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Full text of "Gesammelte Schriften über die Wiederbelebung Bach'scher und Händel'scher Werke; mit einem Begleitwort des O. Reubke, und einem Anhang enthaltend Notenbeispiele"

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ROBERT  FRANZ. 


Gesammelte  Schriften  über 

die  Wiederbelebung  Bach'scher 

und  Händel'scher  Werke. 


Mit  einem  Begleitwort 

des  Königlichen  Universitätsmusikdirektors  Professor 

0.  Reubke   zu  Halle  a.  S. 

und  einem  Anhang  enthaltend  Notenbeispiele 

/ 

herausgegeben  von 

Robert  Bethge. 


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Leipzig, 

Verlag  von   F.  E.  C.  L  e  u  c  k  a  r  t. 

lüiü. 


Alle    Rechte    vorbehalten. 


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'R/3F73 


Es  ist  eine  auffallende  Erscheinung,  daß  bei  den  in  neuerer 
Zeit  wieder  in  lebhaften  Fluß  gekommenen  Verhandlungen  über 
die  Bearbeitung  der  Meisterwerke  Bach 's  und  Hände  l's  der 
Mann,  der  um  die  Wiederbelebung  derselben  sich  mit  die 
größten  Verdienste  erworben  hat,  Robert  Franz,  von  den 
meisten  Wortführern  entweder  vollständig  ignoriert  oder  doch 
mit  einigen  nichtssagenden  Worten  als  durch  die  „neusten 
F^orschungen"  überwunden  und  abgetan  beiseite  geschoben  wird. 
Man  gewinnt  den  Eindruck,  als  wenn  oft  einer  vom  andern  — 
häufig  fast  mit  denselben  Worten  —  dies  ablehnende  Urteil 
über  ihn  unbesehen  übernimmt,  ohne  auch  nur  eine  Partitur 
desselben  in  der  Hand  gehabt  und  sie  samt  ihren  gehaltvollen 
Vorworten  studiert  zu  haben,  ohne  also  die  Arbeiten  dieses 
edlen  großen  Meisters  wirklich  gründlich  zu  kennen.  Um  eine 
richtige  Wertung  dieser  Arbeiten  zu  gewinnen,  genügt  eine 
etwaige  flüchtige  Einsicht  in  die  Klavierauszüge  nicht,  bei  deren 
Herstellung  die  Rücksichtnahme  auf  den  Klangcharakter  des 
Flügels  und  auf  die  annähernd  möglichste  Wiedergabe  des 
Orchcsterklanges  ganz  besondere  Modifikationen  für  den  Klavier- 
satz erforderlich  macht,  —  sondern  es  ist  dazu  das  eindringende 
Studium  der  Orchesterpartituren  selbst  mit  den  in  Ausführung 
der  Generalbaßschrift  hinzugefügten  Fr  anzusehen  Ergänzungen, 
deren  eingehende  Vergleichung  mit  Bach"s  Originalpartituren. 
die  F'ranz  selbst  immer  uiid  immer  wieder  fordert,  sowie  die 
aufmerksame  Lektüre  der  sowohl  über  die  Grundsätze  als  auch 
über  viele  wichtige  Einzelpunkte  Aufschluß  gebenden  Franz- 
schen  \'orbemerkungen  durchaus  erforderlich. 

Es  erscheint  als  ein  glücklicher  Gedanke,  diese  in  den  ver- 
schiedenen Partituren  und  Klavierbearbeitungen  zerstreuten  \'or- 
bemerkunjen  zusammen  mit  den  selbständigen  Schriften  Robert 
Franz 's  über  denselben  Gegenstand  in  chronologischer  Fulge 
in  einer  Sammlung  zusammenzustellen  und  durch  eine  Xeu- 
veröffentlichung  der  Verborgenheit  und  N'ergessenheit  zu  ent- 
reißen:  und  ich  bin  gern  dem  Wunsche  des  Herausgebers  gc- 


—   I\^   — 

folgt,  diese  Sammlung  mit  einem  kurzen  Vorwort  zu  begleiten, 
in  welchem  ich  zugleich  der  dankbaren  Verehrung  gegen  meinen 
großen  Vorgänger  an  der  Universität  und  an  der  Robert 
Fr anz- Singakademie  freudigen  Ausdruck  gebe. 

Die  Aufsätze  haben  einen  so  reichen  Inhalt,  gewähren  nicht 
nur  einen  klaren  Einblick  in  das  Wesen  der  vorliegenden  Be- 
arbeitungsfrage, sondern  enthalten  daneben  auch  eine  Fülle  der 
feinsinnigsten  Bemerkungen  allgemeinerer  künstlerischer  Natur, 
daß  sie  dem  Leser  neben  der  Belehrung  auch  großen  Genuß 
bereiten  werden,  zumal  ihr  Stil  von  großer  Klarheit  und  Schön- 
heit ist.  Ein  sehr  richtiger  Gedanke  des  Herausgebers  ist  es, 
daß  in  nachstehender  Sammlung  von  allen  Zusätzen,  Erläute- 
rungen von  dritter  Hand  Abstand  genommen  ist:  der  Meister 
soll  allein  zu  Worte  kommen  und  auf  alle  Fragen,  Ausstellungen 
u.  a.  m.  selbst  die  authentische  Antwort  geben. 

Wer  diese  Aufsätze  vorurteilslos  liest,  der  muß  meines 
Erachtens  schon  aus  ihnen  die  Überzeugung  gewinnen,  daß  in 
dem  Streit  über  die  Bearbeitungsfrage  die  Gegner  Robert 
Fr  anz 's  den  wirklichen  Sachverhalt  meist  völlig  verschieben, 
indem  sie  —  nur  auf  diese  beiden  Hauptgesichtspunkte  sei  es 
mir  gestattet  kurz  hinzuweisen  —  vor  allem  die  Wahl  der  von 
ihm  vorgeschlagenen  ausführenden  Instrumente  als  der  B ach- 
schen Übung  nicht  entsprechend  bemängeln  und  von  .da  aus 
zu  ihrem  ablehnenden  Urteil  kommen ,  während  sie  auf  den 
Kernpunkt  der  Sache,  die  künstlerische  Beschaft'enheit  des  Ton- 
satzes, entweder  gar  nicht  eingehen  oder  denselben  nur  mit 
ganz  allgemeinen  Redewendungen  als  der  Generalbaßschrift 
nicht  "streng  entsprechend  abzutun  suchen,  ohne  diesen  V^or- 
wurf  im  einzelnen  zu  begründen. 

Die  Sache  verhält  sich  gerade  umgekehrt:  Robert  Franz 
kam  es  bei  seinen  Arbeiten  vor  allem  und  in  erster 
Linie  auf  die  künstlerische  Besc ha f f e nheit  des  er- 
gänzenden Tonsatzes  an.  Vgl.  hierzu  seine  trefflichen 
Ausführungen  in  dem  „Offenen  Briefe",  unten  Seite  45,  und  in 
der  „Vorbemerkung  zu  den  Händel'schen  Arien",  unten  S.  41. 
Niemand  hat  es  öfter  und  nachdrücklicher  als  er  betont,  daß 
dieser   auf  Grund  der  Generalbaßschrift  herzustellende  Tonsatz 


—   \'   — 

stilvoll  sein,  an  dem  Ausdruck  des  vorliegenden  Stückes  lebens- 
vollen Anteil  nehmen ,  aus  dem  Innern  Gehalt  desselben  wie 
von  selbst  hervorwachsen,  in  das  Ganze  des  Stücks  sich  orga- 
nisch eingliedern  muß,  so  daß  alles  wie  aus  einem  Gusse  klingt. 
Und  daß  es  ihm  in  den  veröffentlichten  Partituren  gelungen 
ist,  —  freilich  nicht  mit  ..schülerhafter  Ängstlichkeit",  aber  mit 
Daransetzung  seines  besten  künstlerischen  Verstehens  und 
Könnens  — ,  einen  derartigen,  den  höchsten  künstlerischen  An- 
sprüchen entsprechenden  Tonsatz  herzustellen,  beweist  der  Um- 
stand, daß,  was  auch  Kritiker  und  Historiker  seit  Jahrzehnten 
über  und  wider  Rob  e  rt  Fr  an  z  gesagt  haben  und  sagen,  noch 
heute  viele  namhafte  Künstler,  z.  B.  Felix  Mottl,  Hans 
Richter  u.  a.  m.,  seinen  Tonsatz  für  mustergültig,  sachlich 
durchaus  richtig  und  dem  Geiste  der  alten  Meister  ent- 
sprechend erklären.*)  Wer  diesen  Tonsatz  aufmerksam  in  allen 
seinen  Teilen  studiert,  muß,  wenn  er  nicht  zuvor  schon  aut 
das  entgegengesetzte  Dogma  geradezu  eingeschworen  ist,  zu- 
geben, daß  er  nichts  enthält,  was  nicht  in  der  Generalbaßschrift 
schon  angedeutet,  in  den  von  den  alten  Meistern  selbst  aus- 
geführten Teilen  und  in  den  vorliegenden  Stimmen  im  Keime 
schon  vorhanden  wäre,  und  daß  er  sich  auf  dessen  Entfaltung 
und  damit  auf  das  Notwendige  undSell^stverständliche  beschränkt. 
Wenn  andere  Bearbeiter  nach  Franz  unter  Berufung  auf  dessen 
oder  ähnliche  Grundsätze  Fremdartiges  und  Fernliegendes  in  ihren 
ergänzenden  Tonsatz  hineingetragen  haben,  so  darf  man  dies  doch 
nicht  Robert  Franz  zur  Last  legen.  Seine  Grundsätze  sind 
durchaus  richtig,  aber  sie  müssen  auch  richtig  verstanden  und 
richtig  ausgeführt  werden,  ebenso ,    wie  er  selbst  es  getan  hat. 


*)  ?"elix  Mottl  schreibt  unterm  17.  Januar  1910  an  den  Herausgeber: 
„Ich  halte  die  musikalische  (harmonisch-melodische)  Ausführung  der  Bach- 
schen  bezifferten  Bässe  durch  K.  Franz  für  mustergültig  und  —  im  Gegen- 
satz zu  einer  steifen,  einfach  harmonischen  Bearbeitung  —  für  "  unbedingt 
richtig  und  im  Sinne  des  alten  Meisters." 

Und  Hans  Richter  schreibt  unterm  l.  Februar  1910  an  den  Heraus- 
geber: „Die  Nachschaffung  der  Begleitung  bei  Stücken,  die  nur  mit  einem  be- 
zifferten Baß  versehen  sind,  ist  mustergültig  bei  Robert  Franz  und  wird  es 
auch  bleiben;  daran  soll  man  ja  nicht  deuteln  und   rütteln." 


—     VI     - 

Die  Franz  "sehen  Arbeiten  aber  mit  solchen  banalen  Ausdrücken 
wie  „Überpinseln  alter  Gemälde",  „Modernisieren",  „freie  Phan- 
tasien" u.  a.  m.  abtun  wollen ,  davon  sollte  man  doch  endlich 
Abstand  nehmen :  dazu  steckt  doch  zuviel  ehrliches  Wollen 
und  künstlerisches  Können,  zuviel  echt  Bach 'scher  Klang 
und  Geist  in  ihnen. 

Dagegen  ist  ihm  die  Wahl  der  den  neu  hinzu- 
gefügten Tonsatz  ausführenden  Instrumente,  wie 
der  Leser  aus  zahlreichen  Aussprüchen  ersehen  wird,  erst 
eine  Frage  zweiter  Ordnung,  die  er  sogar  in  ge- 
wissem Umfange  offen  läßt  und  deren  Entschei- 
dung er  dem  einzelnen  Dirigenten  nach  dessen 
Überzeugung  und  nach  Lage  der  \'erschiedenen 
örtlichen  Verhältnisse  überläßt.  Dieser  Punkt,  die 
weitherzige  und  freie  Stellungnahme  Robert  Franz 's  zur 
Instrumentenfrage,  wird  von  seinen  Gegnern  —  wissentlich 
oder  unwissentlich  —  einfach  totgeschAviegen.  Im  Lichte  jener 
zahlreichen  Aussprüche  gewinnen  also  diese  Teile  seiner  Parti- 
turen den  Charakter  von  Vorschlägen ,  die  er  allerdings  aus 
den  sorgsamsten  Erwägungen  heraus,  aus  der  Rücksichtnahme 
sowohl  auf  den  von  den  alten  Meistern  intendierten  Klang- 
charakter wie  zugleich  auf  die  praktischen  Verhältnisse  und 
Bedürfnisse  der  Gegenwart  heraus  macht.  Wer  also  z.  B.  über- 
zeugt ist,  daß  er  an  Stelle  des  von  Franz  meist  gewählten 
Holzbläser-  oder  Streicherquartetts  mit  der  Orgel  den  Intentionen 
Bachs  noch  näher  kommt,  der  wähle  die  Orgel.  Das  ist 
keineswegs  gegen  den  Sinn  von  Robert  Franz,  wie  er  ja 
selbst  für  mehrere  Bach 'sehe  Werke  neben  seinen  Orchester- 
Partituren  selbständige  durchgehende  Orgelstimmen  für  das 
Akkompagnement  geschrieben  hat.  Allerdings  was  er  in  seinem 
),Oftenen  Briefe",  unten  Seite  49  über  den  Flügel  als  Ersatz 
des  Cembalo,  über  die  Orgel  mit  ihrer  Stimmung  und  Tempe- 
ratur, über  den  starren  und  unbiegsamen  Charakter  ihres 
Tones,  —  sowie  über  die  Beweglichkeit,  Mannigfaltigkeit  und 
Ausdrucksfähigkeit  des  heutigen  Orchesters  sagt,  erscheint  mir 
auch  noch  für  die  Gegenwart  mit  ihren  modernen  Orgeln  und 
für  die  Zukunft  höchst   beachtenswert    und    bedeutunfrsvoU.  — 


—     VIT     — 

Wenn  er  an  Stelle  einzelner  Instrumente  tles  Bach'schen 
Orchesters  neuere  in  Vorschlag  bringt,  so  bedarf  es  darüber 
keines  Wortes,  daß  er  damit  die  Bach  sehen  Originalinstrumente 
nicht  hat  verdrängen,  sondern  nur  für  nicht  mehr  vorhandene 
einen  Ersatz  mit  möglichst  ähnlichem  Klangcharakter  hat  vor- 
schlagen wollen.  Und  wo  er  —  übrigens  stets  mit  äußerster 
Zurückhaltung  und  Beschränkung  auf  das  Notwendigste,  zu- 
gleich aber  mit  feinster  musikalischer  Empfindung  —  zu  dem 
Bach'schen  Orchestersatze  aus  Gründen  der  Verstärkung  oder 
des  Kolorits  Instrumente  hinzugefügt,  hat  er  in  den  betreffenden 
Vorworten  die  Weglassung  derselben  dem  Dirigenten,  der  etwa 
dergleichen  feine  Wirkungen  aus  irgendeinem  Grunde  scheut, 
j;tets  anheimgegeben.  Meines  Erachtens  sollte  aber  bei  der 
Entschließung  im  einzelnen  Falle  nicht  schon  der  äußere  Um- 
stand, daß  Instrumente  hinzugefügt  sind,  entscheidend  sein, 
sondern  vielmehr  die  aufmerksame  Prüfung  der  künstlerischen 
Art,  wie  diese  verwendet  sind. 

Die  nachstehenden  Aufsätze  wollen  und  können,  wie  schon 
oben  angedeutet,  die  Einsichtnahme  und  das  Studium  der 
Franz  sehen  Partituren  nicht  ersetzen,  sondern  wollen  gerade 
zu  diesem  Anstoß  geben ;  letztere  erst  geben  über  die  Franz- 
schen  Arbeiten  vollen  Aufschluß.  Wenn  z.  B.  an  dem  „Oftenen 
Briefe"  bemängelt  worden  ist,  daß  er  eine  klare  Darlegung 
über  die  Prinzipien  der  „Bearbeitung"  vermissen  lasse,  so  meine 
ich,  kann  keiner,  der  ihn  aufmerksam  durchliest,  über  die 
Tendenz  desselben  und  über  die  Grundsätze,  von  denen 
Robert  Franz  sich  leiten  ließ ,  im  Zweifel  sein ;  die 
Illustrierung  derselben  aber  im  einzelnen  liegt  eben  in  den 
Arbeiten  der  Partituren  vor,  wo  sie  in  dem  ausgeführten  Ton- 
satz für  jeden  Kundigen  klarer  und  vollkommener  gegeben  ist, 
als  dies  in  der  bestgesetzten  Rede  je  geschehen  kann.  Und  wenn 
man  gegen  ihn  die  Vorwürfe  ausgesprochen  hat,  daß  er  keine 
genügende  Kenntnis  von  der  Ausführungspraxis  Bachs  selbst 
gehabt  und  sich  zu  wenig  streng  an  die  Generalbaßschrift  ge- 
halten habe,  so  erledigen  sich  diese  Vorwürfe  meines  Erachtens 
durch  den  Inhalt  der  nachstehenden  Aufsätze  und  den  Tc»nsatz 
seiner  Orchesterpartituren  von  selbst.     Ich  weise  hier  auch  auf 


—     VIII     — 

den  sehr  wichtigen  Umstand  hin,  daß  die  Generalbaßbezififerung 
in  den  verschiedenen  Kompositionen  sehr  verschieden  ist  •  neben 
Stücken  mit  reichster  Bezifferung  finden  sich  andere  mit  se.ir  spar- 
samer und  noch  andere,  in  welchen  gar  keine  Bezifferung  vorliegt. 
Nun  glaube  ich  nicht,  daß  der  Streit  über  die  Bearbeitungs- 
frage in  absehbarer  Zeit  beendet  werden  wird;  er  wird  noch 
lange  währen,  denn  es  handelt  sich  hier  um  verschiedene 
grundsätzliche  Anschauungen  und  um  verschiedene  Ausgangs- 
punkte, für  die  schwerlich  eine  Einigung  zu  finden  sein  wird. 
Aber  ich  gebe  mich  der  Hoffnung  hin,  daß  mancher  von  denen, 
welche  sich  bisher  mehr  auf  die  äußerliche  Autorität  der  gegne- 
rischen Wortführer  hin  dem  ablehnenden  Urteile  über  Robert 
Franz  anschlössen,  ohne  selbst  die  Sache  eingehender  zu 
prüfen,  durch  die  aufmerksame  Lektüre  nachstehender  Aufsätze 
und  durch  ein  sich  anschließendes  eindringendes  Studium  der 
Franz  'sehen  Orchesterpartituren  zu  einer  Korrektur  des  Urteils 
und  einer  anderen  gerechten  Wertung  seiner  Arbeiten  gelangen 
wird.  Den  Eindruck  wird  jeder  vorurteilsfreie  Leser  gewinnen, 
daß  es  sich  hier  um  einen  edlen,  genialen  Meister  handelt,  der 

—  selbst  ein  Liedermeister  von  Gottes  Gnaden,  —  in  be- 
geistertster Verehrung  eines  Bach  und  eines  Händel  und  in 
tiefster  Beugung  vor  ihrer  Größe,  in  selbstloser  Hingabe  an 
ihre  Kunst  und  in  vorbildlicher  Pietät  gegen  ihre  Schöpfungen, 

—  es,  wie  er  auch  mir  persönlich  oftmals  ausgesprochen  hat, 
als  das  größte  Glück  seines  Künstlerlebens  betrachtete,  daß  er 
diesen  Horocn  deutscher  Tonkunst  —  weit  entfernt,  sie  auch 
nur  in  einem  Punkte  meistern  zu  wollen,  —  mit  seinem 
künstlerischen  Können  hat  dienen  und  an  der  Wiederbelebung 
ihrer  unvergleichlich  großen ,  unsterblichen  Werke  an  seinem 
bescheidenen  Teile  in    positiver  Arbeit   mit   hat   helfen  dürfen. 

Möge    denn    diese  Sammlung   bei    dem    musikalisch    inter- 
essierten Publikum   günstige  Aufnahme  finden. 

Halle  a.  S.,  den    i.  März   1910. 

Professor  Otto  Reubke. 

Königl.   Universiläts-Musikdirektor. 


Vorbemerkung 

zu  Johann   Sebastian    Bach,    36   Arien    aus    ver- 
schiedenen Kantaten 

mit  Begleitung  des  Pianotbrte 

bearbeitet  von  R.  F.  *j 

Die  hauptsächlichste  Absicht  bei  der  \'eröffentlichung  der 
nachfolgenden  Bearbeitungen  ist  nur  die,  den  Werken  Bach"s 
auch  in  weiteren  Kreisen  die  Teilnahme  vermitteln  zu  helfen, 
worauf  sie  den  vollsten  Anspruch  haben.  Sie  wollen  durch 
eine  den  modernen  Geschmack  berücksichtigende  Auswahl  auch 
die  Fernerstehenden  in  B  a  c  h  's  Ausdrucksweise  einführen,  sie 
wollen  dem  größeren  Publikum ,  welchem  die  umfangreiche 
Partiturausgabe  der  Bach-Gesellschaft  in  Leipzig  für  den  un- 
mittelbaren Gebrauch  nicht  dienen  kann,  den  Weg  zu  den 
Schätzen  dieser  Ausgabe  bahnen  helfen. 

Dieser  Zweck  meiner  Arbeit  führte  mich  zu  einer  freieren 
Stellung  den  Originalen  gegenüber:  ein  Klavierauszug  in  dem 
gewöhnlichen  Sinne  konnte  denselben  schwerlich  erfüllen.  Zu- 
nächst waren  die' Lücken,  welche  zn  Bach 's  Zeiten  durch  den 
freien  Hinzutritt  der  Orgel  ergänzt  wurden,  nach  Anleitung  der 
Baßbeziti'erung  und  —  wo  möglich  —  in  Bach 's  Geiste  durch 
Hinzufügung  von  bewegten  Füllstimmen  zu  beseitigen.  Die 
Übertragung  der  Instrumentalstimmcn  auf  das  Klavier,  wo  der 
Zug  der  Stimmführung  und  die  X'erschiedenheit  der  Klang- 
farben nicht  ausgleichend  zu  wirken  vermögen,  wie  im  Orchester, 

*j  Mit  Genehmijjung  der  Verlagsfirraa  C.  F.  Peters   ia  Leipzig. 
R.  Franz,  Gesammelte  Schriften.  I 


erheischte  sodann  öfters  eine  Veränderung  der  Stimmlagen, 
bald  Verengerung,  bald  Erweiterung  derselben.  Die  Mittel  der 
modernen  Klaviertechnik  mußten  vielmehr  im  vollsten  Maße 
benutzt  werden,  um  das  einigermaßen  klaviermäßig  wieder- 
zugeben, was  Bach  einigen  obligaten  Stimmen  und  der  hinzu- 
tretenden Orgel  anvertrauen  durfte.  Selbst  in  der  Singstimme 
schienen  gelegentlich  Modifikationen  geboten,  um  Härten  zu 
vermeiden,  welche  in  den  weiten  Hallen  einer  Kirche  ver- 
schwinden, bei  der  Ausführung  am  Klavier  in  beschränkteren 
Räumen  aber  sich  —  gewiß  gegen  die  Absicht  des  Kom- 
ponisten —  fühlbar  machen  würden.  Dies  führte  dahin,  die 
Gesangs-  und  begleitenden  Stimmen  stellenweise  ineinander 
übergehen  zu  lassen.  Endlich  schien  es  erlaubt,  da  das  Original 
zu  verlassen,  wo  es  ohne  Zweifel  nur  dem  Herkommen  seiner 
Zeit  folgte.  Dahin  darf  man  die  ausgedehnten  Wiederholungen 
rechnen,  in  denen  sich  das  vorige  Jahrhundert  gefiel,  die  aber 
unseren  an  knappe  Formen  gewöhnten  Sinn  verletzen,  den 
Gesamteindruck  für  uns  eher  beeinträchtigen,  als  fördern.  Die 
von  mir  demnach  versuchten  Zusammenziehungen  des  ersten 
Teils  der  Arien,  wenn  ihn  Bach  ausdrücklich  durch  das 
Da  Capo  verlangt,  fassen  die  wesentlichsten  Momente  desselben 
in  eine  gedrängte  Form  und  werden  hoffentlich  auf  den  Ver- 
lauf des  ganzen  nicht  störend  einwirken.  Wer  übrigens  das 
Bedürfnis  der  Wiederholung  des  vollständigen  ersten  Teiles  der 
Arie  hat,  findet  an  den  betreffenden  Stellen  das  D.  C-  und 
Fine-Zeichen  angegeben. 

Um  ein  rascheres  Verständnis  anzubahnen,  sind  A^ortrags- 
bezeichnungen  beigefügt  worden,  welche  zugleich  den  Gang 
der  musikalischen  Entwicklung  andeuten.  Sie  sollen  auch  den 
Vorurteilen  entgegentreten,  welche  betreffs  Bach 'scher  Musik 
vielfach  hergebracht  sind. 

Der  äußerlich  gleichmäßige  Gang  seiner  Kompositionen 
im  Fortschritt  aller  Stimmen  führt  in  der  Praxis  sehr  häufig  — 
Ausnahmen  hiervon  heben  übliche  und  verkehrte  Gebräuche 
nicht  auf  —  zu  einer  verwerflichen  Monotonie  der  Darstellung 
und  der  Klangfarben,  —  man  hält  es  für  angemessen,  das 
Ganze    eintönig,    mit    gleichmäßig    erhobenem    Organe    vorzu- 


tragen ;    der  Art  des  Gesanges  schließen  sich  natürlich  die  be- 
gleitenden Instrumente    meist  an.     Solche  Ausführung   beweist 
nur,    daß    man  das  Verständnis    für  die   polyphone  Ausdrucks- 
weise verloren    hat,    welche    jeder    Stimme    Melodie,    d.  h. 
Ausdruck,    zu    geben    sucht,    deren  Eigentümlichkeit  gerade 
in  der  größten  Beweglichkeit  und  Biegsamkeit  aller  Stimmen 
besteht.     Der  pol\'phone  Stil  verlangt  das  volle  Gegenteil  von 
dem  Sänger.     Derselbe  muß  sich  freilich  den  begleitenden  In- 
strumenten einigermaßen  gleichstellen,    sich  ihnen   gelegentlich 
selb.-t  unterordnen,  da  es  vor  allem  gilt,  den  harmonischen  Zu- 
sammenhang des  Ganzen  klar  zu  machen,  in  dem  die  Gesang- 
stimme bestimmend,  selbständig  einzugreifen  berufen  ist.     Die 
\'okalpartie  wird  hier  nicht  von  harmonischen  Massen  getragen, 
der  Sänger    muß   sich    nur    um    so    mehr    die    lebendigste    Be- 
ziehung zu  den  begleitenden   Instrumenten  erhalten,    immer  in 
die    stets    werdende,    nie    fertige    Harmonie    hineinsingen,    das 
harmonische  Ganze  immer  mit  herstellen  helfen,  —  es  ist  aber 
vor  allem  weiter  seine  Aufgabe,  den  musikalischen  Gehalt  der 
ganzen  Komposition  in  seinem  Bewußtsein   zusammenzufassen, 
mit  dieser  Auffassung  den  Gesang  zu  beleben,  in  dieses  Leben 
die  Begleitung    mit  fortzureißen.     Die  Stimme  muß  nicht,   wie 
im   homophonen  Stile  der  späteren  Zeiten,  das  Ganze  beherr- 
schen, wohl  aber  dem  Ganzen  Leberf,  charakteristischen  Aus- 
druck zu  geben  wissen;  der  Sänger  muf3  auch  aus  derrl  Figuren- 
werke,   aus  den  instrumental    behandelten  Teilen  der  Gesangs- 
partie    die     melodischen     Grundformen,     damit    die    richtigen 
Akzente    und  Betonungen    der  Einzelheiten,    herausfühlen    und 
auf  dieser  Grundlage  Schattierung  in  den  Vortrag  bringen,  der 
im  ganzen    und    großen    festen  Halt    und  die    beste  Stütze  am 
Texte  findet.     Dieser  ist  für  die  Bach 'sehe  Musik  von  größerer 
Wichtigkeit,  als  gewöhnlich  angenommen  wird.  Kr  muß  nicht  nur 
deutlich  ausgesprochen,  sondern  mit  richtigem  Gefühl  deklamiert 
werden  im  engsten  Anschlüsse  an  die  wechselnden  Wendungen 
der  Musik.     Diese  legt  bei  Bach,  wie  man  richtig  gesagt  hat, 
den   Text    aus:    es    ist    umgekehrt    Sache    des    Sängers,    durch 
sinnvollen  Vortrag  der  Worte  die  musikalische  Absicht  Bachs 
zu    verdeutlichen.     So    groß    die  Schwierigkeiten    sind,    welche 


einzelne  Stellen  solchen  Ansprüchen  gegenüber  bieten,  so  groß 
sind  die  Vorteile,  welche  sich  aus  steter  Rücksicht  auf  den 
Text  ergeben:  in  den  meisten  Fällen  wird  dieselbe  die  musika- 
lische Nüancierung  auf  den  richtigen  Weg  führen,  der  gute 
Vortrag  des  Textes  wird  die  musikalische  Bedeutung  einzelner 
Stellen  erst  klar  machen,  die  richtige  Betonung  musikalischer 
Phrasen  vielfach  erleichtern.  Dies  ist  auch  der  Grund,  weshalb 
von  einer  Veränderung  der  unserem  Geschmacke  zuweilen 
widerstrebenden  Texte  fast  durchweg  abgesehen  worden  ist. 

