOssere Uebereinstimmung darin w&re; indesscw befindc ich mich
mit den beiden letztgenannten Schriltstellern im entscliicdencn Widcrsprqclic
gcgen KbcMy Princip des Gymn.- Unt der Gegenuiart, S. 22. — Ein Bucli,
wie das bekanntc. von ScMle, -^her zeitgem&ss rerbessert and tiefer gefasst,
bl«ibl ein entsohiedenes Bedurfhiss.
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jQA Ueber die ffiirfMinui^ iii»aier ingeni
rirea Reprodnetkm darf es jedech nidii refMeHben, fiaMerm 4ic-
Mllie mwM sich mf allmililkh fortaAreKenden Stvfen sa iiiuBer
^Osserer SdbsMftndi^eit nad Th&tig4[ek erheben. Aa§rabe
de9 Iskalts etnes geleseaea AbschaiUs mii nifierem Andchhuise
zm die sprt^lklie Form des Scbriftsiellers , eiae kacsie Susam*
nMBfassfuiir ®M^^ Hag'eren Peasama^ eiae Aakai^pfaag tft eise
ttaiidie aadefswo Crttller geleseue Darstettaag^, Tielkickt aelbrt
mii HerForhebuag' der Vergleichspaaake , siad zam Tb«il seboa
Aafgabea des jilageren Alters ; maa sebr^lte aiu griiaaerea Coait*
.Maaiiaaen, rHtaerfsehea Aasfdhraofea , »a Nachwaiaaagea des
Gedaakeagaages in cieeroaiai-bea Redett eder bofft'iuscheti Oden —
aei ea ia der fraaidea ader der JUaitierspraebe — Cart, aiaa kad|^
eadlkb daran^ wfe sich vaa selbat er gebead , hasaad^re Uebai^ea
im beien mttndticben Vorira^e Qher selbsti^ewlihlte GegeaaUUide^
aas dem Kreise das Uaierridbts aad der Lecture aa, wie sie d«a
beidea oberea Clasaea dach ge«risa nieht fehira dOrfea. Ich
fircbte niebt, dass aiaa hiebei die GeCabr der Sehdatbuerei oadi
Sdiwatzbaftigkeit Bilr yarballe ; teb waoaehe zwar sebr alles ei^eal-
\hh Declamatorische and Epidelktiacbe hiervoa fern gebaltaiuui'
sehen and glaube, daas dieaes aicb auch urn so eher erreicbfin
lilsst, weao man eben so sebr anf cine Yarg&afige feste An*
ekgnnng and Beberracbang des Stoffa driagt, aia andrersaita den
Cbaracter dner rortragsm^sigen Daratellung, aicbt einer Rede,
fiir salcbe Uebong-en fieatbalt Und wann ea Ja dbch wabr ial,
WM acbon Cicero von sich selber bezeugt, dass die Jugend wi
den mannichfalliigstenAuswQcbsen und Ueberstrdmungen desGeistea
etaea besonderen Reia hat; so wtrd bier die acb^nste Gelegenbeii
aein^ die uogebtodigte Kraft an zttgein and alle iippigea Ana-
wflcbse za zerschneiden» Eine arwaiterte Vorbereitnng daza wird
ea aber aein, wenn die SchUkr mdglicbal friibzeitig aucb ia dea:
l^iehrstuiideB ausserbalb* der Interpretation, aamaoilicb ia deA
geschichtlichen Lectionen, angehalten werden, des Lebrers Vor-
trag frei and selbstst&ndig zu wiederbolen, wodurcb natiirlich
eine zam dfteren aagestellte freie Repetition, die an des Lebrers
Hand in kurzer Frage and Antwort in die Kreuz aad Quaere gelU^
keineswegetf aasgescblosaen werden darf. Bin gldcbes Vaifabres
aucb auf andere Lectionen anzuwenden, In denen die Wiederho-
long mebr eine lebendlge Erneuerung des Gedankenstoffs sein
wOrde, ist zwar scbwieriger, jedoch gewiaa in mabrCac;bem Be^
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to lbs Attertliafli. 335
tr»dite gdur enpfieUeiiBwertk; zar Erieiditarang' wfliie ier Leiirer
etira die Haapt^eslciilspraeie, dlie lierrorrt|^e»den Spities kvrs
z« beaeickBen uiUL damil «uek deft Gxng «« ekeneft und anzH-
wetoen kaken. Die HaaplsajBktf wird indeesea tauttef, wcoi^teiid
ids dieSpitze^ in wekke alle dieae [Tekna^pcn aaalaarea, wigMA
wmik als dte adidDaie BItttke dea geaamadiea GjfmaaMwdntksb^y
der dmOaehe Anfiatz ktaikea, m dew van ekierSeile ker^ new-
lick far die Verkereiian^ dea Stoffa, der lalekUscke Aafaata aller*
diag^a ergr^aead aar Seiie treten daef '). IHelftr werdea sfek
Mm aaa driver Ottrstellongr ekii^ weseatliebe Forderaa^ea er^pe^
ken, die am ao widuUger aiad^ ala da¥Ott aickt klaaa daa reekte
QedeAen dieaer Aafgake, aood^m aaek lolgereckter Weise dea
gmttaen Ertragea der daadi die Sckule aa urewiaaeadea Bildwg
dykaaglg ist. Ber Sisfff diff§er Ihhungmi seUksse »kh obne
Aumakme mi den wArigen Lekr- und Le^estoff an^ weaa aodr
ktertn aeilist aad in der Art der Anwendaag and kald freieren.
bald akkmgigerea Yerarkeitaag^ aattkrlick die frdasie Freikdt
cri^waHen kann oad masa. Selte« ader ale aallte eiae Aal^ake
gpewftUt werdeft, die rein and aasackUesalidi' der c%eaen Erfta-
dang aagekiMrie, kei der akkt aagleidh^ krgend eiae Evaeueraag,
'Bammlang , Wiedereneagang odea Aafriackung ekiea aa^kvwe^
VOTgdEommenen StafflM staUOade. Mancke der kerlUlmmliekeB
Tkeaiata warden* an Ld»ea and Fraditkarkeit gewkioea, wean
ale 80 Ml eiaea kesiimmien Gegenaiand , efaK^ kisloriscke Sitaa-
lien, ekie elaasiscke £teUe aagesddesaen wftrde; aadere aradiek-
sen garadesa als Tetfakli, well sie afcne dieaa akiea slckenr
Sittdpmci der Benrtkeiinng gar niel^ gewlAren, z«.B. ftker das
goldene Keitalter, statteineK Oarstellaag desaelken aack eiaenv
keatimmtea Sckeiftateller ader einer Vergleteknng zwiscken der
keaiodeiachan aad oyidlseken Aaf&saang eiwa;^ tker Sekiilers:
der Uekel gH^tes ist die Sckald, statt einer Dariegvng des
2) So lange es festoteht , dasa die G^hrtenschiile oder das Gymnasium
eiae geisti^ £nienerang dec antikea Mensahkeit fai Mnserer Jnfeitd kewir-
ken soil, darf anck woU dia RaprodaetiNi der a^t aeiaeia gaa^n innereA
Gelialt nnanflOslich yerbundenea spraeliiicken Fom^ miUilaianck di^ aelltsW
st&udige Bewegung des Schulers im fteien lat. Aasdnicl^e, schwerlick feh-
len; icli sehe daher aaoh die neaerdings dabei ge&asserte Gefahr dnrcliaas
aieffir, wean der Lekrer der Sadie selbst nnr reckt mftehtlg ist and es nicht,
stall liitteii ZB aein, aua 2^Mre€ke iwvdea litst
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236 lUeber die BkMkrung Qnsercr Jugend
aaUkea SchvMbegrMTa Hl^rfcaapt, oder seines Unterschiedes bei
.Grledheii und Bdmern, in verschfedenen Zdtaliern nnd Setolfi-
steUern, oder der Fiigerang'en aas der Scheidung des vorsaiz-
lidien and nnrorsfttslidien Vergehenfr, der an? and Spgtg q. d^
m. 1st die Stdie nirgend Im Unierrichte ansfubrlich^r sobos
vovi^komnien, mtissen oattlrlleh Nachweisang^n, am liebsten ass
ien Classikem selbst, gegebai w^en; iodk kt jedenfalto die
Ansehliessong an einen nsdndlich erdrterien Stoif vorzaziehen,
der imr dann einer Utterariscken Beitandlnng weichemnag, -wetat
diese rielleicht fttr Form oder Stoif als Muster anfgestellt werden
kann. Eb kann Uer nor die Absicbt sein, aUgemeine Gesichts-
pnncte fiir die WabI anzageben nnd die Gattnngen tibeHiaiipt z«
bezeiebnen, ans welcben der Stoif zn entlelinen seindnrfte; zanud
da sicb der Wnnscb nicbt nnterdriicken Iftsst, gerade dkse SeHe
der ganzen Aufgabe zn anderer Zeit nocb besonders ansfdbrtici
zn vetfolgen. An die Spitze sind oifenbar die eigentlich hiat^-
rkehen Themata zn stellen, die in Mannichfaltigkeit and InbaH
einen so nnendlicfaen Reiditbnm dari>leten nnd eine so grossc
Abwecbselnng in der Form der Bebandlung gestatten; Erz&b-
Inngen mit oder obne vorliegendes Muster, Lebensgem&lde, Cha-
racterbilder, Parallelelen, Scbilderungen grdsserer oder kleinerer
Zieitabscbnitte, Einkleidnngen gegebenen historiscben StoiTs bi
dialogiscbe oder andere dramatische, oder ancbl^ratoriscbe, ept'-
stolariscbe n, s. w. Form; eine Abstufung yom Leicbteren zom
Scbwereren wird sicb Uer von selbst scboo darbieten, so dass
weder der gereiftere Standpunct des Primaners nocb der sehwi-
cbere des jttngem Alters der zweckm&ssigen Nabrung entbelart*
Weniger beacbtet pflegen die geographischen Aufgaben zu sein,
die docb am so mebr empfoMen zu werden verdienen , als in
ibnen eine eigenflHImllcbe Seite der Darstellung zur Bebandlong
kommt, der Unterrlcbt In diesem Facbe in den obersten Classen
melst in einiger Bescbr&nkung ertbeilt wird und fttr sie in Tor-
trefflicben Httlfs^itteln einer gesunden deutscben Privattectttre ein
so ergiebiger and anzlebender StofT gegeben ist; es wttrde a«f
diesem Wege eine Erginzung des Offentlicben Unterricbts gewon-
nen werden kdnnen. Eine Anscbliessung an die classiscbe Lecture
scbeint freilicb aucb bier, wo sie mdglicb ist, sebr wttnscbens-
wertb; Herodot bletet dazu mancbe Gelegeidieit, Curtias «Bd
Anbian fur Scbilderungen aas dem Orlente, der relfere SiAliler
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b^ dM Attertbam. 1^
wird sidi ans Andem, wlefitrabo, Pluterck u. s. w. StolT sam-
meln kdnnen ; Cicero's Verrinen kdnsen -inn fiilr eine BesclirellMiiff
mo% SjrakoS) Ileraz In zersireuten SMleii fQr eine Wanderiw^
durch Ltttam die Grmidla^e bieie^y Sckwiaiiger sbd jn manchev
Beatekuo^ die AUerikUm^ fttr eiae Benatzang dieser Art, wemr
ikht, waa ich fir sehr wjlnschenswerth halte, eia besenderer
Vortrag deffliebrers liber dieselben tei reicben Stoff nicbt sowiriil
gibt als yielmebr sicbtet «# ordnet und eben dadnrcb die Ver-
arbeiiung^ deaselben ¥011 Seilen dea Sebflers erst reebt m6giicb
madiU Wird dieser Vortrag vom Lebrer in lateinischer Spracbe
gebaltea^ so wttrde damit am so mebr filr latetniscbe Aosarbei^
tuogen ei&e passende Vorbereitang ^ewonnea irerden. Ifieraa
re&ien siiA in mebr selbststftndiger Weise, Bilder antiken Lebens^
woliel bald ciassiscbe Stellen aos den rerscbfedenstea Schrift-
slellern vom Homer an bis zn dem Jangern Plinins benutzt, bald
Knnstwerke zagSnglicber Art (Panofka) zor Grundlage ge-
nommen wejcden kdnnten; ancb bietet die nenere pbHologiscbe
Litteratar (Boiiigery Becker o. A.) bierfftr einen ansg>ezeicb-
neten Ertrag*. Mancbe von diesen werden in andere Gebiete
hinttberstreifen, v« B. Schildemngen der Aasbrtlche des Vesav,
nach Plinius , vielliiriit zusammengeb^ten mit anziebenden neneren
Darstellongen abnlicher Art und durcb dieselben belebt; die Meer-
fabiAen and Handelswege der Alten^ der Ackeriiaa bei Griecben
una Rtoem, die Kampfspiele and so vieles mebr. Vor eigent-
lioben Sittenscbildjeraiig'en and reflectirenden Zeitgemalden mdgte •
Icb eber wamen; denn so manebes Hiibscbe .dafQr Hofaz aocb in
seinen SaUren ond Briefen bieten wUrde, lage docb bei der Jagend
die Gefabr von Zerrbildem and Uebertrdbangen za nabe, anderif
Qaellen aber| wie Juvenal andTacitas, warden za dttstere Bilder
liefem als dass man darin ein friscbes and anbefangenes Gemtttb
gefllssentiicb aben sollte. Einen desto anbedenklicheren fitoif
entbalt die lAmraturgesehichte ^ die namenttlch Mr Gbarakteristi-
ken, asiietische Beartbdiangen, Samralong* der Lebensverb&It-
niase oder eigentbttmlicben Ansicbten ana den Werken eines
Scbriftstellers, Scbilderongen des Inhalts, Gedankengangs , Ver-
gleichang mit verwandten Belmndlungen sebr reichhaltigen Gewinn
verspricbt Auf keinem Gebiete vielleicbt wilrde aacb eine Za-
sammenstellung als bier mit Erzeagnissen der neueren Litteratar
ergiabig sein. Docb wird man solcbe, in denen es sicb am die
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238 Ueber die EiaflllNriiiiff in #0 AUerttMin.
scUrfsleii fie^ensMze, dantm anch vm eiae klare Md leliendf^
Erkenndiiss des ChrlflleBtliHms in seinem innersten Mittelponcte
md in seinem Abstande vom Hefdentbome handeli, mit sehr behulii*
namer Vorsicbt zn wtiilen, In fien meisten F&IIen woM g'eradenii
na metden baben$ wie denn sekhe Aafg^ben, deren Bdiandtnng*
weder dnrch geediicbtlfche HfaeinMirang^ sieh avf den Bed^i
des Alt^thams yersetsen , ifoc^ mit innersier Lebefl»genieliischa(t
aaf christllcbem Grande rahen kam, entsohieden zn renrertem
Bind. Diess gilt denn kanptsftchlich aoch fir die an^meln BaU->
reichenSfttze and Auf^aben, die sicb einer hdheren oder reiferea
Bebandlang in Reden and Abhandlungen anterwerFen lassen, iini
fit^ die ein reicber .Vtirratb yon Maximen, Lebenserfabmng'en,
Gedanken and all^enieiaen Wabrbeiten in den alten Cladsikem
aafg'ebkuft sind, in deren Lesang' mit lebendig'em Ebig^ben aof
den Zoeammenhan^ anfgefasst sle In der Re^l ergiebl^r sem
werden.
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S38
XV.
PriifuBg der iieuesteD VorseklEge filr fflethodischra Geschicbts-
iMl«rriclit auf Gyffl&asieB.v')
Wttsste der Schulmami nicht ans der nnniitelbareii Wtlm*'
m^hflMiB^ Uiglkher Praxis , wie schwie% uad in ffisinen ErMg^m
entweder s&weifelhaft oder hjater den WOnschen nnd angewandten
JHiiteki orackbleibend der Unterrlcht hi: dex Welt^sdiichte ist,
«o wdrd0 scbon der Umstand eln redendes Zen^nlss daron aUe-
gpnj dass innerhalS wenlg'er Monate drei verscbiedene sdtetzbare
Arbeiten itber diesen Ge^ensUnd yerdffenUicht worden sind. Das
beweist doch in der That, dass die Sacbe der weiteren Erw&-
gimg bedttrfti^ and wiUrdi^ ist, und ieb m^gie es lieber als
einen st^liern Bewdla^ von der Schwierl^keit der Aufgalie ansehea,
dass vordem nnter den mannigialtigsten pnd vlelseiti^ten Be*
spMichangen der Gymnasia! -DidafcUli diese im Verh<nisse an
seiner Wichtl^lieit bei weltem wenig^er vor^elionimen 1st. Noch
inebr aber leucbtet dif Sacbe ein, wenn man die bedentenden
Abweichungen erliennt, in denen sich die neuesten Erdrterun^n
des Gegenstandes noch wieder unter sicb befinden* AIs die erste
nennen wir den Aufsatz von. Prof. Heydemann im zweit^ liefte der
Zeltschrift f. Gesch., als die zweite dasBraunschwei^er Progiramm:
If us Studium der GescJnchte msbesandere auf GymnaHen natk
d^n gegenwdrtigen Anforderungen von Dr. W* Asmnanum Braan-
sehweig, Fr. Viewer u. & 1847. 39 S. 4. und als die d^te
die dien erschienena Sdirlft: Grundzuge einer Methodik de$
1) Bei der Abfassung dieses Aufsatzes habcn die Aufslltze von Ditges
in dem Mmeum des rkektUch-ivestph. SchulmSmmer •- Fereine III, 119 — 35.,
Ton Campe in fter ZeUscJur. f, d, Oytmasidkoesen II , 438 — 54, . and IV,
369—98., von ScUlUr ebend. Ill, 503—28., von Schuster ebend. IV,
44 ff. , Heydemaim ebend. 182 if. und Peter ebend. 885 if. eben so wenig
wie die ^rOssere Sdirift des letztgenannten Gelehrten, iiber welche ich
m(Mne Ansicht in den Nemn Jahth, flir PhiM, u. PHdag. LX, 289—98.
aasgesfrochen babe, beriieksichtigt werden kOnnen.
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24(1 PrOfen^ der neaM^ VorscMire fftr ineUiodiflclieii
gesMeMhhen VnterriehtB auf QfffhnaHen, SendschreikeB MdtH
Consistofial- Director SeebedcJn Hildbor^hanseii too DnJoA. WUk.
JMeiL Leipzig , Brockhans 1847. 88 S. 8. Es ist hddist ^freillid^
dA09 Beben zwei Schnlniftniieni audi ein UairersU&tslelirer deiMieibeii
Geg^enstand sekrr Prttfun^ nntasKog^en bat, wir werden erk«iiiieB,
wie schto das dasw g^eftthrt hat, daat sie sioh ehiander g'egenseiligf
ergHnzen und so das Gesammtergebniss fdrdern. Es wird diese
Freude erbdht, wenn mmk siebt, mit wie g'rossem Emste uadtieler
ikfindliebkeii der Gegenstaad tor AUeii erfasst worden IsL An-
ziebend und lefarreich Ist dabei die Wabrnebmiiog, dass die. ver-
scbiedenen B^refsarten aucb auf die Behandbiiig'sweise modifidrendl
eiag>ewlrkt and die wesentlicbe RkhliiQ^ derselben bestunmt hat*
Der Mann der Wissena^aft greift o»cb der Unmittelbarkeit d^
Lebrpraxis, die, welcbe in dieser steben, uipgekebrt mebr nadi
der Al%emeinbelt der Wissenscbaft, nm daraug Resnltate za
seb^pfen, jeder also ekiem natftrlicben inneren Bedilrfiiisse gemita
nacb dem, was Ibm an sicb am entfemtesien liegt Wir wefden
«ns daber ancb von vorn berein nidit wundern ddrfen, wenn was
die dritte Scbrift fQr ein Paar bier in Betraebt kommende Haiipt-
fragen erbeMlcbe Ausfcciite HefertOj wftbrend sie andererseits den
^nzen Umfang der bier za mBhmenden Riicksicbten am wenigtftea
erscbdpft. Ans demselben Grande ibr^s wesentlicb yerscbiedenea
Stand- and Ausgangspancts leiten wir-aacb einige mebr od^
minder static bervortretende Diflhrenzen ber. W&brend Assmana
z. B. annimmt, dass die Metbodik des Gescblcbtsunterrldits im
Ganzen iltogst aaf einem ricbtigen Wege wandelt, bezweifelt
L^U, dass eine allgemein bekannte and anedrann(p Metbodik
der Gescbicbte voraasgesetzt werden kOnne; ja er erkllkrt gradeasa,
dass der Matbematik .and den Spracbmi gegen(i>er, die i^iie
Metbode in sicb selber baben, die Gescbicbte eigentiicb gar keine
besitzt. Eber Tcreinbar warden -die Ansicbten wobl in Beza^
aol die Bebandlunsweise aof der obersten Stafe sein, womit efaie
n&bere Verst&ndigang Qber den Begriff des Pbilosopbisdien die
vielleicbt nor mebr scbeinbare Kluft aasfQllen kdnnte; docb frirde
Ldbell nacb seinen Aeasserangen S. 46 f. scbwerlidi das zogeben^
was Assmann S. 33. verlangt, dass die Bebandlong der Gescbicbte
aaf der bdcbsten Stafe des Gjmnasiams eine pbilosophiscbe seiii
soil, womit sie dann audi erst eine wabrbaft wissenscbaftUolie
werit.
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Geseliiehtsiinterrieht anf Gjrmnaslen. 241
werde. Natflrltch dringt als Gegengewkht gegen elne mdgliche
Verfrillning' ond Uebertreibang* der Gedankenfiilehte Asgmann aof
kesttndlg^e Eintlbuogr der Facta, wftbrend Ldbell mkf^ als das
elfr^tticbe Ergebfliss des g^escUcbtlichea Stadiums nicht sowokl'
die KenntBiss der Erel^Isse, als vielmehr die Ihrer Wlrkong^n,
der Verh&ttQisse und Erscheinungen , die sfch als Ihre Folge ge-^
staUen und fixlren, S. 31., darstellen kann; and In elnem g^anz
Anlloken SInne erklSrt sick anck Heydemann (S. 78.)* Daruni
selbst die Abweickang* im Einzelnen and mekr Aensserlicben , das
de&Boek fdr den Eifolg des Unterrickts nickt anwesentlick 1st,
Indem namentlick Assmann das Dictiren, nickt das Nacksckrelben
nack elnem frelen Vortrage, verwlrfl and die Zagrandelegong'
eifles Lekrbacks mindestens fttr Vorbereitung' , Verg^Ielckang', Wie-
derkolang* wiinsckenswertk findet (S. 38.), w&krend Hejdemann
das s« g*. Mitsckrelben sogar far wesentUck fdrdemd ansiekt,
T4in elnem Lekrbucke oder Leitfaden aber eljj^entllck g^ar keine
grosse Erwartung' kegt, und Ldbell S. 85. das Dlctiren trots
alter dageg'en spreckenden Elnw^nde zugibt, wie er es d^nn
frefllck auck bel seiner Metkode muss, dagegen S. ^ IT. geg>en
die Annakme eines Lekrbncks entsckleden sick aussprickt. — Dock
es wird ndtklg sein zum yolleren Verst^ndniss und zur Gewin-
mng' zweckmisslger Resultate eine etwas nakere Ckarakteristik
der Abkandlungen selbst zu geben.
Der Atrfsatz von Heydemann kat zan^ckst fur die so ung'e-
mein sckwierige und wicktige Verikellung' des ganzen liberaus
reickkaltigen Lekrstoffs tiber die einzelnen Classen und Pensa
das Verdienst einer die Sacke ersckdpfenden GrCindlickkeit , nur
dass er fast zu aussckliesslick die preussiscken Einricktungen und
b^sonders die Berliner Gymnaslal - VerkHltnisse berOcksicktigt kat,
was eine vergleickende Anwendung auf andere minder reick aus-
giestattete Lekranstalten ersckwert. Vorzdglidi beacktenswertk
ersi^eint das, was er welter iiber das reckte Yerk^ltnlss der
Tersckiedeneh Tkelle der Gesckickte unter'elnander und zu dem
Btoildpuncte der Jugend besonders in den oberen Classen, wie
ttber die grosse WIcktigkeit der Repetltionen gesagt kat, w&k-
rend wir uber die Grundlegung* eines Lekrbucks, wie sick unten
zeigen wird, versekiedener Meinung yon ikm sind, und die Prague:
ob der Gesckioktsunterrickt eine A«fgabe des Fack- oder Clas-
senlekrers sein soUe , gem zu einer Priifung erweltert g>eseken
hfihlierf ges. Schriften, 16
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2AS Prflfang d«r neiieirtffi Vufsdihigje Kr metliodischen
laMten: in weldie Vei^bideBir der geeidiiiAilh^ Unterrldit sn
den lUMrigeD Lekrgeffeiigt&DdeB des GymsfsiiiBis g^etet werden
sojle* Dof<3li €{Be rein priustisclie Anfassnng des Geg^enstaodea
QOtersciidd^ slcli miUiin dieser A^fsats von der AsheH ^tsmatms*
Seine ganze firlirierunf ^rf&lH in %wei wesentliclie HlUftaa.
Der ers^ Thf il derselben soil nemlich den ^genw&rljf en Stand-
ponet der Wi^^mehaft zur fSrlten^tnigs bringen^ nm naeh g^-
etchiclitliclier flrforse^ff der Art, wie die Clescliiehtsckreiliiuig'
anf ihre gegepwariige Hdhe geUngt Ist, im zweiten Tkeile he-
Eltimmen za li0nnei|, wekbe Anforderungen an den Vnierrwht in
deraeH^eik zu steUen sind. Icii fOrcfaie, dass dieses Princip den
YC selbst nielit in ganzer St^lce and UnerscbuUerlielilceit esi-
gegen getreten ist; fast etwas Icleuilaut filgt er gleieli biasn,
4ass die Gn|wic|:e]Qng der Wissensehaft ancb fQr den Unterridit
in derselben wenigstens nicht nnbeacbtet bleiben dQrfe, was
gewiss Jeder mit Toiler Ueberzeqgong unterscbreiben wird. Sonsi
IH^gte e^ sicb aber doch ver alien Dingen anf dieseni GebkHe
wobl frag?99 ^^ ^^^ Praxis des Unterriehts wirklicb anf dem jedes*
paligen Stan^pniiete der wissenscbafllicben Entwickelnng s(^n
^Qrfe; was bMte die arme Jugend — icb will gar nicbt vorznga*
weipe an die n^tern Classen denken — filr wanderlicbe Wege fai
4en. Perioden der kritiscben, politiseben, moralislienden , pbileso^
pbischen n. s. w. Bebandlung der Gesebichie durcbmachen milssen.
Und wir d^rfen nioht vergessen, dass, wie die Sprachen yor
alter ^rammatik, so aucb die Gescbicbte vor der HistoriograpUe
da gewesen ist and dass ihre Thatsacben laate and gewakige
Lebrer tiefer Mfabrbeiten an die Menscbbeit an ond filr sioh selber
9cbon sind, ohi^e dass das erbellend^ nnd sondemde Lidit der
foracbenden Wfssenscbaft erst hlnzuzatreten braucbt. Und wean
denn avcb npkagbar die Wissenscbaft uberbanpt die grosse, ui-
entbebrlicbe J^abrangsquelle fur alle Bildang and Erkenntniss ist,
mitbin an^ des Lebrers wissenschaftlicbe Ausbildung in der Ge-
soUcbte der eine groisse Kactor, obne den das Product efaies
gedeibljchen Unterriebts niobt erzielt werd4Mi kann : so daif dodi
ffirwabr aacb der andere Factor nicbt feblen, welcber die nacb
den Lebeiifitaltera natargeni^s verscbledene Entwickelnng der kr-
nenden Jogepd, d4^ eigentbiimUpbe Maass nnd Verb&Uniss der
Ga^^ und Krafte ib^^p Geistes ist. Icb glanbe aacb die Unaa-
gemess^nlieit des damit alfo avfgeatellten GtnadpriBcips darin an
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eriienseBy dass dev Vf., weno er die tmgeA^SUj ehNn^iml^
m^A pragwaliselie fiescUelitsdireibM^ wteneMedcB ond die ver-r
sd^dmea Ar4^ der letsten cBtwidcdt hat^ doeh mr in etwMi
geswQBgeiier Weise die sagenbafto Geseiy<dAadufeitog mit del
l^lo^raptewheB BeluuidkagBform y. 8. t zvsMiinieiistdlt* DteMf
stditt »ii eiiier aiideni AeiMmemg rein ffeael|i(QlHli€her Aii0ek4iuiii9
im Verbtadang', durcli die derVf. in einea w^liJi ^u BeinemNadH*
tiMile Aosficlilageiidmi Widerspnieli gegen Lobell g^tWt, W^
read aenlidi Assnuum anf der iinteni Stnfe dea G^adricktoonter*-
ridUs der Geadidite dea AltertlHima 9,wegeii der ffroaaen Be?
deiiang der herrorragendeB Chardttere, die vfettigstena aBnelid-*
BttBd weniger too ilirer Zeit liekerracM werdea, ala aie dieadlK>
beherrsehen/^ S* 28., eiaeB ir^wisse^ Vorzug, wena avcli aidit
aosacUieariicheB Werth, bdlegt; so Biebt nmgek^ Lfibeil (S. 6$.%
dass im Alterthflnte die Eiasielnen weaiger ia Betracbt t«mia^
daas der Ebizelae, weaa er wirl^ea will 9 gaaa ief Aaadruck seiaer
Zeit 9 seiaes Votts, ja, wo das Yolk sicb in sich ^elbst rielMl
^paHei, seiaer Stadt sdn wnss^) aad dass das Dervortrete*
gffoiser, auf aidi sdbat rabeoder ladividiieB erst dem siakendeBi
Beiae Eigeatbttailiebkeit sduia balb eiBbassendea AUerbf m anfe-*
hart, wobei sie aelbst im Kampfe gegen ihre Zeit mit ibrer SdM^
ftngy weaa aach aidit ofaae Fraebt derselben flMr die ^iakiwd,
ntergebea. Dagegea tritt, aacb Ls. Darstdhms, in dpr mod^f^
mn Zeit, wo der GeBins weaiger vom Volksbewasstsein heg^t^vfi
ist, die Bewegang als dae ia dea treibeaden 9ad leiteadea Per^
sfiBUebkdtea aocb wdt stebtbar er rerkdrpeirte aaf* Pie belder*
settigea Aeasseraagea wtrdea ddi aaa awar wobl afther aaaaiB*
meabringea lassea (aad de sind es jtbeilweise aoeb scboa dwell
das, was abaUcb ia treffeader Wdse vw Hejdemana S. 70 t.
aasgefibrt wordea ist), weaa wir erwl^gea, dt^» die aatikea
Chwaktere allerdiags voller, aasdbianUdier , pjaatisdier, ia sdiarf^
aad sidieia Umrii^ea mebr aaf demMarkte, im i^ffeatlichei^ Leb#q
ah ddtdm ia der Verborgeaheit der B&user odef Cduoette, ana
e^gegeai tretea, w&bread die modernen IpdiTidnan. mebr in d(^r
GemeiasdMft ndt Vtelea oder biater dem Voihapge i^r Begebev-
beitea erbtfdLt werdea oder, win Heydemaaa mWe <^<i» »^ ^Uie
2) Richtig hat diess aach Assmann S. 11. ia geiaea firdrterungiMi imd
AnffHmiaffea , z. B. am L^fluHrg, an^duumt^
16^
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244 PrOfoDg ier nenesten Vwne\Aikge fftr methodischeii
gnm particnlftre Art slehJn Ibren VerhAltnisseii zumStaate b«fia-
den and sicli ans dem Verbande mlt demselben anssondern; daas
andrerseits aber diese nnendlieh riel 6tUT ihre selbsiftndige Stel-
lung oft der ^rdssten weltlichen Macbt oder ^asseren Gewalt
^egenttber bebanpten, ttbeFbanpt einen nnabl^^g^n Kampf lud
eine selbst&ndi^e Arbeit fttr Ideen and geistige Gttter nntemabmen.
DIese und libnliebe Betrachtnngen b&tten zu der wichtigen Frage
fttbren sellen, die von A. leise bertthrt, von L. eigentlic& gar
nfcfat erw&hnt, yon Heydemann am griindlicfasten erdrtert ist: ri>
mebr geistiger BildungsstolT in der alten oder nenen Gescbidiie
enthalten sei nnd fttr welcfae Lern- und Blldungsstufe slcb dar-
nacb die eine wie die andere vorzngsweise eigne. Erst daaa
wird aucfa eine zwechnftssige Vertheilung des nmfasaenden Ge--
sohichtsstolTes anf yerschiedene Lebensalter und Classen ttti^glleh
sein, die ohne diess iinmer etwas Willlcnhrliches bebftlt
Nacb diesen Ausstellnngen gegen eine Grnndricbtung in der
Ihirstellung Assmanns liomme ieb anf diese selbst wieder zurttdc.
IHerbei treten zwei Pnncte namentUch beryor : das Verbal tufas der
Gescbicbte zur Geograpbie und die n&bere Erkl&mng des Pragfia-
tismus; beides ist yon gleicb grosser Wicbtlgkeit, beldesisl
yom Vf. in eine ausserordentlicb nabe Beziebung zu efaiander
gesetzt. Bei der Erforscbnng der Ursacben des "GescbebeneB
nemlicb unterscbeidet er zwei grosse Classen irdiscber Verbidt-
iiisse: die menscblicbe Natur nacb ibrer doppelten Seite und den
Raum, auf welcbem die menscblicbe Tb&tigkeit sieb entCaltet.
Ich finde diese Bestimmung zu eng, scbon das Altertbnm batte
rotndestens nocb eine dritte Quelle in der Verkettung der Dinge
and der sich darin ofTenbarenden b<riieren Ffigung; aber es ist
KUgleieb damit scbon tiber den Begrtff des Pragmatismos binaus
gegangen, der sicb streng genommen nur auf das Verb<Biss
der Tbatsaeben unter einander beziebt. Wenn er dann aber die
Beziebung der Gescbicbte zur. Geograpbie berftcksicbtigt, und
dabei zwar yor einer den gescbicbtlicben Zusammenbang der
Tbatsaeben zerstOrenden Uebertreibung in der Annabme geogra-
pbiscber, klimatiscber u. s. w. Einflttsse wamt, docb aber wieder
die ungemeine Bedeutsamkeit derselben an einem Belspiele, der
Entwickelung Russlands in weiterem Umfange, durcbfttbrt: so
beklage ieb, dass er nicbt stoker (wie Ldbell S. 18 ff« dIess
mlt Recbt tbut) auf den Unterscbied beider Oisciplinen biag^e*
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GescUcbtsonterridit aof 6 jvmasieii. 84S
wiesen hat, dereo Charakter nur an leidht eBtoielll wird, weon
man die Geog^raphie so ohne Weiteres mit ihin S. 8. den eigest-
Uck geschicbilicheD (erz&Uenden) Wisgenschaften behrechnet. loh
wiinsi^te, dass dieser Punct aach nach seiner, s^r wicbtifeo,
pracUsdien Sdie hier niiher aosg'eftthrt nnd za grdsserer Klarlii^
gebradht wire; das ist aber nicht gescbchen, aoadern Lidbcdl
imd Assmann spreclien nor im AUgemelnen dariiber; wo Letoterer
die specielle Anwendang anf den Unterriebt mac^t, berObrt er
es kauDi mebr, and Hejdemann weist zwar yerscbiedenilieb anf
die entsdieldenden Frag^n bin, lebnt jedocb ibre eigentlicbe
Beantwortung' yon sicb ab. Dass der Sacbe dorcb die von ihm
angedenteten geogr. Repetitionen in den oberen Classen einGennge
g^than sei, m>e icb bezweifein, denn gerade da filngt erst die
Stnfe an, anf der die eigentlicbe Erdknnde, wie sie ein Meister
nnserer Tage ins Leben gerufen bat , znm Verstandnisde gelangt
Die ernste Frage bleibt also die : ob , wo und tme die Geo^apbie
redit eigentlieb mit der Geschicbte im Gjmnasialttnterricbte ver^
banden werden solle? In den unteren Classen? Da steht sie
doeh wobl entscbieden der Naturgescbiebte n&her. In den mitt*
leren? Da fi^llt diese Verbindang wobl weg and die mit d^
Geschicbte hat noch nicht begonnen; vielleicht also da am ebesten
selbst&ndig'? In den oberen endlieb, oder soil e^e da schon ganz
yerschwinden? Wird sie gefasst in ibrem Verhliltnisse zur Natur
nnd Geschicbte des Menschen, so wIrd sie ja gerade bier am
wenigsten zu entbehren sein* Und icb mdgte daher gerade anf
diesen Pnnct g^eich so antworten : Gleichviel wie der ^eschicht^
Hche Stoff im Unterricbte der oberen Classen yertheiit werde,
jedenfalls mass yor den betreifenden grdsseren and kleineren
Absdmitten eine geog'raphische Uebersicht and Charalteriatifc
g'egeben werden, wie Putz in s. Lehrbache diess aach, freillch
in etoer gar trockenen and dusserlichen Weise, getban hat.
Wenn hier mit Recht das Topische niehr aus dem friiberen Unter-
ridite, nidit als bekannt voraasgesetzt, sondern aasdriidclich wier
darholt and n^tbigenfalls erginzt werden kann, muss die aUgemeiae
CharakteristHE der Boden - nnd Naturyerbdtnisse das sichere Ge-*
pri^e des Landes yorfilhren, aaf welchem der Schiiler das Velfc
nachher soil sicb handelnd bewegen sehen. Zaerst kann da naturlich
nor die alte Geographic, beschrSinkt auf die alte Welt, in Betracbt
kommen; dock soUte niemals diese fi^ sich and Josgr^trennt von
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d46 Prorang ict neuefttm ViMiUftfe far netiiodischeii
ier neami b^anMt i^erfcn, wey sle dadnrcfa erst Leben md
hteresse gewiDot nod die allgemelnen Verh&Itoiflse and Oert*^
Uckkeiten entweder Immer dieselben bleiben oder gerade durdi dea
Gegeimatz der alten and neaen Zeii^ was sicb nctOrlich nichi
knt die blossen Naraen bescbr&nlcen darf , anaiehender nnd bebftli-
licber werdeti. Was schon liiebei nahe liegt, nemHch eia ESb*
l^eben in die neneren EntdeclcangsreiseB, die ancfa zor AafliellODg'
aKertbltmlicher Zostlfcnde so WesentUcbes beif^etragen baben: das
n^te wohl Ton seibst for die nenere Erdl^nnde ekk als Bedfirf**
Diss aafdrftngen. Man gebe also da, wo mitilere nnd neaere
Eeit sicb sebeiden, eine knrze Gesdiicbte der amerilnuitedMft
L&nderentdecknngen and macbe l^urz vor dem nenen Aofscbwani^
des Weltrerkehrs im ISten Jabrhonderte anf gleiebe Weise nrft
der Entdecbing des fttnfien Brdibeils belianat. Da ist seibst die
l^escbicbtliebe Form bewabrt and das Interesse der Jogend wird
dadarcb nor gestelgert werden. Wie anregend mans es nicbt fir
dieselbe sein, wenn er yon den grossariigen Entdecicungen Botta'a
ttttd in. Wagners aof dem aralten Boden Ninives oder am Arvat
rernimmt oder die nenesteil Forschungen von Lepsins Ober eigen*-
. ttimliebe Biewolmerstftinme Aegjpiens mli den alton Trog]odjte%
makrobiem and lebtbjophagen HerodoU in wanderbarer Ueber-
einstimmnng findet. Anderswo, wie be! Athen and Rom, wird
man von seibst solcber Brgebnisse neuerer Forscbung sioh nicbt
enthalten kOmien; sie grade maeben die Vergangenbeit aa einw
IdiradigeB and zieben sie in ^e Gegenwart binein. Vm aber
wieder aaf die Darstellang Assmanns aarOck za kommen, so kilt
er sich, wie es scbeint^ aacb wo er daraaf andeatangsweisc
eingebt (S. 34.), docb za sebr im AUgemefaien and UnbestimnH-
ten, indem er die allmlAltche Erweiterung des Kreises der VOlknr-
verbindang aacb g^ograpbisch nacbgewiesen , docb mebr and mefar
Ae Einwirknng dieses &asserlicben Bandes aaf die Bildang nod
Veredlang der Menscbbeit berilcksicbtigt and hauptsSeblich ren
dieser die Cbarakteristik der einzelnen Zeitabsobnttte enflchftt
wissen will. AUein ist denn wirklicb die potamisobe ilad thalas^
fllsche(lHittel-Meer)CaItar eine aasreicheade , wiAUdt ronaga*
weise cbarakteristische Beseicbnong f^r die Periode rom Anfira^
eigentlicber Gesdiicbte bis aaf Cjras and wieder ron da bis anf
Alexanders Ted, oder die der centieeotalen fir d4s Mittelalier)
der oieaDiscben filr die neeere &it? Damit ist das GeUet deto
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Gagdilehisqaterricht auf Gyttuiasiea. 347
ma GescUcbWdieii ^Smhxt verhssm uid in das des Compara-
tiven und Phiidsopfaisolieii fafnttbergestreift, wofilr eiae gewisse
Vorliebe a«ch sehon henriNrleachtet aos dcir korsen Gesdiichte
dieser jiingsien philosaphischen Disclpiin, wie LObell die Philo^
sopliie der Geschicbte nefiiit, wie derVf. von Pascal an bis Hegel
nnd Kranse sie au geben versocht hat leb will, daher aach dieseir
Frage: in wie wdt eine pUlosopbische Behandlnng der Gescbichte
fdr Gynmafdeii gehire? nm so mebr ins Auge fassen nnd nidglicbst
scharf nnd bestinimt die Grenaen abaustecken suchen, well Lobell niit
aiemlich entschiedener Verneinungdaranf geaatwortet, Heydemana
sie aber nicht n^er berttcksicfatlgt hat. Dazn konimt noch, dass in
nenester Zeit einige seh&tzbare Arbeiten — ich nenne namentlich die
TM F. Ehrenfeuchter nnd C. G. Weilbrecht — anf diesem Gebiete
erschienen sind^ bei denen man sidi unwillktiirlich die Frage anfwirft)
wie weit aus denselben ein Gewian fftr die Schnle m ziehensein dilrfle.
Eine ganz objeetive Behandlnng der Gesehichte, eine blosse
M^eilnng von Ereignissen nnd Angaben, eine annalisUsche oder
Ghronikeaartige Znsanimenreihnng der bedentendsten Facta ohne
innere GUederung und Verkettung ist anf dem Felde des Schal-
uttterrichts eigentlieh nnmOglich. Schon der erste Standpnnct^
der biograpUsohe^ schreitet tiber soiches Beddrf^iss und Thun
Maans; der Lehrer wahit nacfa besiimtnter Rttcksicht aus, stellt
an den so gew^lten Helden und Lieblingen das Inhaltschwerste
und Bedentungsvollste sasammen, lasst die ZUge je nach ihrer
Wiehtigkeit mebr oder minder stark hervortreten, vertheilt Licht
und Schatten an dem Bilde; genug, seine Anfgd)e tet im cdel-
«len Sinne eigentlich die des Bildhauers, eine plasUeche. Die
nacfaste Stufe mttgte ich zum Unterschiede eine arckitektoniBcke
nennen: es soil das Einzelne mm Ganzen gesammelt., die Ban-
stelae fte das gesammte Riesenwerk herbeigeholt und in einander
gefttgt werden, damit man den engen Zusammenhalt, das Eben-
waass der Theile und die Abrundung und Ueberdachong d^
Geblets erkenne; diese entspricht der ethnographisch- synchro-^
i^Uschen Methode. Darf ich im Bilde fortfahren, so unterscheide
ich nothgedrungen von diesenbeiden noch eine ^rap/W«cAe Behand-
lungsart, eine solche, wie sie der Maler ttbt, der das Verhaltniss
^der Theile unter einander und zum Ganzen noch viel genaoer
ordnen und bestimmen, Licht und Schatten noch zweckmassiger
vefthieileii, seine GegeasUMe nach innerer Nothwendigkeit in
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.348 Vr^tmg der neoest^n VotachVkee fttr metliodisdien
den Vorder- oder Hioler^und brtogen und tber das Ganxe,
dessen The|le faier nlcht in^ sopdern neben ebiander, 4)fi in boa-
tester Ffille gelagert sind, eine elgenthamlicbe Filrbitn^, ja dea
Ueblichen Daft des siidlichen Himmeis verbreiten moss, wenii m
Wahrheit das Gemalde aus dem recbten Mittelpunct iiad in der
voIlkomnmeD Einbeit der Ideen gefasst werden soil. Gerade anf
diesem dritten Standpunctc erwiicbst die grosse Scbwieri^eit
besonnenen Maasses vnd richtiger Abgranaung; anf dem zweUen
bandelt es slcb nur am scharfe UoHrisse, am einen ilberstditliehen
Rlss and Plan, am die Gewinnang eines Facbwerlcs, das ja nicht
niit za yfelen Einzelbeiten angefullt werden darf , aber den ^iu»eni
Zasammenhang der Begebenhelten um so deatlidier erkemieii
lassen mus^. An einem Verfeblen dieses Tbells der Aafgabe
Ijegt nacb meiner Ueberzeagong ein wcsentllcher Theil der SebnM,
waram der Erfolg des ganzen Gescbichtsanterrichts den Znrft*
stangen ond Erwartangen so wenig entspricbt: man gibt bier
mehr Gescbicbten ak Gescbicbte and l^isst die gemQtblieb-ans^e-
bende Er^ftblnngsform mit Sentenzen und Anecdoten vorwaiten,
obne ancb liier durcb strenge Metbode eine feste Regelang den
jagendllcben Verstande za bereiten ')• Soil nan aber bier scben
der &assere Caasalnexos der Dinge erfasst werden , so blelbt ja
mit Notbwendigkeit, wie es scbeinen will, der bdbern jStaf e noeb
eine bdbere Aafgabe vorbebalten.
Der gewdbniicbe Pragmatismas erreicbtsebr bald seinEnde;
es finden sicb sebr frub diejenigen Ursacben, von denen es scbei-
nen will, dass sie nicbt wieder auf andere zarfickgeffibrt werden
k6nnen. Wir sind also gendtbigt Faden . an Faden sa reiben,
obne dass wir die Anf&nge derselben verknttpfen oder befestigai
kdnnen; soUen wir diese denn liegen lassen? Icb denke riel-*
mebr: geben die Tbatsacben nicbt mebr aas Tbatsacben benrer,
so. sucbe man die Grtinde in den Menscben and Vdlkern, deren
Bestimmung and Motiy znm Handeln aber in dem durcb Klima,
Oertlicbfceit and so viel Anderes bedingten Cbarakter; endHeb^
3) Man hat neuerdings (Reichenbach u, Richter, d. naturwissensch. Unt.
rtuf Gymn, S. 168 f.) Ton den Naturwissenschaften behauptet , sie wiirden
in herkOmmlicher Beliandlung bald als Guckkasten, bald als Kaleidoskop/
Bilderbuch, Vorrathskammer n. s. w. gebrancht; kann man nicht leider
ganz etwas Aehnliches zom Theil Tom G«$diiokteaiiterri€hle befaavptoi?
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Gesehiditsoiiterrieht avf Gymoasleii. 249
da audi das Alles offenbar nocfa iminer nkht hfnreicben kann,
in i%t Aufg'abe , die durcb bdhere Ffig^iia^ jedem Volke wie jedem
Meaacben zn^etbeilt Ist. Bier wifd sich ein besilminter Fortscbritt
mid Er%\e\mngBgnng in der Geschicbte entdecken lassen; nnr so
kana der ei^entliehe Zusammenban^ erkannt, nur so die rechte
Beziefaang' derselben zam Mittelpanete alter Bildang und Geschicbte,
dam Cbrisienibonie, rerstanden werden, ond das darTdocb olTen-
bar In keinem Ersiebnn^anterrtcbte feblen. Hier gibt es nan
aber einen doppelten Wegj nm den tieferen Gebalt der Geschicbte
an entbfillen: entweder wird der mlt innerer Notbwendlgkeit sich
selber fortbewegende Gedanke in seiner Selbstentwickelnng^ fort-
g«filbrt, wobel dann die g^scbicbtlicben Data als Belege dienen,
Oder es werden ideeneicbe Beziebung^en der Geschicbte gedentet
und aasgelegt, an denen die Darstelhrng* den rotben Faden der
bedeutongsroUsten Momente in der Erziebang des menschlicben
Geschlecbts gewinnt. Jenes ist ein dialektiscber Process, der
weder in das eigentUcb gescbiditliche Gebiet nocb in den Unter-
rkbt fiberbaupt binein gebdrt; dieses ist ein sinniges HInwirken
anf die rerborgenen Triebfedem eder B&derwerke im Gebiete der
gdtUlcben Ailmacbt, deren Kenntniss bei aller Betracbtung der
Geschicbte nidit feblen darf , and entfemt aicb von der elgent-
lidien Aaf^be des Gjmnasloms, der Inierpretatian des Worts^
am wenigsten. Icb nidgte daher vorscblagen, in dieser Wekae
die Grenzen des Gebiets nacb dieser Seite ftir die Scbule alna-
stecken and tcli will nar nocb zar Erl&aterang der Sache einige
knrze Andeatangen versacben.
Die Geschicbte ist das Erziebnngsbach der Menschfaeit, der
grosse Erfabrangsspiegel , darin der sorgsame Beobachter die
Ftinrnnffen and Tbaten des eigenen Lebens , die Wabriieiten and
Irrsale des eig^enen Herzens wiederfindet; and es gibtkeine wahr-
haft grosse innere Lebenserfahrang des Einzelnen , die er hier
Bkbt irgendwo and irgendwie in colossaler , gressartig and scharf
aisgepr>er Gestalt wieder erkennt. Alle Lebensalter, alle
Bernfsarten, alle Geistes- and Gemiltbsricbtangen sind in den
Vdlkern der Weltgescbicbte aasgeprftgt, treten bier aber zngleich
In die reichste Mannigfaltigkelt der Torschiedensten Gestalten ans
einander. Und zwiscben den Aafgaben der einander anf dieser
Btthne ablOsenden VOlker ist ebi ZasammenbMig and nothwendiger
Fortsebritt; eine Nation nimmt der andem, vor ibr abtretenden
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2S0 Prtlfun^ iet Heuesten Vot8cM%e far methodiscben
ihre Attf^aJ^ ab und erfillt, indeni sie iieae zu dem iltr btscUe-
deaeo Kiele ftthrt, ihren schonen. BentC Oiess den Meiiecbeti
und Vdlkern gewtxte Ziel suchen uad meinen sie durch eigene
Kraft and Willeasbestiinnmng' zu erreichen, oiid wfar 6^ea so
das grddse R&tbsei ^tUiober Nothweiid%keU awisehen meiMcb-
licber Freiheii uad dea inneren FerhdUmsa^ darch die That
und ErfahruDg ^eldst. So wird man dean nfcbt amhia kdimeB,
d^B weltgeschichtlicben Beruf der VOlfcer mit inSgKchster Be-
stimmtbeit bervorzubeben und keaatlich za macben , was freilldi
oboe das, AUem sein Licbt spondenda and sohien Standpunct
anweisende Cbrbtentbam , Ton deiti ja aiicb all nnser Shui^i
und Denkea von Kindbeit an bewusst and anbewosst dar<A-
drunken ist, in der Tbat niobt erreicbt werdeti kann. Da wird
man also nicbt omliiB kdnnen, in das Kindesalter wie in die
Jugend and waiter in die verscbiedenen Stadian des Mannes-
alters bineinzafobren ; man wird der starren Elnformigkeit and
insalartigen Isolirtbeit des cbinesiscban Raicbs mit einem Worte
gedanken miissen, an der Contemplation, der Askase and 4em
Kastenwasen das Indars seine aig'entbQmlicbe AafTassiing' das Ver-
biltnisses der Natar ond das Labens, das Bdsan and dar GoU-
beit wenigstans andeaten , man wird die Gaganslitza von Aegypi^
andHallad, die Wecbsalbaziebung zwiscban Persian and GriecheB-
land "and wiederam innarbaib dieses letzten Landes die Bige»^
tbiimlicbkeiten and Unterscbiado dar einzelnen Haaptstaaten nidit
ilberseben k^^nnen and bai Atben wieder den naben ZasammenbaBg
zwiscben seiner Tbalattokratie and der anruliig'en Beweglichkeit
seines Geistes andeaten. Man wird die alle Kr&fte, Gabon and
ngenbaiten des Orients sammelnde Natar des parsiscben ReidM^
die zam ersten Male den Orient. and Occident mit einander rer*-
bindende Thiitigkeit des macedoniscben Eroberers and den andlioh
allesLeban and Danken das Altertbnms coneentrirenden Geist der
Rdmer, darcb die die Potenzen des Recbts and der Macbt in
eigentbttmlicber BlQtbe der Aasbildang an die cbristlif^^-gemui*-
Biscbe Welt ibergabeft warden, za cbarakterisiren baben. Aber
ffle te den V^Mkern wobnt ancb in dan Helden der Weltgesddchie
Sire grosse, nidit yob Laane, Zafall oder eigener Kraft gdbll*
dete Aofgabe and Bedeatong. Man wird nicbt yersliamen an Karl
dem Gr. denTbelBieas g^rmanlsohenLebeis za bezei<dinen, in Luthefs
grosser Persdnliebeit ein^ mliditigeB Hebel d«r Reformation o4€r
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GescMehtffastfrrickt anf Gjrtnfiaslen. 951
bei den Umdieii irad Wirkan^n derselbav fhrc Prtlfung^en,
Gefakren and MtesetiiBde nachsaweisen. GndHch sind es tansend^
fadi die ^rfngfiig-i^len Unm^ftnd^, in denen aich eine amfassende
Bedeaian^ nleiit minder spie^ell als in dem winzig^ea Tliantropfen
die.majesiiitiacke Sonne. Unslihlig^e seiche Besiehungen wird der
gvisti^ frische Lehrer mft Lek^igkeit enidecken oder sich darch
die treflnichen Arbeiten dieser Art far eine fruehtbare Benutzung*
rekbe Winke ir^ben lassen; nnr hdte er aich, dass er dabei statt
aiiale^nd nicht hinefnlefend yerfahre.
Nach dem oben Bemerkten wttrde ich nnn bei einer natur--
^emissen sedisfaehen Abstufung eines Gyninasinnis den geschicbt*
lldien Lehrstoff nacb Inhalt and BehandlungBform eiwa so ver-
theilen: In den beiden anieren Classen, dem Alter entschiedener
Vorliebe ftr das IndlTiduelle and Unmittelbare , Darstellang' der
herrorragendsten Charaktere (biographisch) ond Charakteristik der
yornehmsten Vdlker (eihnographlsch) ; In den beiden mittlern , wo
die Rilcksldii aof die ersie cigentliehe Verstandeseniwickelnng:
Torwattel, Uebersicht and Brkenntnlss des allgemelnen nrs&ch*
Itehen Zasammenhangs der Begebenhelien, wobei die elne Stofe
die Torohristiiche Geschichte ausfdhrt, die nachchrlstiiche wieder^
holt; die hndere nmgekehrt; in den oberen, denen nidj^ichst
mriverseHe Geisteseatwickdang nach alien Richtungen and Gaben
aitgehdrt) schreiiet sie, ihren Stoff &hnlich vertheilend and wie-
derholend, allmldillcfa bis aar eigenUicben Calturgeschichte vor.
Hiermit ist ei^entlichx im Wesentlichen der Inhalt der scb&tz*
baren SchrUt Assmanm darchgesprochen , einiger noch darin be-
rilhrter practischer Fragen wollen wir lieber welter unten in
aweckmasslgerem Kusammenhange ^edenken. Wir wenden ans
also jetit vielmehr dasa, die wichtipen von L^beU angeregten
Fmgen genaoer za besprechen.
Ww LObeil zar Sprache gebracht hat, ist wenig*, slnd
elgentllch nnr, strong genommen, zwei eng zasammenb&ngende
Pnnote; ist also lange nicht amfassend and ersdidpfend genag
fir yie hier k Betracht kommenden Fragen $ aber was er
^egefcen hat, ist ron grosser, etngreifender Bedentong and
8# gebihrt ihm ehi lebhafter and ianlger Dank dafttr. Er
weist nemlich rorzagsweise daranf hfn, dass die Geschldite
ein anendltch gedankenrelches, aber aach in Ihrer granzen Art
md GUedorang ein der gtnzen conseqnenlen gedankenmftssigen
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26S Prafung der neoesten V^irscUilge fttr meihodiseheii
AttffassaDg* OBgemeln flAi^es and bedfirfUges Gebiei !st. Gestelit
er aaeh die gan%e Wicfatigkeii der fttr alles GeschlclitHciie so
Boihwendigen Aaffassmig des Nacheinander and der dem ang'e-
messenea Darsteliungsforni in der BnHbiung sit, so ist ihin docii^
wie scbon aBgedeutet ward , das eigentlicfae Ergebniss des g«-
sdilchtiicbeii Studiams nicht sowobi die Kenntniss der Ereignisee,
als yielniebr die ibrer Wirkungen, der Verblkltnisse and Erschei-
mmgen, die sicb als ibre Folgegestaltefi and fixiren. Es gilt
bier also vor alien Dingen , der Jugend gegenHber die unemiess-
licbe Mannicbfaltigkelt der geschicbUicben Data zu einer wlrklfcb
beberrscbenden Einheit zu sammeln ; das gebt aber nicbt obne die
Bildung gewisser Scbemata, in denen sieb die sonst in verwor-
renem KnUnel znsamniengerolUen Tbatsacben anf angemesseoe
Weise gruppiren. Die Beitrlige, die der Vf. bierfQr in seiner
kleinen Scbrift gegeben bat, sind ftusserst scb^tzenswertb ; einfge
derselben geben besonders lehrreicbe Muster, nacb denen atieb
in die verwickeltsten Partbieen der Gescbicbte eine licbtiroile
Uebersfcbt fiir die Jugend gebracbt werden kami. So sind die
Eroberungen Alexanders des Grossen, der 43jidirige Diadocfaen-
kampf, die Griindung des fr&nkiscben Reicbs, die Gescbicbte des
ersten bobenstaufiscben Kaisers, and zwar letzteres in der dop-
pelten Form fttr mittlere and obere Classen, bier bebandelt wor-
den. Diese ordnende Vertbeilung erfasst bald die eigentlicbe
Aufeinanderfolge der Begebenbeiten , bald verscbiedene Gesicbts-
puncte der Anffassong; so bei der Grttndang des Frankenreicks
in Gallien and Gernianien. L Beide L&nder zur Zeit der Aafld-
sung des westrdmiscben Reicbs outer folgende Staaten and Vdlker
geibeilt: A. In Gallien a) zwei rdmiscbe Staaten a. s. w. b) zw^
gernianiscbe Reicbe mit uberwiegend rdmischer Beridkerong u. s.
w. B. An beiden Bbeinufern u. s. w. C. Nor auf dem rediten
Ufer a. s. w. II. Grosse Ausbreitung der Mnkiscben Macbt durch
Cblodowig. A. Cbl. anterwirft sicb a) rdm. Gebiet, b) die Amo-
riker, c) Alemannen and d) westgotbiscbe Besitzangen. B. be-
festigt s. Herrscbaft a) durcb die Taufe als katbol. Cbrist, b)
durcb Ausrottung der fr&nk. Fttrsten — Alios vom Vf. nocb in
weiteren Andeatungen entwickelt. Wir setzen nocb zur Verdeut-
licbung seines Verfabrens die summa capita aas dem Lebrstttdie
liber Friedricb Barbarossa bieber : I. Sein WaUen in Italien u. s. w.
a) der Kaiser and die St^te, b) der Kaiser and die Kfarche,
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GeseUelitsimterrlebt a«f Gjnmasieii. %3
e) des Knisers Glitok and Ungrl^ek, d) die AossMibvb^, e) Nene
^fosse ifoffnang^en. II. Seia Wi^n In Deatsckland. A. Die
. ReichregieroBg ini allg^meiiien. B. Fr. and Heinrich der Ldwe.
a) H^richs Wiedereinsetzong*. b) Sein Wachsihum and Ueber-
nntb. e) SeIn Fail* C. Friedriebs Kreazzag* and Eode. a) Jera-
salems Erobenmg>.. b) Friedrichs Sieg* ond Tod. — WIr bllligen
es sebr, dass der Vf. einer solclten wesentlicfa sachiicben Anord-
ufmg vor der eft gar keine Veriniilpfungspancte bietenden ebro-
selogiscben Aofeinanderfolge den Vorzag gtbt; aaf solcbe Weise
wfard ein sinniges Geistes- and ^edanlienspfel als Unterricbts-
nAtel dargeboten, das alle mnenteniscben Kfinste weit binter sicb
VkMi. W\r woUen ancb das nocb berverbeben, woran der Vf.
so ricbtig erinftert, dass es oft gerade duraaf am Wesentlicbsten
aidEommt, in welcben Zusammenbang ein gescbicbtlicber Abscbnitt
luMingestellt wird. Die paniscben Kriege z. B., bemerlit der
Vf., in dem Abscbnitt Ober Kartbago bebandett, sind dem Scbtier
kaam yerst&ndlieb; and, fligen wir binza, der grosse Kampf der
Perser and der Griecben gebdrt in seinen Vorbereitungen wesent-
lieb der persiscben, dann aber pidtzileb mit einem Wendepuncte
im Leben des Darius der bellentseben Gesebicbte an, wo man
also gendbigt ist, aaf einmal abzabreclien, was jedocb der ler-
nenden Jugend so wenig Scbaden bringt, dass es yielmebr dien-
licb sein kann, einmal geflissentlicb den darcb ein Zwiscbenstfick
anterbroobenen Faden besonders wieder aofzunebmen. Daran nan
aber wollen wir gleicb die Frage kndpfen, deren Beantwortung
wir rermissen: In welcbem VerlilUtBisse diese €rltederung. zar
Sr%ahlung stebt? Jene als eine fertige Form mit der Aasfttb-
rnn^ darcb Namen, Tbatsacben, Zablen a. s. w. mitzabringen
and dem Schliler, sei es in die Feder za dictiren oder sonst zu
iibergeben, scbeint mir dem tiefsten and wabrsten Interesse des
Unterricbts za widersprecben; vielmebr darf es nach meiner Ueber-
zeogang^ nar der leitende Faden in der Hand des Lehrers, die
allgemeine Form s^n, die der Scbiiler sofort mit dem bestimmten
labalte za erfuUen bat. Das kann aber der Natar der Sacbe nacb
mir gescbeben, wenn das gescbicbUicbe Snbstrat schon als bekannt
voransgesetzt werden darf, mithin nicbt im eigentlicben Unter-
ricbte, der immer mehr den erzliblenden and wiedererzlAlenden
CbariAter wird tragen mttssen, sondern in der, freilicb eben so
wichtigen, Repetition. Und diess scbeint der Vf. wenigstens
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354 Prflrang ier Maesten VanMikge far n^odiscketi
^efttUt ZQ htkeB, {iden er, was wfar als das xweite VerdfeMt
setocr Schrifi herverheben , unmiUelkar daran treffHche practiftcke
Witike far die Rept^iiioBsabaD^en attgerelbt hat. Fttr dieae steHea
wir denn gem daa beschridiene Verfabren efaier gedankeumjoai-^
gtn Glledertttt^ drs GeachichUmaieriab is de& Varder^rmd,
flcUiessen daran aber die vom Vf. mit so grossem Bccbte en^^li^
kne Uebung der freiesteD ComblDation, die aber niekta ab eiae
Aofg^abe des Tactes end der Vorbereitunir ^^ Lehrera sein ktmm.
Ba lianii Blcbts Verkehrt^es g^eben ah das blosse Abftragen tm
Namen and Zahlen aacb der Iteihenfolge einea CompeDdiiMBs ojer
eiaer Tabelle; der Lehrer lege baid diese eder jene leHende Idee
zam Grunde and streife nan firei dorcb Seitalter and Natiosea
bin , lehre verwandte Namen scheiden j anterschiedene rergleicliea,
obronologisehe Beziebungen aufsachen, Zahlen, Ereignisse^ Nanen
naeb ihrer inneren Verwandtschafi eombinifen a. dgl. m., w^Bti
einige treflicbe Winke beim Vf. S. 71 — 82. gegeben sbid^ I&e
aolcbe Repetition, in frischer Lebendigkeit gehandhabt, kaaa
nieht anders als eine erfolgreiabe sein; nar daaa aie dean aaoh
als aolcbe respecUrt and daber dorcb weit b&afigerea GeilHra«ah,
als gewdbniicb gescbtebt, dem eigentUcb rartragendmi oder eraib*
leaden Unterrtcbt , deasen wesentlkben , vom Lebr er frei A»xgt^
botenen Inhalt der Sdiaier adbalsttodig in n&cbster ^aiite la
wiederholen bat, nfiber gerackt werden mass. Ja, es l&sst sich
aehr gut denlcen^ dasa es einnial notbwendig werden k^toate, efaMa
ganzea Abscbnitt nur aaf solcbe combinatorisck and gtiaderad
repetirende Weise durchzageben, was freilicb wohl ela Lehrbndi
vOraasaetzt. Ebe wir jedock das Bedarliiiss eines sokkea u
begrtyidea snchen, werfen wir bier nocb elne zweite Frage fir
den Vf. aaf:
Ist es wabrscbelnlich, dass man idle Partbieen der QeadiiGye
mit demselben Erfolge oder aaob nor mlt einigem Natzen ia aolcher
Gestalt werde scbemaiisireB kdnnen? Haben alle Zaitalter eime
lAalicbe Eeschaffenheit, alle Vdlker eine gleicb widiiige Annabel
Nach melnem Daffirhalten noss bier gar sebr gesohieden werdta
and zam Tbeil anders als herkdmmiioh za gescbehen pflegi. Dar
Giescbicbte der arienimttschen Vdlker raamte auui ebedem nor efaua
sebr geringfagigen Raam ein; and dock sind diese gerade ftr
das Versteben der Anfange aller Cultar^ «i^ Gdsteaeatwii^Bfang
wie (4r das lackenlose Fortsckreiten des gesokicklUchen Kpanaa
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Geflfbiektraiiterriclit a«f Gymnaden. 255
selber vseBtbelHrlich. D^ss der Sloff kein sdir reicbliattffer mi
nmfassender sein kana, niicht miader, dass auf Veraatkan^eii imi
GombiiiatianeB kein angi^Mhrliches Gewickt ge^gi werden darf,
braacki hter nioht erinnert au werden. Die friber der Behandlmff
ent^e^ensiehenden -Schwierif keiien , die in dem M^igel eher
reckt an^emesaenen KtterHriaeiien Bearbeitanf^ des Gei^enslandes
la^en, siiid neuerdinga so gut wie gana geschwnnden, aamal da
kodk die neaesten, den Zwecken des Unterridils nngenefai ffo-
derlicben Arbeiten von DUtniar nnd ron Ldbell gerade dieser
Seite einen eingehenden sorgsamen Flebs aog^wendet haben.
Uebrlgens muss in dles^m Tbeile die uraeUHache Gescbicbjte ihres
gmz besonderen and aongedeknten Plata finden, weil rieHeldit
kein Volk die eraiehende JMacbt und Knnst, die sicb in der Welt*
gescbtehte offenbart, so umfassend, so klar und so raannichfaltig
darlegt als eben dieses. Nur unter dem besondera gfinstigen
Umstande, dass a«ch der Religionsunterricbt in der Hand des
iGesehichtsIehrers lage und dort der Sache nacb dem abgesteckten
Lebrgange scbon Ibr Recbt yerscbaSl worden w^re, kdnnte bier
das repetitoriacbe Verfabren aur Abkfiraung eintreten* Dass al8«<*
dann He grieeimche und rdmi$€he Geschicbte nacb Inhalt und
Ihnfang roraugsweise au beriieksidbtigen sind, liegt Ja im Interesse
wid der Natur dea Gymnaslnms; man ttbersebe dabei die ein4<i
Zeitlang vielfaeh mit einigen BcUagworten abgefertigte iilteste
Gesebiobte der Hellenen nicbt, da ibre Kenntniss filr das Ver-
standnifl^ ibres ganaen Geistes und besonders ibrer meisterbaftestea
Scbdpfung, der tragiscben Po6sie, yon der allergr6sstea Beden-
tnng ist. Dagegen aber soliie man aur dem Standpuncte des
Gymnasiums weder das ftlittelalter noob aucb die neuere Zett in
80 grossem Umfange behandein, als gewdbniieb gesebiebt* Da*
MitlelaUer bat in seiner katboliscben, romantiscben und rltter*>
licben Entwickelung in Geschicbte und Cultur, Po6sie und Leben
fflr die Jngend a war viel Anregendes, aber das tiefere Verstan^^
niss desselben liegt ibr au fern. Hier sucbe man also iror alien
Dingen elne blare Uebersicbt au gewinnen, durcb die dor ver-*
wickelie Knauel i^ Begebenbeiten entwinrt und der dureb die
heterogensten Elemeute bindurcbgebende Faden festgebalten wird ;
hier wird es sicb gerade aeigen, dass die vonLibell empfobtonen
Sflbemata ibrtn besonderea Weitb baben, w^brend dieselben Midars*
wo, a. B. in vielen Partbieen der griecbiscben Gescbrcbte, wo
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256 Prflfang der neaesten Vorichlipe fflr methodischen
die Erzfthlung* so anmuthl^ und dem jufendllchen Stmie leicht
iehaltbar yerlAaft, yon g^eringerer Nolhwendfgkeit sind. Die
Geschichte der neueren Zeit, so yiel Anzlehendes nnd namenilieh
dem mit selnem Sinn and Streben in die Geg>enwart hinaaseilenden
MngUng Lehrreiches sie auch darbietet, darf doch keinesweg^
in der ganaen brelten FOIIe der zom Thell erst auf den Scbaa-
platz der Weltgeschlchte tretenden V0lh;er, deren Entwickelang'
der Zuknnft vorbehalten \si\ eben so wenig* darf bis in die elg'ent-
Hche Gegenwart gegangen werden und es wttrde daher am inei-
sten wohl zu empfeblen sein, dieselbe mit dem Jahre 1815 abzu-
schliessen. Eine Vereinfachnn^ wird aber auf dem Weg-e am leich-
testen erreicht werden, wenn man sich an die Haupttrlig'er der
Weltgescbicke, insbesondere die germanischenNaUonen, yorzu^s-
weise halt and daran das Folgenreichste aus der Geschichte des
westlichen Europas anschliesst. Kommt nan nodi der Umstand
hinza, dass aaf deutschen Uniyersit^ten der alten Geschichte sehr
wenig*, der neuen sehr yiel Fleiss and Zeit gewidmet wird, mit-
hin aaf Schalen yor alien Dingen nur eine lebendige Anrei^ung'
zam weiteren Stadium desselben geg'eben werden mag : soscheint
es nicht unbillig, was das Zeitmaass anbetrilTt, die Behandlang
der alten und der neuen Geschichte auf Schulen , etwa in zwei
gleiche HUtitn zu zerlegen, wobei nicht zu yergessen, dass
theils eigenePrlyatlectttre, thells mannichfaltfger sonstiger Anlass,
wie bei der Kirchengeschichte, und yornemlich beim deutschen
Unterrichte, die Schttier zur weiteren Kenntniss der neueren
Geschichte fiihrt.
Einen Punct, der in kelner der bier berttcksichtigten Schriften
geflissentlich berOckslchtigt worden ist, glaube ich noch ausdrfick-
Ilch heryorheben zu mttssen, Es ist durchaus nicht gleichgflltlg',
ob die Aufgabe des geschichtlichen Unterrichts in der Hand eines
Fachlehrersy der ihn in mdglichst yielen oder alien Classen erthelU,
Oder in die eines Classen- Ordinarms gelegt ist, der ihn dann
jafreilich, zumal wo der innere Zusammenhang der Aufgabe es
beganstigt, noch in einer anderen Classe auch, nur nicht in alien
durchweg, ertheilen kann. Es ist ebenfalls durchaus wichtig, dass
dieser Unterrichtszweig mit anderen Lectionen und Studien der
Classe in eine wechselseitig fdrdemde Beziehung gesetzt werde,
well nach meiner innigsten Ueberzeugung nur durch ein mehr und
mehr
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GcftcWdit^piteiridtt anf Gjvumkn. m7
npekr bewirktes fneinandergreiCen i^ giesampten UoterrichUi der
withre Se^en an der Bildang der Jugend erreicht werden, kann *).