Kein  Zweifel,  daß  die  herkömmliche  Gesangstechnik,  deren 
ganzes  Streben  auf  glänzende  Darstellung  einer  üppig  aus- 
gebildeten, alles  beherrschenden  Kantilene  gerichtet  ist,  sich 
diesen  Zielen  vielfach  nicht  gewachsen  zeigen  wird,  —  aber  ein 
Grund  mehr,  die  Bach 'sehen  Arbeiten  den  Sängern  zn  emp- 
fehlen, die  bei  ernstem  Studium  unendlich  viel  daraus  lernen 
können  und  immer  neue  Schönheiten  feiner  und  innerlich  be- 
wegter Melodik  unter  scheinbar  verschnörkelten  kontrapunk- 
tischen Formen  entdecken  werden.  Diese  Wahrnehmung  wird 
dann  von  selbst  zu  einer  lebendigen,  intensiven,  mannigfach 
schattierten  Vortragsweise  und  über  die  Auffassung  hinaus- 
führen, nach  der  es  genügte,  Bach 'sehe  Musik  sicher  und 
tüchtig,  in  biederem  oder  gar  derbem  Tone  wiederzugeben.  — 

Mancherlei  Schwierigkeiten  müssen  sich  für  den  Sänger 
daraus  ergeben,  daß  seit  der  Zeit  B  a  c  h '  s  die  Stimmung  der 
Instrumente  eine  andere,  bedeutend  höhere  geworden  ist.  Er- 
innert man  sich  daran,  daß  in  Frankreich  schon  der  Anfang 
gemacht  ist,  sich  der  älteren  Tonhöhe  wieder  zu  nähern,  daß 
der  —  von  der  Stimmung  unabhängige  —  Charakter  der  Ton- 
art für  jedes  Musikstück  ein  wesentliches  Moment  ist,  dessen 
Änderung  das  Ganze  auf  einen  anderen,  den  ursprünglichen 
Intentionen  nicht  entsprechenden  Boden  stellt,  daß  endlich  eine 
Transposition  jene  Schwierigkeiten  nie  für  alle,  sondern  nur  für 
den  beseitigen  kann,  dessen  Stimmitteln  sie  angepaßt  ist,  so 
wird  dies  genügen,  die  Beibehaltung  der  von  Bach  gewählten 
Tonarten  selbst  da  zu  rechtfertigen,  wo,  wie  besonders  in  den 
Tenorarien ,  eine  ganz  ungezwungene  und  durchweg  gleich- 
mäßige Ausführung   der  Kantilene    für   den   Augenblick   kaum 


möglich  erscheint.  Es  steht  zu  hoffen ,  daß  die  Rückkehr  zu 
den  älteren  Vokalkompositionen  und  der  unvergängliche  Wert 
derselben  der  älteren ,  der  Natur  der  Menschenstimme  mehr 
entsprechenden  Tonhöhe  wieder  zu  ihrem  guten  Rechte  ver- 
helfen wird. 

Aufgabe  der  Begleitung  ist  es,  dieselben  Intentionen  in 
ihrem  Bereiche  zu  verfolgen ,  in  gebundener  Weise  den  Gang 
der  einzelnen  Stimmen  in  ihrer  Selbständigkeit  und  ihrer  steten 
Beziehung  zueinander  zum  Gehör  zu  bringen,  diese  Stimmen 
aber  an  allen  dazu  geeigneten  Steilen  zu  einer  in  sich  einigen, 
elastischen,  abgerundeten  Klangmasse,  zu  einer  tragenden  Unter- 
lage der  Singstimmc  zu  verbinden. 

Es  versteht  sich  übrigens  von  selbst,  daß  m.eine  Klavier- 
begleitung auf  die  freiestc  Benutzung  des  Pedals  berechnet  ist. 
Ich  habe  es  unterlassen ,  die  üblichen  Zeichen  dafür  in  An- 
wendung zu  bringen,  weil  die  stete  Beweglichkeit  und  Unruhe 
der  Stimmführung  eine  Fixierung  dieser  Signatur  sehr  erschwert, 
ja  oft  ganz  unmöglich  macht.  Dem  Gcschmacke  und  der 
Diskretion  des  Akkompagnierendcn  muß  es  daher  anheim- 
gestcllt  bleiben,  wann  und  wie  lange  er  sich  des  Pedals  be- 
dienen will:  weite  Akkordlagen  bedingen  dasselbe  aber  unter 
allen  Umständen. 

Nach  allem  Gesagten  bin  ich  weit  entfernt  davon,  in  den 
vorgenommenen  Umgestaltungen  etwa  Verbesserungen,  in  den 
Andeutungen  über  den  Vortrag  irgend  etwas  anderes  zu  sehen, 
als  was  klar  in  den  Werken  selbst  gegeben  war,  —  es  kam 
mir  nur  darauf  an ,  die  entsprechende,  zeitgemäße  Form  der 
Übertragung  zu  fmden.  Ich  kann  versichern ,  hierbei  mit  der 
größten  Pietät  zu  Werke  gegangen  zu  sein,  und  darf  mit  dem 
Wunsche  schließen,  daß  alle  die,  welche  von  dieser  Bearbeitung 
Gebrauch  machen,  von  dem  gleichen  Gefühle  bei  der  Ausführung 
beseelt  sein  mögen. 


.          August  1859. 
lalle,  im 

Dezember    I0G0. 


Robert  Franz. 


n. 

Vorbemerkung 

zu  Johann  Sebastian  Bach,  Duette  aus  ver- 
schiedenen Kantaten  und  Messen 

mit  Begleitung  des  Pianoforte 
bearbeitet  von  R.  F.*j 

Indem  ich  den  Freunden  Bach 'scher  Musik  hiermit  eine 
Keihe  von  Duetten  aus  verschiedenen  seiner  Kantaten  und 
Messen  übergebe,  kann  ich  mich  v\ohl  im  allgemeinen  auf  die 
Bemerkungen**)  beziehen,  die  meinen  Bearbeitungen  der  vier 
Arienhefte  vorangestellt  wurden;  die  Grundsätze,  weiche  mich 
dort  leiteten,  sind  auch  hier  maßgebend  gewesen.  Zur  be- 
sonderen Empfehlung  der  vorliegenden  Kompositionen  etwas 
zu  sagen,  mochte  überflüssig  erscheinen,  der  flüchtigste  Ein- 
blick wird  zeigen,  daß  sie  Duette  im  höchsten  Sinne  des 
Wortes  sind  und,  im  Kirchenstil  wenigstens,  die  Vollendung 
•dieser  Kunstform  repräsentieren. 

Halle,  im  November   iS6o. 
Robert  Franz. 


*)  Verlag  F.   E.  C.   Lcuckart   in  Leipzig. 
**j  Siehe  oben  S.   I. 


in. 

Mitteilungen 
über  Johann  Sebastian  Bach's  ,,Magnificat" 

von  Robert  Franz.*) 

Obschon  nicht  in  Abrede  gestellt  werden  kann ,  daß  die 
Teilnahme  an  den  \'okahverken  Bach's  in  den  letzten  Jahren 
zugenommen  hat,  ist  dieselbe,  dem  Werte  dieser  Kunst- 
schöpfungen gegenüber,  doch  nur  als  eine  schwache  und  ver- 
einzelte zu  bezeichnen.  Die  Gründe  für  dies  mangelnde  Inter- 
esse mögen  teils  in  den  technischen  Schwierigkeiten,  die  hier 
überwunden  sein  wollen ,  teils  in  der  skizzenhaften  Form ,  in 
der  Bach  diese  Werke  der  Nachwelt  hinterließ,  teils,  und  das 
dürfte  wohl  hauptsächlich  zu  betonen  sein,  in  der  anspruchs- 
vollen Gewohnheit  des  Publikums  liegen,  musikalische  Leistungen 
wesentlich  unter  dem  Gesichtspunkte  einss  unmittelbar  wirken- 
den Genusses  zu  betrachten.  Die  Ansicht,  was  nicht  alsbald 
„verstanden"  werden  kann,  für  verfehlt,  dem  Wesen  der  wahren 
Kunst  widersprechend  zu  halten,  ist  leider  eine  so  weit  ver- 
breitete und  durch  tausenderlei  dieser  seltsamen  Forderung 
gemachte  Zugeständnisse  scheinbar  gerechtfertigte,  daß  man 
sich  über  geringe  Teilnahme  an  Werken,  die  nur  durch  die 
ernsteste  und  selbstverleugnendstc  Hingabe  zu  erfassen  sind, 
eigentlich  kaum  wundern  sollte.  Seinerseits  will  niemand  der 
Kunst  etwas  entgegentragen,  —  er  will  von  ihr  nur  zerstreuendes 
Wrgnügen  haben.  Kommt  noch  dazu,  daß  sich  die  musikalische 
F'achkritik    zu    Bach's    Kirchenkompositionen    im    allgemeinen 


•j  Verlag  von  F.  E.  C.  Lcuckurl  in  Leipzig. 


—     8     — 

so  gut  wie  schweigend  verhält,  daß,  vielleicht  die  ^Nlatthäus- 
Passion  und  die  H-moll  -  Messe  ausgenommen,  kaum  eine  der 
zahlreichen  derartigen  Her\-orbringungen  des  Meisters  eine  er- 
erschöpfendere und  die  Aufmerksamkeit  größerer  Kreise  auf 
sich  lenkende  Besprechung  erfuhr,  so  tritt  jene  oben  berührte 
Teilnahmslosigkeit  sogar  mit  einer  gewissen  Berechtigung  auf. 
Ein  jeder  glaubt  nun  annehmen  zu  dürfen:  „was  die  heutige 
Kunstkritik  ganz  unbeachtet  läßt,  kann  unmöglich  den  wahren 
Bedürfnissen  der  Gegenwart  entsprechen,  —  wir  überlassen 
deshalb  die  Teilnahme  an  Bach's  Vokalwerken  den  sogenannten 
»Kennern  und  Gelehrten';  für  die  soll  sie  der  alte  Herr  ja  zu- 
meist geschrieben  haben,  —  die  mögen  sich  an  ihnen  nach 
Herzenslust  erbauen !" 

Es  liegt  nicht  in  unserer  Absicht,  die  Gründe,  welche  diese 
eigentümliche  Stellung  der  Kunstkritik  zu  den  in  Rede  stehen- 
den Objekten  erklärlich  machen  —  schwerlich  würden  sie  zu 
einer  Heiligsprechung  derselben  führen  —  spezieller  auseinander 
zu  setzen,  es  genügt  zu  konstatieren,  daß  nach  dieser  Seite  hin 
das  Publikum  im  großen  und  ganzen  des  ihm  so  notwendigen 
Hinweises,  dessen  vermittelnde  und  ausgleichende  Wirkungen 
bald  genug  zutage  treten  würden,  bisher  entbehren  mußte. 
Gern  geben  wir  uns  der  Hoffnung  hin,  es  möchten  sich  dazu 
Berufene  endlich  bereit  linden  lassen,  dem  großen  Toten  eine 
alte  und  schwere  Schuld  abziitragen  und  damit  der  künftigen 
Bildung  Elemente  zuzuführen,  die  sicher  vom  segensreichsten 
Einflüsse  sein  werden. 

So  wenig  wir  nun  auch  dazu  Beruf  und  Fähigkeit  in  uns 
zu  erblicken  vermögen,  den  zuletzt  berührten  Übelständen 
nachdrücklicher  begegnen  zu  können,  halten  wir  es  doch  für 
Pflicht,  die  öfi'enthche  Meinung  auf  ein  Werk  zu  lenken,  das 
bisher  vergeblich  der  Feder  harrte,  die  es  den  Menschen  warm 
ans  Herz  legte. 

Zwar  trug  sich  seit  geraumer  Zeit  die  Sage  von  der  Existenz 
desselben  und  man  redete  von  ihm  auch  mit  großem  Respekt,  — 
aber  bekannter  war  es  deshalb  nicht  um  ein  Jota  geworden*): 

*)  Seit  dem  Erscheinen  der  ersten  Auflage  dieses  Schriftchens  fanden 
häutige  Aufführungen  des  Bach'schen  Magnificat   statt. 


—     9     - 

wie  früher  die  H- m  oll- Messe  als  eine  der  tiefsinnigsten  und 
großartigsten  Leistungen  Bachs  galt  und  dem  ohngeachtet 
ihr  ruhiges  Traumleben  in  der  Partitur  ungestört  fortsetzen 
konnte,  ebenso  lief  seit  Jahren  das  dunkle  Gerücht  von  einem 
berühmten  Magnificat  des  Meisters.  Vielleicht  mag  auch 
hier  jener  unbegreifliche  Instinkt  gewaltet  haben,  der  das 
Menschengemüt  geheimnisvoll  dem  Bedeutenden  zuzieht,  dessen 
wahres  Verständnis  nach  und  nach  vorbereitet. 

B  a  c  h's  Magnificat  ist  eine  v.on  den  wenigen  seiner 
Kirchenkompositionen,  die  schon  vor  den  Ausgaben  der  Bach- 
Gesellschaft  dem  Publikum  gedruckt  vorlagen.  W.  Rust  teilt 
uns  in  seiner  treti'lichen  Vorrede  zur  ersten  Lieferung  des 
II.  Jahrganges  der  Werke  Seb.  Bach's  mit,  daß  es  bereits 
im  Jahre  iSii  (bei  Simrock)  in  Partitur  erschien.  Freilich 
weicht  diese  Edition  von  der  der  Bach -Gesellschaft  in  nicht 
unwesentlichen  Punkten  ab.  Sie  zeigt  eine  andere  Tonart, 
statt  D-dur,  Es-dur  und  läßt  außerdem  nichts  von  den  Ver- 
änderungen wahrnehmen,  die  ofit'enbar  von  der  später  bessern- 
den Hand  des  Meisters  herrühren.  Selbstverständlich  legen 
wir  nicht  diese,  sondern  die  von  der  Bach-Gesellschaft  ver- 
öffentlichte Partitur  des  Magnificatüen  nachfolgenden  Unter- 
suchungen zugrunde,  wobei  wir,  Rust  folgend,  die  verschiedenen 
Einlagen  Bach's  von  dem  Werke  selbst  trennen  und  sie  als  nicht 
in  unmittelbarem  Zusammenhange  mit  ihm  stehend  betrachten. 

Der  Text  des  Magnificat  ist  jener  bekannte  Lobgesang 
der  Maria  aus  dem  Evangelisten  Lukas  Kap.  i,  Vers  46—55: 
..meine  Seele  erhebet  den  Herrn  usw."  Obschon  die  Bibel 
diese  Worte  nur  einer  Persönlichkeit  in  den  Mund  legt,  wurden 
sie  doch  wohl  infolge  ihres  allgemeineren  Inhaltes  und  der 
trefflichen  Kontraste,  die  sie  der  musikalischen  Behandlung 
boten,  schon  von  den  Komponisten  der  altitalienischen  Schule 
für  eine  größere  Kunstform  benutzt,  in  der  Einzelngesänge  mit 
Chören  wechselten.  Bach  hat  sich  diesem  Vorgange  in  seinem 
Magnificat  angeschlossen;  es  liegt  uns  in  einer  Reihe  von 
12  Nummern  vor.  Zunächst  wollen  wir  versuchen,  jede  ein- 
zelne derselben  einer  besonderen  Betrachtung  zu  unterziehen, 
und  dann   spater  das  Werk  als  Ganzes  aufzufassen   bemüht  sein. 


lO 


Die  erste  Nummer,  ein  Chor  in  D-dur  ^  ^  Takt,  behandelt 
die  Worte:  „Magnificat  anima  mea  Dominum".  In  einem  weit 
ausgeführten  Vorspiele  exponiert  der  Meister  die  Grundstoffe, 
welche  späterhin  durch  den  Vokalsatz  zur  bewußteren  Er- 
scheinung gebracht  werden.  Das  Orchester  umfaßt  in  seiner 
für  die  damalige  Zeit  reichen  und  glänzenden  Besetzung  das 
Streichquartett,  2  Flöten,  2  Oboen,  3  Trompeten,  Pauken  und, 
wie  in  allen  B  a  c  h'schen  Kirchenwerken,  die  Orgel.  Sämtliche 
Partien  sind  äußerst  selbständig  gehalten  und  gruppieren  sich 
zu  drei  verschiedenen  Chören  in  dem  Streichquartett,  den 
Holzblasinstrumenten  und  den  Messingbläsern  mit  den  Pauken. 
Die  Orgel,  von  der  aus  Bach  die  Kirchenmusik  bekanntUch 
zu  leiten  pflegte,  mußte  sicher  sehr  verschiedenen  Absichten 
dienen:  hier  unterstützend,  dort  vorherrschend,  hier  aus- 
gleichend, dort  vermittelnd  war  sie  in  der  Hand  des  Meisters 
hauptsächlich  das  Werkzeug,  mit  dem  er  seine  persönlichen 
Einflüsse  zur  Geltung  zu  bringen  verstand.  Es  kann  nicht 
genug  beklagt  werden,  daß  uns  Bach  —  was  hier  nebenbei 
bemerkt  sei  —  zu  seinen  Kirchenstücken  keine  ausgeführte 
Orgelstimme  hinterlassen  hat:  mit  ihr  würden  wir  sie  nicht 
nur  in  ganzer  Vollendung  besitzen,  sie  würde  uns  vielmehr 
noch  Ausdrucksformen  offenbaren,  von  deren  Tiefe  und  Be- 
deutung wir  kaum  eine  Ahnung  haben  dürften !  Wer  da  weiß, 
mit  welcher  unerhörten  Meisterschaft  Bach  dies  Instrument 
behandelt  hat,  wird  diese  Behauptung  gewiß  nicht  übertrieben 
finden. 

In  jenen  erwähnten  drei  Instrumentalgruppen  entwickelt 
sich  nun  auf  die  ungezwungenste  Weise  eine  entsprechende 
Anzahl  von  Motiven,  mit  welchen  der  Verlauf  der  Nummer 
bestritten  wird.  Das  schwunghafte,  elastische  Hauptmotiv  tritt 
zuerst  in  den  Oboen  auf;  ihm  gesellt  sich  ohne  weiteres  ein 
Begleitungsmotiv  bei,  das  die  Trompeten  bringen;  aus  diesem 
wieder  entwickelt  sich  endlich  ein  kurzes  Seitenmotiv,  dem 
innerhalb  der  späteren  Ausarbeitung  eine  äußerst  bewegliche, 
vielgeschäftige  Aufgabe  zugeteilt  wird.  Bach  pflegt  seine 
Themata  so  zu  erfinden,  daß  sie  die  verschiedenartigsten  Um- 
stellungen und  \'ersetzungen  erlauben,  mithin  nach  den  Regeln 


—     II     — 

des  2,  3,  4  und  5  lachen  Kontrapunktes  geschrieben  sind. 
Außerdem  liegt  in  ihnen  eine  rhythmisch-melodisch- harmonische 
Schwungkraft,  die  von  vornherein  jenes  erhebende  Gefühl  her- 
vorruft: es  werde  hier  alles  durch  sich  selbst,  durch  den  den 
Stollen  innewohnenden  Trieb  vollzogen  und  die  ordnende 
Meisterhand  trete  nur  leitend  auf,  um  vor  willkürlichen  Aus- 
schreitungen zu  wahren. 

Nach  einer  Ausweichung  in  die  Dominante  kehrt  das  Vor- 
spiel, sein  Hauptmaterial  eng  konzentrierend,  zur  Tonika  zurück, 
in  der  es  nun  vollständig  abschließt.  Die  Singstimmen,  2  So- 
prane, I  Alt,  I  Tenor  und  i  Jiaß,  ergreifen  darauf  zweistimmig 
und  ohne  Instrumentalbegleitung  einen  Teil  des  Hauptmotives, 
das  alsbald  in  voller  Gestalt  vom  Orchester  wieder  aufge- 
nommen wird,  welches  die  erste  Hälfte  des  Vorspiels  Note 
für  Note  repetiert.  Wir  erwähnten  schon  oben  der  außer- 
ordentlich selbständigen  und  polyphonen  Haltung  der  In- 
strumentaleinleitung, und  doch  ist  es  Bach  noch  möglich  ge- 
worden, in  dieselbe  nun  efnen  fast  völlig  neuen  5  stimmigen 
Vokalsatz  hineinzuschreiben  I  Wäre  der  große  Meister  bei 
seinem  unerschöpflichen  Reichtume  nicht  zugleich  ein  ebenso 
unerreichbares  Muster  edelster  Einfachrieit,  —  schwerlich  würde 
es  haben  gelingen  können,  dergleichen  Wagnisse  ungestraft 
auszuführen.  —  Wie  ist  es  aber  unserem  Ohr  möglich,  eine 
solche  Vielstimmigkeit  zu  fassen,  alle  die  \'erschiedenen  Gänge 
und  Wendungen  im  wirbelnden  \'orüberschweben  als  Einheit 
zu  begreifen  ?  Wir  erlauben  uns  hierüber  einige  andeutende 
Worte. 

Nach  unserercm  Dafürhalten  kommt  es  bei  Bach  viel 
weniger  darauf  an,  das  sogenannte  Stimmgewebe  in  allen  Details 
zu  verfolgen:  wie  in  einem  Dome  die  unzähligen  Einzelheiten 
und  \'erzierungen  nur  dazu  dienen,  dem  großen  Ganzen  Leben 
und  Bewegung  zu  geben,  nicht  aber  die  Aufmerksamkeit  des 
Beschauers  von  ihm  abzulenken ,  ebenso  möchte  es  sich  mit 
der  Bach  sehen  Polyphonie  verhalten.  Bach 's  Harmonie- 
folgen entfalten  sich  meist  in  großen,  breiten  Verhältnissen  — 
die  Grundbässc  weisen  es  deutlich  genug  nach  — ;  diese 
Gruppen  löst  er  durch  melodisch-lließende  Stimniführuni;  schein- 


—       12       — 

bar  in  kleinere  auf,  wodurch  eine  Menge  Nebenharmonien  ent- 
stehen, die  geschäftig  hin  und  her  drängen.  W^er  nun  diese 
flüchtig  vorüberschwebenden  Wesen  zu  verfolgen  suchen  wollte, 
würde  daran  scheitern,  daß,  ehe  noch  das  eine  abgeschlossene 
Form  erhalten  hat,  schon  das  andere  hervordrängt,  um  eben 
so  schnell  einem  Dritten  zu  weichen,  daß  alles  einzelne  dem 
Ohre  zu  entschlüpfen  scheint.  Die  wahre  Bedeutung  des  De- 
tails, wie  des  Ganzen  geht  verloren,  wollte  man  Bach  so  hören. 
Man  muß  vielmehr  jene  großen  Verhältnisse  aufzufassen,  sie 
innerlich  in  sich  nachzubilden  suchen  und  von  dieser  festen 
Basis  aus  mit  sicherem  Blick  in  das  scheinbar  verworrene,  in 
Wahrheit  aber  höchst  kunstreich,  organisch  entwickelte  Gewirr 
der  einzelnen  Stimmen  hineinsehen  lernen.  Dann  werden  die 
Einzelheiten,  in  denen  an  jeder  Stelle  der  Schwerpunkt  liegt, 
die  das  entscheidende  Wort  zu  reden  haben,  die  die  haupt- 
sächlichsten Träger  der  künstlerischen  Absicht  sind,  ohne 
Schwierigkeit  wie  von  selbst  heraustreten,  und  das,  was  nur 
stützen,  die  musikalische  Gestaltung  nur  stilvoll  abrunden  soll, 
wird  keine  störende  und  beirrende  Wirkung  mehr  üben.  Das 
Geheimnis  der  Bach'schen  Stimmführung  beruht  in  der  engen 
Beziehung  jeder  einzelnen  Stimme  zum  Ganzen,  —  dement- 
sprechend muß  das  Verständnis  in  erster  Linie  die  Entwick- 
lung des  Ganzen  im  Auge  behalten  und  durch  diese  sich 
über  das  einzelne  zu  orientieren  suchen.  Selbst  der  Musiker 
wird  bei  dem  eindringendsten  Studium,  bei  dem  Eingehen  auf 
die  kleinsten  Details,  dies  nicht  außer  acht  lassen  dürfen,  wenn 
er  nicht  Bach  mißzuverstehen  Gefahr  laufen  will. 

Unser  erster  Chor  entwickelt  sich  nun,  trotz  der  reichsten 
Fülle  und  Mannigfaltigkeit  wesentlich  in  den  einfachsten  For- 
men. Zunächst  wird  die  Hauptdominante  herbeigeführt,  von 
der  aus  der  weitere  Verlauf  die  Seitenrichtung  nach  der  Pa- 
ralleltonart nimmt.  Von  ihr  biegt  die  Modulation  ungezwungen 
nach  der  Tonika  zurück,  berührt  noch  flüchtig  die  Unter- 
dominante, um  zuletzt  in  der  Tonika  voll  abzuschließen.  Zier- 
liche melodische  Kadenzen  bezeichnen  die  Endpunkte  der  Haupt- 
tonarten und  geben  den  großen,  majestätischen  Formen  einen 
zarten,    Ivrischen  Anhauch.     Nachdem    der  Vokalsatz    zu  Ende, 


—    I?    — 

tritt  das  Orchester  wieder  mit  einem  selbständigen  Nachspiele 
auf,  das  der  zweiten  Hälfte  des  Vorspiels  entnommen  ist. 
Man  sieht,  wie  einfach  und  übersichtlich  Bach  seine  Grund- 
verhältnisse zu  bilden  weiß!  Glänzende  Pracht  und  jubelnde 
Freude,  die  sich  in  den  anmutigsten  Tonverschlingungen  be- 
gegnen, sind  die  Haupteigenschaften  der  ersten  Nummer.  In 
treftlicher  Spannung  bereitet  sie  das  Nachfolgende  vor  und  ist 
gleichsam  der  festlich  geschmückte  Eingang  zum  Tempel,  in 
welchem  Lob-  und  Danklieder  der  Macht  und  Gnade  des 
Herrn  erschallen. 

Demgegenüber  bringt  der  nächste  Satz  ein  Solo  D-dur 
•^g  Takt,  das  dieselben  Stimmungen,  denen  der  Chor  breiten, 
gew^ichtigcn  Ausdruck  verlieh ,  als  Einzelempfindung  lieblich 
zurückstrahlt.  Die  Singstimme,  ein  zweiter  Sopran,  behandelt 
die  Textworte :  „et  cxultavit  Spiritus  mens  in  Deo  salutari 
meo"  und  wird  vom  Streichquartett  begleitet,  das  hin  und 
wieder  die  Orgel  unterbricht.  Ein  sanft  aufstrebendes  Motiv, 
von  einer  im  leichten  Spiel  dazwischentretenden  Baßfigur 
sekundiert,  welche  sich  in  erweiterter  Ausführung  später  der 
ersten  \'ioline  zierlich  mitteilt,  bestreitet  fast  ausschließlich  die 
Entwicklung  dieses  weichen,  milden  Arioso.  Es  rundet  sich 
hier  alles  so  zum  schönsten  Ebenmaß  der  Formen  ab,  daß 
die  Nachsätze  wie  von  selbst  aus  ihren  Vordersätzen  zu  fließen 
scheinen.  Nur  der  lauteren  Reinheit  eines  jungfräulichen 
Herzens  konnte  eine  solche  kindlich-heitere  Freude,  die  so  völlig 
gegensatzlos  und  ungetrübt  verläuft,  entspringen. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  dagegen  mit  der  folgenden 
Nummer,  einer  Arie  für  den  ersten  Sopran  H-moll  *  ^  Takt,  der 
sich  ein  Chor  im  unmittelbarsten  Zusammenhange  anschließt. 
Der  Solostimme  sind  die  Worte;  „quia  rcspexit  humilitatem 
ancillae  suae:  ecce  enim.  ex  hoc  beatam  me  dicent",  —  dem 
Chor  deren  Fortsetzung:  „omnes  generationes"  zugrunde  ge- 
legt. So  schlicht  und  einfach  die  Arie  äußerlich  disponiert  er- 
scheint, —  der  Gesang  wird  nur  von  einer  Oboe  d'amore  und 
der  Orgel  begleitet,  —  ebenso  tiefsinnig  und  erschütternd  ist 
ihr  Inhalt.  Bach  begreift  die  Textworte  nicht  allein  inner- 
hiilb    der    Situation,    in    der    sie    auftreten,    seine    musikalische 


—     14     — 

Auffassung  ragt  oft'enbar  weit  über  sie  hinaus.  In  der  Maria 
erblickt  er  nicht  nur  die  demütige,  niedrige  Magd,  welcher 
soeben  der  Weltheiland  verkündigt  ist  und  die  -  sich  dieses 
Glückes  in  seligem  Frieden  bewußt  wird,  —  er  sieht  in  ihr 
vielmehr  mit  dem  Blick  eines  Propheten  jene  Mutter-Gottes, 
deren  Sohn  die  Sünden  der  Welt  in  Knechtesgestalt  tragen 
und  sühnen  soll.  Wie  wäre  sonst  wohl  der  unheimliche,  bange 
Klagelaut,  der  wie  ein  dunkler  Schleier  über  all  der  stillen 
Ruhe  und  Ergebung  lagert,  zu  erklären  ?  Und  noch  mehr 
findet  sich  diese  mystische  Auffassung  Bach's  bestätigt,  wenn 
man  den  Charakter  des  rasch  einfallenden  Chores,  Fis-moll 
*ii  Takt,  ins  Auge  faßt.  In  wilder  Hast  stürzen  sich  die  Sing- 
stimmen in  den  abschließenden  Solosatz  und  türmen  sich,  wie 
von  dämonischen  Gewalten  getrieben ,  zu  einer  so  kolossalen 
Höhe  des  Ausdrucks,  daß  der  Gedanke,  der  Meister  habe  hier 
eine  Welterschütterung  der  unerhörtesten  Art  von  ihrem  fernsten 
Ausgangspunkte  her  vergegenständlichen  wollen,  nahe  genug 
liegt.  Vielleicht  umschwebten  seinen  tiefen  Geist  im  Momente 
des  Schaffens  die  Worte  Christi:  „Ihr  sollt  nicht  wähnen,  daß 
ich  gekommen  sei,  Frieden  zu  senden  auf  Erden.  Ich  bin 
nicht  gekommen,  Frieden  zu  senden,  sondern  das  Schwert." 

Das  äußerst  energische  Thema  wird  zunächst  vom  Baß 
ergriffen,  um  den  sich  der  zweite  Sopran,  Alt  und  Tenor 
wirbelnd  bewegen.  Dann  erfolgen  die  weiteren  Eintritte  des 
Themas,  das  stets  eine  mächtige,  wild  aufgeregte  Figur  hinter 
sich  herzieht,  in  halben  Takten  Schlag  auf  Schlag.  Eine  weit 
ausgreifende  Sequenz  drängt  es  Ton  für  Ton  aufwärts,  um  es 
endlich  einen  flüchtigen  Ruhepunkt  in  der  Paralleltonart,  A-dur, 
finden  zu  lassen.  Aber  ohne  Rast  und  Frieden  toben  die  auf- 
gewühlten Massen  im  neuen  Anlaufe,  der  sich  womöglich  noch 
kühner  und  gigantischer  gestaltet,  weiter,  einem  anderen  Ziele, 
der  Tonart  der  Dominante,  Cis-moU  zutreibend.  Bisher  um- 
brauste die  Singstimmen  eine  grollende  Baßfigur,  die  sich, 
jener  Sequenz  gehorchend,  unwiderstehlich  aus  der  dunklen 
Tiefe  emporarbeitete.  Plötzlich  wird  dem  Continuo  Halt  ge- 
boten: heftige  Orchesterschläge,  den  Dominantakkord  von  Fis- 
moll    auf    dem    ersten    und    dritten    Viertel    mit    voller    Kraft 


—    1?    — 

markierend,  erfolgen  und  bilden  so  eine  Art  Orgelpunkt,  über 
und  in  welchem  jetzt  das  Hauptthema  die  fabelhaftesten  Eng- 
führungen zu  Gehör  bringt.  Fünffache  kanonische  Ver- 
schlingungen im  Einklang  und  in  der  Oktave,  die  sich  auf 
\'iertelschlägen  imitieren,  drängen  einer  unheimlichen  Fermate 
zu,  die  gewissermaßen  die  entscheidende  Krisis  unseres  ge- 
waltigen Chores  bildet.  Denn  nach  ihr  treten  die  Stimmen, 
dem  Schlüsse  rasch  zueilend,  in  fast  homophoner  Führung, 
wie  zur  festen  Einheit  verschmolzen ,  auf,  • —  der  Läuterungs- 
prozeß, wenn  auch  nach  schweren  Kämpfen,  ist  an  ihnen  voll- 
zogen ! 

Vor  einigen  Jahren  sprach  ich  mich  bereits  in  einem 
Artikel,  den  die  ,,Xeue  Zeitschrift  für  Musik"  brachte,  über 
die  Symbolik  Bachs  spezieller  aus;  da  nicht  vorausgesetzt 
werden  kann,  daß  jedem  Leser  jene  Zeitschrift  zur  Hand  ist, 
so  erlaube  ich  mir,  die  Hauptpunkte  der  damaligen  Unter- 
suchungen hiermit  zu  wiederholen: 

„In  seinen  Kirchensachen  kommt  Bach  eine  Behandlung 
der  Formen  zu  Hilfe,  die  ihm  eigentümlich  ist.  Die  Form 
gibt  ihm  nicht  nur  die  Mittel  zur  Darstellung  des  Gegen- 
standes, —  er  weiß  auch  noch  eine  besondere  symbolische  Be- 
deutung hineinzulegen,  die  überkommefhen  Formen  dadurch  zu 
heben,  daß  er  ihre  Grundverhältnisse  in  Beziehung  zum  Gegen- 
stande und  dessen  tieferer  Bedeutung  zu  setzen  weiß.  Ohne 
Bedenken  kann  man  es  wohl  als  Regel  hinstellen:  je  tief- 
sinniger Bach  in  seinen  formalen  Kombinationen  auftritt,  desto 
sicherer  läßt  sich  darauf  rechnen,  daß  hinter  dem  ungewöhn- 
lichen Ausdruck  ein  ebenso  überraschender  Gedanke  verborgen 
liegt.  Poetisches  Eingehen  in  den  Sinn  der  Worte  wird  durch- 
schnittlich rasch  und  sicher  das  Rätsel  lösen.  Eine  Menge 
von  Fällen  spricht  für  diese  Tatsache,  —  zum  Teil  hat  sie 
die  Kritik  bereits  ans  Licht  gezogen,  zum  Teil  liegt  noch 
manches  im  Dunkel,  das  liebevolle  Hingebung  früher  oder 
später  klären  wird." 

Wer  diesen  Ansichten  beizupflichten  vermag,  wird  auch 
in  den  oben  mitgeteilten  Auffassungen  schwerlich  haltlose 
Hypothesen  erblicken,  —  in  Wort  und  Note  finden   sie  ja  die 


—     i6    — 

klarste  Bestätigung.  Obschon  die  meisten  Interpretationsver- 
suche, wie  sie  häufig  an  Instrumentahverken  geübt  werden,  ihr 
sehr  MißHches  haben  und  oft  genug  in  den  -entgegengesetzten 
Anschauungen  auslaufen,  —  so  erblickt  der  eine  in  der  Beet- 
hoven'schen  A-dur-Sinfonie  die  Schilderung  einer  fröhlichen 
Bauernhochzeit,  während  der  andere  sie  für  die  größte  Tra- 
gödie seit  König  Lear  hält,  —  dürften  derartige  Untersuchungen 
bei  musikalischen  Kunstwerken,  denen  ein  bestimmter  Text 
zugrunde  liegt,  nicht  nur  unbedenklich,  sondern '  sogar  not- 
wendig sein.  Das  Wort  gibt  dem  Tone  bestimmte  Richtung 
und  Sinn,  es  schützt  durch  die  ihm  innewohnenden  Eigenschaften 
vor  willkürlich-allegorisierenden  Ausschreitungen  und  wird  viel 
leichter  eine  Vereinigung  auseinandergehender  Ansichten  her- 
beiführen, als  sie  bei  Werken  rein  instrumentaler  Art  mög- 
lich ist. 

Doch  zurück  zum  Magnificat!  —  Der  wilden  Unruhe 
der  eben  besprochenen  Nummer  tritt  nun  ein  Baßsolo,  A-dur 
^,4  Takt,  mit  den  Worten:  „quia  fccit  mihi  magna,  qui  potens 
est,  et  sanctum  nomen  ejus"  —  herrlich  kontrastierend  gegen- 
über. Alles  atmet  hier  warmen,  innigen  Dank  für  das  Große, 
Avas  der  Herr  an  uns  getan,  und  preiset  seinen  heiligen  Namen. 
Die  Ökonomie  dieser  Arie  ist  wahrhaft  bewunderungswürdig 
und  dürfte  leicht  unübertroffen  dastehen.  Ein  charakteristi- 
sches und  ausdrucksvolles  Motiv  des  Continuo,  vier  Takte  bil- 
dend, wiederholt  sich  unausgesetzt  in  den  verschiedensten  Lagen 
und  Intervallen  durch  den  ganzen  Satz.  Zunächst  lenkt  es 
zur  Dominanttonart,  von  der  aus  es  in  einem  sanften  Über- 
gange die  Parallele,  Fis-moll,  erreicht.  Darauf  wird  man  in 
die  Mediante  geführt,  aus  welcher  die  Tonika  wie  neugeboren 
wieder  hervortritt.  Die  Singstimme  entnimmt  ihre  Stoffe  teils 
diesem  Thema,  teils  bewegt  sie  sich  in  freien,  selbständigen 
Figuren,  die  wie  ein  Dankopfer  wallend  über  ihm  empor- 
steigen, würdevoll  und  ruhig  einher.  Die  edle  Form  ihrer 
Kantilene  gibt  uns  erwünschte  Gelegenheit,  einige  Bemerkungen 
über  Wesen  und  Art  des  Bach 'sehen  Gesanges  hier  einzu- 
schalten. 

Es  ist  eine  weit  verbreitete  Ansicht,  daß  Bach  seine  Sing- 


stimmen  vorwiegend  instrumental  behandle:  „er  sei  ausschließ- 
lich Orgelspieler  gewesen  und  habe  den  hier  gebräuchlichen 
Stil  auch  auf  den  Vokalsatz  ausgedehnt",  hört  man  oft  be- 
haupten. Ist  es  schon  an  und  für  sich  etwas  voreilig,  einem 
großen  Künstler  derartige  Mißgritit'e  und  \^erirrungen  zuzu- 
trauen, so  steht  das  anderweitige  Verhalten  unseres  Meisters 
mit  einer  so  leichtfertigen  Annahme  aucli  ini  direktesten  Wider- 
spruche. Wenn  Bach  für  die  Orgel  komponiert,  schreibt  er 
nicht  klaviermäßig  und  ebenso  umgekehrt;  seine  ^^t,  die 
X'iüline,  das  Violoncell,  die  Oboe,  die  Flöte  —  kurz  alle  übrigen 
Instrumente  zu  behandeln,  ist  so  charaktervoll  und  muster- 
gültig, daß  es  sich  heutzutage  niemand  ernsthaft  einfallen 
läßt,  ihn  hier  meistern  zu  wollen.  Allerdings  mutet  er  dem 
Material  häufig  das  Äußerste  zu,  aber  Unmögliches  und  Un- 
ausführbares wohl  schwerlich!  Er  kannte  nicht  nur  die  for- 
malen Eigenschaften  der  Instrumente  auf  das  genaueste,  weit 
tiefer  war  er  noch  in  ihr  eigenstes  Sein  und  Wesen  gedrungen. 
Wir  können  uns  hier  auf  vollgültige  Autoritäten,  wie  die  eines 
Joachim  berufen,  welche  sogar  behaupten,  Bach  wäre  seiner 
Zeit  z.  B.  in  dem,  was  er  der  Violine  bietet,  weit  vorausgeeilt: 
er  habe  im  Geiste  bereits  alle  Möglichkeiten  späterer  tech- 
nischer Entwicklungen  vorausgesehen  und  in  Anwendung  ge- 
bracht. Sollte  er  nun  das  Material,  für  welches  er  das 
Intensivste  schrieb,  was  sein  reicher  Geist  dichtete,  die  Menschen- 
stimme —  sie  ist  ja  auch  in  ihrer  Art  ein  Instrument  — 
weniger  gekannt  und  unpassender  benutzt  haben  als  ver- 
hältnismäßig Lebloseres,  Unorganischeres?  Hätte  diesen  Zweifel 
eine  vernünftige  Praxis  nicht  längst  gehoben,  so  müßte  schon 
die  aufgeworfene  Frage  an  und  für  sich  einigermaßen  scheu 
und  bedenklich  gegen  solche  Urteile  machen.  Das  Haupt- 
hindernis, welches  dem  Sänger  in  der  Bach 'sehen  Kantilenc 
entgegentritt,  besteht  wesentlich  in  der  herkömmlichen  Ge- 
.sangsmethode.  Bach's  Vokalsatz  ruht  auf  dem  Boden  der 
altdeutschen  Musik,  welche  schon  früh  dem  Worte  selb- 
ständigere Bedeutung  gab  und  es  zum  eigentlichen  Träqer  der 
Melodie  zu  machen  suchte:  in  Eccard  tritt  der  Gegensatz  einer 

R.  Franz,  Gesammelte  Schriften.  2 


—     i8     — 

deutschen    und    italienischen  Schule    in    diesem  Sinne    deutlich 
hervor. 

Die  nächste  Xummer  des  Magnificat  bringt  ein  Duett 
zwischen  Alt  und  Tenor,  E-moU  ^-g  Takt,  zu  den  Worten:  „et 
misericordia  a  progenie  in  progenies  timentibus  eum".  Auch 
hier  bewährt  sich  Bach  wieder  als  geistvollen  Interpreten  der 
Textworte  und  feinen  Kenner  des  menschlichen  Herzens.  Die 
Barmherzigkeit  und  Gnade  des  Herrn  in  ihrer  Rückwirkung 
auf  die,  welche  ihn  fürchten,  ist  in  meisterhaften  Zügen  musi- 
kalisch gezeichnet.  Die  Singstimmen  werden  vom  Streich 
quartett  —  \'iolinen  und  Viola  mit  Sordinen,  die  ersteren  noch 
durch  Flöte  verdoppelt,  —  unterstützt.  In  dieser  V^erdopplung 
tauschen  die  Geigen  und  Flöten  ihre  glänzenden  und  weichen 
Klangfarben  aus,  als  wollte  Bach  die  zugleich  erhebende  und 
beschwichtigende  Gewalt  der  göttlichen  Barmherzigkeit  über 
das  sich  ihr  zuwendende  Herz  andeuten.  Bei  den  Worten: 
„timentibus  eum"  schweigt  die  Instrumentalbegleitung  zumeist 
und  überläßt  der  Orgel  die  Begleitung.  Die  Schlußwendung 
der  Singstimmen  ist  von  erschütternder  Wirkung  durch  staunens- 
werte Kühnheit  der  Modulation. 

Einen  grandiosen  Kontrast  bildet  der  diesem  milden  Duett 
folgende  Chor.  Sein  weit  ausgreifendes,  machtvolles  Haupt- 
thema, das  majestätisch  in  einem  Umfang  von  anderthalb 
Oktaven  einhcrschreitet,  bringt  zunächst  die  Worte :  „fecit 
potentiam".  Der  sich  nach  allen  Seiten  .verbreitenden,  unend- 
lich beweglichen  „potentia"  stellt  Bach  ein  Motiv  über  die 
Worte :  „in  brachio  suo"  entgegen,  das  ein  gegensätzliches  und 
doch  verwandtes  Element,  gedrungene,  in  sich  ruhende  und 
dennoch  spannungsvolle  Kraft  zu  verkörpern  scheint.  Das 
Hauptthema,  zuerst  im  Tenor  auftretend,  wird  gleich  von  vorn- 
herein durch  markige,  rhythmische  Schläge  der  übrigen  Sing- 
stimmen begleitet,  denen  sich  das  Orchester  —  aber  ohne 
Trompeten  und  Pauken  — ,  sie  in  anderen  Battuten  imitierend, 
zugesellt.  Darauf  ergreift  es  der  Alt,  während  der  Tenor  das 
schon  oben  erwähnte  Gegenmotiv:  „in  brachio  suo"  entwickelt 
und  die  anderen  Sing-  und  Orchesterstimmen  ihre  kräftige 
rhythmische  Bewegung  fortsetzen.     Das  Thema  wird  jetzt  dem 


—     19     — 

zweiten  Sopran,  dann  dem  Baß,  später  dem  ersten  Sopran  und 
schließlich  dem  Orchester  überwiesen.  Die  Singstimmen  jedoch, 
welche  es  bereits  ausführten,  überlassen  jene  rhythmisch  wirkende 
l-'igur  mehr  und  mehr  dem  Orchester  und  nehmen  eine  immer 
freiere  Haltung  in  den  reichsten  kontrapunktischen  Formen  an, 
so  daß  kurz  vor  dem  Eintritt  des  Hauptmotives  im  Orchester 
alle  in  völlig  selbständiger  Bewegung  begriffen  sind.  Mittler- 
weile haben  sich  zwei  neue  Nebenmotive  zu  dem  Worte: 
„dispersit"  eingeführt,  die  es  in  malerischen  Formen  versinn- 
bildlichen. Der  Continuo  stützt  diesen  wunderbaren  Bau  seiner- 
seits in  nur  ihm  eigenen  Rhythmen,  die  gleichfalls  dem  Charakter 
des  Ganzen  trefflich  entsprechen.  Zuletzt  bleibt  das  eine  Xeben- 
motiv  des  „dispersit"  allein  auf  dem  Platze  und  treibt  das  zu 
ihm  gehörige  „superbos"  plötzlich  in  schrillem  Abbruch  hervor.  — 
und  hier  tritt  nun  ein  Fall  ein,  der  uns  zum  ersten  Male 
Veranlassung  bietet,  Bach  gegenüber  ein  bescheidenes  Be- 
denken zu  äußern.  Der  Text  der  X'ulgata  stellt  nämlich  die 
Worte:  „dispersit  superbos  mente  cordis  sui"  als  zueinander- 
gehörend  hin  und  folgt  darin  nur  dem  griechischen  Originale. 
Bach  dagegen  trennt  sie  auf  das  gewaltsamste,  indem  er  bei 
dem  Worte:  „superbos"  scharf  absetzt  und  ihm  nach  einer 
großen  Pause  in  einem  feierlichen  Adagio  die  Worte:  „mente 
cordis  sui'  entgegenstellt.  Vielleicht  ließ  sich  aber  der 
Meister  durch  das  nicht  eben  klassische  Latein  verleiten,  das 
„sui"  nicht  auf  „superbos"  sondern  auf  Gott  zu  beziehen.  Dann 
konnte  er  der  ganzen  Stelle  möglicherweise  den  Sinn  beigelegt 
haben :  „er  zerstreuet  die  1  loffärtigen  —  mit  dem  Hauche  seines 
Mundes".  Die  Textworte  so  aufgefaßt,  ist  der  musikalische 
Verlauf  des  Satzes  nun  ganz  gerechtfertigt  und  von  vollendeter 
.Schönheit.  Wollte  man  eine  weitere  Erklärung  suchen,  dann 
wurde  kaum  anderes  übrig  bleiben,  als  Bach  die  Geschmack- 
losigkeit zuzumuten,  „den  Sinn  der  Hoffärtigen"  mit  den  ge- 
waltigsten und  erhabensten  Ausdrucksmitteln  der  Kunst  ver- 
herrlicht haben  zu  wollen.  —  Wir  messen  uns  in  diesem  F'alle 
jedoch  durchaus  keine  Kompetenz  bei  und  überlassen  dazu  be- 
rufeneren Händen  gern  die  gründlichere  Untersuchung. 

Dem  eben    besprochenen  Chore    reiht  sich    ein  Ten<jrsülo, 


—       20      — 

Fis-moU  ^/^  Takt  an,  das  in  seinen  Grundzügen  eine  verwandte 
Stimmung  zeigt  Es  behandelt  den  Text:  „deposuit  potentes 
de  sede,  et  exaltavit  humiles".  Natürlich  hat  sich  Bach  auch 
hier  die  naheliegenden  Gegensätze  nicht  entgehen  lassen  und 
weiß  sie  energisch  und  charakteristisch  genug  darzustellen. 

Die  darauf  folgende  Nummer,  ein  Altsolo  in  E-dur  *j^  Takt, 
hebt  sich  wieder  stark  kontrastierend  ab.  2  Flöten,  der  Continuo 
und  die  zuweilen  einfallende  Orgel  begleiten  den  Gesang  zu 
den  VV^orten :  „csuricntes  implevit  bonis  et  divites  dimisit 
inanes".  Die  Arie  hat  jenen  Ausdruck  der  Milde  und  Ruhe, 
der  unser  Gemüt  so  schön  berührt,  ohne  es  durch  Monotonie 
zu  ermüden.  Die  Flöten  bewegen  sich  meist  in  Sexten  und 
Terzen,  einen  höchst  eigentümlichen  Rhythmus  festhaltend  und 
treten  nur  dann  und  wann  in  sinnigem  Spiel  einander  gegen- 
über. Meisterhaft  sind  die  Worte:  „implevit  bonis"  und  dann 
wieder:  „dimisit  inanes"  ausgedrückt:  wie  mit  einem  Füllhorn 
des  Segens  werden  die  „esuricntcs"  überschüttet,  während  die 
„divites"  mit  einer  öden  Figur  leer  ausgehen.  Der  Verlauf  des 
Ganzen  vollzieht  sich  so  natürlich  und  ruhig,  das  unmittelbare 
Eingreifen  des  Höchsten  in  die  Schicksale  der  Menschen  hat 
so  viel  herzgewinnende  Züge,  daf.5  man  das  rasche  Vorüber- 
gleiten der  schönen  Nummer  fast  beklagen   muß.  — 

Ihrem  unmittelbar  erfassendem  Reize  läßt  Bach  eine  tief- 
sinnige Konzeption  folgen,  die  in  entlegene  Fernen,  in  eine 
andere  Welt  einführt,  einen  Satz,  der  wohl  den  eigentlichen 
Mittel-  und  Kernpunkt  des  Ganzen  ausmachen  dürfte.  Die 
uralte  Melodie  des  Magnificat,  deren  sich  die  Kirche  zu- 
gleich auch  für  die  Bencdictio  bediente  —  man  verlegt  ihre 
Entstehung  bis  ins  7.  Jahrhundert  hinauf,  —  erscheint  jetzt  als 
cantus  firmus  in  den  Oboen  und  von  drei  Frauenstimmen  (zwei 
Soprane  und  ein  Altj  mit  den  Worten :  „suscepit  Israel  puerum 
suum,  recordatus  misericordiae"  geheimnisvoll  umspielt.  In 
zarten  Strichen  markiert  das  Violoncell  die  harmonischen  Grund- 
verhältnisse, indem  es  sie  mehr  andeutet,  als  wirklich  ausführt. 
Der  Cantus  firmus  schwebt,  einem  Sterne  gleich,  mildleuchtend 
über  den  Singstimmen,  sie  wie  im  sanften  Zuge  zu  sich  empor- 
hebend.    Der  Vokalsatz    seinerseits  wallt    und  wogt    ihm    ent- 


—      21      — 

gegen  in  lieblichen  Imitationen,  welche  die  verschiedenen 
Stimmen  in  kunstreichen  Verschlingungen  einander  abnehmen 
und  übertragen:   Alles  scheint  Leben    und  B<  aus  den 

uralten  Klängen  zu  schöpfen.     Zu  den  zwei  Z  ~  Chorals 

bedient  sich  der  Meister  auch  eines  doppelten  Begleitungsstoffes: 
der  ersten  wird  das:  „susccpit  Israel  puerum  suum",  der  zweiten 
das:  „rccordatus  misericordiae"'  untergelegt.  Beide Textabschnittc 
finden  wieder  ihre  besondere  musikalische  Behandlung.  Das 
Motiv  zu :  ,,suscepit  Israel  puerum  suum"  wird  gerade  und  in 
der  Umkehrung  benutzt,  eine  Darstellungsform,  welche  der 
hilfreichen  Hand  des  Herrn  charakteristisch  genug  entspricht; 
das :  ,,recordatus  misericordiae''  entwickelt  sich  dagegen  ohne 
Anwendung  solcher  Kunstmittel,  verherrlicht  aber  in  nur  um 
so  eindringlicherer  Art  die  ewige  Gnade  und  Erbarmung. 

Ooschon  sich  die  Singstimmen  in  ihren  kreisenden  Be- 
wegungen zuweilen  schneidend  berühren,  werden  diese  momen- 
tanen Härten  doch  stets  durch  den  selbständigen  Zug  der 
Stimmführung  wieder  ausgeglichen  und  dienen  vielmehr  dazu, 
dem  Satze  das  Gepräge  des  Außerordentlichen,  Mystischen  zu 
verleihen.  Und  auf  die  Darstellung  eines  solchen  dürfte  es 
Bach  wohl  auch  hauptsächlich  hiefr  angekommen  sein.  Die 
Verbindung  gerade  jener  Textworte,  welche  die  erlösende  Barm- 
herzigkeit, die  der  Herr  seinem  Diener  Israel  widerfahren  läßt, 
schildern,  mit  den  ehrwürdigen  Klängen  des  Magnificat  oder 
der  im  Sinne  der  Kirche  noch  bedeutsameren  Benedictio,  ist 
sicher  keine  zufällige  und  deutet  auf  eine  solche  Auffassung 
hin.  Wenn  wir  endlich  noch  auf  den  Gegensatz  dieser  Nummer 
zu  dem  Chore:  ..omnes  generationes"  die  Aufmerksamkeit  lenken, 
darauf  hinweisen,  wie  in  beiden  das  Christentum  zuerst  in  seiner 
welterschütternden  und  dann  in  seiner  welterlösenden  Bedeutung 
vorgeführt  wird,  so  gewinnen  wir  damit  einen  neuen  Gesi  - 
punkt,  der  Fachs  unermeßliche  Größe  im  hellsten  Lichte 

Form  und  Inhalt  des  eben  analysierten  Stückes  erinnerten 
uns    wiederholt    an    einen   jener    unvergänglichen    Ausspr 
Luthers,    die  darum  so  überzeugend  wirken,    weil  sie  aus      . 
tiefsten  Gemütsanschauung  hervorgingen.     Wir  lassen  ihn  hier 
wörtlich  folgen  : 


„\^  o  die  natürliche  Musica  durch  die  Kunst  geschärft  und 
poliert  wird,  da  sieht  und  erkennt  man  erst  mit  Verwunderung 
die  große  und  vollkommene  Weisheit  Gottes  in  seinem  wunder- 
lichen Werke  der  Musica,  in  welcher  vor  allem  das  seltsam 
und  zu  verwundern  ist,  daß  einer  die  schlechte  Weise  hersingt, 
neben  welcher  drei,  vier  oder  tünf  andere  Stimmen  aber  auch 
gesungen  werden ,  die  um  solche  schlechte  Weise  gleich  als 
mit  Jauchzen  ringsherum  spielen  und  springen  und  mit 
mancherlei  Art  und  Klang  dieselbige  Weise  wunderlich  zieren 
und  schmücken  und  gleich  wie  einen  himmlischen  Tanzreigen 
führen,  freundlich  einander  begegnen  und  sich  herzen  und 
lieblich  umfangen." 