Und aus dieseni Grunde stehe ich nicht an, so weDlg* ich den
g'rossen Uiufaog der fur dieses Fach aufzuwendenden Arbeit in
Studlen un^ meihodischer Durchbildung* verkenne^ dennoch den
Geschichtsunterricht fiir eine hochst wanschenswfirdige Aufgabe.
des Classenlehrers zu erkl&ren. Doch muss bier von einer naheren
Erhartung abgesehen werden, weil die Griinde dafilr nicht sowobl
in dieseni Lehrgegenstande selbst als vielmehr in der Natur und
dem Gesammtorganisnms des^Gjmnasiums gelegen sind.
Ich verkenne es durchaifti niqht, wie unentbehrlich einem
Gcschichtslehrer in Gjmnasien die selbstst&ndig'e Durcharbeitnng*
seines weiten Feldes und die Anleg^ung* eig'ener Jlntwiirfe und
Arbeiten daflir ist, ich weiss es aus eig^ener Erfahrung* nur zu
wohl, wie der Lehrer durch den sammelnden , umgestaltenden,
inuner mehrenden und bessernden Fleiss seiner Hefte sich so recht
frisch und lebendlg' in die Sache hineinlebt. Aber so wenig diess
feblen darf , so wenig* andrerseits ein entsprechender Geleitsmann
fur den Schaler, dem seine eigenen Ausarbeitungen in der Lage .
und dem Alter nie das werden konnen, was ein lieb und vertraut
gewordenes Studienbuch ihm zu gew&hren im Stande ist* Ich
kann daher nicht umhin hier einen auch von Andern^) im All-
gemeinen offentlich ausgesprochenen Wunsch etwa in dieser Weise
zu wiederholen: Mdgte doch diesem ftir unsere Schulpraxis so
iiberaus wichtig'cn Fache bald ein Reformator zu Theil werden,
der uns. mit einem rechten Katechismus der Geschichte beschenke !
Und zwar miisste diess ebenfalls ein doppelter sein: einkleinerer
fur das jiingere Alter etwa vom lOten bis 15ten, ein grosserer,
fiir die Zeit vom I5ten bis zwanzigsten Lebensjahre berechnet;
dabei der letztere nothwendig den ersteren dem Geiste und Wesen
nach vollkommen in sich befassend. In dem kleinem miisste die
4) Ich habe mich fiber diesen Panct in einem Anfsatze: uber die Ein-
fkhrmg unserer Jugend in das Mterthum, in der MitteUchule^ 1846. H. 4.
S. 481 ff* naher ausgesproche%
5) Peter in der Yersammlnng deutscher Phiiologen und Schulmiinner
zu Dresden (^Verhandlungen S. 101.).
Luhher, ges. Schriften. 17
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G€8<Alclite itt WtU Tor Clirtsto) in dem gri^Bem fie 4er Wdi
luicli Christo das Vorwaltende 9 die yewdbnliche strengere Sdiei-
imng aber, wie sie awischen Welt- iind KhrcheBgescliidite gpetiiadit
sa werdea pflegt, fttr dieaen frOssern, wo ale beaonders ia
Betracht kommt) gansft wegtilUg sein. Geni mftgie dabei aaf
jeder Stufe aoeli wieder zwlschan elaer festen , elementaren Grmd-
hge, die aieh aber aach in dem sweiten Curaas mftg^lichst g-leicb-
nissifr wiederholte, und eiaer weiteren Ausfflhrong' geadiiedei
werden — Aflea aber In organischem Fortgang^ and stetigren
Zasanimenhange) nad in Idarer, biindiger, k^rniger, aaziebendef
Form, daniit der SqhOler stets mit neuer Liebe za seinem Gegea-
alande uad Boche zarilckkehre &nd so allni&hlich es za seiaea
uayerlierbarea Schatze mache. Will ein Kenner des Fachs aas
daaeben mit eiaem methodischen Handbache fttr den Lehrer rer-
aehen, ao wird derselbe sich besonders um jQngere Freunde dieses
eingreifend wichtigen Unterrlchtszweigs wesentllche Verdienste
erwerben. Dena bier, wie llberall, wo es gilt, einen onerniess-
llehen StolT za bewUltigen, ist die Form und Methode, -welcbf
der beherrsehende Geist gibt , das wahrhaft Segenbringende , uad
Ich bin gewiss, dass fernere Versuche auf diesem Felde die Waa-
schenswiirdigkeit eines Leitfadens oder Lehrbuchs in der Haad
desSchttlers, an das freilich keia Lehrer aclavisch sicb zn biudea
hat, best&tigen werden.
W&re die Geschichte nichts anderes als, wie Tittmann*)
meint, ein durch daa ganze Leben des menschlichen Geschlechto
durchgeftthrter Beweis tod der Unfftbigkelt des Menschen 11
vemunftgemftssem OlTentlichen Leben , dann wUre Ton ihr im Gjriiiaa-
sialunterrichte lieber ganz zu abstrahiren als einen solchen Aaf-
wand von Zeit and Kraft einem Gegenstande zuzuwenden, dessei
Erfolg denttoeh Mancheni noch zwelfelhaft erschienen 1st. Aber
sie verelnlgt so grosse Vorziige als Bildungsmittel und hat, weaa
sie vom rechten Mittelpuncte aus gefasst wird, einen so aner-
setzbaren Worth , dass sie darum unsere ganze Arbeit und Mohe
auch kanftig fttr ihre Form wie far ihren Inhalt zu fordem berech-
tigt ist. Nicht nur, dass auch sie wesentlich beitr>, das Ge-
mlltk zu belebea und zu erwiirmen, den Verstand zu erheUea,
•
6) Ueher die Begfimmung de» Oelehrten und »eine Bildung durch Sekmie
tmd UmversitHi S. 201.
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Gesdiickteutenriclit Mt OyniMwieii. VSd
Oeifkehbukm mi Vhvsttmie nit eAen, wdlilttiaeiiifii Mien m
erfldlea, Willen and Motti z« krifUe^n: sie ^bt allein den
Menscken den SUDdpuncty aaf den er sich besfamen and zuredit*
finden kaim ia einer 6onsi fQr flm wfisten mid myersUUidUeheB
Welt, aaf dem er den Mittelpunct aUer eigenen Zwecke, FAbi|^-^
keiten and Brfaknin^n finden and en eifcennen kann , dass AHen,
was Grosses and Ewi|^es yor nnserem Gebte sick bewe^t, ein-
nal in Lasfe der Gescklckte, als die reckte Zelt da war, in
die BrfUllnnff eingetreten Ist.
17*
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$
360 Die Aaljffike wi «egeBwiff%e SkAwg
XVI.
Die Aufgabe iwd gegenwSrtige Slellung der chrisliielifii
P&dagogik.
Die Pida^fik ist ein leuchtender Stern am Firmuieitf
itt WiflseBschaften 9 mit heUem'and reinem ond doch fasimiscki-
bareM Lichte, ak woUie er sich in der Menge jener straklda
Kftrper mkeaclitet verlieren. Sie \ai beidea, Wlssenschaft ni
Kaast; ihr Inhalt und GeireMtMid. ist die Erziehimg' des Meawkt
dieae erale nod letate, dieae grdasie ond erhabenste Aifp^
dea irdiiclien Bemfa* Dean in demUmfan^e liires Wlrkaiaiwutf
der Emielianir l^elne andere Lebenfith&ii^eit gleich ; sie entrecb
aicb ttber die ^anze Welt 9 und yielleicht kein Mensch isi siik
mieinpftogllcb fttr ihren Blnfluss. . Sie ^eht nacb ibrer yftMn
BedentaBg* yon der Wlege bk zum Grabe, sie wird too ^
aebUcbtesten Mntier^ wie von dem weisesten Denker gtM^'^
aber keineswegs auf die Handhabung^ dureb Menscben besckraib} {
die Tielmehr den Bemf zu ibr mit Schicksalen und Verhaltnissei,
Fttgnngen and Erlebun^en tbeilen nittssen. Und ttber demAllei
^eht elnZn^ ronlbr, nnsichtbar aber ^ewaltl^, durcb die gaiie
Weltgescbicbte bin; ibn leitet der himmllscbe.Steaermann selber.
Die Puda^og^ik ist so alt wIe die Welt, und dennodibt
ale, wie e« scbeint, in dem Freistaate der Wlssenschaften riel-
leicbt nocb kein Bdrg'errecbt bekqipmen, sie ist ein dtiiinio; l^*"
vaat^g ^eblieben. Die Jugend der Menscbbeit Ids'te die Aof?^
derselben dureb wnnderbaren Instinct an sicb selber, aberf<>>
ibrem inneren SInne etwas fur Andere aufzuscbllessen, wtfoii
den beverzug>testen Geistern in Ihr ver^onnt; in den Storm- ^
Drangperioden des g&brenden Alters, das zwJscben dem M'
lings- und Mannesalter der Weltgescblcbte llegt, war aodt^
Zeit nicbt sicb der Aufgabe heumset zu werden; die Ge^enwart,
rielleicbt dem Alter des reiferen, reicberen, ringenden Vl^
vergleichbar, scbeint es so zu fordern, wie zuzulassen. ^^^
acbon beben sicb die Ittnde und Blicke yon den yerschieJ^A^
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der christlicben PMagogik.^ 2ftl
Seiten, iini den wcrtfcg'e^rordenen Frcmdliiig slc^ , anziidgiieB,
und den man lange allenthalben yerschm&ht'e, dem mdclite nun
abermals Gefahr des Lebens droben unter dem Sireite der Ricb-
tun^en und Facult&ten. MO^e sie sicb una selbst anfweisen ttber
ibre Herknnft.
Die Plidagogik Oder Erziebnn^swissensehaft will die Gesetze
dessen zum Bewnsstsein bringen, was die Erzieban^ des Men-
scben zn erfullen und zu vollbrin^en bat. Erziebung des Menscben
ist aber seine Erbebung zu dem Ihm vorgesteckten Zicle seiner
ursprttnglicbenBestimniung'; es ist im bdcbsten und letzten Grnnde
seine Zuriickfftbrung zum Ebenbilde Oottes, nacb welcbem er
gescbaifen ist. Von dem alten Adel seines boben Berufs, in dem
der Hocbrautb ibm kein Geniige finden liess, und darum ibn aus
demselben stflrzte, ist Ihm durcb den Ratbscbluss der ewlgen
Liebe nicbt bios von Anfang an wunderbar Vieles erbalien, son-
dern aucb in der FQlle der Zeit AUes wiedergegebeii worden^
was er yerloren batte. Nur dadurcb ist Brziebung tiberall im
eigentlicbsten SInne erst moglicb, und was sonst eine nutzlose
Arbeit qualvollen Ringens, roll tantaliscben Frevels ware^ M
gei'ade dadurcb zu dem segensreicbsten und seligsten Gesob&fte
geworden, das Jeder an dem Liebsten tiben darf , was ibm auf
Erdea gegeben ist. Und ist die Rtickkebr zu der yerlorenea
Gotteskindscbaft die erste und wicbtigste Aufgabe , so gebt nacb
gdttlicbem Willen neben oder binter ibr und mit derselben eng
verbunden die andere ber: dass der Menscb sicb allmftbUcb die
ganze Natur unterwerfen, ibre Krafte, Ordnungen und Gesetze
erkennen und verwenden, alle Ricbtungen und Gaben der Welt,
wie seine eigenen Krafte und Arbeit, dem Herm derselben m
Diensten stellen soil. Solcbe In wunderbarer Riesenarbeit fort-
schreitende LOsung der Aufgabe ist aber der ganzen Menscbbeit
vorgesteckt, und der Einzelne nimnit nur in dem Maasse mit urn
so grdsserem Erfolge an der Arbeit des Ganzen Tbeil, als er
seine Stellung zu dem Ganzen zu wiirdigen, und seine engste
Verbindung in gliedlicber Gemeinscbaft mit ibm, und damit des
Leibes Wacbstbum ziir gdttllcben' Grdsse , zu befdrdern weiss,
gem&ss derMnbaltsscbweren Mabnung, die der Apostel Paulua
Epk. 4, 15 f. (vgl. Kol. 2, 19) gibt, als batte er damtt die
oberste Regel allerErziebungswissenscbaft zeicbnen wollen: Lasset
uns recbtscbaffen sein in der Liebe, und wacbsen in alien Stttcken
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an Die AvfgiAe wU gtstmwMtK^ SteUmif
JHI ieai) Jter das Haitpt ist, ChriBtas, mb wekbem der irmiise
Left BVSMmneBgefllgety Bid e\n Glied am andem liiaget dnrch
•He Geleakey dadarch eias den aadern Handreidhong' Umt Bach
den Werk elnes jegUclieD GUeds in seiaer Blaasse, trad mackei,
daBB'der Leib waehset bq seiner selbst Besserang; and das Alles
ia ier Uebe. Eb kana damm wahrkaft aack aar aas der Ersie-
koag der MeBBcbkdt die Erziebaiii^ des EinzelaeB g'efel^ert wid
Teratanden werden^ aad die Weltgesdilckte im Grosaen «ad
, GaoBeBy die den Plan nnd die Wege der gMtlicken Emielrai^
aelker offenbart, mass avck Ref^I and Ricktscknvr fir daa Er-
BiekflBfstrerk in alien besenderen Lag'en and Ricktangen g'eben.
Ia dieser Anerkenntniss aind alle besseren and Binnig'erea Far-
Bckanf^en i^ef^nwiirtigwokl eiaii^, nnd wftkrend das schoa seit
lander Zett gesckaftig ge^reseae Treiben eines rerbeereaden,
vwadendea and yerhdknenden Rationallsmus aack kier nock iromer,
Bad riellelckt nirf^nds rerderblicker als kier, seine tanken BH-
llien tretbt, bege^en sick zwei andere Ricktungen einander ^erade
aaf diesem Wege einer kestlmmteren Anleknnng an die GescUckte,
w^in anck mit dem Untersckiede, dass die e^e die directe Beaie-
kang* Bum Ckristentbame aaf das Enisckiedenste kwaaskekt, okne
daram das coneeniriscke Verkaltniss der Lekensbewe^nng des
nnsehen znr Geschickte der Mensckkeit irgendwie an yerk^aaen,
die andere dagegen, nnr gelegentlick und ans einiger Ferae
Anklftnge and Erinnerangen ckristiicker Lekren bietend , ein ntiie-
res VerkMtniss za der von ikr treu gepflegten Pkilosepkie der
Gesckickte einsckiagt. Wir wollen beideRicktan^en, jede darch
eiaea acktbarea und tttcktigen Vertreter, und zwar so liesiimmt
Bad treu als mdglick, ikre Sacke fokren iassen.
ErBiekuag, sagi die erste der bezeickneten beUen RlehtoK
gen, ist die Efaiwirknng auf die Totality des Wesens eines nf nsok-
Hchen Individuams zu dem Zweeke, dass es werde, was es werdea
kann and aolL Wie aker der Mensck nickis durch sick selbst wer-
den kann, so sell er aack nickts fur bUA selbst werdea; er ist nickt
abaohtterSdbatzweck, er ist zar Gemeinsckaft gekoren, lebt ia Ver-
kaltnissen — an Gott, zar MenseUieit md znr Natar« Daa erste ist
ab^ das k^rrorragende und das Grand verkaltniss; stdit der Mensdi
BfBT fai der recktea Abkangigkeit von Gett, der tiber ikm stekt, darai
wM er am so ieickter in Uebe der Mensckkeit neien sidi dieaea
and die NaWar unier sidi bdierrscken. Diese beiden Verkiltaisse
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dcr ekrifltlfelm Piiiig^ik. 9^
biUen seiiie mUSekey jene seine reUglOte Erzieliiuiff$ wie /^m
die wahre Qvelle ^eser ist, so bt audi die rel^idse Eaiehmg
die Basis und Quelle aller wahrea SiUlichlieit >)• Wahres Ver*-
hUtniss zu Gott wird alleia gewonnen durch das ChristeBUuHn,
das Heidenihum ist ein Leben ohne GoU (Eph.2, 12.); die reli-
giose ErziekuBg* muss^ eine chrisiiiche sein, die oareligidse aber
avgleich else unsittlidie, nicht, wiejene, sich aum Suchen Goitef
v^Uiread, sondern eine Krziehuogr zur SelbsUpucbt^ sei diese
mtu eine mdncbiscli-asceUscbe, oder eine stoisch-apathisdiey
wuraele sle in Ebr^eiz oder Herrsehsucht, Hab-^oder Genuss-
sucht. Obne den Mittelpunct aller Bildunf^, die Bexiehuai^ anC
GoU 9 wird die Kraft des Mittelpuncts sidi auf die Peripherie
werfen, und der Betrieb des Gewerbs, der KunsI und der Wis-
senscbaft selbst zur.Relig^ion, zum CuUus^ aber damit znni Gotzen-
dlenste werden. Ohne diesen MittelpunGt, der das Grundv-er-
bidtnlss der roenschlLchen Naiuar ist^ wird das Gleidigewicbt der
Seelenkriifte g'estdrt und die Erziehuog wird eine einseiiigpe und
ansserlicbe, wendet sich an GedlU^btoiss, Verstand und Routine,
statt Geist, Herz und Gesinnoug zu ergreifen, die Bildung wkd
swr Tiinclie und Dressur, bei der die grdsste Rohheit bestehen
Meiben hann und -- bestehen bleibt*
Dass das ChristenUtum die Religion der SitUichkeit sel,
dass es wahrhaft, aber aoch, dass es allein zu dem fikhren k6nne|
1) „E8 gibt iLeine ErlLenntniss des Gaten, lieine wahre Moral ohne
die ErlLenntniss Gottes , des absolnt Guten ; er ist die Liebe , d. i. die ab-
solute Gate , die Tollltominene , sich selbst mittheilende Lebensfnlle Csummttin
bonnm est commiinicativiiiii sui) ; Alles , was gut ist , ist es nar darch seine
Gitte , dnrch Mittheilnng seiner Liebe , darch das Ehe»bUd seiner selbst, and
was schlecht ist , ist es nar darch den Gegcnsatz gegen ihn. Nar das oder
der absolat and anendlich Gate Iiann Princip , Maass and Ziel alles relatiy
Gaten in der Endlichkcit sein. Jede Moral , die nicht Religion ist , ist ent-
weder nnr eine biirgerUche Sittenlehre and begniigt sich mit jcner Gerechtig*
k0it der Werke , die aacli der natarliche Mensi^h, obwobl scfawach , doch sich
selbst dnrch seinen eigenen WiUen geben kann , oder sie btetet nar abs-
tracta pro concreto , Schatten far Wesen , and yersteigt sich bald im
eigenen Geiste anf die eitlen HOhen der Selbstgerechtigkeit ( Aatomomie),
bald rersinkt sie wieder in eadamonistische Geniesslichkeit. Das Heilige
ist das Ineinandersein des ReligiOsen and Sittlichen ; das Heilige wird nnr
iai Allerhelllgsten, d. i. in Gott, erkannt/' E. Sartwriui van der ht^
Uehe U , p. 1X«
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361 Die Aaf^abe mi gegenwhrilge SieWnng
dessen denn doch wohl noch keln Erz!ehungi»princrp hat entbeh-
rtn wonen, bedarf flir die christliche VorsteIli]ng> des Beweises
Blcbt. In ihm sfnd Religion nnd Sittlichkelt als Qaelle and Er-
sdieinungsform nnzertrennliche Correlata; was der Mensch von
selnem besten Selbst durch sich selbst verloren , er findet in Gott
68 wieder. Nachdem die grosse Thatsache der Erlosang' alien
Menscben den Wcg find die JMdglichkeit wieder zu Gott zo
kommen, eben damit aber die Mdglichkeit der sittlichen Wieder-
gebnrt, der yollstcn and wahrsten Lebensbethatig'ang' auf dem
Gmnde seiner nrsprtinglichen Wesensbestimmung- gezeig^t hat;
seitdem geht die Bedilrftigkeit nnd Fahigkeit der Erlosung mit
der Bediirftigkeit nnd Fahlgkeit der Erziehung Hand In Hand
imd \ilk\i mit jener gleicben Scbritt. Aber eine andere Frage
ist die, ob sie denn wirklich den Menscben nach der Moglicbkelt
seiner von Gott gewollten Entwickelnng zu seineni Rechte kom-
men lasse, alle seine Aniagen and Krafte zu harmonischer Ent-
faltnng bringe and nicht, wUhrend sie ihm Blick and Rr^htang
nach ohen st&rke and befestige, Sinn and BethHtigung um ihn
her yielleicht mindere and schw&cbe; ob es denn wirklich za
Wissenschaft nnd Knnst, zn practischem and technlschem Bemfe
in dem rechten Verh<nisse and in geeigneter Vorbereitang stehe.
Von einer Uniformirung der Getster — vielleicht einer Gefahr
nnd einem Unstern nnseres Jahrhunderts — kann bier nicht die
Rede sein ; wenn aber eine wahrhafte Gemeinschaft der Menschen
erzieU, wenn alle im Leben sich entfaltenden, so hochst verschie-
denartigen Richtungen , geistige and physische Gaben and Krafte
dennocfa am Ende wirklich in einander greifen and zu Ehiem Ziele
fflhren sollen, wenn der Wille Gottes, der den Menschen znm
Herrn der Natur einsetzte, nberhaupt zu yerwirklichen ist,^ wo
anders ist auch fiir das einfachste natiirliche Bewusstsein dieser
Halt- and Mittelpunct zu linden als in dem Christenthume ? Wo
Miebe das Band, das alle Wissenschaften, die ohne dieses nor
in ihrer Verelnzelung dastehen nnd aus dem gemeinsamen Mittel-
poncte heransfallen wtirden, als Mitarbeiterinnen fiir die Idee
des Gottesreichs zusammenh<? wo jenes nnentbehrliche Pr^er-
vativ, dessen Mangel den edelsten Reichthum der Kunst zu einem
Blittel des entartetsten Sinnen- und Gotzendienstes herabsinken
liesse? Erst Im Christenthum gelangt der Mensch ilberhanpt zn
selnem persdnUchen Werthe und Wesen , zu dem Ihn sein Schopfer
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der christUebcn P&dago^ik. 365
benifen liat, and niir dnrch dasselbe ist die Atmpt^ng tintr
scharf bestimmten Eigenthttmllchkeit erst md^idi. Die PersOn-
lichkeit ^) des Mensclien abcr, von der die vor- und aosserchrist-
liche Welt Irefne Ahnung^, wre denii auch lieiaen Nanien dafUr,
bat 9 ist seine absolute Beziebnng' anf Gott, ist die vdllig'e Hin-
ghhe aller seiner Wiinsche und Neig'ungen, seiner Gedanlcen nnd
Empfindungen an die eine Bewegnng seines Innem, die, yon
allem Anderen in der Welt sich geschieden wissend und dem-
selben sich entgegensetzend, seine ewige, sowohl ursprfinglich
von Gott ^eg-ebene, als nie endende Einheit mit Gott in sicher*
ster Ueberzeugung festhalt. 1st der Mensch denn nun aber dieses
liber ihm stehenden unendlicben Geistes inne ^eworden, dieses
Gefuhl aber in sein Bewnsstsein ttberge^an^en , und hat cr end-
lich dcmselben in Demuth und Liebe sich willig und vdlli^ bin-
geg-eben: so hat er auch eben daniit die bei aller Erziehunf
nothwendig vorauszusetzende Fahigkeit zum Glaaben an Gott,
die Empfan^lichkeit fur die Offenbarungen seines ewi^en Wesens
erlang^t. Wil- durfen darum getrost mit deiu Ori^enes ^) sprechcn:
die Seele ist eine geborene ChrisUn^ ohnc dass wir deshalb
irgcndwie zu besorgen haben, es m^gie dem Geiste Gottes da-
darch etwas von seiner uninittelbaren schdpferischen und bele-
benden Kraft entzogen uird der nienschlichen Scele etwas Ursprunff-
lichcs und Selbststandiges beigemessen werden; vielmehr zicht
diese Hire Anlage sie nur urn so st&rker zu dem Gegenstande ^
ihrer Schnsucht bin. Denn nicht in den ang-eborenen Ideen, nicht
im Menschengeiste iiberhaupt, nicht in der geisUgsten Beweguuff
seiner Gedanken konnen die Offenbarungcn Gottes vor sich gehen;
das Abstractum seines Denkens, das ewig Jenseiti^e soiner Vor-
stellung kann ihn nicht befriedigen: ier personliche Mensch will
einen personlichen Gott haben; er ist durchaus ein historisches
positives Wesen, darauf angdegt, durch und durch von der
Objectivitat abhangiff zu sein, nur durch sie zu sich selbst zu
2) „Die Person ist nach kirchlMihem Begriff jener einzige Central-
punct , jenes Icli eines geistigen Wesens , welches alle Radien seiner Spliare
einigt, indem es sie im Selbstbewusstsein eben so woW von einander, als
von sich unterscheidet , und doch zugleich sie alle unter einander und in
sich verbnnden halt." E. Sariorius von der heU. Liebe 11,. 15, Anm.
3) G. V. Lasaulx ub. d. %nd. d. gr. u. rbm. Merth. Anm. 22.
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36ft Die AptgMbe mi gegenwMige StelluDir
luHunieii and etwas in werden; oar in einer n^esoUchtliclieny that-
sdchUeken Offenbaniiig Gottes findct er sein Heil and Geufig-e.
In Jesu Chrlsto hat sich Goti dem Menschen ^eoffenbart, ist
ihn Uaisrerwandt, inAllem gUlch geworden, ausser derSdnde;
Chrlstus Ist die einaige Offenbarang* Gottes, darum ancli der
einaii^e Weg zu ibm. Und wie die Verheissang* dieses Welt-
beilands dem ersten Menschen bereits gegeben worden ist, so
ist Ton dem ersten ErschalTenen an die Anhge zum Glanben an
ihn, sich in der Sehnsucht und dem Barren der vor ihm ^ her
gehenden, derHingabe und Durchdringnng' der nach ihm folgen-
den Jahrhonderte Icund gebend, des Menschen seligstes Erbtbeil
geUieben. Da aber weiter die leere Vermittelung und All^e-
meinheit nicht des Menschen Wesen undNatur ist, aondem viel-
mehr UnmittelbarkeJt, Bestimmtheit, Begr&nzung, EigenthOralich-
keit und feste Auspriignng, so offenbart er dieselbe in der ihm
%nr Aufgabe gesteliten weiteren BethHtigung seines Triebes nach
Gemeinscliaft mit der Menschheit, der in seiner Bestimmnng zur
Liebe wurzelt and in seinen Organen zur sprachiichen Mittheilung
einen lebendigen Ausgangspunct hat Mit der Familienliebe be-
ginnendy entEaltet er sich spftter einerseits zur politisch - natio-
nalen, aadrerseits zur kirchlich - confessioneilen Bestimmtheit, da
er far die ftussem Zwecke des Lebens inWahrheit keinen gerin-
geren Vereinigungstrieb besltzt, als fflr die hdheren in kirch-
Ucher Gemeinschaft. Hierneben behftlt seine eigenthUmiiche Ent-
wickeiung auf der Einen gemeinsamen Grundlage noch einen hin-
reichenden Raum.
Aber wie bringt der Mensch sich denn zu solchem Ziele
bin? Vermag er es selbst durch eigene Kraft? So wenig, dass
wir vielmelir nach dem gdttlichen Vorgange , wornach aile grossen
and wunderbaren Fnlurungen fast immer mittelbar oder unmittelbar
in Menschenhand gelegt sind, anch hier in vOlliger Allgemeinheit
bestimmt aussprechen nittssen: der Mensch kann nur durch Men-
schen, der Ungebildete nur durch den Gebildeten u. s. w. erzo-
gen werden, and es erhellt schon hier der ungeheuer wichtige
Einfluss, den die Pers5nlichkeit des Erziehers nbt. Man kdnnte
hierbei es nun filr genttgend ansehen, dass dem Zdglinge ehi
Vorbild gegeben werde , damit der rechte Reiz zu freier Selbst-
bestimmong nach diesem Muster oder Vorgange das weiter Ndthige
in ihm seHist vollziehe; aber dandt %t nicht eine ausreichende
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der christtielieii PMt^o^. 397
Tliitigkeli eraielt, well die Frelbett seines Willens nielit Moss
die Md^lichkeit einer entgei^eB^esetzteii Selkstbestimmuni^ zaiftssf,
sondern aacli nach elner nsr za sehr beg'rttndeten Erfalirang' sieii
in einer g'anz anderen, dem erzielienden Vorbilde entg'egeng'e-
setzten Weise beUillti^t. Dies gehi nicht aus einer Anlage^ am
weni^ten der nrsprttn^Uchen nacli ^dttliclter Ebenbildilclikeit,
sondem aus der dnrch die lelblicbe Abstammang* ibm einwobnenden
yerkebrten Rkhtung^ der Riditong^ anf das B6se, henror; diese
ist aber in ihrer Abwendanf^ oder znleizt rdlUgen Scbeldnn^ von
Gdit der Hang zur Selb$l8uchi und SelbstTergdtternng. Wenn
derselbe nan aber nacb alien Seiten bin sicb ersireclit und alle
irar ersinnlichen Mittel za seiner Befriedignng ergreift^ so gilt es bier
far denErzieber, seine ganzeSorffalt und Wachsamkeit anznvrenden,
dass der ZOgling unyermerkt, aber sicher in seiner ganzen Lebens-
betbMigung von dieser Ricbtung hinweg und anf dieSehnsucbt nach
der yerlorenen GoUesgemeinschafl hingelenki werde, indem er eben
80 gewiss die fluchwttrdige Gestalt der Sfinde nicbt bloss Susser-
licb und ged&chtnissm&ssig auffassen , nocb fiber die klare Erkennt-
niss des engen Zusammenban^ aller seiner Neig^ungen, Febltriite^
Verirrungen mit seiner grundyerderbten Natur an der Ursprfinp-
llchkeit und Sicherheit seiner ErreUungsfUi^keit yerzweHehi , als
andrerseits fiber dem steten Hinbilcke auf alles Aeossere, Irdlscbe,
Beschrftnkte den Blick auf das Ewige, Unendllche^ fleilig'e zu
ricbten nicbt yerlernen soil. Der cbristlicbe Erzidier Ist daber
wesentlicb ein Organ des Erasers , er konimt In seiner KrafI
und siebt nilt unerschfitterllcbem Vertrauen das Gelbigen seiner
Bemttbnngen als eine Verbeissung «etiie« ^elstes an; in ikm siebt
er die alieinlge Quelle , wie das hehre VorbHd seiner ganzen
ErziebungstbHtigkeit ^). Und er steHt damit den Oegenst«id der-
4) „ Wie Tiel branchbare , selbst aus christlicher Lebeirsansicht hcrvor-
gegangene Erziehongs - and Unterrichtsschriften wir aach haben> eine ecM
christUche Erziehan^lebre > die , ganz aus dem Lehr- und LebensffUde tjhristi
abgdeitet^ ein treaer Abdmok seiner uiiergraiidHohen and allein heilsamen
Brzieber-Weishett w&re^ yeroiisseii wir nooh. Aber wie nnr das Wort,
BUT die L^re, die des eigenen Lebens Kraft nnd Lioht in sich tr>, in
Andem Geist nnd Leben zn erwecken yermag, so kommt anck hier kein
Lebrer fiber die Notbweiidigkeit hinweg, sick selbst zun&ehst in Christns
bineinzoleben , hineinzabilden, sich selbst ton seines Crelstes Znckt erzlehen
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268 Die Anf^abe and ^e^enwartige Stellang
selben nlcht etwa ungebilhrlich heraV, vielmebr ansserordentlich
hecb empor; denn je fester er sokbe Lebre und Einsicht von
des Menschen angeerbter SOndhaftrgkeit halt, desto lebendig'er
nnd wirksamer wird ibi» aucb die erl^sende und zu der ursprQn^-
Hcben Gesundheit zurtickfiihrende Kraft seines Heilands. Binen
je hdberen Grad der menscblichen Erziebung'sbedurftigkelt er
annlmmt, in einem eben so hohen Maasse ist darnacb auch die
Brziehangsfahigkeit desselben gesteig-ert. Und wahreud die raate-
rlallstiscbe und naturallstiscbe Erziebung* auf diesem Wege ibre
entscbledene Abfertignng enipfangen, erscbeint die idealistiscbe
nacb dem Maasse ihrea Antbeils an der lauteren Wabrhelt eben
In dieser, der cbristlicben , in ibrer tieferen BegTilndung' und Ver-
klarang, und allerdings werden, wie Einer gesagt hat, die be-
kannten Principlen der Humanitdt und Divinitdt sich in einer
dritten, dem Namen nacb nocb unbekannten Grdsse, der Chri-
stianitdtj vereinigen lassen. Dieses ist aber nacb biblischem
Ausdrucke nicbts Anderes als die Kindscbaft Gottes, das neue
Leben durcb Cbristum in Gott, daniit aber das ewig-e Heilsgut
selber bezeicbnet, desseii Erkenntniss, Aneignung und Bewabrung
die Snmma cbristlicber Ethik ausmacbt; aber wir erkennen und
bedenken die ungebeure Mannigfaltigkeit menscblicber Individua-
litaten, und ftigen zur Bescbrankung des Gesagten sofort das
bei, dass.Yon einem Streben nacb Einerleibeit oder Identitat mit
Cbristo, Oder yon eInem farb- und leblosen, alter Unterschiede
und besiimmten Markirung v6\\\g entbebrenden Zurichten der
menscblicben Seelen , von einem Nivelliren der Geister lind Pby-
siognomien in einem abstracten, inbalts- und g-egensatzlosen
Cbristentbum bier gar nicbt die Rede sein kann ^). Grade in
dieser besonderen Vorbereitung und Elnfiibrung der in der eigen-
zu lassen*^ u. s, w. K. J. Blochmann: Heinrich Pestdiozzi, Lpz. 1646.
S. 179.
5) „TVie das allgemeine Leben der Pflanzenwelt in jeder der tausend
und aber tausend Pilanzenarten sicli wieder in besonderer , eigenthimlidier
Weise, ubrigens dock in yollkommenem Typns, anspr^gt, so gebt aucli
das Leben aus Gott in jede menschliche Persdnlichkeit nach dem Maass
ilirer schdpferisch gegebenen Anlage ein, und gestaltet sie innerhafb der
Schranken dieses Maasses zu einem voilkommenen Reflex der Gottheit'*
L. VoUer, Beitrage zu einer christlichen PHdagogikf S. 44 f.
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timmlichen Mimliiiii^ von Kr&ftoi und Gaben ihre persdaUche Be*
rechUguog' Qbenden einzeloeD Seele in ihr uranf^gliches Erbtheil
hat die eliristliche Padago^ ilur Walten, nnd l&sst somit den
roUien Faden dieser Wissensciiafl, den iiire verknQpfende Hand
halt 9 von der Sitten- bis zur Seelenlekre hinOber- oder richti^er
von dieser zu jener vorwHrtsgehen ^ fOr die sie in derseiben
Verlcuttdigung', die sie in den Besitz jenes Heilsgntes hineinfiihrt,
d. i. in dem WorteGottes, die entscheidenden GrondzOg'e nieder-
gelegi findet®)* Mit diesero letzten ist denn aueh ^eni^nnt, was
als der elg'entliche Kern und Miitelpunct, die Richtschnur und
Lebensltraft aller Erziehung* ang^esehen warden muss; das Wor^
und der Geist Christi sind die wahrhaften und einzlg'en Erzie-
hun^smittel, alle anderen aber, so viele ilirer aueh sein mdg'en,
die bei der Abwendun^ unzahliger Zo^Iing^e auf frilherer und
8p&terer Lebensstofe von dem g^ftttlichen Leben nicht entbehrt
6) Schones Bekenntiiiss daruber bietet aach A, F.mC, Vilmar, Schul-
reden iiher Fragcn der Zeit , Marburg 1846, in dencn man mit wahrhafter
Frende ein kdstliches Zcngniss christlich - kirchlichf n Geistes aus dem Leben
der Gelehrtenschulc begrusst; z. B. S. 161 ff. , wo er „aus den drei verschie-
denen , den theologjschen Gebieten entspreqhenden Gebicten der P&dagogik :
dem des Wissens, der Gesinnung and der Handlung, nur je einen Punct faer-
anshebt, urn an diesen Stiickcn das untergeordncte , aber kindlicli innige und
kindlich freie Verhiillniss der Padagogik zur Theologle darzuthun. So wird
von alien Seiten mit yollkommener £instimmigkeit die Psychologic als einer der
ersten and hanptsSclilichsten Bestandtheile der p&dagogischen Wissenschaft
bczeiohnet. Wo aber findet sich eine wahre and wirkliohe Psychologie als im
Bereiche der Theologie ? Wo findet die Kunde von der Seele iUren Boden,
in dem sie Wurzcln schlagcn und aus dem sie ilir Wachstham and Gedeihen
Ziehen kann, weiin nicht in der kirchlichen Wisscnschaft? Wer hiit einc
Antwort auf die Frage : wohcr die Seele ihre Nahrang ziehe , durch welche
sie wachst and gedeiht an innerem Wohlgefahl, an dem Bewnsstsehi des
innern Gleichgewiehts, der Sicherheit and Festigkeit, an Frieden nndRahe?''
n. s. w. , nnd etwas welter: „Und wo iiegt der Schliissel far die alte,
einfache nnd doch tiefsinnige Lehre von den Temperamenten , wenn nicht
in dem Worte und der Geschichte des Reiches Gottes ? Wodurch wird nns
das innerste Wesen nnd die Bestimmang dieser Naturarten anfgeschtossen,
wenn nieht daroh die genanere Betrachtung and Kenntniss der Propheten-,
ETaagelisten - and Apostelamter , durch die Lehre vom S&emann, durch
die ausgetheilten Talente nnd durch die Lampen in den H&nden der Jung-
frauen?" a. s. f. Ich stelle daza noch die Yerweisung auf das Urtheil
elnes eben so erfahrenen Melsters , Blochmann in Dresden : „ Ueher das
Herz und seine Pfiege bei der Erzielmng /' H, 7, 15 f.
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370 Die Aii%ahe mi gegmwMlg^ SteWumg
werien kfinnen, mOsseif^ well tie dem insserlidieii Leben md
^esetaiicheii SUndpancte ang^ehdren , ron jenem ersten, eittafg^n
and hddisteii g^eheiligt und durchdrasg^B werden, bis der Z^-
Mng mit dem erafigelisehen Siandpancte aoch die gfeicharttge
Einwirkung erfshrt. Aiif diesem Grande sieht der Erzieher der
reichsien Belehrnng und kr&ftigsten Untersltttzung fflr alle ein-
selneBy nodi so mannicfafaltigen , noch so sdiwierigen F&Ue eni-
gegen, mdgen dieselben aoch alle Stadien, yon dem tlefsten
Attfange geseUlicher Gebundenheit bis znr sehdnsten Hdhe eru-
gelischer Freiheit, darchlaafen. Und so steigen denn in setnem
Innersten GemQthe fttr sein ganzea Sinnen und Than , seia I>«UeB
and Hoffen in den reichgesegneten Standen stiller Feier und Er-
bebong die KrAfte dieser hdbem Welt wie segnende Engel aof
and nieder.
Macb diesen Erw&gongen wkd die Pftdagogik von der
Geschichte in ihrem ganzen Umfaage, der Geschichte der Vdlker
im ^Allgemeinen and der heitigen Geschichte insbesondere, der
Geschichte der V^ossen Weltbewegangen , wie der stillen Zage
des innern Seelenlebens , in keiner Weise zu trennen sein, and
mit einem ttberraschend gliicklichem Tacte ist die beste Th&tigkeit
Ift der Litteratar dieses Gebiets auch wirklich nach dieser Seite
bin besonders rege gewesen, und mit dem schdnsten Erfolge
gekrdnt worden. Es bedarf nur einer flQchtigen Erinnernng an
die meisterhaften Arbeiten von Fr. Cramer and K. v. Rammer^
an der angetheilten Zustimmang der Sachrerst&ndigen gewiss zi
sein* Die eigentlich sjstematische Behandlang dagegen hat die
rerschiedensten Wege eingeschlagen und in einer zahlreichea
Menge von Erzeugnissen, die schon am der grossen Verschie-
denheit der AnfTassang und des Ausgangspunctes willen sidi nicht
leicht noch kurz in einen Ueberblick zasammenfassen lassen, nit
erfinderischer Schlirfe und Genauigkeit sich erschOpft. Auf cbrist-
licher Basis ruhen die Grundzflge der Erziehungslehre von Dr.
G. Baurj Giessen 1844, ein far den Ueberblick aller auf diesem
Felde liegenden und von dem Einen rechten Mittelpuncte aos
erwogenen Fragen treffliches Bdchlein; von dem n^UnUchen Gdste
durchdrungen ist eine andere kleine Schrift voll goldener Kdm-
lein, die reiche Frucht verheissen: Beitrage zu einer chrUtUehen
Padagogikj von L. VbUer^ Heilbronn 1846 1 noch urn so sch&tz-
barer, well die allgemeine Grundlegong der Wissenschaft nit
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der ebristlichai Pida^^. 271
eifier besoniH^n AasMiruiig der Grondidee nadi tlnlg^n dar
vncMgBlen Seiten hin rerbanden worden ist, nameatlifh in Be-
aiefaung auf das Verh&llniss der Erziehang* %n den Sacramenten ^),
wie an elnem Paar der bedeutendsten Erziehnn^smltiel , der Er-
theilang von Lob and Strafe. Efni^e der Grandideen sind in
Obf^em mit^eUieitt worden, so jedocb, dass das Meiste tbelk
In einer abweichenden Fassung, iheils in einer etwas weiteren
AusftthrHng* und Anwendung* zu g-eben rersncht worden ist. Jeden-
fails soil danilt der reiche Inhalt der Icdstliehen kleinen Schrlft
In keiner Welse erschOpft, yielniehr der sorgsanisten Erwftgani^
nnd Beherziguttg dring^end empfoMen seln.
WIr wenden nns nach diesem Vorgang^e za einer Prttfnn^
der vweiten Ricfatang', von der im Eingange die Rede war, indem
wIr bei dem bestlmmten Bewasstsein, dass das Chrlstentham die
Alles beherrschende, durclidringende , regelnde and lielebende
IMacht ist, jedenfalls die feste Erwartang^ aassprecben dOrfen, dass
jedes, wenn anch aaf ^inem noch so rerscbiedenen oder eigen^
tbttmlichen Wege g'ewonnene Resaltat docb Im letzten Grande
eine dem ehristlicben Geiste nicbt widersprechende, sondem viel*
mehr rers6hnte and zageneigte Ricbtung haben miksse. WIr
wissen es wohl, es fQhren yiole Wege nach dem schOnen Ziele
bin, and wir ehren gar sehr den Versnch, aas der Betrachtvng
der erhabenen Welterziebnng Gottes, aas der Philosophie der
Geschicbte die Grandlage der allgemeinen Erziehangswlssenschaft
za schOpfen. Wenn nan aber fttr die Pildagoglk der philosophiscbe
Weg eingesehlagen wird, so erscheint es als ein Erfordemiss,
den einer bestinimten Philosophie zu wahlen, and mit riclitigem
7) 1) Die Kindertanfe nnd ihre Bedentnng far die Erziehang, worin
nameutlich fur den Erzielier liervorgehoben wird : sie raft ilun zn , erziehe
deine ZOglinge kircliiicli, mitliin fur Christum; sie weis't iJini die Mittel
der Erzieiiung an , yerburgt ilim den sichersten Erfolg und l>eiebt nnd st&rkt
seine Liebe zn ihnen ; aber anch fur die Kinder : sie erieichtert ihnen den
Glauben an ihren Heiiand, stellt ihnen denselben ais eine Nothwendigkeit
dar , breitet aber ihre Seelen einen mitden Hanch des Friedens , bildet in
ihnen eine Macht gegen die Sunde and st&rkt in ihnen den Sinn der kirch-
iidien Gemeinschaft. 2) Die Confirmation in ihrem Verhaitniss zar Kinder-
tanfe and ihrem Einfluss auf Erziehung , wobei heryorgehoben wird: die
Confirmation ist nicht yorzngsweise ein Verpflichtungsact , anch keine Er-
g&nzung der Kindertanfe, and dann die sabjectiyen and objestiyen Erfor-
dernisse fiir dieseibe besprochen werden*
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279 Die AnTf^abe nsd gegenw&rtige Stelhing
GefiOile hat 4«lier die LeMmg^ aaf die wir ans- Mer zomeisi
besidien, and die als eioe yaterlandische begtiissen su konnea
ans doppelte Freude ist, den Ansclilass an die Begelsche Pliilo-
sopliie gewlMi, die wolil ^erade auch am die Pliilosopliie der
Gescliiclite die grdssten Verdienste Iial>en durfte, Wir meinen
Dr. G. Thaulow*8 Erhebung der Fddagogik sur philosophiscken
Wuaenschaft^ oder EitUeitung in die FhilosopUe der Fddagogik^
Berlin 1845, and wollen die Erwagang der Saclie an der Hand
dieser fur jeden Gebildeten anziehenden Sclirift yornelimen, der
zugleich das unleagbare Verdienst gebuhrt, das Interesse der
p&dagog'ischen Wissensi^haft in nnserni Vaterlande angeregt and
niit warniem Eifer rertreten za haben. Es ist zanUcbsi daran
za erinnern, dass auch diese Darstellung* das Christenthuni ab
die Yollendete Oifenbarung des Geistes, die absolute Religion
auffasst, die in ihrem Bcg'riffe solche Allherrschaft und Alldurch-
dringung' als Potenz in sich tragen muss, dass sie die GemQther
mit ihrem religiOsen lohalt erfulU und darnach aus dem christlich*
religiosen Gemiithe alle andern Formen des Geistes entsprlng'ea
l&sst, bis der ganze Erdkreis die christliche Religion bekennt
und in Allem die christliche Sittlichkeit darstellt; dass sie, wenn
auch nicht von ihr ausgehend, doch auf sie hinzuleiten and mit
ihr Alles auszugleichen bedacht ist. Nicht durch sie selbst wird
die P&dagogik hervorgerufen und in ihrer Nothwendigkeit erkannt,
sondem durch die philosophisch-geschichtliche Methode, die sich
nicht so sehr darum bektlmmert, wie der jedesmalige Standpunct
einer Zeltperiode beschaifen war, diese Kenntniss ylelmehr vor-
aussetzt und darin allein ihre Aufgabe findet nachzuweisen,
warum dieser Standpunct einer Zeit nicht anders sein konnte,
als er gerade war. Solche Auffassung setzt voraus, dass es eine
Vernunft glbt und dass diese in dem Menschengeschlechte ihre
Yerwirklichung linden muss. Diesen Fund, den der allmahlich
sich besjnnende menschllche Geist erst auf dem Wege der Erfah-
rung und Geschichte selbst gemacht hat, nennt der Verfasser
die kdstlichste Entdeckung, die der Mensch je gemacht habe;
seitdem sei, ausser den unberechenbaren Folgen, welche aus ihr
far alle Wissenschaften und die Zukunft selbst erwachsen, die
Versdhnung des menschlichen Geistes mit der gdttlichen W^elt-
regierung eingetreten; dadurch erhelle es auch, weshalb die Ethik
bis
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der chrisUlclien Pllda^o^k. 273
Ms auf die neneste Zeit eine so dQrftl^e Behandlan^ g'eftiBdeii
habe, and warcmi erst selt einig>er Zeit ihre eig^entllche Ent-
stehan^ als Wissenschaft, damit also auch jetzt erst die der
P&da^o^ilc (denn ohne die Etfaik fst die P^dag^ogik nicht denkbar,
I S. 20. 33), ia der cbrtstlichen Welt niOglich geworden sei. Es
I wird an den drei Epochen , die in der Entwickelung* des Christen-
I thums angenonimen werden, nachgewiesen , dass erst im Laufe
\ der dritten, seit der Reformation, eine EtbHt mdglich sei, well
! erst da die Versohnung der beiden absoluten Ex^treme , des Dies-
' seits nnd des Jenseits, nnter deren Spannung die Menschheit im
i Mittelalter gehalten wurde , zu Stande gekommen , and das Prin-
I cip ausgesprochen sei, dass im Bewusstsein allein die St&tte des
I Hinimels ist, and dass das Bewusstsein in dieser Welt sich za
I beth^tigen babe. Ich furchte, dass hierbei die erate Periode
[ Id bestimmter and scharfer Zeichnang (es wird nur gesagt: es
I k6nne in ihr sicherlich yon keiner Wissenschaft die Rede sein)
i zu kurz gekommen, die zweite za hart beartheilt and die dritte
I ilberscliatzt worden ist. Von Jener heisst es nlimlich: Wir sehen
I die Menschheit im Mittelalter das religidse Bewusstsein auf eine
! aufrichtige, aber hochst traurige Weise in sich verarbeiten; das
Mittelalter war Entgeistigung des Weltlichen, und daber freilich
i auch Entgeistigung des Gcistes. Keine Zeit war eigentlich un-
I christlicher als die des Mittelalters. Von dieser: Damit ist das
i-letzie und yollendetste Princip der Weltgeschichte gewonnen,
I ctwas eigentlich Neues kann von der Zukunft nicht mehr erwartet
I werden u. s. w. Ja, wir finden auch die Stellung des Christen-
1 thums selber und ihr VerhSltniss zu den verschiedenen Religionen
I nicht genugend, noch richtig bezeichnet. Denn wenn behauptet
i wird, dass die Abhangigkelt der Sittlichkeit von der Religiositat
I in der christlichen Religion in demselben Verh^ltniss bleiben
I niiisste, wie in jeder andern Religion; dass die Religion einem
Volke etwas Vorzeitliches ist, und dass ein Volk dann uber-
haupt erst Volk ist, wenn eine gemeinschaftliche Gesammtheit
dieselbe Religion bekannte, so rermag ich dafnr die ausreichen-
den Beweise nicht zu erkennen. In der griechischen und rdmischen
Religion ist entweder gar keine oder nur eine sehr geringe Ver-
bmdung mit der Sittlichkeit , oder wo sie mit ihr in einer gewis-
sen Verbindung stand, war doch weder Lehre noch Cultusform,
sondern das natiirliche Bewusstsein vom G<)ttliclien die maass*
Lubker, ge», Schriften, 18
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274 Die Anfg^abe find gegen^whtilgc Stellang*
gebende Norm far das SitlHche; die chrlsHicbe Heilsiehre dag-e-
gen ist die innigste Durchdrin^ung' beider; sie ist That und Lehre,
€laaben usd Leben, beides aber in, durcfa and mit einandcr.
Das hellenlsche Volk war liin^t and fiihlte sich als ein trotz aller
VerschiedenheU in Verfassung- , Caltas , Spradie u. s. w. stammrer-
wandtes und zasammengehdriges Volk, ehe seine Religion audi
nar bis za ihrer Haaptentwickelung fortgeschriiten war, ja, es
Ist eben dieses vielleicht eine der wesentlicbsten Eigenthilnilich-
keiten in dem Unterschiede alter Rellgionen voni Chrlstenthame,
dass der Inbalt ibrer religU^sen Vorstellangen eben mit dem fort-
scbreitenden nationalen Leben and Character sich entwickelt and
historlsch aasgebildet, daher selbst feindselig einander entg-eg^en
wirkende oder in ihrer Herrschaft einander verdr&ngende und aaf
einander folgende Gottheiten aufzuweisen hat, w^rend das Chri-
stenthum wesentlich That ist, die es, von Ewigkeit her bescblossea
and Yorbereitet, in der kttrzesten Spanne der Zeit, ja in dem
Raume von Stunden vollendete. Alles dieses ist aber fiir die
tiefere Auffassang* des Christenthunis in seinem Grande and Wesen
In derselben Weise wichtig", wie das Verh&Itniss desselben an
der Yoraufgegangenen Weltperiode, das entweder gar nicht
hinreichend zar Sprache gekomnren ist, oder, wo es einmal ver-
iibergehend besprochen wird, sowohl dem Heiden- ^), als d6m
Jadenthume^) gegeniiber eine positiYC Abgrenzung Yermissen
liisst. Eine solche aber nach alien Seiten bin moglichst scharf
and bestimmt zu fordern scheint uneri^slich, wenn der Sats:
dass kein gegenw^rtiger Mensch mit Sicherheit beg'riifen nnd
erzogen werden kann , wenn nicht die Kenntniss der Entwickelung
der ganzen Menschheit and der Erziehang des Menschengeschlechts
8) „ Empdrcn musseii aber die Urthcile so vieler FrOminler , die fiber
die Heiden herfahrcn, als warcii sie qaa Heidcu dem ewigen Vcrderben
gewidmet, vergessend, dass die alten VOlkcr gerade so viei geiefstct habcn,
wie die ansrigen; denn alies nacli seiner Art and seiner Gerechtigkeit,
d. h. nacli seiner Voranssetzung," S. 75 ff»
9) „Ein ganz rohes Voili, oliiie alle Bildung, znm Trager and Organ
der geofTenbarteu Religion aaser\\alilt. '' S. 27: „Der erste yermeinUicli
absolnt uiouotheistische Gott wardc selbst der Auraug des successiyen Poij-
theismus , als monotheistischer nar festgehalten von Einem Volk , bis audi
dksscs endlich erfahrcn mnsste, dass es sich geirrt: denn der Gott der
Jnden war dock nock imner nicht der wnhre <iott.'' S. 74.
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dcr christJichmi P&dagrogik. 275
roran^eg'an^efi ist, in seiner Wahrheit behauptet werden solL
Denn es hikngi ja hfervon un^lanblich Vieles ab , was bis in die
Betracbtung der Gegenwart and Ihres eigentbttmllchen Gharacterfi
hineinreicbt , so dass es fast scheint, als ob darnadi die Welt
vor Christo in einem best^ndigen and iiumer vollkommneren Fort*
scbreiten begriifen gewesen, bis denn eben mit der Pflanzung
des Christentbiims ein ganz neues Geisteslel>en wie von rorne
angefangen babe, worin die Summe des bisher in dem Bewasst*
sein der Menschheit Erreichten yollkonimen begriffen and auf eine
vdllig neae Stufe erhoben worden sei. Anf diese Welse wird
es nicbt klar, in wie fern das Christenthum anch eine aarflck-
gebende Wirkang anf die geschichtlicb ror ihm Uegenden Stafen
gehabt babe, dergestalt, dass der ganze geistige Gebalt der*
selben, In die Bildung der ferneren Jahrhanderte anfgenommeii,
in einer christlich durchdrungenen and verklarten Gestalt in die*
seibe eing^gangen set, obne mit ibrem, dem Christenthume sonst
diametral entgcgengesetzten , Wesen einen anyers^ibnllchen Con-
trast iind Widerspruch im Leben eines Volks za bilden. Dafiir
bat das jfitertbum wahrllch Anknupfungspancte and Handbaben,
Sjmpatbieen und leere«Raume genug geoffenbart; aber bei aller
Ann^berung und Sehnsucbt ist es nicbt in gradaellem, sondern
in wesentlichem Abstande gcblieben, und wir vermOgen nicbt
dem Verfasser nachzusprechen: Da erst das Christentbum das
absolute Bewusstsdn erreicbte, die vorhergefaenden Religionen
aber nur stufenweise sich diesem naherten, so war es natiirlicb,
dass die friiheren verschwinden mussten. Wir mdnen vielmehr;
In dem Keime neuen Lebens, das einst in dem Tode ansers Hei-
lands gepfianzt ward, lag wahrbaft der vollkommene Embryo der
ganzen Menscbfaeitf aber nicbt der werdenden bios, sondern dcr
schon gewordenen aucb, die ihre irdiscbe Entwickelung zwar
schon durchlebt bat, damit aber gewiss nicbt nach gOttlichem
Ratbscblusse von dem Geiste and der Kraft des Menscbensohns
in Ewigkeit fern gehalten werden wird, so wie schon jetzt das
dem evangelischen Geiste verwandte und vers5hnte Element der
vorcbristlidien Welt, unverloren und anyeracbtet, ein Segen der
Xahrhunderte und ein Besitz der gebildeten christlichen Volker
geblieben ist. Wie nun aber im Keime die ganze werdende Grdsse
des Baums scbon rollkommen bescblossen liegt and , so sehr 4er-
selbe aocb aunlmmt ifi seiner &osserlidien EntfoUong , Wacbstham,
18*
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276 Die Aufgti^ and ^^enwftrti^e Stellnn^
Gr^se, Blithe n. s. w., doch innerlich nichts wahrhaft Neacs
irgendwie zn dem nrsprilnglich darin Enthnltcnen hinzukonimen
Irann:. so ist, was das Reich Gottes auf Erden werden fcann iind
wird, im Keime schon enthalien und gepfl'anzt worden mil dem
Erangellum Jesu Christ! selber, das nach seiner ganzen Breite
and lAngCj Tiefe and H6fae alle seine Gaben and Krafte, Br-
Bcheinungen and Thaten, so yiel ihrer m5glich sein werden Im
Laafe der Geschichte der christlichen Kirche bis zum jung-sten
Tage bin: dem Keime and Wesen nach, d. h. an und fur sich,
wenn aach nicht fur uns^ nmschlossen half. In solcbem SInnc
wird wohl schwerllch irg'end Jemand die Entwickeliing'sidee ver-
werfen , wohl aber in der Weise , wie dieselbe hier g-efasst und
namentlich auf die letzte Stufe, auf der wir g'eg'enwartig- seit
der Reformation stehen, so angewendet ist, dass darin erst das
Christenthum zu seinem Rechte, zu seiner mangellosen Vollkom-
menheit gekommen zu sein scheint. Der Volksgeist, Iteisst es
hier, ist der Begriif des Volkes, der sich in seine Momente zer-
legt und Allem, was innerhalb dieses Volkes vor sich geht, seines
Stempel aufdruckt; die ThHtigkeit desselben ist die ^r Potenz,
des fortw&hrenden Entlassens aus sich und der unaufhdrlichen
Riickkehr In sich. Auf dieser Thdligkeit beruht das Gliick, der
Selbstgenuss und der Friihling eines Volks ; seine Krankheit daraaf,
dass die Potenz nicht alle ihre Momente aus sich entllisst and
gehorig aus sich entwickelt; sein Tod endlich darauf, dass das,
was wir die Riickkehr der Potenz In sich nannten, nicht mehr
stattfindet. Bel weltgeschichtlichen Vdlkern ist aber dieser Tod
der Uebergang" zu elner hohern Stufe des Weltgeistes. So wic
aber der Volksgeist ist, so ist jeder Einzelne in dem Volke, der
kein anderes Verdlenst hat als dieses, seing Voraussetzung* , d.
h. die Errungenschaft der vorangehenden Stufen, erkannt und
sich dieser ad^uat gemacht zu haben. Darum , wie jedes Zeit-
alter alle vorhergehenden Idealiter in sich und die letzte Stafe
des Menschengeschlechts die gesammte bisherige Voraussetaang
In sich tragen muss, so schliesst der Mensch, heute geboren,
die friihere gesammte Entwickelung der Menschheit in sich ein.
Ich gebe gern „das unbeschreiblich grosse Resultat der neuem
Philosophie, die Einsicht, welche die Wissenschaften fdrmlick
umgestaltet hat,^^ In diesen letzten Satzen zu, aber ich glaube
mit Recht mich gegen Anwendungen yerwahren za mtldsen , wie
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der chrisUichen P&da^ogik. 277
die , dass jedes Volk eine Stufe des Gottesbewusslseins darsteilen
sollte , bis durch den Process des Polytheismus endlich der wirk-
Hche Monotheismus ini Christenthnme errung-en wurde* Hier ist
vielmehr eine absolute Scheidung' des^Gdtilichen und des Mensch-
lichen : daa Christenthum , aller schdpferischen Kraft and Geistes-
macfat von Seiten der Menschen entnommen, Ist eine absolute,
reine Gottesthat, ein unmittelbar g'dttliches Wirken und Schaffen,
und in diesem seinem ewigen Ursprunge und unendllch reichen
Wesen aller Entwickelung iiberhoben. Es isL daher auch nicht
eine Macht, ein Leben, das erst allniahilch vollst^ndii^ habe heraus-
^eboren werden kdnnen, das in dem empfUngllchen , unigestal-
tenden, ausbildenden Mutterschoosse des nationalen, Insonderheit
des g-ernianischen Volksbewusstselns erst seine voile Reife eriang't
habe; vielmehr Ist zu alien Zeiten in der christlichen Kirche der
^anze , voile Christus , der nach seiner elg^enen Verhelssung imnier'-
dar in derselben ^eg'en wartime, vorhanden, aber freilich gar sehr
durch das Medium getriibt und verschieden dargestellt, durch
welches dieses relne Licht in der sichtbaren Kirche auf Erden
hindurchf^llt. Es muss aber die Integritat und Vollkommenhelt
des christlichen Lebens in einem Zeitalter nicht nach der Man-
nichfaltigkeit der in deniselben sich darlegenden GegensEtze in
Lehre und Leben oder nach der durch diese erschdpften oder
unvollst^ndig gelassenen Ftille desselben , sondern nach der hohe-
ren Einigung und innigeren Zusamnienschliessung derselben beur-
theilt werden. Ich erwarte den Ein wand, dass das auch gar
nicht habe geleugnet werden sollen, dass es darauf aber hier
vorzngsweise nicht ankomme, well fiir die Erziehung des Men-
schen nicht sowohl die Natur des ihn htldenden Objects, als
vielmehr in hOherem Grade die Hinelnblldung desselben in die
menschliche Natur oder dieser in jenes zu erforschen und zu
erringen sel. Ich erwiedere jedoch, dass gerade jenes Object,
welches der in Christo oifenbar ^ewordene Geist Gottes ist,
die vorziiglichste, wenn nicht die allelnige Quelle ist, aus wel-
cher Alles fiir die Verniittelun^ an den einzelnen Seelen ent-
nommen werden muss, diese dagegen mit ihrem individuellen,
80 wie mit ihrem nationalen Bewusstsein, nichts als die von
Gott gegebene vollste Empflinglichkeit und reichste Anla^e
bieten. Weil wir nun aber alle noch so feinsinnlgen und
achtbaren Beslrebungen zur Verst^ndi^n^ auf diesem Gebiete
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378 Die Anfftabe and ^^^cnwarti^^ Siellang
nach Ckrisio aid seineiii Worte %n tneesen berechtigt sind : so
rnnew aii<A y «imal in einer Zeit g^rcnder Spaltangen and schreien-
ier Gegenslitze, wo Vermittelmig und Kuruckhaltun^ gleich ^e-
Murlich schelnt, g^erade tiber diesen MUteJpunct eine Giaig'aiig
stattfinden. Sonst werden aucb nianche Differenzen, die bei der
sp&teren spedellen Anwendung unvermeidlicb sind, nicbt ausza-
glekben sein, well sie imnier wfeder anf diesen letzten Griind
BiirilckkoiiineD. Dass aber mit dieser noch andere wicht^e
Abweichnnges in der inneren Lehre des Cbristenthams auaam-
menb&ngen, die gleichfalls filr uns bier nicht zu iiberg^hen slnd,
wird sicb uns znnftchst nun ergeben.
Wir glanben zu dcni Ende dasjenige hervorheben zu mdsseB,
was in dieser Darsiellung iiber das Verhaltniss GoUes ztir Weli
und fiber des Meischen ursprttngliebe Stellung und Natur g-elebrt
wird, well insbesondere hierum, und nanieuUich uni die Auffassung
> der Sitnde und ihrer Einwirkung auf den Menschen , alle Brzle-
hung' ia ibrer erslen Quelle wie in ihrer letzten Anwendung- sieb
bewegt Wir bdren nun zwar ViederhoU sehon, dass der Siin-
denfall absolute Wahrheit babe , dass die Erbsunde aucb eine der
bedeutendsten und wicbtigsten Lebren der Philosophie sei, dass
das Bdse nieht von Gott stammen konne; aber indent die Philo-
sopbie uns iiber den Standpunct der gewobnlicben Auffaasuog
binausfubren zu miissen glaubt, so dass sie z. B. dafiir sorg^en
wQl^ dass, wenn wir die Erschaifung des Menschen durcb GoU
der Liebe Gottes zuschreiben, dieser Ausdruck begriffen werde
u. dgl. ni.: so mussen wir der eigenthilmlichen Fassun^ dieser
Lehre doch noch erst genaucr nachgehen, ehe ein bestimmtes
Resultat iiber unsere Uebereinstimniung oder Abweichung zu ge-
winnen ist. Die ganze schopferische Thatigkeit Gottes erscheint
bier nun aber als seine Selbstanschauung; als absoluter Geist ist
er ein in jedem Augenblick sicb wissender und anschauender oder,
mil andern Worten , ein sicb selbst znm Objecte niachender. Diese
Sicb-Selbst-Anschanung Gottes in ihrer Totalit^t werde mit
Recbt der Sohn genannt und die Riicbkehr aus diesem Andern
seiner selbst zu sich der Geist ^ weshalb denn aucb der Sdin
gleich deiu Vater und der Geist gleich beiden sei. Weiter beisst
es nun , dass iiichts sem konne , was . nicht innerhalb dieser
Selbstanschauupg Gottes ware, wenn aucb nicht Alios, was ist,
dieselbe als totale darzustellen brauche. Liebe ist nun aber liber-
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der dtrisOlclieB P&d«g«f ik. 279
haupi, bei Gott wie beim Measchctn, nlehts Anieres, ah Selbst-
aBschauttBg*; GqU, sich sdber anschauend, muss sicb daber liebea, .
wetl er das absolute Gate isi Sicb aber aaschaiiend, Ist er scbaf-
' fend, und nur als sicb aiiscbaueiid kt er scbaffend, oder wie an
eioer andern Stelle mit Wiederholung des Friiheren g'esa^
i wird: Gott als absoluter GeisI ist sich evirig in den [Inter-
I scbied setaend und aus dem Untejrscbiede in sicb zuriiclikebrend.
I Aber weder Gott als die erste Tbatiglieit, noch als die zweite
I ist der gctmse Gott ^ sondern wbrd es erst durch die dritte: darcb
i jene Buekkehr %u sich aus dem UfUerscbiede ist er absoluter
Geist und absolute Freihelt. — Wir finden In dieser wesent-,
i licb Hegelschen Auffassung* nur eine entfernte metaphjslscbe
I Parallele, die weder den tiefen Lehrg-ebalt oder die lebensvolle
i Tbats^chlichkeit der cbristlichen Trinltat jeinals zu erschdpfen,
I nocb der unifassenden etblscben Bedeutuog' derselben zn genngen
t Im Stande sein wird ^'^)« Und wenn an einer Stelle (an einer
i andern etwas welter ausg'efilhrt) mit dem Gedanken, dass Gott ,
i aus Nichts geschaffen babe, in der Art gespielt wird, als sei
dies der ebenso allein richtige Gedanke von Gottes Schaffen, wie
i der durcbaus verkefarte: jenes, Insofern Gott kelnes Stoffes ausser-
i JuM seiner bediirfte, um zu schaffen, dieses, indem Gott in der
I That nichts aus Nichts schaffe, sondern aus dem Reichsten,
was es gebe, nlimlich aus sicb selber: so Ilegt die Besorgniss
nabe, dass damit eln Weg der Auffassung eing'escfalagen sei,
der zwiscben der Erschaffung* der Welt und der Erzeug'ung' des
Sobnes kaum einen wesenhaften Unterschied mehr lasse, so dass
jedenfolls die Lebre der Schrii't und der Kirche einer Fasiung*
wird entge^ntreten miissen, die offenbar auf ihrem Boden nicht
gewacbsen 1st. Es geht uns der Gott verloren, bei dem, ebe
denn die Welt war, der Sohn Klarheit und Uerrlicbkeit hatte
(Jok. 17, 5. 24), der da rufet dcui, das nicht 1st, dass es sei
10) „Hiernacli ist immer nur Gott in und mit der Weit und durdi
sie der lebendige Qott, so dass er ohne die Weit eben so wenig Gott,
als ohne Sohn Yater scin kann; die Welt hat als das gdttliche Object
dieselbe ewige Notiiwendiglicit , wie das gOttHclie Subject, und so werden
Gott und Welt, wie Valcr und Sohn in der Trinital, wenn audi unter-
schieden, doch zugleich als wesentlich vcrbuoden und identisch gesetzt/'
Sftriorim n. d. keU. Liehe I, 19 ff.
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280 Die Antghht uhA gefcnwartl^e Stellung'
(M^er 4, 17), der in dieser seioer Gemeinsehaft mit dem Sofaao
und dem Geiste die yollfcommenste Selig^eit genoss uad niclit,
well cr dazu ihrer bedurfte, die Welt schnf, noch well es ela
noihwendiges Erzeag'iiiss seiner allmiichtigen Schdpfnngskraft adter
ein Ausfiuss des aus ihni hervorquellenden Lebensstromes war,
soDdern einzig und allein zufolg'e seiner nnendlichen Barniherzig'-
keit und herablassenden Liebe. Eben weil aber von der Aner-
kennoDg der wahrbaften Personlichkeit des dreieinigen GoUes
die SuiDma der cbristlicben Heilslehre abfaling'ig' ist, obne welche
wiedenim eine christUche Erziebung*, so wie eine Wissenschaft
dieser nicbt nidglich ist, nitissen wir eine Entseheldung* fiber
diese Puncte fordern, ehe eine Verstithdig-ung* tiber das Funda-
ment der PUdagoglk erCoIgen kann, und wenn die Pbilosopbie
diesen Punct nicbt genugend eriedigen kann, lauft sie Gefabr,
eine Disciplin ganz ans ifarem Bereicbe zu yerlieren, die mit der
cbristlicben Lebre and Wissenscbaft in so offenbarer qnd enger
Verbindung stebt.
Wie oben gezeigt worden ist, bildet die Lebre von der
Siinde den Angelpunct, um welchen eine Verst^ndigung uber
die Quelle und das Ziel aller Erziebung sicb bewegt. Wir niilssen
demnHcbst aucb bier also nacb der Auffassung dieses Beg>riffs
fragen. Wie er aber im Ganzen , ausser dm schon angcdeuteten,
gelegentlicben Winken, nicbt in entscbiedener Wicbtigkeit oder
Bestinimtbeit bervortritt: so scheint er ganz besonders an einigen
Stellen fast verwiscbt oder wesentlicb alterirt Avorden zu sein.
Die Wesenbeit des Menscben, beisst es bier namlicb, ist seine
GottdhnUchkeit^ seine G6ttlicbkeit, seine Einheit mit Gott; sie
' mnsste also das Wesen der ersten Mendcbbeit sein , eine Wesen-
beit, welcbe aber nicbt im letzten Sinne das von Gott gewolUe
Ziel ist. Die erste Menscbheit muss also sewobl eine bomogene
gewesen sein , als eine in ibrem Bewusstsein voUends befangene^
desbalb aber gex2iie\o\\e\x&Bunbefangene^ desbalb gerade wwro//-
komtnene. Denn wie die Unscbuld das Unbefangenste ist, so ist
sie im Begriff des Geistes das Unvollkommenste, nicbt als wenn
der Geist Schuld wollte im Gegensatze zur Unscbuld, sonden
weil er nur anfangt zu sein, wenn er in den UnterscMed trftt
und sicb in den Brucb begiebt. Die erste Menscbheit war mit
Gott verbunden , ganz in die Wesenbeit befangen , nicbt als eine
sicb frei wissende, sondern ganz von ihm, so zu sagen, inBescUag
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der christllehen Pftda^ogik. 281 .
gmommen — ; sie stand zu ihm in dem Verh<nifls eines schelnbar
absaltiien Monoiheismas , in der That aber war ihr Gott nur ein
relativ monotheistisclier nnd wedcr konnte noch sollte bei ibni
stehen geblieben warden. — In der Potenz des Andersseinkdn-
nens, die der Mensch hat, insofern er nicht Natur, sondern Geist
ond Freiheit ist, liegt die Moglichkeit des Bdsen; dass abeir
auch nicbt die Nothwendigkeit des Andersseinmiissens darin lieg't,
hat Gott'gezeigt, und ausserdem ist die Potenz des Anderssein-
kdnnens in dem Begriffe der Freiheit ja selbst nur ein Moment^
welches so toai^^ Existenz hat, als es eben durch fortwUhrenden
Selbstact des Geistes iiberwunden wird, die formale Freiheit sich
in reale verwandelt, die — ursprilnglich nicht Natur war, son-
dern erst dnrch Act des Geistes so geworden ist. — Wie liei
solcher Anschauungsweise die Siinde noch iiire reale Macht behalte
nnd im Gebiete des sittlichen Lebens wahrhaft ausube, ohne sich
bios in eine mang-elhafte Gestalt des relig'iosen Bewusstseins
unizuklelden , muss ror aller weiteren Erw^gung* dieses wichtlgen
Puncts mit grosster und entschiedenster Klarheit nachgewiesen
werden. So erscheint sie nur als etwas rein Negatives^ als ein
zwar inimer fortgesetztes , aber auch eben so rasch wieder auf-
gehobenes Moment, als ein nothwendiger Durchgangspunct nnserer
geistigen Entwickelung , was wir auf keine Weise zugeben kdn-
nen. Zn dem Ende ist aber gerade dieser Punct in der ersten
Halfte des gegenwartigen Aufsatzes weiter au^gefiihrt worden,
damit uns die „der gegenwartigen Stellung der Theologie^^
gegenuber mit Sicherheit gemachte Voraussetzung, „dass, Mos
weil die Erzlehung yom menschlichen Bewusstsein abhangt und
Yon Menschen zn yollziehen ist, eine wissenschaftliche Padagogik
fiir pelagianfsch gehalten wird", nicht ohne Weiteres zur Last
gelegt werden mOge. Je mehr aber die Beziehnng ztir Theologie
unmittelbar festgehalten und die Erwartung ausgesprochen wor-
den ist, dass durch die Padagogik die beste Brucke des Ver-
standnisses zwischen Philosophie und Theologie in unserer Zeit
geschlagen werden mdgte, and dass jedenfalls die Heiligkeit des
Gegenstandes auch ein ernstes Entgegenkommen von Seiten der
Theologie voraussetzen lasse: um so gr(^sser war die Berech*
tigung, gerade yon dieser Selte her, und im Eindringen auf die
Uefete Wurzel und Quelle, eine Aufweisung der wesentlichsten
Differenz und dadurch wiederum, wo mdglich, eine yerstlUidigende
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263 Die Auf^be iind ge^^cnwitrUg'e Stellung
KUtgmg herb€i%ttfUireB , obne die aHe Anweoduiig aiif die Praxb
mid weitere Besprechimg p&dagogischer Preblenie der hOkereB
Grundlag'C und iee feBten Anhalts g'ins&lich entbehrt.