Kräftig  das  Vorhergehende  bestätigend  schließt  sich  nun 
ein  Chor,  D-dur,  alla  breve,  mit  den  Worten  an:  „sicut  locutus 
est  ad  patres  nostros,  Abraham  et  scmini  ejus  in  secula". 
Seinem  Inhalte  angemessen  wird  der  Text  zu  einer  Vokalfuge 
benutzt,  die  der  Continuo  und  die  Orgel  energisch  unter- 
stützen. Daß  Bach  in  der  Fugenform  unerreichter  Meister 
ist,  darüber  herrscht  heutzutage  wohl  allgemeine  Überein- 
stimmung. So  löst  er  denn  auch  hier  seine  Aufgabe  mit 
spielender  Leichtigkeit  und  vollendetem  Geschick.  Dem  kernigen 
Hauptthema:  „sicut  locutus  est  ad  patres  nostros"  werden  nach 
und  nach  verschiedene  Nebenmotive  zugeführt,  das  erste  mit 
den  Worten:  „Abraham  et  semini  ejus",  das  zweite  mit:  „sicut 
locutus  est"  und  das  dritte  mit:  „in  secula",  die  sich  bei  dem 
vorletzten  Eintritt  des  Themas  im  Baß  sämthch  vereinigen. 
Der  sinnvollen  Übereinstimmung  zwischen  Wort  und  Ton 
bedart  kaum  der  Erwähnung.  —  Bach 's  Fugen  sind  gewöhn- 
lich in  einem  so  vielfachen  Kontrapunkte  geschrieben,  als  eben 
Stimmen  beschäftigt  werden  sollen.  Durch  ein  zweckmäßiges 
Umstellen  dieser  erzielt  der  Meister  mit  den  einfachsten  Mitteln 
oft  die  größten  Wirkungen.  Im  allgemeinen  arbeitet  er  sein 
Hauptthema  drei-,  vier-  oder  fünfstimmig  aus  und  gibt  jeder 
einzelnen  Partie  einen  möglichst  selbständigen,  individuellen 
Charakter:  mit  diesem  Material  bestreitet  sich  dann  der  weitere 
Verlauf  des  Satzes  fast  ausschließlich.  Demnach  könnte  man 
nun  glauben,    daß  hier  im  Grunde  genommen  mehr  Mechanik 


als  Organik  walte.  Bis  auf  einen  gewissen  Punkt  kann  dies 
auch  ohne  weiteres  zugegeben  werden  —  aber  die  Art  und 
Weise,  in  der  Bach  seine  Themen  erfindet,  dürfte  denn  doch 
nicht  ganz  zu  übersehen  sein :  er  haucht  ihnen  eine  so  elastische 
Kraft  ein ,  daß  sie  in  allen  Lagen  und  Verhältnissen  immer 
wieder  frisch  und  neu  erscheinen.  —  Gegen  das  Ende  hin  ge- 
staltet sich  unsere  Fuge  ziemlich  frei  und  bereitet  damit  den 
Charakter  der  Schlußnummer  treulich  vor. 

Mit  dem :  „sicut  locotus  est"  endigt  eigentlich  der  Lob- 
gesang der  Maria.  Um  eine  bestimmtere  Abrundung  zu  ge- 
winnen, ist  dem  Magnificat  aber  noch  der  \''ers:  „gloria 
Patri,  gloria  Filio,  gloria  Spiritui  sanctol  Sicut  erat  in  prin- 
cipio,  et  nunc  et  semper,  et  in  secula  seculorum,  Amen",  hin- 
zugefügt, der  das  Ganze  in  einer  großen  und  weiten  Stimmung 
noch  einmal  zusammenfaßt. 

Dieser  Schlußsatz  spaltet  sich  nach  seiner  äußeren  Struktur 
in  zwei  Hauptteile,  deren  erster  die  Worte:  „gloria  Patri, 
gloria  Filio,  gloria  et  Spiritui  sancto"  und  deren  zweiter  das: 
„Sicut  erat  in  principio"  usw.  aufnimmt.  Die  fünf  Chor- 
stimmen, \'om  Orchester  mit  Ausnahme  der  Trompeten  und 
Pauken ,  die  erst  später  bei  dem :  ,,g|loria  spiritui  sancto"  hin- 
zutreten, und  der  Orgel  begleitet,  brechen  zuerst  in  einen 
kurzen,  energischen  Ruf:  „gloria !"  —  aus.  Der  Continuo,  tasto 
solo  der  Orgel,  hält  darauf  das  tiefe  a  als  Orgelpunkt  aus,  auf 
welchem  sich  nun  ein  unerhörtes  Tongebilde  aufbaut.  Der 
Baß,  dem  die  übrigen  Singstimmen  in  Eintritten  von  halben 
Takten  folgen ,  entrollt  ohne  alle  weitere  Begleitung  eine  ge- 
waltig aufsteigende  Triolenfigur,  die  sich  nach  einer  Ausführung 
von  drei  Takten  in  das  wie  im  überirdischen  Glänze  strahlende : 
„gloria  Patri",  bei  dem  das  Orchester  wieder  mit  aller  Macht 
einfällt,  jenen  Ruf  von  neuem  aufnehmend,  stürzt.  Diese  An- 
laufe wiederholen  sich  auf  dem  Orgelpunkte  e,  nur  mit  ent- 
gegengesetzten Stimmeintritten  zu  dem:  „gloria  Filio"  und  dann 
wieder  auf  dem  Orgelpunkte  h,  jedoch  mit  einem  neuen  Motive 
zu  dem:  „gloria  Spiritui  sancto".  —  Die  Stimmen  scheinen  im 
Drange  des  Aufschwunges  zu  dem  dreieinigen  Gott  sich  zu 
überstürzen,    bis    sie    das  Bedürfnis   tler  Gemeinschaft  auf  weit 


—     24     — 

ausklingenden  Quintsexten-Akkorden  wieder  einigt,  sie  scheinen 
den  Himmel  stürmen  zu  wollen,  vor  dem  -ewigen  Glänze 
aber,  nicht  zerknirscht,  sondern  jauchzend  in  die  Knie 
zu  sinken.  Und  hier  zeigt  die  Musik  recht  klar  das  nur 
ihr  eigentümliche  Vermögen,  Stimmungen  höchster  Trans- 
zendenz in  voller  Realität  darzustellen;  die  Ausdrucksfähigkeit 
der  übrigen  Künste  reicht  nach  dieser  Seite  hin  nicht  entfernt 
an  sie  heran. 

Der  eben  besprochenen  Einleitung  folgt  nun  die  zweite 
Hälfte  des  Chores  mit  den  Worten:  „Sicut  erat  in  principio, 
et  nunc  et  semper  et  in  secula  seculorum,  Amen."  Bach 
lenkt  hier  auf  die  Eingangsnummer  zurück,  indem  er  die  Haupt- 
motive derselben  in  gedrängter  Form  noch  einmal  vorüber- 
schweben läßt.  Die  befriedigende  Abrundung,  welche  er  damit 
dem  ganzen  Werke  gibt,  reiht  sich  den  vorausgegangenen 
Zügen  vollendeter  Schönheit  würdig  an. 


Nachdem  wir  jede  einzelne  Xummer  des  Magnificat 
einer  besonderen  Besprechung  unterzogen  und  ihren  hohen 
Wert  nachzuweisen  versucht  haben,  bleibt  uns  nun  noch 
übrig,  das  Werk  als  Ganzes  zu  betrachten.  Je  ausführlicher 
wir  dort  verfuhren,  um  so  kürzer  werden  wir  uns  hier  fassen 
können. 

Alle  Werke  Bach 's  zeigen  die  geschlossenste  Stimmung, 
die  sich  fest  und  sicher  durch  den  Verlauf  zieht.  Unserer 
Zeit,  deren  Blick  so  sehr  vom  einzelnen  beherrscht  wird,  kommt 
es  fast  unbegreiflich  vor,  wie  die  alten  Meister  bei  aller  Liebe, 
die  sie  dem  Detail  zuwandten,  stets  das  Auge  klar  und  frei 
zu  erhalten  wußten,  um  über  ihm  die  allgemeinen  Grundver- 
hältnisse und  deren  harmonischen  Zusammenhang  nicht  zu 
vernachlässigen.  Ihr  künstlerisches  Empfinden  war  noch  ein 
durchaus  einheitliches,  —  eine  reine  und  durchsichtige  Atmo- 
sphäre breitet  sich  ungetrübt  über  ihren  Werken  aus,  ein  gleich- 
mäßiges Licht,    der  Abglanz    der    eigenen  Scelenstimmung  des 


Künstlers,  durchleuchtet  die  Welt,  die  sie  schatten,  und  alle 
ihre  Gebilde:  nirgends  erblickt  man  Zufälliges  oder  Über- 
flüssiges, vielmehr  bedingt  eins  das  andere  so  notwendig,  daß 
alles  wie  aus  einem  gemeinsamen  Mittelpunkte  entsprungen 
zu  sein  scheint.  Auch  unser  Magnificat  bestätigt  diese  Wahr- 
nehmung. Bei  aller  Mannigfaltigkeit,  die  es  in  den  einzelnen 
Teilen  bieten  mag,  bei  den  gewaltigsten  Kontrasten,  die  ein- 
ander gegenübertreten,  trotz  der  stets  fortschreitenden  Steige- 
rung, waltet  doch  im  ganzen  wieder  eine  Naivetät  und  Kind- 
lichkeit, die  alle  Schwierigkeiten  scheinbar  spielend  löst  und 
in  volier  Unbefangenheit  das  Höchste  wagt  und  erreicht. 
Bach  war  eben  ein  ganzer  Mensch,  dessen  Inneres  keine 
Widersprüche  dulden  konnte:  wie  im  Detail  seiner  Musik  die 
verwandten  Stofte  gleichsam  kristallisierend  zusammenschießen 
und  alles  Fremdartige  abweisen,  ebenso  instinktartig  vereinigen 
sich  ihm  die  größeren  Verhältnisse  zu  einem  Ganzen,  das  nichts 
Unharmonisches  in  sich  duldet. 

Solchen  Erscheinungen  gegenüber  hört  eigentlich  jede 
Kritik  auf,  —  sie  muß  sich  bescheiden ,  den  wunderbaren 
Leistungen  des  Meisters  lauschend  und  beobachtend  nachzu- 
gehen :  kann  sie  ihre  negativen  EigeÄischaften  an  derartigen 
Werken  nur  wenig  üben,  mag  sie  sich  ihrer  dafür  um  so  posi- 
tiver annehmen.  In  diesem  Sinne  erlauben  wir  uns  noch  einige 
flüchtige  Bemerkungen. 

In  der  Form  unterscheidet  sich  das  Magnificat  von 
vielen  der  übrigen  Bach  sehen  Kirchenwerke  durch  eine  be- 
sonders konzise  und  knappe  Gestalt  der  Chöre  wie  der  Solo- 
gesänge. Namentlich  zeigen  die  letzteren  eine  große  Präzision 
der  Konturen:  kann  an  ihnen  auch  die  Grundform  der  Arie, 
die  Dreiteiligkeit,  wahrgenommen  werden,  so  erscheint  sie 
doch  mehr  angedeutet,  als  wirklich  ausgeführt.  Teils  bedingte 
dies  der  Text,  der  in  den  einzelnen  Versen  wenig  Gegensätz- 
liches bietet,  teils  der  allgemeinere  Verlauf  des  Werkes,  das 
seiner  Xatur  nach  rasch  und  entschieden  vorwärts  schreitet. 
—  Ebenso  sind  die  Chöre,  vielleicht  mit  Ausnahme  des  ersten, 
sehr  gedrängt  und  kompakt  gehalten  und  legen  ein  vollgültiges 


—      26      — 

Zeugnis  ab,  wie  sehr  Bach  unter  Umständen  der  Selbstbe- 
schränkung fähig  war. 

Die  Behandlung  der  Singstimmen  ist  im  allgemeinen  eine 
glückhche  und  gelungene  zu  nennen.  Nirgends  wird  der 
Sänger  genötigt,  die  außergewöhnlichen  Lagen  seines  Organs 
in  Anwendung  zu  bringen,  —  er  kann  sich  vielmehr  dessen 
Frische  und  Kraft  bis  ans  Ende  bewahren.  Die  Kantilenen 
sind  meist  leicht  faßlich,  immer  eindringlich,  und  erleichtern 
auch  dadurch  die  ausdrucksvolle  Wiedergabe. 

Das  Orchester  bietet  desgleichen  keine  namhaften 
Schwierigkeiten:  mit  Ausnahme  der  Trompeten,  denen  aller- 
dings Dinge  zugemutet  werden,  welche  die  heutige  Technik 
nicht   mehr   leisten   kann,    läßt    sich    alles   bequem    ausführen. 

Demnach  wären  dem  Werke  hinlänglich  die  Wege  geebnet, 
in  entsprechender  Darstellung  vor  die  Welt  zu  treten:  hoften 
wir,  daß  es  nur  dieser  Andeutung  bedurft  hat,  ihm  zu  diesem 
seinem  guten  Rechte  zu  verhelfen.  Hohe  Zeit  dürfte  es  sein, 
der  gänzlichen  Verflachung  des  Geschmackes  durch  Wieder- 
belebung dieser  und  ähnlicher  Schöpfungen  der  älteren  Kunst 
entgegen  zu  wirken.  Die  Aufführung  der  Matthäus-Passion 
durch  Mendelssohn  war  eine  epochemachende  Tat,  welche 
das  im  starren  Todesschlafe  liegende  Lieblingskind  der 
Bach 'sehen  Muse  zu  neuem  Leben  erweckte,  —  mögen  solche 
Taten  an  ähnlichen  Werken  des  Meisters  bald  und  in  großer 
Anzahl  vollzogen  werden  !  Das  Kunstwerk  gewinnt  seine  wahre 
Bedeutung  erst,  wenn  es  die  Macht,  die  der  Künstler  ihm  ver- 
lieh, vor  aller  Welt  wirklich  üben  kann:  dieser  hat  seine 
Pflicht  getan,  mögen  nun  die,  welche  sich  seine  Nachfolger 
nennen,  die  ihre  tun  I  Das  Publikum  kann  durch  solche  Be- 
strebungen nur  gewinnen. 

Was  nun  schHeßlich  unsere  ^Mitteilungen  betrifft,  fürchten 
wir  fast,  die  Geduld  der  Leser  hart  in  Anspruch  genommen 
zu  haben.  Sollen  sie  aber  einigermaßen  fruchtbringend  wirken, 
dann  müssen  wir  sogar  noch  fordern,  ihre  Stichhaltigkeit  an 
der  Partitur  selbst  zu  prüfen.  Diese  wird  dem  aufmerksamen 
Blicke  noch  eine  Menge  Schönheiten  offenbaren,  die  hier  un- 
erwähnt bleiben  mußten,    um  unseren  Erörterungen  einen  ein- 


heitlichcn  Charakter  zu  bewahren.  Sollten  diese  nun  ein  Ge- 
ringes dazu  beitragen,  das  öfifentliche  Interesse  dem  Magni- 
ticat  lebhafter  zuzuwenden,  so  würden  wir  darin  reichen  Lohn 
für  die  mancherlei  Mühen  einer  ungewohnten  und  wenig  ge- 
übten Tätigkeit  erblicken,  die  sich  nur  einigermaßen  aus  dem 
oben  erwähnten  Schweigen  der  musikalischen  Presse  recht- 
fertigen läßt. 


IV. 

Vorbemerkung 
zu  Joh.  Seb.  Bach  Magnificat  (in  D-dur) 

bearbeitet  von  R.  F.     Partitur.*) 

Die  nachfolgende  Bearbeitung  des  Magnificat  wurde  ur- 
sprünglich lediglich  zum  Zwecke  einer  hiesigen  Aufführung 
des  Werkes  von  mir  unternommen.  Obwohl  dieselbe  sich  bei 
dieser  Gelegenheit,  wie  ich  nach  dem  Urteile  anderer  an- 
nehmen darf,  praktisch  schon  bewährt  hat,  glaube  ich  bei  der 
nunmehrigen  Veröffentlichung  durch  den  Druck  diese,  wie 
einen  derartigen  Versuch  überhaupt,  doch  noch  mit  einigen 
Worten  rechtfertigen  zu  müssen. 

Das  Magnificat  eignet  sich  vor  manchen  anderen  Werken 
des  großen  Meisters  zu  öffentlichen  Aufführungen  durch  seine 
künstlerische  Gesamthaltung  Avie  durch  die  schlagende  Wirkung 
vieler  Einzelheiten,  worüber  ich  auf  eine  kürzlich  veröffentlichte 
Schrift  (Mitteilungen  über  Joh.  Seb.  Bach's  Magnificat  von 
R  o  b.  Franz)  hier  verweisen  muß.  Eine  vollständige  Auf- 
führung nach  der  Originalpartitur  ist  aber  unmöglich,  weil  die- 
selbe hin  und  wieder  nach  dem  früheren  Gebrauch  nur  Skizzen 
gibt,  welche  erst  durch  die  hinzutretende  Orgel  volles  Leben 
und  volle  Entwicklung  finden  sollten,  an  anderen  Stellen  aber 
nicht  mehr  gebräuchliche  Instrumente  aufführt  oder  der  In- 
strumentalstimme Aufgaben  stellt,  die  heutzutage  unlösbar  sind. 

Die  größere  Ausdrucksfähigkeit,  das  Vermögen  auf  alle 
Nuancen  des  Gesanges  einzugehen,  welche  dem  Orchester  im 
Gegensatz  zur  Orgel  eigen  sind,  veranlaßten   mich,    behufs  der 


*)  Verlag  von  F.  E.   C.  Leuckart  in  Leipzig. 


29      — 

Ergänzung  in  der  ersten  Richtung  wesentlich  die  Kräfte  des 
Orchesters  heranzuziehen ,  je  nach  den  Umständen  also  die 
beiden  \'iolinen  und  die  Mola,  der  Regel  nach  zwei  Klari- 
netten und  zwei  Fagotte,  an  Stellen,  wo  die  großartige  An- 
lage dies  zu  rechtfertigen  schien,  eine  Baßposaune  dafür  zu  be- 
nutzen. Zuweilen  beschränken  sich  solche  Instrumente,  um  dem 
Chore  eine  festere  Haltung  zu  geben  oder  einzelne  besonders  be- 
deutungsvolle Motive  hervortreten  zu  lassen,  darauf,  Stimmen 
der  Originalpartitur  zu  verdoppeln;  an  anderen  Stellen  —  be- 
sonders in  den  Arien:  „cjuia  fecit  mihi  magna"  und  „deposuit 
potentes"  —  war  der  Versuch  zu  machen,  die  harmonische 
Füllung  im  polyphonen  Stile  der  ganzen  Komposition,  also  in 
frei  geführten,  das  thematische  Material  aufnehmenden  Stimmen 
zu  geben.  Eine  solche  Bearbeitung  für  Orchester  forderte  dazu 
auf,  den  neu  gesetzten  wie  den  Stimmen  des  Originals  Vor- 
tragszeichen hinzuzufügen,  um  dadurch  einheitliche  Auffassung 
und  Ausführung  einigermaßen  zu  sichern. 

Der  orchestrale  Satz  will  hiernach  die  Orgel  völlig  ent- 
behrlich machen.  Da  aber  nur  sie  den  erhabenen  Glanz,  den 
die  Haltung  der  Chöre  zu  fordern  scheint,  wirklich  zu  geben 
vermag,  so  war  für  die  Chöre  eine  der  Bearbeitung  ent- 
sprechende Orgelstimme  zu  setzen,  zur  Benutzung  in  allen 
Fällen,  wo  eine  Orgel  neben  dem  Orchester  mitwirken  kann. 
Die  Orgclstimme  für  die  Solosätzc  ist  nur  zum  Gebrauch  der- 
jenigen beigefügt,  welche  aus  irgendeinem  Grunde  oder  Be- 
denken von  dem  neu  hinzugebrachten  orchestralen  Satze  keinen 
Gebrauch  machen  wollen. 

Die  erwähnten  rein  technischen  Gcsiclitspunkte  werden 
die  —  nach  Möglichkeit  beschränkte  —  Vertretung  der  Trom- 
peten durch  C-Klarinettcn,  die  überall  zur  Hand  sind  und  sich 
durch  ihren  durchdringenden  Ton  dazu  eignen,  rechtfertigen. 
Wem  Kornetts  zur  Verfügung  stehen,  mag  die  hohen  Trom- 
petenlagen durch»  diese  ausführen  lassen.  Weiter  war  die 
Oboe  d'amore  teils  der  jetzt  gebräuchlichen  Oboe  anzupassen, 
teils  durch  die  A-Klarinette  zu  ersetzen.  —  Endlich  schien  es 
zweckmäßig,  die  Kontrabaßstimmc  so  zu  schreiben,  wie  sie 
wirklich  auszuführen  ist,  die  \'ersetzung    der   den  Umfang    des 


—     30    — 

Instrumentes  öfters  überschreitenden  Originalstimme  also  nicht 
lediglich  der  Diskretion  der  Ausführenden  zu  überlassen.  Das 
Violoncell  bringt  den  Bach'schen  Satz  unverändert. 

Aus  alledem  wolle  man  entnehmen,  daß  meine  Absicht 
zunächst  nur  dahin  gegangen  ist,  die  mancherlei  Schwierig- 
keiten, welche  einer  Aufführung  des  Werkes  entgegenstehen, 
nach  Kräften  aus  dem  Wege  zu  räumen.  Man  mag  in  aller 
Freiheit  von  diesen  meinen  Vorschlägen  Gebrauch .  machen 
und  sie  vor  allem  nach  der  Originalpartitur,  —  welche  durch 
die  vorliegende  nicht  ersetzt  werden  soll,  weshalb  auch  die 
neu  hinzugefügten  Stimmen  und  die  des  Originals  nicht  ver- 
schieden bezeichnet  sind,  —  immer  neuen  Prüfungen  unter-: 
werfen.  Ähnliche  Arbeiten  anzuregen  und  so  eine  gleichmäßige 
Tradition  für  die  Wiederbelebung  Bach'scher  Werke  anzu- 
bahnen, ist  einer  der  Gesichtspunkte,  die  mich  bestimmt  haben, 
auf  den  uneigennützigen  Vorschlag  des  Verlegers,  das  ganze 
Werk  in  dieser  Form  drucken  zu  lassen,  einzugehen. 

Der  vor  kurzem  in  demselben  Verlag  erschienene  Klavier- 
auszug des  Magnificat  stimmt  mit  der  vorliegenden  Partitur 
im  wesentlichen  überein. 

Halle,  im  Januar   1864. 

Robert  Franz. 


V. 

Vorbemerkung 
zu  Johann  Sebastian  Bach  Trauer-Ode 

bearbeitet  von  R.  F.     Partitur.  *) 

Die  Grundsätze,  welche  mich  bei  der  Bearbeitung^  der 
Trauer-Ode  leiteten,  sind  im  allgemeinen  dieselben,  die  ich  in 
der  Vorbemerkung  zum  B  a  c  h  "sehen  Magnificat  **j  bereits  aus- 
einandergesetzt habe.  Indem  ich  auf  sie  verweise,  möge  an 
dieser  Stelle  nur  gestattet  sein,  von  den  Abänderungen  zu 
reden,  die  eine  Bearbeitung  des  vorliegenden  Werkes  im  Sinne 
heutiger  Bedürfnisse  als  notwendig  erscheinen  läßt. 

Zunächst  habe  ich  von  dem  Gottsched 'sehen  Texte  aus 
den  im  Vorwort  der  dritten  Lieferung  des  13,  Jahrgangs  der 
Bach 'sehen  Werke  angegebenen  Gründen  abgesehen  und  be- 
diente mich  deshalb  der  ümdichtung,  welche  W.  Rust  eben- 
daselbst mitteilt.  Zwar  hat  die  Trauer-Ode  durch  diese  Arbeit 
Rust 's  eine  allgemeinere  Bedeutung  erhalten,  —  hofit'en  wir 
aber,  nur  zu  ihrem  Vorteil:  sie  erweitert  ungezwungen  den 
poetischen  Inhalt  und  schmiegt  sich  dem  musikalischen  Aus- 
druck ganz  vorzüglich  an.  —  Das  Direktorium  der  Bach- 
Gesellschaft  war  so  freundlich,  die  Benutzung  jener  Ümdichtung 
tür  meine  Bearbeitung  zu  gestatten,  wofür  ich  ihm  hiermit  den 
verbindlichsten  Dank  sage. 

In  der  Trauer-Ode  bedient  sich  Bach  verschiedener  Instru- 
mente, die  gegenwärtig  außer  Gebrauch  gekommen  sind.  Es 
mußten  daher  die  beiden  „Viola  da  gamba"  dem  X'^ioloncell 
zugewiesen  werden:  eine  Umgestaltung,  welche  den  Bach  sehen 

*)  Mit  F.rlaubnis  der  Verlagsfirma  Fr.  Kistner  in  Leipzig. 
♦♦)  Siehe  oben  S.  28. 


—     32     — 

Intentionen  wohl  am  nächsten  kommen  möchte.  Ferner  er- 
scheinen im  Original :  Liuto  I  u.  II,  die  desgleichen  im  heutigen 
Orchester  fehlen.  Da  sie  Bach  fast  überall  mit  dem 
Continuo  unisono  gehen  läßt,  glaubte  ich  ihrer  ganz  entbehren 
zu  dürfen  und  benutzte  nur  in  dem  Altrezitative  C>Von  hoch 
herab"),  wo  sie  selbständig  auftreten,  statt  ihrer  2  Violen.  Die 
ursprüngliche  Viole  wurde  hier  einer  dritten  Violine  zugeteilt. 
Bei  starker  Besetzung  des  Orchesters  können  übrigens  2  Violon- 
cells  im  Pizzikato  die  beiden  Lauten  da,  wo  sie  von  Bach 
ausdrücklich  vorgeschrieben  sind,  mit  guter  Wirkung  vertreten. 
—  Im  Tenorrezitativ  („Im  Leben  fromm")  habe  ich  die  beiden 
Oboe  d'amore,  die  unsere  Oboen  in  den  tieferen  Lagen  nicht 
ausführen  können,  durch  Klarinetten  besetzt.  —  Als  Ergänzungs- 
material würden  außerdem  noch  2  Klarinetten,  2  Fagotte  und 
2  Hörner  gebraucht.  Letztere  erwiesen  sich  an  vielen  Stellen 
als  besonders  dienlich,  die  höheren  und  tieferen  Tonverhältnisse 
des  Bach 'sehen  Orchesters  auszugleichen.  Dem  etwaigen 
Widerspruche,  daß  sich  Bach  in  seinen  Passions-  und  Trauer- 
musiken der  Blechinstrumente  meist  enthalten  habe,  hoffe  ich 
damit  begegnen  zu  können,  daß  man  in  jener  Zeit  von  diesen 
Mitteln  einen  etwas  einseitigen  Gebrauch  machte:  man  wandte 
sie  nur  zum  Ausdrucke  glänzender  Freude  an.  Das  moderne 
Orchester  hat  die  Effekte  der  Blechinstrumente  wesentlich  zu 
erweitern  gewußt,  und  sie  erweisen  sich  gegenwärtig  auch  ganz 
entgegengesetzten  Absichten  dienstbar. 

Schließlich  kann  ich  nur  nochmals  wiederholen,  „daß  mein 
Streben  lediglich  darauf  gerichtet  war,  die  mancherlei  Schwierig- 
keiten, welche  einer  Aufführung  des  Werkes  entgegen  stehen, 
nach  Kräften  aus  dem  Wege  zu  räumen.  Man  mag  in  aller 
Freiheit  \^on  diesen  meinen  Vorschlägen  Gebrauch  machen  und 
sie  vor  allem  nach  der  Originalpartitur,  welche  durch  die  vor- 
liegende nicht  ersetzt  werden  soll,  immer  neuen  Prüfungen 
unterwerfen.  Ahnliche  Arbeiten  anzuregen  und  so  eine  gleich- 
mäßige Tradition  für  die  Wiederbelebung  Bach 'scher  Werke 
anzubahnen,  ist  einer  der  Hauptgesichtspunkte,  die  mich  zur 
Herausgabe  der  Trauer-Ode  in  dieser  Gestalt  bestimmt  haben." 

Halle,  im  Mai  i866.  Robert  Franz. 


M. 

Vorbemerkung 

zu  Job.  Seb.  Bacb's  Passionsmusik  nach  dem 
Evangelisten  Matthäus 

mit  ausgeführtem  Akkompagnement 
bearbeitet  von  R.  F.     Partitur.  *) 

Es  ist  eine  historisch  nicht  anzuzweifelnde  Tatsache,  daß 
bei  der  Aufführung  der  Matthäuspassion  wie  anderer  Vokal- 
kompositionen B  a  c  h  '  s  zu  den  in  der  Partitur  speziell  aus- 
geführten Stimmen  noch  freies  Akkompagnement  getreten  ist, 
welches  sich  nicht  nur  an  den  Solosätzen,  sondern  durchweg 
je  nach  den  Umständen  mehr  oder  -»Weniger  beteiligte.  Wahr- 
scheinlich ist,  daß  für  die  Passion  zu  diesem  Zwecke  sogar 
zwei  Orgeln  und  ein  Cembalo  benutzt  wurden.  Die  von  Bach 
den  beiden  Continuos  höchst  sorgfältig  beigefügte  General- 
baßschrift läßt,  während  es  an  jeder  Tradition  über  die  beim 
Akkompagnement  befolgte  Methode  im  einzelnen  fehlt,  ebenso- 
wenig darüber  in  Zweifel,  daß  diese  Begleitung  sehr  wesent- 
liche Lücken  der  Partitur  auszufüllen  hatte. 

Bei  der  Wiederbelebung  des  großen  Werkes  hat  man  seit- 
her meist  hiervon  abgesehen,  sich  genau  an  die  Noten  der 
Partitur  gehalten  oder,  wenn  man  eine  Orgclstimme  hinzutreten 
ließ,  dies  doch  nur  in  ungleicher  und  schwankender  Weise 
gewagt,  betreffs  der  Solosätze  sich  aber  damit  geholfen,  daß 
man  die  größere  Zahl  derselben  vollständig  überging.  Die 
natürliche  Folge  war,    daß  die  Rezitativc  ganz   in  den  Vorder- 

♦)  Mit  Erlaubnis  der  Vcrlagsfirma  Breitkopf  u.  Härtel  in  Leipzig. 
R.  Franz,  Gesammelte  Schriften.  3 


—     34     — 

grund  traten  und  die  Chormassen  nur  ein  unzureichendes 
Gegengewicht  in  wenigen  Arien  fanden.  Die  großen  auch  mit 
solchen  Aufführungen  erzielten  Erfolge  ließen  zunächst  trotz 
aller  Rügen  der  Kritik  über  jene  Unzuträglichkeiten  wegsehen, 
dennoch  drängt  die  Einsicht  in  die  Mißstände  der  bisherigen 
Praxis  wie  jene  historische  Gewißheit  nunmehr  dazu,  das  jetzt 
Gebräuchliche  durch  eine  den  Intentionen  Bach 's  näher 
tretende,  allerdings  erst  neu  zu  bildende  Tradition  zu  ersetzen. 

Hierzu  will  die  nachfolgende  Bearbeitung  den  ersten  Schritt 
tun.  Sie  will,  da  ein  freies  Akkompagnement  im  Sinne  Bach 's 
ein  der  Gegenwart  unerreichbares  Ziel  sein  möchte,  dasselbe 
durch  anderweite,  uns  zugängliche  Mittel  in  diskreter  Weise 
zu  ersetzen,  damit  vollständige  Aufführungen  des  ganzen  \\'erkes 
zu  ermöglichen  und  denselben  einen  einheitlicheren  Verlauf  zu 
sichern  suchen. 

Nur  diese  Erwägungen  haben  den  Unterzeichneten  die 
natürliche  Scheu,  einem  solchen  Werke  selbsttätig  nahe  zu 
treten,  überwinden  lassen :  er  hat  nichts  gewollt,  als  den  An- 
deutungen der  Generalbaßschrift  im  engsten  Anschluß  an  den 
Stil  des  großen  Meisters,  wie  er  ihn  nirgends  verleugnet,  eine 
bestimmte,  in  sich  abgeschlossene  Form  zu  geben.  — 

Im  einzelnen  ist  folgendes  zu  bemerken. 

Die  vorliegende  Ausgabe  markiert  den  neu  hinzugefügten 
Satz  überall  durch  das  Zeichen  (F)  und  gibt  im  übrigen  das 
Original  treu  wieder.  Nur  sind,  im  Interesse  schnellerer  Orien- 
tierung und  einheitlicher  Auffassung  bei. der  Aufführung,  dem 
Original  —  wie  den  neuen  Stimmen  Vortragsbezeichnungen 
beigesetzt,  vorkommende  Vorschläge  je  nach  den  Umständen 
als  kurze  oder  lange  bezeichnet,  außer  Gebrauch  gekommene 
Instrumente  durch  die  entsprechenden  neueren  ersetzt,  was  — 
z.  B.  in  der  Baßarie:  „Komm,  süßes  Kreuz"  zu  einigen  Modi- 
fikationen der  ursprünghchen  Form  nötigte.  Weiter  ist  der 
Versuch  gemacht,  das  Tempo  der  einzelnen  Sätze  nach  den 
jetzt  üblichen  Bezeichnungen  anzudeuten.  In  einigen  Arien  ist 
die  Repetition  des  ersten  Teils  in  gedrängterer,  verkürzter 
Form  gegeben,  —  durch  eingeklammerte  Da  Capo-  und  Fine- 
Zeichen  ist  daneben  jedoch   die  ursprüngliche  Fassung  ersieht- 


lieh  cjcmacht.  Der  Raumersparnis  wejjcn  ist  in  der  Re^jel  die 
Bach 'sehe  Generalbal.lschrift  weggelassen;  sie  schien  ent- 
behrlich, weil  sie  in  anderer,  anschaulicher  Form  ohnehin  durch 
das  ihr  genau  entsprechende  Akkompagnemcnt  wiedergegeben 
wird. 

Letzteres  ist  wesentlich  (^rchestcrinstnunenten,  je  nach  den 
Umständen  dem  Streiche juartett  oder  den  Holzbläsern,  über- 
tragen. Die  Mehrzahl  der  Stimmen  hat  sich  in  neuerer  Zeit 
für  die  Anwendung  solcher  Mittel  erklärt,  die  namentlich  der 
Orgel  gegenüber  den  \'orzug  größerer  Beweglichkeit  und 
Schmiegsamkeit  haben,  der  für  Bearbeitungen  Bach 'scher 
Werke  um  so  höher  anzuschlagen  ist,  als  auch  das  Akkom- 
pagnemcnt durch  die  Stimmführung  des  Originals  zu  poly- 
jjhoner  Plaltung  unvermeidlich  gedrängt  wird.  Trotz  dieser 
Ähnlichkeit  liegt  es  jedoch,  wie  ich,  um  Mißverständnissen  zu 
begegnen,  ausdrücklich  hervorhebe,  nicht  in  der  Absicht,  bei 
der  Ausführung  das  Akkompagnemcnt  als  etwas  gleich  Selb- 
ständiges und  Bedeutungsvolles  wie  die  Originalstimmen  be- 
handeln zu  lassen.  Der  von  mir  vorgeschlagene  Satz  soll  nur 
den  fernen  Hintergrund  der  Orgel  vertreten,  deren  Stimm- 
gewebe die  von  Bach  fixierten  Vokal-  und  Instrumental- 
stimmen nirgends  verdecken  und  erdrücken  darf,  sondern  nur 
wie  in  einem  feinen,  durchsichtigen  Netze  auffangen  und  tragen 
soll.  Nur  wenn  man  dies  im  Auge  behält,  wird  richtige 
Verteilung  von  Licht  und  Schatten  gewonnen  werden.  Frei- 
lich setze  ich  hierbei  \oraus,  daß  sich  die  Ausführenden,  die 
Sänger  eingeschlossen,  auch  darüber  klar  sind,  daß  Bach 's 
obligate  X'okal-  und  Instrumentalstimmen  an  einzelnen  Stellen 
absichtlich  in  der  Art  der  Mittelstimmen  geführt  werden,  um, 
wie  die  ganze  Anlage  deutlich  ergibt,  dem  Akkompagnemcnt 
Raum  für  eine  weitere  Entwicklung  der  llauptthemen  zu  lassen. 
Ich  verweise  in  dieser  Beziehung  auf  den  Verlauf  der  Tenor- 
arie: „Geduld  .  — 

Obschon  Bach  in  der  l'assion  keine  Blechinstrumente  und 
Pauken  angewendet  hat,  glaubte  ich  auf  ihre  Mitwirkung  nicht 
ganz  Verzicht  leisten  zu  müssen.  Vielleicht  war  es  ja  über- 
haupt   mehr   eine  Forderung    des    kirchlichen   Herkommens    in 


•     -     36    - 

der  Passionszeit,  die  den  Meister  von  jenen  Instrumenten  auch 
da  absehen  Heß,  wo  sie  ohne  Zweifel  von  gewaltigem  Efitekt 
waren.  Außerdem  benutzte  man  in  jener  Zeit  diese  Mittel  fast 
ausschließlich  zum  Ausdruck  glänzender  Freude  und  kannte 
ihre  charakteristischen  Eigenschaften  weniger  nach  der  ent- 
gegengesetzten Richtung.  Die  von  mir  eingeführten  Hörner, 
Posaunen  und  Pauken  sind  übrigens  mit  möglichster  Zurück- 
haltung gebraucht  worden,  —  hoffentlich  rechtfertigen  die  be- 
treffenden Stellen  einigermaßen  ihre  Anwendung.  Nötigenfalls 
können  diese  Stimmen,  wenn  man  den  erstrebten  Effekt  scheut, 
weggelassen  werden,  da  für  Vollständigkeit  der  Harmonie  schon 
im  übrigen  gesorgt  ist. 

Bei  diesen  Grundlagen  war  die  Mitwirkung  der  Orgel  auf 
die  Begleitung  der  Choräle  und  der  entscheidenden  Stellen  der 
Chöre  zu  beschränken,  um  die  eigentümliche  Wirkung  der 
Bach 'sehen  Instrumentierung  möglichst  wenig  zu  beeinträch- 
tigen. Wo  es  an  einer  Orgel  gebricht,  wird  das  Orchester  sie 
ganz  entbehrlich  machen ;  andererseits  ergeben  die  Stimmen 
des  letzteren  das  Material  für  eine  etwa  wünschenswert  er- 
scheinende Erweiterung  der  Orgelstimmen. 

Zur  Begleitung  der  Sekkorczitati\e  ist  die  Orgel  ihres 
starren  Tons  wegen  wenig  geeignet,  die  Benutzung  des  Streich- 
quartetts verbot  sich  durch  Bach 's  deutliche  Absicht,  es  nur 
bei  den  Jesu-Rezitativen  eintreten  zu  lassen.  Abgesehen  von 
einigen  ausdrucksvollen  Stellen,  in  denen  die  Bczifierung  durch 
Klarinetten  und  Fagotte  ausgeführt  wird,  ist  daher  hier  die 
Begleitung  dem  Flügel  übertragen.  Hierfür  spricht  seine, 
namentlich  bei  zweckmäßiger  Benutzung  des  Pedals  wohltätig 
abstechende  Klangfarbe,  die  größere  Beweglichkeit  der  Spiel- 
weise, endlich  das  neuerer  Zeit  zu  wenig  beachtete  ältere  Her- 
kommen, an  dem  nach  den  Ausführungen  von  Rietz  (Joh, 
Seb.  Bach's  Werke,  4.  Jahrgang,  Vorrede  S.  22)  unzweifelhaft 
auch  Bach  bei  der  Aufführung  der  Passion  festgehalten  hat. 
Der  Hinzutritt  der  Kontrabässe  (und  Violoncells)  *)  zum  Flügel 


*)  Wie  II.   Keimann    in    der  Vorrede    zu  seiner  Partitur    der  Johannes- 
passion  zu    der  Behauptung    kommt,    Franz   habe    den  Hinzutritt  der  Violon- 


—     37     — 

ist  aber  nicht  ratsam,  —  letztere  sind  daher  in  der  Partitur  für 
die  Dauer  des  Fliiggclakkompagncmcnts  als  wegfallend  markiert, 
dagegen  zu  benutzen,  wenn  man  aus  irgendwelchen  (iründen 
die  Begleitung  dieser  Rezitative  mit  Ausschlu(3  des  Flügels  den 
ViolonccUs  in  der  herkömmlichen  Weise  überläßt.  Für  einen 
solchen  Fall  ist  bei  diesen  Bässen  die  Generalbaßschrit't  bei- 
behalten. 

Die  Viola  da  Gamba  des  Originals  ist  durch  das  Violoncell, 
die  Oboe  damore  und  Oboe  da  caccia  durch  Klarinetten,  an 
deren  Stelle  englische  Hörner,  wenn  solche  zur  Verfügung 
stehen,  sich  vielleicht  der  Klangfarbe  wegen  noch  mehr  emp- 
fehlen würden,  ersetzt.  In  der  Baßarie  „Mache  dich,  mein 
Herze,  rein"  schien  die  intendierte  Klangwirkung  der  beiden 
Oboe  da  caccia  nur  durch  Kombination  zweier  Oboen  und 
Klarinetten  zu  erreichen.  —  Die  den  Cantus  firnius  des  ersten 
Chors  verstärkende  Diskantposaune  kann,  wo  solche  nicht  v'or- 
handen,  durch  eine  Trompete  ersetzt  werden. 

Aus  Pietät  gegen  den  großen  Schöpfer  des  Werks  wie  aus 
schuldiger  Rücksicht  auf  die  erheblichen  Opfer,  welche  die 
Herrn  Verleger  in  gleichem  Sinne  zu  bringen  sich  bereit  ge- 
funden haben,  hat  der  Unterzeichnelfc  seine  ganze  Kraft  an 
diese  Bearbeitung  gesetzt;  er  empfiehlt  dieselbe  der  Teilnahme 
des  musikalischen  Publikums.  Sonst  ist  er  weit  entfernt  zu 
glauben,  allen  Ansprüchen,  die  von  ganz  verschiedenen  Stand- 
punkten aus  erhoben  worden,  gleichmäßig  entsprochen  zu 
haben,  hofft  aber  doch,  die  gebotene  Lösung  des  gegebenen 
Problems  nicht  unwesentlich  durch  seine  Arbeit  gefördert  zu 
haben.  In  diesem  Sinne  wird  er  stets  bereit  sein,  ähnHchen 
Versuchen,  denen  es  gelingt,  dem  erstrebten  Ziele  noch  näher 
zu  kommen,  seine  freudige  Zustimmung  nicht  zu  versagen,  und 
jeder  Kritik,  die  sich  in  solch  positiver  Weise  zu  betätigen  weiß, 
sich   willig  u'^tcrzuordnen. 

Halle,  im  Januar   1867. 

Robert  Franz. 


cells  —  nur   nicht  der  Kontrabässe  —  zu  dem  Flügel  gewollt,    ist  na.  h  S.  21 
der  Franz'schen    l'artilur  unerklärlich,      l).   Herausgeber. 


VII. 

Vorbemerkung  zu 
Jubilate  von  Georg  Friedrich  Händel 

mit  ausgeführtem  Akkompagnement 

herausgegeben  von  R.  F.     Partitur.*) 

H  ä  n  d  e  1  's  Jubilate  wurde  in  Verbindung  mit  dem  Utrechter 
Te  Deum  im  Jahre  1713  komponiert  und  von  John  Walsh 
in  Partitur  herausgegeben.  Das  Werk  ist  in  Deutschland  als 
100.  Psalm  durch  eine  bei  Breitkopf  und  Härtel  erschienene 
Bearbeitung  bekannt  geworden.  Leider  stellt  diese  im  Grunde 
genommen  nur  eine  Korrumpierung  des  Originals  dar,  denn 
mit  unbegreiflicher  Rücksichtslosigkeit  sind  fast  in  jeder  Nummer 
die  gewaltsamsten  Abänderungen  vorgenommen :  willkürlichen 
Kürzungen  und  Dehnungen,  unmotivierten  Korrekturen  des 
Satzes,  sowie  endlich  unschönen  Formen  in  der  Deklamation 
und  im  Rhythmus  begegnet  man  allenthalben.  Zwar  hat  Chry- 
sander  in  seinem  Leben  Handels  (Bd.  I  S.  402  3)  bereits  auf 
diese  wenig  erfreulichen  Tatsachen  hingewiesen  und  damit  das 
Original  eigentlich  wieder  in  sein  gutes  Recht  eingesetzt:  in 
seiner  ursprünglichen  Gestalt  wird  dasselbe  aber  wohl  kaum 
zu  Aufführungen  benutzt  werden  können,  da  die  Mitwirkung 
des  Akkompagnements  wesentliche  Vorbedingung  ist.  Aus 
diesem  Grunde  hielt  ich  eine  Bearbeitung  des  Jubilate  im  engen 
Anschluß  an  llanders  Partitur  für  notwendig  und  übergebe 
dasselbe  hiermit  dem  musikalischen  Publikum. 

Im  allgemeinen  leiteten  mich  dabei  dieselben  Grundsätze, 
welche    ich    in    der   Vorbemerkung    zu    Bach 's    Magnificat**) 

*)  Verlag  von   F.  E.   C.  Leuckarl  in   Leipzig. 
**)  Siehe  oben  S.  28. 


—     39    — 

schon  ausführlich  dargelegt  habe,  —  ich  brauche  mich  also 
hier  nur  über  Einzelnes  und  Zufälliges  zu  erklären. 

Die  erste  Nummer  betretit'end  schien  es  nicht  unangemessen, 
der  das  Altsolo  begleitendcnden  Trompete  eine  C-Klarinette 
zur  Seite  zu  stellen;  ist  ein  Blaser  vorhanden,  der  über  einen 
leichten  Ansatz  in  der  Höhe  verfügt,  so  wird  man  Iländel's 
Text  aus  meiner  Bearbeitung  unschwer  restituieren  können.  In 
Xr.  3  erlaubte  ich  mir,  um  eintretenden  Härten  einigermaßen 
zu  begegnen,  hier  und  da  kleine  Vorschlagsnoten;  wer  an  ihnen 
etwa  Anstoß  nehmen  sollte,  mag  sie  einfach  weglassen.  In 
Xr.  5  endlich  hielt  ich  eine  Umgestaltung  der  Stimmbesetzung 
aus  praktischen  Gründen  für  geboten.  Händel  hat  dies  Terzett 
für  zwei  Alte  und  einen  Baß  und  zwar  in  der  Art  geschrieben, 
daß  der  erste  Alt  überall  den  zweiten,  mit  alleiniger  Ausnahme 
der  Schlußstelle,  unterschreitet.  Außerdem  bewegt  sich  der 
Oberalt  durchweg  in  Lagen,  die  es  fast  unmöglich  machen,  ihn 
durch  weibliche  Stimmittel  zu  einer  wirkungsvollen  Geltung 
zu  bringen.  Ich  habe  ihn  daher  dem  Tenor,  der  ihn  ganz 
bequem  auszuführen  vermag,  übergeben;  nur  bei  jener  bereits 
erwähnten  Schlußstelle  vertauschte  ich  beide  Partien  und  ließ 
sie  ineinander  übergehen.  Auch  hicc  wird  sich  Handels  Satz 
mühelos  wieder  herstellen  lassen,  falls  ein  Kontraalt  zur  \'er- 
fügung  steht. 

Die  Instrumentation  ist  in  der  vorliegenden  Bearbeitung 
durch  folgende  Mittel  erweitert:  Flöten,  Oboen  (diese  jedoch 
nur  teilweise),  Klarinetten,  Fagotte,  Hörner.  Posaunen,  Pauken 
und  Orgel.  Letztere  erscheint  nur  verstärkend  und  bei  den 
entscheidenden  Stellen ;  sie  kann,  weil  außerdem  für  die  \^olI- 
ständigkeit  der  Harmonie  Sorge  getragen  ist,  nötigenfalls  weg- 
bleiben. Die  übrigen  Instrumente  treten  teils  das  Akkompagne- 
ment  ergänzend,  teils  die  Klangverhältnisse  ausgleichend,  aul. 
Das  neu  hinzugefügte  Material  ist  überall  durch  das  Zeichen 
(F)  kenntlich  gemacht;  —  im  übrigen  wird  das  Original  treu 
Aviedergegeben. 

In  betreff  der  Textunterlage  mußte  ich  natürlich,  sobald  es 
die  Umstände  erheischten,  von  Luther's  Übersetzung  absehen, 
indem   ich    bemüht    war,    die  Deklamation  des  Originals  mög- 


—     40     — 

liehst  unversehrt  zu  erhalten.  Die  mit  beigefügten  englischen 
Worte  mögen  die  hier  und  da  nötig  gewordenen  Abweichungen 
markieren. 

Schließlich  wurde  auf  Wunsch  des  Verlegers  in  die  Partitur 
ein  Klavierauszug  mit  eingetragen,  der  für  das  Einstudieren 
vielleicht  nicht  ganz  unerwünscht  sein  dürfte. 

So  sei  denn  das  Jubilate  als  ein  Werk,  welches  einer  jeden 
größeren  Musikaufführung  zur  Zierde  gereichen  wird,  d«r  Be- 
nutzung dringend  empfohlen.  Diese  vorausgesetzt,  würde  es 
dem  Unterzeichneten  die  höchste  Genugtuung  gewähren,  eine 
Komposition,  mit  welcher  Händel  den  Reigen  seiner  unsterb- 
lichen Großtaten  auf  dem  Gebiete  der  religiösen  Musik  gewisser- 
maßen eröffnete,  der  Teilnahme  der  Mitwelt  um  ein  Geringes 
näher  geführt  zu  haben. 

Halle,   1868. 

Robert  Franz. 


MII. 

Vorbemerkung 

zu  Georg  Friedrich  Händel 
Arien  aus  verschiedenen  Opern 

mit  Begleitung  des  Pianoforte 

bearbeitet  von  R.  F. 

(Von  verschiedenen  Nummern  sind  auch  die  Orchester-Partituren  und  Orchester- 
Stimmen  gedruckt.)*) 

Eine  Reihe  von  Kunstwerken  ersten  Ranges  dem  Publikum 
wieder  zugänglich  zu  machen,  ist  die  Absicht  dieser  Sammlung 
Händel  'scher  Opern-Arien. 

Dieselben  sind  schon  bei  Handels  Lebzeiten  gedruckt; 
sie  sind  voll  einfacher,  schlagender  Melodik,  zugleich  Muster 
von  Sangbarkeit  und  haben  im  Munde  großer  Sänger  bereits 
Händel's  Zeitgenossen  entzückt;  sie  sind  voll  dramatischen 
Lebens,  von  mannigfachster,  abstechender  Charakteristik;  sie 
entfalten  den  ganzen  Reichtum  des  Menschenherzens  in  Freude 
und  Schmerz,  Liebe  und  Haß,  in  majestätischem  Aufschwung 
und  harmlosem  Sichgehenlassen,  —  wie  konnten  sie  der  \'er- 
gesscnheit  anheimfallen  ? 

Die  vornehme,  exklusive  Haltung  der  Hände  Ischen  Oper, 
die  gleichmäßige  Höhe,  auf  der  sie  sich,  alles  extreme,  wiiste 
Wesen  ablehnend,  zu  halten,  die  Reinheit  des  Ausdrucks,  welche 
jede  Leidenschaft  zu  adeln  und  zu  klären  weiß,  das  demcnt- 
sprechende  Festhalten  an  den  lyrischen  Grundelemcnten  der 
dramatischen  Situation    im    Gegensatz    zur    spateren    Dramatik, 

*j  Mit  Erlaubnis   der  Verlagstirm;i    K.   Kistner  zu   Liip/ic. 


—     42      — 

die  damit  zusammenhängende  Breite  und  Fülle  der  Behandlung 
der  musikalischen  Stoffe,  dieses  alles  reicht  nicht  aus,  jene 
Tatsache  zu  erklären,  am  wenigsten  für  die,  welche  die  höchsten 
Ziele  der  Kunst  nicht  aus  dem  Auge  verloren  haben. 

Der  Grund  dafür  ist  vielmehr  in  erster  Linie  in  der  frag- 
mentarischen Form  zu  suchen,  welche  Händel  selbst  im  An- 
schlüsse an  die  Traditionen  seiner  Zeit  diesen  Kompositionen 
fast  durchweg  gegeben  hat.  Sie  setzt  eine  Ergänzung,  ein 
hinzutretendes  Akkompagnement,  eine  der  Neuzeit  verloren  ge- 
gangene Kunst  der  Improvisation  voraus,  für  die,  wie  wohl 
niemand  mehr  bestreitet,  ein  Ersatz  gefunden  werden  muß. 
Man  ist  nur  in  Dift'erenz  über  die  Methode,  welcher  solche 
rekonstruierende  Tätigkeit  zu  folgen  hat.  Die  einen  wollen 
sie  auf  das  Notdürftigste  beschränken,  sie  dulden  etwa  eine 
Stimme,  welche  die  bei  Händel  fehlenden  Akkordintervalle 
ausfüllt  und  in  befremdlicher  Beweglichkeit  überall  da  ein- 
springt, Avo  sich  solche  Lücke  zeigt,  und  glauben,  aus  Pietät 
alles  weitere  zurückweisen  zu  müssen. 

Andere  lassen  einen  reichlichen  Gebrauch  der  Harmonie 
neben  den  H an del'schen  Stimmen  zu,  halten  aber  doch  beide 
Elemente  möglichst  gesondert,  um  dem  Meister  nicht  zu  nahe 
zu  treten. 

Diesen  Diskussionen  gegenüber  ist  hier  auszusprechen,  daß 
es  schließlich  doch  nur  darauf  ankommen  kann,  eine  einmal  ge- 
gebene Aufgabe  künstlerisch,  d.  h.  mit  künstlerischem  Formen- 
sinn, mit  künstlerischer  Freiheit,  womöglich  mit  künstlerischem 
Erfolge,  also  durch  Herstellung  eines  einheitlichen,  organisch 
entwickelten  Ganzen  zu  lösen.  Nur  so  können,  wie  auch  Kri- 
tiker und  Historiker  über  die  berührten  Fragen  denken  mögen, 
jene  vergessenen  Werke  wieder  in  ihr  Recht  eingesetzt  werden. 

Diejenigen,  die  gegen  solches  Unterfangen  Bach's  und 
Hände  l's  Geister  aufrufen,  haben  ihnen  die  Lippen  zu  lösen 
nicht  vermocht  und  ihnen  nur  die  eigene  Weisheit  in  den 
Mund  legen  können.  Es  ist  aber  auch  für  die  praktische 
Übung  der  Kunst  gleichgültig,  wie  man  sich  etwa  in  früheren 
Zeiten  beholfen  haben  mag,  —  was  schön,  d.  h.  unter 
anderem,  was  in  seiner  Gesamterscheinung  wohltuend  und  be- 


—     43     — 

friedigend  sei,  darüber  kann  und  muß  die  Geujenwart ,  wenn 
sie  selbst  Hand  anzulegen  einmal  genötigt  ist.  nur  nach  der 
eigenen  t'berzeugung  und  Bildung  entscheiden. 