Sonst f&nde s!ch hiezu <allerding's schon in der gegemwfkt-
tigen Schrift vielfaeher Aniaes, noch luehr aber, wenn ans eke
Besprechung' der beiden andern vergoant sein wird , die der Ver-
fasser dfeser ersten angereiht hat Wir wiirden die sogenaBBte
Menschenkenntuiss, die, weon sie uber dem Vereinzelten nie das
Allgemeine finden ued erkeanen lasst, ailerdings ven keineni
Werihe 1st, niit der deshalb Hegel nitr beinahe m sehr seia
Gespdtt trieb, als Erfahrang, ais Wahrnehmungsgabe und Beobacb-
iungstact gern wieder etwas 'in Ghren gebracht seben, da sie
deni Bntieher ebenso unerlasslich ist, wie deni Arzte die Dia-
gnose. Wir wiirden aiis gleicheni Grande bexweifeln, ob die
iSrziebung als Kunst, wenn auch dieser Begriff in der CoBstra-
ction des Ganzen bereits befasst, sein mdchte , doch ihrem Wertbe
und ihrer Anwendnng nach zii ibreni Reehte gekommen sei. Zu
ibr als solcher gehort weseotlich der Character der Vermittelung,
und zwar derjenigen, die aut' allgeaieiuen and besonderen Aula-
gen aufSeiten des Erziehers wie desZoglings beruht, and zwar
in be! weitem hdhereni Maasse aufSeiten des Erziehers, so dass
bier jedenfalls Erfordernisse vorhanden sind, die eine Wissea-
scbaft der Erziehung wohl vorzeichnen, aber nicht geben kann.
Wir wiirden weiter es als einen Mangel betrachteu, dass der
Begriff des Erziehens nach einer Seite so wenig scharf festge-
balten ist, dass ein vOlliges Ineinandergehen and VerschwimmeB
der Begriffe Lehren and Erziehen unverkennbar ist, was minde-
stens auf dem gewdhlten Standpuncte der Voraussetzangsloslgkeit
BW so nehr %b beklagen ist, als ini gewohnlichea Leben nnr sii
oft beides vollig unterschiedslos zusaniniengeworfen oder wieder
so glUizlich geschieden wird, dass in beiden Fallen gleich sebr
die erziehliche Kraft upd Natur alles Lehrens verloren zu gehen
in Gefabr ist. Wir wiirden endlich zwar mit dem Verfasser nicht
weiter ttber die Eintheilung seines Systems rechten, wenn er als
er$ten Theil die Philosophie der Geschichte der Erziehung, wid
zwar: a) in der orientaliscben, b) In der griechisch-rOnisoliaii,
c) in der gennanlschen Welt, als zweUen die Lehre vom Men-
wdieo: a) in seiner anthropoiogisch-psjchologischen Entwlckelimg,
b) seiner ethiscben Grundlage, c) seiner sittUchctn Siitwi«k«Uu^
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der christlichen Pada^ogik. 383
Qsd als driiten die Erziebung des Menschen naeh den Epochen:
a) der Sobstantlalitat, b) der Moralitat und c) der SiUlichkeit
binstelU; aber wir wQrdeo dieselben Theile insgesamnit, und, wic
wir nacb dem Angedeuteten g-Iaaben durfen, mit dem vollkoni-
niensten Rccbte , der Philosophie streitlg niacben und in das Gebiet
der Theologie binuberziehen. Denn uni kurz die Grunde zusani-
menzufassen , ohne das Chrutenthum ist die Geschichte in alien
ihren Theilen nlcbt versUndlicb und die Philosopbie kann darum
weder aus sich , noch sonst woher den ScblQssel zu ihrer Deutung
und Erklarung nehmen; durch das Christenthum Ist der Mertsch
eine ganz nene Creatur g'eworden , und die Krafte nnd Gaben,
ZusUnde und Erlebungen, die durch den faeilig-en Geist in ihn
Ziehen oder aus ihm reden , kann die Philosophie, wie nichl aus
sich erzeugen, so auch nicht aus sich beurtbeilen und erkennen;
der Seele Wesen und Leben splegelt sich am hellsten liu Licfate
der Offenbarnng und g'ibt sich darin am reinsten und wahrsten
zu erkennen, und zwar nicht bios in ihrem erleuchteten und g'C-
heilig'ten, sondem auch in ihrem natiirlichen Zustande, well es
ja eben des Lichts Natur ist, in die Dunkelheit hineinzuschauen
und sie zu erhellen ; aber so muss denn auch durch das Chrisi^n-
thum einzig und allein die wahrhafte Erziehung des Menschen
beschafft werden, und so gewiss seine Bestintmung nicht mit
dieser Vorbereitungswallfahrt des irdischen Pilgers beschlossen,
vielmehr sein Beruf zum Biirger des Himmelreichs das letzte,
unendlich erhabene Ziel bleibt: so sicher muss auch hier die
Philosophie wiederum sich an diejenige Wissenschaft wenden,
die die Verwalterin der christlichen Lehre selber ist. Ich liebe
and ehre die Philosophie, aber es ist nOthig', ihre schwersten
Aehren und relchsten Saaten auf die Tenne der himmlischen Wels-
heit zu werfen; ich weiss ihren Werth fiir die voUendete Form
wissenschaftlicher JMethodik wohl zu wurdigen, aber ich muss
auf einem Gebiete, das sie sich als ihr wahres und ausschliess-
liches Besitzthum auf keinen Fall vindiciren kann, so lange ihrer
Berechtigung misstrauen , als sic nicht lauter und offen die Grund-
lagen gelegt oder die Resultate gewonnen hat, die mit dem
untriiglichen Gottesworte selber (ibereinstimmen.
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284
XVII.
Der christlich-nalloDalo Charakler der Scliule. •)
In einer Zcit, wo ein ueuer Lebcnsodeiu in alien Landern
deutscher Zung'e erwacfat und das Gefiihl der lang- entbehrten
Einheit und die Sehnsucbt nacb der ang-esianiinten Kraft wieder
rege geworden Ist, und unter dcm Beistandc des treuen Gottes,
der sich ini Leben dieses Volkes so niannicbfaoh und klar g'eof-
fenbaret hat, einer scboncren Erfullung* enig-egen ^eheji wird,
da muss, auch von der Erziebun^ deutscher Jug^end, muss von
der deutschen Schule die Rede sein. Die Schule ist eine Zierde
deutschen Lebens gewesen von Anbeg-inn an; in Bezug aaf Ihr
Wirken gesteht man willig Deutschland einen Vorzug vor andern
Landerii zu, darum muss es auch suchen, diesen Schrauck sich zu
bewahren nicht allein, sondern auch den Segen uiyl das Gedeihen
der Schule aus alien Kraften in je^licher Weise zu fordern. Und
schon ist sie eine der bewegtesten und besprocbensten Fragen
der Gegenwart geworden, ihre Zukunft schwebt auf der Waagc
der Entschcidung; davon, wie die Wurfel fallen, hangt viel fiir
die kommenden Geschlechter ab.
Fast konnte es freilich scheinen, als sei dieses ihr Schicksal
bereits entschieden, nachdem durch die Grundrechte des Aenischeu
Volkes die Hauptpuncte festg-estellt worden sind. Allein, thells
sind es ja nur die allgemeinsten ZQge, die einer weiteren Erfulluag
und Entwickelung gcrade um so nothwendiger bedurfen, oder so
unbestimmt und In ihrem Verhaltnlsse zu den nachstverwandten
Gebieten so wenig geordnet, dass eben durch diese gemeinsame
Feststellung Manches in emem andern Lichte auftreten muss, theils
sind doch wohl gerade solche Gebiete, wie Kirche und Schule,
diejenigen, auf welchen am ehesten und natiirlichsten uberhaupt
eine Modification oder Abanderung zulassig, insbesondere aber
die Eigcnthumlichkeit selbststandiger, provlncleller Entwickelung
1) Geschrieben im Marz 1849.
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Dcr chrteilich - nationale Charakter der Schiile. 285
drakbar !st. Daram nia^ es aach jetzt noch an der Zelt seio,
die Frag'e von einem fasten Gesfchtspnncie ans zo beleachten.
Die Schule, wie sie allnidhllch ^eworden ist im Lanfe der
Jahrkunderte durch die niiitterliche Pfle^e des deatschen Volkes,
1st nach den verschiedenen nichtang-en ihres Hanptwesens eio
besonderes Eig'enthuni des deotschen Volkes. Sie g-eht einmal
nicht auf das Irdische und Endliche, sondern auf das Hdhere nnd
Unverg'angliche , sie will das Heil der unsterblichen Seele; sie
ruft zum andem eine Geiiieinscbaft hervor zwischen denen , die
dnrch sie dieses hoheren Guts theilhaftig' g-emacht werden; ver-
bindet die isolirten Glleder der Familien und H&nser zu Einem
Ganzen und befeitet sie fttr eine hdhere Gemeinschaft vor; sie
blldet zum dritten ein fortw^reudes Band innerer Gemeinschaft zwi-
scben dem Erzieher und seineni Zog'liiig, das, wenn irgend wahr-
haftiges Leben in solehem Verhaltnisse ist, in der Macht elner starken
Liebe wurzelt, wie sie nur die schone und lautere Frucbt eines inner-
lichen g'elstig'en Verkehrs sein kann« In diesem Sinne weiss nur.dajs
Christenthuni , weiss nur die christlich - g-ermanische Welt von einer
Schule ; das Alterthum hat sie auch in seinen geblldetsten Ydlkem
und civilisirtesten Epochen nicht g'ekannt, alle ihre dffentliche
Erziehung war auf bestimmte Zwecke bttrgerlicher und staatlicher
Existenz gerichtet; es fehlte ihnen dazu das freie Recht sittlich^r
Persdnlichkeit, es fehlte Ihrem Streben nach einer iiber das Sicht-
bare hinausreichenden Erhebung der Charakter der Gemeinschaft,
cs fehlte ihrem ganzen Leben die Richtung auf das GemUthj als
die innerste Wurzel alles Menschenlebens. Das ist aber gerade
das WeBen des deutschen Folkscharakters ; mit diesem Sinne und
Geiste hat die deutsche Nation das Christenthum in sich aufge*
nommen, mit diesem Sinne ist sie vor alien Volkern eine Pfle-
gerin wahrer Erzlehung geworden. Ist dem aber also, so hat
auch die Schule des christllchen Volkes der Deutschen vom
Ursprung her einen volksthilmlichen Charakter^ sie wird nach
wie vor ihre scfa5nsten und sichersten We^e gehen , wenn sic
das Grundwesen ihres Volkes rein und treu auszupr^gen sucht;
die Zelt der Erhebung ihres Volka muss also auch eine Zeit ihrer
Erhebung sein.
Die Schule ' im deutschen Vaterlande ruht zufolge solcher
Erwagungen auf der Basis volksthiimlicher Erzlehung; sie hat
s'ch eben dadurch in dem allgemelnen Bewusstsein und Sprach*
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986 Der chrMHdi-iiatienalo Ctiarakter ier Schiile.
^ebrauGbo von jeder LefiranstaU , anch der ansg^cbildcistcn , mii
alien Mitteln g'erfiatotsien , nach Grund and Wescn g^schieden.
Ilandeftc es sicli bios In ihr um allorlei elomentare Fertfg-kcitcn
ufld Kenntnfsse, dann w&rde das dentsche Volk sie niemals 7.11
einem Gegenstandc seiner etfrfgsten Ftirsorg^e g'emacbt haben;
' derg'lelchen konnte das christliche Haas jederzeit, wie so viele
andere Bediirfnisse der ^usserliehen Existenz, von der Welt her
entnehnien, wIe denn aacb die ersten Christen das thaten, als
die Formen ihres jnng-en and zarten kirchlichen Lebens sich wenlg*-
stens noch nicht nach aossen bin genOg'end ausg^bildet batten.
Danials batte das Haus die Sorge fttr jede 'gedeiblicbe Pflcge
der jnng'en Seele, and wer will lengnen, dass sie demselben
auch jetzt noch and vorzng'sweise oblieg't, aberbel der Mannich-
faltigkeit des g'eg'enw&rtig'en Lebens and bei deni Umfang-e seiner
F^Mrderung'en kann es dieselbe nicht allein anf sich nehnien').
Die Seele will ihr Recht, die Befriedigang des in ihrer Ticfc
wohnenden Triebes; 1st sie nach dem nralten Worte eine g^ebome
Christin, so will sie auch wissen, sobald sie wach g>eworden ist,
von dem gOttlichen Wesen, das Ihres Lebens Mittelpunct Ist.
In einfacher mutterlicher oder v^terlicher Erzahlung* niinnit die
Jagend dieses aaf , sie beweg-t es in sich and brlngt es mit den
verschledenen GegensUinden Ihrer anderweliigen Anschaonng' and
Beobachtung In Zusamnienhang , es bildet sich eIne Reihe von
Fragen, deren Beantwortung- none Gedanken and Frag'en erweckt,
deren L^nng schon ilber den einfachen Kreis des Hanses hlnans
g«ht. Je einfacher aber and natargem&sser das Leben war, je
patriarchalischer seine Fassung, desto leichter erfullte dieser
Bernf des Ilauses sich and trat die erziehende and unterweisende
Beihiilfe zu demselben hinzn, bis es in die Kirche, mit der das
Haus sich eng verwachsen fiiblte, hiniiberlief. So gingen ^ana
2) Wenii in den Colleges und Universities der nordamcrikanischeii
Freistaaten die Religion nicht als besondere Wissenschaft gdehrl wird,
so efscheint es als cine consequente Folgc, wenn in fast ganz Neii- Eng-
land die Prcdiger der verschiedenen Kirchen keineu Confirtnationsanterricht
geben, well der Religionsunterricht in den Familien, meist yon den Mat-
tern, crtheilt wird (Padatj, Revue, 1847, 2te Abth., S. li?7 f.^ 3te, S. 117.);
aber wir diirfen das gewiss weniger als Resultat einer freiercn und cin-
facheren Bcwcgung des Lebens, denn als einen Mangel an Ordnung in
der ganzen OlTentlichcn Lt;bensentwickelinig attsehen. ^
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Ddr ehrisMcli'iiationale Charaktcr 4er SeMe. 987
iNKurUeh die 'Hiaiiprfcetteii alter drei Sph&ren, der FamBle, der
Schole, der Kirdie, la einander Hbetj sie ftossen ^usammen vmi
ein Zwiespalt war nicht vorhanden. Aber als das Leben bunter
ward and die Baade dea Hausea lockerer, da ielen alle drei
JHUxkie aoselnander ond der Riss ward immer grosser*
Die Schule ist abo zm^hai eine Dienerla des Howes md
hat eben damit elae erziehende Wirksamkelt Woza aber soil
die junge Seele dean aaders eraogen werden, als za dem gdit-
lichen EbenbiMe, nach dem sie gesdiaffen ist? Ist eine Eraie-
hang denkbar , die nicht anf diesem religiosen Grande ruhte and
v«a da ans alleKrIifte and Triebe sittllchen Weseasentwickelte?
Aber die religiose Befrnchtang des zarten Ketms, der im Menschea
yegt, kann so manalchfaltig sein, als die religldse AafTassungs-
weise ilberhaapt. Hierbei wird nan ein Jeder, aach ohne aaf
dem christlichen Standpancte za stehen , so vlel zageben mfissea,
dass unter alien eine die relatfv vollkommenste and wahrste seta
werde, diejenige nemlich, die der Natnr and dem Charakter des
menschlichen Wesens and seiner ihm mdglichen Anffusang der
gdttlichen Natur am entsprecheadsten ist. Uass das Christen-
tham diese Bedingnng, and nicht etwa relativ nar, soadera in
absolnter Weise , voUkommen erffillt, bedarf aater Christea elaer
fSrblUrtang nicht. Die religiose Erziehong mass daher nothwendig
eine christUche sein; sie ist es berdts historisch, well sie eben
da nar vorhaaden ist, wohin das Christentham dieStrahlen seines
Lichts aasgebreitet hat. Aber das Christentham ist nicht bios
Lehre and Erkenntniss, e|uist aach gdttliche Kraft and gdttlicfaes
Leben, ein Geist, der die Zeitalter and Nationen dnrchdrangea,
' der alle VerhHltnisse des Lebens ergriffen and bewegt hat, ein
Haach, der alle Krafte der Seele darchweht, alle Bliithen thres
Wachsthnms zar schonen Frucht zeitigt, der den verschiedensten
Richtangen der Seele die sichere and nnentbehrliche Einheit gibt.
So wie daher alle Erztehang, hiosliche wie OffentHche, aaf der
in der Tanfe gegebenen Gnadenwirkang des heiligen Geistes
«fort za bauen hat, so steht sie auch fortw^rend unter dem Ein-
iasse seiner Gabon and arbeitet auf die Gemeinschaft and den
Bernf , aaf das Ziel des priesterlichen Folks Ua. Mithin gewin*
nen wir auf dem Bodea dieser Graadziige und Erfahrungen die
Gewissheit, dass alle religiose JSrsiekung eine ehristlichej die
ehnstUche aber nothwendig eine kirchUcke sein muss.
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386 Der okrigtUcli-iifittonale Obarakter ier Sehnle.
Aker noch stekt eine aadere Fra^e zar Etttscheidaiig' 4a:
•b nemllcb, wie die Schale von der Kirche ihrem Wesen usd
GroDdcharakter nach unzertrennlich , so auch wirklieh deai Haiise
nod der Kirche, awischen denen ilire Arbeit rerniittelnd dastebi,
unentbehrlich sei? oder ob jetzt nicht Tielmehr ihr Werk, naher
dSejenige Th&tig'keit, welche der religiosen Erziebang* gewldmet
1st, einerseits von dem gerade dadarch zu seiner Pflicht and
BesUniniung zuriickkehrenden Hause, aiidrerseits toh der jetzt alleni
Anscbeine nacb der Dienstbarkeit an den Staat ledig' werdenden
Kirche vollkommen erfQlIt werden konne? Die erste Prague
erledigt sich leichter, wie es scheint, als die letzte. Das Hans
kanQ nun einmal g'egenwartig* solchen Anspruchen nicht g'endg^en,
es muss Huife haben; kanm dass es die ersten Lebensjahre no<^
unter seiner Pflege und Obhut behalt, und wo ware vollends der
geei^nete Boden fur alle diejenig>en, die, frubzeitig* der elter-
lichen Fursorg'e und Pflege beraubt, einer starken Liebe bediirfen,
die sie in das Leben hineinfiihren soil? Oder sind diese vielleiclii
ohne Weiteres an die Kirche zu weisen ? Wir glauben allerdin^s,
dass die Liebe wahrhaft glaubiger Glieder der Kirche dazu g'e-
hOrt, urn sich der nackten und verwais'ten Jngend g-ewissenhaft
und erfolgreich anzunehnien; aber dass die Kirche ais solche,
wie sie,*auf dcm Felsen des g'dttlichen Wortes g-ebaut durch die
Kraft des heiligen Geistes, sich in der Welt seit bald zwei Jahr-
tansenden ^estaltet hat, diese Arbeit des Erziebens and Unter-
richtens ubernehmen und durch ihre bis dahin allein uns vor Aug'en
getretenen Institutionen befriedigen koimp, dilrfen wir wobi g'etrost
in Abrede stellen. Der Cultus hat kerne Form und Gelegenheit,
die dafiir so recht eigentlich gehdrte, er setzt die Befrledigung'
solcher Bediirfnisse schon voraus , und wer mit alien den Frag'cn
in ihn hineink&me, wiirde eben so leer wieder hinausg'eben. Jeden-
falls bedurfte die Kirche also wieder besonderer Gebiilfen, die
das Werk des Erziebens und Unterweisens in ihrem Sinne and
Geiste an der Jugend vollzog^en, und wir stiinden wieder auf
dem ursprfinglichen Standpuncte. •
Aber vielleicht liesse sich bier eine Scheidung machen zwi-
schen der reUgiosen und der inteUectuellen Bildung' des Kindes;
jene kann,,wie wir zugestehen mttssen, nur von der Kirche
gepflegt und wahrgenommen werden, diese gehort aber nicht zu
ihrcr
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Der GhrlsttMi*D«Uiiii«Ie CiiiraUer der Sdrale. 989
Vmr Aufgabej kau ikir vielnekr ^nz gleU^gHlUg Keiii, %nmk\
da d^ Evangdhim for die g^eistUch Armeo ist and deft Ktagen
dieser H^elt sich rielfach enteieht, was den Tfadrichten gedfes-
barei ist. Im Ernste wird todesscn diese Ermnenitt^ schwerlich
g'emacht werden; dass Demnih and Einfalt, diege Grandbedin--
gung'en ftir die Aufnahme des Erangelinnis, nicht nnvereinbar
siiid mit einer wohlgelelteien Bildung- des Geistes, braacbt nicbt
erst bewiesen 2a werdeo. Wenn aber so leicht g^erade das Hers
mit dent Kofte in Zwiespalt ^er&tb, wenn es eine Gelsteediildang
^eben bann, die der waliren BUdang des Herzens and seiner reli-
^oseA Entwiekelung* widerstrebt, dann ist natarlicb g^erade am
deswillen scbon eine Theilang za yermeiden j die dieses nar befdr-^
dern kann^ und vielmehr eine Tb^glcelt za sacben, die, yon
dem rechten- Mittelponcte alies Seeleniebens aasg'ehend, eine
barmottiscbe Entwickelang aller Krifte desselben socbt, in der
alles Wissen and K6nnen yon reiner Gottesfarcht and wahrer
Dematb dnrchdrong-en ist. Dies ist ein Ponct yon tief einj^i-
fender Bedeniang'. Wenn aller Scbulanterricht erziebender Nator
sdn soil, and daram aadi einen religidsen, alAer einen cbristlicb*
kircblicben Charakter, wie wir gesehen baben, tragen mass, so darf
aucb kein Unterrichtsgegenstand dayon aosgenommen sein, mag nan
in ihm selbstStoiTund Anlass za religidser Anregang and cliristlicber
Aaffassang yorhandensein, oder mag er nor bei allem Unterrichte
das un^ntbehrlicbe Medium ein^s fttr die Erziebang wabrbaft ge-
deihlicben pers5nlicben Verkebrs sein. DasTecbniscb-Mecbaniscbo
stebt an sicb dem Religidsen am femsten, das Matbematiscb -
PbjsikaUsche rttckt in seinen letzten Enden and hdcbsten Gesetzen
demseU>en naber, alles geschicbtlich - geographtsebe Wissen fittbrt
in seinen yornemlicbsten Hdbepuncten, oft sogar Scbritt yor
Scbritt, daza bin. Kein cbristlicber Lebrer yermag dies obne
Beziebung zu dem, was seines Lebens tbeaerstes Gat ist, zam
Cbristentbume, yorzatragen; dad^rcb wird aach dem Kinde Alles
mit doppeltem Interesse erfilllt; kein Erzieher yermag endlicb, in
einem wirklidi innerlicben Verkebre mit dem za erziebenden Kinde
'za steben, wenn es nicht eben der gemeinsame religiose Boden ist.
Man kdnnte biernacb nan glauben, dass aacb alle Wissen-
sebaft und Bildang ai^ sidi einen religidsen Cliarakter trageo,
daher aocb die. bdcbste Stofe wissenscbaftlicber Unterweisung
demgem&ss auf dem nemlicben Boden steben and gleicfaen Ursprong
LiihTcer, get, Schriften. 19
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see Der durfetlidi-mUamile Cbftriktef 4er Selmk,
haben mUsse. Dies wird Memeu g;\e\tk dnreh He tktahrwmg
wiilerle^t. Zwar Iiabea wir ylelfacli in der Geschichie der Wis-
seaschafteii die glftige BlQtlie des Aiheismus aas dem ang^stren^*
tesUn Studiani herrorg'ehen sefcen, zwar konnte ein Lahmdt
sag^ea: er habe laoge genug am Hiaimel g'esseht, aher dHe
(Setiiieit nicht g-efonden; aiier wir sehen auch maachea Meister
der WisaenschaCt darch alles Wissen and Denkea mit den f radii-
barst^ Resaliaten in seinem Herzen nnbefrtedig't, eiaen I^aaeaL,
Nev>ioHy Euler aach FrOmmiglceii nnd Gotteserkenntniss ring^,
and li#ren iai Gegensatze gegen jeaen Fraazasen ron Keptsr an
Schlusse eiaes seiner inbalischweren asironomiscben Werke eii
sebOnes Gebet vol! wabrer Demiitb and cbristlicben Slanes. Aber
das isi aueh an sich^ dem Wesen der Wissensehaften nach^ Biebt
aaihwendi^. Wie jede Wissenscbaft nacb dem scbdnen Aasdrac^
elaes Natnrfarsebers zwei Hande bat, eiae na<^ dem HinuBd
zeigend, die andere irdiscbe Gaben spendead, so fttbrtsie deai
aaeb mit Entscbiedenbcit zn Gait bin, nnd nar dann ron ihm ali,
wenn Stan nnd Rlcbtung' dea Gelstes, mit dem sie beirieben wiri,
aa sicb scbon Goit entfremdet sind; dena alies wabre Wissen, wie
Wilhelm V. Humboldt sagte, fabrt zu Gait. Und wenn wir avf
dea H<)hen der Wissenscbaft ein wunderbares ZusammenCreffea
mit den im Cbristentbame befriedigten tiefsten Bedttrfnissen der
menseblicbea Natar gewabren , werden wir wabi um so mehr der
getrostea Zaversicbt sein, dass in lieiner Wissenscbaft an sieb
ein dem religiilsea Bewusstsein feindseliges Element liegt, uni
nm yollends dieses Gebiet von solcber Gefabr m reinigen, babes
wir ja das erziehende Element alier Wisseasebaft von ihrer ob-
jectiven, Grund and Ziel in sicb seU>er tragenden Bearbeitaaf
zu scheiden, mit der es die Scbule nacb Begrilt and Spracbge-
braacb nicbt za tbiin bat.
Dass die Kircbe nicbt die absolute Tr^gerin und Bearbei-
terin der Wissenscbaften sein^solle, verstebt sicb von selber;
ab^r sie bat ein lateresse ffir jede wissenscbaftiiche Bildnng, die
den bumanen, d. b. des Menseben einzig wflrdigen, durch das
Ckristentbara allein erreicbbaren , Baruf des Menscbai zu befdr-
dern im Stande ist* Die einst von ibr ausscbliesslicb gehand-
babte ars clericalis wird , so wenig sie §ocb irgendwie eine Ge-
ringscb^tzaag verdient, doch von ibr selbst aicht mebr fiber-
noramen werden k6naen , da sie bei dem Umfaage der Arbeit and
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Der ehrifltfich-MtloiiAle Charakter der Sehule. 291
dent Stande dfs methodiech-techiifBdiea Fortschritts besondere
Gehttlfan verlanl't; aber sie sacht die Erzielmng zam letzten and
hOdMten Zieie, dem Christeatliume , bin nicht aasscUiesglich etwa
iivr in dem ihr ei^nthamlichen Gebiete ron Lehre und Gescbichte,
sondern strelit, alie Blidnng* and alles Wissen mit diesem Geiste
zQ erfttllen. 8te weiss, dass nar) wenn sie ein davon getra-
g-cnes and durchdrun^enes ist, ein wabreir Wertb ibr beig^eleg^
irerden darf, dass aber ini ent^e^en^setzten Falle, wenn die
christiiebe and die wiBsensebaftlicbe Bildang* aaseinanderlaafen,
die Arbeit der einen darcb die der andern volikoinnien zerstOrt and
aafg'ebeben werden kann. Ans diesem Grande erscbeint es als
ein g'rosser and rerderbiicber Missg^rilT,* wenn die Kircbe ibre
) Aafsicbt iiber die Scbale aaf den Relf^ionsanterricbt bescbranken
Oder die Ertbeilan^ desselben einem GeisUicben ttbertragen will;
kaam wenig^er verderblieh , als wenn sie alle Unterweisan^ im
Cbrristentbame der Arbeit der dffentnefaen Scbale ganzlicb entziebt;
denn niemals wird das cbrisUicbe Element im Leben der Sebale
schdner sicb entfalten and tiefere Warzein scbiagen, als wena
es in der Persdnlichkeit des liebrers die Perle alles Wlssens and
das Herz alles Lebrens ist, so dass es mit seinem reinen Glanze
anter den beterog-ensten Gegenstftnden aufleacbtet. An der MOg-*
lichkeit eines soleben Lebrstandes verzweifeln, der den mit dem
Di^ttst am Worte and den Saeramenten betranten GeisUicben
za nacfaster Httlfe in der Arbeit an der Seite st&nde , biesse
an der entwickelangsreicben Macbt der Kircbe Cbristi selbst
verzweifeln.
Es ist jedoch ntttbig*, gerade diese Seite nocb welter za
verfolgen, da in den ans benacbbarten Landem, insbesondere in
Frankreieb, Belgien and Holland, ^erade dieser Panct der Aas^
sefaeidang des Religionsanterricbts aas der aligemeinen Volksscbale
eine ganz besondere gescblcbtlidie Bedeatang' scbon erlang^t bat
Es sind bier ansnebmend starke Fordernngen, wenn aacb in g'O-
ringerem oder g^rdsserem Maasse geltend gemacbt worden, die
sicb im Wesentficben aaf folgende Paade zorllckfidiren lassen.
Entwederi man verlangt eine vOllige Aasscbeidang des cbrisUi--'
cben RdigiottsHnterrlcbts aas der 4ffenUleben Scbale, and zwar
aos doppelt verscbledenem Grande, ntolieb einmal, well man
niebt nar das bestimmte Bekenntniss, sondern aacb selbst den
festen Glaabensgebalt aus der Scbole and ana dem Leben ent^
19*
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293 Der christllch - latiouale (^haraliter der Sdmle.
feriien will, oder filr's aBd^e, weil mail dte Gebiete der Scluile
und der Kirche von einander irennen und die fiebraafgabe der
einen nicht der andern ilberwieBen selieD will, und das un so
juefar, als bei der TrenDong' yob Staat UBd Kirdie aad der Ur-
^erlichea GleichstellaBg' aller Bekenntnisse VBd ReiigionspartiMiei
die der Leitung' des Staats aBbeim gegebene Scbale coDseqiei-
terweise nicbt in ein anderes, Ihr fremdariiges und bei ikrer
eigenen religidsen Zersplitterung' anvereinbares Gebiet mekr Ua-
tibergreifen darf. Oder: man will zwar den Religionsmiterridt
aach in der allgemeinen Yolksschule. bewahrt seben, aber wik-
rend man aile Qbrigen Unterricbisnieher wilUg* der Leitung' vad
Fttrsorge des Staats z# Bberlassen gedenkt , will man diesen der
Aofsicht der Kircbe und selbst der Ertbeilung yob' ibr aus Yor-
bebalten. So wenig wir dea ersten Standpnnct zo billlg^en ge-
neigt sind, so mttssen wir docb bebennen, dass ein reines Yer-
baltniss damit erzielt ist; anf dem zweiten wird g^erade darch
die beabsicbtigte Tbeilun^ nnd Vermiscbung AUes anf das £^
g-esetzt, und wir konnen demselben daber^ so ernst nnd afAttar
ancb die zum Grande liegende Gesinnnng* 1st, am weni^ten bd-
pflicbten. Am letzten Ende werden sich alio diese Riehtengei
begegnen nnd werden, wie wir leider mit Ueberzeiigiiiig> ana-
sprecben mtissen, anf eine Ydllige Yernicbtnn^ des cbristlicbeB
Elements in der Jngend binauslaufen. Wir baben es bier nemlick
znn&cbst mit solcben zn tbnn, die dem Cbristentbume abbold aM
and dasselbe aus dem Bewusstsein des Yolkes g=em ausrottfi
mdcbten; sie wollen zum Tbeil aucb das Religiose Qberbaapt
Yerbannen und besebrlUiken sicb nacb dieser Seite auf eine selbst-
gemacbte Moral mit praktiscben Nutzanwendungen. Wenn die-
selben Yon nationaler Erziebung sprecben, so ist nicbt abzusebea,
wie ibnen aucb nur einlge Kunde von der Gescbichte ibres Yolks
beizumessen sel, oder sie mlissen eine neue Nationalit&t erst nut
Jbrer eigenen Geburt begtnnen lassen. Sonst wBrdea sie die
Frdmmigkeit nicbt aos dem deutscben Yolke streicben, nodi sebH;
Kraft Ycrkennen woUen, mit der es nacb muttig^em Kampfe dea
'Cbristentbume auf seinem Boden zum Siege Yerbolfen bat. IHese
innerlfcbe Lossagung* Yom Cbristentbume ist es aber allein, die mii
dem Namen einer Emancipation der Scbule Yon der Kircbe belegt
werden darf nnd die denn aucb ibren Flueb und Tod scbnell g^enug
in sicb selber trfkgt.
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Der cbristtich - sationale Cbarakter der Schale* 393^
VoB eher wesentlich verschiedeHen Bedeutan^ uiid fob
lieferem Gehalte ist die andere Seite, die den Reli^ionsanterricht
aus der Schule io die Krrclie Unfiberweis't. Bs ist das ein ge-
scliichtlieher Kampf , der mit der Frage nach der Trennang des
Staats and der Kirelie ^nsammenk&ngt and in den Nachbarstaaien
IXeatscMands schon seine vollen Friicbte getragen bat , von denen
wbr koflten kdnnen and yon denen wir lemen sollen. Es ist dieses
bekanntliefa in seiner bdcbsten Spitze scbon ror 20 Jahren in
England zar Sprache gekommen, wo die beiden alten Landes-
aniversitftten mit ihrer Beschr&nkang' auf Mitgiieder der Staats-
fclrcbe nicht mehr dem evangellsch - cliristlicben Charakter, wie
dem Geiste der neaen Zeit zh entsprecben scbeinen, and desbalb
eine grossartige Lebracademie fttr alle Facaltliten and Confessio-
nen mit Aasscbluss der Theologie and jedes bestimmten Bekennt-
nisses, wenn aacb onter einer, immer ieeren, Voraassetzung
des christlicben Princips, in der London -Unirersitjr erricbtet
trard. Im Uebrtgen aber bat gerade England bis jetzt mit seiner
iiberaas tttchtigen, national -gescbicbtlicben Kraft die Unterwelsang
in den positiren Lehren des Cbristentbams, wenn aacb mit den
Unterscbiede formater Beschranlctbeit and freier Bewegung bei
den Bpiskopalen and Dissenters, als sicbere Grnndlage aller
Jagendbildang festgehalten. Und in gleicber Welse gibt es aacb
anter den sehr vielen Priratanstalten , sle mdgen nan von der
einen oder der andem kircblicben Partbei geleitet sein, keine ein-
zige, bei der nicbt l4esang andErkl^rang der Bibel and ein den
Uttlerricbt beginnendes and scbHessendes Gebet die feste Grand-
lage wiLre. Gewiss bat gerade diesem cbristiicben Principe der
Erziebang, in Verbindnng mft dem classiscben, England die BiQtbe
seines hdbem Unterricbtswesens and seiner nationalen Bildang
an danken *)•
Ganz anders hat sicb die Sacbe bei den Franzosen gestaltet.
Was dieses bewegangsvoliste alter Ydlker in den verscbiedenen
Pbasen seiner Revolation anch in dieser Beziebnng darcbgemacbl
hat, fibergeben wir bier. Als im Jabre 1832 znerst der Plan
erwacbte, den Religionsanterricbt ganz aas den Scbalen za verban-
nen and ibn aasscbliesslich der Kircbe zo ttberweisen, erhoben sicb
3) Einiges N&here in KnieweVs ReiseMzxm: iome\m\\ij\i aus dem
Heeriager der Kircbe. 1 , 237 fi.
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394 Der chrisaich-nationale Charakter der Sdiide.
nlcht Uos bedeateDde Stimmeii der Theorie, sondern anch prakUs^Ae
Bedenken dagegen, indem man, das Interesse des Volka Cur efae
christliche Unterweisung^ der Jugend roranssetzeBd, die Goncar-
renz m!t den dadarch sich auszeichnenden PriFatschnlen farcUete.
Und ein JMann, der in den Nachbarstaaten ^ in DentseUaDd , 1m-
sonders Preussen nad Holland, dem Unterricktswesen anf et^eneB
Reisen im Auftrage der Jultregierang seine grdssie Aafmerksam-
ke!t gewldmet batte {Vktwr Cousin) ^ fand da die Sehaleft an
bltthend^ten, wo der Unterricht ganz auf religidser Basis b^mh^
derselbe rerwirfl; daker rerallgemeinemden, alles Sjslefluitisdw
iiagstlich meidenden bollEndiscken Seminarunterrichi im Chrislei-
Ikeme, an welcbem aacb die jodiscben Sdivl-Seminaristea TkeH
nehmen, und bekennt sick, indent er dem posiUven, sjstenatisebei
Religionsanterricbte in den deutscben Scbulen den Vorzuf^ gibt,
zu der Ansicbt, dass eine Trennnng der Volkssckule und der
Kircke in jedem Falle mekr Nacktkeil darbiete, ak eiae VerM-
scbnng beider* In den b6beMi Scbilen (Colleges) sind eigen
GeisUicbe als Religionslebrer (Aumoniers) angestdU gewesa,
deren seelsorgerlscber Einfloss bisweilea geribmt worden ist,
obwobl die ganze Binricbtung und Methode des Unterricbts ebMO
Ydllig formalea und dflrren Cbarakter In ged&cbtnissmiisslger Aaf-
fassung tragi ♦); und spater wurde d^n Vorstebem dieser Anstal-
ten gerade besonders dringend enipfoblen, ja selbst aas itm
Grundsatze der Gewissensfreibeii die Anordaung getroffes, dass
far die Bekenner jeder Confession ein eigener Unierrielit ym
dem betreffenden Geistlicben ertbeilt werde. Mancbe Kattolftei
fanden dadurcb freilieb wieder die Gewissensfrelbeit der Vorslebef
bedrobt, die unrndgUcb protestantiscben Unglauben nebes den
kattioliscben Dogma in ibrer Anstalt kdnnien tebren lassen ^}«
In Holland ist der Religionsunterricbt von den Eleraeniar-,
wie von den Zwiscben- oder Biirgerscbulen gfti^iob ausgescUos-
4) Das beweisen die Sckilderongea bei Thiergeh (Jiber den ZusUmd
de8 ^jfentHchen Unterrichts, 2, 197 ff.), Cotmn n. A.; vgL auch die Mit-
tlieilnngen in Friedemann*s ParlUies&n, 4, 93 ff.
5) AusfuhrlkJhere Mittbeilungen fiber das Ganze finden sich in tteucli'
lin'8 Christenthum in Franhreich, S. 92 ff., nnd besonders in dem amfas-
senden Werkeyon L. Bahn, dns Unterrichtswesm in Prmikreich, 2 Biade
Breslan 1848.
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D#r cMstifeh-naiioiiale Charakier 4er Sch«k. 295
sea M9d ietKlrcfkejAethMsen, wie das denn M dent Aitsg^angs-
yaacte, den die Sehiilreform dort vdB den DUisentirenden, nicht
voa der Landeskirche her genoniiuen hat, and bei der ausseror-
denilichen Mischnng' der Confessionen kaum anders mogiich war ^%
In Bel^ien da^egen kit seit der Trennun^ von Holland eine viX-
lige Scheidun^ swischen den von dem Staate und ron der Kirohe
unterhaltenen und beaufsichU^ten Schulen diirchgefQhrt worden,
so dass von den letztern nur einige wenige sich naehmals dcm
Slaate wieder unterworfen haben, die meisten vl)IUg selbstsUndig
and dabei in einem sehr bluhenden Zustande siud ^). Gerade
deshalb aber, well eine so schroffe Scheidong durchgefiihrt und
dami^ unvermeidlich ein gewaitsanter Eingriff in die Erxiehung und
religiose N^atur des Einsselnen begangen wurde, erhob sich in
einerWeise und von einerSeite her, von der man es nicht hatte
erwarten sollen, ein aus ernster Sorge hervorgegangener Kanipf
^egen die absolute Herrschaft and Aufsicht des Staats in der
Schole, und man begann. dprt mit der grossten Entschledenheit
auf Gewissensfreiheit ^) in BeKug* auf den Unterricht zu dringen,
wie denn bald nachher ejn Hhnlicher Rnf anch in Frankreich irer-
nommen wurde. Das ist dieselbe Forderung des edelsten Prin-
dps siiUich-religioser Freiheit, die sich in der Reaction des
sdiweiaerischen Volks gegen die Uebermacht des Erzlehungsraths
ttber die Kirche geltend machte, als am 10. M&rz 1839 in Zurich
jene innerlich bewegte und in ihrem theuersten Besitze angegrif-
fene Schaar von fast 40,000, reichlich 1000 Andem gegenttber,
wider Strauss's Berufung* auf den theologischen Lehrstuhl der
Universit^t prptestirte ^). Ich glaube, wir kdnnen aus den ge-
flchichtliehen Erfahrungen der Nachbarl&nder eine reiche Belehrung
Ziehen. Es kann zwar nicht der Sinn der grundsatzlich aasge-
sprochenen Trennung der Kirche vom Staate sein , dass dieser
sieh in ir^end eine feindselige Stellung zu jener setze, da er
als ein durch und durch sittliches Institut ihrer Macht und ihrer
6) Thiersch, iiber den Zustand des offentlichen UnterricUts, 2, 13. 57.
7) Museum des rheinisch-westphalischen Schulmiifmer - Vereim , 4,
200 ff.
8) Vgl. HupfeU in dem HiUleschen VolksblaU, 1848, Nr. 54m und
Auilamd {847 > Nr. 104 ff.
9) Oelzer, die 8trfus8%$ckm Zerwurfniste , 208 ff.
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%6 Der dnrtetnch-satlMale ClMnUer der Sdivle.
Gabdn In seinen tlgnen L^n mnmigiitflieh notliw^dig' beJUrf ;
aber man wird es beim Hinblicfce anf jene tbats&cUichen ZasUnde
erkennen, wie gewaltaam anch selbat elne jior relative Sehei-
dnn^ aaf dlesem Gebiete wirken nnd das innerste Interesse des
Gemtiths gef&hrden mass. Wir werden uns in gleichcm Slaaase
Yor jen^m AUes nivellirenden oder in gewaltsame Fornien ein-
zwUngenden Principe der Centralisation zu bflten liaben, das dem
geschicbtlicben Cbarakter der deutscben Nation so Tollkonmen
wlderspricht nnd anf dem Boden Frankreichs nichts Anderes , ab
die bittere Fmcht eines erbitzten and verderblicben Streits zwi-
scben der Universitat nnd der Kircbe getragen iiat. Ani^ bei
nns wftrde die Kircbe nm die Grttndang* eigener Schulen wabrlich
nicbt yerlegen seln, aber kein Lehrer, dem es heiliger Ernst tet
mit der Ftthmng der jungen Seelen , wird seine ies cHrisUichen
Unterricbts entleerte Schule znr ebemaligen Scbreibscbule wieder
berabgesetzt seben wollen, abgesehen daron, dass er ansserdem
jeglichen Antiieils an jenem scbOnen and vollen Bemfe einer
tOchtigen nnd wirksamen Dialconie der Kircbe, wie sie iron Bmt*
sena^^') Hand so trefflich gezeichnet ist, vdUig rerlustig g^bea
wflrde*
Aber es ist nenerdings anf Einen Pnnct ein ganz besonderes
Gewiclit gelegt nnd derselbe an die Spitze alter Erzieimng* in
6ffentlichen Schulen mit dem grdssten Nacbdrncke gestellt wor-
den 9 nemlich das Princip des natianalen Elnflnsses , . und es ist
nun die er^te nnd vorzaglicbste Frage, wie sick ein solches zan
Christenthume und zn dem cbrlstlichen Princip der Erziebnng ver-
balte. Soil Insbesondere das nationale Princip dem cbrisUichen
sicb nnterordnen, oder dieses jenem , oder sind beide yielmehr
einander nebengeordnet? Za dem Ende mfissen wir den Grond--
cbarakter der deutscben Nation etwas n^er in Erw&gung zieben.
Es kann bier nicbt erst aur Untersucbung gestellt werden,
in wie fern gerade das deutsche Folk vor alien Vdlkem berafen
nnd geelgnet war, ein Trftger des Evangelioms zu werden,. nnd
bei aller Scbroilheit der Formen seuies Lebens und aller Uubeag-
samkeit seiner natnrgemftssen Existenz, dennoch am meisten mid
stUrksten die Lebenskraft der cbrlstlicben Kirche in sick zn be-
10) Die Vcrfas8wig der Kirche der Zukonft* S. 186 ff.
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Der chrii^h-tifttteiiale Gli«nikier dfer Schnle; 297
wfthreB luid anszaMMen; wit haben Mer ehi Recht, nns daranf
als aaf eiiie voUendete Thatsache zu berufen. Wenn nvn aber
das Cbristeniham efns der wesentUcbsten Eleme^ite des deutschen
Yolkslebens geworden ist, bo moss es aach in alien Palsen,
Krtfteii and Erzengnissen seines eigenen Lebens da von durcb-
drungen worden sein, aber anch andrerseiU alle Erscbefnang's-
formen, dorcb die das cbristlicbe Glaaben and WIssen In der
menscblieben Darsiellnng desselben bindurcbgeben mass, an sicb
darcblebi bal»en, so dass diese, dareb elneh gesonden and Inrlif-
%en Volksgeist bewabrt, in voller Blttihe sicb entfalten, dann
aber wieder binwellien and in einem naturgemassen Processe ab^
sterbend einer nenen Form der Entwickelang Platz macben Ironnte.
Nirgend bat daram aach das Cbrlstentbum In einer so arsprOng-
licben Weise alle Gestallen and Scbdpfangen des geisilgen Lebens -
dnrcltdrang'en , die Poesie getragen and befrncbtet, Epos and
Drama dnrcb die beilige Gescbichte and den Coltas bervorgerafen,
die Wissenschbft in ibrem Kern and ibrer Ricbtang beiebt and
geregelt, die Kanst mit Stoff and Haltuag erfHiit; nirgend sind
daram aacb aaf diesen Gebieten so frlscbe and marklge Nataren
gewacbsen, nirgend bat eine solcbe Fttlle der Form and des Inbalts
geberrscbt. fis ist dadurcb eine reciproke Wirkang entstanden,
bei der man fast irre werden kdnnte in der Frage, ob das Ur-
sprflngUcbere and eigentiicb Scbaifende aaf Seiten des Cbrfsten-
tbums Oder der dentschen Nationalit&t gewesen sei. Aber das
Cbrlstentbnm bat ats gdttilcben Ursprangs and Wesens seine voile
fintwickelangsf&bigkelt in sicb seiber, es bedarf keines ander-
weitigen Factors za seinem eigenen arkr&ftrgen and scbaffenden
Leben, and was es daber an besonderen Erscbeinangsformen oifen-
bart, ist nidit urn seiner selbst, sondern gerade am der allsei-
tigsten and vollkommensten menscblieben Entwickelung wlllen da*
Kein Caitas and keine Religion bat sonst der hinsterbenden Nation
das ermattende Leben wieder einzohaachen and za fristen ver-
mocbt; das Cbristentbam bewahrt die Nationalit&t nicbt allein vor
Flialniss and Tod , sondern auch vor langem Siecbthnm and obn-
mftcbtiger Erscblaffang, es beiebt die matten Glieder and l^sst
die Palsscblage wieder rascher gehen, ja es bat nacbweislicb in
der Gescbicbte wie in der Litteratur des deutscben Volks mebr
als einmal die natargem&sse Aasbildong einer Form bis za Ihrer
grdsstmdgiicbsten Vollendang and wieder ibre llwternde Abstrei-
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296 Bet ckrisUich-aatlottale Cluurakter der Schvle.
fun^) weMi 9le ireraUet inid uotaa^lldi ^eworden war, enttweder
aliein bewirkt oder doch weientlleh befdrdert *')»
Nadi diesei^ ErwiignBg^n wird das ResulUt dahin laates,
dass das christliche Element bei unserm Volke, nachdem es efn-
mal 9 freiiich auf dem Wege eines harten Widerstandes and einer
gewaltsamen UeberwinduBg seiner arsprQnglichen Kraft, ein t^lgett-
tham desselben geworden. war, das natienaleniit in sich trii^
]&atert und kr&ftigt, nicht umgekehrt, and dass, wenn einmal in
einer Zeit dieses mit jeneni sich zurttckgezogen oder fast gUinMch
verloren hat, Bur das Christenthum wieder es ins Lcben zu rufea
and niit neaer Kraft auszarflsten ini Stande ist Wir werden also
aoch jetat das chrlstliche Element ia den Vordergrund zu steltei
haben, am unsre Sehnsacht nach einer wabrhaft yolksthamlichen
Gestaltung* unsers deutschen Lebens und das Bediirfniss einer
demgemtoien Erziebang za befriedigen. WIr wollen aber noch
n&her sehen, bi welch^n Mittein denn die Kr^gang des natlo-
naten Elements ansrer Erziehang besteht, und wir werden auch
auf dlesem Wege za einem glelchen Resultate gelangen, Es
handelt sich bier vor alien Dingen um eine Zorilckfiihrttng- von
Sinn und Geist in die Geschichte und das Geistesleben unsers
Volks; seine Schicksale wie seine Erzeugnisse mtlssen von der
urkr&ftigen Zeit desselben her der Jugend yorgefiibrt werdea,
damit es daran eine wahrhafte Nahrang Cilr Geist and Gemoth
gewinne und zugleich seines eigenren natlonalen Guts froh oad
bewusst werde. Dass das bis jetzt in unglaublichem Maasse
vernachllusslgt wOrden ist, bedarf eines Beweises nicht; ea hat
ja freiiich auch gar nicht anders sein kdnnen , da wir 4n waader-
barer YerabsltumaBg des Elgenen erst in jQngster Vergangenlieit
manches unschlitzbare Zeugniss des emlnentesten Geisteslebens la
UBsenu Voike dem Staube entrlssen, und von der ganzea reichen
Entwickelung der grossen und goldenen Zeit unserer Idtesten
Litteratur dnrch eine bewundemswiirdige Meisterschaft eine tiefere
Kuade gewounea haben. Auch die Geschichte unsers Volks , seiner
11) Das Verhaltniss des nrsprnnglich Nationalen zam Christlichen in
deatschen Volkscharakter hat freiiich mehrfache Seiten , die hier nicht nn-
mittelbar in Betracht kotnmen; man yergleicfae nnr die dahin gehOrigen
Bemerkongen bei VUnrnr, Geschichte der deutschen NntionallUteratur , 2te
Aufl.^ S* 31 ff. and Jl. V. Mlaumer, vom deutsehem Oeiste, S* 103 ilL
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Per chritlOkk-nManle Chavakier iet Sdrale. 299
Schfekgak nd seiner poliltecheii EntwtebeluQ^, geflier Bestre*
bfta^en aqd Irrgiing^, seines Sachens nnA Findens isi erst kk
vnsem Tag en der Gegenstand eliies emstereft and in^itdlidiereA
Sindimns and einer kritisch sirengeren OarstelianiBr gpeworden;
kein Wonder abo, wenn jeizi erst eine Elnwirkang* von bier ana
denkbar geworden ist, da es einer Ungeren Zeit bedarf, am
soldien Schaiz der Wissenscbaft zn einem wkklicben Gemeingoie
des Yolks zn machen. FOr beide Seiten, die litterarisrbe wte
die poIiUscb-gescbichtlidie) ist ein weltes and rerdienstliches
Feld der Bearbeihing zani Fromm^n ansrer Jugend geoflTnei^ Hlr
die in dieser Beaiehang bis jet^t so gat wie gar nicbts geieistet
worden ist. Damit aber w&re das seibstHndige , predactive Ld»e»
vnsers Volks noch nieht erscbdpft; was das habere Interesse des
Geistes in irgend einer Weise jemals in Ansprucb genomn^n bat;
tsiaacb ein Gegenstand ^eatseben Denlcens and Sinnens, deatscber
Llebe and Arbeit geworden* Wir zlelen bier vorzagsweise aaf
die grossen Erscbeinangen dev cbrlsUichen Kircbe, da ja ihre
eigentbttmlicbsten and bezeicbnendsten Entwickelongsstnfen gerade
aaf deatscbem Boden dnrebgemacbt sind ond das deoiscbe Gemitb
Tor alien darcbdmngen baben. Diese gescbicbtliche and coa-*
fesrionette Aasbildung der Kircbe bftngt mit dem Wesen. des
deatschen Volks aaf das Innigste zasammen, ond der Binzelne
mass, entweder in mebr anmittelbarer oder in mehr bewasster
Weise, diesen Process aucb in seinem Geisie and Siane durcfa-
arbeiten and durcbleben. Da sind Cbaraktere, plastiscbe Gestalten
volt Hobbeit and Seelenadels, geistige and sittlidie Heroen, a»
denen sicb das junge Gemiitb weiden and stUrken kann^ wie dena
bei allem Scbmerze iiber die oftnmlige Armseligkeit and Zerrfs--
senbeit in dem Leben des deatscben Volks ons docb wleder die
Wabmebmang trdsten ond ermntbigen kann, dass die Erscbeinong
grossartiger Nataren and die VorzOge seines ges^^htHchen
Berofs and seiner Volkerstellnng nilt den Hobeponelen seiner geU
sUgen and kfinstleriseben Lefatongen zosammentreffen. EndHch
ist noch EIns sai bemerken: Kelne Litteratnr der Welt bat elnen
solcben Reicbtbum an wabriialt rolkstbttmlicben Darstellangen in der
aosgezeicbnetsten Mannicbfaltigkelt , in denen sicb der fromme,
treoe, biedere, wabrhafte Sinn and Charakter des Volks aosspricbt.
Wfard dieser Schatz mit sorgsamer AossdieMiuig altes dessen,
was, so ^hnlicb and verwandt es anch gem jenem^ sebefaien mddrte,
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900 Bef chrbtBcb-intt^fiale daralcter der JSdmle.
i%eh yon clncm gans and^ren Gelste rc^lertwlrd, heraira^estelK
md nit wefarer Aasbeatun^ fllr die Jagend rerwandt, so wird
das nebfm der Schrtft die efg'cntlfclie Mottermllch des Kindes
werden, nnd die Litteratar der leizten Zeit bat bereits die aner-
keaneBsWerthesten Beweise g'eg'eben, wie ecbdn es auf dem VTegre
M, setn Erbgnt in dieser Art geistig* anszubeoten und fiir die
Jngend zu einem angemessenen nnd frachtliaren Bildang^mitiel
M machen.
Aber neben die rationale ErziehiiDg der Jog'end, die das
Biicbtfgfite Postalat der Gegenwart ist, baben Mancbe aach die
poUtische oder staatsb&rgerliche ^eQielliy oder gar diese, bewasst
•der unbewosstj an die Steile jener gerfiel^t. Wir treten mit
'roller Ueberzeagaiig dieser Ansicht entgeg-en, so gem wir aueh
eia wahrbaft politisches Leben der Staatsbflrger, das ans ecbter
Vateriandsliebe herrorgebt, nach Kraften nnterstiitzt und geC5r*
dert seben. Das Alter des Knaben und Jangliiigs, das in der
Scbnle seine geistige Nabrang findet, ist von einer natnrgemiss
daseltigen Ricbtnng^ and kann daber das Wesen* des Staats und
seinen Organismos nicbt begreifen noch wtirdigen. Der Enabe
ist radical 9 reisst immer nieder und will immerNeues dafflr baben;
der Jjinglbig banet nnd schafft, aber ohne sich nach den festeit
Grandsttttzen nmznseben , ohne die das Geb&ude wankend werden
tttnss, and ancb ibm ist der Gianz der Neuheit ein besonders
bestecbender — beide baben fur die Erfahrung, dicse alleinige
Lehrmeisterin aucb in politiscben Dingen, keinen Sinn. Es wire
daber grosser Unrerstand, wenn man sle in die politischen Fra-
gen practisch bineinfttfaren und so gewaltsani zu einer Verfrttbung
zwingen woUte, die sicb sp&ter durch Ueberdrnss and Erscblaf-
fong ri&cbt; ja es wire schon nicht rathsam, ein eigenes Lehrfacb
dentscber Gesetzkunde , wie man es rorgeschlagenbat, in Yolks-
scbulen oder selbst in Gjmnasien einzuftthren, weil niemand ohne
grUndlicbe Kenntniss der allgemeinen politischen and historischen
Basis eines Staates seine Gesetzverfassung im Einzelnen rersteben
kann, and nberdies dem Knaben mit dem Mangel an practiscben
Interesse audi der lebendige Sinn daftr nothwendig abgehen muss.
Was Alle aof diesem Gebiete lemen sollen, wird ibnen in Ge-
acbicbte and Vaterlandskonde nicbt rorentbalten; vlelmebr seben
3ie da das allgemein PoUtiscbe in lebrreicbster Weise in den
Kjimpfen Roms and Athens an demselben milbseligen and end-
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Der duritttieh-Batioiale Charakter der Sekrie* 301
losen Spiel, om das sich nicht minder aOe BewefpiBfeii der Ge-
genwart drehen, das all^emeine Landesreclit dage^n in def*
Gedcbichte der Vorzeit des eig^enen Landes mit alien seinen Ktai-
pfen und Bewegangen aasgepragt* Nicht die abslracle FMrm
Yon Lehrs&laen, Principien, Theorenien, sondem der rolle ge-
sdiiehtlSclie TItatbestand tann hier eine wirl^iich fdrdemde Wirkong
haben; lichtige Kande der GescUehte wird einzig nnd ailein die
recltte Einfftlirang in das Verst&ndniss der Gegenwart and ihrer
politischen Bedilrfnisse geben, ntag der Knabe nan seinen der- .
einsUgen Beruf als gleicfaberechtigies Glied oder als leitendes
Organ der bttrgeriichen GesellschafI finden.
Se berechtigt miftin aucfa das ursprnngiich Germaniscbe In
unserm Volksleben ate ein Bildungsmittel and eine Geistesnahrang
nni^er Jugend erscheinei^ mag, so wenig darf dnrchdasselbe doch
irgendwie das christliche Element unsers Lebens wie nnserer BII-
dang berabgesetzt oder in den Hinterland gedr&ngt werden.* Wie
aber beide die wesentlicfaen and anzertrennlichen Factoren dent-
scher Nationalii&t bilden, dergestalt, dass sie, von einander I09-
gerissen, der innem Kraft entbehren and das ganze Leben des
Yolks Tor Ermattang and Hinscbwinden nicht bewahren kdnnen,
00 mass aach in einer frischen and gesnnden Entwickelang der
Jagend Beides aafs Innigst^ mit einander yereinigt bleiben, and
das Chrtetentham seinen Alles beherr^chenden Mittelpanct behaap-
ten. Aus . gleichem Grande muss das christliche Element alien
Unterricht and alle Erziehnng sowohl in den Gegenst&nden der
gemeinsamen Beschiiftigang als in der Persdnlicbkeit des Lehren-
den. durchdring^en. Wer anders rSth and will, der ubt, bewasst
oder anbewnsst, einen eben so grossen Verrath an dem ehrist-
Ucben wie an dem volksthiimlichen Leben ansrer Nation ans.
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302
XVIH.
Me Vorbildong des SehuluaRDS fflr seiaea Berof«
Unter den Kttnsten, die dfts dffeniliche Leben fibt, ist ^ie
Kitnsi des Erzfehers wahrlich nicht die letehieste. Wer iiisk-
sondere an der Bildung* der Jag'end In Gjmnasfen arbeltet, ei^
p6ndet diese Wahrheit nach dem g^anzen Ernste ihrer Aiif^
and der Verantwortlichkelt fttr das thin anrertraaeie Gut, akr
aneh mit der g'anzen Lieblichkeft.der an die Trene aller AM
g'eknttpften Verlieissang*. Vfelleiclit kein Lebensbernf verUn^
etne so entschiedene Hing'abe des ^n^en Menschen , fine m
Tdlllg nach alien Seiten bin ansgeprSig'te and mit dem ^wttVi^
WIrkens znsammensiimmende PersOnllchkeit; nichts {si bier ^leM*
gVtMlg Oder nnwesentlich : wo nnr Irg'end eine Seite des L^«m
and Denkens znm Vorscbein kommt, da ist ancb etwas, wM«
seiner Arbeit In irgend einer Welse and Maasse mitwirkt Dsn»
kann ancb das Gescbick daza Im letzten Grande nfcbt dureb irgeii
eine Anleitang* erworben seln ; abcr wrederum ancb der geborexe
Schttlmann bedarf der sorg^amsten^ Pflege and AnsbRdnng, elifs
reicb gertisteten WIssens and KOnnens, and zwar beides inmig"
licbster Vereinigang*, weil nnr, was wabrbaft scin g^lstlge8B^
sitztbani geworden ist, ancb wiederam anf Andere bildeod di'
zawirken Im Stande fst. Wenn aber ein darcb Denken and Wb-
sen g-ebildeter Geist, eine mit klarem Bewastsein and Bkhertr
Bewegnng ansg-estattete Lebensform, ein In Gematb and Will<'D
eben so biegsamer and bing'ebender als kriiftiger and bifdendef
Cbarakter die grossen Erfordernisse einer geseg'neten Wirksa*'
keit anf diesem Felde sind , die nnr darcb seltene Ganst In einen
Menscben rerelnlgt erscbelnen : so bedarf yiellelcbt kein Zwei^
dffentiicber Tbatigkeit, znmal in einer Zelt, die ^le Ansprflcke
bSinft, die Conflicte des Lebens stel^ert, and die Fordemng '^^
Oeffentiicbkelt betont, so sebr der aafmerksamen Fttrsorge f^r ein^
nacb alien Seiten bin wirksame Aasbildang* als der Berof i^
Scbulmanns oder Gjmnaslaliebrers. Und docb scheint fa^ d<^"
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Die VwblMmg des Sehalmanns fur BelDen Berat. 303
in keinem Siaate DeaUchlands eine Anordnnng g'ctrc^eii %n seln
die defl allg'emelii empfundenen mid aosg^sprochenen Bedflrrnissen
in dieser Bezfehan^ entspricht.
Friiher ist es anders damit g^ewesen. Der Kreis wissens-
wllrdig'er Geg'enstande war ung'laublich riel beschrSinkier; daher
wie die Mittel, hO anch das Kiel dieses Zweig's der Erziehong^
ieicfat nnd einfaeh. Die Grundbedingtuig' jedoch fiir alles Gedeihen
auf diesem Gebieie war aacli da nicht minder nothwendig*: eine
markl^e, cbarakterfeste , niit eiiieni edien idealen Sinne begabte,
dabei elastische and der Jngend In warmer Liebe ergebene Natnr —
und W0 diese war, da fand sich der andere Factor, ein festea,
inniges Anscbnueg'en der Jug^end, leichi binzo. Wodnrch die
Lebrer selbst so reicb nnd kr^ftlg' g-enlibrt waren, die grossen
Alten, die warden, aoch die Lebensspeise der Ja^end, and ansser
deni Erang'eliam and den elasedschen Meisterwerken bedarfte es
einer weitern Voriage nIcht. So sammelten sid Taosende am
Einen Lebrer, and man fragte nicht, woher er BHdang' and Me-
tbode empfangen babe. Das achtzebnte Jahrbandert bat aueb bier
eine ung^ebeure Verftnderung' berror^ebracbt: dem Realismus, der
sich scbon zuror geltend za niacben ang'cfangen batte, stellte
sich eki entscbledener Humanismns ent^egen; die deutscbe Spracbe
verlan^te ibr lange verbaltenes Recht, gerietb aber nocb einmal
unter den Druck franzosiscber Eleganz und Unnatar, besonders
in den bdheren St^nden; der cbristlicbe Glaube drang aus seiner
starren, verknocherten Form zu neuer Friscbe und Wiirme her-
yor, das Leben endlicb f order te selbst unwiderstehlicfa sein Recht ^
and der dorch best&ndig' fortscbreltende Kande erweiterte Blick
in Natnr and Welt konnte far die Dauer nicht ohne Einfluss blei-
ben. In jene Zeit einer humanistiscben Reaction fsillt, gleich-
zeitlg' mit einer nenen Bliithe dieser Wissenschaft, di^ Stiftung
der phUologischen Seminare, die eine Pflanzscbule kilnftig^er Leb-
rer der clftssiscben Spracben werden solften. Das erste dieser
Art war wobl das in Halle von Christ. CeUarim gegcn Ende des
17. Jahrhunderts (1691) gestiftete Seminarlum elegantioris doctri-
nae oder iitteraturae, dem das philologiscbe Seminar in Gdtting'en
bei der Stiftnng' der Universit&t und Berufong J. M. GesnerU
1737 folate. Erst 1784 cAiftete C. D. Beck^ drei Jabre nach /. A.
ErM08tVsToiey das pbilolog'iscbeSeminar in Leipzig', dem andere
in Halle, Heidelberg', Jena, Rostock, Kiel, Kttnfg'8berg',Breslan,
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304 Die Vorblldnng des Schulmamis fttr seitten Berof.
Erlan^n, Tfibinpen, Berlin, Bonn, Mttnchen u. s. w. folgten ^).
Diese aber batten niehr oder weniger die Pfleg'e der phliologi-
schen Stodlen liberhaapt im Aug'e, wiihrend die eigentlich practisch-
metbediacbe Ausbildung' des kiinrtigen Schakianns kaum als secan-
dilre Richton^ sich geltend machen kpnnte* N&her aaf dtesen
letzteren Zweck scbeint die Anstali ^erichiet g^ewesen za sein,
die nnter . Wemsdorf ond Wiedeburg in Helmstftdt bestand und
deren Olit^iieder vnter Lcitun^ des Directors im ,,P&dag'og'iam%
d, h. in den beiden oberen Classen des dortigen Gjnmasiiims,
onterrichten mussten. Von glei<;heni Bedfirfniss reranlasst, warde
nnter F. Gedike's Leitung in Berlin 1788 zuerst am Frledricbs-
Werderscben Gymnasium, dann am g-rauen Kloster ein Seminar
fnr gelehrte Scfattlen eing^ericfatet, dessen ursprunglicbe, Im Jabre
1812 erneuerte Instruction wohl noch jetzt als Master ^bnlieber
Anordnungen dienen kdnnte. Aebnlidies Interesse, wenn avch
Ton allgemelnerem Charakter, bewog ancb den trefflichen PUda-
gogen F. H. C* Schwarz in Heidelberg zu Anfang dieses Jabr-
bimderts zar Stiftung eines plidagogischen Seminars; zuletat aber
ist im Jabre 1843 das Gdttinger Seminar in ein pfailologisch -
pftdagogisches nmgestaltet, nnd damit den beiden Seiten, der
Iheoretlschen wie derpractischen Ansblldang* derkfinfUgen Scbnl-
m&nner, eine tttcbtlge Grundlage bereitet worden')* Das Be-
\ dftrfniss
1) Eine yon kniidiger Hand gegebene n&here Ge&chichte dieser Insti-
tute wiirdc urn so dankenswerther sein, als die znganglichsten Werke (L.
WacUer, Handhuck der Geschichte der Liiteratur 3, 38. Schwarz, Ge-
tehichie der Erziehmg 2, 445 f.) W^niges and Ungenanes darnber berich*
ten. Einiges hieteu Getneri ofmsctUn minora I, 59; Heyne*s Leben vom
Beeren S. 251 ff. F. A. Wolfs Leben von Kbrte, I, 200 «f.; Creuzer*s lOn-
demisckes Studium des Alterthums, Heidelberg 1807 (wieder abgedrnckt in
8. Bache : Aus dem Leben eines alien Professors, Lpzg. u. Darmst. 1848. S.
273; «f.); Beck de consiliis et rationibM sem. phUol, Lips. 1809; F. Thiersch
Acta Philol. Mon. I. Einleit. znm 1. und 2. Ease. Die Statnten des Tubinger
(Zeitschr. f Mt, Wiss. 1840. Nr. 40.) , Giessener und Bonner Seminars suid
neuerdings in philologischen Zeitschriften abgedrnckt worden.
2) Ueber das Helmstadter Institut hat F. A. Wiedeburg eine besondere
Schrift gegeben. Ueber das Berliner Seminar gibt ausfnhrliche Nachrickt
F. Gedxke in seinen SchuUchriften 2, 112 — 34. Von dem Heidelberger
gab Schwarz 1807 Nachricht; die Statnten des Gottinger sind mitgetheiit
in der PUdagogischen Revue, Oct. 1846. 3te Abtb. , S. 129-36, womit ra
yerglelchen das kr&ftig empfehlende UrtbeU J«A»> in s. N. Jabrb. f. FhO.
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Die Vorbiidan^ ies Seholmamis far seiaea Bernf. 305
dftrfniss einer das nemlidie Ziel verfol^enden Einrlchtang hat
sich all^emela '^eltend g^emacht,' and ist In AUoisterialeriasseft
lebhaft anerkannt uDd ausgesprochen , von deo entg'egeng'esetzten
Standpuncten piidagogischer PriDcipien aus mit ^ossem Nachdrock
behaaptet ^) ; aber dennocb im Ganzen bis jetzt weni^ dafttr ins
Werk gesetzt worden.
Die Wissenschaft ist die ^rosse iind reicbe Nabrungsquelle
eines segensreichen WirkeDs im Lehrerberufe; eine trene, cnt-
sa^uDg^volle, mit Muth and Begeisterung verbundene Liebe zu
ihr wird daher in dem kiinftigen Scfaulmann entztindet und immer-
w^hrend unterhalten und gepflegt sein milssen; obne sie wird
die Kanst, die er iibt, bald zar Routine, znm Handwerke, zum
Schlendrian — das Leben in ihr wird Tod. Der kttnftig^ Schul-
mann wird also znniichst mindestens einen dreijarig'en Zeitraum
von wissenschaftlichen Stndien, die zur allg'emeinen Ausbildun^
wie zur Vorbereitun^ far sein besonderes Fach dienen, dnrch-
messen haben miissen, ehe er n^er. in die Thiitigkeit efntritt,
die ihn unmittelbar zu seinem Berufe fiilirt. Man darf dabei nun
roranssetzen , dass derjenige, der in dem Leben der Schule
kunftig 8ein Leben lehrend beth&tig^en will, selbst als Lernender
c*. Pad. 46, 4. S. 467 ff, Sehr zu bekiagen ist, dass Friedemann seinen
lauggeliegten Yorsatz (Gymn.-Ztg, 1841. S. 46. Anm.), die hierfur die-
nenden Docamente gesammeU heranszngeben , noch nicht zar Ansfuhrung
gebraclit hat; bis dahin ist zu yenveisen aaf seinen Aafsatz: uber Bildung
der Qymntisidllehrer , in der DarmstHdter Gijmnasialzeitung, 1841. Nr. 5*
S. 33—52. n. Nr. 26. S. 201—4., vgl. mit der anziehenden Mittheilang
▼on ihm in Schnitzer's PHdag, Vierteljahrsschrift 1847. H. 3. S. 472 «f. Ein
gleiches Bednrfniss fur Oesterreich weist nach ein Auszag aus Mittheilun-
gen Picket's in Aex Pdd. Revue, 1846. Aug. Sept. 3te Abth. Nr. 8» 9. Auch
in Dorpat ist ein seiches p&dag. - philol. Seminar, dessen Reglement mit-
getheilt ist in der Allg. Schulztg. 1827. Abth. II. Nr. 3 f. S. 22 ff.