Daß  ich  hiermit  nicht  schrankenlose  Willkür  predige,  da- 
gegen habe  ich  mich  schon  bei  der  von  mir  vertiftentlichten 
Bearbeitung  Bach'scher  Arien  verwahrt.  Jene  Auffassung  fuhrt 
vielmehr  zu  dem  Ansprüche  stilvoller  Haltung  aller  Zusätze  i 
diese  müssen  sich  den  polyphon  geführten  Hauptstimmen  durch- 
weg leicht  anschmiegen;  sie  müssen  in  ihren  wesentlichen  Ele- 
menten den  Hauptstimmen  selbst  entnommen,  aus  ihnen  her- 
geleitet werden ;  sie  sind  dem  Gesamtausdrudke  allenthalben 
dienstbar  zu  machen  und  haben  so  auch  ihrerseits  die  Grund- 
stimmung, deren  poetischen  Gehalt,  zur  Darstellung  zu  bringen. 
Für  diese  Konsequenz  spricht  jede  Note  der  \'on 
den  älteren  Meistern  selbst  in  ihren  Partituren 
wirklich  ausgeführten  Stücke;  in  diesen  aber  be- 
sitzen wir  die  einzigen  authentischen  Muster,  die 
einen  Anhalt  gewähren  können.  Es  handelt  sich  also 
in  allem  Ernste  um  den  Wetteifer  mit  den  großen  Männern 
selbst,  um  die  Ausführung  der  \on  ihnen  hinterlassenen  Skizzen 
nach  den  \'orbildern,  die  wir  \'on  il/nen  besitzen. 

Ob  und  inwieweit  ich  dies  hochgesteckte  Ziel  erreicht 
habe,  muß  ich  dem  Urteil  des  Publikum^  überlassen.  Ich  bitte 
nur,  beachten  zu  wollen,  daß  es  mir  auf  diesem  Standpunkte 
nicht  in  den  Sinn  kommen  konnte,  einen  Klavierauszug  in 
herkömmlicher  Weise  zu  geben,  den  Satz  also  der  notdürftigsten 
Technik  des  Klavierspiels  anzupassen  oder  vor  allem  die  Be- 
quemlichkeit der  Spieler  im  Auge  zu  behalten,  z.  B.  die  Noten 
der  rechten  Hand  ausschließlich  dem  oberen ,  die  der  linken 
nur  dem  unteren  Systeme  zu  überweisen.  Es  mußte  mir  liei 
der  Schreibvveise  vielmehr  daran  liegen,  das  Stimmgewebe 
übersichtlich  zu  erhalten ,  um  so  über  Unsicherheiten  in  der 
Phrasierung  und  Akzentuation,  wo  möglich,  hinwegzuführen,  im 
übrigen  das  Ganze  —  den  zweckmäßigen  Gebrauch  des  Pedals 
und  einige  Gewandtheit  des  Spielers  in  den  Seitenbewegungen 
des  Handgelenks  vorausgesetzt  —  in  den  Grenzen  tUr  Austühr- 


—     44     — 

barkeit  zu  erhalten.  Jeder  geübte  Spieler  wird  bei  einigem 
Studium  auch  die  schwereren  Stellen  bewältigen  können. 

So  glaube  ich  nur  getan  zu  haben,  was  mir  die  Pietät 
gegen  Händel  zu  gebieten  schien ;  ihm  mit  schülerhafter  Ängst- 
lichkeit zu  nahen,  halte  ich  für  ein  viel  vermesseneres  Be- 
ginnen, als  das  Beste,  worüber  ich  verfügen  konnte,  alles,  was 
im  Bereiche  meiner  Kraft  lag,  daran  zu  setzen,  um  diesen 
Kompositionen  eine  ihrem  Gehalte  entsprechende  Tonfülle  zu 
geben.  In  gleichem  Sinne  habe  ich  kein  Bedenken  getragen, 
die  Repetitionen  des  ersten  Teils  angemessen  zu  kürzen,  jedoch 
—  für  ängstliche  Gemüter  —  daneben  an  den  betreffenden 
Stellen  das  Da  Capo-  und  Fine-Zeichen  hinzugefügt,  aus  denen 
sich  die  Originalform  ergibt. 

Die  Arien  selbst,  denen  sich  später  ähnliche  Zusammen- 
stellungen für  die  übrigen  Stimmen  anschließen  werden,  sind 
einem  Sammelwerke,  das  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen 
Jahrhunderts  unter  dem  Titel  „Apollo's  Feast"  bei  Walsh  in 
London  erschien  und  von  dem  mir  ein  Exemplar  von  der 
Großherzoglichen  Bibliothek  zu  Schwerin  auf  das  liberalste 
zur  Disposition  gestellt  worden  ist,  entnommen,  mit  alleiniger 
Ausnahme  der  Arie  „Mio  bei  tesoro"  aus  Alcina,  vrelche  der 
von  der  deutschen  Händel-Gesellschaft  veröffentlichten  Partitur 
entlehnt  ist. 

Die  italienischen  Originaltexte,  denen  Handels  Musik 
auf  das  feinste  angepaßt  ist,  sind  schon  deshalb  beibehalten; 
im  Interesse  weiterer  Verbreitung  wurde  eine  deutsche  Über- 
setzung hinzugefügt,  welche  ich  der  kunstgewandten  Feder  von 
VV.  Osterwald  verdanke. 

Halle,  den   22.  April   1S69. 

Robert  Franz. 


IX. 

Offener  Brief 

an   Eduard  Hanslick   über  Bearbeitungen  älterer 

Tonwerke    namentlich    Bach'scher    und    Händel- 

scher  Vokalmusik 

von  R.  F.  *j 

Ihr  freundliches  Interesse  an  meinen  Bearbeitungen 
Bach'scher  und  Händel  scher  Tonwerke  gibt  mir  erwünschte 
Veranlassung,  mich  über  einen  Gegenstand,  der  für  die  Praxis 
älterer  Vokalmusik  von  höchster  Wichtigkeit  sein  dürfte,  aus- 
führlicher gegen  Sie  auszusprechen.  Die  Frage,  nach  welchen 
Grundsätzen  die  Bearbeitung  des  Äkkompagnements  solcher 
Kompositionen  herzustellen  sei,  kann  gegenwärtig  mit  vollem 
Rechte  eine  brennende  genannt  werden:  daher  ist  möglicher- 
weise dem  einen  oder  dem  anderen  eine  Orientierung  über 
dieselbe  nicht  ganz  unwillkommen.  Die  nachfolgenden  Aus- 
einandersetzungen sind  als  das  Resultat  einer  Reihe  von  Er- 
fahrungen, die  ich  in  dieser  Kunstangelegenheic  machte,  zu 
bezeichnen ;  —  gerade  deshalb  haben  sie  vielleicht  einigen 
Wert,  wenn  dieser  auch  nur  in  dem  Nachweise  bestehen  S' »litt.-, 
daß  ich  es  an  ernsten  Anstrengungen  schwierigen  Aufgaben 
gegenüber  nicht  fehlen  ließ.  Der  persönliche  Charakter,  den 
meine  Darstellungen  an  sich  tragen  werden ,  entschuldigt 
hoft'entlich  die  Wahl  einer  erzählenden  Form ,  der  ich  mich 
um  so  lieber  bediene,  als  sie  die  Möglichkeit  bietet,  die  etwas 
spröde   Natur   des    zu    behandelnden   Stoffes    zwangloser    hand- 

•)  Verlag  von  V.  E.  C.  Lcuckart  in  Leipzig. 


-    46    - 

haben  zu  können.  Demnach  referiere  i-ch  ernes  breiteren,  wie 
ich  überhaupt  zu  jenen  Bearbeitungen  gekommen  bin,  welchen 
praktischen  Bedürfnissen  ich  mit  ihnen  zu  genügen  suchte,  und 
deute  nebenbei  an,    welche  künstlerische  Ziele  ich  mir  steckte. 

Neigung,  vielleicht  auch  natürliche  Anlage,  zogen  mich 
seit  Jahren  zu  B  a  c  h  's  und  Handels  Musik.  Mein  bescheidener 
Wirkungskreis  in  Halle  war  diesen  Bestrebungen  nicht  ganz 
ungünstig,  —  sie  wurden  bald  der  Mittelpunkt  der  von  mir 
geleiteten  Singakademie.  Damals,  ich  rede  von  den  ersten 
vierziger  Jahren,  mußte  man  sich  zu  behelfen  suchen,  wie  es 
die  Verhältnisse  gerade  mit  sich  brachten.  Händel 's  Ora- 
torien beschränkten  sich  für  uns  auf  die  von  Mozart  und 
Mosel  bearbeiteten,  —  Bachs  Kantaten  und  Messen  auf  die 
von  Marx  besorgten  Ausgaben.  Wir  führten  die  Sachen  auf, 
wie  sie  die  Vorlagen  darboten,  und  nahmen  naiv  genug  an,  daß 
mit  ihnen  der  Inhalt  jener  Kunstwerke  völlig  erschöpft  sei. 
Zwar  machte  das  Publikum  zuweilen  große  Augen,  wenn  ihm 
in  einer  Bach  "sehen  Kantate  ein  seltsames  Zwiegespräch 
zwischen  Flöte  und  Kontrabaß  vorgetragen  wurde,  oder  wenn 
gar  der  Continuo  einen  langen,  grämlichen  Monolog  zum  Besten 
gab,  —  dergleichen  focht  uns  aber  weiter  nicht  an  und  kam 
auf  Rechnung  der  guten,  alten  Zeit,  die  man  hinnehmen  zu 
müssen  glaubte,  wie  sie  eben  war. 

In  diese  jugendliche  Tätigkeit  fielen  nun  die  Gesamtaus- 
gaben der  Bach 'sehen,  später  die  der  Händel  sehen  Werke, 
den  Autführungen  eine  Fülle  neuen  Materials  in  wohlverbürgten 
Formen  bietend.  Da  nahmen  sich  denn  freilich  Bach 's  Kan- 
taten ganz  anders  aus,  als  bei  Marx:  überall  reiche  Be- 
zifferungen, die  doch  nicht  zwecklos  vorhanden  sein  konnten 
und  auf  eine  früher  geübte  Kunstpraxis  bestimmte  Rückschlüsse 
gestatteten.  Meine  Zweifel  an  der  Ausführbarkeit  dieser  Vor- 
lagen gingen  jedoch  nicht  tief  genug,  um  mich  vom  Ein- 
studieren der  einen  oder  der  anderen  abzuhalten.  Die  im 
Tonsatz  ziemlich  abgeschlossenen  Chöre  stellten  sich  keineswegs 
als  Hindernisse  dar,  dafür  aber  die  Solonummern,  der  vielen 
defekten  Stellen  wegen,  um  so  mehr. 

Anfangs  griff  ich  zu   einem  verzweifelten  Mittel,    das  man 


—     47     — 

auch  jetzt  noch  vielfach  in  Anwendung  bringt,  —  ich  strich 
munter  darauf  los  und  benutzte  höchstens  die  Piev;en,  deren 
Begleitung  Bach  einigermaßen  vorgesehen  hatte.  Auf  die 
Dauer  konnte  das  freilich  nicht  so  fortgehen:  einmal  wurde 
der  Zusammenhang  des  Ganzen  oft  bedenklich  in  Frage  ge- 
stellt und  dann  standen  wieder  einzelne  Arien  in  gar  zu  herr- 
lichen Umrissen  da,  als  daß  man  sie  ohne  weiteres  übersehen 
durfte,  —  kurzum,  ich  entschloß  mich  zu  dem  Versuche,  ein 
Akkompagnement  auszuarbeiten.  Zuerst  probierte  ich  es  mit 
akkordischen  Ausführungen,  merkte  aber  bald,  daß  damit  hier 
nicht  durchzukommen  war:  die  Harmonien  fielen  bleischwer 
in  die  Bach  sehen  Stimmen  hinein  und  fanden  nirgends  an 
dem  geschmeidigen  Continuo  festen  Halt:  —  statt  zu  unter- 
stützen, hemmten  dergleichen  Zutaten  nur  den  Verlauf.  Längere 
Zeit  hielt  ich  es  für  ganz  unmöglich,  einen  Satz  nach  Wunsche 
zustande  zu  bringen  und  bedauerte  lebhaft,  auf  manche  fein 
skizzierte  Arie  Verzicht  leisten  zu  müssen. 

Eines  Tages  ging  ich  jedoch  wieder  ans  Werk,  diesmal 
aber  mit  dem  Vorsatze,  es  der  Abwechslung  wegen  mit  der 
polyphonen  Schreibart  zu  versuchen.  Und  siehe  da:  zu  meiner 
freudigen  Überraschung  wurde  plötzlich  alles  lebendig,  die 
Stimmen  schienen  nur  darauf  gewartet  zu  haben,  daß  man  sie 
niederschriebe,  und  waren  oti'enbar  prämeditiert  worden.  Schnell 
begrift  ich,  daß  die  Skizzen  keineswegs  flüchtige  Entwürfe  seien, 
sondern  ebenso  vollendet  und  abgeschlossen,  wie  der  übrige 
wirklich  ausgeführte  Tonsatz.  Indem  die  alten  Meister  dieselben 
aufzeichneten,  schufen  sie  zugleich  das  noch  fehlende  Stimm- 
gewebe im  Geiste  mit  und  konnten  sich  wohl  um  so  mehr 
darauf  verlassen,  es  wieder  zu  finden,  als  sie  gewöhnlich  selbst 
für  die  Ausführung  des  Akkompagnements  Sorge  trugen.  Es 
muß  also  die  Hauptaufgabe  des  Bearbeiters  sein,  hinter  die 
eigentlichen  Absichten  der  Autoren  zu  kommen  und  denen 
gemäß  sich  zu  verhalten :  bleibt  auch  die  Rekonstruktion  aus 
naheliegenden  Gründen  für  uns  stets  problematisch,  so  wird 
doch  in  vielen  Fällen  ein  Ergebnis  zu  gewinnen  sein,  das  mit 
den  Intentionen  der  Meister  nicht  gar  zu  sehr  difteriert. 
Bach 's    Bczifterungen     namentlich    dringen    oft    bis    in    das 


-     48     - 

kleinste  Detail,  —  es  bedarf  nur  eines  scharfen  Auges  und 
einer  geschickten  Hand,  um  dann  zuversichtlich  die  letzten 
Entscheidungen  treffen  zu  können.  Demohngeachtet  geht  die 
Arbeit  nicht  überall  so  leicht  vonstatten:  manch  liebes  Mal 
habe  ich  tagelang  ratlos  vor  ein  Paar  Takten  gesessen  und 
kenne  Stücke,  die  befriedigend  zu  lösen  der  gegenwärtigen 
Kunstteclinik  kaum  gelingen  dürfte. 

Der  gewonnenen  Überzeugung  gemäß,  daß  hier  der  poly- 
phone Stil  durchschnittlich  vorbedacht  sei,  galt  es  nun  die  ver- 
schiedenartigsten Proben  anzustellen:  mißglückte  eine  Arbeit, 
faßte  ich  sie  anders  an  und  ruhte  nicht  eher,  bis  brauchbare 
Resultate  zum  Vorschein  kamen.  Allmählich  bildete  sich  auf 
diese  Weise  eine  Methode  heraus,  die,  auf  dem  Material  der 
Skizzen  fußend,  mit  deren  Bestandteilen  die  Ausführung  be- 
streiten lernte.  Sowohl  in  der  Struktur  des  Basses  als  in  dem 
Figurenwerke  der  Kantilene  stellten  sich  Momente  dar,  die  sich 
zu  Motivbildungen  eigneten  und  mit  denen  gearbeitet  werden 
konnte;  —  waren  sie  nur  erst  aufgefunden,  dann  entwickelte 
sich  der  weitere  Verlauf  wie  von  selbst.  Begreiflich  genug: 
der  Stil  der  alten  Meister  entsprang  aus  den  einfachsten, 
elementarsten  Gesetzen,  —  ihren  Kunstgebilden  liegt  ein  ganz 
ähnliches  Prinzip  zugrunde  wie  das,  nach  welchem  Pflanze, 
Blüte  und  Frucht  aus  einem  Keime  emportreiben. 

Aber  auch  die  größte  Formgewandtheit  würde  noch  kein 
sicheres  Gelingen  verbürgt  haben,  wenn  sie  sich  ohne  stete 
Rücksicht  auf  die  der  Skizze  innewohnende  Stimmung  hätte 
durchsetzen  wollen:  Beides  mußte  vielmehr  Hand  in  Hand 
gehen  und  sich  wechselseitig  unterstützen. 

So  war  ich  denn  hinsichtlich  des  Akkompagnements  der 
Solosätze  ziemlich  im  reinen  und  untersuchte  nun  weiter  die 
Chöre.  Um  nicht  unnütze  Worte  zu  verlieren :  das  Akkom- 
pagnement  hatte  fast  überall  mitzuwirken,  und  zwar  lag  in  ihm 
recht  eigentlich  der  SchAverpunkt  derartiger  Musik.  Ob  der 
mit  ihm  Betraute  an  der  Orgel,  ob  er  am  Cembalo  fungierte; 
er  war  der  Xer\-  des  Ganzen,  in  ihm  vereinigten  sich  sämt- 
liche Fäden.  — 

Es  kam  also   vor    allen  Dingen    darauf  an ,    einen  Tonsatz 


—    49     — 

herzustellen,  der  ungezwungen  in  die  eben  vorliegende  Kom- 
position paßte,  der  die  Grundstimmung  derselben  nicht  störte, 
wohl  aber  ihren  Ausdruck  hob.  Selbstverständlich  mußte  er 
im  Stil  und  Geist  des  Meisters  gehalten  werden,  —  eine  Auf- 
gabe, die  eine  sichere  Herrschaft  über  die  damaligen  F"ormen 
voraussetzte.  Die  Künste  des  einfachen  und  doppelten  Kontra- 
punkts, der  Imitation,  des  Kanons  und  der  Fuge:  den  Alten 
waren  sie  keine  Schranken  gewesen,  der  Bearbeiter  durfte  sich 
durch  dieselben  ebenfalls  nicht  beengt  fühlen.*) 

War  ein  Tonsatz  in  diesem  Sinne  gewonnen,  so  handelte 
es  sich  demnächst  um  das  Material,  mit  welchem  er  dargestellt 
werden  sollte.  Zu  Bach 's  und  Händel 's  Zeit  hatte  man 
sich  des  Cembalo  und  der  Orgel  bedient;  zuweilen  sollen  sogar 
zwei  Cembali  und  zwei  Orgeln  in  Tätigkeit  gewesen  sein.  Ab- 
gesehen davon,  daß  gegenwärtig  niemand  die  sehr  wichtige 
Vorfrage,  wann  jenes  Instrument  und  wann  dieses  mitzuwirken 
habe,  bestimmt  zu  entscheiden  vermag,  mahnen  noch  andere 
Gründe  von  einer  zu  ausgedehnten  Anwendung  beider  ab. 
Das  Cembalo  ist  im  Strome  der  Zeiten  untergegangen  und 
mit  ihm  eine  Menge  kontrastierender  Klangfarben,  die,  aus  der 
Mischung  des  4,  8  und  16-Fußtons  efhtspringend,  ohne  Zweifel 
überraschende  Wirkungen  hervorgebracht  haben  mögen.  So 
sehr  dieser  \'erlust  zu  bedauern  ist,  wird  man  sich  ihm  doch 
fügen  müssen :  schwerlich  ist  der  heutige  Flügel  ein  passendes 
Äquivalent  für  das  alte  Cembalo.  Haben  z.  B.  die  \"iolinen 
in  hohen  Tonlagen  einen  begleitenden  Kontrapunkt  zur  Kaiiti- 
lene  auszuführen,    indem    sie  sich    dabei    nur  auf  den  weit  ab- 


*)  Um  Mißverständnissen  vorzubeugen  und  von  gegnerischer  Seile  aus- 
gesprochene unverständige  Insinuationen  abzuweisen ,  sei  hier  darauf  hinge- 
wiesen, daß  Franz  mit  den  obigen  Ausführungen  selbstverständlich  nur  da 
für  das  Akkompagnement  den  j^olyphonen  Stil  verlangt,  wo  die  vorhandi-nen 
OrigJnalstimmer  diesen  tragen.  Wie  die  diesbezüglichen  Stellen  seiner  Schritten 
und  besonders  seine  Partituren  unwiderleglich  beweisen  ,  ist  es  ilim  niclit  bei- 
gefallen,  das  einfach  akkordische  .Akkompagnement  ganz  in  den  Bann  zu  tun ; 
seine  künstlerische  Überzeugung  geht  nur  dahin,  daß  mit  einseitiger  Be- 
schränkung auf  das  einfach  .\kkordische  das  Ziel  nicht  zu  erreichen 
ist.  Welche  Begleilformen  zu  wählen  seien,  ob  einfache,  ob  kompliziertere, 
hat  die  jedesmalige  Vorlage  zu  lehren.     D.  Herausgeber. 

R.   Franz,  Gesammelte  Schriften.  4 


—    50    — 

stehenden  Continuo  stützen,  so  werden  dergleichen  Klangver- 
hältnisse durch  den  hinzutretenden  Flügel  keineswegs  ausge- 
glichen, sondern  klaffen  noch  weit  schneidender  auseinander. 
Unser  durch  das  moderne  Orchester  verfeinertes  Ohr  wird  aber 
mit  Recht  wider  solche  Unvollkommenheiten  protestieren  und 
Abhilfe  fordern  dürfen. 

Was  nun  die  Benutzung  der  Orgel  anbelangt,  steht  sie 
wohl  bei  Aufführungen  in  der  Kirche ,  weit  seltener  aber  bei 
denen  im  Konzertsaale  zur  Verfügung.  Solange  diese  m  Übel- 
stande  nicht  abgeholfen  ist,  wird  man  oft  genug  auf  die  Mit- 
wirkung derselben  verzichten  müssen.  Aber  auch  noch  andere, 
nicht  minder  wichtige  Gründe  sprechen  wider  einen  zu  aus- 
gedehnten Gebrauch  des  mächtigen  Instrumentes:  selten  stimmt 
es  rein  zum  Orchester,  weil  seine  Temperatur  eine  gleich- 
schwebende, die  des  letzteren  dagegen  eine  ungleichschwebende 
ist.  Weiter  hat  sein  Ton  einen  starren,  unbiegsamen  Charakter, 
der  nicht  in  allen  Registern  leicht  anspricht  und  durch  einen 
äußerst  komplizierten  Mechanismus  hervorgebracht  wird. 

Diese  Bedenken  schienen  mir  erheblich  genug  zu  sein, 
um  dem  Cembalo  und  der  Orgel  beim  Akkompagnement  eine 
beschränktere  Tätigkeit  anzuweisen.  Ersteres,  dem  natürlich 
der  Flügel  zu  substituieren  war,  eignete  sich  vorzüglich  zur 
Begleitung  der  Sekkorezitative ,  letztere  konnte  bei  den  ent- 
scheidenden Stellen,  den  etwa  noch  fehlenden  Glanz  hinzu- 
fügend, als  VerStärkungsmittel  dienen.  Das  eigentliche  Akkom- 
pagnement, also  der  aus  den  Baßsignaturen  gezogene  Tonsatz, 
wurde  aber  dem  Orchester  überwiesen.  Dieses  hatte  ja  seitdem 
an  Beweglichkeit,  Mannigfaltigkeit  und  Ausdrucksfähigkeit, 
Eigenschaften,  die  ihm  dem  früheren  Begleitungsmaterial  gegen- 
über eine  große  Überlegenheit  sicherten,  außerordentlich  ge- 
wonnen: es  lag  nahe,  von  solchen  Vorzügen  mäßigen  Ge- 
brauch zu  machen.  —  Die  Klarinetten  und  Fagotte  empfahlen 
sich,  weil  ihre  Klangwirkungen  so  ziemlich  denen  der  Orgel 
entsprachen  und  sie  außerdem  ein  treffliches  Mittel  zur  Aus- 
führung des  vierstimmigen  Satzes  abgaben ,  der  sich  in  unge- 
zwungener Natürlichkeit  überall  einlegen  ließ.  Bei  Aufführungen 
war  dafür  Sorge  zu  tragen,  dies  Bläserquartett  in  der  Nähe  des 


—     51     — 

ersten  Kontrabasses,  mit  dem  es  im  genauesten  Verkehr  stand, 
aufzustellen.  So  schmiegte  sich  das  Hegleitungsmaterial  elastisch 
der  Singstimme  an  und  ließ  fast  vergessen,  daß  es  nicht  in  der 
Hand  einer  Person,  der  des  früheren  Akkompagnenten,  lag.  — 
Die  weichen  Hörncr  deckten  die  Schärfe  der  hochgeführten 
Trompeten,  Oboen  und  l*"K)tcn  setzten  hin  und  wieder  feinere 
Lichter  auf  und  dergleichen  mehr.  — 

Demgemäß  trat  ich  also  meine  Hinrichtungen  und  war 
über  den  Erfolg,  den  sie  hatten,  freudig  erstaunt.  Das  Orchester 
fand  sich  bald  zurecht;  die  Sänger  gewannen  an  Zuversiclit, 
weil  sie  von  jenem  teilnehmend  getragen  wurden,  und  den 
obligaten  Instrumenten  war  eine  Unterstützung,  die  wie  ein 
feiner  Kitt  weit  auseinanderliegende  Tonverhältnisse  sauber 
verband,  auch  nur  erwünscht.  Außerdem  sahen  sich  meine 
Arbeiten  reichlich  belohnt  durch  gar  nicht  zu  verkennende  Teil- 
nahme des  Publikums,  das  kaum  glauben  wollte,  sich  noch  jener 
alten,  wunderlichen  Musik,  die  ihm  schon  manche  schwere 
Stunde  bereitet  hatte,  gegenüber  zu  befinden:  —  kurzum,  alles 
trug  dazu  bei,  mich  von  der  Wahrheit  meiner  Prinzipien  und 
deren  Wert  für  die  Praxis  zu  überzeugen. 

Dafjsich  meine  Tätigkeit  im  allgemtinen  mit  den  Grundsätzen, 
denen  Mozarts  Bearbeitungen  folgen,  in  Übereinstimmung  be- 
fand, konnte  ich  damals,  wo  der  Einblick  in  die  Originale  noch  sehr 
erschwert  war,  kaum  ahnen:  erst  später  nahm  ich  es  nicht  ohne 
Genugtuung  wahr.  Wenn  ich  in  dieser  Tatsache  keinen  Zufall 
erblicke,  vielmehr  eine  Notwendigkeit,  die  mit  der  natürlichen 
Beschaffenheit  der  Vorlagen  zusammenhängt,  so  wird  mir  dies 
hoft'entlich  nicht  als  Anmaßung  ausgelegt  werden. 

Der  Wunsch  lag  nun  nahe,  die  in  Halle  gewonnenen 
Resultate  auch  iür  weitere  Kreise  nutzbar  zu  machen.  Bald 
bot  sich  Gelegenheit  zur  Veröffentlichung  einiger  Partituren, 
so  daf^  nach  und  nach  folgende  Bearbeitungen  erschienen : 
Bach 's  „Magnificat",  die  Kantaten:  „ich  hatte  viel  Bekümmer- 
nis", „Gottes  Zeit  ist  die  allerbeste  Zeit",  „o  ewiges  Feuer,  o 
Ursprung  der  Liebe",  „die  Trauerode"  und  endlich  :  „die  Matthäus- 
passion". Außerdem :  H  ä  n  d  e  l's  „Jubilate",  A  s  t  o  r  g  a  's  „Stabat 
mater"  und  Durante's  „Magnificat". 

4* 


—     52    — 

Von  sämtlichen  Publikationen  versprach  ich  mir  raschen 
Erfolg,  —  fand  mich  aber  sehr  getäuscht.  Der  Verdacht,  daß 
die  Mehrzahl  der  Künstler  5eb.  Bach 's  Namen  lieber  im 
Munde  führe,  als  daß  ihr  die  Verbreitung  seiner  Werke  ernst- 
lich am  Herzen  läge,  schien  sich  leider  zu  bestätigen.  Über- 
dies mochte  man  es  für  unangemessen  halten,  sich  von  einem 
der  Zeitgenossen  in  Dingen  vorschreiben  zu  lassen,  die  sich 
jeder  ebensogut,  wenn   nicht  besser  auszuführen  getraute. 

Dazu  gesellte  sich  noch  die  unsicher  tastende  Haltung  der 
Tageskritik:  statt  die  betreffenden  Werke  als  Novitäten,  welche 
sie  doch  im  Durchschnitt  für  die  Gegenwart  waren,  aufzufassen 
und  den  lange  genug  vorenthaltenen  Nachweis  ihres  außer- 
ordentlichen Wertes  endlich  zu  führen ,  ließ  man  sie  ganz  un- 
beachtet und  nörgelte  dafür  um  so  kleinlicher  an  meiner  Tätig- 
keit. Daß  es  sich  hier  möglicherweise  um  eine  Angelegenheit 
handeln  könne,  an  deren  guten  oder  schlechten  Austrag  das 
nächste  Schicksal  dieser  Werke  geknüpft  sei,  davon  mochten 
die  Herren  Rezensenten  wohl  kaum  eine  Vorstellung  haben. 
Dergleichen  Arbeiten  fielen  nach  ihrer  Meinung  in  die  Kategorie 
der  Arrangements,  die  sich  schon  glücklich  preisen  durften,  wenn 
man  sie  in  die  kleine  Schrift  der  Musikzeitungen  verwies. 

Um  aber  meine  Lage  noch  zu  verschlimmern,  tauchte  da- 
mals eine  Richtung  auf,  die  sich  zwar  vorwiegend  mit  historisch- 
archäologischen ,  die  Musik  betreffenden  Studien  beschäftigte, 
jedoch  wohl  auch  gelegentlich  die  Hand  an  rein  Artistisches 
legte.  Die  Koryphäen  derselben  traten  mit  starkem  Selbst- 
gefühl, aber  leider  nur  sehr  mäßiger  Kunstbegabung  auf,  — 
dessenohngeachtet  wußten  sie  sich,  da  sie  mit  der  Feder  einen 
nicht  zu  unterschätzenden  Einfluß  auf  die  musikalischen  P'ach- 
blätter  ausübten ,  rührig  zur  Geltung  zu  bringen.  Natürlich 
wurde  die  Frage,  nach  welchen  Grundsätzen  die  Bearbeitung 
älterer  Tonwerke  gegenwärtig  stattzufinden  habe,  alsbald  in 
den  Kreis  ihrer  Untersuchungen  gezogen,  —  fand  sie  auch  keine 
befriedigende  Lösung,  so  kam  sie  doch  wenigstens  in  Be- 
wegung. Hinsichtlich  des  Begleitungsmaterials  ging  man,  wie 
sich  das  hier  von  selbst  verstand,  direkt  auf  die  Darstellungs- 
mittel   der  Altvordern,    also    auf  das  Cembalo    und  die  Orgel, 


—     53    — 

zurück.  In  diesem  Punkte  waren  alle  untereinander  einig: 
weniger  über  die  Methode,  welcher  die  ergänzende  Tätigkeit  zu 
folgen  habe.  Wahrend  einige  die  kuriose  Forderung  einer  „größt- 
möglichen Neutralität  der  Ausfüllungen"  stellien,  letztere  mithin 
auf  das  bescheidenste  Maß  beschränkt  wissen  wollten,  zeigten 
sich  dagegen  andere  minder  skrupulös  und  meinten,  man 
brauche  nur  eine  klare  Hinsicht  in  das  ABC  dieser  Sache  (der 
Akkompagnementskunst)  zu  haben,  um  sich  leicht  überall  selbst 
helfen  zu  können;  jeder  geschickte  Musiker,  ja  jeder  musik- 
kundige Dilettant  wäre  befähigt,  den  Weg,  der  hier  einzu- 
schlagen sei,  ohne  langwierige  Studien  mit  Sicherheit  zu  be- 
treten. Daß  die  ..größtmögliche  Neutralität  der  Ausfüllungen" 
notwendig  zur  Charakterlosigkeit,  die  „klare  Einsicht  in  das 
ABC  dieser  Sache"  aber  zu  offenbaren  Leichtfertigkeiten  führen 
müsse,  kam  dabei  nicht  weiter  in  Betracht. 

Besonders  ließ  es  sich  die  Redaktion  der  ,, allgemeinen 
musikalischen  Zeitung"  angelegen  sein,  hier  die  Leitung  zu 
übernehmen  und  führte  dabei  eine  Sprache,  daß  man  hätte 
glauben  sollen,  sie  handle  unter  ganz  bestimmten  höheren  \'oll- 
machten.  Namentlich  behielt  sie  die  Gesanginstitute,  welche 
Händel'sche  Vokalmusik  zur  Aufführung  brachten,  scharf  im 
Auge.  Ihre  Forderungen  beschränkten  sich  aber  keineswegs 
auf  eine  treue  Wiedergabe  der  Originale,  ebenso  energisch 
wurde  auf  das  historische  Akkompagnementsmaterial  gedrungen, 
und  zwar  fand  l:)esondere  Gnade,  wer  sich  so  eng  als  möglich 
den  Partituren  der  „Deutschen  Händel-Gesellschaft"  anschloß, 
deren  Redaktion  bekanntlich  mit  der  der  „Allgemeinen  musi- 
kalischen Zeitung"  zusammenfällt. 

Dagegen  erfreuten  sich  die  sogenannten  „Bearbeitungen" 
durchaus  nicht  des  Wohlwollens  der  „Allgemeinen  musikalisclun 
Zeitung".  Mozart  direkt  anzugreifen,  schien  zwar  aus  nahe- 
liegenden Gründen  inopportun,  obschon  die  Klavierbegleitung 
der  „Deutschen  Händel-Gesellschaft"  zum  Alexanderfest  indirekt 
wenigstens  eine  eigentümliche  Kritik  des  Mozart'schen  Ton- 
satzes   liefert*),  —    dafür    wurde    mit    Mendelssohn    um    so 

*1  Als  Beispiel  dieser  Kritik  diene  der  2.  u.  3.  Takt  des  kitorncUs  der 
Sopranarie;  „Krieg  o  Held".     Mozart 's  Tonsatz  lautet: 


—     54    — 

weniger  Federlesens  gemacht*),  und  nun  gar  das  übrige  ob- 
skure Gelichter  ohne  Umstände  über  Bord  geworfen.  So  ließ 
sich  unser  Blatt  noch  vor  kurzem  **j,  veranlaßt  durch  ein 
Referat  über  die  Aufführung  des  H  ä  n  d  e  1 '  sehen .  „Allegro"  in 
der  Wiener  Singakademie,  folgendermaßen  vernehmen: 

„Hoffentlich  wird  die  Akademie  nach  diesem  ihr  abermals 
gelungenen  Versuche  eine  vollständige  Aufführung  des  „Allegro" 
zuwege  bringen,  wobei  wir  uns  dem  Wunsche  des  obigen 
Referenten  um  Benutzung  der  ursprünglichen  Orchester- 
begleitung (m.it  Ausschluß  der  leidigen  modernen  ***)  „Bearbei- 


Die  Klavierbegleitung  der  „Deutschen  Iländcl-Gesellschaft"  bemüht  sich, 
die  Mittelstimme  etwas  melodischer  zu  führen  und  überrascht  uns  bei  der  Ge- 
legenheit mit  einem  nicht  eben  wohllautenden  Quintenpaar;  vielleicht  wollte  sie 
auch  nur  Mozart 's  verdeckte  Quinten  ironisch  durch  offene  illustrieren. 
Übrigens  paßt  das  g  der  Mittelstimme  hierher  wie  die  Faust  aufs  Auge.    Man  sehe: 


*)  Ob  M  e  n  d  e  1  s  o  h  n  's  Orgohtimme  zu  ,, Israel  in  Ägypten"  in  H  ä  n  d  e  1  's 
■\Veise  gehalten  ist  oder  nicht,  darüber  möchte  ich  mir  keine  Entscheidung  an- 
maßen,  hinsichtlich  der  von  der  „Deutschen  Händel-Gesellschaft"  gelieferten 
Klavierbegleitung  genannten  Werkes  braucht  man  schon  weniger  zweifelhaft  zu  sein. 

**)  Jahrgang  VI.  d.   19.  S.  299. 
***)  Was    mag    hier  das  Wort  „modern"  zu  bedeuten  haben?     Sind    etwa 


tungen'")  anschließen,  weil  nur  dadurch  die  volle  Wirkung  ver- 
bürgt ist.  Was  wäre  es  anders  als  barbarische  Geschmack- 
losigkeit, wollte  man  alte  Gemälde  neu  überpinseln  r  Ist  es  aber 
in  der  Musik  nicht  genau  dasselbe?'  (Die  Red.) 

Was  die  zuletzt  aufgeworfene  Frage  betrift't,  so  ist  sie  auf 
das  entschiedenste  zu  verneinen.  Es  ist  keineswegs  dasselbe, 
ein  fertiges  Gemälde  zu  überpinseln,  und  die  von  dem  Ur- 
heber einer  musikalischen  Komposition  offengelassenen 
Liicken  nach  seinen  gegebenen  Andeutungen  auszufüllen. 
Hierüber  ist  weiter  kein  Wort  zu  verlieren ;  wohl  aber  halte 
ich  mich  für  verpflichtet,  den  in  obiger  Anmerkung  enthaltenen 
Hetzereien,  die  wahrscheinlich  auch  auf  meine  Bearbeitungen 
zielen  werden  (ja  vielleicht  gerade  auf  meine  Partitur  des 
„Allegro",  nach  der  damals  in  Berlin  eine  Aufführung  statt- 
gefunden hatte,  vor  welchem  Unglück  man  jetzt  Wien  zu 
schützen  gedachte),  mit  einigen  Bemerkungen  entgegenzutreten. 
Sie  wollen  in  keiner  Weise  eine  oratio  pro  domo  sein,  sondern 
beabsichtigen  nur  die  Konstatierung  der  Tatsache,  daß,  wenn 
etwa  den  väterlichen  Warnungen  der  „Allgemeinen  musikalischen 
Zeitung"  Gehorsam  geleistet  würde,  zurzeit  noch  nicht  einmal 
der  Apparat  zu  Aufführungen  irgendeines  der  größeren  Vokal- 
werke Händel's  vorhanden  sein  dürfte;  es  sei  denn,  man 
suchte  diese  Aufführungen  ohne  Mitwirkung  des  Cembalo  und 
der  Orgel  zu  ermöglichen,  oder  mit  dem  Risiko  einer  Im- 
provisation, so  gut  oder  so  schlecht  sie  der  Augenblick  eben 
bringt.  —  Gelänge  es  mir  übrigens,  die  so  schnöde  behandelten 
„modernen  Bearbeitungen"  einigermaßen  zu  rechtfertigen  und 
sie  damit  wider  die  Angrift'e  der  „Allgemeinen  musikalischen 
Zeitung"  in  Schutz  zu  nehmen,  so  würde  ich  mich  schon  der 
Sache  wegen  darüber  freuen. 

Diese  Inschutznahme  ließe  sich  z.  B.  recht  wirksam  durcli 
den  Nachweis  führen,  daß  die  \'erfasser  der  Klavierbegleitungen 
und  Orgelstimmen,  welche  die  ,, Deutsche  Händel-Gesellschaft" 
bringt,  ebenfalls  nichts  weiter  tun,  als  Händel  durcli  „Be- 
arbeitungen"   zu    „überpinseln",    —    jene    Rechtfertigung    aber 

die  Mo  zart 'sehen  und  Mosel' sehen  Bearbeitungen  bei  der  naciifoljjenden 
Verdächtigung  ausgcsehlossen  ? 


—     56     — 

könnte  vielleicht  am  zweckmäßigsteh  erzielt  werden  mittels 
einer  sorgfältigen  Prüfung  des  Tonsatzes,  dessen  sie  sich  durch- 
schnittlich zu  bedienen  pflegen. 

Ersteres  wird  mit  wenigen  Worten  geschehen  sein.  Die 
„Deutsche  Händel- Gesellschaft"  ediert  nicht  allein  die  Originale, 
sondern  auch  ein  von  fremder  Hand,  offenbar  für  praktische 
Zwecke  bestimmtes  und  ausgeführtes  Akkompagnement,  durch- 
gehends  für  Klavier,  teilweise  für  Orgel.  Eine  solche  Tätigkeit, 
die  oft  genug  zu  persönlichen  Entscheidungen  zwischen  dieser 
oder  jener  Ausdrucksform  nötigt,  fällt  aber  mit  dem  zusammen, 
was  mit  dem  Worte  „Bearbeitung"  —  sofern  sie  überhaupt  die 
Vorlagen  gewissenhaft  respektiert  und  sich  nicht  grundlose 
Verletzungen  derselben  zuschulden  kommen  läßt  —  bezeichnet 
wird.  Demnach  wäre  die  natürliche  Konsequenz  aus  obigen 
Behauptungen  der  Redaktion:  jede  Ausführung  des  Akkom- 
pagnements,  wenn  sie  die  Mitwirkung  eines  Zweiten  oder 
Dritten  aus  eigenen  Mitteln  erfordert,  ist  eine  „barbarische  Ge- 
schmacklosigkeit"; mithin  müssen  die  Klavierbegleitungen  und 
Orgelstimmen  der  „Deutschen  Händel-Gesellschaft"  derselben 
Beurteilung  unterworfen  werden:  —  sie  begehen  ebenfalls  die 
„barbarische  Geschmacklosigkeit",  ältere  Kunstwerke  mit  ihren 
Zutaten  „neu  zu  überpinseln". 

Über  den  zweiten  Punkt,  über  den  künstlerischen  Wert 
jener  Akkompagnementsausführungen,  kann  ich  mich  leider 
auch  nur  kurz  fassen  und  kaum  das  Allgemeinste  zur  Be- 
sprechung bringen:  wollte  ich  recht  nach  Wunsch  verfahren 
und  namentlich  neben  der  negativen  Kritik  noch  eine  positive 
üben,  so  würde  mein  Brief  leicht  zu  einem  Folianten  an- 
schwellen. 

Wie  bereits  erwähnt,  handelt  es  sich  bei  Herstellung  des 
Akkompagnements  in  erster  Linie  um  einen  Tonsatz,  der,  unter 
steter  Schonung  des  überlieferten  Materials,  den  Intentionen 
des  Autors,  hier  also  Händel'?,  nach  Form  und  Inhalt  ent- 
spricht. Es  kann  nicht  oft  und  nachdrücklich  genug  gesagt 
werden,  daß  dieser  Tonsatz  das  Original  ebenso  zu 
heben  und  zu  s c h m  ü  c k e n ,  a  1  s  e r  es  a b z  u s c h -w ä c h e n 
und    zu    \-  e  r  u  n  z  i  e  r  e  n    imstande    ist.      Im    ersten    Falle 


wird  er  das  nur  Angedeutete  durch  sachgemäße  Ergänzungen 
zu  lebensvoller  Geltung  bringen,  im  letztern  verwischt  er  sogar 
die  bedeutsamsten  Umrisse,  weil  er  sie  in  Umgebungen  ver- 
setzt, die  mit  ihrem  Wesen  im  direkten  Widerspruch  stehen. 
Was  hier  nicht  wie  aus  einem  Gusse  klingt,  muß  so  lange 
Versuchen  unterworfen  werden ,  bis  ein  derartiges  Resultat 
wirklich  eintritt:  die  Möglichkeit  dazu  ist  aber  stets 
vorhanden.  —  Das  Material,  welches  zur  Darstellung  der  als 
sachgemäß  bezeichneten  Ergänzungen  in  Anwendung  kommt, 
ob  Orgel,  Klavier  oder  Orchester,  hat  erst  sekundäre  Bedeutung : 
die  Wahl  desselben  mag  füglich  dem  Geschmacke  und  der 
Einsicht  des  Dirigenten  überlassen  bleiben  "^j. 

Prüfen  wir  also  dieses  Wichtigste  an  den  Beglcitungs- 
formen,  die  uns  die  „Deutsche  Händel-Gesellschaft"  in  der  32. 
ihrer  Lieferungen  bietet.  Dieselbe  enthält  einen  Teil  der 
italienischen  Duette  und  Trios,  eignet  sich  aber  darum  für  unser 
Vorhaben  ganz  besonders,  weil  hier  die  Singstimmen  nur  von 
einem  bezitierten  Basse  unterstützt  sind,  der  ein  selbständigeres 
Akkompagnement  bedingt,  mithin  einen  volleren  Blick  in  die 
Werkstatt    der    rekonstruierenden  Tätigkeit    zu    werten  erlaubt. 

Hoftentlich  wird  ein  jeder  mit  mir  darin  übereinstimmen, 
daß  Händel's  Stil  keine  Schulfehler:  Quinten,  Oktaven  und 
wie  dergleichen  verpönte  Dinge  sonst  noch  heißen  mögen,  aut- 
gedrängt werden  dürfen;  nur  wenn  sie  etwa  der  Zug  der 
Stimmtuhrung  unter  mildernden  Umständen  mit  sich  bringt, 
oder  höhere  Gründe  tur  sie  geltend  gemacht  werden  können, 
lassen  sie  sich  zur  Not  entschuldigen.  Leider  kann  der  Ton- 
satz jener  32.  Lieferung  von  dem  Vorwurfe,  dergleichen  nicht 
zu  rechtfertigende  Schulfehler  in  Masse  gebracht  zu  haben, 
schwerlich  freigesprochen  werden.  Sehen  wir  uns  denselben 
genauer  an,  wobei  es  gestattet  sein  möge,  mit  Notenbeispielen, 
einer  zwar  umständlichen,  dafür  aber  um  so  anschaulicheren 
Beweisführung,  vorzugehen. 


*)  Man  wird  sehr  wohl  tun,  die  \Verlverl)ällnissc  zwischen  Tonsalz  und 
Ausfühiungsmaterial  unausgesetzt  im  Auge  zu  behalten;  eine  unbefangcnr  Wür- 
digung beider  trägt  nur  zur  Klärung  der  Ansichten,  die  bisher  über  die  Hc- 
hanillung  des  .\kkümiiagnements  verbreitet  waren,  bei. 


-     58     - 

(Es  folgt  der  Nachweis  einer  Anzahl  von  Quinten-  und 
Oktavenparallelen ,  welcher  hier  der  Abkürzung  halber  aus- 
gelassen ist.  In  den  So  er  Jahren  veröffentlichte  Chrysander 
eine  neue  32.  Lieferung.     Der  Herausgeber.) 

Dieses  Kontingent  schwerer  Verstöße  gegen  den  reinen  Satz 
habe  ich  flüchtig  herausgegriffen;  mit  geringer  Mühe  ließe  es 
sich  verdoppeln  und  verdreifachen,  wenn  man  noch  Jagd  auf 
durchgehende,  ungleiche  oder  verdeckte  Quinten  und  Oktaven, 
die  doch  ebenfalls  ihr  BedenkHches  haben,  machen  wollte. 
Dennoch  lege  ich  auf  dergleichen  Vorkommnisse  schon  darum 
kein  großes  Gewicht,  weil  sich  ein  jeder  durch  v^erständige 
Korrekturen  leicht  selbst  helfen  kann:  angesichts  der  anderen 
Eigenschaften  des  Tonsatzes  wird  das  leider  erheblichere 
Schwierigkeiten  haben. 

Was  läßt  sich  denn  wohl  mit  kontrapunktischen  Führungen, 
—  ich  zitiere  nur  einige  Beispiele  —  wie  sie  Seite  8,  Zeile  3 
und  4,  oder  Seite  37,  Zeile  2,  3  und  4  anzutreffen  sind,  be- 
ginnen ?  Nicht  durch  inneres  Leben  entwickelt  sich  hier  der 
Klavier- Tonsatz ,  sondern  folgt  höchstens  einer  mechanischen 
Ordnung  des  Rhythmus.  Darum  stehen  auch  die  Töne  so 
müde  und  gleichgültig  nebeneinander,  —  es  fehlt  eben  der 
schwungvolle  Impuls,  welcher  wie  mit  fatalistischer  Notwendig- 
keit einem  bestimmten  Ziele  zutreibt.  Diese  drängende  Ge- 
walt, die,  wie  wir  später  sehen  werden,  auf  der  Gegenseitig- 
keit melodischer,  harmonischer  und  rh\-thmischer  Elemente  be- 
ruht, ist  einer  der  bedeutsamsten  Züge  des  polyphonen  Stils, 
-  auch  in  der  Ausführung  des  Akkompagnements  wird  sie 
eine  hervorragende  Rolle  spielen  müssen. 

Und,  um  es  nicht  mit  Stillschweigen  zu  übergehen ,  wie 
seltsam  kontrastieren  dergleichen  nichtssagende  Gänge  mit  den 
prachtvollen  Formen  der  Händel'schen  Originalstimmen!  Hier 
strömt  es  von  sprudelnder  Lebenskraft  über,  —  dort  herrscht 
genau  das  Gegenteil  davon. 

Was  soll  man  ferner  zu  der  Haltlosigkeit  der  Stimm- 
führung sagen,  von  der  jede  Seite,  jede  Zeile,  ja  jeder  Takt 
beredtes  Zeugnis  ablegen?  Wird  auch  die  Ausführung  des 
Akkompagnements    nicht    gar    zu    peinlichen    Forderungen    zu 


—     59     — 

unterwerfen  sein,  so  müssen  doch  wenigstens  überall  Spuren 
von  den  Gesetzen,  nach  denen  sich  reale  Stimmen  in  künst- 
lerischer Freiheit  untereinander  bewegen,  sichtbar  werden:  die 
Begleitung  der  Kammerduette  weist  sie  fast  nirgends  auf.  Bald 
reproduziert  der  Klaxiersatz  die  Singstimmen  ohne  jede  Zutat, 
—  kurz  darauf  dämpft  er  deren  flüssige  .Beweglichkeit  durch 
tote  Klänge  wieder  ab;  in  diesem  Takte  geht  es  zweistimmig 
her,  im  nächsten  dreistimmig,  dann  plötzlich  vier-  oder  gar 
fünfstimmig.  Seite  76,  Zeile  i,  Takt  3,  schreitet  die  Mittel- 
stimme sogar  unter  den  Continuo!  Vergebens  sucht  man 
nach  Gründen,  welche  dergleichen  Erscheinungen  veranlassen 
konnten:  es  herrscht  eben  die  reine  Willkür  im  Auftreten  und 
\'erschwinden  der  \erschiedenen  Partien. 

Außerdem  scheint  man  auch  der  Tatsache,  daß  die  Ton- 
qualität des  Klaviers  eine  bestimmte  Abrundung  und  Ge- 
schlossenheit der  Harmonie  verlange,  wenig  Berücksichtigung 
geschenkt  zu  haben:  unaufhörlich  wird  Auge  und  Ohr  durch 
verstümmelte  Akkordformen  gemartert,  die  doch  nur  eine  spröde 
Ergänzung  in  den  Singstimmen  finden  können. 

Weiter  begegnen  wir  auf  Schritt  und  Tritt,  namentlich  in 
der  ersten  Hälfte  der  Lieferung,  einam  Klaviersatze,  der  den 
Fingern  geradezu  vorsintflutliche  Aufgaben  zumutet.  So  hat 
der  Spieler  Seite  42,  Zeile  3  und  4.  folgendes  Tongespenst 
vorzutragen : 


:s^€^f=zi: 


^^ 


=»-^*- 


-30L 


:i=?n 


—    6o    — 


Das  Hinzutreten  der  rollenden  Singstimme  wird  nur  geeignet 
sein,  die  Fadenscheinigkeit  der  eben  mitgeteilten  Stelle  noch 
anschaulicher  zu  machen. 

Das  Gegenstück  dazu  liefert  aber  die  36.  Seite,  wo  sich 
der  Klaviersatz  in  knäuelartiger  Verwachsenheit  ununterbrochen 
hinschleppt. 

Ferner  dürfte  die  Bemerkung,  so  trivial  sie  auch  klingen 
mag,  hier  nicht  ganz  überflüssig  sein,  dalo  sich  ein  gutes  Musik- 
stück in  bezug  auf  Wohllaut  stets  befriedigend  entwickeln 
muß.  Der  ^langel  an  letzterem  ist  es  aber  vornehmlich,  wo- 
durch die  Ausführung  des  Akkompagnements  der  Kammer- 
duette glänzt.  Unmotiviertes  Abspringen  des  Leittons  —  sogar 
in  der  Oberstimme,  —  stechende  A^erdopplungen  alterierter  und 
strebender  Töne,  unschöne  Akkordlagen  und  was  dergleichen 
verletzende  Züge  mehr  sind,  drängen  sich  allenthalben,  am  auf- 
fälligsten wieder  in  der  ersten  Hälfte  der  Lieferung,  zutage. 
Mag  es  immerhin  einige  Klavierstücke  Bach 's  und  Händel's 
geben,  in  welchen  nicht  viel  Rücksicht  auf  äußere  Klang- 
schönheit genommen  ist,  so  sind  doch  dafür  andere  Werke 
von  beiden  Meistern  vorhanden  —  und  glücklicherweise  bilden 
sie  die  große  Mehrzahl,  —  welche  nach  der  Seite  hin  nichts 
zu  wünschen  übrig  lassen.  Diese  hat  man  sich  bei  Herstellung 
einer  Klavierbegleitung  zum  Muster  zu  nehmen ,  nicht  aber 
jene.  An  welche  Vorbilder  sich  das  Akkompagnement  der 
italienischen  Duette  durchschnittlich  lehnt,  mag  nur  ein  Beispiel 
zeigen.     Seite   12,  Zeile  2,  Takt  2,   3   und  4,  lesen  wir: 


-•— «- 


1% 


etc. 


Bl^?£ 


—    6r   — 

Es  wird  nun  keinen  Augenblick  befremden .  wenn  der- 
artigen Erscheinungen  gegenüber  von  einer  lebensvollen  Be- 
teiligung des  Akkompagnements  an  dem  Inhalte  der  Originale, 
der  in  den  feinsten  Färbungen  überall  durchschimmert,  kaum 
die  Rede  sein  kann.  Ein  solcher  Tonsatz  stellt  auch  die  v^oU- 
endetsten  Leistungen  der  Sänger  in  ein  bedenkliches  Eicht  und 
trägt  außerdem  sehr  dazu  bei,  jene  massiven,  ein  gebildetes 
Ohr  zur  \'crzweinung  bringenden  Ansichten  über  Ausdruck 
und  Vortrag  älterer  Kompositionen  zu  verewigen. 

Endlich  ist  noch  zu  bedauern,  daß  die  32.  Lieferung  der 
„Deutschen  H  ä  n  d  e  1 -Gesellschaft"  keine  Generalbaßschrift  zu 
den  Duetten  gebracht  hat.  Zwei  mir  zur  \'erfügung  stehende 
alte  Handschriften ,  für  deren  Echtheit  ich  allerdings  nicht 
bürgen  kann,  zeigen  einen  sorgfältig  und  reich  bezifferten  Baß. 
Sollte  das  Handexemplar,  von  dem  in  dem  \'orwort  der 
Lieferung  wiederholt  die  Rede  ist,  keine  Signaturen  enthalten.^ 
Im  Bejahungsfalle  wäre  es  geradezu  unverantwortlich,  ein  so 
wertvolles  Material  ohne  weitere  Angabe  der  Gründe  den 
Kammerduetten  entzogen  zu  haben,  da  es  allein  eine  gewissen- 
hafte Kontrolle  des  Satzes  ermöglicht  und  überdies  den  Werken 
Hände l's  zugehört.  —  / 

Weit  bin  ich  nun  von  der  Annahme  entfernt,  daß  die. 
welche  sich  mit  der  Ausführung  des  Akkompagnements  der 
italienischen  Duette  und  Trios  befaßten ,  nicht  imstande  ge- 
wesen wären ,  einen  wohltuenderen  Tonsatz  zu  schreiben. 
Wurde  ein  solcher  nicht  geliefert,  so  wird  man  schwerlich 
fehlgreifen,  wenn  teils  die  Grundsätze,  welche  die  Redaktion 
der  „Allgemeinen  musikalischen  Zeitung"  gelegentlich  über  das 
ABC  der  Akkompagnementskunst  \erlauten  ließ,  teils  gewisse 
Ansichten  über  die  Kunstmaximen  vergangener  Zeiten  verant- 
wortlich gemacht  werden.  Meinen  Überzeugungen  in  betreff 
dieser  wichtigen  Angelegenheit  wurde  bereits  in  der  Vorbe- 
merkung zu  den  von  mir  herausgegebenen  Händel'schen 
Opernarien  Ausdruck  gegeben  ;  da  sie  bisher  zwar  totgeschwiegen, 
nicht  aber  widerlegt  worden  sind,  werden  Sie  es  mit  mir  ganz 
zweckmäßig  finden,  sie  hier  wiederholt  zu  sehen.  l*-s  heißt 
dort:    „Schließlich   kann    es  doch  nur    darauf  ankommen ,    eine 


—      62      — 

einmal  gegebene  Aufgabe  künstlerisch,  das  heißt  mit 
künstlerischem  Formensinn,  mit  künstlerischer  Freiheit,  wo- 
möglich mit  künstlerischem  Erfolge ,  also  durch  Herstellung 
eines  einheitlichen,  organisch  entwickelten  Ganzen  zu  lösen. 
Nur  so  können,  wie  auch  Kritiker  und  Historiker  über  die  be- 
rührten Fragen  denken  mögen,  jene  vergessenen  Werke  wieder 
in  ihr  Recht  eingesetzt  werden.  Diejenigen,  die  gegen  solches 
Unterfangen  Bach 's  und  Handels  Geister  aufrufen,  haben 
ihnen  die  Lippen  zu  lösen  nicht  vermocht  und  ihnen  nur  die 
eigene  Weisheit  in  den  Mund  legen  können." 