3) Ich will hier nicht auf die bekannten speciellen Schriften, sondern
nur auf gelegentliche Aeusserungen verweisen , namentlich auf Freese,
da$ deutsclie Gymnasium nach den Bedurfnissen der Gegenwart, S. 88 ff.
u. KUchiy, vermischte BlHtter zur Ggmnasidlreform, 2, 69. vgl. Schnitzer's
pad. Viertelj. Schrift 1847. H. 3. S. 472 — 80. — Die schon von PUKtz
(PralU, ErziehungswUsenschaft , Leipz. 1806. 2, 254 ff.) gemachten und
jetzt von Friedemann (in Mager*s Padag, Revue, 1848. Febr. S. 152 ff.)
In Erinnerung gebrachten Yorschifige fiir solche Bildungsanstalten habe
ich gegenw&rttg nicht beriicksichtigen kOnnen.
h'uhker, ge$. Schriften. 20
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906 ]Me Yorbfiittiig de» SchnlnnmiMr for selften Beraf.
te Ihr in der Kegel einen das MlllelmSssi^ tiberragenden Staad-
pmict wird eingenoinineji habeil. Wohl gerilstet betriit er also
die UniirerBiUt. Hier nun wlrd er in dem Kreise der ilim ndtki-
gen Vorlesungen ebensowohl mit vorslchliger Wahl in Besag' anf
die Art nnd Reihenfolge derselben, als niii grosser Sorgfalt in ilurer
Wiederholung und Aneignang zu verfahren haben. Denn bei
anderen Zweigen des nacbberigen Berufslebens , in denen keine
lehrende Thatigkeit geUbt wird, bandelt es sicfc wesentllcli on
eine practiscb-populare Benutzang nnd Anwendung der erlemteD
Wissenschaft; kier aber soil sie selbst auf einem Wenn auch noeh
80 unyollkommenen und ihrer wahren Wttrde nicht rolli^ ent-
sprechenden Standpnncie reproducirt, und durch das von Ihr ge-
wonnene Leben wiederum in anderen Indlvlduen vermittelt wer-
den« Es bewegt sich aber diese wissenschaftliche Thiitigkeit des
kiinftigen Scbnlmanns, angeregt nnd belebt durch die Vortrl^^f
seiner Lefarer und Erzeugnlsse der Litteratur, befruchtet dordi
selbststilndige Studien und gemeinschafiliobe Uebungen, zHoachsi
wid Yorzilglich auf dem Gebiete des Alterthums, Ancb hier schei-
det es sich wieder nach einer doppelten Seite. Seine Stadlen
pmfassen nemlich zur einen HUlfte eigentliche vrissenschafiliche
Disciplinen, zur andern die Erkl^rnng der Classiker; far beide
ist zweckm&ssige Wahl und Stufenfolge erforderlich. • Zunachst
an das auf der Schule gewonnene Material sprachlicher Kennt-
nisse schldsse sich am geeignetsten eine vergleichende sprack-
wiaaenschaftUche Uebersicht des Lateinischen und Grteckischen
an; in derselben milsste die Darlegnng der allgemeinen zu Grunde
liegenden Theorie der Sprachverhaltnisseiiberhaupt, wie sie schoi
zum guten Theil in den grammatischen Schriften der Alten ge-
wonnen worden ist, mit den wichtigsten allgemeinen Resultatei
der rergleichenden Sprachforschung und mit einer besonders ge-
nauen Einfdhrung namentlich in die sjntaktischen Erscheinungen
der beiden alten Sprachen vereinigt sein. Dabei wird es nothig
sein dieselben .fortwdhrend sowohl unter sich als auch mit den
Deutschen zu rergleichen, weil nur auf diesem Wege eine recbi
lebendige Einstcht des Allgemeinen wie des Eigenthiunlicheii ge-
wonnen wfard; ein abgesonderter Vortrag etwa der Sjntax jeder
der beiden alten Sprachen fflr sich wurde die Erreichang dieses
Zwecks bedeutend erschweren, und zugleich vielfache und dabei
l^tige nnd zeitraubende Wiederholungen unvermeidlich machei.
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Die V^rbildmig' its SohnlmaiiiHi fttr ffdi^a Bent 3^7
Efl wlrd aber ein solciies, darcb die Vorlesan^ea geweektea uid
metfaodisch geregeltes, darch fleissig'e LectOre and eig^oe Beob-
achtan^ gefordertes, Verfahren g'e^enwiirtig' darch tiic^Uge Lei-
stang'en in der Litteratur) namentlicli darch das aasg'ezeichnete
Werk von C. F. Ndgelsbach {Lat. StiUstUc fur Deutsche) wic
darch die frachtreichen practischen Arheiten von M. Seyffert a.
A. wesentlich unterstiitzi and gehoben werden. DIess ist die
eig'entliche Riogischale des Lehrerberufs , hier wird jene Schwang-
faraft and Bevreg'lichkeit des Geistes erprobt werden, die far ein
erfolgreiches Wirken im Unterrichte die Grandbedingang* ist; hfer
wird der Blick in die wunderbare Werkstatt der Sprache eroffnet,
ohne deren Kenntniss auch in ihrem viehr innerlichen and rerbor-
^enen Getriebe aller Sprachanterricht auf den elementarsten wie
aaf den obersten Bildung'sstafen Klarheit, iScharfe and Frachtbar-
keit entbehrt. Hierneben treten zanachst die Geschichte and die
Alterihiimeri beide zasammen bllden die andere, der sprachlichen
entgeg'eng-esetzte Seite des Alterthums. Es scheint fast, als ob
die aUe Geschichte im akademischen Stadiam weniger berilck-
sichtigt Oder selbst rielfach remachlassigt oder hintangesetzt
wird, wie denn auch zum Theil die Auswahl ron Yortragen
darQber geringer ist: die Lehrer der Geschichte haben an der
Universalgeschichte der mittleren and neueren Zeiten eine so
ungeheure Aufgabe, dass in Studien wie mit Vorlesangen die-
selbe za bewaltigen kaam moglich scheint; noch mehr aber dttrfte
es vielleicht zu beklagen sein, dass die Lehrer der Alterthums-
wissenschaft selten den Vortrag* der g'riechischen and der romi-
43chen Geschichte za ihrem Berufe macken. Schon der Standpanct,
von welchem aus die Lehrer der Geschichte and des Alterthums
dieselbe vortragen, ist ein wesentlich verschiedener; wahrend
der philolog-ische sie vorzugsweise im Zasammenhange mit den
iibrigen Seiten der Geistesbethatigung' der antiken JUenschheit
betrachtet, sieht der Geschichtslehrer vielmehr sle besonders als
-eine Stufe in der fortschreitenden Entwickeloni^ der Geschichte
and im engeren Zasammenhange and in vielfacher Ver^leichung'
nit den ilbrigen Parthleen derselben an. Der kilnftig'e Schalmann
wird zagleich ein n&heres Eingehen auf die Quelien bei selnen
geschichtlichen Studien nicht entbehren konnen, auf diese m(^g«
also aoch in den Vorlesungen Rttckslcht genommen werden- Na-
tUrlleh ist damit nicht gemeint, dass eine feste Scheidungzwischen
20*
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308 Die VorbiMoiiflr dea Sehnlmanna filr selnen Bernf.
dieser zwiefachen Behandhing* der alien Geschichle gemackt wer-
imk soUe; vielmehr wie s!e sich ge^eDseltip erg&Dzen, so wird
aQch ilberhaapt nur dann die Sache ihre rechte Stellung' haben,
wenn die Stadirenden aller FaculUten die philolo^ischen Vortrige
liber alte Geschichtc mlt ebeD so grossem Nutzen und Erfolg'e wer-
den hdren kdnnen, als die kanfU^ea Schulmanner vom anlversalg^e-
achichtlicheo StandpoDcte aos dariiber gehaltene Vorlesang'en , die
ibnen In einem gevrissen Grade und wegen des Einschlusses der ffir
das Yerst&ndniss aller Anfang'e ond Fortscbriite historischer Ent-
wickelang so besonders wicbtig'en orlentalischen Gesebichte, nock
aasserdem unerlHssIich werden kdnnten. Nurdassror alien Dlng'en
die Aspiranten des Sckulamts sich desGeg'enstandes als ihres elg'en-
sten Gebietes annefamen und mlt selbststandlgen Studien sich darauf
bewegen. Das ist es gerade, was nach einer vielfach gemaGhten
Erfahrung' wenig'er, als es sollte, gesckieht; obglelch docb Nle-
mandem verborgen bleiben kann, eine wie wichtige und starke
OiTenbarung des antiken Leben In dieser Darstellung ihrer Husseren
und Inneren Geschichte, der Scblcksale und Zustiinde, dcrHand-
luBgen und Entschllessungen, ja selbst der sich entwickelnden
Stimmung und Denkweise eines grossen Volks gegeben ist. We-
niger bezweifelt wIrd dieses vielleicht in der gewohnlichen Praxis
bel den AUerihumem ^ die doch mit der Geschichte im allereng-
sten Zusammenhange stehen , so dass beide sich zu g'egenseltlg'er
Anfhellung dienen. Ich mdgte hier daher nur den einen Wunsck
noch hinzuftlgen: dass das Studium derselben sich nicht auf die
eigentlichen StaatsMetihiXmet beschranke, weil in dem Cultus
(wofUr In der letzten Zeit so sch^tzbare litterarische BeihUlfe,
namentlich auch dnrch das treifliche Lehrbuch yon K. F. Her-
mann dargeboten worden ist) , wie In dem socialen und hauslicben
Leben eines Volks nicht minder ein starkes Geprage seines Wesens
und Charakters enthalten ist als in seinem politischen, und weil
die Jugend gerade filr diese Zelt eine leicht erkl^rlfche Vorllebe zu
baben pflegt. Wie aber das geschichtliche Studium sich rorzog^-
weise mindestens an einige der hanpts&chlichsten Quellen zu lialien
hat 9 so wIrd die Besch&ftigung* mit den politischen Alterthiimern nv
eine recht fruchtbringende sein, wenn sie sich unmlttelbar an die
Geschichte aniehnt, und den Entwickelungsgang In seinem zelt-
lichen Verlaufe mit aufmerksamem Auge rerfolgt. Jetzt erst
mdge die InfteraiurgescMckte bolder Ydlker folgen. Es 1st schon
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Die VorbildoDg^ des Schulmanns fttr seinea BeruT. 309
ein g'cwisser Umfang^ der Belesenhcit in der Litteratar and der
genauen Belcanntschaft mit einigen HaapttrSgern derselben erfor-
derlich, om mit rechtem Nuizen der Erforschang der Eigentlittm-
lichlteiten des gesamniten geistigen Scliaizes einer Nation in der
reiclien Entwiclrelang durch Perioden and Stilgattungen liindurch
sich widmen zu Itdnnen. Dabei glaabe ich emen Anspruch an
den Vortrag derselben geltend machen za dUrfe'n, der yieiiefcht
nicht immer aasreichend berttcksichtigt wird. Es soil nemlich
Tor alien Dingen dadurcb nicht bios Kenntniss yon der ^nsseren
BeschaiTenheit and den Scbicksalen der antiken Schriftwerke yer-
mittelt, sondem in den eigentlicben Kern and Gehalt derselben
hineingeftthrt, and der yolle Gehalt, mindestens in seinen Haapt-
parthieen, zu lebendiger Anschanang gebracht^werden, well ohne
diesen eine genaae, amfassende Kenntniss des alterthamlichen
Lebens and Denkens nicht moglich , wlederam aber ohne diese
kein recht frachtbares Lehren des Alterthums yor der Jagend za
erwarten ist. Dass der Einzelne mit alien tachtigen and selbstst^n*
digen Geisteserzeagnissen des Alterthams schon wiihrend seiner
Stadienzeit darch eigene Lectttre and Aaslegang sich bekannt
mache, ist annioglich, wenn auch das Hauptziel der Priyatstadien
neben der yorwaltenden Pflegc besonderer Schriftsteller aaf mdg-
lichst amfassende Lectiire gerichtet bleiben mass. Wer aber
hitte es nicht mehr als einmal in der Unterweisang besonders
oberer Classen empfunden, wie angemein frachtbar and anregend
es ist, so einmal darch gelegentliche JUittheilang in den Inhalt
irgend eines yon der Jagend nicht gelesenen classischen Prodacts
einzufiihren. Da nan soil ein lebendig eingehender Vortrag der
Litteratargeschichte wesentlich za Hiilfe kommen; dersdbe h<
sich daher aach zumeist an die heryorragenden Parthieen and gllUi-
zendsten Geister, charakterisirt die masterhaftesten Werke and
genialsten Schdpfangen, and entwirft ein Bild yon dem Glanzo
der nach inneren Gesetzen fortschreitenden Geistesthiltigkeit der
Zeiten and Geschlechter. — Erst aaf diese kann die philologische
Encyklopddie folgen, die alle Seiten des Alterthams zu einem
Gesammtbilde yereinigen soli ; sie sammelt die Resaltate der yer-
schiedenen Disciplinen and fuhrt za einer allgemeinen and am«*
fassenden WOrdigang dea Alterthams nach seiner ganzen welt-
geschlchtlichen Stellang. Man kdnnte glaaben, dass mit dlesem
Theile des philologischen Studiams besser der Anfang gemacht
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310 Die Yorbildung' des Schalmanns far seinen Bemf.
wfirde^ um theils einen Ueberblick Uler das ganze Feld zn g*e-
winnen, theils manche kleinere rorbereitende F&cher, wie alte
Geographie, Theorie des lateinischen Stils ^ Metrik u. s. w., schoii
tm Yorwege zu beseitigeD. Ich kanu dieser Aiisicht nicht seln;
ienn tor den meisten und wichtigsten FUchern wdrde docli nut
fine oberfl^chliche Ennde^ ein ziemlicb leeres Fachwerk gefebea
werden kdnnen, das ganz and gar der weiteren Aasfallang be-
itirfte, und die genannten Nebenf^cher lassen sich'meist in ander-
weitigem Anscblasse^ wie an die Geschichte^ die Sprachwissen-
schaft, die Lecture der Dichter u. s. w., ergiebiger befaandeb.
Die philologische EncjUopEdie wQrde einen Ueberblick aber den
ganzen Umfang und die Bedeutung aller zu dem Kreise des Alter-
thums gehdrender JOisciplinen gew^bren, und dadorch die Mog-
Hcbkeit ibrer wissenschaftlicben Gestaltung zeigen, sie wiirde
ihr VerhHltniss zu andern Wissenscbaften entwickeln, und damit
Ihre Berechtigung fiir Lehre und Leben wider alien Streii und
alle AnfechCungen zu erb^irten bef^higt sein. So wie sie for das
Einzehie der von ibr zn losenden Aufgabe zwar viel selbststliB-
digenFleiss in Ansprucb nimmt^ so wird doch fur die organiseke
Zusammenfassung und methodiscbe Ausbildung des Ganzen 'der
lebendige akademische Vortrag von der erbeblicbsten Wicbtigkeit
sein. — So wUren denn genau genomnien nur zwei Facber
tibrig^ deren mindestens der eigentlicbe Lehrer des Alterthoms
nicbt entbebren kann, nemlich Encylclopiidie der Kunst und ro-
mische Mechtsgeschichte. Man kdnnte vielleicbt meinen , dass beide
durch die Encjklopadie bereits erledigt wiirden , in der sie ja auch
nnfeblbar fdr die allgemeinsten Umrisse und Grundlinien ihren Plats
finden mOssen; allein sie sind docb von zu grosser Wicbtigkeit
und zu grossem Umfange, als dass sie nicbt besonders berror-
geboben werden mtissten. Namentlicb ist die Kunstarchaohgie
Ton grossem Interesse^ sie dffnet durch lebendige Anscbauiuig
den Blick in eine ganz neue Seite einer langst entscbwundeneii
Welt; und es ist um so wicbtiger, dass der Lehrer so rechtund
roll auch ron dieser Seite der antiken Herrlichkeit durcbdrungen sei,
als man dem Schiller selten und nur sp&rlich einzelne unmittelbare
Erzeugnisse der Kunst rorfiibren kann. Die Bechtage^chiekie
aber Ist ebensowobt fftr das rolle Verst&ndniss einzelner PartUeen
und Classiker (und gerade der herrorragendsten, eincs Dem#^
sthenes und Cicero) des AUerthums als fiir die rechte Emsidit
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Die Yorbildung' des Sehalmaniia fflr sebei Berof. 31 L
in Natnr mid Wesen des politisehen wni bOrgerlldieii Ldbens ini
Alterthume unerljisslicb.
WIr diirfen von hier wohl zu deajeiil^eii Vorlesang^ea
liberfehen, in denen die wichti^sten und eri^ineUsten alten Auto--
res interpretirt werden. Auch in diesen, welche sich natiiriicfc
tiber die ganze Stadienzeit des fcunftigen Scliulnianns ausdehnen,
moss elne sorg'same Wahl nnd ein genaner Fortschritt beobaclitet
werden 9 ohne dass darnm eine ftngsUidie, der Neignng^ und Indi-
yidualiUit widerstrebende Norm empfoblen werden darf. Hier
glht der Vortrag* des akademiscben Lehrers im Wesentlichen die
Anregung*, das Beste aber muss durch eigenes Studium kommen;
jene ist filr eine lebendige Auffassung* unerllisslicfa, dieses die
reife Frucht der dort entwickelten Bliithe und darum Tielleicht
yon der erheblicfasten Wichtigkeit fiir die ganze wissenschaftlicbe
und practische Richtung des kunftigen Schulmanns, zumal da es
der Miitelpunct alles Desjenigen werden soil, was er sonst bdrend
und forschend sich anzueignen im Stande ist. Diese Lecture und
Interpretation aber meide alle Liebhaberei zu Entleg'enem y Abstru-
sem, Gektlnsteltem , sie halte sich stets an das wabre Gresso
and echt Natiirliche, darum ror alien an die grossen Meister
Homer 9 Sophokles, Pindar, Platon^ Demosthenes , Thucjdides,
Cicero y Horaz, Tacitus, ohne darum die dem Range nach n^hst-
folgenden ganz ausschliessen zu woUen. Ausserdem dttrfte hierfOir
eine Tielleicht nicht immer genug berttcksichtigte Regel hervor-
zuheben sein, durch die besonders auch der Unterschled zwischen
elner Vorlesun^, der eigenen Lecture und der Seminar -Inter-
pretation am richtigsten bezeichnet sein dttrfte. Die Vorlesung
sotlte nemlich immer, die Lectttre nundestens nach absolvirter
Erkllirung des Einzelnen, den Schrlflsteller und das Schriftwerk
als ein Gauzes, als einen geistigen Organismus fassen, in dem
Gomplexe seiner Eigenthttmlichkeiten oder dem innem Zusammen-
hange seiner Theile, so dass eben auf diesem Wege das Gauze
durch dasEinzelne, und dieses wieder durch jenes wechselsweise
ein wohlth&tiges Licht empfinge. Gesch&he dieses, so wurde die
wirksanuite Erg&nzung einer den ganzen Geistesgekalt des anti-
ken Dert:en8 und Redens anschaulleh enthtdlenden Litteratur^e-
sehlchte^ nnd damit eben eine Sache von gr#sster Wichti^eit,
dargeboten sdn. Diess f Qt aber nicht bios Ton einzelnen Dra-
men oder Reden nnd ^dmlichen Geintenerzeugniflyien^ sondern die
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313 Die ToAfldwie: ies jScholmtiins far seinen Berif.
Fordemng' ntisa ror alien Dingen aaf historisdie Werke, wie
Thacydides und Tacitus , auf die rfcetorischen und pUlosopbischeB
Scfariften Cicero's u. s. w. ausgedehnt werden j weil der relcbe,
Tielumfassende Inhalt, oder Geist und Gesinnung' des Sclirifi-
slellers, oder das Gesetz der bdheren kUnstlerisdieii Composliioft
in Prosa und Versen nur anf diese Weise erkannt werden ktanen*
Dass diese Interpretation keine roraussetzungslose sein kasB,
rielmehr wenn auch in rerschiedenem Maasse nach der grdsserea
oder geringeren Leichtigkeit des eigentllch sprachlichen VerstlUid-
nisses die Erklarung* des Einzelnen als eine theils scbon g-el^-
fige, theils durch selbstst&ndig'e , nebenkerg'eliende Studien g-efdr-
derte ang'cseben werden muss, bedarf der Erinnerun^ nicht. Es
bandelt sich bier also uni die ei^enihumliche Stellung und Aafg^be
des Scbriftstellers , um das Eia^reifen seines Scbriftwerks in den
Gesammtorganismus der Litteratur, sein Verhaltniss zam Leben
des Yolks, die Gesetze seiner kiinstlerischen Composition a. s. f.
Wie die Yorlesung daher bier nur Im Grossen und Ganzen rer-
fabren kann, obne in eine detaillirte Erlauterun^, Uebersetzuag
und Worterklarung* einzugeben ; so darf auch der Priratfleiss des
ktlnftigen Scbulmanns nur auf diese Seite gericbte^ sein, und sich
nicht durch die Mikrologie einer Thiitigkeit, die den Tereinzelten
sprachlichen und sachlicben Stoff zu all^emeinen, an sich rid-
leicht wicbtigen, aber der Auffassung und Ausdeutung des Sehrift-
werks fern liegenden Betrachtungen sammelt und benutzt, zer-
splittem lassen. Tk&te er das nicht, so wUrde er zwar wobl la
dem Maasse und Umfange seiner Kenntnisse und Ferti^keitea,
aber nicht in Art und Charakter derselben die hdchste Lemstufe
des Gymnasiums nberschritten , und sich also auch nicht zum Leh-
rer desselben rorbereitet oder bef^igt haben. Nun aber stebt
bier allerdings das Gauze und Allgemeine mit dem Einzelnen and
Besonderen in einer nHheren und wesentlichen Verbindung', so
dass eben nur aus der sorg^amsten PrOfun^ des Einzelnen nach
Ausdruck und Gehalt die erste Wttrdigun^ und Einsidit jn das
Gauze sich herausbilden kann. Das setzt eine kraftige, scharf
ausgepragte und dabei gewandte 'Natur des Geistes roraus, die
nur durch fortgehende metbodische Uebung erworben und befest^
werden kann. Je mebr daher die Yorlesungen nach der beaeich-
neten Seite bin dem rorgesteckten Ziele sich n&hem, desto mebr
werden die Uebungen des philologischen Seminars unerlissUcb
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Die VorUldmigp des Sdralmanns far seinen Bemf. 313
seln, and zwar Torzu^sweise diajefiig'eB, welche mit d«ii Gasetzen
kritisch-gtaininatischer and sachlich - historischer Aasle^ng' rer-
trant and darin durch rielfache Uebung g-ewandt machen. Aaeb
kier wird dasselbe Verfahren zu empfehleu sein, wodurch aas
dem Einzelnen allm&hlich Resaltate far das Ganze nach seiner
litterarisch-kiinstlerischen Aniag'e and VoUendang* gewonnen wer-
den kdnnte, and zwar dieses melir aaf dem fruchtbringeoden
Wege eigenen Sachens ond Findens, so dass diese Uebangpen
mit den Privaistudien in der anregendsten and frachtbringendsten
Wechselwirkang* stehen.
Mach alien diesen Zweigen der wissenschaniichen Vorbildang^
des ktlnftigen Schulmanns fehlt aber noch ein grosses and wesent-
liehes StUck, dessen er ganz besonders in der gegenw^irtigen
Zelt and In dem LehrgeschSifte namentlich be! der erwacbsenen
Jagend auf keine Weise entbehren kann. Der akademische Lehr^
vortrag fasst den wissenschaftlichen Gegenstand fttr sich, also
auch das Altertham in seinem Wesen an sich ohne Beziehan^ za
der iibrlgen Welt, der Chjmnasial- Unterricht aber hat eine ver-
mittelnde ThMigkeit^ soil den zu lehrenden Gegenstand in die
Seele des Lernenden unter gewissenhafter Berilcksichtig'ang der
durch Zeit and Individnalitlit gegebenen Bedingangen verpflanzen.
Mag* also jener vielleicht von dem Yerhaltnisse des Alterthams
za dem Christenthum and zur Bildung der Gegenwart absehen
kdnnen: der Unterricht kann es zam wenigsten nicht, well er
es mit der durch das Christenihum von KIndheit an erzogenen
and durch die Richtungen der Zeit gebildeten Jugend za than
hat. Soil der Lehrer hier das vorgesteckte Zlel erreichen, dann
mass seine Vorbereitang ihn rorzag>swelse In Leben and Geist
doB' Alterthams, in seine Beziehung and seinen Gegensatz zam
Christenthum and za der modernen Welt eidgefuhrt haben, damit
er gerade diess Element wieder der Jugend nahe za bringen im
Siande sei. Es gehort daher In den Kreis seiner akademlschen
Besch^ftigung durchaus noch ein Gegenstand, mag* man ihn nan
Mink des AUerthums oder mit welchem anderen Namen sonst
benennen. Hier soil die ganze Summa alles antiken Denkens and
Empfindens sich rerelnigen, das hinere Bewasstsein der alterthttm-
Hchen Menschheit ron ihrem Sein and Leben, ihrem Kdnnen and
Sc^aS^n, Ihrer Abh&nglgk«lt ron hftherer Macht and demMaasse
einer dadarch bedingten elgenen Kraft, dem Ztele alles Strebens
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314 Die VorUUHttg dea ScMaiamis fftr selnoi Bemf.
in steftiUclier uBd b&r^rlidier Entwickelwig n. s. w. aiifipegcUos*
sen werden* Hler gilt es vor alien Dlngr^n, dea gaazen Wertk
«id die Ftile des Reiebthnms in Gelst nad Gaben, den das AUer-
tliam in seiner wunderbaren Welt vor nns entwickelt, Uar an
ertenaen, aber aacb die Sehranke nicfat za Qberseben, die Ihreai
Siidien und Forscben, ibretn Ringen und Arbeiten in Wissenscbafty
Kuttst und Leben gezogen worden ist* Dabei darf die zeiilidie
Eatwickehing nicbt nnbeacbtet bleiben, sondern es mass in steti*
gem Fortscbriite und mit genauer Unterscbeidnng 4ex im Cba-
rakter von einander abweicbenden Zeitalter der Kreislauf der.Ideea,
in denen sicb das belleniscbe Bewusstsein von dem in ursprting-
licber Genialitat scbopferiscben Homer bis zu den mit reflectir^ider
G^Iebrsamkeit reproducirenden Alexandrinem, vom patriarchali-
schen Konigtbume an bis zu den Eampfeszuckungen um die rer-
torene Freibeit bin, aber aucb in der romiscben Welt von den
^sten Grundlagen ibrer Staats- und Culturgestaltuag an bis zu
dem Pnncte bin vorgefiibrt werden, wo sie ibre grdssten Errun-
genscbaften in Recbt und Politik, einem st&rkeren Geiste erliegend^
an die sie l>eslegenden Macbte in Osten und Norden ubergibt.
Wir baben bis dabin vom AUerthume als der reicben Schatz-
lummer geredet, aus der der kiinftlge Scbnlmann seine n&breRden
Gaben an die empflinglicbe Jngend spenden soil. Aber sie darf
atlerdings nicbt das alleinige Stadium fur ibn blelben^ sondern
es muss nocb, so unpassend jenes aucb scbeinen mag, notbwen-
dlg ein Kreis von tiicbtigen Kenntnissen in der dentscben Litteratur
und ibrer Gescbicbte, in dem matbematiscben, pbjsikaliscben , geo-
grapbiscben, universalhistoriscben , pbilosophiseben und tbeologi-*
acben Facbe binzukommen , tbeils insofern wenigstens der tlicbtige
und das gewdbnllcbe Maass tiberragende Lebrer, aucb in den
sogar, worin er nicbt selbst Unterrlcbt zu ertbeilen baben sollte^
wie Matbematik, Pbjsik, Geographie, pbllosopbiscber Prop&deatik,
decb auf keinen Fall ein Fremdllng seln darf, so dass er erfor-^
derlicben Falls selbst einmal darin eine Lection zu ertbeilen in
Stande ist, und zum wenigsten einen Idaren Ueberblick fiber das
Gebiet derselben gewoanen bat, ibr Eingreifen iaandere F^ber
so wie ibren Wertb und ibre Bedeutung filr die Entwickelang der
JagendBcken Geisteskrifte zu beurtbeilen f&big ist Wir baben
ja aucb in diesen F^bem die notbwendigen Gegens&tze, Kebr-
seiten und Erglinzungselemente zum AUerthume^ sie bieten alM
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Die Torbildatt^ des Schalmaims fur seinen BernF. 318
dtejenlg^en Stofe dar, oline welche der jog'endliclie iGebt Tor
Einseitigikeit und Mang'elhaftigteit iilcht bewahrt werden kanEy
Hnd so muss ja denn aach , was den Schttler nihren and befniiA-
ten soil J zttYor ein wobl verarbeiteter Bildata^sstoff des Lebrerd
g^eworden sein, damit in ihm alle Anziebnngspancte, alle Qaellen
der Befriedigang', alle Mittel eines wabrbaften Veri^ebrs mit jenem
sich finden* Solche Gegens&tze sind aber Natur and Cfeachiehie
in ibrer weiteren Beziebang, jene in ibren allgemeinen Grand-
%^gen and Testes ten Gesetzen, diese in ibrer Entwickelang seit
deni Altertbame. Hler begegnen wir also der Matbematik, der
eigentlicben Pbjsik, der matbematiscben Geograpbie, der Erd-
kunde, der neuem Staatengescbicbte ; sie sind, wie wir offen
^estehen missen, bis jetzt rem kunftlgen Scbalmanne ziemlicli
rernacblassigt worden, and allerdings erscheint dieses sebr erkl^-
bar, wenn man die friibere mangelbafte Bebandlung dieser Disci-^
plinen aucb in der Litteratur ror nicbt mebr als zwanzig Jabren
ansieht. Die letzten zwanzig Jabre baben diess dagegen ent-
scUeden anders gestaltet, and es wilrde ebenso unerklsirlicb sein,
wenn man in solcher Unempfanglicbkeit bebarrte , nacbdemKart
Rftter die Erdkande in ibrer musterhaft durchgefilbrten Verbin-
dung mit der Natar und der Gescbicbte des Menscben, mitbin
auf eine ftir jeden Pbilologen anziebende and ibm nabe liegende
Weise- bebandelt, and Alexander yon Humboldt in seinem KosmoB
gezeigt bat, wie nicbt bloss die allgemeinen Verb<nisse and 6e-
setze der Natur, sondern aucb selbst die Ansfchten des Alter^
thums tiber die Natur anf eine wabrbaft classiscbe Weise sieb
darstellen lassen. Wenn dieser grosse Meister bier eine jeden
Pbilologen bescb&mende ausserordentlicbe Kunde nicbt bloss des
classiscben Altertbums , sondern aach der phHologiscben Litterator
selbst entwickelt and diess in einer an die rollendetsten Meister
der Atten erinnemden Form oder Spracbe dargestellt bat, so
erbellt woM zur Gentige, dass beide Ricbtungen nimmermebr als
unversobnlicb erscbeineu kdnnen , yielmebr dieselben in Einer Per*
sdnlicbkeit and Einer indiyidoellen Geistesentwickelung darznstel-
len als ein bobes and wiirdiges Ziel, als ein wenn •aucb nar
sdkwacb and ann&berungsweise zu erstrebendes Ideal geltenmnsSk
Wie wenig das selbst in einer frttbern Zeit and bei einer andem
Riebtong der Pbilologfe onmdgUch war, zeigen die gllnzenden
Master von Conr. Gesner and J« G. Scbneider, am jUi manebe
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316 Bie VorUldifn^ des Schalmanns far seinen Benif.
spMereti wackereo SchnlmEimer and Philosoplieii hier nicht zu
erinnern. Aber in einer so riele Forderangen erhebenden Zett
mugs anch die Zahl der Httlfsmittel utid Erleichterungsweg-e im
steien Wachsthnme beg-riffen sein. Diess ist indessen nach einer
Seiie bin nocb nicbt der Fall ; die Lehryortrlig'e der Uniyersitaten
baben sicb g'erade einer solchen Aufgabe, wie sie fur den hier
in Rede stehenden Zweck yon eingteifendem Nutzen sein wilrde,
nnr nocb in sehr geringem Umfange g'ewidmet, und ich erklire
mir es hieraus zu einem g'rossen Tbeile, wie es kommt, dass
%. B. die Erdkunde ungeachiet ibres grossen Bildungsreichthiinis
nnd g'eistigen Interesses nocb so wenig* tiichtige Lehrer , die Na-
iurwissenscbaft aber wobi ibre sjstematiscb ausgebildeten Lebrer,
aber im welteren Kreise namentlicb der Lebrerwelt so wenig* ent-
sebiedene and kundige Freande findet. Weit weniger ist diess
bei der neuern Staatengescbicbte der Fall and gewiss wird hier
aocb inimer fiir das L^bramt an Gjmnasien der gering'ste Mangel
entsteben , wenn nicbt etwa der aaf diesem Gebiete sicb fast jabr-
licb bHufende Stoff denselben za Weg;e br^cbte. Aucb bier that
also eine Bescbr&nkung Noth^ and zwar eine solcbe, die ^erade
iiacb einer andern Seite bin neue Vortheile entwickelt* Die deutsche
Gescbicbte mass in den Vordergrand treten , sie muss , wie sie es
in der Wirklicbkeit fur die g-anze neuere Gescbicbte ist, so
aucb der Mittelpunct far alle Studien derselben werden. An
sie scbliesst sicb die deutsche Litteratur und ibre Gescbicbte an,
damit das mebr und mebr zu kr^fti^ende nationale Element nicbt
bloss in der Gesinnung wurzele, sondern aucb die feste Basis einer
tacbtigen and bewussten Erkenntniss babe* Aucb dlese , fur die
in der Litteratur bereits tacbtige Hulfsmittel (Gervinus, Vilmar,
Gelzer) rorliegen, wird elnen grosseren Umfang und eine reg'el-
massigere Pflege auf unsern Unirersitliten schon an sicb wohl,
wie viel mebr also nacb den inbaltsscbweren Erfabrung'en der
Geg^enwart, erlangen; eben damit aber, wie mit der so durcb die
ganae Zeit gegebenen mlicbtigen Aufforderung wird auch den
Schulmann in der Vorbereitung' zu seinem wichtig'en Berufe wie
in der ^pjusobung desselben ein neuer Eifer nnd ein ernstes,
warmes jStreben fur diesen scbdnen Zweig eines wabrbaft erzie-
henden Unterricbts beleben.
VTir kommen jetzt auf die dem kanftigen Scbulmanne aner-
Itodicbe pMhsopkische Bilduog^ and nennen in dieser Beziebongr,
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Die VcHriUliiiDgp des SdmlnianBi far setneB Beraf. 317
damit ein so wesentliches Element ihm doch ja iddit feUe, ttiir
wenige Disciplinen dieses welten Gebiets, die wir Him allerdingii
aof keine Weise erlassen kdnnen; es siod Gesohichte der PMo-
sopbie, Logik vnd Metaphysik , Psjcholog'ie and Aesthetik. Die
zuerst g'enannten sind far seliie speculative Ausbildung', die
letzten fflr seine schulm^nnische ThMigkeit ausserordenUlch wicli-
ti^; alle diese kann er auf keinen Fall entbehren, aber es wird
darum niebt iiberflilssig' oder naqbtbeilig sein , noch andere binza-
zunebmen. Die Gescbichte der Pbilosopbie fiihrt ibni die g^rossen
Probleiue luenscblicben Denkens in der lang'en Arbeit des Geistes,
in der stetig'en nnd zusanimenb^ngenden Entwickelang* der Jabr^
bunderte vor^ sie zeigt ibm, am welcbe Gegens&tze and Katego*
rleen beram das Sucben and Fragea der anrubig^en Menscbenseele
von Anfang an gegmgen ist and wie auf eine besonders lebr-
reielie Art das Alterfbuni darin die Angelpuncte seines ganzen
Lebens und Strebens g'ebabt bat. So yorbereitet fasst er die
nemlicben dann in ibrem inneren, tiefen und gesetzmHssig^a
Zusammenbang'e , in dem Wertbe and der Bedeutang* aller for
einander und fiir das Ganze durcb die Logik and Metapbjsik
auf; so gewinnt er erst das voile Verstandniss der Gescbicbte
mit der ganzen unendlicben und niubseligen Arbeit aller ibrer
Triebfedern and Kr&fte, so gewinnt er jene Reife des Geistes^
die, die tiefere Bedeutun^ und den innern Zusammenban^ der
Dinge erkennend , aucb die recbte Form ibnen zu geben and sie
naeb der g'anzen Mannicbfaltigkeit ibrer concreten Erscbeinaag in
die recbte Beziebung zum jugendlicben Geiste zu setzen verstehi.
Wie oft wird er nicbt dadurcb in Stand g'esetzt sein , den Gedan-
kenformen und Spracberscbeinungen ein Leben, eine Seele ein-
zubaucben, das Gesetzmassige in der Natur mit dem Bedttrfnisse
des denkenden Geistes in Uebereinstimmung' zu bring'en, selbst
den g'escbicbtlicben Gestaltungen in ihrei^ innerlicben Notbwen-
di^keit nacbznspiiren , and wenn er^das Alles aucb nur in seinen
voUen, lebendig-en, concreten ZOgen an die Jugend brin^en
kann 9 so muss er docb eben selbst ein weiteres and ^danken-
m&ssiges Verstandniss davon baben^). Dasselbe g-ilt aucb ron
4) Icb will bier nnr an ein treffliches Werk, Trendelenhurgs logisehe
Untersuchungen, erinnern, dnrcb das gewiss jeder Lehrer, der es stadirt
bat, sich in seinem Wirken wird itt dieser Beziebung manni^hfaltig ^ef&r-
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316 Bte VorirfUking det SchvImsiiM fOr seUttn Beraf.
iler PBychologh^ die fir den Lebrer eine doppelte Besiekong wbA
WicbUgkeit bat, einmal, settdem man die Spraebe nkbt mebr
rein logiscb, sondern vielmehr psjcbologiscb , als das Gepr&g«
des V4>lksg'eistes oder der rerscbiedenen Charakterg'attang'en des
Qeistes^ zu betracbten g'ewobnt ist; fiirs andere aber, msofen
«ie die alieinig'e, Grundlag'e ftir die ricbtige Wttrdigung' alles
Seelenlebens ist, obne die also eine wahre nnd erfolgreicbe Er-
fiiebnng* g'ar nicbt g'edacbt werden kann. Aber eben desbalbiriU
die Psjcbologie bier besonders in Ibrer doppelten Gestalt aaf,
die Specnlation muss der Erfabrung* die Hand reiebeo, und es
ist mebr als wiinscbenswertb, dass der Scbulmann auf den erfab-
f ungsmilsslgen Tbeil dieser Wissenscbaft sein festes Augenmerk
geriobiet balte und denselben, wie er besonders in dem Lebei
krtfiig'er Natnren und tiicbtiger Personlicbkeiten vorliegt , sam
fieg'enstande seines anbaltenden und eifrig^en Studiums macbe.
Aber das Wahre j das Gedankenm&ssig'e soil der Jug'end vorzugs-
weise in der Gestalt des Schonen entgegentreten , dafiir ist ste
ja gerade besonders empfanglicb nnd bat den offenen, friscben
Sbin'dafiir; darum mtissen aucb dem Lebrer ver alien Dingei
die ewigen Gesetze des Scbonen stets yor seinem Gelste gegei-
w&rtig sein, damit er bier die Jugend ricbtig leite upd sie, von
lalscbem Scbimmer und trOglicbem Scbeine ungeblendet, das wabr-
liaft Scbdne nnd in ibm das ewig Grosse, Gute, Wabre erfassei
tebre. Die Aeathetik wird Ibm daber nacb alien Seiten bin einen
Reicbtbum bildenden Stoffs geben , die bildenden Kiinste so gut
wle die redenden, und zwar wegen ibrer nicbt gerlngen Aehn-
liebkeit nnter elnander und wegen ibrer naben inneren Verwandt-
ficbaft , besonders im Altertbume. Im Unterricbte wird er sp&ter
gar oft Gelegenbeit baben , auf Wesen und Bedeutnng aller eckten
Po^sie, auf den Unterscbied und das innere Leben des Epos,
der Ljrik, des Drama aufmerksam zu macben; bier lagert eln
grosser und wunderbar relcber Stoff, dessen Scbitze zu heben
«Bd durch die eigenen Erafte aus den tiefen Scbaditen beramf-
ftvarbeiten bei irerst&ndiger Leitung zu einer gesegneten Tbittg*-
keit der Jugend fiibren wird^).
dert (allien; namentlich ist der Gewiiin, den man darans far spraehlidie
Beobacbtangen schOpfl, angemein gross.
5) Den Schnler die seibstst&iidige Anwendang der ailgeiaeiaen €resstze
In den yer^cbiedenen Gattongen der Poesie uad an den firzeagnissen der
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Die YnUUmg des Beholmtnas filr seHieB BeroC ai9
Man k^bmte diesen ZomvihttB^cn in das Stadiam d^g kftaf-
tigen Gymnasiallebrers mit Leichtig'keit das alte fif^div ayavl
enigegfin halten, and das nm so mehr, als w!r noch nicht mit
lallen wissenschafUichen Yorbjeding'ang'en fOr eine g'esegnete Fiih-
nng des Schulamts am Ende sind. Jede Darstellang dieser Art
wird immer einen ldea}en Charakter trag^en mUssen, es handelt
sicfi ja aneh nnr darum, das hohe nnd wiirdig^e Ziel des schdnen
Berafs y^rsahalten, ohne dass es dem armen Sterblichen verg^nnt
wilre, sich einer YolUg'en Ldsung* derselben jemals ruhmen u
kdnnen^)* AUerdings bedarf aber aucb der Scbulstand einer
frischen, lebendig^en, elastischen Natur, die jnebr als gewdhnlicb
ig'eistig' zu yerarbeiten nnd wiederzugeben im Stande ist; was
aber d^Umfang* derAufg'abe betrifft, so sind hier noch g'ewisse
Abzweignng^n natiirlich oder nothvrendig, die sich nnr bis zn
^inern g'ewissen Grade beriihren, im Uebri^en aber ibre beson-
deren Wege g'ehen. Nach deA g^egenw^rtigen Stande der Sacbe
•nemlich werden zwei Classen von Lebrern zn unterscheiden sein,
wir bezeichnen sle als Fach- und Claaaenlehrer ^ nnd zwar jene
wleder in z>yei verschledenen Richtungen. Der Classenlehrer
mass philologisch gebildet sein , seine eigentliche Virtuositlit muss
in der Handhabung' nnd Kunde der alten Sprachen bestehen, die
mit einer vielseitigen Kenntniss des Alterthnms, seiner Geschjchte
nnd Litterator, Hand in Hand geht; aber nach einem innerllchen
Bedilrfkiisse der sogenannten Blldnng muss damit Kenntniss der
im Kreise seiner Bekanntschaflen liegendcn Litteratur in eigenen Ausar-
foeitnngen machen zu iassen, wird seinen grosscn Nntzen stets bewahren.
£ein Lehrer aber soHte doch vor alien Dingen das Stadium so inhaltreicher
Arbeiten, wie die isthetiscken Werke von Hegel, yon Thiersch u. A. sind,
jemals yerabsaumen.
6) Ich kann es mir nicht yersagen, auf die schdnen Bemerkungen yoll
anregender Wahrlieit zu verweisen, die Fr. Creuzer/m seiner Schrift: das
nkademische Studium des Alterthums, wiederabgedruckt in seinem kurzlieh
erschienenenWerkchen: A^s.dem Leben eines alien Professors, S. 273 — 343,,
namentlidi S. 279^83., niedergelegt nnd dabei auch Idee und Gesinnang
60 treffend gezeiehnet hat. — Fur die Zusammenfassung der akademischen
Studienthatigkeit des kunftigen Schulmanns in einem wohlgeordneten Kanon
crscheint der Studienplan for die Hessen - Darmstadtischen Gymnasiallehrer
mit ziemlich umfassenden Forderungen jedenfalls niitzlich, s. Fr. Osam,
MeieuehUm^ 4er Bemerhmgeu SMeiermachers gegen den Giessener Studieth-
pian, S. 38 f. , .
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390 Die Vorbildmig des SclinliiuBas fttr ff^oen Ber«r.
PhilosopMe and Geeeliiclite ttberluuipt* yerbiindeii seln^ so wi^
diajenige Bekanntschaft endlich mit den mathematisch-phjsikali-
schen Wissenschaften , die eben so viel Ueberbliclc als WOcidjg'inig'
dieser Facber ^ew&hrt. Die eigenUicb tiefere and amfan^reicbere
Kenntniss dieser letzten Disciplinen and ibre woblg^eubte Betrei-
bang" mass dagegen vor allein dem FacUehrer verbleiben, d^
jedacb wiederum mit den classischen Spraehen vertraat and in
den bistorisch - philosophiseben Wissenscbaften nicbt anbewandert
sein mass. Das.Lebrfacb in G.escbicbte and Geograpbie wird der
Regel naob wobl den Classcnlebrern zufallen, docb w^e aach
die Wabl dieser Aufgabe als einer abgesonderten denlibar , nv
dass dann, wie diese Facber selbst zwiscben den classiscbei
Spracben ynd den Natarwissenscbaften gewissermaassen iu der
Mitte steben, die vielseitigere Ausrustung' aaf dlese, namentlich
aaf die ersten, sicb mit erstrecken ifiasste^ in so weit nemlicb
das wissenscbaftlicbe Band zwiscben den an^egebenen F^hen
Oder die Forderung classiscber Bildung fiUr das recbte YersUyid-
niss der Gescbicbte gebt* Endlicb ist nocb ein anderer Zweig
za beriicksicbtigen , nemlicb die neuern Spracbeny sie kdnnen In
seltenem Fallen. eIn erfreulicbes Eigentbam der Ctassenlebrer seiO)
in der Aegel. wird ibnen aber eine besondere Anfgabe za widmen
sein 9 and zwar entweder von Seiten pbllologiscber Lebrer, was
rieileicbt dem Interesse des Gymnasiums entsprecbender ist, oder
bel einer vorwiegen^en Hinnelgang zur modemen Bildang* von
Seiten des Lebrers der Mathematik and Pbj^k. Wir baben dem
Gegenstande bier keine eingebendere Betracbtun^ widmen wollen,
weil wir des Dafiirbaltens^sind, dass ein gedeilillcber Erfolg* aaf
diesem Gebiete, b«i tibrlgens tilcbtig'er and anderweltiger, nament-
licb spracblicber Bildong, nar darcb einen Aafentbalt and euie
Erlernung dieser Spracben Im eigenenLande, wo sie gesprochen
werden , za erzielen ist ^).
Wir baben aber zum Scblusse nocb etwas zu nennen, was
alien diesen verscbiedenen Gattungen des Gjmnasiallebrer-Berob
^emelnsam ii^, and zwar ein Doppeltes;^ wir nennen zav6rderst
die Padagogik. Die recbte Erziabangsweisbelt soil frellich eine
von oben gegebene Form sein and darcb Uebang gesUirkt und
ee-
7) Icb darf aaf das von mir fraher^ OTgam$faUm der QeUhrtmtehOtm,
S. 97. , Gesagte yerweisen.
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Die VarbOdnng des Sckulmaiiiis fOr seintn Betnt 321
gemehrt werdea; der Schulmanii moss ttber jeden handwej^s-
mil88i^«ii Betrieb sei&es Berufs, jeie blosse RontiBe hiiuiiis, es soH
9im seine KaBst eioe bewasste, ans Prlncipiea ericaniiie imd mit
Uarem YenitaBde ^eQbte seiiL Freilii^ betritt er hier ein wdtea
and rages Feld, we ein bestimmter Leitstern, ein testes Princip
so sehwer zu gewinnen ist, wo die Stimmfahrer der Wlssen*
schaft und Utteratar gerade nacb ihrer ganaen geistigen Riditimg
nnd Sinnesart anf einem so grnndwesentiich merscidedeBen Bod^
steben, dass aa eine Einignng kaam zb denken ist. Die erste
Quelle qnd das erste Halfsmittel mass bier also wohl noUiwendig
<UeErfahrang, die Qescbiebte sein, and eine anf dem bistoriscbett
Wege an der Hand der Yolker and der Indiiriduenebarakter'-and
lebensvoll aafgebaote PUdagogik wird liler das Gewinnreichste sein.
Die ausgezeicbneteren Leistungen der Litteratnr balien bis jetzt
aadi nocb dlesen Weg eingescblagen ^) and es wird aaf dem-*-
selben aucb ferner nocb manches scbdne Verdienst zu erwerben
sein; yielleicht wird dann erst 9 wenn diese RIcbtoBg genagsam
aasgebeutet 1st, ein organiscb gegrBndetes and fest aafgebaates
System der Padagogik mdgllcb sein« Je n&ber sicb dasselbe aa
die Etbik and Psjcbologie anscbliessen wIrd, desto lebrreicber
and gediegener wird es sein. Immer wird der kttnftlge Scbaimana
aucb dlesen Bestrebangen Bacbzugebea uad , am aus dem engerea
Krelse seiner besondern Aufgabe in die allgemelne Lebenslaft
des ganzen Gebiets emporzutaoehen and friscbe Kr&fte za sam-
meln, aucb selbstsUlndige blelne Studlea anf demselbea zu machea
haben. Besonders bewandert and beimiseb aber muss er in der
Gescblcbte wie In der gegenw&rtigen AusprHgung des Gjmnaidal*
wesens sein; bier muss der Vergleicb mit fremden L^ndern and
mit der Stellung, die das Gjmnasiam In denselben zb dem ge**
sammten Unterrlcbtswesen bat, ibm besonders zur Belebrung und
Anregung dienen. Erzlebung und Unterrlcbt dBrfen la Allem
Kwar niemals glinzlich von einander getrennt werdea, immer aber
8) Icb erinnere hier namentlich an die vortreffliebea Werke ven Fr.
Cramer und K. y. Raamer and mache nar hoch ausserdem besonders daranf
anfmerksam, wie anch in den grOsseren padagogischen Arbeiten yon F.
B. ۥ Schwarz and A. H* Niemeyer gerade dieser geschichtliche Theil mit
einer Liebe and einem Erfolge bearbeltet ist , die den systenatisdien Theil
YfeiX hinter sich lassen.
Iduhher, ges, Schriftm. 21
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322 Die Vorbildang des Scbulmaniis fttr seiaen Beruf.
wird J wie in dem Allgemeinen die Erziehang* , so in diesem Be-
sondern der Unterricht, die didaktische Kunst, stater kervor
treten. Die Prokienie, Sckwierigkeiten, Mittel vnd Abkalfen mttssen
bier durck besondere Votit^ge za einem lebendlg'ea Bewusstseis
gebrackt werden, damit der Sckulniann bei selnem fiintreten in
den Bernf nicbt blind umbertappe oder sick einzig* immer aaf seia
nattlrlickes Gefftkl berufe. Denn bier finden wir ibn recbt eigentlick
in dem Mittelpuncte seines sckulmUnniscken Wirkens und Bewusst-
seins ; ikn soli yor alien Dingen die Seele des Lemenden anzieken^
diese soil er bilden and reredeln wollen , er soil erxiehen* Wenn
aber so der ganze Menscb niit alien seinen Gaben und KrUften an
Leib, Seele and Geist, an Herz and Gemtith das Ziel seines
Strebens and der Gegenstand seiner Liebe und Fiirsorge ist: se
soil er auck bei allem Tkun und Lekren mlt seinem ZHglinge it
einer innerlicken geistig-gemiitklicken Verbindung', einem wirk-
licben Seelen-Yerkebre steken. Diess ist im letzten Gruade okne
religiose Gemeinsckaft and Einwirkung nickt moglick; diese aber
bQdet sick ja nur auf dem Grande eines bestimmten kircklickei
Bekenntnisses ^) , und wir kalten an dem Glauben fest, dass nur
dann elae wakrkaft segensreicke und innerlicke Wirksamkeit statt
baben kdnne, wenn sie von treuer religidser Ueberzeugang und
ckristlicker Lebenswiirme durcbdrungen ist. Nur wo die Seelen
«cb einig oder rerwandt fiifalen auf diesem tiefsten und innerstea
Lebensgrunde, da ist eine wakre Gemeinsckaft vorkanden; folgt
der Sckiiler kier seinem Lekrer gem und ftikit sick yon densel-
ben Bedtirfnissen des Geistes getragen, dann wird er ikm audi
freudig auf alien Wegen des Wissens and Lernens , die voll Make
and Arbeit sind, nacbgeben. Dazu gebort indessen nickt als
anerl^slidie Bedtngung, dass er selbst immer den cbristlicken
Religionsnnterrickt ertkeile; aber ausser dem warmen Sinne and
der treuen Liebe dafOr darf ikm Interesse und Kenntniss des
Ckristentkums bis zn einem gewissen Maasse der LebrbeflAiguag
nicbt abgeben.
Es ist sckwer^ in einer Zeit^ die einea so ungekeuren Um-
sckwung kervorgerufen fcat, gerade aber dieses Verkaltniss der
9) Das Programm yon A. P. Muller: diss., qua exponitur chrisHimnm
educntionem niti dehere in ecclesiae confessione, Grimma 1846., balie Ich
bis jetzt leidcr nicht einsehen kOnnen.
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Die Vorbfldun^ des Schalmanns ffir seioen Beraf* 323
Schule and seine znkiinftige Gestaltung* zo urtiieilen; ich erkl&re
jedoch meinestheils anumwunden, dass, wfe aucb die n^chsie
Zuknnft tiber das Loos der Gjmnasien and ihre inhere Org'ani-
sation entscheiden mdge, ich mir kein Heil and Gedeihen auf
diesein Gebiete vorzustellen verma^, wenn die Thatigkeit der-
selben yon dfesem ihrem urspriln^lichen Lebensgrande losg'erissen
wird. Wenn Staat and Kirdie, wie es dem obersten Principe
nach bereits gpescbehen, aacb factisch sich von einander trennen
and dann die relig-iose Selbstbestimninng' der Freiheit der Gemeinde
im Yollsten Umfange anbeim geg'eben wird : dann wird nacb meiner
Ueberzeug^ang die gewaltigste, bis an ihren innersten Lebensnery
dring'ende Erisis fur die Gelebrtenschule eintreten, eine Krisis,
wie sie noch kelne seit ihrer Griindung' bestanden hat. Entweder
wird sie dann, jeden confessionellen Rellgionsanterricbt von sich
aasscheidend 9 in einerfarb- and charakterlosen Weise, bel der
die heterogensten religiosen Ansichten In trager GleichgQltigkeit
gegen einander and ohne Einwirkung aaf eine erziehende Th&-
tlgkeit bestehen mOssen, einer rein formalen Geistesbildang sfch
za widmen haben, wobei es der Familie anheim gestellt wird,
in wie welt sie glaabt fUr das religiose Bediirfniss des Knaben
and Jttnglings anderweitig sorgen zu mlissen ; oder es wird aach
das Gjinnasiam in eine starke and durchgreifende Scheidung ein-
treten, vermoge welcher jede chrisiliche Confession , InsoweitZahl
and Umfang ihrer Bekenner solches gestattet, ihr eigenes Gym-
naslani za grttnden Recht and Befugniss baben wUrde. Irre ich
mich indessen nicht, so wiirde sich der Gegensatz lelcht noch
ganz anders gestalten. Vielleicht ist mein Blick za triibe and
meine Besorgniss za schwer, aber ich sehe keine Sicherheit oder
Bttrgschaft, dass mit einer ZarQckstellang oder YerdrMngung des
Christenthuins aus den Gjmnaslen nicht aach eine Geringschatzang
classischer Bildnng eintreten mOgte. Ich gebe es der nachsten
Zukunft zar Entscheidnng anheim , oh nach dem Vorgange dessen,
was bereits In mehreren deatschen L^ndem in Bezag aaf die Be-
freiang aller Nicht -Theologen vom Griechischen geschehen 1st,
nicht eine folgerechte Ueberweisang der Jaristen and Mediciner
an Lehranstalten, denen der Staat neben der technischen and realen
eine starkere politisch - cameralistische Blldungsform geben wird,
mit Recht za erwarten sein durfte , ohne dass damit jedoch ihrer
Wahl der gewdhnliche bisherige Weg verscblossen ware. Dann
21 *
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324 Die V^rbUdung des Schilmanim far seineii Bentf.
aber wfirde ja die Kircbe der eigenen Vorbildan^anstaltei ibrer
fctlDftigen Diener mn so wenlg^er entbehren kdnnen, und wir erbiel-
teo Ton selbst jene ^^Gyninasien ftir Irihiftige Tbeologen^^ oder
Biederen eTangeUficbenSeminarieii, deren BinfahniDg' zarZelt des
cbrisUicben Staats eine gefabr- und yerderbenbringende Saebe
war *^)9 mit der Scheldong zwiscbeti Staat und Kircbe aber leicht
ZQ einer NoUiwendigkeit geworden sein diirftew
Icb bomme jetzt auf das zurtick, was hier zonllcbst dei
Hanptpnnct bildet* (Inter den beiden SK^gliobkelten , die ich an-
fibrte, kann icb nnr die zweite mit ibrer zwiefacb denkbarea
Gestaltang anerkennen; ich mnss also der Gelebrtenschnle, wenn
sie nicht Tollkommen anfbtfren soli ^ in dem alten Sinne ein semi-
narinm rei pnblicae et ecclesiae zo sein, ihren cbristlich-kircb-
fleben Charakter lassen, nnd verlange demgemUss yon jedem
Ibrer Leiirer eine bewnsste, mit seiner ttbrigen wissenscbaftlicben
Bildung in Einklang* and Yerbaltniss stehende Kenntniss der Leltre,
der Geschichte and des Lebens der cbristlicben Kircbe. Am ge-
eij^netsten wfirde dieselbe nacb meinem Dafiirbalten dadnrcb gewoa-
nen, dass regelmassig anf den Uniirersit&ten eine Vorlesang ge-
halten wikrde^ die mit dem Kern and Wesen tbeologischer Wissen-
acbaft in angemessenem Umfange eine grilndlicbe and anregende
Bekanntscbaft rermittelte. Wir leben in einer Zeit, wo keia
Einziger, der durcb die akademischen Studien in irgend einem
Fache bindarcbgegangen ist, den Interessen , BedOrfnissen and
Bewegangen des religidsen Lebens sich entzieben and za den
l^nde einer bdberen Kenntniss aller daraaf abzielenden Fragea
entbebren kann; in einer Zeit, wo die evangeliscbe Kircbe ebi
neues Leben za eniwickeln and eine friscbe Form sell>8tstandiger
Yerfassang sich za bereiten begonnen hat, wo also jedes leben-
dige Glied derselben eine tiefere Konde yon ibrem Gronde
and ihrem Aafbaa ndthig bat: da soUte billig eine reicbbaliige
Gelegenbeit daza nicht fehlen and gewiss wird darnm jede theo-
10) Ich rerweise in dieser Beziehnug anf die nber einen solchen Ge-
danken , wie er in Prenssen rege ward , ge&usserten Ansichten in der Mer-
liwer Lit. Zeituny 1847. Nr. 20. nnd in dem Aafsatze Ton Hatfetihach, uber
die Vorhildung fUr den geisil Beruf, abend. Nr. 10, a. 28. Cbesonders in die-
sem 2. Artikel)> Tomcmlicfa aber auf den vortrefriichen Aafsatz von Wiesei
Das Oymnnsium und die Minftigen Theologen, in der Zeitschr, fur d, €rym-
nttsiaiweien , I. (1847), 3. S. 16—32.
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Die Vorbildang- des Schulmanns fttr selnen Berof* 325
lo^kiche FacidUt niit Freudcn kttnfti^ sich es zur Antgzibe steUen,
weni^stens j&hrlich einmal durch efnes ihrer Mitg'lieder eine solche,
jedem Gebildeten uogemein interessante, Vorlesvng* kaltenzu las-
sen ^'). Ausser dent sollten die PhiMogen auf exeg>etlsche StadieD,
namentlich aater der anreg'eodeaGenielnschaft der dafilr nirgend feh-
lenden Seminar -Uebungen , fleissig eingehen: es wttrde auf diesem
Wege der Theologie wie der Philelogie gleicb schOne Frucht
bereitet werden. Wem der Religionsanterriclit als besonderes
Ziel Yorschwebt, gebt ansserdem in dogmatiscben and kiroben-
geschicbtlicben Stadien natiirlicb nocb welter, l&sst aber die llbrl-
gen mebr practiscben Seiten des eigentlicben Tbeologen llegen,
urn aucb nocb statt de^sen aaf demjenigen Felde slcb beimiscb
zu macben j auf welcbem er nachmals eln sein bestes Wirken fOr-
derndes Mittel vertrauten and gedeiblicben Verkebrs mlt der Jugend
finden wird*
Es ist der letzte Theil unserer Darstellung (Ibrig , der wicb-
iigsie and bedeaiendste , den wir jedocb nacb allein Voraasge-
gangenen kttrzer bebandein kdnnen. Es 1st das pkilologisoh-
pddagogiache Seminarium^ in dessen Uebungen mnd Stadien §ick
die Sunima and der ganze relche Gewinn aller jener wissen-
scbaftlicben Bescb&ftigangen des kOnftigen Scbulmatins zusammen-
drHngen soil. Hier spricht slcb der friscbe, lebendige Sinn in
der elfrigsten Aasbeutang des wissenscbaftllcben Ertrages aus
den akademiscben Vortr&gen wie aus der Litteratur, der genuss-^
reiche selbststlindige Anbau ausgewahlter Gebiete des in scbdfier
Gemeinsanikeit gemasterten Feldes, bier ein frOblicbe^ Aastanseb
des an Ideen and Wissensstoff gewoiinenen Scbatzes, vor alien
Dingen aber aacb der kr&ftige Trieb^ das also erbeutete Gat
in practiseber Anwendang frucbtbar and ntttzlicb za macben, and
der fruchtbarste Wetteifer fftr diesen ergiebigen Wucber mlt dcm
gewonnenen geistigen Pfunde aus* Drei Dinge geben demselben
seinen anersetzbaren Vorzag: das angetrtibte, ifelne, wissen-
11) Aehnliche Vortr%e sind bereits mehrfach gebalten worden, so
von NlUsdi in Bonn CBerlin), Jol. MiiUer in Halle, Ladk<» fai GOttingen
n. A* Es w&re eine weniger formal gebalteiie, mehr Stoff bietende £1105-
dop&die Ton 5 — 6 Stnnden wOchentlick in 1, bOchstens 4—5 Standen in
2 Semestern — Einen fruheren Vorschlag (Organisation der G. 3ch. S. 98.)
mOgte ich Jetzt in Uebereiastimmung mit ThohicVs Lit. Anz. 1844. S. 395»
80 Hmgcf^alten.
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326 Die Vorbildung des Schiilmanns fiir seinen Bemf.
schaftliche Streben , die schdne Gemeinschaft der Mitglieder anter
sich und luit erfabrenen Freunden , die ihre Studien leiten , endlidi
der rascbe und lebendige Umsate der Ausbeate ihrer Studien in
Arbeiten, Mittbeilang'eii und practiscben Versucben, und es unter-
liegt wobi keinem Zweifel , dass dieses ecbt akademiscbe Elenient
fiir die Universitkt selbst wie fUr das spiitere Berufsleben iron
gleicb reicbbaltigem Gewinn ist. Yerzeicbnen wir biernach zu-
Tdrderst die rerscbiedenen Uebungen , die wir fur das pbilolo-
g'iscb-p&dagog'iscbe Seminar uns als besonders notbwendig und
wesentlich denken:
1) Disputirubungen in lateiniscber Spracbe fiber die yer-
scbiedensten Puncte oder lebrreicbsten Paribieen der ganzen Alter-
tbumswissenscbaft*
2) Inferpreiaiionsubungen griechischer Cl^saiier ^ nieistens in
lateiniscber Spracbe und mit Riicksicbt auf die bobere wissen-
scbaftlicbe Aufgabe.
3) Interpretationen lateini^^her Classiker , entweder schwe-
jrerer in lateiniscber Spracbe und mit dcrselben mebr wissenscliaft-
licben Tendenz , oder leichterer in deutscber Spracbe mit beson-
derer Rucksicbt auf specielle Aufgaben, Metboden, Unterricbts-
stufen u* dgL m., also mit tiberwiegend pyagogiscb-didaktiscben
ROcksicbten.
4) Vergleichende Sprachiibungen^ an Musterstiicken grie*
cbiscber, lateiniscber und deutscber Classiker angestellt und durch
Versucbe und Beurtbeilungen , verbunden mit comparativen sprach-
licben Erdrterungen , frucbtbar gemacbt.
5) Yortr^ge und Besprecbungen tiber padagogisck^didak-
iiache Fragen^ sowohl aus dem allgemeinen Gebiete des Unter-
ricbts- und Erziebungswesens , als aucb dem besonderen des
Gymnasialberufs, und in der mannicbfaltigsten Form und Metbode.
6) Praktiscbe Uebungen im Unterrichten In den baupts&ch-
licbsten FUcbern und Lebrgegenst&nden mit GjmnasiaUSchtilem
verscbiedener Altersstufen in Gegenwart eines der Directoren and
aller Seminaristen angestellt.
Es yerstebt sicb tibrigens yon selbst, dass diese Uebungen
tbeilweise modificirt, nacb den Umstftnden erweitert oder bescbr&ikt,
einzelne aucb mit nahyerwandten Aufgaben {%. B, die untcr 5.
genannten padagogiscb-didaktiscben Verbandlungen mit selbst-
st&ndigen Vortrftgen ttber freigewftblte Gegenst&nde aus dem
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Die VorbilduD^ des Sehalmanns fttr seinen Beraf. 327
Gebiete der ia den Bereich der GjmnasiaUhfttigkeit fallenden, fflr
solchen Zweck geeigneten Wissenschaften) rertaascht werden
konnen. Wenn wir ferner oben mit Recht mehrere Arten der
baapts^cUichstea Lehrtbliti^keit angenommeii haben, so werden
aucb diejenigen, die sich far eine der besonderen Gattongen,
wie den Religionsanterricbt oder das mathematiscb - pbjsikaliscbe
Facb, Torbilden wollen,.yon der einen oder anderen Uebnng'sart
befreit werden kdnnen y am sich statt dessen vielleicbt der Tbeil-
nahme an den alt- und neatestamentlicben Interpretationsttbangen
des exegetischen oder den Aufgaben eines naturwissenschaftli-
cben Seminars oder matbematiscben Uebung>en za widmen. Es
sollte bier Uberall nar eine Andeutung geg^eben werden, wiesicb
das innere Leben einer solcben den practiscben Beruf n&brenden
und befrucbtenden Yorbil^angsscbule am zwekm^sigsten g^estalten
kdnnte.
Die Leitung aller bezeicbneten Uebongen liegt in der Hand
zweier Directoreu, die die Arbeit in ang'emessenem Wecbsel anter
sicb tbeilen; dieselben sind aos dem Kreise der UniFersitHtslebrer
nacb Maassgabe ihres bierzu erforderlicben pbilologiscben Lebr-
berufs and ibrer grundlichen, aas eigener Erfabrang stammenden
Kenntniss des Gymnasialwesens zu w^len. Sebr zweckmlUisig
wird indessen aucb die Wabl des Directors eines am Orte be-
findlicben Gymnasfams, besonders bebufs der mebr practiscben
Uebangen, erscbeinen mtissen; und w&re an einem UniFersitHtsorte
diese practiscbe Seite aus dem einen oder anderen Grunde viel-
leicbt aberbaupt weniger passend und ausfiibrbar, so wilrden wir
aach AsLgegen nicbts za erinnern finden, wenn wenigstens ein
Tbeil der ganzen Aufgabe an ein Gjmnasium rerlegt und die
Leitong einem dafiir geeigneten Gjmnasialdirector tibertragen
wlirde, wie solcbes in Berlin unter Gedike gescbab. Die ZabI
der zu regelmHssiger Thatigkeit verpflichteten Mitglieder ist nacb
Umst&nden und Bediirfniss verscbieden, jedenfalls aber immer
wtinscbenswertb , dass mindestens 4 — 6 (wie bisber gew(^bnlicb)
darcb besondere Unterstatzungen in den Stand gesetzt werden,
sicb mit angetbeiltem Eifer der wicbtigen Vorbereitangsaofgabe
za widmen. Dass ein vierj&briges Stadium flir den ganzen Urn-
fang* der wissenscbaftlicben Ausbildung wie fttr die practiscben
Uebungen, die dazu treten, in derRegel unerlilsslicb notbwendig
sein wird, leucbtet ein; fOblt einer sicb ausserdem befabigt, nocb
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328 Die VerblldaDg des Scbttlmanas far seinen Bernf.
eine der ak besoiidere Flicher verzeichneten AntgAen (ReligiMi
•der Matbematik nod Natnrwissenscfaaft, aacb neaero Spradiea)
ao der allgeiueinen hlnzazunehmen , so nidge er far die erforder-
Hcbe weitere Aaadehnang* seiner Stndienzeit doreh besondere
VergAnstigiingen gefdrdert werden. Ein eigenes Anditoriom in
UniTersit&tsgebande nnd elne dem Zweck and der ansscbiiessB-
eben Benntenng* des Seminars dienende Bibliotbek sollten bBlig
als ftHssere Ftfrderongsmittel nicbt feblen. Immer wird freilick
der Hanpterfolg von dem Geiste abb&ngen, der das ganze Instttat
besedt; yon dem Eifer, womit die wissenscbaftlicbe and practisdie
Aosbiidang betrleben and dadurcb dem kdstlicben Berafe, der
alio Arbeit and Entbebrang einer frdblicben Jugendzeii mit dem
erqalcldicben Gewinne eines wabrbaft genassreicben Lebens In
^ter gelailget Tbatigkeit and in dem innerliehen, wabrbaft ver-
jttngenden Yerkebre mit der Jagend reicblicb yergilt and belobnt,
tflcbtige Krafie zugefillirt werden; ron der Begeisterong and
Hingebang endlidi, womit die Lebrer nicbt bloss filr die Wk»en-
^baft za entzfinden, sondern aacb far die recbte Fobrang vnd
Unterweisung einer den Segen der Zukanft banenden Generation
dne treae and danemde Liebe einzaflassen and so, was in ihien
(^Iber als ein reines and anvergangliclies Gat lebendig ist, roll
edier Glotb in die Seelen empftoglicber Janger niederaolegen
yersteben.
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329
Der Scholgottesdienst.
Die Schule, als eine sittliclie Gemeinschaft wie das Haus
und die Famllie, kann der gottesdienstlichen Erbauung nicht ent-
behren* Soli sie wahrhaft ein lebendiges Ganze sein, ruhend
anf einer inneriichen Gelstesgememschaft zwischen den Lehrenden
vnd Lernenden in ihr, so ist dieses Element nnerl^slich. Den-
noch scbelnt es in einem weiten Umfange in hoheren und nie-
deren Schiilen yerkannt and yerkommen za sein; und wlikrend
man auf der einen Seitc das Bediirfniss desselben nicbt stark
^enug* empfinden [und ausdriicken zu konnen meint^ will man aaf
der andern noch immer entweder die Augen davor verscbliessen
oder das Geluste der eigenen Abneigung dawider geltend ma*
cben. Wie weit eine frische und gesunde Pflege desselben in der
Volksschule gedelbt, ilberlasse icb Anderen, darzustellen; in dem-
jenigen Ereise, welcben wir bier zn Lande unter dem Xamen
der Gelehrtenschulen befassen, ist aller Orten nah und fern riel-
faches Verlangen neuerdings rege geworden, aber zur Befrie-
digung desselben wohl nur Weniges und Yereinzeltes gescbehen.
Durch ein absicbtliches Widerstreben oder ein nur balb bewusstes
Vers^umen dieses Mittelpunctes aller Erziebung ist ein offen-
bares Missverh^ltniss und ein offenkundiger Mangel an Zutrauen
eingerissen, wodurch der rechte Segen der auf diesem Felde
zU erzielenden Wirksamkeit gefahrdet wird. Wenn ,, freie cbrist-
liche Gjmnasien^^ in Giiterslob^ Stuttgart, Stettin , Breslau und
an anderen Orten theils scbon begriindet, theils wenigstens be-
absichtigt worden sind: so beweisH das, dass entweder in dem
altenSysteme oder in diesem neuen Plane etwas Verfebltes, Un*
gesundes, Faules vorbanden sein muss* Es w^re gar sebr zu
wttnschen, dass die kircblichen ^) nicht minder als die Lebrer-
1) Wie es seitdcm bereits auf dem Elberfelder Kirclientage im Septbr.
1851 geschehcn ist; doch habe ieh die eigentiichcn Protocoll- Verhandiangcn
dieser Versaranliuig bis j«tzt (Ende Oct.) Ifider nicht tinsehen kOnaen.
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330 Der Schulgottesdienst
yersamnilung'en diesen Geg-enstand in reiflichste Erw^g'ttng' ziefaen,
dass fur diesen Zweck eine g>emeinsame Arbeit untemommen und
im yereinten Rathen , Sorgen nnd Beten ein Werk gefordert werde,
das far das Gedeihen unsrer Schulen ^ fiir das Heil unsrer Ja^enid
und die Zukunft unsres GescHlechts von Iiochsier Wichti^keit ist.
Die Sache selbst darf ich hler als eine unzweifelhafte yor-
aussetzen. Es g'eht eine ernste Klage durch das ganze Volk,
dass sein Zustand an schwerem Schaden leide, an Gebrechen und
durch^reifendenMangeln, die nur durch ebenso umfassende Mittal
zu heilen sind. Mogen dlese zunachst auf dempolltlschen, socia-
len, naiionalen Gebiete zu suchen sein; es ist auch fiir dieses
Lebensg'ebiet kein Hell zu erwarten oder zu finden, als eben in
dem Cbristenthume. Durch dasselbe muss das ^anze Yolk auf
die innerlichste und wahrhafteste Weise wieder zu sich selbst,
zu seinem Kern und Rechte kommen ; mit der Jug-end aber muss
das Werk beginnen , wenn es eine naehhaltig'e Frucht haben soil.
In welcher Art jedoch und in welchem Maasse diese hocliste
Lebensbefruchtung' yollzogen werden soil, dartiber konnen man-
cherlei und selbst abweichendc Gedanken sein. Ich babe die Sache
schon yor einer Reihe yon Jahren zur Sprache g-ebracht ^) und
damals den Grundsatz festgehalten, dass durch die desfallsig'en
Yeranstaltungen das kirchliche Bewusstsein, das Gefiihl der Zu-
sammengehdrigkeit mit dem Gemelndeleben bei der Jugend nicht
gest5rt werden durfe. Andere Stimmen, deren Bedeutung^ ich
hoch anschlage, haben dessen ungeachtet auch den eigentlichen
und abgesonderten Gottesdienst fiir die Gjmnasialjugend empfoh-
len, und ich gebe gleich im Vorwege so yiel zu, dass man das
Eine thun kann, ohne das Andere zu lassen. Schon die Schwie-
rigkeit, die in grdsseren St^dten, wo mehrere Gemeinden sind,
eintritt, die Theilnahme der Jugend am Gottesdienste zu ilber-
wachen und zu beleben, kann neben dem eigenthumlichen Be*-
dUrfnisse, das die Jugend in dieser Beziehung im Unterschiede
yon der erwachsenen Gemeinde hat, zu dem Wunsche der Ein-
richtung eines eigenen Gjmnasialgottesdienstes treiben. Eine ^e-
wichtige Stimme dieser Art h5ren wir Dr. Tk. Vomel (Director
des Gymnasiums in Frankfurt a. M.) in seinem Vortrage: Die
christUche Gymnasia^ildung (1843). S. 18 f. erheben: ,,Nach
2) Organisation der Gelehrtmschule,, Lpzg. 1843. S. 74—81.
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Der Schulgottesdienst. 331
meinem Daffirhalten m6gte kein Miitel zur Darchbildan^ wirksamer,
leichter, geisti^er, naturlicher sein, als wenn das Gymnasiam eiiie
eig'ene Gemeinde auamachte, welche ihren eigenen, den Gjmna-
siasten ang-emessenen Gottesdienst hatte (wie auch Klopsch andea-
tet), fur das chrisiliche Gymnasium berechnet in doctrineller nnd
in liturgischer Hinsicht, in sacramentaler und in sacrificieller Anwen-
dung". Die angezagene Aeusserung von Klopsch (Dir. des Gjmn. in
Glog-au) findet sich in dessen rortrefflicher Schrift: Gymnasium und
JKirche (1842), S. 89. „Lieber (als zum Besuche des Gjmnaslal-
g'ottesdienstes ermabnen) m5g'te der Lehrer seine Scbttler freilicb an
jeder Vigilie zu einer Vesper und an jedem Sonntage znm Gottes-
dienste in eine deni Gymnasium eigene Kirche oder Capelle fiibren,
zu der man aucb andem M^nnern und Jjingling-en , ausser den
Lebrern und Scbulern der Anstalt, den Zutritt rerstatten kdnnte,
damit diesen das Bewusstsein ibres Znsammenbangs mit der Ge-
meinde lebendi^ wiirde und bliebe. Dort Hiie seine tbenre Jugend
die Rube und Stille vom Anfang* an, die sie zum g'rossen Scba-
den fur ihre leicbt zerstreuten Gemtitber Jetzt bei dem offentlicben
GoUesdienste in den Kircben der Gymnasialst^dte selten finden
mag; dort wftre es moglicb, sie alle bald zum Anfange zu ver-
sammeln, bei Liturgie und Gesang and&cbtlg' zu erbalten u. s* w.,
dort kdnnten sicb seine Kanzelvortrag^ sowobl nach den kirdi-
lichen Zeiten als nacb dem Sinne und der Fassungskraft der Jugend
ricbten, was docb nacb 1 Cor. 3, 2. und Hebr. 5, 12. 13. ge-
scbeben soil u. s. w. '' Aucb bat sicb dieses Bedurfniss in der
Tbat sowobl fruber als aucb in der jangsten Zeit wieder an yer-
scbiedenen deutscben Gjmnaslen geltend gemacbt, zumal da, wo
grdssere oder kleinere Alumnate mit denselben yerbunden sind.
Freilicb ist fiir den recbten Segen eine genaue Verbindung mit
der Anstalt, die unmittelbare Betbeiligung der Lebrer bei den
Vortragen erforderlicb oder wenigstens b5cbst wiinscbenswertb.
Und viele Gynmasien, die ibre 5 bis 600 Scbtiler baben^ also
eine ei^e kleine Gemeinde scbon in sicb bilden, bMten dazu
dnrcb sicb selbst Anlass und Aufforderung genug. Wenn.aber
der Umfang' der Anstalten durcb eigentbUmlicbe Combinationen
sicb nocb darfiber blnaus erstreckt oder zugleicb und wesentlicb
Erziebun^anstalt ist, dann scbeint die Sacbe allerdings fibr das
gesammte innere Leben derselben, die Erziebung, die Sefdsorge,
geradezu unerlltoslich zu sein.
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833 \ Der Schulgottesdienst
kh glaabe im Ganzen auf dieseVn Gebiete ein Dreifaches
utoterscbeiden zu mttssefl. Das Eride ist das beim Unterrichte
awiscben Lehrern und Scbfilern gemeinscbafiliche t^glicbe QebeL
Es geh6rt dem Lebrer als solchem an; er spricbt es als Haas-
vater im Kreise der Seinigen, oder lasst es eins der Kinder
sprei^en, oder wecbselt In freiem Gebraucbe der Zeit, wie der
Art md Wdse. Natttrlicb ist dieses indessen ein besonderes
Eigentbum des Lebrers (Ordinarius) in seiner Classe, wo die
andem Mitlebrer nnr die brilderlicben Gebulfen in der Arbeit sind;
dem Religipnslebrer stebt dieses selbstversi&ndlicb aucb ausser
seiner Classe am des Gegenstandes wlllcn zu; nur mog'e, zumal da es
bier in engster Beziebung zn dem jedesmalig'en Unterricbte selbst
stebt 9 kein Zwang in der &ussem Form berrscben: das frei bei
dem yon selbst sicb darbietenden Anlasse der Brust des Lebrers
entstrdmende Gebet wird das wirksamste sein. Immer am schon-
sten wilrde es freilicb dabelsein, wenn jeder Lebrer (Ordinarios)
in s^ner Classe den Religionsanterricbt ertbeilte. — Tritt das
Gebet aber ror einem andem Unterricbtsgeg'enstande aof^ dann
wbfd wobl eine gewisse Reg-elmSlssigkeit der fcsten Form unrer-
meidlicb sein, nur m5g>e dieselbe ja der ^ussersten Einfachbeit
sicb befieissigen, und wenn aucb nur das: Liebster Jesa, iffit
siftd bier ii* s. w. ans kindlicbem Monde gesprocben wird. In
Tiden Seholen ist statt dessen die meistentbeils ans SaiAsen
kertibergekommene Sitte eines kurzen Gesanges, mit oder ofcnc
Orgeibegleitung^ zum Beginn und Scbluss des taglicben Unier-
ricbt0 ilblicb; wo die ausserlicbe Einricbtung solcbes irgend ^-
i^ttet 9 wird dann zu diesem Zwecke dio ganze Scbdle vereini^
leb bekenne, dass mir der Gesang alMn nicbt Dasjenige darsv-
bieten scbeint, was bier Notb tbut; gewObnlldi baftet davon mehr
der Ton, als das Wort; beides in seiner Verelnlgung ist das
Recbte. Das Wort darf ja ilberbaupt der protestantisdien Er-
bauung nirgend feblen. Das recbt rubig und feierlicb gesprocbene
Wort hat eine wunderbare^ bdbere Macbt, die aucb in die Seek
Urn Unaufmerkflutmen and Gleicbgllltigen etwas bineitfdien lisst^
daa er rermttge der rorberdtenden gdttlleben Gnade nidit wieier
\m werden kann; der GeHBang reriiallt fttr sokhe oft in gans
ttrtestknaiten Tdaes. Aueh flnd)^ icb naeh mdner Erfehnmg die
Wirkung nacb gescblossenem Unterritbte nicbt so , wie Vor dem--
selben, was freilicb den Gesang als solcbc^ nicbt trift. Das
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Der Sehulgottesdieiisti 333
Wicbti^te iat mir indesseo dies, da«s dadurck die VereiiilgiHi^
der ganzen Schule zn gehlkuU , ihr Einfluss mithin leicht wjrktto^-
los y andrerseits aber das Recht des Classenlehrers ira Verhtitoisd
zu seifiea Schillern getriibt und seine relle y&terlicbe EinwlrkuDg
gebemmt wird. Be! grdsseren Anstalten , wo die einzelne Classe
ein selbststliDdiges, organlsches Glied in dem Organismns der gan*
zenScbule sein muss, ist dies jedenfalls Ton wesentlieber WIA-
tigkeit.
Ich konime anf das Zweite^ die den Beginn nnd Scblnss
Jeder Wocbe weibende gemeinsame AndachU Icb wiU fiber diese
ansfiibrlldier sein, tbeils well sie als ein Werk der ganzen Scbnle,
bei der alle Lebrer und Scbiller betbeiligt sind, scbwieriger und
bedentungSToUer ist , tlieils weil icb die eigenen Erfabrungen des
letztyerilossenen Jabres dariiber mitzutbeilen wttnscbe, an denen
i<^ die Erinnerung liebUcber Feieraugenblicke babe, die niieb die
ganze Erquickung einer gesegneten Wfarksamkeit schmecken lies-
sen, bis icb pldtziicb durcb eine robe Gewalt aus derselben fort*
gerissen wurde.
Gleicb wie die alte Kircbe ibre Vof- und Nacbfeier (Vigi-
lien und OctaFen) zu balten pflegte zu jedem sonnt^glicben Got-
tesdienste, so babe icb aucb geglanbt, der mir anyertranten Jugend
ein Gleicbes bereiten zu mllssen, damit durcb die Erweckung zur
Andacbt, welcbe die Scbule darbieten kann, nicbt etwa der kirch-
licbe Sinn gescbw^cbt und der Hunger nach dem Worte ober-
aacblicb gesUIlt, sondem yielmebr das recbte Verlangen nacb
der Predigt und dem ganzen Gemeindegottesdienste geweckt
werde. Aus diesem Grunde musste aucb nacb meiner Ansicbt
der Inbalt des der Jugend zu diesem Zwecke Dargebotenen dem
Gange des Kircbenjabrs genau folgen und sicb an die jedesma-
Dge sonnt&glicbe Perikope eng anscbliessen ; wenigstens babe
icb dieses als Kegel fur die Vorfeier oder die Scblussandacbt am
Sonnabend-Mittag festiialten znmtissen geglaubt. Es sollten dies
„Glockentdne zum Buf in die Kircbe <^ sein. Dagegen glaid)te
icb zumAnfange der Wocbe, zur Einleitung in die berorstebende
Arbeit eber ein allgemelnes, an besAimmte Beziebuagen niebt
gebundenes Wort widilen zu dflrfen, nie aber ein anderes, als
das unmittelbar anf Scbriftgrunde rubet. Hier bieten sicb so viele
bdcbst passende Ankniipfangspuncte dar, dass man in der WaU
efaies wirklieb lebemi- und inhaltsvolien Steffes niemals verlegen
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334 Def Schulgottesdienst
geia kann. Ein io.seiDen wesenillchsten Beziehang'ea aus^elegter
Psalm 9 ein geschichtlicber oder prophetischer Abschnitt des Alien
Testaments mit knrzer, betrachtender ErkUruug', ein nentesta-
nentliches Gleichniss, oder eine sonsttg'e hervorrag'ende und darcb
libersichtllcbe Eriilaterung oder fruchtbare Anwendung* der Jng^end
nahe zn bringende Stelle wird den gewOhnlichen Stoff darbieten,
wobei diejenigen kirchlichen Perikopen besonders nicht za Ober-
sehen sein werden, die in die Ferienzeit der Schule fallen and
doch gerade den reichen Festzeiten des Eirchenjabrs znm ^rdsse-
ren Theil an^ehdren. Zugleich bietet sich in diesem Theile der
Wochenandachten die erwiinschte Gele^enheit dar, nm die gc-
schichtliche Grundlage der ausserhalb der Schalzeit lieg'enden hobei
cbristlichen Feste im Zusammenhang'e nach und nach der Jug'ond hnmer
wieder yorzufiihren und dadurch ihre Herzen fur elne wttrdig'e Feier
ier bevorstehenden Feste yorzuberelten. Ich.habe so die Advents-
zeit fiir die Geschichte der Geburt des Heilands, die Fastenzelt
far die seines Leidens, Sterbens und Auferstehens , die letztei
Wochen ror Pfingsten zur Geschichte der Ausgiessung' des het-
ligen Geistes und der Pflanzung* der cbristlichen Kirche auf Erden
benutzt, und zwdr in der einfachsten g^eschichtlichen Darlegong*
Endlich hat die Kirche ja ihre Gedachtnisstage, die ffir den Sinn
und das Interesse der Jugend zu beleben yon hoher Wichtigkeit
sind ; auch fdr die Kirche selber ist ja eine solche Wiederbelebang'
neuerdings angeregt worden — ich will nur auf den eyangeli*
schen Kalender yon Piper in Berlin yerweisen — and die Jugend
hat doch gerade ein doppeltes Interesse daran, sich an das Per-
sdnliche und Geschichtliche anzuschliessen. Trifft ein solcher Ge-
dUchtnisstag gerade auf elnen Sonnabend und es tiksst sich die Feier
desselben mit der kirchlichen Perikope des n&chstfolgenden Sonntags
in eine angemessene Verbindung' setzen , so kann Ja immerhin aacli
einmal eine Vertauschung der Sonnabends- und Montagsandaclit
stattfinden , oder mit anderen Worten , die Betrachtung der Perikope
yom Sonnabend auf den Montag yerlegt werden. Ueberhaupt darf hier
nattlrlich keine starre und zwing^nde Form herrschen, sondem es moss
die mdglichste Freiheit auch auf diesem Gebiete bewahri werden.
Was diese Form Im Weiteren betrifft, so sehe Ich das Ganze
durchaus als etwas Liturgisches an. Der Yorstand der Schole —
denn dass der hier in seinem Rechte 1st, analog- dem Verh&U-
nisse des Classenlehrers zu seiner Classe, bedarf gewias einer
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Der ScbttlgoUesdlenst. 336
BUheren Nacfawelsnn^ nicht — tritt hicr als Hausrater im Kreise
seiner Scbaljo^end auf , itnd die Collagen sammeln sich za
der Andadit mlt als seine briiderlichen Heifer nnd Genossen;
er spricht nicbt das Gebet frei aus dem Eopfe and Herzen, so
scbdn das za recbter Zeit aucb immerbin sein mag*, sondern das-
selbe wird ron ibm als «in objectiv g'egebenes, in gewisser
Regelm^ssigkelt mit dem Gange eines jeden Kircbenjabrs wleder-
kebrendes gelesen: er ist bier ein DIener der geistlicben Gaben
nnd Giiter, die ibm fttr diesen seinen Beruf unmittelbar aus dem
gdttlicben Worte gegeben sind. Dies bestimmt denn ancb die
Fassnng des zn Gebenden nocb nftber. Es ist nicbt im streng'sten
Sinne ein Gebet, sendern vielmebr eine Betracbtung, Anspracbe,
ein kurz ausgelegtes Scbriftstiick , niemals wenig-stens obne ein
zn Grunde liegendes bestimmtes Scbriftwort. Innerbalb desselben
kann wiederum das Gebet in dieser seiner Form seine Statte baben,
sei es zu Anfang* oder mitten darin, oder aucb am Ende; nnr
mdge, wie das Ganze, so aucb dieser Tbeil ja das g-ebnbrende
Maass der bebutsamsten Kiirze sorgf^ltig* inne balten. Wie dabei
die^ eigene Weisbeit vor der gottlicben ganz und gar zurQcktre-
ten soil, so babe icb meinestbeiis bei der Abfassung- dieser An-
dacbten das lebbafte Yerlangen g'ebabt, da, wo icb nicbt mit
Scbriftwort reden konnte , dock wo mdglicb mit dem Worte eines
bew&brten Kircbenlebrers lieber zu reden, als mit meinem eig-e*
nen. Dass das nicbt immer g'elungen ist oder gelingen kann,
ergiebt sicb yon selber. Mancbe unsrer trefflicbsten Kircbenlebrer
eignen sicb filr diesen Zweck gerade weniger. Am baufig^ten
babe icb Luther^ Spefter^ Scrivery H, Miiller^ Harms ^ Hof-
acker ^ Tholuckj Jimdt^ Kliefoth und einig'C Andere benutzen
kdnnen; ein fortg'esetztes emsiges Blumenlesen auf diesem Felde
ist mir eine g'ar Hebe Arbeit g-ewesen und wird es aucb ferner
sein. Icb babe die Absicbt, diese meine Sammlung', nicbt als
wenn sie irgendwie maassgebend sein k5nnte, sondern wesentlicb,
nm g'elungeneren Versncben die Babn zu bereiten , bald der Oef-
fentlickeit zu nbergeben. Dann wird die Art und Weise, in der
icb die Sacbe auszufQbren bemttbt ^ewesen bin, besser ins Licbt
treten , als wenn icb bier einige Proben scbon mittbeilen wollte,
4ie docb nur als erliluternde Beispiele dienen kdnnten and mir
selbst weder in dem Tone nocb in dem Maasse des Gegebenen
ttberall and y'6\\\g g^entigen. Letzteres erklare icb mir selbst sebr
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336 Der SdhulgottesiHeiist
laldit, weO ich weiss, wie schwer elne ^edankemrelclie Kibrxe
tot; ich kann aber aach ans diesem Grande die Fordemn^ 4er
Kttrze nvr relattr gelten lassen, well ich nicht g^Iaobe, dass
n and fQr sich ein bestinmites Maass rorzaschreiben sei. Dies
lOmgl zugleich mit einer anderweitig'en Rttclcsicht in Be%ng aof
das Ganze zasammen, die namentlicli fiir die FassIichlceU des Tons
entscheidend ist. Wahrend ich nemlich eiastweilen noch eine grdssere
WirksanilLeit des Gebets im Classenonterrichte bei iem jungereu
Alter erwarte, ist das e/t^acJbenere Alter ein besenderes Ao^en-
merk fiir niich bei diesen Wochenandachten gewesen. Icli fdrchte
nicht 9 dass die Eleineren dabei leer aasg^hn; das immerwieder*
kehrende Geschichtllche ist schon am seines rein biblischeii Gron-
des and seines nahen Zosammenhanges willen mit dem dased^
erkl&renden Religionsunterrichte ein an sich Erweckendes and Fdr-
derndes, Anderes hat der Unterricht, wenn er aaf denlnkalt die-
ser Andacht Riicksicht nehmen will, zum VersUindnisse derselbei
za bringen Gelegenheit* Aas demselben Grande sind ancli nahe
Uegende Beztehongen zum classischen Altertham, die gerade fir
diesen Theil der Jugend etwas Weckendes and Anregendes habei,
h&afiger benutzti worden« Mit jedem wiederkehrenden Jahre w&dttt
dem jiingeren Zdgling das VersUndniss des Gehdrten and er IdM
sich immer mehr and mehr anch in die kleinen Andeatangen des^
selben hineia. Das Geistrelche im eigentlichen Sinne soil atwar
Iem bleiben yon diesen Andachten, wohl aber ist es yon Wertb,
dass der SchOler in dem thatsachllchen Inhalt des ChristenUiaag
aach die tiefe, gedankenyolle Wahrheit erkennen lerne, die die
hdchsten Bedilrfnisse des menschlichen Gelstes za befriedlgen yer-
mag*. Aaf die besonderen Verhaltnlsse yon Scbale and Unterricht
fcann natttrlich nicht immer, mass jedoch bisweilen recht geAls^
sentllch eingegangen werden. Nach alien solchen Racksicbten
wird das yielleicht an manchen Stellen eigenthamlich Scbeinende
der Fassang za beurtheilen sein.
Die ftussere Form der Andachten war diese. Sommers lieis
ich am Montag elne Viertelstande yor 8 Uhr zam ersten, and
am 8 Uhr zum zweiten Male mit der Schalglocke l&aten; Winters
eine Viertelstande spiUer. Helm zweiten L&aten waren Lehrar
and Sektiler , letztere nach Classen geordnet aaf den ihnen ange-
wiesenen Sitzen, in dem freandlichen mit Sitzb&nken yersehenen
HOrsaale yersammelt. Zur Begleitang unserei kleinen , yon einem
der
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Der SchalgotteBdlenst. 337
tier CoUeg'eii ^espieKen Or^I warden unter Leitan^ eines andera
Colle^en 2 — 3 Verse eines dem nachfol^enden Inhalte entspre-
cbenden Liedes ans dem (Scfaleswig'-Holstelnlscben) Gesan^badie
gesongen, dann bestleg ich das Katheder and las die Andacht.
Hierauf begab sicb jeder Lebrer mit seiner Classe in den Unter-
ricbt. Am Sonnabend ward 5 Minaten vor 12 Ubr geUntei, die
Classen sammelten and ordneten sicb im H6rsaal, die Andacbt
ward gelesen and einfge Verse, von der Orgel begleiiei, macb-
ten den Schlass (in der letzten Zeii ist auch vor der Lesung* ein
Vers geaungen worden). Die gan%e kleine Feier pflegte 15 bis
20 Minaten bocbstens za daaern; die dadarcb, namentlicb im
Winter, etwas ungleiche Vertbeilang der bis 10 Ubr obne Unter-
brecbong fortgehenden Unierricbtszeit wurde durcb gemeinsame
Verabredung der Lebrer zwecbmllssiger abgetbeiU.
Neben diesem stebenden and, icb mdcbte sagen, ijpiscben
Oder zam wenigsten recbt objectiven Elemente babe icb mir freilicb
aacb mein subjectives Recbt als Hausvater im Ereise meiner Iclei-
nenScbaar nicbt nebmen lassen. Icb verstebe daranter das freie
Wort and den anmiitelbaren Ergass des Herzens. Daffir babe
icb mir die Anfdnge and Schlussacte der rerscbiedenen Abscbnitte
des jabrigen Unterricbtscursas rorbebalten, also den Beginn der
Scbale nacb Neujabr, ibren Scblass yor dem Osterfeste, so wie
ihren Wiederanfang nacb demselbea, den Scbluss des Unterrichts
vor, and den Wiederanfang desselben nacb den Sommerferien,
das Ende des Somnier- and den Anfang des Winterhalbjabrs,
endlich die Schlassfeier vor Weibnacbten. Diese acbtfacbe Ge-
legenbeit benatzte ich jedoch selbst nicbt immer; namentlicb bat
bei der letzterwabnten , mit einem Rede- and Declamationsactas
der Scbiiler (der sicb mebrmals im Jabre wiederbolt) yerbandenen
Vorfeier des Weibnachtsfestes and bei anderen Gelegenbeiten
derselben Art aaf meine Bltte einer meiner Collegen das Wort
genommen, and icb freae micb dafUr aaf ein Zeagniss dieser
Seite anserer yereinten Wirksamkeit binweisen za k6nnen,
%n dessen Sinn and Geist icb micb mit freadigem Herzen be-
kenne'). Was bei diesen, aacb den Eltern and Freanden der
Jugend gern gedffneten Scbalactus yom Lebrer gesprocben ward.
3) Von der BUdung, Eine Schulrede yon W. Gidionsen. Flensburg 1650.
LuhJter, ge$. Schrifien. 22
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999 Dev Schiilffditesiliei^
yt^ inekr eine ei^eBtUebe ReJie; was ick bei dea sonatt^eB,
ob«9 be^eicbaeten Geleg^enbeiten redete , war mehr eiae freie Ab-
spracbe ^ wie derea ehie , die letzte j niit der im stren^ten Sume
ineine dorti^e WirkBan^keit scbloss, sprier aus dem GedUcbtaisse
mdglichst ireu mifg^ezeichnei wordea ist and welter uaten mil^e-
theilt werden wird. Bisweilen war die Bekanntmachun^ der von
der Lebrerconf^r^nz bescblossenen ScbUleryersetzangen damit ver-
buaden; dies, wie die Zustande und Beg'ebenheiten der Zeit, voi
denen die Scbule Auge and Ohr niebt verscbliessen darf , da sie
Tor falscbeni VerstSlndnisse und irri^r Anwendang* der a«cb bis
^tt ibr biaeinwirkenden Erscbelaangen zu warnen and za wab-
ren bat, babea «af den Inbalt des Vortrags eingewirkt, aber
wena aucb biei diesem niebt immer ein beatimmtes Sebriftwort an
Grande gelegt wird, so sind die besprocbenen Gegenstlinde docb
alie obne Aasnabme anter das Licbt des Evangeliams nacb Kraf-
(en gestellt worden. Einige Male baben indessen so geelgnete
Bibelabscbnitte, wie Mattb. 18, 1 ff., oder Weisb. Salom. 6^
1^3 ff* und aadere, das lebendlge Wort so recbt mit ibrer innerea
Kj^aft and Fulle getragen.
Es wkren damit die beiden ersten Kreise erfollt, die icb im
l^ea derSchule bescbreiben zu ddrfen geglaubt babe; sie Itegea
ia eiaander, der zweite ist weiter, und fasst den ersten, eage-
^en in sicb. Der Classe wie der Scbulo ist damit ibr eigen*
tbiimlicbes Recbt widerfaluren; das Gebet and die Andacbt baben
ibr Gentige. Es gibt aocb einen dritten, boberen, die beiden
aa4^rn i^mfassenden Kreis. Necb feblt aemlieb zum yollendetea
Ganzen Eins, und wabriicb aicbt das Scblecbteste oder Unbe-
deutendste, die Jugead als solcbe in ibrer Gemeinscbaft mit der
ganzen Jagend, die eiaerScbule mit der der ubrigen, der wei-
^este, ia die Gemeinde biaausgreifende , aber dieses unbescbreib-
licb wicbtige grUne Saatfeld alter Hoffnungen birgerlieben und
l^cbUcben Lebens umfassende Kreis* Icb vermisse nocb dea
eigentlicbea Gotteadienst dieser unrnflndigen Gemeinde, die Pre-
digt far ibren besonderen Beruf und Cbarakter, die mit der der
Erwacbsenea undMuadigen, eben umJer Verscbiedenartigkeitder
Biedttrfnisse willen, aicbt gaaz zusammeafallaa darf. Hier tet deit
Punct, wo eine Collision eintreten kdnnte, die gewiss vermiedea
werden muss. Die Kiaderpredigi darf unsem berkdmmllcben Ge-
meinde -Gottesdieast auf keiae Welse stdcep, ab^r aadefers^its
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Der Schalgottesdienst. 339
massen wir wohl Alle bekennen, dass letzterer einen Charakfef
tragt, der die BedUrfnisse der Ju^end, namentlich des lindlicheil
Alters 9 zii befriedigen nicht im Stande ist. So lang'e also der-
selbe in unserer lutherischen Kirche diesen Tjpns beibeh^lt , so
lange wenigstens mbge als Vorbcreitung zu demselben der iBn-
dergoitesdienst bestehen. Insofem lasse ich von frnher g'emach*
ten Aeasseningen (besonders yon dem in Bezng anf Ydmels oben
genannte Schrift in der Hall. Lit.- Zeit. 1845. Nr. 163. Gesagten)
etwas in seiner ganzen Strenge nach; die Erfahrung scheint anch
die Nothwendigkeit der Sache dargethan zu haben. Mebrfacb
wird Ton solcben Kindergottesdiensten und ihrem segensreicben
Einflttss in neuester Zeit bericbtet, namentlich in yoDnreichen StSldten,
wie in Berlin , wo sonntliglicb deren 10 , oft yon mehr als 300 Kin-
dern besuchte (allerdings aber auch wobl yon einer etwas anderen
Tendenz geleitete) , angekiindfgt werden *)• Man kdnnte dabei
iiach einer Grenzlinie zwiscben beiden zu fragen yeranlasst sein.
Ich denke jedoch, dass diese Scbeidung eine sich yon selbst
ergebende ist, da die innerhalb der Schulzeit, der Gjmnasien
wenigstens, liegende Confirmation die Miindigen und Unmftndigen
in der Gemeinde yon selber scheidet. Nach dieser gestatte man
die Freiheit, an dem einen oder dem andern Gottesdlenste Theil
zu nehmen; bis dahin sei fQr die Kinder der Besuch der ihnen
gehorenden Predigt die feste Ordnnhg, ohne dass sie darum na-
tlirlich yom Gemeindegottesdienste irgendwie ausgeschlossen wSren.
Ebenso wenig sind aber auch yom Kindergottesdienste die Eltem
und andere Erwachsene ausgeschlossen. Der Ton dieser Pre-
digten sei einfacb, klar, fasslich; ihre Haltung wesentlich~ erzlih-
lend, geschichtlich ; ihr Inhalt die Entwickelung des Gottesreichs
im alten und neuen Bunde nach seinen thats^chlichen grossen
Erscheinungen ; ihre Lange yon beschr^nktem Maasse, ihre Wie-
derholung yiellcicht nicht dfter als alle yierzehn Tage. Da sie
far die Jugend iiberhaupt bestimmt sein sell , so wird sie passendei^
in einem kirchlichen als in einem Schultocale gehalten werden')*
4} Fliegmde BlUtter au3 dem lUmhen Uause, 1850. Nr. 1(. S. 184*
5) Die kleine yon mir im Anfang des Jahres 1850 (in Commission des
Ranhen Hanses) heransgegebene Weihnachtsfeier beschreibt nur einen an-
naherungsweisen Yersnch dieser Art, and soil daher hier keineswegs als
frobe bezeichnet werden.
22*
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340 T)er ScbulgottesdieBst
Ob die Predict yon elnem Geistlichen oder Sciralmanne ^ehalten
wird, erscheint an sicb mehr als Nebensache; scb6n und wlirdf^
ist es Jedocb, wenn die Schule aucb hierdurch sicb tbatkr&fUg' an
der Arbeit der Kircbe betbeiligt. Indem sicb be! diesem Anlasse
Lebrer nnd Scbaler der verschiedensten Scbul - Eategorien zosam*
men finden, wird urn diese ein Band der innerlicbsten und festesten
Art gescblungen^ der Unterscbied der SUlnde scbwindet vor den
Augen der Jug'end , sie sind sicb alle gleicb vor deni'Herrn (g-leicb
wie jene Vereini^ng* der Classen Einer Scbule bei den Wochen-
andacbten dem sogenannten Classengeiste wirksam entg^eg^n z«
arbeiten mit belfen kann), die Scbale aber und die Kirche wer-
den aucb bierdurcb in ibrer Innerlicben Zasammengebdrigkelt mi
in der Gleicbbeit ibrer Zwecke und Arbeiten sicb {jreundHch immer
wieder beisammen finden.
Das ist das Bild von dieser Seite der Erziebungsthlitig'keit
einer Scbule, welcbes mir tbeiis als ein Ziel mcines Strebens
vorscbwebt, tbeiis, in bescbr&nktem Maasse yerwirklicbt, meiner
Erfabrung vorlieg-t. Icb babe, well das in meinen Aug'en ebi
wesentllcbes Bednrfniss ist, die nidglicbs^ Einfacbbeit fOr jede
der bezeicbneten Anordnungen festzubalten gesucbt. Icb vermisse
diese in anderen Vorscbl&g'en und Anordnungen , namentlicb in den
sonst yon der acbtbarsten Tendenz geleiteten, des Directors Schei-
bert in Stettin, in seineni Bucbe: „2>a« Wesen und die StelUmg
der hoheren Burgerschule.'' Derselbe ll^sst seine „Schulkircbe^'
ibre regelm&ssige TbSitigkeit in den Wocbenandacbten baben, deren
er eine oder zwei annimmt, ausser den Scblussandacbten an jedem
Sonnabend, am Censurtage, zum Seblusse des Quartals und des
Semesters gebalten. Die Wocbenandacbten dauem etwa 10 bis
hdcbstens IS Minuten, die Scblussfeiern etwa bdcbstens eine balbe
Stunde. Die Kircbenfeste der Scbule sind Scbulacte zur Entlassung
d^r Abiturienten , Stiftungsta^e der Scbule u. s. w. An den Haus-
andacbten darf Niemand, als die Mitglieder der Scbule, an der
IScblussandacbt kdnnen Geistlicbe, docb nur in Amtstracbt, Tbeil
nebmen, zu den Festen aber baben alle Eltem Zutritt. In den
Wocbenandacbten werden ein oder zwei Verse aus dem Schri-
g'esan^bucbe g^esung^en wobei keine Orgel - oder sonstige
Be^leltun^ yon Instrumenten , aucb kein mebrstimmiger, sondern
nur ein relner einstimmiger Gesang zugelassen wird ; ein Lebrer hllt
eine Heine Anspracbe, ein Gebet, Ues't eine Bibelstelle oder einei
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Der Schulgotlesdienst. 341
Pgalm Oder sonst ein Gebet zar Erhebung des Herzens vor. Die
Schlussandachten am Sonnabend erweitern sicb dabin, dass nach
Abslngung einiger Verse zunkchsi toq einem Primaner das Eyan-
gelium des vorig'en Sonntags wiederbolt, d^nn das Evangelium
des Torstehenden Sonntags yerlesen , und daraof eine aaf das Evan-
gelium Oder auf die folgende IcIeiDe Anspracbe bezliglicbe Cantatei
Motette, Oder ein Choral , oder ein Psalm u. s. w., von dem
SSUigerchor als litargisches Element hinzagefQgt wird. Es folgt
dann eine Exegese des eben gelesenen Sonntags-Evangeliams,
nnd eine Anwendung auf das Leben und Treiben in der Schule
und den sittlicben und religidsen Zustand der SchUler, aber mit
Yorwaltender ascetischer Tendenz. Ein Liedervers wird gesungen
und ein kurzes Gebet scbliesst.^^
Was niir in dieser, noch weiter ins Einzelne gehenden,
Beschreibung richtig erscbeint, was dagegen zu complicirt, llu9st
sich aus dem zuvor Gesagten schon erkennen. Der Verfasser
gebt freilich noch weiter; er will, dass die Schule ron der Kirche
Auftrag und das Vertrauen erhalte, den Religionsunterricht ihrer
Scbuler, mit Ausschliessong des rein Sacramentalen , ganz und gar
zu iibernehmen. Die Schule soil an einem Wochentage (9, Schul-
sonntage"), „an welchem die Schiller eingesegnet werden", ihro
Zdglinge selber in die Christengemeinschaft einfuhren. 9»Die
Predigt halte ein Lehrer der AnstaU , die liturgischen Chdre singcn
die Schiller der Anstalt, der Geistliche segnet ein und reicbt das
Abendmahl/^ Es b^ngt dies mit Fragen zusammen, die ausser
dem Bereich des gegenwartigen Aufsatzes liegen.
In einer etwas modificirten Weise beschreibt Prof. Stay in
Jena in s. „ Pddag. Anlagen in Jena " (1851.) S. 13. den in
seiner Lehr- und Erziehungsanstalt, neben dem sonntl&glichen fdr
den engeren Kreis seiner Zdglinge, gehaltenen regelm^ssigen
Schulgottesdienst, ,,am Anfange jeder Woche, am Schlnss und
Beginn eines jeden grosseren Zeitabschnitts , in der Nahe jedes
christlicfaen Festes yon uns alien abgehalten wird in einfacher
Form, in natUrlicher Kiirze. Die Schulgemeinde singt in mehr-
stimmigem alt rhjthmischen Choral ein Danklied an 99 Den, der die
Wache hielt an unsrer Tbttr^S oder bittet urn den Geist des Herm
„Schaue! Baue!^< Der Director mahnt in kurzer Anspracbe zum
Verst&ndniss des Tages, wie es der Augenblick oder dieSchuI-
Erlebnisse der Jiingst yerflossenen Zeit dem Herzen eingeben, ^
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342 Der Schulffoltesdienst.
CSi^r der Schftler betet das Gebet des Herrn im Namcn Aller,
die Gemeinde Bingt antwortend ilir Amen^^^ — Welter hat ^
Langbein in Stettin (in Mager's pddag. Revue^ 1849. April.}
^ine Probe von ilim gefaaltener Schulandachten ^eg^eben, die mehr
den Cbarakter dessen an sich tragen , was icb fur die Zusammen-
fciinfte bei den gr5sseren Abschnitten im Schulleben ^ewunscbt
und mir vorgezeichnet babe. Es bedarf indessen kaum der aos-
drUcklicben Erw^bnung, wie sehr auf diesem Gebiete auch die
pers<>nliche Individualit^t ihr Recbt hat.
Soli aber ein Werk, wie das bier besprochene, ^edeihen
und zu aligemeiner und dadurch erst recbt seg'ensreicber Verbrei-
tung kommen, so mUs^en viele Kr&fte dafiir tb^tig* sein. Deui
tliglicben Gebete in der Scbule und ihrer einzelnen Classe.wunsche
Icb eine bestimmte Form und feste Grundlage bereltet za sehenj
nur dann wird es auf jeder Stufe und bei jeder Wiederholong
imter dem Seistande des Herrn seines Erfolgs gewiss sein. Es
ndbliesse sich dasselbe daher an eine Bibellesung* an^ die jedocli
die geeigneten Abschnitte in der zweckm^ssigsten Folgei^reibe
mi kurzer Anwendung in Gebets- und Betrachtangsform ans-
gewahlt baben miisste* Ein Bibelkalender , wie ihn unter andem
Bumen in seinem Gesang- und Gebetbuche verzeichnet hat, wiirde
bier eine nutzbare Grundlage bilden; die Bearbeitung aber wurde,
in grdsster Einfacbheit, Klarheit und Kttrze^ gehalten , am bestea
etwa das Work einiger zu dem Zwecke sich vereii^barender Freonde
«ein* Ftr die Wochenandachten bedarf es einer oder mebrerer
entsprecbender Sammlungen, so etwa, dass wenigstens fur jede
Vigilie 2 --3 verschiedene Arbeiten vorlagen; in den ilbrlgen
wird schon die Mannichfaltigkeit und der Wechsel, der iiberall
nicbt so gross sein darf , dass er den Grundcharakter rerwiscbt,
lejchter sicb ergeben. Die Kirche wiirde der Scbule einen ausser-
ordeBtlkben Dlenst erweisen, wenn sie zu diesem, ich denke,
beiden so recbt gemeinsamen Werke die Hand mit aniegte.
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243
XX.
S c h u 1 r e d e n.
1) Ueber Aufgabe nnd Lelstun^ der fielehrten-
schule in unserer Zeit. ^)
Es lieg^t mir ob, die heatige Feierlicbkeit zii erdffnen und
einzuleiten; die Versuche unscrcr jungen Redner b«dttrfen iet
Ansprache an die fftitlge Nachsicht einer verehrten Versammlung-.
Das Streben des jugendlichen Geistes, wie tiberall der Aufmnn-
terung darch eine scbonende Beurtheilunff werth, hat bei ^erin-
gerer Entwickelung Hindernisse zu iibcrwinden, die wenigstens
eine erhohete Anertennung des eroporstrcbenden Willens erweckcn
dttrfen. Die Schule aber nutzt die ihr so sclten gebotene Gele-
genheit sich auszusprecben ror Solchen, denen das Wesen der
Menschenbildung werth ist, ftber das, was dem Herzen nahe liegt;
sie notzt es in Zeiten, wo im raschen Laufe Eines Jahres sie der
Schiclfsale so viele erlebt hat, und ihr Redner diessMal an einer
nur allzubald wieder verwaiseten Statte steht, wo einein kraftl-
gen Arme das cben erst ergriffene Stener pldtzlich wieder ent-
sunten ist. Ich will, da die Weinere Zahl der diess Mai auf-
tretenden jangen Redner solches gestattet , die Augenblicke ntttzen,
in denen die Schule dem Leben und der Welt gegenttber trltt,
mich auszusprecben tiber ihr Verhaltniss zu der Gegenwart und
ihre Stellung in der Zeit, ibre Aufgahe und Leistung in unseren
Tagen. In dem raschen Stundenlaufe der wechselnden Tage
und unter dem Drange der mannichfaltigsten Arbeiten und zeif-
streuendsten Beschaftigungen erhascht die Seele oft die rechtcn
Augenblicke nicht, in denen sie mit sich allein ist; in denen sie
rich Ton allem Aeusseren und Irdischen abwendend mit ernster
1) Gehalten zur ErOfifniing des Redeacts in der Schleswiger Domschule.
Ostern 1836. Die Schule hatte 5 Monate zuvor nach halbjahriger Wirk-
gamkeit ihren Tortrefflichen Rector Wilh. Olshausen, frflher 15 Jahfe lang
Gonrcctor an der Anitalt, darch im Tod vcrloren.
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344 Sobulreden.
Rahe in ihr Inner«s zieht, in dmen sie die Auf^abe deg Lebens
im gmzen Vmtwgts eioes kraftigen Biides sich retgegenw&itlgt,
in denen sie prttfend die g-emachten Erfahron^en sammelt und zu
fimchtbajer Ernte reifen ISsst. Solcbe Feierstunden der Seele
schej^en aber vor alien Dingen dem jungen Geschlechte Noth za
s«to, far dessen Bildong wir arbeiten; fehlt doch so oft be! die-
sem die rechte Brlienntniss seiner Pflichten und des ibm anf dem
korzen Gange durch die Schale gesteckten Zleles, geht dock
eken d»»it, flber dieser Nichtachtung anf die ernsten Mahnangen
der Zeit und des Lebens, oft die schdnste BIttthezeit menschlichen
Daseins Tcrloren; und so sieht man sich denn auf denTrammem
verschwendeten LebensglOcks und vereitelter Hoffnungen, dort,
wo die Vorbereitung far das ernste Spiel des Lebens vollbracht
ist, wo es nun gHt, mit alien Waffen dea Geistes ausgerUstet,
fest dazustehen in alien SWrmen ^es Lebens, und das schwache
Fahrzeug ttber alle Wellen undStrudel, zwiscken alien Felsen
und Klippen sicher und nnrerletzt hindurchaufahren in den Hafen
den wir AUe suchen. '
Ich beschranlte meine Absicht, V. V., naturlich auf die zo-
nachstliegenden Zwecke der Gelehrtenschule ; ich mOchte einmal
kurz die ganze Aufgabe una vor Angen stellen, die am Streben
der Gelehrtenschule in unserer Zeit gesteckt ist. Es herrscht In
dieser Beziehung elne so ungeheure Verblendung, eine so wahr-
haft bedauernswerthe Verkehrung der Bestrebungen bei so rielen
dass es immer die rechte Zeit scheint, diese aber ihrc wichtigste
Angelegenheit aufzuklSren und sie so vor einer langen Rene
nach einem jedenfalls doch nur kurzen Wahne zu bewahren. Ich
spreche hier nicht von denen, die ohne Ernst und Eifer ohne
Nachdenken und VVllIenskraft den gewohnten Weg des Schul-
lebens mitfortgehen und schon damit ihrer Pflicht GenOge geleistet
zu haben glauben, wenn sie mit auf den SchnlbSnken sitzen ob
Bie auch nicht die Arbeiten derSchule, wenigstens durch elgene
Anstrengung, vollbringen; von solchen rerlorenen Wesen ob
sie auch wohl rorkommen m»gen im Leben der Schule debt
dieselbe doch so gem hinweg; sind es ja doch in Wahrhei't kelne
Kinder, viel wemger die echten Janger der Schule. Ich spreche
bier aber auch nicht ron dem Geschrel des Tages und den I4r-
menden Fordernngen der Menge nach dem eigenthttmlichen Prta-
cipe der Gegenwart: Ich farchte es nach metoer Innersteii Ueber-
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Schulreden. 3|ft
Tieugnng nicht, dass das Princip der NuizUchkeU^ der GroDd-
satz der unmittelbaren Anwendun^ auf das pracliscJie Leben mid
seine liusseren Bedilrfnisse , dass dieses selbstsiichtig'e Streben^
dieses Jagen nach irdischem Gewinne oder den Vortheilen eines
gemachlichen Lebens, in wie tatisendfacher Gestalt es sich^uch
unserem Auge in der Gegenwart darbietet^ jemals di^ernsten,
heiligen Ilallen der Wissenschaf t , noch diese e^n so weni^ an
entweihenden Vorhallen eehter Menschenbildung* dorchdringen,
and der Huf der Seele nach hdherem Leben durch das Ge£(ehrei
des niederen Lebens werde ttbertOnt and erstickt werden. Ich
weiss es, die Zeit 1st vorttber, wo.ein ttbrig-ens am Deotschlands
Jug'endblldung' hochverdienter Mann in allem wohl g'emeinten , aber
libel berechneten Effer den Aasspruch vor einem theilweise nnr
allzugl&abig'en PnUicum that: Der Erfinder des Spinnrades sei
unendlich viel niehr werth als der Dichter der Iliade; — lange
Jahrzehende haben, nach jener ersten G&hrang der entg'eg'eng^-
setztesten Ansichten fiber Jugendbildung', mit manchen fruchtrei--
chen, aber aach mit schmerzhaften Erfahrungen die Entartung
der p^dftgog'ischeH Gnindprincipe an sich abbOssenmiissen, and so
darf das nachlebende Geschlecht auf die gemai^hte Emto zarttcl:-
blicken and siph vor Hhnlichen Missg'riffen bewahren, die bei der
Unersetzlichkeit verlorener Minuten fttr das Wohl der Menschen-
erziehang* doppelt schmerzlich sind. Darum hat sich g'eschieden
in anserem Zeitalter die Schule der gelehrten Bildang- von der
Schale filr das btirgerliche Leben; daram scheiden sich taglich
niehr die ftnsseren and die inneren, die materiellen and die gei-
stigen Interessen. Die Gelekrtenschule erfasst die Erzeugang
eines inneren, geistigen Lebens darch die Wechselwirknng aller
Krftfte der nienschlichen Seele ; die Gelehrtenschule sucht die Re-
prodaction des hoheren Lebens, die Vorbereitang zum Leben in
Wissenschaft and Knnst, im geistigen Wirken and Wollen ihrer
ZOglinge. Sie arbeitet nicht fOV die anmittelbare Wirksamkeit
im practischen Leben, fttr Anwendang and AasQbang einer beson-
deren Fertigkeit; sie erkennt darin — recht rerstanden — sogar
noch einen Vorzag vor der Universit&t, dass sie aaf die nach-
herige Beschaftigang mit einem bestimmten wissenschaftUchen
Fache keine weitere Rflcksicht nimmt, sie dringt nnr aaf die hdhere
Seelennatnr des Menschen, weckt, nfthrt, belebt, st&rkt and
zeifigt ihre Kr&fte, and nnterhftlt ein so reges Spiel derselben,
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316 SchoUredeii.
dast eben damlt der ir^ttliche Fanke fm Ofeiselieii entsftiid^t mid
MterhalteD) das Reich der gelsiigen Kraft and Wahrbeit mit
einem alle^ weltliche Glttck weit ilberstrahlenden Frieden in ima
Innere snsereB Wesens hinabgezogen , der Sturm der Leidenscbaft
liescbwichtigty das Herz geprttft and vnser Wille geUutert, der
gauze Menscli als Barger des Himmels erzogen wird. Wohl dem
Jttnglinge, in dessen Seele bei der Ahnung einer nahe liegeadeii
Wahrheit, bei dem Funde eines nenenGedankens, bei demploti-
Ucl^n Einblicke in eine tiefere Ericenntnisg das Gefflhl einer sn-
endlicben Freude erwachte^ dem das Herz gross ward^ als sick
sum ersten Male seinem staunenden Ange neue Gebiete des WIs-
•ens erdffneten , dem ein heiliges Entzflcken sein Innerea dordi-
bebte, als ihm der nnendliche Zusammenhang der Dinge wie das
lluiere Band der Wissenscbaften begreiflich ward! Wohl dem Jang-
linge , der mit immer regem Elfer und mit lebendigem Fleisse
gich der Aneignang aller Zweige des Wissens und Edanens wid-
mete, welche die Gelehrtenschnle in ihren verschiedenen Stadien
Hun darbot und keinen unbenutztliegenliess; der, ob anch gleidi
seine natiirliche Aniage ihn mehr fur das eine als ftir das Fack
Cfthig und empfangllch machte, dock ebjen die Hemmnisse der Natar
mit am so grdsserer Willenskraft bek&mpfte und darin des Geistea
Obmacht tiber die Natur ojSenbarte! Aber wehe dem Janglinge,
der leickten Sinnes oder nach herkdmmlicben Vorurtheilen seliw
e^en^ Wahl trifft zwischen den Gegenstftnden , denen er seine
Sorgfalt zuwenden will; der Einiges nicbt mag, Anderes iiicht
zu k5nnen glaubt, oder wohl gar in verblendetem Dttnkel ver-
achtlick auf solche Beschaftigung binblickend es nicbt geistreidi
oder interessant genng findet , und so auf dem bohen Pferde der
selbstgef&lligen Einbildung die Rennbahn geistiger Gjrmnastlk
dorcbjagt, obne auch nur auf das Steinchen im Wege zu achten,
das seinen stolzen Ritt aus dem Geleise bringt! Wehe dem, der
ron der Meinung nicbt ablassen kann , es sei das meiste Material
des Geiehrtenschal-Unterrichts ein nun einmal nicbt zu eatbek-
reader — oder wohl gar zur Ausfallung des leeren Raumes mit-
genommener? -- Ballast, obne den das Scbiff der Sohule aicht
aegdn kSme; an Roder und Segel nicbt deakend, achtea sie
daaa Grlecbisch und Latein fur das Steuer und das Exerdttum
far dea Compass. Das ist die Verbleadang, von der ieh sagte,
Ton der uaaere Zeit wahrlicb nicbt frei ist, die eich nicbt bless
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Sclittlred<^ii. 347
der mattea nod gleichgikltigen^ nein, selbst der brifUgen mid
strebenden SchQier bemslchilgt hat; das ist der Waho, der so
gefiilirlich an dem innerH Leben der Schole nag^t, and ibr weit
tiefere Wunden gescblagen bat, als viele andere, fttr schftdlicb
gehaltene, aussere Erscheinang:en. Da i^ibt ea denn solcbe, die
wohl einenSatz lateioiscb, aber nicbt dentsch auszudrUcken wis-
sen, nnd sich wohl gar des unnatttrlichen Vorzogs rUhmen, besser
lateinisch als deutsch schreiben und sprechen zu kdnnen; sieken-.
nen nnzlAlfge ftegeln d^r Grammatik, aber das lebendlge^Bild
der Sprache fehit ihnen, sle achten nnd lesen die alte Litteratnr,
aber die nene ist ihnen fremd oder zwingt ihnen anr ein mitlel*
diges L^cheln ab. — Es ist keine Carricatur, was ich spreche,
y. v.; nur im Bilde relht sich eng zusammen, was tm Leben
weiter anseinander liegt, nnd man verg-ebe es, wenn dem war-
men Herzen mitunter sich in zwingender Bedentnng das dificile
est saiiram non scribere aufdr&ngen will. Nicht ohne Bitterkeit
kann and darf man es sagen, wenn so das SchOnste and Edelste
gemissbraucht wird.
Mein Stadium and mehie Lebensrichtnng sichem mi<^ hoitoii-
lich, im Falle meine Worte missverstanden warden, ror dem
Verdachte einer friiher mehr als jetzt gewdbnlichen Verklefaierang
der antiken Sprachstadien ; meine innlgste Ueberzeugang wendet
sieh ihnen als dem kraftigsten Bildangsmittel der Jagend za. Das
JMissversUindniss der Zeit liegt anch nicht in dem Mittel so sehr
als in dem Zwecke. Denn wer mOchte es leagnen, dass jeae
Hohdt griechischen Geistes, die seit zwei Jahrtauseaden naeh
einstimmigem Urtheile nicht wieder erreicht oder ttbertroffen wor-
den ist, als das yollendetste Master anseres beharrlichsten Stre-
bens gelten k5nne ; wer mOchte es rerkennen , dass jenes gross-
arUge sapere ac fari, das wir durch den Umgang mit den Alten
and ans dem sorgfaltigsten Stndiam ihrer Schriften nns aneigaen,
dnrcb kein anderes Mittel mehr in dem Maasse gewonnen werden
kann! Aber ist es nicbt vollends thdrkht oder verwerflich, wenn
wir uns Griechen and Rdmer zom Master nehmen and ihre Schrlf-
Uft lesen, aber jenen grossartigen Charakter der Alien, jene
aUaeltlge Bildnng des ganzen Menadlen, jene Veredehing za
wabirhafter HamaniUit gftnzUch aas den A«gen rerlieren! So straft
0kh an don g^riigten Bestrebmigen die eigene Ineonseqoenz mit
jbranrigen EgMgWy hidem sic am Eade aus dem ganzen Stodlam
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348 Schnlreden.
nicht riel anderes als jeno gewisse Samme von EinaeUteiten,
Bdsplelen, Ae^eln und WOrtern niit sich hinweg' genommea haben,
ohne dass die wahrhafte Reife der Seele dadarch erzengt worden
ist So straft sich die Vernachl&ssigung' der Muttersprache nnd
der freien Redekraft, der Gesichichie and der Mathematik, vm
der bdchsten and heillg-sten tnteressen des Herzens and des Lebens
hier noch nicht einmal zn gedenken. wie weni^ kemien, die
also artlieilen^ die Alten, deren Erziehang darch dasLebea mekr
als dnrch die Schale eine harnionische Ausbildan^ ond VoUendong'
war, wie wir ste als ClassiciUt zu bezeichnen and za bewundera
^ewohnt sind.
Allein solche Erfahmngen wird jeder machen, der mit aiaf-
merksamem Aage aach nar eine karze Zeit die Bahn des Scbd-
lebens gegmgen ist. Die Rede wendet sich erfreullcheren Bil-
dern, der Betrachtang' dessen za, was sein kdnnte, un3 nicht
bloss in getrauniter Idealit^t, sondern, Gottlob! auch in lebendiger
Wahrheit and Wirklichkeit hie and da vorhanden ist. Die Gc-
lehrtenschnle , ob sie aach die liebste and beste Nahrang' ihres
Lebens aas dem Alterthame wie bisher nehmen wird, hat dock
andere Forderangen der Gegcnwart za befriedigen; sie doldct
keine Einseitigkeit der Richtang-, keine Befangenheit in Vorar-
theilen. Sie socht za darchdringen ihre ZdgVmge mit dem G^iste,
der ron Gott zeagt, sie will vor alien Dingen dem Weg-e der
Natar folg-en und das reg-ste Bedtirfniss des menschlichen Heraens
befriedfgen , wo es nicht rerhallt ist ini Geraasch des Tages odcr
verbllchen in dem Schiinmer der Sinnlichkeit , sie will den Derst
der Seele nach dem himmllschen Trunke ISschen. Aber sie zieht
sie nicht von aassen mit Banden des Leibes oder der Sinne; —
die Religion ist ja das freie , unbegrdnzte und ungehundene
Leben der Seele! — sie h^lt kein Examen darin and gibt keine
Charaktere dafflr, aber «ie will iibcrall aach nicht, dass es eine
blosse Lection sei, za der man sich nur nicht prapariren diirfe,
so neben and ansser den ttbrigen, wohlbemerkt, schwereren (ob
aach wichtifferen and erhebenderen ?) Lectionen; sie nennt es nicbt
Unterricht bloss and l^sst es nicht als eine besondere Lehre und
Unterweisnnff gelten, sie daldet keine Gleichstellang mit dem Uebri-
gen, es ist ihr vielmehr der Geist, der Alles darchdringt, nnter
den verschiedenarUgsten Gegenstfinden als das einlgende, Alles
vermlttelnde Band des Geistes erscheint and wie kein Zweig des
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Schulreden. 349
fVissens^ in unaer ganses Wesen iibergeht. Aach die Alien
faaben in Toiler Ungeduld zum Himmel emporgeschaut and die
Befriedignng* des hochsten Wlssens zu finden gestrebt, die uns
gegeben ist; da nidg'e denn ein Kenner des Alterihunis niit leben-
diger Einsicht Kunde davon geben, wle sie in diesem Ringen
ihres Geistes nach dem wahren Wissen and Glauben in allm^-
lig^er Ablegung* alles Gotterg'laubens and aller Verstandeseinslcht
dem, was der Menscbheit im Chrlstentbume offenbar ward, immer
mehr and mehr, ja zaletzt, wie ein g'eistreicber Mann nenlich
sag'te, bis zum Itttfen nahe gekommen sind. Da sebe denn der
f^hige Scbuler des Altertbums aach bistorisch im Cbristentbnme
die Vollendang and deji Scblassstein der alien Weli and die Mor-
genrdibe des nenen Tages, der fiber dem germanisehen Earopa
aufging; er lese, wenn er nichi den Sinn fUr die wahre Binfacb-
heii and den Adel der Worie and Gedanken scbon in frfibzeiiiger
Verbildnng hai ersierben lassen, das Wort Goties mii jener Em-
pf&nglichkeit, die anmitielbar aus sicb eine reicbe Ernie in Ge-
sinnnng and Handlang ersiehen l&ssi. Solcbe Wunsche begi die
Schale iiberall in dem Bewussisein, dass sie der innerllcben Wir-
kangen bediirfe, kein gasserer Zwang fruchiend sei; sie bai die-
selben Wunscbe ja fur die ganze Aufgabe ibrer Leisiungen , dass
der wabreGeisi iiefer, grttndlicber Bildang, der Geisi allseiiiger
Aneignang and Bennizang der scbonsien and erbabensien Gegen-
siande sicb des ganzen jungen Gescblecbies mii nnwidersieblicber
Gewali bemacbiigen mdge. Die Gelebrienscbule will ibre Zdglinge
nicbi binanfftibren aaf die absiracien H^ben maibemaiiscber Einsicbi,
Bocb weniger in das maierielle Gebiei ibrer praciiscbep An wen-
dang leiien — des bescbeidei sic sicb gem — aber dass der
Geisi ersiarke in einer nie rabenlen Uebung ibrer Grnnds&ize
und Lebren, dass der Blick da^arcb in sieier Belebung erbellt
and der Versiand aafgekl^ri^ dass aucb die rublge, von allem
Pbaniasiiscben enifernie Beobacbiang aller Gegensiande' der Wis-
senscbafi and des Lebens darcb sie in wanderbarer Weise ge-
fOrderi werde, daraaf dringi sie mii dem scbOnsien Recbie. Die
Scbnle will dem nar allzaofi and leicbi yerleizten Gemtiibe nidit
Bocb irfibere Bllder menscblicber Leidenscbafi rorffibren, wle die
Gescbicbie sie entbali, ond docb bai dieselbe ja aach noch andere^
erfrealicber^ Paribien aofzaweisen als die rOmische Eaiserberrschaft
Oder die franzdsische Rerolation, and zlehen wir die yemacb-
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380 jScboIreden*
l&ssigte Cultorgesclilclite In den Krels des Unterrfchte, so shid
der Lichtseiten viele. Aberisie verlangt eine ^enaae Kenntniss
der g'ewenenen Zugt&ade selbst Im Einzelnen, damit der Mensck
aiif dem Gange darch das Leben ein Bild der Wege ror Aug'ea
kftbe, auf deBenGott das menscblicbe Geschlecht zum Ziele fulirt.
Man glaube nicht , dass dazn keine Kenntniss des Einzelnen von-
nOtken sei; gerade In dem Kleinen und Gering'fiig'ig'en oifeDbart
flich die Macht des Ganzen und Grossen. Die Gelehrtenscbnle
gew6hnt ihre Zdglinge an die Grunds&tze rlcbtlgen Denkens and
Sprecbens; sie will Jem Vornrtbeile enig'eg'en arbelten, als kdnne
man die Motterspracbe von selbst, wohl g'ar von Natnr, sie erlanbt
niebt darin zu stottern and za stammeln, statt sie zn sprecben
anf eine des menseblicben Gelstes wdrdige Welse : sie er&fliiet
fan Ueberblicke dessen, was der dehkende Geist des Menscben
seit Jabrtansenden erarbeitet bat, dem erwacbenden Forscbens-
nnd WIssenstriebe des Jiing'ling's ein Immer weiter werdendes Feld
des Nacb- Denkens nnd Nacb-Forscbens; sie enthallt ibm das
Wesen der menseblicben Seele, tbeils nberbanpt, tbetis an dem
scbdnsten menseblicben Gebilde, der Spracbe, nnd l&sst ihn so
andeutend, anreg'end, Abnnng'en erweckend in alles das Unz&b-
)ige bineinseben , was seinem Geiste zn erkennen und zu erwarten
Hbrig' g'etassen ist.
Ibr, die Ibr diess Ma! die Scbule rerlasset and die Aka-
demie bezlebt , lasst Eucb nicbt bleiiden von dem falscken Schim-
mer akademiscber Freiheit; nutzet sie rielmebr zu dem wahren
and blelbenden Gewinne freier and allseitiger Entwickelnng' Eares
Creisfes; nntzet die nun ror Eucb llegende beneidenswertbe Zeit
ungestdrten Arbeitens fiir die sebOnsten menseblicben Zwecke in
den Jabren jng'endlieber Heiterkelt and angescbw&cbter Kraft,
wie sie spliterbin in dem beutzutag'e nur allzug'escbaftig'en practi-
seben Leben nirgend als in dem sebnsttcbtig'en Rdckblicke anf
die akademiscbe Zeit wiederkebrt. Ibr aber, die Ibr zurilckbleibet,
hsset Eucb diese Worte nicbt umsonst gesagi sein ; wendet Enren
Sinn and Fleiss mebr and mebr auf fireiere, onbefan/v^enere and
rielseitlgere Ausbildang Eores ganzen gefetigen Wesens, dem
das bt die wabre Freibeit, da» ist das wabre Glaek!
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Sdiidre^. Sftt
^ 2) Ckristenthmn and Alterthiim. *)
Mick nift fin doppeltes Gesehttft in IhreMttte: ich'soll
die Yersndie unserer jon^en Redne r einfahren in Direft Krets
und in Ilure N»clisiclit. In Ihre Nachsidit ~ das kann Ikrerfrennd-
lichen Tkeilnakme ja nimmer sckwer werden und ick darf miek
dieses Auftrags mit wenigen Worten entledi^en. AUe kis anf
Eioen reden zum ersten Male Offentlick; alle nker einen selkst**
l^w^lten, mit eig'ener JCraft yerarkeiteien Geg'enstand. Sie selker
wolien es ja keine Reden nennen lassen, gewiw sie fdklen den
Abstand yen dem^ was sie anck nnr leisten mikkten, nar M*
snwokl^ aker es slOlzt sie das Veriraaen, dass Ikrerseits die
Freude an dem frdkliclien Gedeiken jo^endlicker Geisteskrftfte
fdrdernd und helfend kinzntreten and diese nock stei^en wird bei
der Exw^jmg^ wie sckwer die Anf^abe, liber einen einzelnen
Geg'enstand ans der Wissensckaft oder dem Leken za reden, sick
desselben za dem Ende ^anz zu kemeistern, ikn anzaknttpfeB
rickw&Ets and rorw^rts mit den Ge^enstanden, mit denen ikn
das g'eisti^e Band der Wissensckaften en^ verknQpft, fiir den
Jiln^lin^ ist, der sick erst vorkereitet znm Eintritt in das Sta-
dium der Wissensckaften. Sein sck^instes Lok kelsse es^ wenn
er warm wird yen den Gedanken, die ikn leiten, seine freund-
lickste N^cksickt finde er, wenn die innig'e Tkeilnakme an seinem
Gegenstande in dem rascken Flusse der Rede dakineilt. bt nack
dem alten Sprucke: Denken und Reden, ide Aufgake unserer
Erziekan^, so darf ick nicht erst beifii^en, dass eine Probe nickt
das Ganze ist.
Dock ^enug zur Weckung Ikrer ermuntemden Tbe&nakme;
' das w&re die kurze Vorrede zu dem, was Sie kier korea soUen.
Aber ick soli auck eine Einleitung' geben. Und so ^m tkae ich
es ja, kann ick dadurck irgendwie leickteren Eing'ang bereiten
dem, was naekfolgt; aack darum g^em, damit es nickt sckeine,.
als ob die Sckole an solchem Tag^ nidits zu sagen kabe, sel
es zu einer kockachtibaren Yersammlung*, sei es zu ikren eigenea
Scklilern. Vielmekr sind der Anldsse und GegensUinde Hf aU-r
1> Ge^rock|^n zur ErMhmag des Redeacts an der S^chieswiger Bom-
sclude am 22* lA&rz ld39w
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352 . Schalreden.
zaviele, der Gelegenlielten sich aaszusprechen so wenige, imd
darum bleibt be! so lebhaltem BecUlrfnisse der Mittheiliin^ niir
die Wahl des Gegenstandes schwen Und so mOg'e denn , da ich
selbst, weder genelgt noch g'ellbt in den Reg'ein streng^er Kunsi,
Ihnen ja auch keine Rede bieten will, das Herz sicb anssprechei
in denGedanken, die ihm zunichst lieg'en, nnd in freiem Ergass
•ich Terbrelten, obne erschdpfen and abschllessen zo woollen.
Was aber l^e wohl nliher, als die rechte Verst^di^ang' fiber
uDsere Attfg'abe nnd die Mittel, wodnrcb wir ihr geniig^en kdn-
nen; zumal in nnserer schwerfilligen, gehamiscbten Zeit, wo
alle bestehenden Interessen des Lebens und der Wlssenschaft
umgew&lzt, wo die sonst unverrQckbaren Grnndpfeiler echter
Menschenbildupg gerilttelt, ja antergraben und die alien Wege
zn den Hallen der Wissenschafi versperrt zu werden drokea.
In dieser radicalen Zeit, wo ancb scbon an den Lebeitsbanm der
Gelehrtenschule von ihrem erbittertsten Feinde, dem materiellea
Sinn, die Axt an die Wurzel gelegt worden ist; wo es fast
scbeineii will, als solle die Stimme des Rechts nnd der Wakr-
beit vielleicht auf eine Zeitlang vor der Gewalt rerstummen : —
da ist es werlb sich zu verstftndrgen niit Wohlgesinnten and
Unbefangenen, damit sich befestige in unsem Herzen, w^end
wir im Starme der Zeiten festhalten an dem Einen, was Notb
ist, die Zuversicbt auf den unter Gottes Beistand Alles tiberwin-
denden Sieg der uns von Ihm verliehenen theuersten Gnter. Wir
bauen ja unser frdhliches Tagewerk, das wir iiben an der uns
von Gott vertrauten Jugend , auf die mit der Emeuerang und
Wiederbelebung unserer chrlstlichen Eirche erwachsenen Basis.
Wo diese niedergerissen , droht es dann nicht unserer besten Ar-
belts- und Lebensfrucht den Untergang? und milssen wir dam
Hicht darum wie fur Heerd und Altar ktopfen? Was in der Refor-
mation unserer Kirche als die Grundlage der Jugendbildung her-
vortrat, das Alterihum in Verbindung mit dem Geiste des Chri-
sienthums — das ist es auch noch heute, aber geistig fortge-
schrltten und innerlich entwickelt; sehen wir darum zu, ob der
Kehn seines Lebens noch kr&ftig oder vielleicht schon dem Tode
verfallen sei.
Der Charakter des Christenthums ist Innerlichkeit, Geistig-
keit^ Tiefe; sein Inhalt ist von unerschdpflichem ^ sein Gehalt
voB unendliehem Reicbthum; die weiten Baimea seines Geistes
hat
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Schulreden. 353
bat npch keln Sterblicher durclmiesseii, seine Tiefen aach das
scharfste Avtge nicht ergrfinden kdnnen ; es ist far jcdes Alter
for jeden Stand, fttr jede Fassnn^kraft, fttr die H^eisen und
Gelehrten nictit minder das reine Brod des Lebens als far die Vn-
uiundigen und Kinder. Aber darum trSgi das kleine Bach, das
nns Goites Wort gebracht hat, in dem wir die Summe der Weis-
heit und Erkenntniss in den engeu Raum nnserer H^de kdnnen
zusammenschiiessen , keine besondere Form, nicht den Wohllant
l)luhender Rede, nicht den Zanber hinfliessender Perioden; es
bedari kcines irdischen Sclimacks, es ist das nackte Wort der
ewi^en Wahrheit, nicht Form, sonderti ^anz Geist and Inhalt.
Gteichwie Er, der in der Erippe za Bethlehem lag*, der Sohn
Gottes, nicht hatte^ wohin Er seinHaupt le^te; wieSein theares
Wort unter einem armseligen, g'edriickten , bald in alle Welt
yerstreuten Volke zuerst wohnen woUte, urn bald die ganze Welt
mit seiner stillen QIacht erobernd sich eine Statte'tiberall za be^
reiten: — so konnte auch Sein Evan^eliam keine Hehnath, kein
Vaterland in seiner Sprache linden und trat darum auf in der
unscheinbaren Gestalt einer in den letzten , entstellten Zii^en fort-
lebenden Sprache , von deren Glanz und Herrlichkeit nur der letzte
Sehimmer mehr iihng war, um nach lang>em, stillen, aber sieg*-
reichen Harren und Ringen in «lle Sprachen des Erdkreises iiber-
zug'ehen und unter unserem deutschen Volke, in dessen treuem
Herzen der Herr so freundlich ^ebettet ward, seine bleibende
Heimath und in der unerreichbaren Sprache unseres Luther das
nackte, schlichte Gewand der Wahrheit zu finden. — Der Cha-
rakter des Alterthums ist Aeusserlichkeit, Geg'enstandlicbkeit,
Reichthum und Plastik der Formen; es ist die Welt der Schdn-
heit und der Zweckm^ssigkeit, aber die Wahrheit hat es nicht.
Elarbeit und Rube wohnen in ihm, es bietet des rein menschli-
chea Geistesreichste, mannichfaltig'ste , allseitig^te Entwickelung';
hier ist die Wiege der Wissenschaften und Kttnste, bier der Keim
ihrer ^anzen, fruchtbaren Entwickelung*, hier die unerschdpfliche
Fundgrube, die auch die neuesten Forschung'en auf der Hdhe der
Abstraction wie in der Breite der Empirie noch nicht haben erschd-
pfen noch entleeren kdnnen. Der Reichthum practischer Erfahrnng-
und Lebens weisheit, der hier auf jedem Blatte ihrer Geschichte,
in jedem Zuge ihrer politischen Entwickelung, in jeder Zeile ihrer
Geistesdenkmale niedergelegt ist, findet sich so nirgend wieder;
L^ihlier, ges. Schriften, 23
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SS4 Schulreden.
aber dtm^en gewahren wlr cine rdlHgc Armoth mi Leerc an wai-
ter Weidieit, ein Sehnen und Ringeii nach der hdelisteii ErkeBiiliiiss,
eio EmporBcliwingen eldzelner bevorzugter Ge!»ter bis dicbt in die
Nfthe desUchtes, das anffczttndet ward, als die Zelt erfttllet war,
Yom Worie Gottes, ein Riifen und BKcken nacb Oben, das ons mlt
sehnslichUg macht naeh dem, was Goit uns g'eoffenbaret bat^
Auf diesen beiden festen Grundpfeilern erwaebsen ist der
^nze Zustand der bentigen Welt, aaf diesen muss daber aucb
alle bdbere Erziebung und sitUiche Bildung beruben. Der unsterb-
licbe Gelst des Mensehen ist es ja, der gebildet und erzogen
werden sail; d^r unendlicbe Rekbthum von Entwlcfcelung^formeo,
dessen er fabig Ist, soil mlt dem Zauberscblage des Worts, dem
Blitze des Gedankefis, wle.aus dem tiefen Scbacbt der Erde di^s
edle Metall, an das Licbt bervorgezog^en werden, sein Seeleu-
leben soil in alien Formen, BiMem, VorsteUungen, Ideen an dem
ergleblgsten Stoffe geweckt ujid gen^rt werden , die Form blldet
Sicb an dem fbrmrelcbsten Geg^nstande und diesen gibt das Alter-
tbum. Darum wie die Bildang durcb das Altertbum ohne ebrlsi-
lichen Cjeist glelcb der Wilste okne Oase 1st, also ist aucb der
christllcbe Gelst Obne die alterthttmlicbe Bildung seiner besten
Yorbereitung, seiner dorcbdringendsten Klarbelt, seiner siegend-
sten Kraft beraubt; zur Innigkeit des Liebessenfzers muss ja,
wie M. Claudius sagt, die Klarheit des Tbautropfens kommen.
Und schon far sicb bedarf die b&here menscbliche Blldung belder
Wege; der Menscfa in seiner edelsten Gestalt Ist ja ein Btlrger
zweier Welten: fihr die Erde erzieht ihn die Natur, das BedOrf-
niss, sein Verb&Unlss zu den Mensehen, mit ibnen soil er leben
und wandeln Im Aufblick zn den Hohen ^es Himmels, In der Vor-
bereltung dieser Zeit zu den Offenbarungen jenseits des Grabes;
aber zum Himmel ruft Ihn empor seines flerzens dnnkle Stimme,
aufw&rts welst ja sein Blick und seine Stellung, zu Golt aiebt
ibn sein nacb Selnem Bilde geschaffener Geiist. Es gibt efne
irdiscfae und eine bimmllsche Welshelt , sle 1st In jedem begabte-
ren Mensehen bald mehr bald minder da; ein Zwiespalt, den aucb
der nkbt leugnen kann, der am Ende elnes langen, arbeltvollen
Lebens beide zur schdnsten Harmonle in sicb versOhnt hat. Immer
bleibt die habere Welshelt, welche das ehristliche Leben In ins
Ist, unser schdnstes Kleinod; das anzlge Erbtheil, das wlr aus
diesem Lande des Kampfes einst mlt hiaiiber nehmen in die Woh-
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Scliiiireden. 355
Hansen Aea Frieilens. Aher urn ftor den Dieiist avf flette* weitor
gehdner Erde uns ^escUeki ond slark »ii madien^ in Staat ond
Kirche, Kun^t und Wissenschaftf dazn suehen wir des Geistes
tiefes Leben au er^rttnden, dazn verfolgen wir ihr Wirken in
der Weligescliichte und erfassen es da, wo C9 an klarsten und
lebendig'sien ist, d. h; im Alterthume, und dieses ielit nor in
seiner Sprache mlt uns fort.
Die Sprache ist des Geistes schdnstes Werk, sein edelstes
Erzeog^iss; es ist nickt der Abdruck onserer Seeie, nein, es iat
die sichtbar g>ewordene Seele sejbst Kannst dn, e Mensel^
etwas edleres und wiirdl^eres erforschen als den Menschen und
des Menschen unsterblichen Geist? Das ist die oft missFcrstan^
dene Weisung aber dem Eln^ange znm Heili^thume des pjthi-
schen Gottes, das ist^der Sinn des oft g^predigten, selten be-
herzigten oder g'ettbten: Kenne dich selbst, kenne deinen Geist
und seine Werke, seine Thaten, nicht wie er in dir, dem ein**
zelnen, mlt alien deinen Hinf&llifkeiten und Gebrechen , nein, wIe
er in den Erzengnissen der Menschheit, in Ihren herrlichsten Sch$-
pfongen rnht. Da studirst nicht des IMenschen grdsstes und erlia*
benstes Thun, wenn du die Grossthaten der Welt^sohichte be-
wunderst, dich auf das Schlachtfeld der far das Vaterland Ge-
fallenen in emster, Aufopfernng' weekender Traner be^ebst; mit
dem Eroberer die siolzen Bahnen , in denen er lanf^ ir^qa<e, sdion
halb geknickte Herzen in den Staub trat, Terfolgst und dich
¥on delnem Staunen erst an selnem Grabe wieder erholst, wo
ein Paar Fuss Erde den bedecken, dem eben noch die Welt zu
eng* war; wenn du trauern musst, dass Bruderherzen sich im
wilden Kampfe entzweien, oder dich lingstigest, well im harten
Driicke die Volker aufstehen ^ Jhre helllg^n Menschenrechte wieder
zu forderii; du wirst belAllem viel Betriibniss , yiel Demfithigun|^
erfahren, und so fiihrt die Geschichte mlt einem Schatze an be^
lehrenden Warnungen dich am Ende doch wieder zu dem empor , der
nber den Wolken die W^hge der Welt^eschicke mlt nie wankendem
Arme halt. — Mensch, studire des Menschen tiefstes Werk, die
Sprache; sie zeigt dir weder das abstracte, darum InNebel zerrin-
nende Bild der ganzen Menschheit — beschrlinke deinen Blick, deii
Auge ist fllr das Ganze viel zu schwach! — noch auch das g'anz
verelnzelte Bild von dir oder mir — was hiittest du an dem
Spiele unserer Phantasie und der WillkOhr un^erer Eln^Ule? —
23*
Digitizect by VjOOQ IC
356 Schiilreden.
nein, da stndirst an der Spracbe dieses Velks das ganse ron
Gott selbst etzogene Yolk, du studirst damit einen klar Tor deine
Seele tretenden Theil der Menschheit. Abet daram soil es auch
gerade ein Ganzes seiti, abg'escbloBsen in sich, ilure Spracfae
helsst todt, der Geist niacht sie lebendlg nnd darchdring't mit
hellem Bewusstsein alle Pulse ihres Lebens, wie sie selber, da
sfe lebte, sie in dem Maasse nicht erkannt und empfunden hat*
Siehe da , in einem kleinen L^ichen unter Gottes schdnsiem,
twig heitem Himmel wohnt ein Vdlklein — seine Weisen frag^eii
selbst, ran wo es kam — es blQht empor, wird stark nnd g'ross
durch die Macht seines Geistes, aber nacb einem kurzen Zeltraame
thatenreichen Lebens sinkt es dem machtig>en Sieger in die Arme,
der mit seinem Lande aucb seizes Gelstes Scb&tze zn erobem
sncbt. FrQb theilte es sich in schdne klelne Gmppen , als kdnnte
es «o die aufgetragene Arbeit scbdner rollenden , als wollte es
sick theilen in die Besitzthumer der edelsten geistigen Bildang,
nnd jeden Tbeil fttr sich verarbeiten; ja selbst der Spracbe Bil-
dnngen in dem nnendlichen Bl^Aenreichtbum ibrerFormen scheint
es baben erschOpfen zu wollen, bis eine Landschaft, deren m&ssi-
ger Boden seine Bewohner zur Arbeit und zum Anban zwingt,
in deren Hauptstadt nacb der dichtenden Idee des Volks die Gdt-
tin der Weisbeit den Vorsitz fiibrt, alle Schatze der Bildung
nnd Weisbeit rersammelt nnd alle A^erHnderungen seiner schdnen
Spracbe zur lantersten j klarsten Form nmgeblldet bat. Und von
Allem, was dieses Yolk scbnf und dachte, liegt das redendste
Zeugniss in den gescbriebenen Denkmalern seines Geistes vor;
jede Stnfe, jede Gattung, jede Form steht so kiar, wie die an-
erreicbten Werke ihrer Plastik, vor dem Aiige. WIr filhren dich
In die wunderbare Zauberwelt Homers, die der WIssbegierde des
Kindes eben so reiche Befrledigung gewUhrt als nnabsehbaren
Stoff fnr die Forschnng des Gelehrten; bier fliesst Alles wie der
klare, von lieblichen Wellen ieicbt Iiewegte Wasserspiegel , and
an seinem sanften Rauschen ergdtzt sich gem dein Ohr. Offen
nnd wahr kennt der alte Barde kein Gehelmpiss nnd kein Rlithsel,
mit sorgsamer Liebe fiihrt er nns mitten in den ritterllchen Kampf
Oder in das Innerste des Hauses , wo am Heiljgtbnme der Familie
das Herz warm wird nnd nnvermerkt einen tiefen Zug sittllchen
Ldiens in seine Seele anfgenommen hat; er zeigtdir jeden Win-
^el des Hauses, jede Falte des Herzens, er ist besorgt, dass
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Schalreden. 367
sein H6rer nfcht AHes recht vernehme and lebe deatet er anch
das Kleinate und scheiobar Geringftt^i^ste der theilnehraenden
Aufmcrksamkeit an, und lebendlg Tor dir stehen wlo erhabene
Marmorbilder so klar und kr&ttlg seine Helden. Du ^ehest wel-
ter und trittst in die Hallen der Ennst, wo die Helden Ihret
GescWchte auf die Btthne fareten und der Weltffeschlchte Welt-
gericht sich mlt ernster Mahnnng wiederholt; vertlefe dich mit
seinem GescMchtschrelber, der selbst Gesehenes und 6eh»rtes,
iler selbst Brlebtes dIr berlchtet, in den ganzen Umfang und die
Einaelnheiten seiner Thatsachen und lebe mlt den bandelnden Pet-
sonen; h6re vor dem Volke, dessen ^usseres Leben auf dem
Spiele' steht, die Kraftsprache redllcber Ueberzeugung, mlt der
die Partlieisucht und Leldenscbaft entwaffnet und des Throns 6e-
walt erschttttert wlrdl — Dort, in einem andern klelnen Lande,
sammelt sicli um slebenHttgel eine klelne Schaar, bald zu missl-
gem Umfange selbststandig erwachsend, Ackerbau und Jagd sind
Ihre beste Beschaftigung — ihre Sprache trSgt daron unrer-
kennbare Spuren — und so legt sie auch auf diesem Heinen Fleck
der Erde den Grnnd zur Weltherrschaft. Mit siegender Gewalt,
mit einer Nttchternheit des SInnes und einer Selbstrerleugnnng,
von der du kaum noch eine Ahnung hast, streckt sie ihre Rle-
senarme tlber alle Nachbarlander aus. Der Orient und der Norden
sind nicht mehr sicher vw ihrer Obiuacht, da tragt sie selbst des
Tfldes Keim In ihrer Brust. Nicht des Leibes Gewalt soli herr-
schen auf der Erde, sondern des Gelstes unslchtbare , stllle Macht.
Darum lebet ihre Sprache fort als Zeugin irdiscber Ver-
g&nglichkeit und Denkmal des ewlgen Gelstes. Hast du noch
nichts gelesen als die Thaten jener V«lker, die In dem Buche
der Geschichte stehen, sokennst du sie nurhalb; lies ihre Sprache
und forsche da nach ihrem tiefem Geiste, die wird dIr ««<» "•»*
Antwort stehen. Du llest die BiograpWen der Helden und ziehst
Moral aus, du lasst dir selbst aus der Naturgeschichte von edlen
Zttgen, die in dcsThiers Instlncte liegen, lehrrelche Beispiele geben:
ich will dir aus der Naturgeschichte Bines Worts ein noch viel
redenderes Zeugniss geben, wie dieses Volk gedacht, was es In
seinem Gemathe errungen und entbehrt, was es vomhftheren Leben
geahnt, wie es das irdische Leben beherrscht und genossen hat
An der Sprache Griechenlands und Roms sollst du erfahren, wie
die Lebendigkelt der Phantasie mit der Klarheit des Verstandes
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308 Sckulreden.
und d^r Ridie des iGenHitiies liick scbOn za paarett wisse ; je
tiefer da in sie drln^st, desto deatlicher solisi du erkenaen die
tiefe Gesetzm^si^keit ihres innern Baus, die wunderFoIle Har-
monle in alien ihren Werken vom Kleinsten bis zniii Grossten ;
je llki^er du sle erforsckest, desto lejiendig'er soUst da inne
werdeU)^ wie sick vor deinen Blicken eine immer reicbere M^elt
^eistiger Bewegung ofTenbart, die da, ak dick aack keisses Ver-
langen damack ergreift, niemals zii ermessen im Siande bist.
Und friigst du niick dann nodt, was da gewonnen^abest nichi
for deiden Kopf, sondern fOr dein Herz^ nickt was Du gelernt
habesi, sondern wie .du dadarcb erzogen werdest; so antworte
ieh dir: Klarbeit der ganzen Seele, Scblbrfe des Verstandes, Tiefe
des Gemtttbs gewinnst du; bier lebt die Einfacbbeit, die Warde
und die Kdcbternbeit, fern v4>n dem Pomp und Prunk moder-
ner Rede, bier lekt der keiiere Ernst, das frOklicke Entsagen
and Bekerrscken seiner sdbst, die Ruke deines Denkens, die
Wort und Tkat erweckt, Da siekst, was anvergangllck ist und
lernest ricktig wttrdigen, was die Menge anstaunt, bescbeiden
bllckst du auf das feme Ziel deines Wissens und Konnens and
lemst auf kleinem Raume dicb bescbr&nken.
wiirden diese Tugenden der Rube, Grundlicbkeit und Tiefe
Eaer Erbtbeil, tbenre Janglinge und Knaben, die Ihr uns von
Gott zum edlen Werke der Bildung anvertraut scid; daruni o
ringet damacb, daniit Ibr es erfasset. Zersplittert Eucb nicbt in
der Breite leeren Wissens, lasset Eueh nicbt verlocken auf die
sdiwindelnde Hdbe abstracten Denkens, jaget nicbt nacb dem
Kleinen und Nicbtigen, vielniebr der JHittelmlissigkeit gram, die
Oberfl&cblickkelt kassend , der ScklaSheit und Weicblicbkeit todt-
feind, wendet Eucb mit roller, warmer Seele dem Grossen, Wak-
fen und Schdnen zu, damit Ibr in edler menscblicher Tiichtigk^it
das Ziel irdiscben Daseins erreichet und Eucb zn wiirdigen BOr-
gem des Himmels vorbereitet. Das wollest Du geben, Segen-
spender in der Hdbe, und dazu macbe aucb uns Lebrer wurdig
in Deinem Werk und Dienst; lass unsere Einsicht immer reicber,
unser Auge immer beller, unsern Geist immer lebendiger, unser
Herz immer fester, unsern Matk immer standbafter und unsere
Arbeit immer gesegneter sein!
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SchiilreileA* 3B8
3) Kraft und Wetih ies Ged^chtnisseg. •)
Wenn ich hier auftrete, wer(ke VeraanmiluD^ , urn VaanBiis
der Schule die nachfol^enden Voririkge einzokiten and iber die
diess JIal fiber alle Classen unserer Lebransialt sich erstrecfcen-
den Versuchr milndlicher Darstellun^ ein Wort der VersrtHndigriHiir
auszusprechen, dnrcb die eine freundlicbe Nacbsicbt far dieselbea
g^ewpnnen und somlt die schdnste und lobnendste ErmntteriiQi^
fiir die Zuknnft bereitet werden wird^ se wasste ich eben kei)ieft
an^emesseneren Geg'enstand der Betrachtuq^ zu anterziehen als^
g^erade denjenigen , der mit diesem Werke der Scbale in der aller-
nnmittelbarsten Verbindong' steht, eine wicbtlge Aaf^abe aller
offentlichen Erziebung' ist, aber nach Werth and Bedentun^ woU
nicht tmmer in dem reebten Liehte erkannt^ riellelcht am wenig-
sten in nnserer Zeit ricbtig* g'ewUrdigi wird. Es ist wohl efn-
g'estanden anter qns Allen , dass es etwas Scbdnes $ei, wenn die
Jq^end entweder bel ^dsserer Reife ein eigenes Brzeagniss der 6e-
danken oder auclt nur das anspreebende Werk eines Andern In freieir
Rede Yorzatra^en befabigt ist; and doeh ist es ja gewiss , dasa
die dabel nicbt am wenigsten tb&ti^e Kraft , die des Geddektnkses^
einer gar ungleicben Wertbsch&tzung and Pflege unterworfen^
ja vielleicht einer vdllig-en Verkennnng nabe 1st. Gern nebme
icb das jiingst gesprocbene prophetiscbe Wort eines deatscben
P^dagogen^), dass die Veracbtung einer so edien Seelenkraft
nonmebr ibren Gipfelpunct erreicht babe , in freudiger Hoffnun^
an; aber so war es ebemals auch nicbt. . Bei jenem Voike der
Hellenen , anf deren heiteres and scbftpferisches Geisteslebeii wir
1) Gesprochcn zur ErOfTnung des Redeacts in der Schles^viger Dom-
schnle am 19. M^rz 1842. — Nachher crschien: Mnemonik, oder Kunst,
das GedHchtniss nach Retjcln zu sUirhen , und dessen Kraft ausserordetMch
zu erhdhen. Von lohairn Grafen Mnildth. Mit 2 lithogr. Taf. , w?lche den
mnemonischen Zahient^pus uiid die mnemonischen Bachstaben bildlicb dar-
stellen. Wien 1842. Eine Schrift, die neben manchem Oberfl&chllchen
doch auch eitiiges Interessante und historisch Wichtige darzubieten scheint. —
Ein sehr guter Aufsatz nber Mnemonik steht aacfa in Brockhaus, BlHtier
iur lit. Unterh 1847. Octbr. Nr. 293 — 97.
2) E. Ruthardt, Vorschtag und Plan einer VervBUstHndigung der gram-
matikalischen Lehrmethode p. 24.
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360 Scliiilredeii.
to gem als auf eia anre^ndes Vorbild aa bUcken gewohni sind,
war iB dem Zeitalter schon Tor ifarem Urbarden Homer He Erin-
nerangr neben der Uebung* und dem Gesange der drei AIuseB
eine, und auch in der Umgestaltong der spftteren bistorischen
Zeit blieb die Mnemosyne die Mutter der Musen; und in der
sinnigen Dichtung Platons war nichi bloss die Erkenntniss der
gewOhnlichen Dinge mehr oder weniger ein vergleiohcndes Wie-
dererinnern , sondern die allgemeine und hohere Einsicht vorzugs-
weise Wledererinnerung aus dem Anscbauen der ewigen tJrbilder
in dem frilber^n Leben obne die kdrperlicbe Hulle. Fast scheint
es, als babe niit der vermebrten Erieicfaterung der Mittet des
scbriftlicben Gedankenverkebrs 4ie Benutzung und Wertbscbatzang
der treuen Bewabrerin des Gedacbten in unserer Seele nmgekebrt
abgenommen ')• Jene sicbere Kunde und nie irrende Bekannt-
sicbaft auf einem bescbrHnkteren Gebiete, wie unsere Vorfahren
oicb ibrer erfreuten, ist mit der weiten Ansdebnung der Wissen-
scbaften , aber aucb mit der VielgescbSftigkeit und Vielwisserei
unserer Tage verloren gegangen, und das bewnnderungswfirdige
Beispiel jenes armen Sebottl^nders *) , der jede Stelle der Bibcl,
womacb er gefragt wurde, selbst die Verse, worin nicbts als
Namen sind, nacb knrzem Nacbdenken hierzusagen wnsste, wird
unser Jabrbundert yielleicbt nicbt zum zweiten Male aufzuweisen
baben. Aber das ist ja aucb nIcbt, was wir wollen; ver-
langte uns darnacb, wUrden wir jene scbon yon den Alten riel-
facb bis zum Staunen gefibte Kunst der Mnemonik *) wleder ein-
zufttbren baben, die wir yielmebr verscbm&ben und von uns
weisep, nicbt bloss datum, well sie mebr sophistiscbes Blend werk
ist als im Dienste der Wabrbelt stebt, sondern aucb, wcil sie
das von Gott gegebene edle und scbOne Gleicbgewicbt der Seele
und ibrer Kriifte aufhebt und zerstdrt. Dass aber an sicb Ge-
dltcbtniss und Erinnerun^ zum reinsten und scbdnsten Leben der
Seele mit gebdren , dass ibre Pflege und Ausbildung bis zu elnem
boben Grade mit der eigentbUmlicbsten und erhabensten Kraft
3) Ruthardt a. a. 0. EichsUidt in ind. lect. Jm, Somnier 1807 Cdcutsch
in OeUVs Aufynhm Nr. 64.}.
4) O, H. V. Schuhert's Geschichte der Seele, 3te Aafl. p. 587.
5) F. U, a Schwars, Erziehungslehre , |, i/ p. 423. 2 p 371 f
141 f. , I. .
liL 141 t
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Sclmlrefes. 361
dem Deaken, in desseB volleiidetster AasblMan^ sicli wohl yer-
einigt findet , das baben die Beispiele der ^Os$teB Danker bewie-
sen, das haben Pascal^), Leibnitz, Locke gezei^t, wenn tbeil-
weise von ibnen bcricbtet wird, sie h&tten von alle dem, was
sie in den Jahren des Verstandes ^etban, gedacbt nnd gelesen,
nie das Geringste vergessen; das scbeint ferner anch eine ge-
nauere Prfifung' der Sache selbst mit sich za bring'en, da ja das
lebeiidige Aibeiten dieses Vernidg-ens mit cinem reichen Stoffe
der ibm dargebotenen, in der Seele lebenden Sinnenwelt die noth-^
wendige Grundlagc alles baheren Denkens und Wissens selbst
ist und ein g^utes Ged^chtniss nach dem Urthelle eines geistrei-
chen vaterl&ndischen Philosopben ') zwar wobl ohne schMere
Urtheilskraft, aber um^ekehrt diese nicht leicht ohne jenes ge-
fondeii wird; ich erinnere daza endlichnocb daran, dass nnr eben
das wiederbolende, den Gegenstand damit ininier tiefer durch-
dring^ende Denken zugleich eine an Kraft and Friscfae zunehniende
Erinnerung ist, wie denn ansere an Tiefsinn unttbertroffene dentsefae
Spraehe daranf binweist, wenn sie sich fttr Beides znm Theil
desselben Ausdrucks bedient, and das Gedachtniss gerade als die
Bewahrerin und Geniesserin des G.edachten fainstellt, die Erinne*-
rnng aber, fast ini Gegensatze gegen das Auswendi^Iernen, zu
einem Acte innerlicher Belebung und freier Th&tigkeit macht
Es kann wohl kein ZweifcL liber die Wicbtigkeit sein, die
demnach die Uebung dieser Seclenkraft einnimmt in dem Jugend-
unterrichte, die sie daher mehr und mebr in unserer Zeit in der
offentliehen wie in der hau^slichen Erziehung wiedergewinnen muss.
Unsere Zeit - denn der Schnle Pflicht ist es sich ibfer Stellung und
ihrcs Verhaltnisses zu der Zeit bewusst zu werden — ist eine Zeit deir
Subjectivitat und der materielten Interessen; der Gedanke hat eine
allgewaltige Kraft, das Wissen 1st verachtet; das ungebundenste
Raisonnement ist an die Stelle ernstgrundlicher Forschung, das
indivlduelle Urthdl mit seiner Geltung an die Stelle der Erfah-
rung und allgemein bewahrten Ansicht getreten; das historische
6) Locke's Versuch iiher tl. mcnscld. Ver stand v, Tentteniann, I, p. 326.
G, W. V. Leibnitz's philosoph. WerJce v. Ulrich, I, p. 78. vgL A. Goring
im LiihecJser Progr.,\on 1828.: Vertheidiyufty des vielen und wortlichen
Auswendiylernens auf tmserer Schule,
7) J, E. V. Berger, Grnndziige der Wissenschaft III, p, 409.
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363 Sckulrdkii.
und positive Blement wird Hberall iinter^raben und aug^dkU,
Thatsachen zu Seifenblasen , Erfahruni^eii za Hypothfsen, Fa^ia
za IHjthen yerflttcbtigt, dem Kindedalter die liebste und seh^nflte
Nabroni^ edler Vorbilder und Geschfcbten entzogen, und es febli
our nochy dasct wir die Kinder in der Wiege das Reflectiren und
Raisonniren lehren/ Da reg't sicb aber in den rerschiedenen Ge-
genden enseres dentschen Vaterlandes eine Siiinnie bier und wieder
da in unseren Tag'en , ein wertheres und unverlierbareres Besiiz-
IhuDi solle der Ericenntniss g'eboten, die Seele in einer zwar klel-
nen, aber docb reicfaen Welt von Thatsacben und Gedanken
beimiscb gemacbi, und damit jenes ganze Heer traorig^r mora-
liscber Folgen wieder znm Tbor hinaug gescbicliit werden ; o lasses
Sie uns mit einstimmen in dieseri Ruf ^ mit anfassen an dem Werke,
lassen Sie uns unseren Kindem leben und frOhzeitig' ibrem GedlU^bt-
nisse einen Scbatz einpr^gen, der sie durcb das g'anze Leben bin-
durdibei^leitet, ibnen einen festen Haltpunctgibt, wenn sie einmal
auf der Wog'e des Lebens scbwanken sollten , und sie audi in der
Todesstnnde nicbt verlilsst, dass sie nicbt erst sudien dlirfen,
wie jener ^osse Denker, vor dessen scbarfem Blithe die Jabr-
hunderte und Nationen alle ini Geiste vorttbergegang'en waren ^),
sebnsHchtig bitten musste: Gib mir einen grossen Gedanken, dass
icb micb erquicke* Aber dass das frflbzeitig^ gpescfaehe, ist vor
alien Dingen Noth; es ist eine Aofgabe, die scbon der frahesten
hftuslicben Erziebung angebOrt und dort unter der Pflege treuer
Mfttter vielleicbt iminer den w^rmsten und g-edeiUicbsten Heerd
beb< gem werden wir^ wenn also vorbereitet und durcb die
Sckulen der allgemeinen Vorbildung' hindurcbg'egangen die ZOg-
ling'O uns anvertraut werden, das angefangene Werk fortsetzen
and auf unsere n&bere Aufgabe anwenden. Aber friib muss es
g'Oscbeben, wie allemal die kostbare Zeit im Verlaufe der indi-
viduellen Menscbenbildung* mit Bedauern eine unwicderbriBg^lich
verlorene zu nennen ist, wo das b&tte g'escbeben sollen, and
niebt gescbeben ist, was gerade diesem After vorzugswetee an^-
niessen ist^). Hier gebt es mit der firkenntniss wie mit der
8) J. G, Y. Herder.
9) Eine Verfrfihnng, woraach ?ielieicht das katini iailende Kind schoa
aaswendig iernen soil, u. dgl. m., i^t damit von selbst gleichfalls aosge-
schlossen; vgl. nocti F. Oedike, Gedanlem Uher GedHchimistubuHffen in dest.
gesamm* Schulsckrifien 1, p. 253 — 85.
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SelHilredeH. 363
SUte; 4ie rechte MIfiaie ist kostbar; wer, waa er hente than
kOnnte, anterlltost und immer dabei dcnkt: e« ist ja eben nar
Doch ein Kind^ dem g'eht «8 wie jener Mutter, die mit solchem
Worte alle Rttge, and Strafe an ihrem Kinde hinaosschiebend, am
Ende g'ebrocbenen Herzens starb, als sfe ibren Sobn als Ver^
brechcr in einen andern Welttbeil verpflanzt sab ^'^). Aber die
KIndesseele wird schon so beg^erig ini Empfangen, die jange
Psyche fang>t an ibre FlOg^el zn schiag'en and wer md^te.ibr
frdhlicbes Flattem hemmen. Das Kindesalter rom dritten bis zam
achten Jabre ist schon enipf&nglich fiir eine kleine Welt von Bil-'
dern and Begebenbeiten; es schafft sich eine solche von selbst,
wenn ibr kelne Nabrung* daza geboten wird; das Kind kebrt mit
Liebe zu den einmal gesehenen Geg-enst&nden zarfick, and teben*
di^ stebt ihni seine kleine Errabrang vor der Seele, was ibni
einmal 9 vielieicht vor Jabren begegnet, es ist ibm wIe gestern.
Mies Wiederfinden, wie in der Wirklichkeit, so im Ged&chtnisse
erfiillt die Seele mit innerem Behagen, mit Freade; des Kindes
Antlitz ist ein treoer Spiegel seiner Umgebang', er prftgi sie
mit friscber frdbiicher Kraft seinen Sinnen ein and sie fallt bald
seine Phantasie im VTachen wie iin Traame. Hier verbessere
and flille man seine Umgeban^, daniit er wurdigen Stoff flndet^
sobald es darnach hascbt; man veredle sein Spiel 2uni belehren-
den Unterricbte , , der anvermerkt and obne unser Zatbnn in ibn
driugt, schon die wiederbolte Anscbanung wird seinem Ged&cht-
nisse bestimmte Formen and Bilder einpriigen , an die Biider aber
sich von selbst der Kreis der dazu gebdrigen bestimmten Wdrter
and Begriffe anreihen; diess begriindet den Worth jener von
Jugendfreonden in neuester Zeit erftindenen Anscbauungsspiele ^^)^
die der kindlichen Phantasie eine sfchere and gedeibliche Richtno^
geben, statt dase sie sonst entweder schon friibzeitig mit Uned-
lem gefiillt) oder airch, den ersten Keim za einer fdr das Lernen
wie fur den Charakter gleich verderblichen UnbestHndigkelt and
Zerstreutheit legend, von einem Gegenstande zum atidern ttber^
zugeben gewdhnt werden , w&brend gerade die Kindesseele jene
anermiidliche Geduld hat, die gern immer wieder von neuem mit
10) Bnrtks Jnyendbmter, 1829. H, p. 155 ff.
11) Vgl. WeU: Pr^beVt Verdiensie urn die ^rziehung der Kindheii,
in d, PHdag. Revue, Novbr. 1840. p. 417—28.
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364 Schalreden.
deniselben Gegemtanie verkebrt. Das Atiffassen der Dinge durch
Am Gesichtsslnn ist das frttheste und za^leich das stlii^ste ; wie
die Physiker sa^en , dauer a die Gesicbtsempfindung'en ohne fort-
gesetzte aussere Einwirkun^ immer eiiiige Secanden l^ng^er fort
als die des GehOrs oder ^ar des Gefillils ^^) ; natiirlicli wird also
auch die Erinnerun^ jener uni so leichter stattfinden k<lnnen , aber
attch urn so stIUrker wirken ; neug'Ierig' blickt das Kind umber,
wird nicbt mUde im Wabrnebmen und Beobacbten und jene aocb
entfernte Aebniicbkeit weckt in ibm eine Wiedererlnnerung', so
dass also scbon mebr als Eine Seelenkraft in Tb&tigkeit komiut.
Mit dem Obre yernimnit und begreift es erst sp&ter, oftmals ver-
baJIen ibm anf^n^lieb nocb die lieblicbsten Tone; die Form als
solcbe, aacb die Bcbdnste, fesselt seinen Sinn nicbt, es muss
einen Inh€tU baben. Die Pbantasie ist das innere Ang'e, dasGe-
dlicbtniss das innere Obr, beide aber so wesentlicb verkettet,
dass man jene gem das Gedacbtniss des Gesicbtssinns nennen
kdnnte, bebaltend and reproducb-end, aber aucb sicb gegenseitig^
ergllnzend und belebend. Das Aug'e, bat man wobi g^esag't, g'ibt
die Feme, das Obr die Tiefe; so mag* denn aucb das innere Auge
und Obr die Ausdebnung* und die innere Kraft unserer Vorstel-
Inng^en bewerkstelligen ^^). Die ersten Erzeug'nisse werden wie
Bilder obne Rabmien sein, allmiiblicb treten die Umrisse und Grenz-
Ihiien der Dinge mebr bervt>r; die bewabrende und erinnernde
Pbantasie wbrd Ged&cbtniss von Sacben und Namen , von jenen
eber ak von diesen, und die Eigennamen unter diesen wieder
zuletzt, wie umgekebrt diese zu allererst im boben Alter oder
in der NiederdrSckung' der Lebenskraft dorcb Krankbeit wieder
entweicben, jene am l^ngsten bleiben; wie man von jenem Greise
erzSlblt, der jedenMorg^en sicb den Namen seiner Gattin und Kin-
der wiedes sagen lassen mus^te , w&brend er nocb seine Jugend-
lieder sang und seine Jngendgescbicbteu erzSblte *♦). Ist das
Obr des Kindes dazu gereift, dass es vielleicbt von selbst an
des Vaters oder der Mutter Scbooss sicb dran^t, urn ihren Erz&b-
lungen zuzubdren, dann tritt der wicbtige Moment ein, wo das
Ged&cbtniss des Auges durcb das des Obres unterstutzt werden,
12) Urtheil von Tetens bei v. Berger in d. Grmdzugen III , p. 402.
13) Schwarz, Erziehungslehre II, p. 265. Anm. 276 f.
14) Schubert*M Oesckichte der Seele, p. 588.
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Schulreden. 365
wo zu dem Umbnge aiich die Tiefe hinzufereten mitsB, wo fai
dem Sinnc des Kindes die Scheidnng* des Beharrlichen nnd Ver-
Snderlichen, der Dia^e and ihrer Eig^nschaften erwilehst, wo
also attch der eiDflussreiche Anfatig' g-emaclit wirdj von der ^assern
Sinnenwelt. sich in das Innere ^es Geniiiths mehr and mehr fain-
einzaziehen. denn die Pflege des Ohres fuhrt zam Gefaorsam, die
des Aages, einseitig* betrieben and anablftssig fortgeseizi, zar
Sinnlichlielt; das Gedftcbiniss bewafart den lilaren nfichternen Sinn
itti Gegensatze gegen das leidenscfaafUiche, niaasslose Begehren^'),
es pflegt die innere Rafae des Gemuths, indem sle be! allem Wecb-
sel der Aassenwelt unangefochten befaarrt, es nfthrt die stille,
liebevolle Erl^enntllchkeit nnd Dankbarkeit '®) — wte scfadn hat
ansere Sprache bier wieder Denken and Danken zasammenge-*
reiht! — ; es nahrt die Einsicbt des Wdhrendeny die Wahrheit
{dXij&€iu)y and behiitet vor dem scktvankendeny immer ver&n*
dernden and wdhlenden Taaschen, dem Irrthum und der Tdu^
scbung; es gewdhnt an die stetige Ordnnng and GesetzmlUislg'*
keit Im Denken and Handeln, die das Geprage einer scbdn orga-
nisirten Seele gibt *^). Und so liesse sich noch mehr als eine
Tagend der Seele nennen, die dadurch anser Eigenthum wfard.
Wir sind aber im Kindesalter sehon zu dem Pnncte gekommea,
wo auf das Aaffassen der erz^hlten Geschichten das Answendfg*-
lernen von selbst folgt j weil nan das Kind schon anfsingt in jedem
Worte den Wiederschein einer bestimniten Vorstellang za sacheil,
wo aber das Aaswendlgiernen eben darch die Erinnerang za einer
freien and bewnssten That der Seele werden soil. Das Alter
vom 7. bis 14. Lebensjahre.ist hierfttr so begabt wie kein ande-
res ; die Seele 1st noch so frisch , da hat die Sorge keine Farche
darin gezogen and die Begierde noch nicht den Boden aufge-
lockert, die Zerstreuang den Sinn nicht verwildert. Den relch-
sten Stoff wird jed^r Vater and jede Matter aas dem w&hlen.
15) Daher jenes wonderbare Belspiei des gedachtnisstarken Bibliothe-
kars Anton Magliabccchi , dessen gewOhnliches Mahl 3 hart gesottene Eier
nnd ein Trunk Wasser war. Schubert, Gesch, der Seele, p. 587»
16) Schwarz, Erziehungslehre III, p. 144."
17) Daher auch das am ieichtesten za hehalten, was eine gewisse
Ordnnng hat, s. dea Ansspruch des Aristot. bei A, Kapp Aristot*s StanU^
pHdagogik p. 191.
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366 Sclmh^den.
was dem Herzen .^^wiss doch iiberhatipi da» erste and heHigsie
Bedfirfniss isi; und da Ut ja ein nnversiechlicher Reichihmn an
T4efe wie an Ansdelinnng*, denn ttbcrall ist es hier von nnendlich
▼lei gf^BBerer Wicbii^keit sich aaf eineni eng'eren Raume recht
festzttseizen nnd es niU immer (ieferem Nachdenken za darch-
dring'en, als sich aof immer neaen Feldern auszubreiten. Eta
solcbes frtihzeitigr mit dem edelsten und schiHisten Stoffe erfalltes
Ged&chtniss, durch welcbes das , Nachdenken erweckt and belebt,
die Ver^leichung* und der Scharfsinn entziindet^ das GemHtii
erwarmt, das g&nte Seelenleben in dem Spiele harmonischer
ThUlgkeM unterhalten^ wird, ist der schdnste Schatz des Geistes
filr das g^am&e Leben ^^). W\r bdren es ja, wie auch dann, wenn
eine zersidreade Krankheit durch das Leben hindnrchzieht and
alien geisti^ea Besitzthum zn entfiihren scheint, doch jener fruhe
Kindbeitsschatz, ja selbsi die sprier VOllig' verlerute Sprache der
frilhesien Jugend ^^) wieder erwachi, oder wenn das Alter komnt,
der Leib matt nnd die SInne stumpf werden , wie dann blsweilea
die mit dem bellsten Bewasstsein durchlebte Zeit verschwanden,
aber das in der Jugend Erlernte noch wdrtlich behalten ist, wie
man von einem Alterthumskenner des 17. Jahrh. ^^^) erzlihlt, dass
er am Ende seines Lebens von den vielen Kenntntssen seiner
reifen Jahre nichts mehr hatte and nur noch das 4te Buch der
Aeneide auswendii^ wusste, das er sehr friih g^lernt Haben
wir es also gehbng benutzt und wiirdig'en Stoff niit Nachdenkei
uns eingeprii^t, so haben wir, denke ich, am Ende unseres Lebens
noch etwas mehr and etwas Kdstlicheres nachbehalten.
Thun wir denn aber also? Lehren wir recht. viel filr das
Behalten und recht wenig furs Verg^ssen? Ich darf nicht weiter
fragen, so ernste JMahnung>en an jeden Lehrer hier auch lieg'en;
aber ich kann ja nicht KUger und Richter in- Einer Person sein.
Vielleicht bescbamen die Druiden und Chlnesen uns. Von jenen
18) Beim Jungliiige lierrsdit das VorsteiinngsveriiiOgeii vor, im rei-
feren Alter tritt ein Gieichgewicht desselben nnd des DenkvermOgens eIn,
im hOliereu Alter fluchtet sich der Geist in sein lieimisches freies Reich
des Gedanltens. P. W. Jessen , BeitrHge z, Eriiennniss des psych, Lebent
1 , p. 450 f.
19) 8chuhert*s Gesch. der SeeJe, p. 582.: ErzHfUung von der Harchese
Solari in VenedAg,
20) Daniel Hcinsins, s. Schubert, G, d. S. p. 589.
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JSdmlrdkii. 367
Irtkint Ihr Jihi^ereii aoserer SckilW in JnLCaeMrs Berichie vom
^11. Kr. (69 14.) lesen, wie sie im lang-en^ stig-ar 'iOjihrigem
Schylcursus eine g-rosse ZaM von Vergen aiisvrendig^ lernen, aber
nichts niedcrschreib^n dtirfen, damit nicht die Sorg'falt des Ler-
n^ns lind die Kraft des Ged&ehtsisses naclilasse; ron diesen heiMi
es ^*) , dass sie ibre Ju^eiid nach Auswendi^lernung' eines Sproeh*
bitcbs ganz . anf die Weisheit der Vorfahren Uiiweiseii, deren
Beriebte in den bistoriscben Nationalwerken niede rg'elegt, so Itiige
gelesen werden, bis sie (reu.und ^^nau Im Gedftchtnisse stehen.
Daher neben Leere und Dnmprbeit des Ceistes die Ebrfurcbt vor
dem Heiligen und die Acbtnng* vor dem Bestebenden^ nacb der
wir ans oftmals sehnen. Lassi iins die Febler meiden j das Gate
nacbabnien! Der V^rirrun^en g^ibt es bier g'enag', aber geg'en-
w&rtig' befinden wir uos so welt auf dejn einen Ende, 4ass 'wir
so leicbt zum andern nicbt gelan^en, -— Wenn nicbt die Extreme
sicb beriihren. Der Gang der Biidung' wird der ricbtig-e nnd
segensreicbe seln, der deni^ Wege der Natur und Lebensalter
folgt; yon dem sorgsamien , liebevollen Aufmerken ond Horeben
des Kindes, dem treuen, theilnebmenden Anffassen des Knaben
g'ebe es beim JiingHnge ^u inimer selbstthaiigerer Betrachtnng nnd
innerlicberer Erbennlniss liber, wie der ehrwurdige Bund der
Pjtbagor^er in seiner t&glicben Ordensregel ein scbdnes Abbild
dieses Ganges der menscblicben Lebens- und Geistesentwickelung'
binstellte '^) : In ihir r eines, weisses Gewand gekleidet sangen
sie zur Lyra und beteten zur aufgegangenen Sonne, jetzt wle-
derholten sie alles an dem letzten, ja selbst an den . vorherge-
benden Tagen Gelernie der Reibe nach und bereiteten sicb auf
das Nlicbstfolgende vor^ dann lustwandelte jeder, urn sein Ge^
mutb rein und sanft zu stimmen und fiir die ernste tiefere Be-
tracbtung vorzubereiten ; der Tag verging unter mannichfaltigen
g'eistigen und kdrperlicben Arbeiten und Uebungen, am Abend
freute man sicb der Gemeinscbaft und des geistigen Erwerbs und
scbloss den Tag mit einer frommen Selbstbetracbtung'.
Aueb wir baben im Leben der Schule einen Tag* bescblos-
sen, ein neues Scbuljabr ist zu Ende gegang'en und g'ewiss nicbt
obne unsere ernste Betracbtung*; und so sind denn bald drei Jabr-
21) Earth's Jugendblatter, 1839. II, p. 429 f.
22) Schwarz, Erziehunpslehre , I, 1, p. 316 f.
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aO& Schulreden.
hunderte im Strome der Zeiten Toriiber^erauscfct , seitdem hier,
Yoni Lichte der Reformation erhelU^ dieSehule zu wirkenbe^on-
Ben bat, zu deren jetzigen Arbeitern Gott nns bestellthat. Aldge
Er, der niit Ihr war 300 Jahre lang, aach mU una und nnserer
Arbeit sein, dass sie Frucbt sehaffe fibr die Seelen derer, die Kr
nns vertrant bat. Das wiinscben wir zun&ebst fflr den, der diess
Mai die Scbule mit der Universitat vertauscbt, dass er dort mit
trener,rastl6ser Arbeit anter dem Seg'en desHerrn sein angefan-
g'enes Werk bebarrlicb fortsetze zur Vorberettang* fiir seinen
grossen Dienst; das nicht . minder fiir Euch, Ibr lieben Zuriick-
bleibenden alle, dass wir, wenn wir nach unserem besten Wis^
sen und Verstebn unsere Saat in getroster Hoffnung bestellen,
die treue Znversicht hegen diirfen, dass Er, der gibt dem Acker
frfib nnd spEt den Regen, aach nnserem Werke gebe Seinen
Segen.
4) Ursprung and Charakter der deutsch-prote-
stantischen Gelehrtenschule* ')
Ein jubelndes Ilerz stimmt so gem -ein in den Ton der
allgemeinen Freude, es will nicht stamm bleiben, es greift in
die Saiten der festlicben Harfe, ob es nicht noch Einen Accord
finden konne, der noch nicht erklungen. Wohl konnte es sonst
scheinen, als sei der Sache ein Geniige gethan, nachdem schon
von mehrfachen Seiten die schdnen Beziehungen des Festes her-
Yorgehoben sind , aber die bewegte Seele findet dennoch so rei-
chen Stofferhebender Freude, mahnenden Ernstes, and die freund-
liche Theilnahme schenkt noch elne Weile ihr williges Ohr* Sie
dnd eingegangen, verehrte Anwesende, zu den Thttren dieses
Hauses, urn bier Zengen zu sein eines seltenen Festes in dem
stillen Leben der Schule. Unsere tagliche Arbeit ist das Schaffen
fiir die Zukunfty ist die Aussaat fiir die kommenden Geschlechter,
die vielleicbt unser leibliches Auge nicht mehr sehen wird. Heate
zieht es uns zoriick in die Vergangenhelt hinein, in jene schdne
Zelt,
1) Gehalten znr Feier der Stiftnn^ der Schieswiger Domschnle Tor
dreibmidert Jahren , am 9. November 1842.
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Schalreden. * 369
Zeii^ als der Herr darch seine ervr&hlten Ristienir^ wie mH
neiter Kraft an dem Weiterbaa seiner Kirelie za arbeiten und der
reinere und bellere Glanz seines EvangeHoms aach flber unser
hochgeseg'netes Vaterland seine leucbtenden Strablen za werfen
begann. Da ward es anch anders innerbalb jener g^waltigen,
Ehrfjircht gebietenden Maaern, die wir da drttben sehen, heller
nnd lebendiger; des Domes weite Wdlbungen wiederhallten von
der neuen Lebre; wie der g'anzen Landesldrcbe , wnrde anch
ibr ihre Ordnung vor^ezeichnet, and am ihr aach ansem Oris
einen festeren Boden zu berelten, in einem bescbeidenen Winkel
neben ibr, der Schole Leben nea g'epflanzt Dieselbig'e baben
die Zeiten mebr ans Licbt bervorg-ezogen and ibr einen ger&a-
migeren Platz an ifarer Seite angewiesen. Darnm, wie jeden
Morten ihre zum Gebet und znr Arbeit rafende Glocke snd-
warts ihre ersten Tone iiber die D&cher dieses Hanses hinballen
Uisst^ mOge sie ibr imniernah, immer eng^ verwandt bleiben;
wie auch Dein Name, thenre Domscbule, im Laufe der Zeiten
sicb wandeln mdge , die schdne Erinnerung Deiner Herknnft, die
lante JHabnnng an den Geist, der in Dir wobnen soil, xtA^t
nimmer von Dir weicben! Siebe, so knapfen wir das Jabr 1842
an das Jabr 1642 an , and dazwiscben liegt der weite Raum von
dreihondert Jabren , and mit ibm der reichste Stoff von Belebrnng
und Erbebang , Drobung^ und Mahnnng , Freade and Jabel. Heate
haben wir nur Ranm fiir die Freade, ihr leihen wir heate Herz
and Mand, ihr gern alien Itnssern Schmack, den wir nnr bitten;
aber der Scbnle Leben ist so still and prunklos, daram empfan-
gen wir Sie in diesen einfachen , nor mit dem letzten berbstlichen
Blatterscbmncke gezierten Raamen, begrttssen wir Sie mit den
Zengnissen treaen Ged jicbtnisses , mit lauten Bekenntnissen Crdh*
licher Hoffnnngen von nnseren Lippen.
Schreiten wir denn im Geiste znriick ia jene Zeit, wo die
Gelebrtenscbnle nach ibrem Wesen and Wirken geboren ward,
snchen wir den Keim auf in dankbarer Liebe, jetzt wo wir schon
onter dem Schatten seines Baames sitzen. Er war gelegt scbon
in dem Boden der deutschen Nation, als in ihr der Geist, der
schirfer ist denn kein zweischneidig Schwert, die Herzen ent**
znndete za dem mit dem Feuer des Maths wie mit der Kraft des
Arms zu scbirmenden Werke der Reformation. Aber nicht pldtz*
lich in YoUem Strome bricbt das reine Licbt bervor, der grosse
lAVkhMety gei, Schnftm* 24
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$70 SclHilredfii.
Srtiehi'r itt Weli^escblchte bfreltet im Verbor^enen, oft an
UAtfcheinbai^^t l^tte dder fm entte^enen Winkel, dasjenii^e laii^>
sam rot J was bald miC gewalti^em Zaaberscblage die Welt be>
wegfii 90lK da niossten Manner der rersehiedensten Richtang'
iti Werksen^en der neaen PlEne dicnen ; Italien masste In der
sorn^meii Liebe seiner g^rftssten Geister^) das ererbte Kleinod
classischer Lifteratur pflegen und bewabren , in der bezaabemden
Darstellang^ seiner KOnstler den beg^eisterten Sinn fiir die Kirdie
mit dem aartesten Sinn fUr Nadir und Aniline vernt^len helfen*
Da fcam.der Sturm und wehte diese Blfliben tber das empAn^-
liebe Fmchtfeld Europasi hln« Deutschland war bestimmt es zur
Reife auszutragen in seinem Scboosse, dem zarten jungen Leben
woHte es eine Mutter werden, dem die Heimatbsst&tte bereiten,
was in dem Lande seines Ursprungs keine Rube finden konnte.
Aber nocb fehlte ein Lebenselement ; von ^anz anderer Seite ber
musste, urn das Erzeu^niss des milden Sttdens an die radhe Loft
des Kordens zu g'ewdlmen , der in das Leben einfttbrende Geist
roUger Besonnenheit und schdpferlscher Gedntd kommen, deren
Herz die Liebe ist. Aber dieste ward nichtj wie die Be^eisterong^ mit
fluremEifer und ibrem Zorne, geboren in lacbender, reicher Natur
uBter einem dafti^en Himmel^ nicbt in der Einsamkeit eines roman-
tisehen Tbales , sondem in der Ermsten , wenig* bewobnten Ge^end
itr Kiederland^ '), deren Bildon^ eine deutsehe war. Da scUos-
2) Vor Alien ist dabei an Dante and Peirarca, diese naerschdpflielieB
Fundgruben mittelalterliclier Weltanschaann^ , gedaclit. Das ganze italisclie
Leben Jener Zeit ist iiOchst lebendig dargesteilt in £. v. Raumers GescMchti
der Padagogih, I , S. 7 if.
3) Ans der Solinle tod C^erhard Oroote zn Deyenter, and ana der
Stiftnng des ThomaM Hemmerlm (a Kempis) anf dem Berge St. Agnes bei
Zwoil , die geistig einander nah verwandt waren , gingen die SechsmHmner
aas Friesland and Westplialea herTor: Rndolph Agricola, Alexander Hegins,
Lndwig Dringenberg, Antonius Liber, Graf Moritz Ton Spiegeiberg, Rndolpli
ton Lange; sie liOrteli !n Italian die Schoier des Emanuel Ghrysoloras
and Petrarca and braehten die Kenntnlss der classisehen Sprachen yon da
aaeh Deatsehlaad. Daran scblossen sich Btoimw ton Rotterdam and Keuck^
Urn nebst Andern an. Wir haben eine masterhafte Darstellnng dieser Be-
strebongen in Ullmanns Reformaioren vor dtr Reformation, B. 2. Hamb.
1842. Vgl. auch Fr, Cramer*M Geschichte der Erziehung und des Unter-
riehii in den Niederlanden. Strals. 1843. S. 260 ff. ; eine popul&re in E.
BMkrtn0*M LebeneMdim aue der Oeecl^chte der imnem MUMon I. Ebend.
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Sdhatredeir. 37 1
sen MlUiner rd\\ hefligren Eff^rs fllr etne lehrende Wirksamfceit
einen scbOnan Vereln, mit der Welhe ehies sir^n^en, Achtong*
^eb!etend«n Lebens, das Sieg^el eineg treaen Freandschaftsban^
des aiif d{6 Stirn g'edrOckt, wanderten aie mit ihrem Pilg>erstab«
in die Lender Deutscblands , am aaf den yerschledensten Bahnea
geleilger Arbeit in Wort nnd Schrift, in Lehre und Erziehnng*
den Weg* mit bereiten zn belfen dem neaen Sterne an dem Him^
mel des kircblichen Lebens. Die Zelt war g^ereift: da rief ier^
der die Menschen bei Namen nennet, ebe denn sie geboren wer-
den, geinen Streiter in dte Kampfesreihen, and za seiner Selte
den treuen Waffen^efdbrten , dass sie, Einer den Andem erg^ft-
isend in der ^rossen Lebensarbeit, ihr Werk rollfahrten. Ich
babe ftfr Heute fiir Luther keinen neuen Kranz in seine nnver-
wdkliebe Ehrenkrone za flecbten; kaam ist der dritte Morgen
angebrochen, seitdem wir, and diess Mai nacb dreihnndert Jab*
ren mit grdsserer Innlgkeit , g^emeinschaftllcb an beiiiger St&tte
den Dank geopfert baben , der dem Herm fttr Ihn gebtthri. Hler
haben wir dessen besonders za g^edenken, wie er darch Wort
and Tbat aaf die Errkbtang cbristlicber Scbnleii , gelehrter Bil-
dangsstlitten, bingewirkt; wie er hxi die Rathsberren alter St&dte
dentseben Landes sein kniftig Wort darttber gerichtet bat mit
seinen sebOnen Bekenntpissen: 80 Ueh nun als uns das Evan-
geUum Ut, 80 hart toast uns ilber den Sprachen hdlten. Aber
neben ihni denken wir auch an jenen milden ,, Lehrer Deutsche
lands ^^^ der darcb sein von Taiftenden auf einmal gebOrtes mttnd-"
licbes, dereb sein noch wetter reicbendes schriftliches Wort den
Segen seines Verdienstes nicbt mit den Grenzen dentscher Lande
bescbloss , den das ehrende Vertrauen grosser St&dte in ibre Mitte
rief, dass er ibnen ibre Schulen ordneie and Lebrer sendete nacb
seiner Wahl. Das neue Licht ergriff die Geister. Begrilndet war
damit der Baa der eigentbamlicb Deutschen^ der wesentlich pro-
testantiachen Gelebrtenschale; das Princip des Frotestantismus
f eriangte diese Helferin and zeicbnete ibr diesen Weg ihrer Bnt^
wickelang, dieses Grnndekment ibres ganzen Bestebeits vor;
1849. Aucli ist diese ganze Entwickeinng sehr gut geschildert in Schwnrz,
&e$cMchie der Erziehung, Tli. 2.; in neuestcr Zeit bat sie zngleich eine
reitbe Bebandlnng in Monograpliieea gefonden ; ein Aafsatz iber Etasnmt
stelit u. a. in Mtaumer*s hist. Taschenhuch auf 1843.
24*
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872 Schulreden.
fortan thefHe sie ihre Gefahren nnd Bedr&ngnlssej hob sich, si^rkte
imd crweiterte sich mit ibr, je lebendi^r, freler aad umrassen-
der die evan^eliscbe Kircbe Ibr Leben enffaltete, um so weitere
fmcbtbarere Babnen koniiie aucb die Sehule geben; wie sie die ftrcie,
Imnier neu sicb verjClii^ende Wissenschaft in sicb aufg'enomineii, die
durcb Wandel nnd Verirrunff Mndureb zur Reife ^ediebene Friichte
derselben ibrem Lebensbaome angeeig-net bat: so bat aiich die
Gelebrtenscbule an der Wissenscbaft ibre nie rerslegende Nab-
rungsqoelle gefundeih, and rubt unverrUckbar anf diesen grossen
Gmndpfellern, nur zu eigener Innerer Selbstentwickelonff ibres
dadurcb fest begrflndeten Lebens ang^ewiesen. Lange Zeit bin-
durcb gingen, wIe die Lekrer ausscbliessliob oder rorzugswelse
au8 der Kircbe bervor, so die Schiller dieser gelebrten BII-
Jnngsanstalten wieder in den Dienst der Kircbe nnd der Scbule
iiber; tind dasjenige dentscbe Land^), das dieses Verb<niss
nocb am g-etreuesien bis in nnsere Zeit bewabrt bat, itikgi In
seiner Kircbe and Wissenscbaft fiirwabr nocb immer keine Spuren
nacbibeilig-en Einflusses dayon. Aber es wucbs docb aucb mit
dem Umt'ange and der Tiefe der WIssenscbaften der besondere
Wirkungskreis der Scbale, es wacbs mit dem Emste and der
Innlgkeit des kircblicben Lebens diie gewissenbafte Sorge fttr der
Kircbe fortscbreitendes Gedeibeo, ibr Leben in den einzetnen See*
len; da vollzog jede der beiden Berafsarten fiir sicb ibr nanmebr
znr Lebensaafgabe gewordenes Gescb&ft; man trennte sicb^ am
sicb scbdner and fr6blicber am Ziele wieder zu begegnen. Der
eine Geist ist geblieben; immer bdber bebt sicb ^er Baa der
unsicbtbaren Kircbe, immer rascber regen sicb die H&nde znm Aaf-
baa, die Grandfesten, gelegt auf dem bier bezeicbneten Fanda-
mente, sind dieselben geblieben — vergdnnt, ibr Baaleate, aacb
der Scbale ibren alten Antbeii daran !
Aber bat sie diesen Geist denn aucb trea bewabri, selbst
In der scbweren Zeit, die so gewaltig an dem Ban der Kircbe
rttttelte? Sie bestand wobl besser nocb In denZeiten desKam-
pfes, als wann das Land stllle war ylerzlg oder acbtzig Jabre
bindurcb; dann ermattete die Spannkraft and der friscbe Moth
4) Wnrtemberg ; ansgefnhrt yon Bdumlein in s. Schrift: Ansichien uber
getehrtes Schu1we$en , mit besonderer Ruchsichf auf WUrtemherg, Hetibronn
1841.
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Schalr^dcii. 373
g^ebrach. Wohl img gl&nsende Frttchte jene Neageburt gelailgtn
Lebend; es war eln , Friihlin^s wehen , wo neves Blut die Adern
durcbstrdmt, die Eeime und Knospen scfawellen, die Zeit war
scbdpferiseh an darchgreifendcn, Qberragenden Geistem ; an ibnen ^)
wird es erboben, wie sie durcb ihre ganze Persdnlicbkeit Leben
und Geist der Sebnie fesselien, wie sie, ^leichsam KOnig'e unter
ihrer Schaar von vielen Hunderten von Schlilern, ailein darcb
eigene Kraft die freie Gjmnastik ibrer Anstalten bervorrierea
nnd beherrscbten. Ibre Lebrart war g^esprichsweise mebr Erzle-
bung als Unterricbt, ihre Scbule war ihre Welt und. ibr
Leben; wie besonders wobltbuend in einer Zeit, die eine reicbe
gaat yon Lehrem wieder geben sollte 1 Freundlicbe Bilder edier
Persdnlicbkeit , schwebet aucb uns Sp&tgeborenen leucbtend ror
der Seele ! Wenden wir nun aber um das frenndliche Bild dieser
kurz bitihenden Zeit: der rerbeerende Krfe^, der in alien deut-
scben Gauen Zwietracbt in die Heneen, Bint in die Aecker sHete,
bietet dir die Kebrseite schon dar. Freilicb blieb die n&chste
ftusserlicbe Beziehung znr Kircbe, die Lebreinrichtung war ror-
lugsweise anf Tbeologen noch berecbnet, aber der Geist der
Zeit war nicht festgebalten und die fortscbreitende Bntwickelung
nicbt begriffen ; an einer bedentenden Schdpfung Melancbthons ^3
feblten im 17ten Jabrbnndert Matbematik nnd Gescbiebte noch
^anz, das Hebr&ische, dessen Lob so scbdn in Lutbers Munde ^)
5) Besonders za nennen Joh, Sturm und Valentin FHedland, genannt
Trotzendorf; ersterer starb als ein ehrwurdiger blinder Greis yon 82 Jah-
ren in edler, selbstgew&lilter Armath, letzterer yerschied in seiner Schnle
zn Liegnitz , als er eben den Anfang des 23ten Psalms : Der Herr ist mein
Hirte , mir wird nichts mangeln , erkl&ren woUte , mit den Worten : at ego
ayoeor in alias regiones.
6) So erz&hlt nns der Rector Roth in Nurnberg in einer kleinen Sohrift:
Zur Geschichte des Nwmhergiscken gelehrten Schulwesens im 16. und 17.
Jahrh, Nurnb. 1839.
7) ^yDie EbrHische Sprache ist die allerbeste nnd reichste im Worte,
and rein , bettelt nicht^ hat ihre eigene Farbe. *^ Anderes in Luther's Schrift
an die Rathsherrn aller St&dte n. s. w. Daselbst ist anch zn lesen, wie
er yon den Sprachen im Ganzen halt: „DieSprachen sind die Scheide, darin
das Messer des Gelstes steckt. Sie sind der Schrein , darin man dies Klei-
nod tr>. Sie sind das Gef&s, darin man diesen Trank fast. Sie sind die Kom-
mot, darin diese Speise liegt. Und wie das Eyangelinm selbst zeigt , sie sind
die KOrbe, darin man diese Brode undFische nndBrocken beh<. Ja wo wirs
yersehen, dast wir Cda Gott yor sei,) die Sprachen fahren lasscn , werden wir
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S74 Schalredeo*
•dion erttete, kam jetst erst Unsa, He StoadeiixaM war ^e-
schrftnkt, mehr Tbeorie ab friscfae Lesan^ der Alteii) die nan
der SelbQtth&tigkeit ttberliess, riel Ged&chtalsswerk, wo das UrUieil
%n bilden war, mehr Erwecken tUchtiger Kdpfe, VenacMftssi^iiiill^
der mittebnoMsigen d. U der Mehrzahl. Die unscli^zliareii Miitel
gemeinsamer Erziehoag durch die ao die g^rossea Feste des Kir-
dieajahrs oder die Zeiten der Natur sieh anlehaenden Schalfeste
warden durch Erstickaag ihres arsprOni^lichen Innerea Sinaes, dareh
A^zAge uad Mainmereien in den Strassen entstellt and geniss-*
kraacht; Je welter das grosse Gebiet der Wk3enschaften sich
difnete, desto mehr verschwand ^er dem Einprftgea des Elaiel-
■en, Zasammenhaaipilosen zam Theil anfruchUiarer DiscipltaeB,
iber dem Moss mechaatschen Erlemen der alien Sprachen alle
wahre Eraiehnng: das Material erdrilckte, die wahrhafte Methede
entwich. Je tiefer aber der Yerfall, desto a^er die Holfe.
Ein Wander jedoch erregte es in aller Welt, als Verbesserer
der Methode hervortraten; aas kleinem Saamen erwachs nun eia
grosser Segen. Diese Manner mussten^) nnstfit nmherwandera
durch viele L&nder Eluropas, daniit sie, nicht verdampfend la
tr&ger Gewohnheit, aller Orten wecken und anregen, und durch
die gleichzeitiff von Andern erstrebte iibersichtliche BehandluniT
des weiten Gebiets der Wissenschaften Einheit und Zusammen-
bang in die so ungreordnete Masse bringen sollten. Wohl wirkte
das bei Hohen und Niederen; aber das Saaikorn liegt ja eine
Weile in der Erde, ehe es aufkeimt: triibe Zeit verging nodi,
ehe die Fnicht sich zeigte, in schroffe Geg^ensfttze gespalten.
Kr&ftige Stinimen ^) nahmen das tiefere Leben der Seele in An-
niclit aliein das fivangeliam yerlieren, sondern wird anch endlich dahin gera-
then, das8 wlr wedcr lateinisch noch deatsch recht reden oder schreiben
kdnnen'' u. s. w.
8) Diess waren namentiich Wolfgang Ratich ans Wilster, Christapk
Melwig und Amos Comenitts, letzterer, besonders verfoigt mid nmherge.
trieben, mnsste anch zweimai seinen ganzen Reichthum, alle seine Backer
und Manuscripte, zum Theil das Ergebniss zelinjahrigen Fieisses, vor
seinen Augen In Flammen aufgehen sehen und starb uach einem unead-
lich bewegten Leben im 80sten Jahre zu Amsterdam 1671.
9) Spener and FrmeJceu der Stifter des Hallisdien Waisenhauses ; mil
der zweiten Glasse sind die deutschen EncyhlopUdUten and Philanihropi-
nisten, endlich mit der dritten Reihe die nene Epoobe der Altertbanuwls-
senschaft seit Oeiner und He^ne gemeint.
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Schulredeii. 378
apruch, nlcht Geilkchinl^a uad VersUnd woIHen ^ uibren mit
l^eringftigigem Stoffe, sondern dem GemQibe einpflaB^i die tiefe
Warzel cbrisUiclier Gesinnniig', und zvrar aU e|ne goiche, dto
sick in frommer Weise hand^lod wieder kiind grebe ^ beror dM
Leben dasu treibe* W&hrei|d sie also das weiche Leben der
Seele in seiner ganzen Empf&nglicbkeit boben und n^hrten , war-
den die starken Seiten derselben g^escbwlicbt, Ibren aarten Fltt-
gehk die Scbwong^kraft ^eraubt. Da verlang^n Aadere ein noi-
fan^reicbes Wisseo, gr^wablt nacb der Lanne des Lebrers; bilUreich
arlietteten ibnen nocb Andere in vermeintlicb menscbenfreundlicbejn,
in Wabrbeit egoistiscbem Streben entgegen and priesen die Aaa-
wabl nacb der Natzlicbbeit and den Bedtirfnissen des Lebensy
bis man ^^) , darch alle Classen an Geo^raphie and alte Gescbidite
mdit denkend , in der zwelten^ so^ar l)i&tetik und Materia medica
ndt den r<>niiscben Altertbttmern abweebseln Hess. Daran scUom
sicb be! dem gemelnsamen Mittelpuncte boMer Oberflicblicbkeit
die seichte Aufkl^ung'ssucbt: in den Relig^ionsstunden ward so
hmge fiber die franzdsiscbe Reroluiion raisonnirt, bis aucbdif
Zeit ftir das Lateiniscbe rerstricben war.
Da ordnete eino driUe Reihe wieder dem AltertbuQi, dev
dassiscben Spracben, den Vorsitz an; Pbilolog^ie wurde ernster
g-epfleg^t und slnnvoller g^ebandhabt , ibre reiferen Friicbte zogen,
wenn aucb langsam, in der Scbule ein, aber bald erwarb sieb
eine abwecbselnd mebr der Form oder dem Inhalte zugewandie
Bicbtong den bestrittenen Vorrang** Das r^ah und das formate
Princip bek&nipfen sich nocb immer; beide vermittelnd sncbt ein
lange mit Unrecbt verkanntes historisches Princip sie in sIcb zu
yereinen and auf den ganzen Gelst des Alterthums binzuarbeiten,
sie will in des Zdglinges Bewusstsein die grosse Gestaltong der
Welt undMenscbbdt, wie sie bis dahin geworden, wiedererzea-
gen and wird, wenn sie auf dem rechten Wege ist, ohne ron
ibrem alten Grunde, der Kraft des Erangeliums und der BlOtbe
der alten Spracben, aucb nur eine Handbrelt zu weicben, nocb
einer reicben inneren Entwickelung f&big seln.
10) Wie ein 1841 yerstorbener deutscher Schitlmann , Director 8piUds$
am Friedr. -Willi. -Gymnasiam in Berlin, ans s. Jugend erz&htt; s. L^en
deM, yon Wiese, Berlin 1842.
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376 Schulreden.
Da stehen denH iror ans die dret g^rossen Jahrhunderte,
g'ezeichnet hier in den dttrftig'sten Umrissen, aber lehrend nnd
mahnend g'enug' , um ihnen nachdenkende Blicke ziiza wenden. Aach
an Dir, theure Domsclinle, sind me nicht unempfunden vorliber-
gezogen, aber bei allem Wechsel ihrer mSchUgen WJrkung-cn
bist Du bestanden niit deni gereiteten Pfunde Deines schdnsien
Besitzthums. Auf dleseni nralten, ewig* jung^en 6runde, woUen
aucb wir frOhlicb fortiiauen, theure Genessen, nnser kiTstlickes
Tag-ewerk, getragen nnd gcnUhrt darch das grouse, iinmer ref-
cber aufgehende Werk deutscher Erziehungskunst. — Aber wie
emst nnd Igewaltig wird dock die Seele bewegt von dleser
iBhaltschweren Yergangenbelt , ron der Sorge um die zukttnftfg*e
Arbeit, wobl werden ihre Sehnen ni&cbtig' gespannt, Ihre FIdg'el
geboben, aber ihre Stimme wird inimer leiser, imnier stummer,
sie ergiesst sich in ein einfaches, stilles debet.
Doch nicht meine Seele allein; da sitzen die Genossen des-
selben Berufs , sie alle haben heute dieselbe inneriiehe Beweg'ung'
des^Herzens, dieselben heissen Wilnsche fOr den gemeinsamen
Geg'enstand unserer Liebe; und wie solltest Du, g'eliebte Jug'end,
heute nicht warm werden ^u feurigen Entschliissen, zu treuera
Geloben, nicht einstimmen in das Flehen, das wir auf dem
Herzen tragen fttr die gemeinsame Matter Eurer Bildung. Doch
auch wir nicht allein, wir sind ja alle Tage beisammen; zu uns
drangt sich die g^anzeSchaar dleser Festfeiernden, die ihre TheH-
nahme so g^eme bekennen. MIt uns bier eing-etreten sind der
Kirche Bischof und die Hirten der Gemeinden, um ^Qr das der
Kirche so en^ verbnndene Werk der Schule Preis und Dank zu
opfern dem g^rossen Erzhirten und Bischof; mit uns die hochver-
^hrten Manner, deren umfassendes Amt auch die Sorge fOr diese
Schule wie fttr alle Schwesteranstalten Im Lande hegt, die aber
mIt dem g^anzen Eifer ihrer Liebe dieselbe pflegen und die Fttr--
sbrge fttr sie auch kttnfU^ nicht aus ihrent Herzen werden welchen
lassen ; eing'etreten mit uns eine kleine Schaar von den Vielen,
die In den Rliumen dieser Schule die Saat der Bildun^ in Gelst
and Sinn gesenkt und nun die Opfer des Danks und der Liebe
auf Ihren Altar niederlegen; mit uns die Y&ter dieser Ju^end,
die Bewohner dieser Stadt, die in einer gelefarten Bildungsanstalt
eine Zierde ihres Orts, einen Se^en der Jng^end erkennen. Sie
alle trag'eu Huf Herzen und Lippen nur Ein Gebet:
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Schulreden. 377
Der Da mtt mUchtl^em Anne diese Sdiale g^eschilts&et and
^eschirmt bast dreihandert Jahre lang* and in ihr aach zubereitet
ein Ackerfeld Delnes ewl^en Wortes, and hast von ihr aasg-ehen
lassen so yiel treae, tttchti^e Arbeiter |ni Dienste dos Vaterlan-
des, ninim ansern Dank fttr so viel Gnade. Aber bilf aach fer-
ner, Du treaer Gott, dass sie fortfahre in ^esegneter Arbeit,
dass sie die Jagend hinleite za den wabren Qaellen des rechten
Lebens and sie wQrdig and geschickt mache za Deinem Dienst
and Werk in aller Arbeit, der cbristlicben Kirche and des christ-
Hchen Staats. Neige za ihr die Herzen Deiner Gesalbten, der
Fiirsten dieses Landes, wende za ihr das Yertraaen der Vilter,
lasse fdr sie entbrennen die Seelen der Jug-end; lass sie in der
Kraft and der Liebe ibrer Lehrer, ,deren Stab and StQtzc Da
bist, ibre grosse Aafgabe, forttragen mathig and glQcklich im
Wechsel der Zeiten yon Geschlechte . za Geschlecht ; and damit
sie das Alles aach ihrerseits frischer and frdhlicher kdnne: segno
den Fiirsten, segne das Yaterland!
5) Zur Slicalar-Geburtsfeier J.H. Pestalozzi's. >)
Was ist es denn eigentlich, geiiebte Versammiung , das
am heatigen Tage die Gemlltber von Tausenden im weiten Ge-
biete deatscher Zunge and Uber dieselbe binaas bewegt? Dass
sett einem Jahre schon fur diesen Tag grosse and kieine Ver-
anstaltuDgen getroffen sind, als gelte es aller Orten die Stelne
zusammenzatragen zu einem Rleaenbau ? — Ist's vielleicbt wieder
der alte Fehler deatscher Natur, das Geniale ^a bewundem and
der im Strome der Zeit auftauchenden geistigen Kraft also zu
hnldlgen^ als trilgen nicht die kommenden Wellen bald neue Ge-
stalten herbei , iiberdenen, was wir heute ehren and lleben, schnell
in Vergessenheit gerathen wird ? — Wir scheuen uns nicht,
Antwort za geben auf solcherlei Fragen. Esistwahr, wirhabeo
heute kein politisch grosses Ereigniss, keinen folgenreichen Tag
far die Weltgeschichte and die innere Verkettong ibrer Geschlcke
1) in einer Versammlung zur Feier seines Atidenkens anf dem BIschofs-
hofe in Schleswig gehalten am 12. Jan. 1846.
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378 Schalreiei.
M begehea, keia vor der Welt ^UaMsdes o4er aaf ier Udhe
irilsclien Gllld» sfch somieiidefl Leben za feieni; es Isi vielaielir
eine eiabcli siOle GrOsse, em iinsclieiiibares Leben , aber toU
tiefer Bedeaiaag viid nachbalU^er WirkuB^, den wir aas freien
EBtocUnsse huldi^en* An der Wiege des Mannes, der beiite
vor bondert Jabren geboren ward, waren die S&ulea irdlacher
Macbt ond Glflckseligrbeii nicbt auf^epilanzi; die Vaterband ward
OiBi frflb enizogen und ibn blieb nicbU, vm Iba ron menscblicber
Seite einzofibreD in die WeH, als eine Irene, liebe voile MoUer
nnd eine fromme, sdilicbie Ma^d. Sein Leben ist kein Lebeo
josser Erfolge «d ^linzender Reooltaie gewesfen, Lkein Bild
beba^licben Geinsseo nocb beqnemer Rabe In Wolilstand ond
Bor^enloai^keit, er bat vielmehr den l^g'sten Tbeil seines Lebeno
In drflckender Armuib zug'ebracbt, er bat die BItterkelten nensch-
Hcben Zwiespalts und finsterer Leidenscbaft bis auf die letztea
Hefen g'ekostet nnd in seiner von Liebe rein nnd g^anz erfiillten
Brnst eine Welt der schreiendsten Geg'ons&tze, der beweg^sten
Stimmnng^en nnd widerstreitendsten CrefQhle getrag'en. Irdiscben
Lobn bat er nicbt begebrt nnd nicbt empfang^en, Anerkennon^
im Leben ist ihm g>eworden, mehr vielleicht als er bedurfte oder
veilangte: von der Newa bis zum Tajostrande bat man seinen
Namen mit Acbtnng' g^enannt^ und Schulen nacb seinem Vorgpanf^
be^ndet; aber nacb dem Rubme dieser Welt bat er nicbt ge-
geizt, den Eichenkranz, den Schulkinder einst dem Greise wid-
meten, nabm er nicbt an, well er der Unscbuld g'ebiftbre. Und
was wir von unseres Lebens Gfltern Immer gem zuerst za nen-
nen pfleg^en, die Erben unseres Namens und unserer Liebe: er
batte nur ein einzig* Kind, einen in des Lebens Blfltbe in das
Grab ^esunkenen Sobn, und von diesem einen Enkel, in dessen
Hans zuletzt der jebensmttde Greis wandern konnte. Und wie
er unbemerkt ins Leben ^ekoromen war, so ging* er wieder ans
demselben; an einem Wintermorg^en unter sp&rlicbeni Geleite —
man wasste seinen Tod nocb in den n&cbsten Stjidten nicbt —
bei bobem Scbnee wurde seine Leicbe von Scbullehrern nnd Dorf-
kindem mit kunstlosem Gesange undTbrlbien dankbarer Liebe
in das Grab gesenkt.
Ein Leben so arm nacb aussen , so voll ,Mttbe nnd Ringens
feiert man bente in alien Gauen des dentscbenLandes, in seinem
Vaterlande, der Scbweiz, und in viekn anderen Lftndem mit einer
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SdiQlredem 379
BegeMetnng und Liebe, He beredtes Zai^rist glht ron der
Grdsse and Bedeatong seines Wirkens; man segnet die Stande
seiner Geburt and ist beniQht, die Frttchte seines Lebens nnrer-
IdscUich ancb im Andenfcen der kommenden Geschlechier zn erbal^
ten. Er bat eine grosMe Liebe dorch sein langpes Leben bindnrcb
g'etrag'en, er bat unermUdet g^strebt far die arme leidende Mensch-
beit) er wollte so gttn das Ideal yon Menschenbildnng , das ror
seiner Seele scbwebte, in das Hers und Leben Alter bineinge*
genkt seben; den Wegen der Erziebung' und den Mitteln des
Unterricbts ging* er vnabl&ssi^, nimmer rastend nacb nnd wordo
so der Scbdpfer nener Elemente im Erziebungswesen , so dass,
wenn diesem auf dem Boden deutscben Lebens mit Recbt die
grosse Anerlcennnng' g^bttbrt, die ibm in den weitesten Kreisen
selbst des Auslandes zu Tbeil wird, ein nicbt geringer Anibeil
daran diesem Manne zuznscbreiben ist; und ob aucb seine Kraft
weit znrflckblieb binter dem , was seine Liebe woilte , ob er aucb
huttdertfacb eriegen ist imKampfe, gefeblt bat in d^r Arbeit und
peirrt in seiner Ansicbt: icb wiederhole, was ein geist-* and
glaubensToller Kenner seines Lebens auf ibn angewendet bat:
Ihm ist viel vergeben^ denn er hat viel geliebi,
Bs gibt Geister, die berufen stnd, kommenden Jabrbunder-
ten wie im engen Spiegel ibre grosse nmfassende Aufg^be ror-
aubalten; es gibt propbetisebe Cbaraktere und Natoren, die, eines
ganzen Zeitalters Arbeit und Ziel in sicb tragend , ob sie es
gieicb setbst zu erfQllen und auszufobren mit aller einem Men-
sdien gegebenen Kraft nicbt im Stande sind, nur um so mebr
in dem 9 was sie unerfikllt lassen mftssen, binweisen auf das, was
Notb tbut, and dem keiner seinen Schweiss und seine Mnbe
fortan entzieben darf. Es sind yplle, frlscbe, krilftige Natnren,
denen es ein Bedttrfniss ist zu scbaffcn und zu wirken, ob slo
aucb im Ungestim ihres Willensdranges oft das eigene Werk
wieder zerstoren. So war aucb Pestaloxzi mit scbdnen Gaben
and Kr&ften von Gott bingestellt in den Wendeponct gewattiger,
umscbwangSYoller Zeiten^ sein Leben, das die l&ngste Dauer
onspannte , die als allgemeines Maass nacb Scbriftwort dem Men-
scken gegdont ist, fiel In eine so inbaltsscbwere Zeit wie keine
andere; and wiederam innerbalb desselben wie nngebeuer rer-
acUeden war das erste Drittheil seines Lelnms, seine Jugend,
von dem zweiten, seinem Mannesalter, and wieder dem dritten,
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380 SchuhredeiL
idem Abend Beines l^ebeDs! Kdnnen noch andere MeMckefl, tdm
die jene dcei MendcheBalter yoll. der erschiittenidsteii Beweg^on-
gen durchlebt haben, sick rfibmen eine reichere — ieh sag'e nibht :
eiDe glikcklicbere — Zeii durchmessen zu baben ? Und wer haUe
sie tiefer, innerlicber, bewe^er darchlebt als Pestalozzil Der
Freibeit Ruf batte die Menschen ergriflTeii, and sUrker denn je,
die Macbt seiner urspriing'lichen Besttnimung' batte sicb g-eltend
gemacbt und wer will es deni arinen Sterblicben yerarg^n, dass
er sicb nacb seiner Freibeit sebnt, wenn's nur dw rechte Freiheit
istl — Freibeit, Menscbenrecbt nnd Menscbenwttrde waren die
einzige, immer wiederkebrende Losung; in dem verworrenen Ge-
scbrei musste das rechte Verst&ndniss wobl verloren geben und
mancber warde nun erst wabrbaft unfrei. Da setzte er seia
Leben dran, den Weg zu finden, auf dem die etnzelne Seete
erzogen werden muss, urn frei zu werden. Dass das das Ziel
ist, darf niemand lengnen, wenn aucb die deutlicbe Erkenntniss
dieses Zieles ganzen Gescblecbtern sicb yerbtlllen kann. Er hat
die Babn geebnet: das war das grosse Werk, das.Gott Uin
anfgetragen; er bat in seinem Gebiete gesprochen, was einst
sein beldenmiltbiger Landsmann zum Scbntz der ^ussern Freiheit
seines yon Knechtscbaft bedrobten Vaterlandes rief: Ich will
Eocb eine Gasse babnen, sorgt filr die Meinigen; und auch Pe-
Mtalozsd bat Alles dran gesetzt und aufgeepfert, bat seines Lebeaa
Rube, sein irdiscb Gut, ja seinen Frieden bingegeben, urn di^ra
Eine Ziel zu erreicben. Ein grosser Fortscbritt war^gewonnen,
ein scbwerer Steln> binweggew^lzt, der den Zugang zum inner-
sten Heiligtbume der Erziebung yerschlossen bielt. Aber wer
im Vorbofe wandelt, 1st darum nocb nicbt im Tempel selbst. Ehe
das Reicb Gottes kommen kann und Wobnung macben in jeder
Menscbenbrust, muss aucb sein menschlicb Tbeil yon Gaben and
Kr&ften ausgerilsiet, e^ m^ss das Haus gereinigt und gescbmiickt,
die Tbore mttssen weit und die Tbilren hocb werden, auf dass
einzieben kann der K6nig der Ehren.
Einst in jenen alten Tagen, zu denen Sinn and Betradi-
tung so gern zuriickkebrt, wurde der Menscb erzogen fllr den
Dienst des SUats, des Krlegs, der Ebre seines Vaterlandes;
nur im Ganzen batte der Einzelne sein Recbt und seine Wilr4e;
seine persdnllcbe Freibeit, sein Leben und Geniessen stand anter
dem Zwecke der Qe^ammtheUi er batte keinen frelen, wahrei
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Sehulreden. 3S1
nnd h^heren Zweck fQr sich. Der Mensch darchbrleht die Schran-
kcB solcher Kette, macht sich dann aber, statt sicB als eiil died
in der g'anzen Reihe zutdhlen, nur zu leicht zuni Mlttelpmicte^
derselben und die Bewegnng* der Welt wird so ein irres Schwan-
keii zwischen Sclaverei und Eg>oisnius, Selbstsucht and Unter-
drilckang-. £s kamen andere Zeiten, yon einem andern, neuen
Geist beberrscht; aber auch andere Hemniung'en nnd Gefahren; all-
gemeifie Ideen duri^hdrangen niit schwSrmerlscher Beg'eisteron^
die Welt, der Einzelne bracbte grosse Opfer fttr dieselben, ohne
sfe ganz and richtig* zu erfassen und seine Freiheit und Selbst^
st&ndi^keit darin zu bewabren, und zuni zwelten Male schien so
seinRecht und seine Geltung' in Fra^e ^estellt zu sein. Und
immer scbroffer gin^en die Gegensatze atis einander: da trennte
skh das Morg'enland voni Abendlande, die Kirche, welcbe nur
auf Scbrift und Glauben baat, von der, die aucb die Werke and
die Ueberlieferun^ will, die Fiirstenmacht scbied sich yon Bllr-
^rfreibeit, der Staat sich yon der Kirche, die Wissenschaft
vom Leben; wir ahnen wohl, zu welchem Zwecke der Allweise
so es ordnete, ja wir wissen es: damit jede dieser getrennten
Richtungen nur uui so kraftig'er sich ausbilden sollte, um einst in
einem hdhern Ganzcn sich einig>en zu kdnnen. Doch so lang'e
der heisse Kampf bestebt, da frag't die einzelne, so arm und
uubedeutend scheinende, und doch so hochbeg>nadigte Menscben-
seele nach ihrem Recht und ihrem Werth, und je g>ewaltiger
aucb die tobenden Wellen ^ber ihr zusammenschlagen , es muss
um so mehr in der Zeiten Fttlle die Erkenntniss reifen, dass nur
dann das ZieF erreicht ist, wenn das Garnse klar und wahr sich
in jeder Mendchenseele spiegelt und in treuem Lebensabdruck
wiederbolt, und so auch zwischen diesen Gegens^tzen yoUe E{n-
tracht berrscht.
Und solcbe Zeit gewaltig streitender Gegensatze war es,
in welche Pentalozzfs Lehen fiel; dahin war es gekommen, dass
der Mensch sein unzerstdrbares und bdchstes Gut, das Erbtheil
seines Retters , seinen ewlgen Beruf zu yerlieren in Gefahr kam,
dass das Band zu zerrelsen und die Gemeinsehaft sich ydllig
aufzulockern drohte, in welcbe Menschen, VOlker, Zeiten und
Gewalten mit einander treten. Er batte zwar in seiner Jugend
scbon gehorcht auf die neuen Lehren, die sein Landsmann, der
Bftrg^ Genfs, yerkiindigle; der Mann, der jenseits des Rheins
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383 Schulreden.
eiiie der Fahnen pflanzte, anter denen eine der entsetzliclistefi
Umw&Izungen yor s!ch g'ing*, die die Geschichtekennt; der, wenn
er die Menschen, um ilinen GlQck find Rube zu verschaffen , za
der obersten Stdfe der Uncultur, zu deiii Dalfirlichen ond roben
Menschen zurtickffthreo wolite, daniit nnr in Wort nnd Schrift
dasselbe lehrte, was die Revolution thatsftchlich vollendete and
erfallte, batte aucb Pestahzzi begeistert nnd im rollen Strone
fortg-erissen. Und doch bei aller Ihrcr Uebereinstimmung* wte
rerschieden waren beide! Sie waren stch einig* zwar in dem
Kampfe geg'en das gektinsfelte, yerschrobene Wesen , das laden
beaonderen Zwecken und Berufsarten des Lebens den Menschen
onter^eben Itost; aber Rousseau schnf aas dem Menschen einen
leeren, seines wabren Adels beraubten, yon alien F&den, die
ihn init Vorzeit und Milwelt yerknttpfen , seltsam und gewaltsam
losgerlssenen Erdenbiirg^er, Pestalozsi ahnte selnen boberen Beruf
und zeig'te Ihm den scbdnsten Umkreis, darin er sieh zuni Hin-*
melsbllrger yorbereiten kann , die Spblire seiner Liebe und seiner
scbdnsten siitlicben Entfaltun^: das Hans und die FamUh.
Rousseau riss den Faden der Geschichte durch; er wollte Goiies
Nanien nicht genannt wissen yor den Kindem, weil sle seia
tiefes Wesen doch nicht erfassen kdnnten , er kannte keinen Goti
der Liebe and keine Kinder Gdttes, aber auch keinen Fttrstea,
der ein Yater seines Yolks , und keinen Unterthan , der Ihm nit
kindlich willigem Gehorsam ergeben 1st; ja erwussteyon Mutter -
and yon Yaterliebe wenig* oder nichts und schickte die eig-enei
Kinder in das Findelhaus. Unserem Pestalozzi ist Gott das A
and O seines Lebens^ der Alles dnrchdring^nde Geist; danini
atbmet er auch mit jedem Lebenshauche eine reine kindliche Fa-
mllienliebe , er zeichnet sie so wahr and warm und will ihrei
Segen nirgend missen. Man hdre ihn in dem Werke , das seinen
Ruhm begrttndete; man lese dort yon den Freuden fronimer Kin-
der, wie sie wahrhaft scb6n sind vor dem Herrn, Uirem Gott;
und sehe, wie er die h&usHchen Freuden des Menschen ak die
schOnsten der Erde scfaildert. Darum, spricht er, segnet der
Herr die Thr&nen solcher Freuden und lohnt den Menschen jede
Yatertreue und jede Motterserge an ihren Kindem. Aber der
Gottlose, der seine Kinder fttr nichts aditet, dem sle eine Last
sind und eine Bflrde; der Goitlose, der in der Woohe ror Unen
• ilieht, und am Sonntag sich vor ihnen yerUrgt; der GottlMe,
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Schalredeo. 383
iet Rithe sacht ror ihrer UnschuM und ihrer Frende, nnd der
sle nicht lelden kaitn, bis ihre Unschnld n&d Ihr Frobsinn dahin
ist, bis sie wie er erzog^en sind: der Gottlose, der das tbut,
stdsst den besten Se^en der Erde iiiit Fii^ssen von slcli weg'*
Man hOre dort bei ibm das Samstag'abendg'ebei der Kinder, wIe
sie es mit ihr^n g'efalieten Hiinden der lieben Mutter nacbsprecben,
die sie dasselbe g'elebrt hat von dem Kinderfreunde, dem Hel-
iande derSeelen; wie kindlicb einfacb, wie natfirlicb wahr! Man
beberzige seine tlefen und reicbcn Gedanlten in der Abendstunde
eioes^Einsiedlers; man freue sfch an seiner inni^en und reinen
Christusliebe in der Weibnacbtsrede von 1810! Und jene Liebe,
die sein ganzes Leben bindurcb nicbt mdde ward, die unter
iausend Leiden nicbt ermattete, die Hass und Undanlc und Bos-
heit reicblicb eroitete nnd dennocb nimmer abliess; eine solcbe
Liebe muss einen tiefem Grund baben, als den menscUich - irdi-*
scben, einen Grund, der aucb in £wiglreit nicbt wanlct. Und wie
ist er dem Ziele nacbgegang'en , das ibm die scbOnste Erfttllnng
dessen scbien, was der Menscb zu werden vermag'; wie bat er
die Kr^fte desHauses, den in ibm scblummemden sittHcben Nerv,
die wunderbar starken Fliden bervorgerufen und belebt, die ito
Glieder Eines Hanses mit einaiider und dadurcb mit der weiteren
Umgebung rerbinden. Darauf gingen aucb alle Bemttbungen seiner
eigenthtlmlicben und genialen , wenn aucb oft in der Furcbt ror
Kttnstelei in andere Extreme geratbenen Lebrmittel und Methode
hinaus; darum giag er den ursprtinglicbsten Mittein in Tdnen,
Worten, Zablen, Anscbauungen und BegriflTen nacb, damit des
Lehrens beiliger Berdf aucb der Matter Gesch^ft beim zarteres
Kindesalter werden kdnne. So deutete er W^ge an, deren Ver-r
folgung im weiten deutscben Lande einer grdssem.AnzabI Kin-
der als je die Wobltbai des Unterricbts verscbafft bat, wodnreh
far die Schulen, die sicb der unbewacbten Pfleglinge aus den
frflbesten Lebensjabren annebmen, im kindlicb einfachen Spiele der
Sinne und der nocb scbwacben SeelenkrHfte Mittel solcber Bescbilf-
tigung gewonnen sind, die friibzeitigem Sinnendienste oder unbetl-
karer Verwilderung webrt. So ist er zu dem grossen und wabren
Gedanken gekommen, dass die Wege, wie wir lehren, sicb ricbten
Mssen nach den Babnen, die der Scbdpfer dem Seelenleben selber
vorgezelchnet bat; dass bier Gesetze tief verborgen schlanmem,
tie t^e unveitrilchliche Ricbtschnlir bUden, deren Uebertretung
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384 Sebttiredeii.
sicfa an dem g^estdrten JSeelenleben bitter «n4 einp6iidlieh r&chi. —
O wie g-ese^net ist dieser kindlleli reine Blick luieh oben!
Und dennocb soli Dlcht bebauptet werden, dass ibm nicht
ausgegangen oder erstickt wor den sei der ia der Tiefe zttndeade
Fankc , der auf alle zweifelnden Fragen die ewig* befriedig-ende
LOsung g-ibt. Ueber der Pforte seiner Werkstatt stand nicht jeiies
an eincr andern StUtte Deutscblands segeseg-net gewesene Wort:
die auf den Herrn barren, empfangen neue Kraft, dass sie auf-
fabren niit FlQgeIn wie Adier, dass sie laufen und nicht matt
werden, dass sie wandeln und nicht nittde werden. Aber wer
will einen Steinf auf ihn werfen, wem von uns w&re unter den
schweren Prlifungen seines Zeitalters und semes Lebens der CSlaube
nie ermattet! Jene Tage, die am'Strande der Seine Thron and
Altar unistiirzten und den Boden niit dem geheiHgtsten Menseben-
blute befleckten, rissen alle Faden entzwei, die den Menschen
mlt Gott und Christo, mit Elrche und mit Wissenschaft, ja die
Menschen mit einander verbanden; die heiligsten. Bande batten
keine Macht und kein Recht mehr, der Mensch spottete ihrer
und suchle andere kitnsUiche Bande zu knupf^n, die so lange
dauerten, ^Is sein Ehrgeiz oder seine Selbstsucht darin Befrle-
digung fand. Und als nun solcher Geist sfch allinahlieh fort-
pflanzte auch iiber unser gauzes geliebtes Vaterland; als mitten
in demselben ein Staat voll grosser Thaten und Erinnerungen erst
durch die tiefe Noth und Schmach, in die er fallen mnsste, er-
kentien lernte , dass es Zeit sei umzukehren von falscbem Selbst-
vertrauen und eitler Zuversicht und allein Gott in der Hob' die
Ehre zu geben ; als selten oder nirgend der stille Heerd zu finden
war, an den sich der kindliche Glaube flitchtete, der die Hand
des Vaters fasst und nimmer Jasst, ob auch seine JVetter schrek-
licb dr&un und toben: da in dem allgemeinen Schiffbruch noch
ein Ankeriau zur Rettung zu ergreifen, war wohl ein schweres
Werk. In dem Gewirre hat auch unser armer Menschenfreand
den sichern Leitstem wohl einmal verloren, ohne diesen Anker
schwamm er wie blind und willenlos mit dem allgemeinen Strome
fort. Und vom Vergessen zum Verleugnea ist lelder nur ein
kleiner Schritt. Er bat es gefiihlt und darum sich so innig nach
dem Verlornen zuriickgesehnt. Icb erinnere noch einmal an seine
Weihnachtsrede von 1810: „Ich habe von den Alten geh6rt*^^
sagt er da, „und zum Thell noch selbst geseben: die Weibnaeht
war
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Sdmlreden. 3S5
wwt iem Mensclieii else Nacht, die keiner Irikchen Nacht g*ltcli.
Der Tag' der hOcbsten irdischen Freade war nlcht Our Schatteo;
die Jahrestage der LandeserUsang* von Eneektschaft, dieJahres-
tage der Frelheit waren ihr nicbt zu rergleichen; sie war fans
eine Ummllsche Nacht, eine Nacht himmlischer Freuden.^^ — ,,Da0
Herz Yoll des lieiligeii Geistes and die Hand roll menscUicher
Gaben — so stand der Christ in dieser Stunde im Kreis seiner
Brader, die Matter im Kreis ihrer Kinder , der Meister im Kreb
seiner Gesellen, der Herr im Kreis ihm eig^ener Leate; so stand
dIeGemeinde vor ihrem Pfarrer, so glng der Reicbe in die Kam-
mer des Armen. ^^ — Daram gerade tritt ans seinen Bekenntnissen
eine so tiefe Wehmath, eine yerzagende Sehnsucht ans entgegen;
die^Unseligkeit eines arbeltiroUen Lebens, das dennoch sein Ziel
g^anz verfehlt za baben meint and klagend anf den Trammem seines
GIflcks sitzt, nar mit einera Danke auf den Lfippen fttr die Barm-
herzigkeit and Treae Gottes, der sick des zertretenen Warms
Bodi erbarmt, das zerknickte Robr nidit zerbr<>cben, den gllm-
menden Docbt nicbt ansg'oldscbt bat« Daram sind seine Werke
vntergeg'angen, aber sein Geist wirkt anregend and belebend fort
Die Zeit ist eine andere geworden; wir sitzen im Schatten
eines gesegneten Friedens, der in einer Daner wie selten oder
nie znvor das reidie Fttllbom seiner Gaben liber ans ansgeschottet
hat. Das Wort romKreaz ist wieder frei geworden, wirkOnnen
unser tbenerstes Kielnod frei and nngebindert auf die Haapter
und in die H&nde nnsrer Kinder legmen and ihnen dasselbe als
kdstlicbsten Scbatz anf die Bahn des Lebens mit binaasgeben.
Una und unsrer Zeit ist viel gegeben warden , darum wird auch
vielj viel mehr pan une gefardert werden. Welcb ein sich Regen
and Bewegen gewaltiger Krtfte, denen aach in ibren Verirrangen
ein scbdnes Streben, ein tiefes Sebnen znm Grande Uegt; welcb eln
neaes frdbliches Baaen anf ZionsHdbn: Israel ist ans derFremde
beimgekehrt and Serobabels Tag« wolien sicb emenen ! Welcb ein
grossartiges, znm Tbeil anbewnsstes Ring^n , die Gegemdtae der
Erdtbeile and der Nationen, der Herrscbermacbti des WeltbHrger-
thorns and der Yolksthflmlicbkeit, des Denkens and des Lebens, des
Gottesreichs and der Welt mit einander %u vereinen and wechselsei-
i\g za darcbdringen; die Gegens&tze, an deren schroffster Trennnnip
das firflbereMenscbenalter mit riesenbafterGewalt arbeitete, in deren
gfthnende Klnft das Leben onseres Pe9tala%%iAt\\ Welch eine
L^hlieT, ge$» Sckriflen. 25
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386 SdMlredeii..
Vienie alier H&Mer rod FamiReii vom Fflrsten bid 2ium BQrg«r, Tbeil
an nebmen durcb ibre Sdbne and T^chter an den Foriscbriiien eises
BMoD^s- und Unterricbisweseiis, fttr welebes JPestaloxzi eine neve
Babn bracb! Welcb ein Wiederballen ernster nnd dvrcb^reifeader
BeeprechuDg^en ilber Votkseraiebung' und dffeniUcben IJDterrtcbt dmrcb
, alle Kannnern und SUndeslile der gebHdeten Vdlker Eur^pas kiit-
durch! Welcb eine vnerscbttiterlkb fest aiif deni Grande kiibnen Glan-
bensmutbea rubendeLiebe, die mii den Kriifteii einer bobern Wett
die Milhselig'en und Beladenen, die Verlassenen wid Ge&r&dkien
9M1 erqoicken and »u retten eili ! So ist dter grosse Weg g^ewie-
sen, aber es mi audi n^cb mancber barte Kanipf zo bestehen
und mancbe fnstere Gewalt zu ftberwinden ; aUein es~ g^lt filr mis
nicbt inebr, wie fiir Ibn, einen Pels den boben Berg' bfiuuiza-
wlilzen^ die Babn ist frei and eben, mil andern nenen Kriflen
zieben wir in unser Tagewerk ein und — g^ebe Gott! — efnsl
obne Vorwurf aus.
So stebi d«r Pestalozzitag* denn roll innerer BeieniMmgj
yjM starker MabBung* tot uiis da. ]>ankbar frob beweg't blicken
wir znrftck and bMeken wieder am uns ; Vergleicbung* scbilrft das
Ange ja. Und PettaUxai seibst — er stebt so genial , so edel
Uebeyoll, so warm hi einer todten, leeren Zeit, so sebdpferiseb
■fid anreg'end, so frdblicb bauend, wo L^idenscbaft und Voror-
tiieil wieder liedenreisst, so liebenswttrdig' and gemlltblicb — md
d^nnocb ist er ein Pilgrim md ein Fremdiing roll MOb and Sorge
nor g'ewesen , eki Sobn seiner Zeit und von des Menscben all-
gemeiuem schweren Loose nimniet frei. Und Ist uns nun die
Antwort denn gegeben, warum wir seinen Tag* begeben? Wir
baben, will's nacb Allem scbeinen, mebr ak BInen Grand.
Der Tag bat ons gemabnt zurflckzablicken In die Ver-
gangenkeit'j ibre Aufgabe and deren LOsung zu erw&gen; wir
Bind ja nicbt an den Anfang einer unverbundenen Zeit gestdit,
wir sollen gerade aus der zeitHcben Entwickelang lernen, Mater
der die starken F&den einer von bidierer Hand geleiteten Bewe-
gung erkennbar sind. Was damals, was darcb ibn gewirkt ist,
kann und wird nicbt antergeben; es reibt sicb ein als frischt
Bhime in den rolleren Kranz, den die n&cbste Zeit gewmidcB
bat. Sell LebeUy so gross und edel, so oneigenBlltzIg aid ent-
sagongsrekb — es soil and muss das Vorbild eines ganzen Sta»-
des bleiben, der, wenn es sicb urn Arbeit usd Begeisterong*, mi
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8ek«li^4^. 387
Anfopferang imd Bottag'aii^ hahdeli, g'ewiss nieht itt letzie,
wenn uiih IrdiBcIien Gewinn und iobneMdeii Gemiss, g^ewfss nieht
ier crsie ist, dfr aber ndt sffhiem uiMcheiBbar stilien nnd d«ch
so dnrchg-reifend seg^ensreicheA Wirken ein Eigentbrnn, eh Sdiatai,
e!n Vonnig^ tfoangelkch deutschen Lebets ist; ich mefne ien Stand
dies deutschen Folksschulhhrers. SeiD Wirken hat g*e2eigt, wie
BiaD den Armen und Yerlassenev, den W^sen die Gater wieder
an g^ben nnd nacb nienschlicher Macbt zn ersetaen snchen soD,
die ibnen g-eraubt sind, wie sie rndg-llcfast den Se^en des Famtlien*
lebens wieder g'ewinnen soUen , dessen zn entbehren der schwerste
Yerluat ist. Daranf g'ebant sind die ron einem verjangten Glan-
Jiensgeiste dnrchwebten zahlreidien Anstalten rettender nnd hel*
fender Liebe, die wie friscbe BMitbenknospen ttberall ans dent-
scbem Boden eniporsprlessen. Sein Wirken hat die Wahrheit
Terfolgt, dass das Heil der Gesanimtbeit, der g^anzen Welt in
der Yollkommenen Erhebnn^ aHer Einzelnen zn ihrem ewig'en
Berufe seine Quelle nnd seine Mandung* hat, dass von dem Hanse
vnd der FamiHe der christliche Gelst einer wahren sittlichen Er^
aenernng' anfangen nnd von da alle Gebiete nnd Yerhliltnisse der
Schnle und ie8 Lebens dnrcfadrhig'en bmiss* Seine UnterHehta^
mefhode hat den Rost rerj^brter- Formen und altg<ewohnter Mittel
abgestreift, hat den Lehrer kr&fti^lich gemahnt^ jung zn bleiben
imd mit iminer frisdier Kraft nnd Lebendi^kdt stets neue We^e
sich zn wUhlen, zn leben nicht allein In seiner Wissenschaft, in
seinem Geg^enstande, sondern rer alien Dingen in der Seele des
Kiiides, seines ZO^Hng's. Sa war die Snmme seines Thwm denn
anf das Eine Ziel g'erichtet, fern von abg'ezog'enem Denken nnd
todtem Widsen eine lebendige Beziehniig' zwischen dem Geiste
und der Aussenwelt, zwischen dem Lehrenden nnd dem Lernenden
zu vermittehi, mit Einem Worte: die grosse Kunst anznbahnen,
die wahrhaft erssiehend lehrt,
Wir blicken urn uns in He Oegermart. Am Pestaiozsiitage
mnsst dn Rechenschaft geben, deutseher Lehrerstand^ von dei-^
nem Thnn. Darum, die Hand anfsHerz, kannst du dirZeng^iss
geben, dass all dein Arbeiten an den jun^en Seelen im Geiste
solcher Liebe geschieht, solcher Stren^e zwar, die nicht eia
Haar breit weicht vom Emste treuer Wahrheit, aber anch jener
Mttde, die nicht richtet, wo sie helfenkanti; kannst dn dir Zeu^^
Diss geben^ dass dn^ frdhUch, friach nnd Ironun, in wabrew Lebet
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338 S^chulredeB.
stehst und mit stets rerjlin^endem Sireben nbstreifst, was yer-
altet, was yerknGchert, was lahm geworden 1st? Und imner
ernster treten die Fragen an uns heran : Haben wir in alien Stilcken
imnier nur den Einen Herrn vor Aagen , sehen wir mehr aaf sel-
nen Willen als auf der Menschen WoUgefallen, ermatten wir nicht
nnr allzuoft und gehen die alien Wege sinrglos fort, wo wir neve
Babnen wliblen sollten? lassen wir nnsdenn auch yon der tieferen
Qnelle fortsehreitender Erfabrung and Wissenscfaaft genlkgeni
durchstrdmen ond bebalten offenes Herz and Ohr fiir Alles, was
die Menscbenseele wanderbar bewegt and aufw&rts zieht? yor
alien Dingen: balten wir, nocb ehe unser Motb erliscbt und unsere
Kraft gebricbt, fest und unemittdet die gebobenen H^de empor,
dass wir, wie einst die H&upter Israels, in solcbem Zeicfaen siegen?
Am. Pestaloxzita^e babe icb auch an dicb eine emste Frage
frei, du liebes Haus des deutschen Vaterlande8» Hast du dicb
b^reitet und angescbickt, den reicben Segen, den Gott dir gab,
in yollem Maasse auszubeuten? Ziebst da der Scbole Werk,
das sch6ne yftterlicbe und mtttterlicbe Lebren, auch in des Haases
Kreis binein und fdrderst yor, neben und nacb dem difentlidien
Unterricbte der Scbule bestes Than als treue Genossin? Slebst
du in der Scbule yertrauensyoll eine Fdrderin deiner liebstea
Erquicknngen, deiner schOnsten Segnungen? 1st deine freadei-
yollste Rast im Umgange mit deinen Kindern, so dass da dich
sebnst nach ihrem tUglicben Wiederkommen aas der Scbule und
nicht an dieser das willkommene Mittel baben willst, dich ihrer
Thorheit and Unruhe zu eniledigen? Schlitigst du dks starke,
milde Band zarter Familienliebe , das Alle schon zu Gliedem
Eines Leibes macht und nocb filr bohere Zwecke yorbereltet, um
alle dir yertraute Seelen?
Nur Fragen, keine Klagen an Featalozzis Ebrentage! Wir
treten ja mit dem zw^lften Morgen dieses neuen Jahres im Gelste
an seine Wiege, nicht an sein Grab, und haben, an HoflTnuDgen
reich und zu Geldbden stark, eine weite Zukunft kostlicher Aus-
saat yor uns liegen. So zieh denn bin, du yon deatscber Dank-
barkeit und Liebe relcb gesdhmiickter Pestalozzitag, zieb bin mit
unserem frdhlichen Vertrauen: Der deinen Geist, dein Leben, o
Pestalozxi^ zum Heile deutschen Landes gab, wird auch der Scheie
und dem Hause des geliebten grossen Yaterlandes immer neoe
Kraft und immer reicbern Segen geben.
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SchulredeD. 389
6) Die Schule des Hauses Helferin. ^)
Mit Math und Demeth empfan^e ich das mir fiberiragene
Aiut aus IhreaHanden, theurer Herr Propst^}, voalhren trenen,
aas Ihrem warmen Herzen tief in meine Seele gedrangenen Wan-
scban begleitet; ich flbeniehme es yertrauensroll unter Ihrem
frenndllchen Segensgeleite , ehrwiirdige Diener am Bvangclio , An-
g^ichts aller derer, mit denen und far die kh arbeitea soil In
diesem Amte, vor den Augen uBd unter der ^chfltzenden Obhnt
der theuren Y&ter und Beratfaer dieser Stadt; m6ge mein Ein*
g'ang' behtttet und geseg'net sein fOr mich, wie ftlr das Amt and
ftir die Jag^end dieser Stadt, auf die viele Augen and Hersen,
vide Wiinsche und Hoffnungen gerichtet sind!
Ich komme nicht ohne ernste Selbstprttfung in diess mein
Amt; Ich babe es wohl erwogen und fiihle seine gauze Schwerc
undVerantwortlichkeit, aber ich babe auch nicht auf meine cigenc
schwache Kraft gebaut, sondern in der Stunde schwerer Ent-
scUiessung den angerufen , ohne d«ssen Bcistand nijchts Mensch-
Hches gedeihen kann. Ich trete mit gr()sserer Freudigkeit ia
dasselbe ein, well ich einen 6eist des Segens walten sehe an
einer Arbeitsstatte, wo treue Lebrer, deren Ged&cbtniss In un-
verldschllchen Ehren steht, eine reiche Saat ausgestrent haben
in empf^nglicheSeelen, die nun im lieben Vaterlande weit umber
mit Segen wirken in allerlei Aemtern der Kirche und des Staats.
Ich komme mit um so gr^sserer Freudigkeit, weil ich in dem
Werke, das wir heute mit einander beginnen, die Erstlingsfrucbt
bier an diesem Orte erkenne von jener schdnen , bedeutungsvoHen
Weihnachtsgabe^), die ein ror schwerer Zeit zur Rube seiner
Vatelr eingegangener, der Wissenschaft und Kunst mit liebevol-
lem Sinn ergebeuer Fflrst zum Frommen des hdheren Unterrichts-
1) GehaHen znm AntriUe des Rectorato der Flensburgcr Gelehrten-
gdiole am !?• October 1848.
2) In Stelivertretnng des ordnung^m&ssig dazu bernfenen Mitgliedes
der SchL-Hofst. Regiepung yoilzog Hr. Kirchenpropst and Haaptpastor
Voiqaardts die Einfuhrang mit einer Rede.
3) Die Bewilligung eines jahrlichen Zaschasses yon aber 20^000 Thlr«
S. H, C. (24,000 Thlr. preassO za den Kosten der Gelehrtenschulcn in den
Herzogthamem Schleswig - Holstein erfolgte gerade am 24. Decbr. 1847.
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890 Sehnfareden.
wesens anf den Altar des Vaterland^es niederlegte. Ich konnue
aaeh niit M«th und Vertrauen %a Ibnen, iheare Versammelte ; 4as
aber ist ein GefQhl, das wieder Vertrauen wecken and findeii
will, ond ich weiss dieses dock niclit besser mir sn rerdienen
l^ls diirdi die lauterste Offenbeit nad Aufrichti^keit eiaer Herzemh-
erglessun^, wie sie beim Eintritt in ein schdnes, aber scbweres
Anit uatttrlich ist*
In der spannvngsirollen ond bewe^ten Zeit, in der wir
leben, ist auch die S^hnle mitten in den Strndel der Beweg^mg;*
fort^erissen ; and kdnnte es einerseits scheinen, als stek^ sie
anf der Hdhe ihrer Gettnn^ nnd Bedentniig, so dttrfen wir
«ns doch andrerseits auch nicbt verhehlen , dass emste Lebens-
^ra^en iiber ihr Haupt dahingeaegen sind, also dass wan w^
meinen kdnnte, es w^e auck sckon an ihre Lebensworzel die
Axt g'eleg't. Scbliesset die Sckulen zu, — habe ick emste and
tlefe GemQther in dieser Zeit oftinals sa^en kdren — damit end-
lick eiamal wieder das Haus zu seinem Reckte konme nnd seiAe
Pfllchten Hben leme. — Dtirften wir Menschenkinder acker-
sen and spielen mit den beilig'stea Interessen der Meaackkeit:
dann mdckte ich wobl einmal einen Tag kerbei wilnschen, wo
der Rttf nan durch die Lender ginge: der Schale Werk sei
geschlossen ) ihre Arbeit for imnier abgethan and dem Hanse
aartlefcgegdieQ, der Lebrerstand solle nunmehr sich mit an die
gemeinsame Ajrbeit des ^IffeatUchen Lebens begeben, wo genog
H&nde vonndtben seien. Dann , hoffe ich , wttrde ttberall ein
Schrei des Unmatbea pnd der Bangigkeit sick erheben and yfd
tausende von Seelen , in dem theuersten Besitztham des Liebaien,
was sie auf der Erde haben, bedroht, wiirden naeh Helfem in
der Ariieit rofen. Nvn, etwas Schdneres and Grosseres kann
and darf die Sckule ameh nicht wollen, als dea Hausea Gehulfin
an seln. Abrr welches Haases freilich? Nicht jeite», dem die
Kinder eine Last sind and keine Last, oder das sie yerbraacht
als die Werkzeiige eigenen Fortkommens and Gewinns, oder das
mindestens ihrem Gedeihen and Fortschrelten nar eine oberflidh-
Hche herz- and sorgloae Back^ickt schenkt, wo sie fllr die Zwecke
des ansseren Daseins abgerichtet, and die Arbeit ihrer Heran-
bildung nach einem mitten in der geblldetsten Christenheit welt
genug rerbrelteten Heidenthame als der geringfo^igste Knech-
tesdienst erscheint; sondern vieknehr d9» Haasea, in welchem die
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SclmkeileB. 381
Sttero in mi mit den Kindfra m wacksen geieAen an ihrem
tnneren Menflchea, wo der Vater sein Bete and Arbelte in dem
slchtiaren Erfolge seines Ta^ewerlies bew&lirt, wo die Mutter
den sUllen fr^mwen Sinn. mit Mand and An^e nnbewasst und
anbemerkt in des Kindes Seele fldsst, wo die Kinder seibst als
eineAassaat g^elten, die durch alle Vorzige und Se^nun^en des
iuflsern Lebens nur um so siclierer reifen sollen fiir ihre ewi^e,
nllein des Menschen wurdi^e Bestinimun^. In einer Zeit, wo
die Staaten^eb&ude wanjken, wie yieileicht nie auror, und die
politischen Erscb^tterungen auch der liiihnsten Berecbnnng spot-*
ten, soil man lieben and ehren lernen die oft verachtete stille
Stiite des Haases, wo Einfalt and Frdmmigkeit, Thatkraft and
Gesimiung wurzeln — Tugenden, in Bezug aaf die man die Ge««
gen wart nicht nach ihren Friichten, sondern nach ihren Keimen
and Knospen za messen and za richten hat Aaf dieser Grand-
lage rahet die Genieinschaft des dffentlicben Lebens, das oft mit
der bittersten Erfakrang den Fluch enipfindet, der die H^aser
and FamiHen zerrttttet , das ibn in diesen unsem Tagen mit Stro-
men Bluts bezahlen muss. Aaf dieser Grandlage bant siqh alle
wahre Erziehung', die ganze sittllche Erneuerung and Wieder-
belebang der Gegenwart aaf, durch die uns die lebensfrischen,
charaktervollen Gestalten wieder gegeben werden sollen, die
eine Zeit erschlalfender Ruhe and langen Friedens verschwinden,
aber die Stunde der Noth und BedrHngniss wieder erstehen l&sst.
Eine dlfentllche Erziehung im Sinne des Alterthums wurde in
nnserer spaltungsvollen , xerkltifteten, im Niederreissen and Auf-
baaen sich tibersturzenden Zeit den letzten Funken edler Sitte,
Gesinnang und Nationalit^t yernichten kdnnen; die Schule hat
ein stilleres Gebiet als das wilde Element ist, aaf welchem das
Scfaiff des Staats zwisehen Klippen und Brandungen schaukelt.
Nur wenn das Hans sein eigcnes, Interesse wohl versteht , wenn
es den hoben Segen biirgerllcher , den hdhern kirchlicher Gemein-
schaft zu wdrdigen weiss ; wenn das Hans in seinem sittlichen
Nerr frisch and sUrk ist and das Leben wahrhaft fordert, das
zur Gesetzlichkelt and Frelheit, zur Frdmmigkeit and Wahrheit
fOhrt, nur da kann die Schule ibr rechtes Gedeihen haben, nur
da yon eehter Erziekung die Rede sein.
Die Gelehrtemcbule ist ein GUed zwar nur in der Kette
der Bildangsanstalten, in denen^ die Jugend w&hrend der schon-
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3^ Sdralreden.
sten and empftegUchsteii Zeit menBcliltclieii Lebens sidi soant
und wfirnit, Bich n&hrt nnd st&rkt; aber sie hat fdrwahr aach einea
weiten Umfang*, einen freien Horizont, eine glllckliche Dehnbar-
keit, einen reichen Nahrnng'sstoir; sle nimmt das Kind, das zon
Knaben reift, in ihren Schooss auf and entlasst den Jiingling ana
ihrer stillen, farsorglichen Mitte in das selbsUndig'e , iron Ge-
nttssen und Gefahren amringte Leben. Verkenne man doch nor
ihre Bedeotung' nicht am ihres irre leitenden Namens willen oder
aus alter Gewohnfaeit; sie hat sich es nicht zam Ziele gesteckt,
Gelehrte bloss zu bilden , die man fast schon' gewohnt ist trots
aller Hochachtung, die wahrer Gelehrsamkeit gebnhrt, mit Pe.
danten oder mindestens mit anpractischen Lenten fQr gleichbe-
deotend zu halten; sie hat vielniehr das Absehen, dass die Jagend
gelehret werde in Allem, was das Leben ziert und ehrt, den
Geist blldet, den Verstand sch&rft and regelt, den Willen stihit
and dasGemnth mit reicher Nahrung fallt; sie will nicht die tavbe
BlQthe des WUsena oJme KonneUj noch auch freilich die warm-
stichige Fracfat des Konnena ohne Whaen* Sie will die Jogend
Ehrfurcht lehren vor demHeiligen, Liebezu demSchdnen, Adi-
tung yor dem Grossen und dem Guten; sie sucht das Be$te aaf
dem Gebiete der Natar und Geschichte, des redenden Menschen-
geistes und seiner nnsterblichen Erzeagni^se, and das Beste ist
nach einem treffenden Sprichworte ihr gat genag far ihren Zweck.
Sie bietet sich als Fiihrerin an far jeden, der sich yorbereiten
will, am die Hohen der Wissenschaft zu erklimmen, oder der-
einst dem Staate ond der Kirche in ihren leitenden Organea
thatkraftig zu dienen, aber auch am den Geist za bilden and
za befruchten far jeden ehrenwerthen Beruf und jede nitzliche
Th&tigkeit, wie sie als unentbehrliche Elemente in der bttrgerli-
chen Gesellschaft bestehen. Das ist ihre Aufgabe and ihr Ziel,
das ihr Sehnen und ihr Streben.
Aber wird denn auch wirklich, mag man midi wohl fragen,
eine Schule solcher Art and Einrichtang des Hatsses Helferin
sein? Ist sie das bisher gewesen and dl^ scheinbar oder wirk-
lich Yorhandene Kluft nunmehr ausgefallt? Tr> die Gegenwart
keine.neuen Hemmungen and Mindernlsse dafar in sich? oder sollte
sie bei rechtem Verst&ndnisse sogar vielleicht geeigneter dafUr
sein? Lassen Sie mich Antwort geben anf diese Fragen, die
wahrlich ernst und bedeatungsToll genag sind.
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Scbalreilen: 393
Die Gelehrtenschale kann nor dann des Hanses Ilelferin
sein, wenn sie des Hauges schdnsten Schatz, sein heilfg^tes Gut,
bewahrty wenn sie die ihr anvertrante Jugend niciit bloss in
allem NOtzliclien nnd SchOnen unterweiset, sondern Alles aof
den reinsten Adel nienschlidier Natnr zarQckfalirt zu mdg'lichst
liarmonischer Vollendan^, wenn sie mit Einem Worte erziehetul
lekrt. Durcli alles Wissen und KOnnen sell ja der g^anze Mensch
yeredelt and g'efaoben, aller Widersproch und Zwiespalt seiner
Neigangen und Bestrebungen ansge^liehen, ein Gesammibild seiner
angebornen Wiirde ermittelt werden; das kann es nur, wenn es
auch In dem Lehrer und Erzieher aid Ein Gauzes erscheint, wenn
Geist und Genittih in ihm ebenm&ssig' von allem Hohen und Edlen
durchdrungen sind, wenn ihn das elfrige Bestreben leitet, das-
selbe auch in seinen jSchiilern hervorzurufen, wenn endlich der
evangelische Geist in allem Leben der Schule dem mit der schdn*
sten BlQthe des Geistes geschmfickten Wesen das Siegel der
VoUendun^ anf die Stirne drQckt. welch ein hohes, schweres
Ziel, davor man wohl zurtickbeben mOchte! Aber das ist Ja
der Segen eines jeden Ideals gerade, dass es ein grosses Ziel
unverrttckt uns rot Augen h<, woran sich alle Kriifte unab-
I&ssig tiben und st&rken. Hier gilt es nlcht zu ermttden in der
Wahl der Mittel und Wege, durch welcfae die Jug'end auf ihren
verschiedenen Stufen fOr das Lernen gewonnen und beg'eistert,
in alle Anf^nge und Fortg&nge des Wissens und Kdnnens am
richtigsten und naturgemissesten eing'eftthrt und in dem sichem
Gauge ihrer Ausbildung ^estlirkt und befesti^ werden soil. Hier
gilt es frisch und jun^ sein fUr uns Lehrer, hier llegt der gauze
Se^en unserer innigsten Gemeinschaft , hier liegt die Krone unserer
unyerdrossensten Arbeit.
Die Gelehrtenschule kann des Hauses' Helferin sein, wenn
sie die Forderungen der Gegenwart versteht. Es ist eine schwere,
aber auch eine grosse und gewaltige Zeit, in der wir leben; wer
von Ihr nichts lemt far das gauze Leben, der hat umsonst gelebt.
Ich will, auch wenn ich bei der behutsamsten Sichtung daza im
Stande wftre, der Gegenwart mich nicht zum Lobiedner aufwer-
fen, wie denn ja Jedes Menschenwerk kein Lob rertrligt, ehe es
beendigt ist; aber das bleibt unVerkennbar, dass unzfthlige Vor-
urtheile gefallen, ein mattes und schll^frlges Leben aus seinen
Formen aufgerlittelt, ylel Unfruchtbares und Todtes, yiel Schein
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394 SditilredeB.
find Ukge ntederzokftnipfen be^omieii worden ist mit eiier im
Wachstham J^e^UfenenSie^eshraft, damtt endlich eismal Wahrheit
und Leben in frischer Fttlle wieder an den Tag komme and des
Mensch^n aufg^eschlossener Sinn und freies Wesen den vorge-^
steekten Ziele, daan er bernfen, nachjagen kdnne. Die Gelehr-
teimdiale hat die lanten Mahnungen der Gegenwart wM ver-
standi nnd bekerzig't, sie dringt auf Bildung flir das Leben
und will dafnr wirksam sein, sfe bat kein lebhafteres Verlangen,
als dass die classische Welt mit ihrenr ganzen Reicbthnme aa
Ideen nnd Cbarakteren ein Genieingat ihrer Schnler werde nnd
wieder bildend nnd gestaltend auf das 6ffentiicbe Lel>en wirken
mdge; sie fnhlt, dass sie lange.genug sich hinter die Klester-
mauern ihrer formalen Spraehweisheit eingeschless^ nnd den
inner tiefere Gesetze effenbarenden Gebiete der Nahir sich in
verkehrter Feindschaft gegenubergestellt bat, sie will bei ihren
lUngen nach den kdstlichen gelsUgen Gntern, die es gibt, in
den Zeitalter Alexanders ron Hunboldt nieht zuriickbleiben nit
ihrer Huldlgnng vor detn In classischer Fom zu Tage grfdrder*
ten Schatze dieses unyergleichlicben Melsters; sie begreift es,
dass die Natur wohl ein AndereB, ein Gegenstiick, aber kein
Widerspruch ist gegen den Menscbengeist, dass nur, wenn in
ihn der Geist sich zurecbtgefonden hat, er seiner selbst wahr-
baft gewiss ist nnd erst den festen Bod^ hat, auf welchen er
sich frOhUch entfalten kann. Die Gelehrt^schule will den pracU-
Bchen Sinn pflegen, der Jedwede wahre Tilchtlgkeit erzengt, sie
wHl bei alien schdnen Gleichmaasse der in der Menschmmeele
wobnenden Krtfte, das sie zn fdrdem strebt, dodi ror alien
Dingen den GemUthe und Charakter seine nberwiegende Herr-
schaft sichern helfen, und ibr Scherflein redlicb beisteuem, dans
auf den Boden komnender Geschlechter ein natOrlicheres Wesen,
etne lebensfrisdiere Gestalt, ein tttchtigerer Charakter sich olt-
nals finden mdge. Ob's ibr gelingen wird, diess bohe Ziel hi
erreichen? Nun, im edien Werke ist schpn das Streben nach
einem schdnen Ziele anerkennenswerth und lohnt auch dann selbst,
wenn nan auf halben Wege schon bleiben nnss. Und wer nit
Sinn und Geist auf der Akropolis des lebensvollsten Volkes ge-
standen, wer ror den stolzen Capitol in Geist gesdiant, was
Mftnner, was Charaktere sind, konnt nienals ohne rdche Fracht
for Herz nnd WUIen fai die Gegenwart zurilck. Und ist dan wahr.
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Sclmlredeii. ISSH
wird dann dem House ^ wird dorck dasselfte ntekt dem Siaate nnd
4^1 Folke Aet ^Ossie Dlenst erw^iesen sein?
Aber wir sehen noch ein bOses Wesen diese Zeit durch^
Ziehen, das wie g^espensterhaft aus alien Tag'en in die Geg^en-
wart kiniiberbllckt und das aach das seharfe Schwert der radi-
ealsten Uniw&lznng> nirgend mit einem Schlage entfernen kann*
Was als Kasten^eist der alien Welt Ungst vor dem Riehiersiuhle
der G^ckichie erbarmangslos gefallen, lebi in dem Uniersckiede
vnd der Spaannn^ der Stdnde nock immer fori* Die Gelekrien*
0€knle weiss es wokl, dass es g'otigeordneie Uniersckiede gibt,
die zn zerstdren Frevel w&re, aber sie weiss aack, was fttr eine
Ebiheit in Bildung und GeHnnung erreickbar und noikwendig:
isi, nm ein ecbies nnd kellbring^ndes Zusammenwirken der bilr-
^erlichen Geselisckafi ^u erzielen« Sie will nimnier diesen Zwie*
spali nidiren, sie isi durckdrnngen yon der Ackian^, die jeg^lickem
Siande gebilkri, und weiss es, dass nickidaran, sondern an dem
l^dssern oder g'erin^eren Maasae allgemeiner Bildung* und der
Smptenglichkeii filr kdkere ^eisiige Gtiier das Maass des UrikeiUi
«n entnekmen ist. Der Ackersmann, der frommen Sinns sein
Feld bebaui, der Sckiffer, der muikig seine Bakn darck wiUe
IHeere zieki, derKanfmann nnd Fabrikkerr, der eniscklossen und
g'esckicki die Wege des Verk^krs sick dffnei und die Mogliek-
keiien des Erfolgs und der Verkiltnisse berecknei, sie kdnnen
dennoek bei aHer Verscktedenkeii einig* unter sick und mli den
SiliBden sein, die eu leitenden Organen des ekrisilicken Volfai
b^iimmi sind, ebenbftriig' durck ein lebkafies Inieresse an altem
Hdkeren nnd Edieren, durck ein ricktigeres und sickeres Ver^
st^indniss der Gegenwari nnd eine sorg'same Liebe* fttr jeden eni-
sten Gegensiand der Wissensckaft Diese unzeiii^ von einander
irennen In jenem sekOnen und empfang^lidien Alier, wo nicki der
Beruf, sondern die freie Neigung* Sinn und Bestreben besiimm^
wfire ein Verratb am geisiigen Besiizikum des Menscken. Da*
^egen jeie iiefere Einkeii zwisdien den yersckiedensieii Si&nd^
des dffeaiU<Aen Lekens fordern , das isi der Gelekriensckule ernsi^
licksie Oblieg^ftkeii, mli si&rksier Ueberzeufun^ geki sie diesem
Wege Back und isi des Segens sick bewussi, der da von unzer-
farenaUck Isi, wie in des Hanses siillen RlUimen die versckiede»-
sien Gaben und Ckarakiere in un^irftbter Iliisckung bei einander
aidien.
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396 Schttlreden.
Und wenn sle sich nor Eines noch bewahrt, das unrergleich-
lich sclidn and schwer ist^ wenn sie das AUe hiltet und daa Neue
treu erwirhtj nm beides aus immer reichem Schatze darzobietea :
dann wird man sie ohne Rttckhalt des Haases treuste Gehillfin
nennen. Sie bat einen Scbaiz , der tief verborg'en wie der Nibe-
lungen Hort im Rbein , aber stets erg'iebig' wie der reichste Schacht
der Silbergrube, oft von schndden H^nden angetastet , aber durcb
keinen Hobn und Spott entstellt, durcb keine L&sterung' verklei-
nerty im reinsten Schmucke prang't: das sind die Sprachen und
das Evangelium , die einst Lothers kilhner Geist und wabrer Sinn
der Schule, wie bier eine seit jenen Tagen stebt, znm unrer-
lierbaren Eig'entbum Oberg'ab. Verliert sie jemals die, dann hat
sie das Verst^ndniss einer balben Welt, dann bat sie den Boden
unter ibren Fttssen verloren. Und neben diesem Erbgute, das
sie bewabren soil, stebt ein Anderes, das sie stets neu g^wimen
muss und nie verlieren darf, das ist die Wissenscbaft mit Huren
unversiegbaren Relcbtbume, das ist die Natur mit ibrem unrergleich*
licb bunten, zaubervollen Garten, das ist die Friscbe einer krlifUgen
Jugendlicbkeit, die immer Neues empfangt und sich aneignet, das Ist
die Freiheit und Beweglicbkeit, die Leben gibt und Tor Erstamug
und VerknOcberung bewabrt, die sich zu neuer Kraft yerjiingt uid
darum mit Jeder nachwachsenden Generation Immer Jung blelbt.
Wird aber das Haua dann ganz stille sein, wenn die Schuie
eine so kubneBahn betritt, so mutbig bekennt und sofrdhlldi ihr
hohes Ziel sich steckt? das darf es nicht, darf es auch In dir nicht,
liebe Stadt; wo sle die Pflicht bat riel zu leisten und sich selber
dazu schuldig und verbunden weIss, da hat sie auch das Recht, EIni-
ges zu fordem, und Ist der freudigsten Gewldirung auch gewiss.
Man sagt, es gehe ein finsterer Gelstmateriellerlnteressen dnrch
diese Zeit hindurch; und wo das materielle Leben fUr seine Bliithe
jede fdrdernde Gunst geniesst, da drobt allerdings doppelt Gefahr.
Die Hand aufs Ilerz, liebe Versammlung! Wer ftthlt sich van
dem Vorwurfe nicht mit betroffen; wer k6nnte behaupten, dass
nIcht auch er mebr als er sollte den Fordemngen des materlellen
Lebens zum Opfer bringe. Segnen wir darum Jede Gelegenhelt,
die es uns mdgllch macht, dem ftussem Dasein uns zu entwindea
and unsem Sinn auf die unrerglingllcbea Gttter des hdheren Lebeas
an riehtenl Ujid wenn nun eine Lehranstalt nach dem geringea
Maasse ibrer Gabea and Krtfte sich dasu als Filbrerin anUetet,
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Sebalredeo. 387
80 wird sie einer freiidfg>en Aafnahme In etner Stadt gewMlg
sein dilrfen, die ^erade bei dem VovAuge einer f IticUlcken BUttke
ohne solche Weckung'smiitel In Gefahr steht demjenig'en Leben
enifremdet zn werden, das am Ende dock allein die wahre Be-
frledigun^ ftir Herz and Gemiith ^w&hren kann. Und wenn iek
denn nun offen yor dir, liebe Stadt , bekannt kabe, was wirwol-
len, was wir, wenn GottGnade gibt, erstreben, was man damn
ancb von nns fordern darf : o so dUrfen wir aack wieder frel und
offen bekennen, was wir erwarten, was wir wttnscken nifisseB.
kk will es freudig sag'en , Ick weIss , es findet eine gute StiUte.
Es 1st zam Ersten und Hdcksten die Aehtung vor dem kohem
Leheuj vor der Wissensckaft, vor allem emsten Lernen nkd
Erkennen, das sein Ziel and seine Frackt In einer H6ke kat, die
das Irdiscke Leben mit seinen Sorg'en and Bedttrfnlssen welt kinter
sick l^st. Vergiss es nimmer, tkeure Stadt, dass die Wissen-
sckaft die Mutter aller Erfindungen ist , sckau ikre M ackt im Laafe
der drei letzten Jakrkunderte und werde Ikres ganzen Sevens inne,
wie er in der grossartigen BItttke aller Kttnste, die das Leben
versck6nem and seinen Genuss erkdken, der Industrie und aller
Gewerbszweige in staunenerregendem Maasse zu Tage liegt*
Und wenn der Ausspruck wakr Ist, den ein Naturkundiger nnserer
Tage getkan kat, dass jetzt kein Tkron so fest stekt wie der
der Wissensckaft, so filkre deine Sdkne durck das Tkor der
WIssensckaft ins Leben ein, und ikre so gewonnene Kraft and
Einsidit wird allem Wandei und Wecksel des irdiscken Lebens
glttcklick widersteken. Es ist zum Andem die gerechte Wiirdi^
gung des unhereehenbaren Segensj der in der Bildung und
Er%iehung der Jugend liegt. Es sckwebt ein lieblicb Blld vor
meiner Seele von einem sckonen Leben, wie es In deiner Mttte
war, wie es — vielleicht nock ist: ein traulicker, gemlitklicker
Familiensinn bei grosser Einfackkeit des Lebens , ein Innfges An*
sckliessen und Zusammenkalten im Gefiikle lebendiger Gemeinsckaft,
der durck Blutsverwandtsckaft und gleicke Interessen Verbundenen,
ein wokltkuender Wecksel ernster und rttstiger Arbeit mit sab-
batklicker Ruke. Hat vielleickt der rauke Hauck einer Alios
verflacktigenden und entfremdenden Zeit diess sckdne Bild getrfibt
Oder entstellt^ o so erneuere es bald mIt aller Kraft and fnkre
es wieder in deine Hauser ein. Da sitzt die Jugend, die mil
der Erbsckaft deines Namens und deines Segens kinauswandern
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398 Sckttkdkm.
11114 nach dir wohneii sM hier, oder anderswo hi den Hfittf H n^
seres theuren Vaterhndes, o ffihre sie hineia in jeae ImU^ esi^
si^wQndene Welt and g'ib ihnen das als letzten Se^en niit avf
ihren Lebensweg'^ Usd dQrfen wir welter wunschen, so bitten
wir nni jene Offenheit und AufrichiigkeU in Wfinsehen nnd Ur-
theikn, die ein rechtes Verst&ndniss and elne llbereinstinnnettde
Leitan^ der Jag^end erkichtert und beCdrdert. Unser Maass in
Wissen und Kdnnen ist endliclK and beschraolEty aber u,nser Eifer
und Wille rein and lauter hin^egeben dem Tagewerke, das una
befohlen ist and das wir niit Be^isterung' vollziehea; wir'geben
«B8 offen und ohne Rfteldialt wie wir sind und hoffen so jenes
Vertraaena sicher au sein, das Jeder 2eit anTerhohlen nacii Her-
zensmeinung zu uns redet. Geschiebet aber das, dann wird die
fdrdersamate Untersiutsung mit Wort und That vns nimnier
mangeln, und Haus und Schale werden in Vollsiebung ibrer ge-
meinsamen scbOnen Aufgabe Hand in Hand geben.
Daau sei mir gefrfiast, du liebe Jugend dieses Orts and
dieser Sehole, der ich von non an meine Kr&fte widnien solL
Icb komnie su dir mit dem l&ngst geibten Wahlspruch: was mein
ist, das soli euer werden. Was ich. von allem Grossen and
Scbdnen in der Welt in eigener Seele enipfunden and eriebt,
was ich ans dem tiefsten Wahrheitsbome , den es gibt, gekostet
nnd an den GeistesschHtaen einer reichen Vorwelt in kdstlicher
Arbeit mir selbst gewonnen babe: ich gebe es freudig dir nam
Gemeingut bin, nimm's und eile uns damit voraus. Ich will dhr
stets nach bester Kraft und Einsicht im Glauben und Im Wissen
ela Ftibrer sein zur Wahrheit und zur unyerf&lschten Lanterkeit,
ich will dich warnen vor Trug und Schein, ich will dich hassen
lefaren die Gemeinheit und die Lllge. Sei folgsam, liebe Jogend,
sei fleissig und sei treu; bist du das, dann soUst du einen gtttl-
gen und milden Filhrer an mir haben, aber mdge auch nie die
Stunde kommen, wo ich dem Leichtsinn eder Ungehorsam, wenn
er nach alter Feindesweise dich beschleichen sollte, ausSchwach-
heit zu deinem Verderben Raum gestattete. Lass Offenbeii and
Wahrheit die Seele unseres Bondes sein, dann segnen wir ge-
meinaam einst die Stunde, die uns zusammenfuhrt.
Seid mir gegrOsst, theure Mitgenossen an der Ari»eit, ge-
grOfiset mit dem innigsten Geffihle fr^udigen Vertrauens! Ich sehe
j« in diesem Kreiae die treo bewidurten, yon Dank und Achtong
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Sdiolreikii. 9B9
U«r umrhi^ii Zen^i efaier frOheni Zeit*), ich sehe den nil
en^ yerbundenen Gefilbrten einer iiieht knraen, aber schtaen,
fllr uns selber seg^ensreichen Wirksanikeit *) , icb sebe die firl^
schen, jugendlichen Krftfte, die inni^ wertb ^ehaitenen Glie-
der unseres neuen Bundes ®) , alle vol! von Hin^ebong* nnd Eifer
for unser gemeinsames Wirken. Gebe denn die begeisterte
Freade aa der Wisseiischaft, die liebe aa der tbenern Jug^nd
lind die hdhere Einigkeii im Geiste das rechte Band der innigsten
Gemeiaschaft vnler uns. Hier mdne briderlidie Hand zam treoen
Bande, an einer schdnen, von Gottes Gnade gesegnelen Wirk-**
samkeit!
Ich erflllle eine liebe Pflicht^ die mir kraft meiaes Antes ob*
liegt) nnd fiiliredir, theare Versammlimg', dir, liebe Jagend, die
neaen Ldirer dieser Anstalt ror. (Hier erfolgt die Vorlesiin^ der
Bestalloflgen and die Ekiftihrnn^ der Eiazelnen.) Sie kommen nit
Vertranen and Liebe za dir, theare Jag'end, sie widmen die an-
getbeilten Kr&fte ihres Lebens deiner Bildangr, sie sachen ihre
Freade and ihr Gliick in deinem Fortschreiten andGedeiben, eile
ibnen jederzeit niit Achtung and mit Folgvamkeity mit Liebe and
tnit Wiliigkeit enigegen I
Dock nun rede icb nicht mehr allein fOr micb, wir sind in
Einen Geist and Sinn vereint, in dieser Gemeinschaft ruht ansere
Kraft, robt aller Se^en anseres Thans, — docb nar, wenn ef
Ton oben komnt. Da trener Herr and Gott, ist Wahrfceit in
nnserem Wollen and Streben, ist lauter unser Flefaen in diesei
scbdnen, feierlicben Stunde: o so erhdre es and gib dem Weiice^
das wir heote beginnen , Segen and Gedeihen. Der da die Well
errettet bast and ihr das reinste Licht gegeben, der da auf iet
seligsten H<>he dieser Erde das Panfer des Friedens aufgepflanzt,
dass unter seinem Schatten deine Volker wol^nen: hier ist audi,
eine Pflanzstfttte delnes Lichts, hier eine Jugend, hier eine
Scbaar, die dich sacht, hier Arbelter, die das Work des Friedens
4) Sabrector Dr. Dittmann nnd Collaborator Dr. lessen; HAIfslehrer
Kuhlbrandt wurde an dem Tage aU liebenter ordentlioiier Lehrer ^m-
gefuhrt
5) Conrector Schmnacher, bisher Subrector an der Domsohule in
Schleswig.
6) Dr. Ang, Mommsen, funfter, and W. Gidionien, seohster Ldire
der Anstalt.
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400 Sdivlreden.
ndcliteii treiben — g'ib^ angerm tbeiireii Vaterlande, g\h dleser,
Stadt und dieser Sehule des Friedens relche Frucht, der Arbett
reichcD Segen!
7) Der Wtg zom Wahrea dnrcli das Schdnr. *)
Unsfere heatigr^ Anfg'abe ist beendig'ty Versuche sind ^e-
macht MTorden im Vortrage eigenen oder aogeei^eten StolEi aaf
alien Lehrstafen , in jedem Alter des hier verfammelten Krebes.
Aber was ist denn eigentlich) fragen |wir uns zam Scklosse,
Zweck and Zlel dieses ganzen Vornehmens gewesen? Wamm
haben wir uns seit Wochen daranf bereitet and schliessen nun un-
sern Lehrgang* Im alten Jahre damit ab ? Etwas so ganz Geringffi-
giges und Unbedeutendes muss es doch nicht seln^ und wie kdnnte
es das auch, da es sicb gerade um die Darstellung eines Inner-
lichen and Gedachten, um die angemessene ftussere Mitthellung
elaes geistlgen Schatzes, um die schdne Form far einen schdnen
Inhalt handelt. Dem Geiste sein innerliches Besitzthum abzuringen
und sein reiches Werk an das LIcht za fdrdern , ihm eine Spracbe,
eine Form za geben, die jseinem tieferen Inhalte gemiss ist; so
dea Geist selber reden zu lassen und das Innerliche unmittelliar
zu einemAeussem zu machen, das ist einschones, heilsames and
anziehendes Thun. Was einst dieser Lehrst&tten sebdne Inschrift
war, das mabnende und lockende: sapere ac fari^ Reden und
Denken, bier w&re es in einer Spitze zusammengefasst, wean
es uns gelingen wollte wllrdig solcher Aafgabe zu genilgen.
Und das, warum sicb alle Rlithsel der Menschenbrust bewegen,
die scheinbaren Gegens&tze des Aeussern mit dem Innern, des
Geistlgen mIt dem Leiblichen, des Ewigen mit dem Verglingli-
chen, des Gdttlichen mit dem Menschlicben zu verelnbaren und
auszogleichen, hier w&re es In Eineni Puncte und auf EIner Stufe
geldst and wir h&tten ein wardiges, sch6nes Ziel erreicht Was
kann es Wttrdigeres geben, als wenn das geflttgelte W'ort die
rasche That des Geistes yorfiihrt and den blitzschnellen Gedanken
fes-
1) Gesprochen zam Schlnsse des Rede - and Declamationsactus in dem
Hdrsaal der Flensbarger Gelelirtenschale den 22. Decbr. iS4S.
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SclmlredeD* 401
fetselt , dass er ror dan Geiste des H^^rs zo rnhtg^er Betracbtang*
eheWeile still slehtl Und dflrfen wir nfcht gretrost sag^o ^ dass
wo dieses Verh<niss xwischen Wort and Gedankeo in der entspre*
cbendsten Welse lienrsclie, die VbUkammenheit geboren sei?
Aber es gibt ^ine doppelte VolH^onmienbeit , die eine 1st
die der Form, die andere die des Inhalts; jene nennen wir Schon-
heit^ diese fFakrhett. Aber belde sind nicht gescbleden, riel-
mehr onzertrennbar and in ibrem WesenEins, nor der SUndponct
der Betracbtang tst ein anderer. Wie der doppelte Weg des
Odems In nnserem Leibe anerltesllcb, so auch die Bewegnng
nnseres Geistes ron nnten nacb oben, von Innen nacb aussen
nnd wieder zarilck. Die Wahrbeli and die Schdnheit liegen, wo
die Sch&rfe der Sinne und Gedanken sicb beg'egnen and znsam-
menstossen. In feiner Grenzlinie, und mit Recht darf man sagen:
wIe die Scbdnbeit das Gelstige am Sinnlicben ist, so die Wabr-
belt das Sinnlicbe am Geistig^n. Das sInd aber entlegene und
scbwerHdlig bezeicbnete Wabrbeiten, womit nun nocb naeb allem
diesen Sinn und Geist zu bescbweren yom Uebel ware. Icb will
yielmebr nnr Eine Wabmebmung In concreter Lebendigkeit und
Anscbauung vorfiibren, eine solcbe, die fOrunser Tbun und Trei-
ben von entscbeidendcr WIchtigkelt ist. Denn ob wir gleicbdem
Schonen nacbgeben, wo wir ea finden In Rede und Dicbtong:
nnser letztes Streben kann es dennocb nicbt sein , yielmebr baben
wir da die Wahrheit Im Auge. AlleIn diese ist einespftte, kdst-
licbe, aber nur In Ibrer ydlligen Relfe genlessbare, darom scbwer
zu erlangendeFrucbt; aber wIe der herbstllcben Fmcbt eine Frllb-
llng^bliitbe y4>raufgebt, die uns mIt ibrem Duft und ibrer ganzen
Lieblicbkelt anziebt, so gebt der Frucbt der Wabrbeit die Bltttbe
der Scbdnbeit yorauf , und wir soUen und mOssen es uns yer-
gegenw&rtigen und einpr&gen: Durch das Thor des Schonen
gek(s in die Bahn der Wahrheit hmein; oder, wie der Dicbter^j
es ausgedrOckt bat: Was wir alsScbOnhelt bier empfunden, wird
einst als Wabrbeit uns entgegengebn.
Es bat eIn gauzes Volk gegeben, Hebe Jugend, das trug
der Scbdnbeit Stempel und Gepr&ge auf seiner Stim , das bat
des Geistes scbdnsten BlUtbenstaub tiber den europliiscben Frucbt-
garten binlibergewebt und ausg^streut^ so dass, nacbdem es selbst.
2) Schiller in den Kunsilern.
Jj^hker, ges. Schriften. 26
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402 St-fcolreien*
dcr Bkime ffleich, die, j* iiic4ir sie glilttxt mid pnngi^ in eUieiii
frUheii Tode dahinwelkt, lan^^ ab^estorben imd die relfc Yrvdii
von Beinem Basme gefaHen Ist, tfberall Bocfc die ans^worfeiieii
Saamenkdrner aufgehen und an das WW der orspwrlinfflicheB Br-
Bcheinun^ erInDern. Ki»mm mil mir im Getsle an die Wieg-e dieses
Voiks, da will ich dir ein tielilithes Gemftlde zeigen, wie's eiiie
Deutsche KuBsileriiand ^eschaffen , um den Strom des g^anzen vlel-
bewegten mi reicbbegabten Lebeit dieses Volks and Einer Qselle
abzuleiten. Inmitien einer zahtreicbeii Gruppe, an Ufer jener
flcht- nnd klangvollen Gewasser, die die Anmatb von Heflai
«d4 Kleinasien erii^ben, den Hintergnmnd b«deekt mit starreii,
vnbewegten Felsen, dem Gegenbilde jenes nnsleten, roheloses
Elements, siebt der lilteste Barde dieses Volks, die Linke hoch
empor geboben, die Leier in der recbten Hand; er stng't tm
des Pellden Zorn nnd von der Irrfabrt des Uljsses, und Alios
ipliigsum scbweig't und bdret laiiscbend zu. Ans sefnem Mande
geben der Sdi^nbeit ewlg-e Gesetze ungeabnt und ttnvermerkt ins
voUe Lebeh ein , und auf demselbeB bauen sick vor unsem Av^es
die Gruttdlag'en des Recbts und des Lebens, des Guten und des
Wabren auf. Tief simiend silzen recbts an seiner Seite drel
Ordaer und Gesetzgeber b^irgerlieben Lebens, wie sle In Sparta
und Atben das Urgieprftge sdiufen, das necb zum Gninde li^n^
in der miibevollsten Arbeit der Geg-enwart; daneben lag'ert «lck
ein Krieger, die Hand auf seinen Speer gestoizt, indese Sduld
undLanze friedlicb neben ibm Im Grase ruben; dablnter , an zweier
alter Pinieir Stamm g-elagert, die KOnstler, die mit Hammer,
Meissel und Pinsel arbeiten , zur Seite boK^tbronend ^ie Muse der
Geschicbte, die jede Tbat mit ibrem Griffel tIef in die Tafel ^iibt,
und unter ihr eine borcbende, lernbegierige Jugend; zu seiner
llnken Seite knien iTic Slinger, die seiner T5ne reicbe Welt ttber
Aleer und Land fortiragen und des Meisters Work tiben soUen,
wenn sein Mund verstunimt ist Dakinter steben mitbalbwe^
ab^ewandtem Blick die alten priesterlicbenf S&nger; sle ilber|r«-
ben Ibm den Schatz der alien Sage, von dem nun Ibre LeIer
schweigen darf ; am Rande endlich lauscbeit ^bst mit Meer-
scbaufel und mit Hirtenstabe, die ats Schlff^r und als Hfarten hi
ies aussem Lebens Dienste steben. — Kein Zweig des LebeM
also, verstebt und beberzlget wobl dieBedeutun^ dieses sfnni^eii
Gemaldes, kein Zwelff des Lebens bleibt bel diesem lebensfirlscheB
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ScMrdteii. 403
Telke rem Gefste ie» Scb^hMo unberfthrt; itig hat Allem sein
Resets elngtprAgij ta ist augrleich bei Hmi der Inbe^f ikes
fii^ff) des Sitth'ehea mid des Wabren gewarden* Und die reidiste
FMte glAnaender Kvnstei^ev^kise in Bild und Rede glng darans
herror) mR deren einerBftlfle wir noch fannier aas bei^er Ueber-
aeo^iing van selnem bdchsten Wertba enre jng^endllchen Seelcn
on befrn^hten nnd anazabilden beflte&Nsn sind.^
Was ist denn aber das fFesen^ das Ge$0tz 'des Schonen
in dieser Men^rdieliwelt? wann ist sein hohes Zi^/ erreicht? Wenn
das Unsichtbare In die Erscbeinnng^ tritt, wenn Weeren nnd Begriff
einer Sache znt Anschaanng kommt nnd wenn dabei efne rdUfge
Ueberefnstifnnrang herrscht zwfschen dem Bilde mid def darge-
i^Hien Sache, so welt nar irfend das Slnnliebe den geistigen
Gehalt in sich zu befassen nnd anszndmcken Im Stande Ist. Kann
denn aber der Umkreis dessen, was in nnsere Sinne fllK, die
ewlge Welt des Gelstes nnd der Gedanken bemessen; kann die
arme Menschenspraehe, kann der Marmor nnd die Leinwand das
unsichtbare Werk, das keine Zeit, kein Raum umseliliesst, ganz
in sich tragen ? Platon hat es nor zu wohl g^filhlt nnd rerpflanzte
darum die ewigen UrbUder des Schdnen nnd des Wahren In ekie
hdhere Ordnung der Dingey wmm er das Ildchste dafzusteH^
'unternahm, fahlte- er die Armuth und Unzulftnglichkelt der ge-
wdhnliefaen Darstellungsweise und bediente sich des dichterischen
jMyUros. Und die ganze hellenische Welt hat sich mfid' und matt
daran gettrngen und hat doch das Ziel Ihres Suchens und 8trebens
nleht erreicht; sie hat es tief erkannt-nad empfunden, was darin
far ein ungeheurer Abstand ^wiscfaen des Menschen Kdnnen und
des M^ischen WoUen ist, und steht mit beredtem Zeugniss fnr
nns AHe immerw&hrend als warnende Mahnung da. In diesem
Bewusstsein eigener Ohnmacht aber haben sie die Form Immer
liiiihsanier gesucbt und immer welter von sich gestossen, hnmer
enger an sich Ziehen wollen und zu ebiem immer Ferneren und
Jenseitigeren gemaeht, und je tiefer so die Kluft wurde zwisohen
Bild und Begrlff, zwischen Wort und Gedanken: desto mehr zeg
fidch aach die Wahrkeit In unerreichbare Feme zurttek.
Und ble11»t der Mensch denn in diesem steten Jageti und
die Wahrhelt auf «teter Flucht vor ihr? Kommt sle nicht end-^
Heh sus Ihrem Jenseits hernieder und kleidet sich selbst In diese ,
arme Stcbti^rkeit? Nur dann wird's nrilglich sein ihr recbtei
26*
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404 Scbulreden.
Bild und ihre wabre Gesialt zu 6nden. Ah aber die Sebasojcht
aof ihrer Hdbe stand and die Zeijt erfoUet war, da ist sie ge-
komnien zur rechten Zeit und in der recbten Weise« Wie aber
ist es mO^licb, wird man fragen, dass so das Ewige znm End-
Hcben soil selber Irommen konnen; nicbt wahr, das eheit begreiti
man nicbt? Und docb bast du ein klelnes Abbild davon fast
unter deinen Handen, liebe Ju^end, mit dem du Ta^ fOr Tkg
verkehrst, so klein und unscbeinbar, and docb so reicb and be-
deutuogsvoll J das kann dir dieses Rlitbsels Ldsun^ g^eben. Was
ist das — sei du niit ernstem Sinn um diese Deutungr an^e^an-
^en — was fein und zart, dem Auge sicb entziebend, yon keiner
Hand beriibrt and docb im Kreis der Sinne sicb beweg>end, eIn
Geistiges and Leiblicbes zug'leicb, das Tnnerste und Unsicbtbarste
dir offenbart , was eine Menscbenseele erzeugen kann , das wie
ein zarter Haucb, flQchtig und unstat, mit Blitzesscbnelle dabin-
eilt and docb so fest im Herzeii baften , die Pulse deines Lebens
enregen, die Glutb.auf deine Wangen treiben, dicb durcb and
durcb erscbiittern, and wieder die Wellen deiner Brust wie das
wlldtobende Meer zur sanften Rube bringen kann? Es ist das
Wort O lass mick nocb einmal dicb an des Worts, der Rede
ernste and tiefe Bedeutung mabnen, dass du allezett frdblich and
emsig mit ihm umgebest^ es deines eifrigsten Strebens GIpfel
uQd Krone mogest werden ladsen, du birg-st einen reicben Scbati
darin. In ihm knupft sicb das N^cbste und Be^annteste an das
Erbabenste and Fernste an. Bedenk' es wobi, wie es davon in
seiner bOcbsten Erscheinung and Bedeutungbeisst: Im Anfang* war
das Wort und war bei Gott und Gott war es; da bast da des
Ewigen ganze Fiille so wunderbar in irdiscb * sicbtbarer Gestalt.
Und dieses Wort ward Fleiscb and wobnete unter uns und wir
saben seine Herrlicbkeit. Aber Er kam in sein Eigentbum and die
Seinen nahroen ibn nicbt auf. Das ist das Scbone, das ist des
Wabren eigenste, yollkommenste Natur; man siebt and keiint,
man abnet und erfindet's nicbt.
Willst da den ganzen Abstand dieser bimmliscben Einfalt
and jenes irdiscben Scbimmers sebn, den Tboren.ScbOnbeit sen-
nen : komm mit niir zu einem jener Prunkpalfiste der Sieb^nbag'd-
stadt, von dessen Zinnen scbon ein btendend^r Glanz deln Aage
triffl; du trittst durcb die mit des Orients Bltttben and Diiftei
reicb aosgestattete SUnlenhalle ins Innere der Gem^cber ein, dein
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S<;holredeii. 406
Fuss will a«f iem spfeg^el^laUen Mamior ^leiteD, dein Auge
verllcrt sich in ^es reich^etafeken Estrfchs bunter Pracht, die
weiche Fallc der Purpnr-Teppiche ladet dlch zu wolliisti^er
Ruhe eln, dein Ohr entzQclct sich an ferner Floten lleblicbem Ge-
ton, indess die Luft tim dlch von Strahlen kahlen, duftenden
GewSssers, aus hohen, wunderbaren Gestalten rinnend, sich erfrlsch^
und an den WHnden ringsumher der Kunst viel^estaltlg^e Scho-
pfung^en In ilberstrOmender Fiille sich la^ern : und wo Ist die Llebe
und die Freude bei all der Herrlichkelt? Hier Aizi die Selbstsuckt
auf dem Throne, hier herrscht der in des Lebens Ueberfluss nie
erschdpfte und nie ^es&tti^te Erfindun^sg'elst, und all dieser Glanz
Ist nur ein ttbertttnchtes Grab. —- Koinm niit mir welt von dort
an elnen entleg'enen Winkel der Erde, da findest du die relchste
Liebe In Ihrer armselig'sten, unscheinbarsten Gestalt. Tritt uilt
mir eIn In einen welten, (>den, von Menschen sonst nlchtbewohn-
tenRaum; es Ist Nacht und rlng'suni felerllclie Stille , eine Mutter
bettet ihr KIndleIn In eIne un^ewohnte Wle^e und tiber derselben
breltet sich ein ung'ewohntes Licht, eIn neuer Glanz, und es
ertdnt ein nie ^ehdrtes Lied, und es herrscht eine nie gekannte
Freude Im Himmel und auf Erden. Und dieses Kind In dieser
armen Wle^e, auf diesem stillen Mutterschooss, an. dem sich
eines Raphaels und Corre^^los PInsel Unsterbllchkelt errun^en,
an dem sich tausendfach des Ktinstlers Meisterhand versucht und
das sle doch nicht auszumalen vermochthat, ^ es ward ein Mann
und stand einmal vor eInemManne aus jener Prnnkpalaste einem;
der seiber ward von eInem helll^en Schauer durchbebt und musste
sprechen: Seht Mrelch ein Mensch! und st^nd mit seiner neu^le-
tlg'-gleichgmigen Fra^e: was Wahrhelt sel? nichts ahnend vor
dem, der selbst der Weg^ die Wahrhelt und das Leben war.
Und was aus seinem Munde grlng", was er vollbracht fiir die Welt —
das war des Schdnen und des Guten und des Wahren voUkom-
menster und reinster Inbe^lff, war alles Lebens hdchste Krone.
Wir tretcn heute Im An^eslchte unseres nahen, froh be-
^riissten Festes im Geiste zn diesem Weihnachtsklnde getrost
und frohllch bin, damit es uns in unserem Streben weihe! Dass
wIr nun eine Quelle haben, wo mehr noch fliesst, als was jener
alte Beide sich erbat, dass Ihm znm Guten auch das Schdne noch
verllehen werde, dass uns das g'rosse Rathsel enthdllt ist, wie
zu dem Schdnen auch die Wahrhelt sich geselle, und dass elost.
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406 Sehnlreden.
wenn wiy uns hier, wo die Aii^eB BeKg ^4^ die iifclit ^hen md
doch gtattben, am dieses Kleinod mtid' nod matt geriifl§ren hakes,
der Tag anbriclit, wo die ewige Wahrbeft «W3 vdoi GlattbeB
zum Sehauen ftibrt: das sei nnsere schdnste, reioste JFeiknaekts-
freudel Und dass wir in diesem Streben pacfa nnserem Ziel, aaf
diesem Wege dureh alles Schftae awr Wabrhett Us^ Ut dieser
Zurersicht des Suehens und Findens nie matt nnd kalt nm4 Ian,
nie zweifeind und veraagt, iiie trotsig und Tttwegen werden
mdg«tt " nebnii das ais Vorsats mit in eurer H&ttser nni earer
Lieben stillen Kreis hinein, rom aUen in das neue Jdirbfnober —
das, das sei ftir Euch und uns d^ reicbste WeihuachU^egem!
8j Neujahrs - Anspracbe an die yersammelteB SebQ-
ler der Flensburger Gelebrtenscbale,
d. & Januar 1849.
Als in der Neujabrsnacbt die Kfrcbeni^oekeB mit sBwdlfna-
Wgem Rufe das Scbeiden des alten und den Anbruch des nenen
•bhres verkttndigten, da ginff ein ernster, gewaltiger Zog^ durdi
die Seeien der Menscben rings nm uns ber, ernster und g'ewd^
tiger als yielleicbt je zuror. Ein Jabr der gewalti^ten Erschilt-
ternngen, der grossartigsten Umw^zung^^n, der erbebendsten
Hoffnungen und der demfitbigendsten Erfabrungen liegt bmter uns;
ein Jabr, in wekbem des Krieges Donner nabe yor unseren Ohrra
roliten, wo yiel Menscbenleben yon des Feindes Gescbossea ver-
niebtet oder serkniekt oder bedrobt wurden, wo wir outer dcm
fernen Brausen des Aufrubrs und dem nahen Getttmmel der Kriegs-
scbaaren gesebnt und geseufat, geboift and gejubelt, geweiat
vttd gejammert haben; wo wir dennocb am Ende littem musstea
urn das Efne, was Notb tbut, yoll der Sorgc, dass uns «Bacr
bestes Tbeil in dem Gewbrre des Lebens, in unserer Seeien atiiem-
loser Spannung mdgte entrissen werden, dass wir uns selbst
vcrUeren kdnnten, und damit den reinen, ungetrdbten, Iknllgei
Friedcn in unserer tiefsten Brost. Und dieses ame, gejagie
und geplagte, ron Lust und Schmeni so tief dorcbdrangeiie Jabr
ist dennocb ein so relcbes geworden ftir unn AUe, and wenn anck
nicbt an Gllick und Rube diesar WeU, qo dock m Uhfe and
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Scholredeii. W7
Mahpin^^ iin wahrhafian Gewnm Tttr iinsern inneni Menschen.
Bm :9oH 4eiiii audi iiiisere Beute sein, iiiit der wir hiBiiberziehen
w^l0n,¥Mi aUcB in das neae Jahr, und stellcn uns darum in
dies^ Srstiiogsstunde unserer wiederaufgenorameBcn Arbeit nock
ekmaL linfer die Pforten des alien Janos mit seinem Deppelaa-
^emeUe, ufl sehen bei dem dicssmallgen Jabrcswecbsiel eben
so wic einst in seinem uralten Tempel m Rom die Volker-
sdiaaren anm Kfieg und anr Berathung in ruhelosem Drangen
nnd unst^ar Hast bin und her Ziehen- Unser Hoffen nnd Wollen
ist oft anf die steitete Hohe ^estiegen im Laufe dieses alten Jah-
rcs, und nun an seinem Ende scheint es so tief beugend, so leer
an Hoffnun^, so arm an Muth zu sein; das Ziel der ungeheuer-
sten Anstrenffung^B liegt noch in weitester Feme oder ihr Werk
zerschellt an Menschenwahn und zwiespalti^em Hader. Und ge-
sctKt, es h&tte derStaaten Glttck und der Biir^r Wohlfahrt nicht
das Allermindeste dabei gewonnen und es ware der Brfol^ aller
Arbeit des ^anzen Jahres in Frage gestellt: o um dichallein, du
liebeJug'end, wftrde mich das alte Jahr erfreuen , um deinetwillen
wiirde ich es beim Abschied segnen und es mit trautem Friedens-
rufe grussen: Fahrc wohl, du altes, licbes, rciches Jahr 1848!
Man hat es dir nachgesagt, Hebe Jugend, du seist kalt
und matt 5 es fehle dir der warme Sinn und ernste Wille; ein
angeistrengtes, stets sich wiederholendes Lernen babe dich gleich-
gftltig und schlaff gemacht und das Wissen von VIelem und Ver-
sehiedenartigem babe dir das lebendige Interesse gelahmi , so dass
unterschieds- und theilnahmlos AUes, auch das Schonstc und
Wichtigste, an dir vorubergehe. Ist es so gewesen bisher : das
nun verflossene Jahr hat dich auf keinen Fall darin bestarkt oder
dich auch nur darin belasscn; da gab es ein gewaltiges Auf-
riitteln aller Sinne und Krafte, ein lebendiges Partheiergreifen,
das selbst ins Innere der Familie drang und so auch hingelangte,
wohin es lieber nicht gesoUt, his zarte Kindesberz hinein; da
gab es eine Freude an geschichtlichen Grossthaten , ein Hangen
aa vaterlandischen Bildern und Erinnerungen, da schien's als soil-
ten w\r Ton neuem lieb gewinnen den mtttterlichen Boden , darj^uf
wir stehen, als wiirde uns das theure Land, darin wir lange
friedlich wohnten,' wieder neu ffeschenkt, gerade wahrend seine
Ktisten den Feuersdhlund der Geschatze weit geftffnet sahcn und
seine s^dnsten WIesen und Hfthen zu Lelchenfeldern wurdcn-
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408 Schttlreden.
Ein yerjflnge&der Hauch ist durch onser ganzes Vaterlaad ge-
druD^en nod hat alle Si&nde , Kreise and Lebensalier mtt elnen
ireuen Geist erfollt. Derselbe ist auch zu dir gekemmen, Hebe
Jogend ; nun hat doch aoch wohl far dich alles Wissen uiid Ler-
nen, alles Leben und Streben einen erhdheten Werth bekonmen.
Darum werde frisch und wacker^ ziehe straff die ZUg'el deines
Geistes an and erfasse jeden wiirdig>en Gegenstand in Sprache
und Wissenschaft, der hier dir geboten wird, mit Ernst und Eifer.
Ein Leben, das arm ist an Ideen, das sich liber die niedere Sphlire
des alltSg-lichen Lebens nicht erhebt, das von keiner Beg^eisterung*
bewegt wird, die iiber das jSichtbare und Endliche hinausrai^^,
ist nicht des Lebens werth, ist hohi und trtibe. Lass dich darum
durchgltthen von eineni Hauche schdnen Feuereifers, tritt mit
offenen Sinnen in das Reich der Natar wie der Geschichte, ent-
zttnde deinen Geist an dem Schdnsten, an dem Besten, an dem
Wahrsten , was dir sich darbieten kann. Dana wird es dir leicht
werden, eine andere Forderung zu erfiilien, die auch an dich mit
Ernst geniacht wird : Sei^ was du Jiht und aein soUstj gansi
Man hat es dir oft vorgeworfen, du seist in unserer g'eg'enwilr-
tigen Zeit nicht Knabe und nicht Jiingiing* genng; du br&chest
dir die Fruchte unzeitig'er Genttsse, die cinem sp&teren Alter
ziemen; es fehle dir der harmlos unbefangene Sinn, der g'eme
geniesst, was filr ihn sich eignet, und gern entbehrt, was sich
nicht schickt. Der Knabe splelt und sinnt und schafft und trUumt,
und ist in diesem seinem Thun so giOpklich; erhorcht undlauscht
und schlttrft in seine Seele ein, was Aug^' und Ohr ihm letzt,
was seinen Geist erregt und befriedigt; der JOpgling^ baut und
schwarmt, entztlndet und begeistert sich am edlen Stoff und Ilisst
sich nicht durch des Zweifels kalte Hand , nicht durch des Un-
fflaubens und der Bekrittelung starres Wesen in seinem Streben
und Erkennen stdren. Sei beim Spielen wie beim Lemen mit
deiner ganzen vollen Seele, gib dich kindlich unb^fangen Mb,
sel voll Vertrauen fttr die, die dich leiten und lehren, sel mit
Einem Worte Jung in deiner Jugend! Wenn wir denn auch in
ein dunkles, ungewisses Jahr hinausschauen , das unserem Acker
den Pflug and unserer Arbeit die Hand entziehen und abermals
den Boden hier und dort den, Strom mit theurem Blute ftUrben
kdnnte: — wir haben unter allem Wechsel, bei allem Sturm und
Wetter Einen Vorsatz und Eine Zuversichtl Wir Icgcn die Hand
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Schalreden. 409
an iiDsern Plug' and sehen uns nicht am, wir treiben emsig* and
g^wissenkaft das uns befohlene Werk, wir woUen dem grossen
ihenren Vaierlandc in anserer schftnsten ROstung^ dienen, das ist
fiir eacli and uns das Friedenswerli:, das wir hier treiben, and,
glaubt es uns, das ist der beste Dienst filr das Ganze, wenn .
jeder Einzelne im Stillen und im Klelnen an seinem Platz und
Tbefl vollbfingt das Seine. Wir baben Eine Zuversichti das ist
der refche Herr und Gott, der alle Dinge Icitet. Ob auch die
Menschen auf bohen Stttblen sitzen und ordnen nach ibrem Sinne
die Geschrcke der Vdlker; der in den Wolken tbronet, lachet
fiber sie und der Herr, Herr spottet ihrer, denn sein ist Anfang*
und Vollendung. Und ob sicb aucb in dem Dunkei der Gegen-
wart der Herr, der seine Kirche leitet, uns zu verblillen scheint:
o ^laubt es nur, Br wird nacb allem Diesen sicb st&rker offen-
baren denn je zuror ; wir baben nicbt unisonst vor zweien Tagen
in seiner Kirche den Tag* wieder begrQsst , welcher seine Erschei-
nung* im Fleische auf Erden verherriiebt, wo eben darum die
Kirche unter den Gnadenwirkungen des hei)igen Geistes freudig'
und dankbar des Worts und Evangeliums g'edenket, das durch
alle Vdlker iind Zungen iiber die weite Erde bin rerbreitet wird,
und das Er nicbt mttde wird seinen Menschenkindern verkQndig^en
zu lassen, bis dass alle Lande Gottes und seines Cbristi gewor^
den sind. Scheint sein Lauf dann aucb bisweilen einmal stille
za steben: der Arm des Herm ist unverkiirzt, bald wird Er
wieder kommen und sich offenbaren in seiner Tollen , unvergling'-
lichen Herrlichkeit. dass 4och fort und fort eln Strahl seines
Lichts auch in unsere Au^en und Herzen falle und uns erleucbte
und entzttnde ! Amen.
9) Neujahrs - Ansprache an die versammelten SchU-
ler der Flensbur^er Gelehrtenschule,
d. 7. Januar 1850.
Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, Seinen
heiligen Namen , lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicbt,
was Er dir Gutes getban hat. Barmberzig und gn^ig ist der
Herr, geduldig und von grosser Gtlte. Ich will dem Herrn
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410 Schulredeo*
. i^^en meiit Lebi^ii Img und meinen Ci^t loben, sci laa^ idi
bilk (n^afan 103, 1. 2, 8. 104, 3a)
Paa ist rOckhaltlos uird unamwiradeii das fruUiche Bekemii-
nfes, welches wir abznieg'en uns ^edrun^en fuUen mttsaeii Aa*
^i^slchtsDeiner, liehe Jug-end , auch ror dem nunmebr Terflossenen
labre, dessen vor dem Herrn, niiserm Goit, niit Gdiet ond Dank*
j^^uDg* su g^denken die erste Stunde unseres ZusamnenkonneBs
im neuen Jahre ans mahnet. In Enrer Seele, vnr E«retwillen
kdnnen wir das abgeschiedene Jahr noch mit dem Scbeidei^riisse
des Danlces und der Liebe segnend be^^rtfssen. Denn der Herr
ist Each gnadig* gewesen in so rielfacfaer Weise; und ob anch
das Leid, welches Er sendel 7ai ir^nd welcher Zeit, nlmmer
h(toe ist, sondein ein Wink trenesler Mabnung" utd ein Mittel
weisester Zu^ht in Seiner Hand : Euch ist Liebes und Gutes wieder-
fahren in diesem Jahre gar reicMlch, Leideft aber gar wenig. Ihr
wisset es znm Theil awar wohl : der Menschen gar viele , die da
draussen im L^en siehen und begreifen ernsten Sinnes die Zei-
che» dieser Zeit, und ron denen gar manche Euch wohl beson-
ders lieb und thener sind, sie haben schwer getragen an diesen
Jahre und vergleic&en es dem Feigenbanme, den der Herr yer-
flnchte, wei) er keiae Frtlchte trug, oder dem diirren Acker, der
die gespendete An^aat in kemer Ernte wiedergeben will , oder
dem unfrochtbaren^ tiefen und flnstern See, der Alles in sich
verschllngt, aber nkhts ans seinem Schoosse zurilckgibt Vlel-
leicht noch schwerer lanten die Anklagen wider ein Jahr, das
mit rlel Blut m^ Leichen , mit viel Op^ern an Arbeit nnd fi»t-
behruiig dennoch nach Menschenbediinken zn kekieni Ziele, so
keiner Rube gelangte. Und dennoch soil nlmmer gdeugnet wec-
den, dass es auch an seinem Theile der erhebenden und grosses
Moniente, der gewaliigen und erschiitternden Begebenheiten, die
mahnende Fingerzeige des lebendigen Gottes waren, gar vlele
geiragen bat. Wir wolten darum vor Dir besonders , Iiebe Ja-
gend, an dem alten Jahre lii^ber lernen als darilber klagen; es
ware wahrlich nimmer recht und gut, wenn wir Dir rauben woll-
ten, was Dein beneidenswerthester Vorzug ist. Die Bitterkelten
gehen ja so leicht und schnell an Dir roriiber, Du gleichst der
Biene, die munter von Blame zu Blame fliegend das SOsse nor
aus ihrem Kelche saugt. Was gut und seh6n und gro9S der
Gegenwart Minute Dir darbietet, das geniessest Ds in volksi
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Haasse, die Ge^enwart g^hdrt Dir an, so gnm mid TdlKg*, Du
rerma^t sfe aasznbetiten und Ihren fllicliiig^ii Gewinn tm haaches,
Ver^an^enheft and Zakonft — die R&ame , darin sich dea Mannes
Sinn 80 g^anz bewegt — Ueg'en Dir melsi nock so fern, n«r die
Vergnng'enhelt steht Dir bisweilen wie g'eg^nwfirilg' vor Deioea
Arischen Sinnen da. Wohlan denn, klage weder urn nodi Uber
das rerg'angene Jahr, aber lerne von ihm. Wir sind bier ja
nicht hinter dfcken Klostermauern , an die des Lebens Welle nie^
mals schl%t, wir sind bier niitten in dem vollen Leben and Ihr
kehrt alle Tage wieder durcb Enrev Famillen und HlUiser Kreig
ins frische, voile Leben ein. Wir kdnnen ond wir ddrfen Each
den Blick in nnsere Zeit, in die Gescblchte unserer Tage nidit
verhfiUen , ob ancb ihren iieferen Slan zn ahnen and f hre Beden-
tang Bu erfassen Each mindestens noch lange nicht g'egeben
ist.
Seht die verflossenen beiden Jahre an — ein nng'leich Brft-
derpaar ! Der eine war ein JUngUng vol) ttberscbwellend ktthnen
Maths; der jangle krilftige Weiii schien allzastark za glibren, es
seh&ante ttber, and dennoch war dieser edie, fearige Jaiiglhig
der ^nzen Liebe nnd Theilnahme worth.
Da ward ein anderes Jahr geboren, es war — ein Grek^
docb nicht Jener liebe, freandliche, ehrwttrdig^ Oreis, der kind^
lich anf ein froh and rein vollbrachtes Leben zarilekschaot; e»
war ein gr&mlicher, versti^rter Grds , der allza rascfa gelebt ond
damn seines Lebens Kraft and seinen frohen Moth verloren,
Lerne ^ lerne ^ Jog^end von dem inhaltrelchen Doppeljahr,
das Dir nnnmehr von Gott beschieden ist, ^^Seijung in Deiner
Jugendj^' lautete die Mahnang vor eineni Jahre im ROckblick anf
die damals verg^ang^ene Zeiti sie wiederholt sidh heate Dir mlt
erhOheter St&rke, sie mahnet Dich noch einmal: brich nicht die
FrOchte vom Banm des Lebens allza friih, aber leb' aoch nicht
stt rasch ond nngestftin, gib Dich dem schdnen FrttMing, der
Zeit der Knospen and der Bldthen Deines Lebens mild und harm-
log wiUig bin.
Und wenn nun aof den JUngiing der Greis so jah und rasch
g^olgt, was filr Hoffnung soil, was fttr Verhefssang wird das
komnende Jahr uns denn nin bringen? Es scbwebe Each and
ans aUen vor als ernes ganzen, voUen Mannee Bild; es lasse
unter der Obhut dessen, der auch den Zelten Maass uni Bahn
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412 Sdiolredeii.
bestfnunt) ans der stiimifgclien Begeisterung' nach Ilihniender Ab-
spaBDun^ die frische^ echte Thatkraft erblahen; eg halte iins und
uilgerer Zeit das hohe Ziel wahrer sitilicher Kraft und Starke
ror, oboe die das in alien seinen Theiieii niorsche Gerilst des
^vsseni Lebens bald rettang'sios zosammenbrechen wird ; es schaffe,
dass fm Starm der wild bewegten Dlnge unser Herz uns fast
werde, das aber geschiehet diirch Gnade. — Was aber soITst,
was kannst Du denn nllher dabei thiin , liebe Jug'end , niit Arbeit
wie mit Gebety auf dass Dein Antheil an dem DIr beschiedenen
Jabre eln reicher Segen werde?
Die cbristliche Kirche feiert am ersten Sonntage nach Neojabr
die Fhicht des gottlichen Kindes nach Aegypten. Die hocbbeg'na-
dig'te Irdische Mutter — so hoch, wie keine andere Matter mehr ^—
ffieht Yor einem Gnsteren Tjrannen in das entfernte schutzende Ber-
g'un^sland , sie rettet ihr Theuerstes nicht bloss, nein das Besie
imd ff(9rr&cA«/e Qberhaupt, was Brd' und Hinimel baben«
Gibt es denn keine ilfacA/e mehr In unsererZeit, vor denen
wfar zfl fliehen haben? Ziehen keine finsteren Gewalten darch
dieses Leben bin, die, aus dem Geist der Liebe nicht g'eboren,
das Mai der Knechtschaft, den Fluch der Sunde an der Stirne
tragren? Hat denn die Ltt^e und die Bosheit, die wttste Sncht
nach ftusserem Gewinn, derUn^laube und die Weltlust, die Will-
bdir und das Dnrecht, die Rohhelt und die T^rrannei keinen Raum
ndir auf dieser Welt? schweige, meine Rede, zu dttster
sind die Farben> die Deine Antwort fQr ein richti^es GemlUde
ndimen muss.
Oder haben wir kein Kleinod mehr, das wir berg'en mlissen
nit unserer Seelen emsig^ster Hut an einen sichem, ung^est6rten
Bergungsort? — Seele, lebst Dn noch und willst Du Dein hei-
ligstes, Dein unrer&usserliches Besitatbum gedankenlos verschleu-
dem? Das Brod, das DIch ernldirt, w&chst nicht auf dem wtisten
Boden dieser Welt, es gedeiht vielmehr In einer reinen, heitem Hdhe,
wohin das Dr&uen und das Toben von unten niemals reicbt, wenn
man auch solche heiligeHQgel getm ebnen oder in den Abg'rond stfir-
zen mdgte. Es ist ein Gut, das unsichtbar und unscheinbar, doch
auch unerrelcbbar und unttbertrefflich ist; es Ist in seiner letzten,
sdidnsten Frucht jener stille, heilige Friede, in welchem wir unbe-
fleckt und unstr&fUch erfnnden werden soUen yor dem Herrn (2 Petr.
3, 14,).
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Sclmlredi^ii. 41 S
Aher 8%ge mlr: wo ist der sichere Bergungsortj wo Ut
ein Zoar oder Pella, wohin wir den besien Schatz des LebeiM
flttchien sollen ? — Noch sind der yerborgenen und sicheni Oerter
viele da. Geh bin , wo bei den bellen Lichtern vom reichbesetz-
ten Gnadentiscb die Gaben immerfort g^espendet werden fttr Alle,
die berufen "sind y wo klar und rein ans nnrersiegier Quelle daa
Wort des Lebens strdmt, die Botscbaft Ton der heilsamen Gnade,
die f<ir Alle offen ist, verkttndig't wird, geb in der Kircke fried-
Jich siiilen Raum. Konim her in diesc gesch&fiig firohe, arbelts-
Tolle Werkstatt, darin gezimmert wird am Ban desGeistes, daas
er der g^ri^ssien Himnielsscb&tze treuesler Hiter und Bewahrer
dei, darin gearbeitet wird an jenem unsichibaren Reich der Wahr-
heit und der Liebe; komm in der Schule friedlich stillen Raum.
Kehr' wiedereln an jenen traulich warmeii Heerd, wo noeh der
Liebe Flanime nicht erloschen, der Siite Einfatt nicht getrtlbt,
des Lebens Ernst noch nicht entweiht ist, lA's auch nicht allzn
oft onehr sein reines Biid entfaltet, kehr' immer wieder ein in
das Hixmes friedlich stillen Raum. Das ndgen Deine besten
Ber^e sein , wohin Du DIcb mit Beinem Klelnod retten soUst.
Und was ist Dein Kleinod denn, geliebte Jug^end, was/lii
zu httten hast? Du kannst mlr Vieles nennen, es 1st gross und
schOn, aber Eins ist doch das Unyerg&ngliche und Allunifassende.
Es ist Dein Chrtstenthumj das auch Du schon bew&hren kannst
und sollst, wenn auch zuni kleinsten Theite nur; nicht in seiner
Hohe, Tiefe, L&nge, Breite, dennoch schon in fiinemPuncte der
Yon ihm ausstrdmenden sittlichen Kraft, deni stillen, sorgsamen,
^eschaftig emsten Fleisse. Mache Dich auf — ist auch zu Dir
geredet, Du kleines Zion dieser frohen Jugendschaar — werde
Licht, denn Dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn
geht auf tiher Dir (Jes. 60, !.)• Und wenn Gott Dir den Geist
des Fleisses und des ^nlligen Gehorsams, der treuen Hingebun^
an jeden Unterrlcht und jede Weisung, nns aber das rechte Wort
auf unsern LIppen, den frohen Geist der innigen Zofriedenheit
in Eurem lieben Kreise, den Sinn der Hoffnung* und Geduld in
roller Glaubensst&rke gibt; dann preisen wir zum Schlusse aueh
dieses Jahrs, wie wir zum Anfang* schon gebetet haben:
Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, Seinen
heiligen Namen, lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht,
was Er dir Gutes gethan hat. Barmherzig' und gn&dig ist der
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4U S€kilre4<Hi.
Herfy gtMMg fmi vm gtwaet Gttte. leh wHI iem Henm sin^a
mein Leben Ixng and nielnen Gott loheuj so laof e ick Ma.
Amen.
10) Die Schule im Kampfe mit der Welt^
Wek^ mir, Herr, Deineii Wegy dass Jcli waadle in Deiaer
Wahrheli; erkalte meia Herii bei dem .Elni^ei^ dass idi DeiMS
Naaiea fiircbte. Ich danke Dir, Hejrr, meln Goit^ ton gtokzem
Herzen und ehre Deinen Nanieft ewiglich. Wende Dich %u mky
aei mir gnuilg; BVktke Dieinen Kneclit nit Deiner J/btchL Time
eia Zeidien an mir, dass mir's wohl g'ehe, daas es sebeni, die
micb bas9en, and aich sch^en mflssen, dass Da mir beisiebs^
flerr, uad irdstest micb. (Ps. 86, 11 f. 16 f.)
Icb Itann es nihr aicht rersa^en, mil diesen Woftea des
Daidies laid der Fttrbiite aas dem Munde desf fronmen Kftnifpi
iai alien Bunde vor Dich liinautreten^ liebe Versamarian^, ia
dieser fiir mIcb so erosien uad wichtig>en Siande. Icb komme
|a ztt Dir wie ein yom Stqrm aef den Wogen des Lebeas ubh-
bergetriebener , der wieder einbehrt in eiae siilie Freislatt; icb
be^rasse das bier mir vertraueasvall darg'eboiene Ami als einea
Hafen, in den icb endlich wieder einlanfen and alle Sorgea vad
Draagsale der scbweren drei let^en Jabre., die nnn binter aas
liegen, rerg^essen darf. Und da maiinet micb denn ^leicb beim
Siaifiii in diesen Raam , wobin eine sianige WabI micb g^f&brei
bat, der ttber aas Allen bier g'emelnsam sicb wOlbende Frie*
densbogen dieses einfach - edien Gottesliauses , dass der Henr
aas aller Uarube des Lebens dodi wieder zani stlUen Friedea
fObrt, and nachdem er uns eine Weile geaei^t, dass wir bienie-
den als seine Pilger au wandein haben, uns docb aacb wieder
•eiae Border werden lasst aaf Erdea.
Icb sass so still bei meiner Arbeit, g^ana and freadig dem
Wbd^en biui^eg^eben, an wdchem Icb bier nan wieder aea berafea
1) Antrittsrede bei Uebernahme des Directorats des Friedrich- Franz-
Gymnasiirais m Pardiim , gchalten d, 28. April 1851 in der St. Georgen-
kirohe daselbst.
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Schufreaen. 41S
Mil , vni liess iki Starme ehier g^waHig* erregtea 3eH aa ntr
rorttbertebea. Aher siehe, da scUagen sie aach aa aieiae wie
aa so vieler Genassen and Briiler slille Pfortea hinaa, nad draa^ea
itts lanere Uneia, and ilessen ons keine Rafae, well WHttihr aad
fiewalt, za der sich Hohn and Frevel an dcni Heili^sten fpeaeU^-
4ea^ aas das theure Erbtheil zu entreissea drobien, das wir toa
ansera Vetera Hberkoiaaien und aach im Siarm der Zeilea aa
bewahren Klurcb eldliches Geiebaiss ans verpflichtet hattea. Ueber
jenes arme Land, daria idi wobnte, war elae Siaade andMadiA
der Fiasierniss g-ekomnien; nad wir, die wir mit der nacktea^
aber treaea Wehr des Herzeas and der Liebe das nas roa GoU
gegebeae Kleiaod schatztea, so lange es verg^daal war, wir
wurdea gewaltsam biaaasgestossea aas Alleai, was nas an Gtiera
dieses Lebeas lieb and Uieoer war. leb will es aidit eatscbet^
den, eb wir die recbten Sohne des Haases warea, die wir die
Gaier des Ilauses and die Recbte seines Herm zn wabren sacb*
tea: daa aber wetss icb, dass es nicht die Sdbne des Haasea^
sondem die Kinder der Unfrelen gewesen siad, die aas biaaaa^
gestossen haben. Scbwer nad scbnierzlich aber masste es seia,
aBfreiwiHig aas einer Wirksamkeit za scheiden, wo die, welcbe
znnlichsi znsamaien standen and gemeinsam arbeitetea am sch6nea
Werkty wie Brilder nntcr einander, die aber, aaf welcbe wir
aasere Arbeit richteten , wie Sohae am uns warea. Aas solcbeai
Kreise, nach solehen Elrlebiiissen komme icb dena, nicht mehr
widerwilHg, vielaiefar frendig ond getrdstet za Dir, llebes Laad
and liebe Stadt, aa sehonen Hoffnangen and vielleicbt aa frab^
lichem Muibe arnier, an scbwerwieg-enden Erfahrung«en aber and-«*>
gebe Gott! — an Demuib reicher. Icb komme aam zweitea Mido
ia eine zweite Heimatb, und Du darfst nicbt mit mir darum ba-
dern, dass icb, von Dir so trea und liebe voll gerufen, die erste
nicht wiiliger und rascher dran gegeben babe. Klammert sieb
ja dodi der Scfaiffbriichlge zuletzt aoch um das scbwacfae Brett,
das ihm der Rettung* letzte Hoffnang ist; — and wire icb Dir
mehr werth, wenn ich mit wenlger Treae an dem Lande gehangen-
hitte, das midi geborea and dessen scbwerste Prttfungen ich ge-
theilt? Nun babe ich, wenn aadi mii waadeal Herzea, aiich
losgeriasen , am ganz Dein zo sein , and finde bier in Deiner MItte,
hei Deiner Jugend eine sch6ne, stille St&tte friedeyoUer Wirk-
samkeit.
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4tS Sdirireimu
<Mer wire es dnt etwa^keiae FrieivmsarbeHy die n^ kd
Dir g cw te aca lai? kau es etwas Frie^ttdierra fr^Wa ais tie
Jag^ai ia der eaipfta^lichatea, fral^atra aa4 frischestei M
4cB Lekeaa la fUurea^ Ue Heiterkeit ikrer Spiele ia dei Enil
dkr hMierea Gitf r aad Gabea des Geiates kiaiker aa liekei wU
mR Or aater lehcBilger Tkeilaakme die edelatea Gebiete fci
aieaadilickea Wiaaeaa aad Kdaaeaa xa darcbwaadeni ? Hkm
aickl die Besckiftt^aa^ mil der WeiskeK, xa der alter Uiteridit
nd aHe Erxiekaa^ fikrea aell, das laaterate and barmloseste n^
erqaicklickste Werk, das wir ia diesem Lebea iroll Uankf o^
Miksdiffkeit treikea k6aaea? Was aber Welsbeit isi aad wokei
sie komaii, das wird kier ^elekret mit aller ran Gott yerliekeiei
Kraft; Jeae Weisbeit, so aller Kaast Meister ist, — wie es ii
eiaeai sckftaea alten Worte keisset (Welsk. Sal. 7, 2L 25-37.
89 7.) — die da isi das Haackea der ^dtUicken Kraft and eii
StrakI der Herrlickkeit des Allmickti^a; daram kann ai^AtflUi-
reiaes aa ikr komnen. Deaa sie ist eia Glanx des ewig^ea Udts,
and ein unbefled^ter Spie^l der g6iUicben Kraft , und do BiU
si^iaer Gfiii^eiU Sie ist eini^ uad tknt dech Alles. Sie UeiH
das sie ist, aad veraeaert dock Alles; and far and fir g^tae
sick ia die keili^en Seelea and mackt Gottes Frenade ond Propk-
ien. Sie lekrt Zudit, Kia^keit, Gerecktigkeit and SUirke, wekk
das Allemiltzeste siad im Menschenlel>en.
Dnd dennock, so lieblich ikr Klang*, so rein ilir Gehait ui
friedlick ikr Wirkea ist: es darf nickt versdiwieg'en werdei; aa
weni^sten aa diesem Tag^e, dass solcke Weisheit nickt gew9W$
wird in der Rake eines mttkelosen, bebaglichen Lebens, sonitn
dass sie die ansscbliessliche Fracbt eines ang'estreng'tea Fleisses
and eiaes rnhelosen Kampfes , eiaes Kampfes ndt una selbst a«^
mit der Welt ist Die sinni^en Dichter des Alterthams wfustei
es wobi and bezeagten es laat, dass ror alle Togend der Scbirels^
gestellt and die Arbeit ais Preis fOr die Gfiter des Lebens gt»\A
ist Das Christentbum aber verlangt den ganzen Ernst deriW-
aa^ng ond Seil^styeri&ag'nong', die saare BlOhe der Erstickoo?
alles Eigenwiilens and aller Selbstsacbt des natdrlidien Measckes,
ob es aocb im letzten Grande nicbt lie^ an anserm Laafen oder
Wollen, sondem alleio an der g-Ottlichen Gnade. Und gleicivi''^
Christas nicbt in die Welt g'ebommen ist, nm den Frieden i«
briogen, sondem das Schwert, so gebt aocb Niemand aom Voi**^
seines
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Schulredeii. 417
seines beili^en Tempels ein, der nicht mit der Waffenrttstung'
seines Geistes ang'ethan ist. Wer aber dahlnein niclit ireten will,
der bann einer wahrhafien und ifefen, dem Leben wie der Be-
stimman^ des Menseben dienenden Blldung, jener wahren, im
Buche der Bttcber wie Im Lfede der Vdlker glelcb sebr g'eprie-
senen Weisheit nieht theilhaftig' werden. Denn was die Alien
von jenem an den Felsen gescbmiedeien Erdensobne dicfateten,
der dem HImmel das LIcfat entwandt, das gilt zpr Stunde noeh
in ungeschw&chter Wabrbelt; and das PflQcken vom Baume der
Erltenntniss filhrt eben so oft and leicht vom Ziele ab als zu
demselben bin, und je bdber die Bildang eines Zeitalters sich
hebt, je reieber and nmfassender das Alies beberrscbende Wlssen,
Denizen und Erfinden ist, desto grdsser und drobender w&cbst die
Gefabr, dass der Menscb sicb verlrre, and obwobl gescbaffen nacb
dem Ebenliilde des Hdcbsten und berufen zur berrlicben Freibeit
der Kinder Goties, docb binab sicb sttirze in jenen Strudel des
Abg'runds , dabinein die verwtistete Sitte und das entbeilig'te Leben
ihre Opfer zieben.
Icb sollte billig' nicbt so ernst und triibe reden an einem
festlicben Eingangstage , wie es derbeotige ist. Und dpch, liebe
Ju^end, niuss icb Dicb and micb beute mabnen an die g-rosse
und scbwere Aufgabe , die uns mit and fiir einander g-egeben ist.
In einer Zelt, wie die ist, fn der wir steben, in welcber jene
Zakunft vorbereitet wird, die Dicb leben und wirlten, bandein
und leiden seben wlrd, w&re es vermessen oder gewissenlos,
Deinen kindlicb unbefangenen , jugendlicb barmlosen Sinn niit
neuen T&uscbungen zu fallen, deren die Gegenwart scbon so
unendlicb viele bat; Dicb ungewarnt und arglos binzustellen In
eine Welt, die voll der innersten WIdersprticbe and tiefsten Zer-
rttttung ist, die gerade in ansern Tagen die einfacbsten und edel-
sten sittlicben Begriffe v6llig verwirrt bat, die Umsturz und
Gewalttbat mit dem Namen des Recbts und der Ordnung scbmttckt,
WlUkObr und Heucbelei in das Gewand der Frdmmigkeit rer-
kleidet und, wie es in jener alten lebensvellen Sage erscbeint,
die letzten guten Geister dieser Erde, die Wabrbeit und Gerecb-
tigkeit, aus dem Leben derVdlker verscbwinden lasset. — Fuhle
icb beute die ganze Scbwere meines Amts, so muss Icb Dicb
aucb mabnen an Dein Amt^ mit welcbem Namen scbon unsere
V&ter Deine Aofgabe bezeicbneten, an das Amt des treuen
h^hker, ges. Schriften. 27
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418 Scfcalrdfoii.
TIeisses, des wllligen €ehorsams, 4et gvten SHU and 4er
streD^en Zochi.
Es kann Dir nichi entgehen , liebe Jugend , dass Da beror-
2,ngt bist Yor so Vielen Deines Alters , die einfach an der Hand
des goitlicben Worts und ndtzlicher menschlicber Kenntnlsse ftir
das biirgerliche Leben Torbereitet werden. Je mebr DIr aber
geboten wird , desto mebr wird auch rot DIr g^ordert werden.
Und wenn es aller dffentlichen Erziebung letzte und laotersie
Aufg-abe ist, nit klarer, bewusster Einsicht zaruckzufiihren zu
dem^ was unser von Gott uns mft auf die Welt gegebener Be-
rnf, was unsere urspriingliche MenscbcnbestimmuDg' ist, so wird
das genieinsame Sinnen and Arbeiten daranf zo richten sein , dass
alle Hindernlsse beseitigt werden, die diese gerade Bahn rer-
dankeln mrd rerwirren. Aber wemi Da iiiebt angeleitet iwd
ausgertistet worden bist, mit des Geistes scbHrfsien Waffen die
Welt za bek&mpfen and za uberwlnden, d ana wird ansere Arbeit
frucbtlos and ohne Segen sein.
Da weisst, es zieht sicb mitten darch das bante Leben and
die engrerscbluBgene Geschiehte der Vdlker von Anbeglnn ein
^charfer Gegensatz hindarch, der, wenn aach bisweilen yerwor-
rener oder eing-ebullter , doch heute noch so gut bestebt, wie ia
jenen ersten Tagen der Menscbheit, wo mitten in ibr die Sohne
Gottes von den Kindern der Menscben anterscbicden werden.
Und derselbe Zag jener Abwendung- von dem Hoheren, jener
Vernlchtang' des eigenen Seelenadels, jener Dabingabe an die
Macbt derSdnde zieht sicb anter der verschiedenartigsten Gestalt
darcb alle descblechter and Zeitalter hindorch. Bald isi es die
EigenUebe und der Sinnendienst oder der Leichtsinn und die
Stumpfheity welcbe duiiipf und schwer auf dem Menscben lasten,
der, allem HOheren entfremdet und abgeneigt, nur das Eig-ene
und Irdiscfae sucht, dem Nutzen und dem Lobne ausschllesslich
dient; der nur das begehrt, was ihn an diese Scholle kettet,
was Ihm kurzdaaemden irdischen Genuss gewabrt , ibm aber dafur
die ewigen Freuden des Geistes fiir immer raubt. Oder ist es
eine wirkliche Barbarei, ein Hass der Bildung und Gesiitungj
eine Verfolgung edier, dem gemeinen Dienst der Erde sicb ent-
windender Bestrebungen ; und mebr als ein tiefer blickender Geist
hat bchon das Heranitahen einer solchen finstern Macht im Geiste
vorausgescbaut, wie es die Geschichte aoch der chrisilichen Jahr-
hunderte erfahren hat von jenem fernen Lande an, wo sich alle
Bildung und christliche Gesinnung vor der Woth der Verfolger
in die einsamen Gebirgsw&Ider flttchten musste, bis zu jenem uns
n&her liegenden L&ndchen bin, wo man jetzt einem frommen
Voike in seiner Muttersprache, der einzig^, die es kann, sa
beten and zu singen wehren wiH. Oder es ist die GedatAem-
losigkeiiy die VnempfangUehkeit fur den Zmammenhang der
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Schulredeu. 419
ganzen WeUregierung y es ist jene Taubheit g^gtn die ^rossen
Thatea Goites in der Weltg-eschichte, die lieber die Gegenwart
nit ihren tausend F&den sinnlos abreisst rom Mutterscboofise der
Yergan^enen Tage, ia welchen sie geworden, die das eigene
armselig'e Ich zuni Miltelpuncte der Geschichte niacht ond mil der
Stunde der eig^enen Geburt oder des erwachenden Bewusstseina
einen neuen Anfang' der Dingle beginnen zu mftssen meint. Doch
ich will Dir nicbt alle die feindseligen M&chte vorfduren, deren
dereinstige n^ere Kenntniss Dir in steigendem Maaase die Wahr-
heit offenbaren wird, die in dem Worte des Herrn gegeben ist:
Viele sind berufen, aber wenig'e sind aaserwlUilet. Die edie
Entsagung wird seltener , das Leben filr Ideen nnd geistige Gater
nimmt ab und der materielle Sinn ilberwuchert Alles.
So hineingestellt In eine von wirren Richtangeu dnrchzogene
Welt bist auch Du, liebe Jugend, nnd die Schule, die Dicb fUhrt,
znni emsien Kampfe berufen, ohne welchen Dein Leben nimmer
glucklich und Dein Herz vox Schmerz und Sorge nie bewahrt
bleiben wird. Aber wenn wahrhaft der Geist in Dir lebt, der
der Geist einer echten, elner deutschen Jugend ist, so bist Da
zum Ringen und K^mpfen nur allzusehr bereit, und es wird ror
alien Dingen nur darauf ankommen, dass Du auf dep rechten
Kampfplatz und in eine wiirdige Bahn elngefllhrt werdest. Siehe
daruni und beherzige es immer wieder aiifs Neue, was es denn
ist, was Dir hier geboten wird in seinem ganzen Umfange, was
die Schwingen Deiner Seele h6her heben und Dir die Kr&fte des
Geistes und des Herzehs, des Willens nnd des Muthes geben
kann , woniit Du auch im schwereren Berufe bestehen wirst, wenn
Du Dicb hast leiten lassen von dem hdheren Zuge, der auch Dich
von ohen her sucht und lenkt.
Auch Deinem Auge, liebe Jugend, ist es nicht entgangep,
wie sich die WeUgesckichte in %wei grosse Halften theilt, die
sich an einen genieinscbaftlichen Mittelpunct anlehnen , der das
Ende der einen und der Anfang der anderen ist, von welchem
aber erst auf beide das rechie Licht und die voile Kiarheit r&llt.
Aug jener ersten ragen besonders zwei Fhlker hervor, welche
liicht bloss gross an sich gewesen sind durch ihre geistbeherr-
schende und weltgebietende Macht, sondern auch gewaltig da-
stehen du^ den Einfluss, den sic noch lange nach ihrem Tode
ttber di^zweite Halfte der Weltgeschichte bis in unsere Tage
binein llben. Wer das Leben dieser Vfilker nicht im Geiste durch-
leben will, der ist nicht im Stande, die Gegenwart recht zu
fassen, ihre tieferen Grande und hdheren Bedarfnisse zu erkennen,
der blelbt ein Fremdiing mitten in seiner Heimath. Wiederum in
der zweiten Halfte ist es die Geschichte and das Geistesleben
umetes eigenen Volkes^ in welches die K&ropfe und Bestrcbungen
der ganzen Bildung und Geaittung unseres firdtheila aus dem Ge-
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420 Schulreden.
biete ies Geistes wie deir Natur, der Wissenschaften wie der
Kttnste, glelGh ireichen Strahlen zu Einem Brennpancte, zusani-
nienlaufen, so dass ohne die tiefere Erkenntniss dieses eig^enthOiii-
lich reichen und wunderbar umfassenden Gebiets das Wesen imd
der Charakter der Geg'enwart wie der g'anzen neueren Zeit nicbt
be^riffen werden kann. Zwischen diesen beiden grossen Hlklften
stebt mitten inne, Alles beherrscbend und dnrchdrin^end , das
Chriatenthum^ und kann an ibm die eineSeite, die esnocbnlcht
bat, aber sich mannichfaltig' dafttr rorbereitet and vielfach darnach
sebnt, nnd die andere, die es bat in selchem Maasse und Grade,
so innig' mit dem eigenen Geiste desselben verscbniohen und rer-
webt, dass es von deniselben in keiner irgend bedeutungsvolleren
Erscbeinung und Lebensliussernng getrennt, in keinem Stiicke fiir
sicb allein erkl&rt werden kann, ganz und allein gemessen war-
den. Und die Weisheit unseres Gottes hat docb g^ewoUt, dass
wir an der einen Seite^ dem AKertbnme, die ganze Kraft des
rein auf sich gestelUen^ an der andem aber, der cbristlichen
Welt, die Vorzttge und Segnungen des dutch seine Gnade ge-
hohenen Menschen erkennen sollten. Darum ist es aucb ein be-
i^onderer Vorzug, wcm es geboten wird in seiner Jugend sich
in diese Hallen hinelnfohren zu lassen und wenfgstens so weit
darin befmisch zu werden, dass ihm der wunderbare Plan und
das grosse Ziel rerstHndliGh wird, wozu die Entwickelung* der
Menscliheit in alien ihren Fiihrnngen nnd aller scbeinbaren Ver-
wirrnng dennoch klar und fest bestimnit ist. Geh mit uns diesen
Gang, liebe Jugend , wir wollen dazu nach bester Kraft und Ein-
sicht Deine Ftthrer sein. Weile gern mit uns in jenem femen,
milden Sttden, wo unter einer freundlicheren Sonne die Kunst In
Rede, Lied und Bild dem Auge des Leibes wie des Geistes die
ewigen Wahrheiten in schOnsten Fomien olTenbaret, und ein klel-
nes, anf ein gar enges rliumliches Gebiet beschrilnktes Volk der
Welt die Gesetze des Scbdnen geschrieben und ausgepr^gt hat,
die nocb zur Stnnde gelten; bewundere jenes Volk, das sich
selber zu vergessen, seine Wttnsche und Befriedignngen den
Gemeinsamen zu opfern und in dem irdischen Vaterlande sein
bdchstes Kleinod zu lieben durch Wort und That ermahnte ; lerne
von jenem anderen, das, unscbeinbar seinem Ursprung nach, so
riesenm^ssig wuchs und docb, als jene Sitteneinfalt, jene ent-
sagung'svolle SeelengrOsse seiner alien Helden, jene Hingabe an
den Einen Zweck der Macht und Grdsse des ^nssern Licbens i«
weichen anfing^, schon des Todes Stachel sich Ins Herz gedrflckt,
und setze DIch dann anf die TrQmmer dieser bewunderun^wflrdig
reichen Welt, und traure, dass alio irdische Herrlichkeit in Staob
zerfftllt. Aber foYge uns dann auch anf ein anderes Gebiet, wo
durch die schwache Httlle des ilusseren Menschen der Geist mk
seiner Uberwkidenden Kraft und Klarheit hindurchbricht, wo
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Schulreden. 421
die Hassere Grdsse zwar znrilcktritt, aber dafttr des Geistes
Macht desto grossarti^ere Schdpfangen, desto reichere Saaten
herrorbring't, — znm Beweise, dass der Geist alleiu lebendig'
macht, dasFleisch aber nichts ntttze isi. Und doch, als ob deni
Gefsie seine tiberra^ende GeltuDg* streltig' g'emacht oder seine
Afacht und Aufg'abe dadarch nur in ein uni so helleres Licht ge-
stelU werden sollie, erhebt sich g'erade bier die Natur in immer
miichtigerer und reicherer Gestalt, beherrscbt das Leben, ^esial-
tet die Verhliltnisse der VOllcer, die Kttnste und Gewerbe um,
zieht selbst die Sitte und die Tugend in ihre Dienstbarkeit und
mahnt init einem furchtbaren Ernst; dass wir ihr reiches, ^eheim-
niss voiles, zauberisches Wesen uns nicht, statt eines Seg^ens,
zum Fluch rerkehren sollen, was dann unausbleiblich ist, wenn
wir nicht mit aller Kraft darnach ringen, dass wir sie erkennen
und begreifen, daniit sie dem Geiste, dess die Herrschaft ist,
unterthan bleibe immerdar.
Das ist es, liebe Jugend, was wir Dir geme bieten, wo-
mit wir Dich ausriisten mdgten zu allem Streit und Kampf des
Lebens. Wir mdgten Dir vorfQhren das Alterthum mit seiner
g-anzen reichen Herrlichkeit, die doch yerschwunden und zertrUm-
mert ist, aber auch mit der g'anzen Blathenfulle seines Geistes,
die unyergHnglich lebt^ das Christenthum mit seiner Krippe und
seinem Kreuz, aber auch in seiner Kraft, die Alles durchdringt
und tiberwindet, und in seiner ursprQnglichen Reinheit, wohin es
deutscher Glaube uiid deutscher Muth zuriickgeftthrt, wornach die
Schrift des Glaubens und der Glaube des Lebens alleinige Richt-
schnur ist; das deutsche Volk mit der ganzen Tiefe seines seelen*
Tollen Wesens, und doch dabei in seiner tiefen, schmerzlichea
Zerrlssenheit ; beherrschet von des Zufalls kleinen Mlichten, und
dennoch herrschend iiber alle Gebiete des Geistes und der Natur
mit seines Denkens und seines Wissens Fiille; ron Stimmen des
Unglaubens lyid der Zweifelsucht durchkreuzt, wie sie in keiner
Sprache mehr ertdnen, und doch das Evangelium so tiefundfest
in seinem Busen trag'end , wie kefn anderes Volk der Erde mehn —
Jugend , willst Du ferner folgen, wie Du bisher gefolgtauf
dieser Bahn? willst Dn mit frischem Herzen und williger Liebe
auch mir folgen, nicht bloss mit des Gesetzes und des ^usseren
Zwanges Kraft? Denn ohne diese Liebe bleibt aller Segen fern.*
Dann rtiste Dich mit frischem, starkem Muthe; Ihr Vorg*eschrit-
tenen, eilt ihr reran, Du jttng'ere Schaar, jage Dufreudig ihnen
nach. In solchem Wettlauf wird auch das Schwerste wohl ge-
lingen. Aber dazu musst Du mit reinen H^nden nahen. Wer an
dem Kleinen und Gemeinen hUng't, wer sich gem in bequemer
Ruhe und schlaffer Tragheit wiegt, wer nur dem Sinnendienste,
der eitlen Ehre, dem irdischen Gewinne frdhnt, der ist des edlen
Dienstes , der hier gefordert wird , nimmer wiirdig*. ^ Man macht
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42^ Schulreden.
Dehiem Alter In uiuserer Zeit ilberhaupt den Vorwurf, dass es
die Ebrfttrcht and die Piei&t verloren, den freudi^en Gebor-
gam und die bescheidene Ansprucbsloslg-keit entbebre und keines
hdberen Sinnes , keiner wahrbaften Be^eisterang* mehr faht^ sei. —
Jn^end dieses Oris and dieser Schnle , vernicbte Dh an Deineni
Tbeile diese Vorwtirfe und zelge ein offenes, freies Herz and eine
bin^ebende 9 reine Liebe. Icb will niicb g-anz und freudi^ Oeinem
Dienste weiben, Du mosst mir aber aucb durcb Deines Strebens
Frlscbe and durcb Deines Lernens Emsigkeit, durcb kindllches
Vertrauen und wiliig'en Geborsam, die scbwere and verantwort-
licbe Pfticht erleicbiern , die icb an diesem Tage niit Deinen ge-
Uebten Lebrern gemeinsam iibemebnie.
Hochverehrte Manner ^ in welchen diese Scbuie ihre For-
gesetzten liebt und ebrt, Sie sehen, nicbt leicbt nocb kiein stebt
Yor mir die scbdne Aufgabe, zu der in unermUdlicber Fiirsorge
Ibr ebrendes Vertrauen und Ibres Fiirsten Gnade niicb berufen
bat. Icb mag* mir aber aucb nicbt klein und niedrig* das Ziel
stecken, das eine fflr Ibre Stadt wie fttr Ihr Land so wicbtige
Pflanzscbale der Jagendbildung zu verfolgen bat; an eineni Tage,^
wIe der beutige, erbebt sicb die Betracbtung so gern zu einem
bdheren Scbwunge und freieren Standpuncte. Icb weiss aber,
wie klein meine Kraft ist g'eg'enttber der scbweren und verant-
wortlicben Pflicbt, die durcb Ihr Wobiwoiien und Ibre Nacbsicht
Bur nocb erbdbet wird. Icb bin aber aucb nicbt gckommen, obne
mir die Scbwierigkeiten wie die Aufopferungea zu rergegenw^r-
tigen, unter welcben diese tbeure Lebranstalt gebauet ist und
erbalten wird; Icb weiss, wie scbwer insbesondere meine Arbeit
sein wird, wenn bei steigenden AnsprQcben die Erwartnng be-
friedigt werden soil, welcbe durcb eine Anstalt bervorgerufen
werden muss, die als ein bellleucbtendes Beispiel dasteht, wie
tnit verhdUnissmdssig germgen Mitteln ausaerordentlieh Vielea
und Grosses erreicht werden kann; wenn icb nl^bt unwiirdig
erscheinen soil , der Nachfolger eines Mannes ^) zu sein , der in
hingebender Liebe und gewissenbafter Treue fur seinen Beruf
mir ein unerreicbbares Vorbiid bleibt. Aber es ist ein scbdner
Zug und Segen in dem Vertrauen, woniit Sie micb empfangen;
bewabren Sie mir dasselbe , obne dieses feblt dem Strome meines
Wirkens die Quelle, aus der es fortw&brend Nabrung scbdpfen
muss. Insonderbeit danke icb aucb Ibnen, bocbwttrdiger, gelieb-
ter Mann^), der Sie, wie der erste Hlrte dieser Gemeinde, so
2) Obersthulratii Dr. Joh.ZehUcke, welcher, seit 1827 Director det
Gymnasiams, sich am die Griuidans und Fortbiidiing desselbea die aos-
gezeichnetsten Verdienste erworben nat.
3) Superintendent and Protosoiioiarch ScUiemann , dessen Rede gleich-
falls im Drack erschienen ist.
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Schnlreden. 423
lier erste Fuhrer nogercr Schule sind, fiir das schtoe Wort der
Mahnung' mid TrOsinng, womit Sie mich beim Eing^ng' in das
snir hier gewiesene Werk geheben and erqufckt haben. Ja woU —
aucb ich bekeine es frei and offen — es soil aach hier k«in
anderer Grand gelegt werden als der da gelegt ist; and wie ich
wich aaf diesem Grande mit Ilinen in wohlthnendBter Ueberein-
Btimmang weiss, and es mit Hinen aach erkenne, dass onseren
Volke, wenn es noch wieder eine schdne Zakanft haben soll^ jnii
keineitt anderen Mittel geholfen werden kann^ so wfinsdie ich
fiichts tnniger, als dass, wie aaf dieser Ihnen ttiearen G^meinde,
vo aach auf unserer Schule fort and fort Ihre betenden and seg-
-nenden Hande ruhen m&gen.
Theure Mitarheiter an demselben Werke , die ich fortan als
fiieine Brttder and Genossen grtissen darf , ich komme s^n Ifanea
mit einem Herzen roll Anerkennang and Vertraaen. Ich weiss,
wie schdne, edle Kriifte in diesem Vereine der Anstalt von Gott
g'egeben sind; ich weiss, wie aaf so weit amfassendem Gebiete
g'ar mancherlei Gabon and verackkdene Kriifte wirksam sein mas-
sen, ohne welche das Einzelne and eben daram auch das Ganze
nicht gedeihen kann. Halten wir anverrflckt ein leder das ge»
meinsame Ziel vor Aogen and erkennen dann willig and freadig
die Mitarbeit des Andern an. Und hat dann Einer eine Blome
g^epflegt and gezeitigt aaf seinem Felde, die dem Ganzen zar
Zierde and zam Frommen gereicht, dann pflanzen wir sie gem
in diesen Garten anserer Jngend und frenen ans Alio innig des
Gedeihens. Lassen Sie uns nie dem Erbfeinde alles Gaten in der
Welt die Freade gOnnen, dass sich die sdionsten Kr&fte, statt
segensreich za Einem Ziele za fiihren, durch Mangel an Gemein-
schaft gegenseitig selbst zerstOren. In diesem Sinne and Geiste
hitte ich Gott, dass er den Band segnen wolle, den wir an
diesem Tage schliessen.
Und hatte ich Ihnen denn, hochgeehrte Voter und Vertreter
dieser Stadt^ Dir, Hebe ganze VersammUing ^ am heatigen Tage
nichts za sagen? 0, soil eine Schale, so wichtig far die ganze
Stadt, so eingreifend in ihre ernstesten and tiefsten Bedttrfnisse,
wahrhaftig ihres Wirkens froh werden and ihr schOnes Ziel errei-
chen, so bed^rf es nach wie vor der regsten Theilnahme and
wirksamsten Belhiilfe von Ihrer Seite, well ohne des Haases
fromme Sitte und strenge Zocht, ohne das lebendigste Vertraaen
and Entgenkommen der ganzen Stadt die schwere and verant-
wortliche Pflicht, die wir haben, nlemals erfttllt werden kann.
Bewahren Sie uns daza Ihr eifriges Wohlwollen fUr ansere An-
stalt, die eine Zierde Ihrer Stadt ist, Ihr herzliches Vertraaen
gegen die Lehrer and Ihre treae Liebe za anserer Jngend.
Aber alien den Pflichten , Sorgen and Verantwortungen ge-
gendber fiihlt sich die Seele so schwach and klein mit Ihrer Kraft
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244 SclmlreJeii.
und ihreni Mnihe. Sie hebt sich dahin, wohio die hohen RHimie
dieser Kirche rufen, woliin inich audi das Wort ^ewiesen, durch
welches ich hi'erlier g-efuhrt ward, — zuni ernsien, freadig'ea
Gebete; and es stimint darin ein das Gebet der tbeuren Y&ter
dieser Schale und dieser Stadt, der Lehrer, die die Ju^end fiih-
ren, der Jn^end selber, fiir deren Heil wir arbeiten, dieter gan-
zen Versamniluiig', in der so mancher Vater und so manche Mutter
sitzt, die ihr Liebstes auf der Welt uns anvertrauen:
Herr, Du treuer, starl^er Gott, gib Du denn Seg'en und
Gedeihen fort und fort zu diesem unserem Werke ! Du hast rer-
heissen einmal in Deinem Worte, das untriig'licb 1st: Die Lehrer
werden niit viel Seg'en geschmtickt (Ps. 84, 7.). schmilcke
uns nut Deinem Segen in all unserem Thun! Und da es ja gar
nicht abhftngt von unserer Kraft und unserem Thun allein, da
Alles rings urn uns her dazu mitwirken, heifen und fOrdern muss,
80 segne diese gajize Sladt mit alien ihren H^usern und alien
Seelen darin; segne dieses ganze Land und den Du an die Spitze
dieses Landes gestellt hast, den Fursten dieses Landes^ nun
auch meinen FQrsten und Landesherrn! — Du bast niich, Herr,
mit dem Beginne meiner Arbeit hier bedeutungsvoU in eine schone
Zeit gestellt. Blicke ich ins ^ussere Leben hinaus: welch ein
gewaltiges Regen und Bewegen aller Kriifte und Triebe in der
iNatur, da keimt und grant es iiberall, und auf die Baume in
unseren Garten hast Du den ersten Bliithenschmuck gelegt.
mache diese unsere Jugend zu einem Garten, worin alle Kriifte
sich regen und bewegen, wo Alles keimt und griint und bliiht,
daroit es einst die rechte Reife finde! — Und hier im inneren
Leben, wie der Kirche Gang und Bahn uns fuhrt, stehen wir
auf dem Wege vom offenen Grabe des auferstandenen Heilands
bis bin zu jener Hohe, wo der heilige Geist ausgegossen und
seine Kirche gepflanzet wird. fuhre, Herr, auch uns mit un-
serer Jugend aus aliem Tod der Erde und aller Nacht des Lebens
durch die Kraft Deiner Auferstehung zur Hohe Deines Geistes!
Amen.
Halle,
Druck der Waisenbaus - Baclidruckerei.
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