Man  v.'ird  nun  vielleicht  den  Einwand  erheben:  „die 
32.  Lieferung  repräsentiert  ja  nur  einen  kleinen  Teil  des  großen 
Unternehmens  der  „Deutschen  Händel -Gesellschaft",  —  die 
Ausführung  des  Akkompagnements  jenes  Bandes  mag,  wir 
gestehen  es  schon  zu,  ihre  Schwächen  haben;  dafür  bleibt  uns 
noch  eine  lange  Reihe  anderer  Lieferungen,  deren  Klavier- 
begleitungen doch  hofl'entlich  mehr  künstlerischen  Wert  bean- 
spruchen können." 

Da  es  gegenwärtig  nicht  in  meiner  Absicht  liegt,  ein- 
gehendere Untersuchungen  über  diesen  Punkt  anzustellen,  so 
halte  ich  mein  Urteil  zurück.  Die  außerordentlichen  Ver- 
dienste, welche  sich  die  Hauptredaktion  der  erwähnten  Gesell- 
schaft, der  anzugehören  ich  mir  zur  großen  Ehre  anrechne, 
sonst  noch  um  Händel  und  die  korrekte  Herstellung  seiner 
unsterblichen  Werke  erworben  hat,  sind  so  über  allem  Zweifel, 
daß  sie  gar  nicht  hoch  genug  in  Anschlag  gebracht  werden 
können.  Diese  Überzeugung  darf  mich  jedoch  nicht  abhalten, 
wider  Prinzipien  aufzutreten,  die  nicht  die  Ausgabe  selbst,  sondern 
nur  deren  Akzidenz  betreffen  und  mir  geeignet  scheinen,  den 
ungetrübten  Genuß  an  des  Meisters  Schöpfungen  in  Frage  zu 
stellen. 

Die  Redaktion  der  „Allgemeinen  musikalischen  Zeitung", 
statt  die  gelegentlichen  Bearbeitungen  anderer,  die  doch  auch 
nur  auf  Verbreitung  Händel'scher  Kunst  gerichtet  sind,  bei 
jeder  Veranlassung  zu  verunglimpfen,  hätte  aber  besser  getan, 
energisch  auf  die  Tilgung  offenbarer  Mängel  der  Klavier- 
begleitungen einer  monumentalen  Ausgabe,    die  ja  stets 


—     63     - 

den  höchsten  Anforderungen  nach  allen  Seiten  hin  zu  ent- 
sprechen hat,  hinzuwirken. 

Übrigens  ist  das  grollende  Eifern  wider  „leidige  Bear- 
beitungen" auch  darum  ungerecht,  weil  ihrer  \"erniittlung  es 
hauptsächlich  zu  danken  ist,  daß  sich  eine  Anzahl  Händel  scher 
Oratorien  in  Deutschland  einbürgerten:  ich  erinnere  dabei  nur 
an  den  Messias.  Selbst  M  o  s  e  1  s  Arbeiten,  so  wenig  ich  deren 
Rücksichtslosigkeiten  in  Schutz  nehmen  mag,  haben,  man 
sträube  sich  dagegen  wie  man  wolle,  daraut  segensreich  hin- 
gewirkt. Daß  die  unbearbeitet  gebliebenen  Oratorien  Handels 
—  ich  führe  nur  die  Meisterwerke:  Herakles,  Semele,  Susanna 
und  Theodora  an  —  bisher  so  ziemlich  ignoriert  worden  sind, 
ist  leider  eine  Tatsache,  die  gar  nicht  in  Abrede  gestellt  werden 
kann.  Das  Gegenteil  davon  möchte  aber  wahrscheinlich  nicht 
früher  eintreten,  als  Bearbeitungen  im  Geiste  Mozarts  und 
Me  ndelssoh  n 's  zur  Benutzung  vorliegen.  Sollte  ich  mich 
hierin  getäuscht  haben,  so  wird  mir  ein  \\'idcrruf  gewiß  nicht 
schwer  aufs  Herz  fallen.   — 

Nach  diesen  Abschweifungen,  die  jedoch  im  Interesse  der 
Sache  nicht  zu  vermeiden  waren,  kehre  ich  zu  meinen  eigenen 
Angelegenheiten  zurück.  / 

Das  vornehm  ablehnende  Verhalten  der  Kunstgenossen, 
der  kleinliche  Widerspruch  der  Tageskritik,  endlich  die  auf- 
reizenden \'erdächtigungen  der  Historiker,  —  alles  dies  trug 
dazu  bei,  daß  in  kurzer  Zeit  mancherlei  schielende  urteile  über 
meine  Arbeiten  in  Umlauf  kamen,  die  mich  dem  Publikum 
entfremden  und  damit  der  kaum  begonnenen  Tätigkeit  störend 
in  den  Weg  treten    mußten. 

Da  spielte  mir  ein  glücklicher  Zufall  die  bereits  erwähnten 
Händel'schen  Opernarien  in  die  Hände,  die  meiner  Lieblings- 
beschäftigung neuen  Aufschwung  gaben.  Sie  standen  in  einem 
alten  englischen  Sammelwerke:  „Apollos  Feast",  das  die  Parti- 
turen einiger  400  Nummern  derselben  enthielt.  Mit  geringen 
Erwartungen  —  Händel's  Opern  waren  ja  sehr  übel  be- 
leumundet —  warf  ich  einen  Blick  auf  die  vergilbten  Blätter, 
prallte  aber  wie  geblendet  zurück,  als  ich  mich  plötzlich  einer 
lyrisch-dramatischen    Musik    gegenüber    befand,    nach    der    ich 


-     64     - 

mich  schon  seit  Jahren  vergebens  gesehnt  hatte.  Hier  zeigten 
sich  nicht  einmal  Spuren  von  jenen  Äußerlichkeiten,  die  mit 
einer  energisch  fortschreitenden  Aktion  unzertrennlich  verbunden 
zu  sein  scheinen,  vielmehr  Avar  der  Schwerpunkt  in  die  psycho- 
logische Charakteristik  der  auf  die  Bühne  gestellten  Persönlich- 
keiten verlegt.  Unter  solchen  Umständen  konnte  aber  die 
Musik  ihre  ganze  Macht  ungehemmt  entfalten  und  trug  denn 
auch  redlich  das  ihrige  dazu  bei,  jenen  innerlichen  Prozessen 
einen  kaum  geahnten  Ausdruck  zu  geben.  Trotz  der  unschein- 
baren Formen,  in  denen  sich  die  meisten  Arien  darstellten, 
pulsierte  in  jeder  Note  reiches,  individuelles  Leben,  das  nur 
darauf  zu  warten  schien,  sich  mittels  einer  angemessenen  Aus- 
führung zu  noch  vollerer  Plastik  zu  erheben. 

Ohne  einen  Augenblick  zu  zaudern,  befand  ich  mich  Avieder 
in  Tätigkeit,  die  sich  zunächst  auf  die  Herstellung  eines  Ton- 
satzes für  Klavier  richtete,  der  später,  wenn  sich  überhaupt  ein 
Bedürfnis  dazu  herausstellte,  ohne  Schwierigkeiten  für  Orchester 
ausgearbeitet  werden  könnte. 

So  wurden  denn  in  rascher  Folge  je  I2  Sopran-  und 
Altarien  fertig,  denen  sich  weiter  12  Duette  anschlössen  — 
wie  Sie  wissen,  sind  diese  drei  Sammlungen  bereits  im  Druck 
erschienen. 

Über  die  musikalische  Bedeutung  derselben  kann  ich  mich 
hier  nicht  verbreiten,  weil  dies  ganz  außerhalb  der  Aufgabe 
liegen  würde,  die  ich  mir  gestellt  habe,  —  es  genüge  die  Be- 
merkung, daß  es  sich  auch  bei  ihnen  um  Händel's  hohe 
Kunst  handelt.  Diese  weiß  aber  stets  in  das  Zentrum  der 
Dinge  zu  dringen:  darum  gibt  sie  im  Besonderen  zugleich  das 
Allgemeine,  im  Individuellen  das  Generelle,  —  auf  Leistungen 
solcher  Art  ruht  aber  die  Weihe  der  Poesie,  in  ihnen  gewinnt 
die  hehre  Göttin  gleichsam  körperliche  Gestalt. 


Obschon    mein  Brief  an  dieser  Stelle    eigentlich   schließen 
sollte,  da  er  den  Verlauf  meiner  Bemühungen  um  Bach  sehe 


-    65     - 

und  Händerschc  Werke  bis  auf  die  Gegenwart  hcrabgeführt 
hat,  erlaube  ich  mir  dcmohngeachtet  noch  einif^c  Notizen,  die 
zunächst  das  Material  betreffen,  dessen  man  sich  zur  Darstellung 
jenes  aus  den  Baßbeziftcrungen  gezogenen  Tonsatzes  zu  be- 
dienen haben  wird,  dann  aber  auch  vielleicht  als  Ergänzungen 
zu  dem  bereits  Ausgeführten  betrachtet  werden  können. 

Die  Redaktion  der  „Allgemeinen  musikalischen  Zeitung" 
äußert  sich  hinsichtUch  jenes  Materials  (Jahrg.  4,  Nr.  23,  S.  183) 
folgendermaßen :  „Jene  »lückenhaften  Stellen'  sind  durch  Klavier 
und  Orgel,  und  im  Händel'schen  Geiste  nur  durch  Klavier 
und  Orgel  auszufüllen;  alle  Versuche  mit  Surrogatinstrumenten  *) 
(und  niemand  hat  derartige  Versuche  öfter  und  unbefangener 
angestellt,  als  der  Herausgeber)  haben  nichts  gelehrt,  als  daß 
keine  andere  befriedigende  Lösung  hier  möglich  ist." 

Mit  einer  solchen  Behauptung  wird  nun  gar  nichts  be- 
wiesen, wohl  aber  ist  sie  ganz  geeignet,  die  Ansichten  in  be- 
treff dieser  Frage  noch  mehr  zu  verwirren,  als  sie  es  schon 
ohnehin  sind.  In  Halle  habe  ich  ebenfalls  häufige  und  unbe- 
fangene Versuche  angestellt,  um  über  das  zweckmäßigste 
Akkompagnementsmaterial  ins  klare  zu  kommen.  Nach 
meinem  Dafürhalten  wirkten  die  formen  am  meisten  be- 
friedigend, welche  ich  oben  bei  Gelegenheit  der  Einrichtung 
meiner  Partituren  besprochen  habe.  Diese  Überzeugung  dränge 
ich  jedoch  keinem  auf  und  werde  mich  sehr  hüten,  ihr  eine 
absolute  Geltung  beizumessen.  Sollte  sich  nun  gar  der  doch 
nicht  unmögliche  Fall  bestätigen,  daß  man  bei  jenen  „öfteren  und 
unbefangenen  Versuchen"  dem  Orchester  einen  ähnlichen  Ton- 
satz, wie  er  in  den  Klavierbegleitungen  der  „Deutschen  Händel- 
Gesellschaft"  durchschnittlich  angetroffen  wird,  aufgebürdet 
habe,    so  müssen    allerdings  merkwürdige  Klangeffekte   zu  Ge- 


*)  In  der  ,, Allgemeinen  musikalischen  Zeitung"  wird  hüufig  Klage  geführt, 
daß  eine  Verstärkung  der  Instrumentation  nur  dazu  dienen  könne,  Händel's 
C)riginalsatz  zu  erdrücken  und  zu  verdunkeln.  Gesclztenfalls,  man  brächte  bei 
einer  .Aufführung  des  ,,Salomo"  oder  des  Dettinger  „Tc  deum"  die  von  der 
„Deutschen  Händel-Gesellschaft''  gelieferten  Orgclstimmen  in  .Anwendung,  was 
würde  da  wohl  von  jenem  überhaupt  noch  zu  hören  sein  ? 

R.  Franz,  Gesammelte  Schriften.  5 


—     66     — 

hör  gekommen  sein:  einen  derartigen  Stil  vertuscht  wohl  das 
farblose  Klavier,  nicht  aber  ein  auf  Selbständigkeit  Anspruch 
machender  Instrumentalchor.  Wenn  letzterer  nicht  für  poly- 
phone Formen  herangezogen  wird,  wirkt  er  nur  als  Farbentopf, 
der  freilich  Bach 's  und  Händel's  inhaltsvoller  Musik  gegen- 
über übel  genug  angebracht  wäre. 

Dergleichen  Erwägungen  führen  aber  wie  von  selbst  dazu, 
die  alte  Frage  hier  aufzuwerfen :  wann  sind  Töne  von  Inhalt 
erfüllt,  wann  sind  sie  es  nicht?  Gern  gestehe  ich  ein,  mich 
einer  Lösung  derselben  nicht  gewachsen  zu  fühlen,  kann  es 
aber  doch  nicht  unterlassen,  einige  charakteristische  Merkmale, 
die  im  Durchschnitt  an  streng  geführten  Stimmen  beobachtet 
werden  können,  einzuschalten:  vielleicht  trägt  es  dazu  bei, 
etwas  Licht  über  jenes  dunkle  Problem  zu  verbreiten.  Über- 
dies fordert  die  musikalische  Produktion  der  gegenwärtigen 
Epoche  dazu  heraus,  die  Aufmerksamkeit  wieder  auf  Er- 
scheinungen hinzulenken,  deren  \A'ert  ebensowenig  zu  bestreiten 
ist,  als  sie  mehr  und  mehr  in  Vergessenheit  zu  geraten  drohen. 

Jede  gut  geführte  Stimme  wird  sich  durch  besondere 
melodische,  harmonische  und  rhythmische  Eigenschaften  aus- 
zuzeichnen haben.  Durch  melodische,  sofern  sich  ihre  Intervall- 
fortschritte als  natürlich  und  wohltuend  darstellen ;  durch  har- 
monische, sofern  diese  Intervallfortschritte  die  zugrunde  liegenden 
Akkordfolgen  nicht  allein  andeuten,  sondern  in  faßlicher  Ent- 
wicklung bestimmt  ausführen ;  endlich  durch  rhythmische,  sofern 
sich  die  Bewegung  jener  melodisch-harmonischen  Formen  in 
charaktervoller,  womöglich  symmetrischer  GHederung  vollzieht. 
Sehr  deutlich  lassen  sich  dergleichen  Grundzüge  an  den  soge- 
nannten Hauptstimmen,  also  an  Fugenthemen,  oder  an  den 
Motiven  größerer  Tonsätze  —  ich  habe  dabei  Haydn's, 
Mo  zart 's  und  Beethoven's  Sinfonien,  Quartette  usw. 
zunächst  im  Auge  —  wahrnehmen.  Letztere  Tonwerke  stehen 
unserer  Zeit  näher  und  qualifizieren  sich  daher  besonders  für 
die  beabsichtigten  Untersuchungen.  Prüfen  wir  jene  Eigen- 
schaften an  dem  ersten  besten  Hauptmotive,  z.  B.  an  diesem 
Thema  der  zweiten  Beethoven' sehen  Sinfonie : 


-     6;     - 


t^mm^r- — ' b_;_^_ai '  1— ! 


etc. 


Wem  leuchten  nicht  sofort  die  Vorzüge  dieses  Stoffes  nach 
jenen  drei  Seiten  hin  ein  ?  Als  Melodie  fesselt  er  durrh  natür- 
liche und  wohltuende  Führung  der  Intervallfortschrittc,  deren 
Plastik  sich  alsbald  unwiderstehlich  einprägt;  als  auseinander- 
gelegte Harmonie  stellt  er  den  Dreiklang  der  Tonika  dar;  als 
Rhythmus  endlich  läßt  er  an  charaktervoller,  symmetrischer 
Gliederung  gar  nichts  zu  wünschen  übrig.  Demnach  vereinigt 
er  in  sich  die  Quintessenz  sämtlicher  Elemente,  durch  welche 
sich  die  Musik  ZAim  verständlichen  Ausdruck  erhebt  und  wirkt 
deshalb  auch  ohne  w  e  i  t  e  r  e  Z  u  t  a  t  vollkommen  befriedigend. 
Wesentlich  wird  aber  seine  Bedeutung  noch  dadurch  gesteigert, 
daß  er  den  größten  Einfluß  auf  die  melodische,  harmonische 
und  rhythmische  Entwicklung  des  Tonstücks,  dem  er  zugrunde 
gelegt  wurde,  ausübt.  Wie  die  Skizzenbücher  beweisen,  hat 
Beethoven  dies  Motiv  erst  nach  und  nach  zu  einer  solchen 
Prägnanz  herausgearbeitet:  er  war  sich  völlig  darüber  klar,  was 
es  mit  der  Motivbildung  in  bezug  auf  jene  drei  Eigenschaften 
für  eine  Bewandtnis  habe.  —  / 

Ganz  ähnliche  Erscheinungen  können  auch  an  den  meisten 
Grundthemen  der  Haydn'schen  und  Mozart'schen  Instrumen- 
talwerke wahrgenommen  und  nachgewiesen  werden. 

Was  soeben  über  dergleichen  charakteristische  Eigenschaften 
der  „Grundmotive"  bemerkt  wurde,  trifft  vielleicht  in  noch 
höherem  Grade  bei  jedem  guten  Eugenthema  zu:  Bachs 
Orgelfugen  und  die  P'ugen  des  wohltemperierten  Klaviers  bieten 
eine  Fülle  mustergültiger  Beispiele.  Nur  eins  derselben,  das 
schöne  Thema  einer  Orgelfuge  in  G-moU ,  schreibe  ich  hier 
nieder  und  überlasse  jedem,  dasselbe  hinsichtlich  der  oben  be- 
zeichneten  Punkte   näher  zu  untersuchen: 


9  (T7-1 -7--i"1^^;^^^to^^ 


5* 


—     68     — 

Versteht  es  sich  nun  auch  von  selbst,  daß  man  vornehm- 
lich die  Hauptstimmen  mit  allem  Glänze  melodischer,  har- 
monischer und  rhythmischer  Vorzüge  auszustatten  suchte,  so 
wurden  doch,  im  strengen  Stil  wenigstens,  die  Nel^enstimmen 
ebenfalls  diesen  Gesetzen  gemäß  durchgebildet.  Abgesehen 
von  dem  gesteigerten  Ausdruck,  den  das  kunstreiche  Zusammen- 
wirken so  beschaffener  Stimmindividualitäten  dem  Tonstücke 
verlieh,  war  dies  noch  aus  technischen  Gründen  geboten:  wie 
bekannt,  spielt  die  Versetzung  der  Stimmen  in  der  polyphonen 
Schreibart  eine  sehr  wichtige  Rolle,  —  was  also  unter  Um- 
ständen die  distinguierteste  Stellung  einzunehmen  berufen  ist, 
muß  nach  allen  Seiten  höheren  Ansprüchen  zu  genügen  wissen. 

Dabei  darf  freilich  nicht  verschwiegen  werden,  daß  auch 
die  größte  Gewissenhaftigkeit  in  Erfüllung  dieser  Vorschriften 
allein  nicht  ausreicht,  künstlerischen  Erfolg  zu  erzielen: 
manches  Tonstück  sieht  recht  gut  aus,  klingt  aber  dennoch 
herzlich  schlecht.  Ist  nicht  das  Einzelne  wie  das  Ganze  von 
geisterfülltem  Leben  getragen,  so  dürfte  die  Vollendung  der 
Form  eher  verstimmend  als  wohltuend  berühren.  Worin  nun 
der  Kern  dieses  geisterfüllten  Lebens  bestehe,  gehört  zu  den 
geheimnisvollen  Fragen,  die  sich,  wie  alle  letzten  Gründe,  jeder 
Untersuchung  entziehen,  —  dergleichen  kann  eben  nur  gefühlt, 
nie  begriffen  werden.   — 

Niemand  wird  einen  Augenblick  darüber  zweifelhaft  sein, 
daß  die  Mehrzahl  der  Bach'schen  und  Hände l'schen  Kompo- 
sitionen auf  einer  Technik  wie  die,  deren  äußere  Signatur  ich 
zu  schildern  versuchte,  basiert  ist.  Dieselbe  waltet  aber  nicht 
allein  in  den  von  ihnen  wirklich  ausgeführten  Tonstücken, 
sondern  erstreckt  sich  ebenso  über  die  Stellen,  welche  dem 
Akkompagnement  überlassen  blieben.  Eine  derartige  Behand- 
lung verlangt  zunächst  die  Einheit  des  Stils,  dessen  reizbare 
Empfindlichkeit  störende  Unterbrechungen  am  allerwenigsten 
verträgt,  —  außerdem  die  ganze  Anlage  der  Skizzen.  Alles 
entfaltet  sich  hier  in  Intervallfortschritten,  die  von  melodischen 
und  harmonischen  Elementen  förmlich  überströmen,  —  schon 
aus  diesem   Grunde   ist    eine    stete  Rücksichtnahme    auf  Prinzi- 


-     69    - 

picn ,  die  vom  Wesen  der  Polyphonie  nun  einmal  nicht  zu 
trennen  sind,   unerliißlich. 

Daraus  erklärt  sich  denn  auch,  wie  der  Hinzutritt  homo-. 
phoner  Bildungen  jene  Ausdrucksformen  nur  unangemessen 
durchkreuzen  kann  und  höchstens  ausnahmsweise  am  rechten 
Orte  sein  wird. 

Wer  mit  der  Technik  der  strengen  Schreibart  einiger- 
maßen vertraut  ist,  erkennt  schon  aus  der  Führung  des  Grund- 
basses, von  welcher  Beschaftenheit  die  ergänzenden  Zutaten 
etwa  sein  müssen :  durchschnittlich  werden  sich  diese  Anzeigen 
selten  als  trügerisch  erweisen. 

Soviel  steht  jedoch  fest,  daß  man  mit  der  bloßen  Kennt- 
nis der  Regeln  des  Generalbasses ,  wie  sie  namentlich  von 
den  Kompendien  der  neueren  Harmonielehren  im  Orakelton 
der  Welt  verkündet  werden,  bei  der  Ausführung  des  ^Akkom- 
pagnements  älterer  Tonwerke  schwerlich  durchkommen  wird. 
Hier  hat  man  sich  den  Gebräuchen,  die  zu  ihrer  Entstehungs- 
zeit an  der  Tagesordnung  waren,  mcjglichst  anzuschließen,  um 
zu  erfreulicheren  Resultaten  gelangen  zu  können.  Diesen  Ge- 
bräuchen gemäß  erblickte  man  damals  in  den  Akkorden  weniger 
streng  voneinander  geschiedene,  auf  ^ch  selbst  bezogene  Kor- 
per, die  nach  bestimmten  Vorschriften  gegenseitig  in  X'erbin- 
dung  gebracht  worden  wären,  —  man  faßte  sie  vielmehr  als 
freies  Produkt  einer  kunstreichen  Stimmbewegung  auf:  indem 
die  melodisch  geführten  Kontrapunkte  sich  momentan  be- 
rührten, erzeugten  sie  harmonische  Reihen,  deren  schwebende 
Schönheit  einen  unaussprechlichen  Zauber  ausübte. 

Freilich  ist  die  Behandlung  einer  solchen  Setzart  mit  nianrher- 
lei  Schwierigkeiten  verknüpft;  wer  sich  diesen  nicht  gewachsen 
fühlt,  wird  die  alten  Kunstwerke  am  meisten  ehren,  wenn  er 
sie  mit  seinen  Bearbeitungen  unbehelligt  läßt.  So  wurde  z.  B. 
meine  Feder  sehr  vielen  Kompositionen  Bachs  gegenüber 
schon  längst  ZAir  Ruhe  verwiesen.  — 

Mozart  und    Mendelssohn*)  erkannten    nun    klar    gc- 


*)  Auf  die  Orgelstimme  zu  „Israel  in  Ägypten"  beziehe  ich  micli  liier 
nicht,  wohl  aber  auf  M  e  n  d  cl  ss  o  h  n's  l'.earbcitung  dieses  i  iratoriunis  liir 
Urchester. 


—     70    — 

nug,  welcher  Stil  bei  der  Ausführuno^  des  Akkompagnements 
hauptsächlich  in  Anwendung  zu  bringen  sei*);  ihrem  Vor- 
gange wird  man  unbedingt  folgen  dürfen,  nicht  darum,  weil 
sie  für  uns  Autoritäten  sein  müßten,  sondern  weil  die  Erfahrung 
lehrt,  wie  tief  sie  diesen  Dingen  auf  den  Grund  schauten. 
Namentlich  verlangen  B  a  c  h's  so  wunderbar  gezeichnete  Skizzen 
fast  immer  eine  polyphone  Führung  der  Stimmen,  die  seinem 
außerordentlichen  Kombinationsvermögen  ein  natürliches  Be- 
dürfnis gewesen  zu  sein  scheint;  aber  auch  Händel's  plasti- 
schere Formen  bedingen  sie,  obschon  mit  den  ihrem  Wesen 
angemessenen  Beschränkungen. 

Sollen  jedoch  dergleichen  Arbeiten  einige  Aussicht  auf  Er- 
folg haben,  ist  es  durchaus  notwendig,  daß  die  rekonstruierende 
Tätigkeit  auf  einer  wirklich  produktiven  Kraft,  wäre  sie  auch 
noch  so  eng  begrenzt,  ruhe;  außerdem  muß  sie  dem  Geiste, 
der  in  den  \'orlagen  herrscht,  gewissermaßen  verwandt  sein, 
weil  sonst  eine  bedenkliche  Zwiespältigkeit  des  Stils  kaum  aus- 
bleiben kann.  Unter  der  Voraussetzung  solcher  Qualitäten 
wird  aber  die  Bearbeitung  stets  eine  bestimmte  Physiognomie, 
das  notwendige  Ergebnis  jeder  individuellen  Auffassung,  an- 
nehmen. Je  nachdem  diese  ausfällt,  hat  jene,  die  Bearbeitung, 
ihre  gute  Berechtigung  oder  ist  als  eine  hinfällige  zu  be- 
zeichnen. Das  sogenannte  historische  Reproduzieren  dürfte  sich 
in  der  Kunst  nur  als  ein  leeres  Hirngespinnst  erweisen ,  dem 
eben  das  Beste  fehlt:  Fleisch  und  Blut. 

In  der  Mehrzahl  der  mir  bekannt  gewordenen  Bearbei- 
tungen—  von  den  Mo  zart 'sehen  und  M  e  n  del  ssohn'schen 
ist  hier  natürlich  nicht  die  Rede  —  vermißt  man  nun  eine  Be- 
gabung in  jenem  Sinne  recht  sehr:  darum  sind  sie  denn  auch 
meist  trocken  und  nüchtern ;  die  Verfasser  scheinen  sich  über- 
haupt wenig  Sorge  zu  machen,  ob  ihre  Zutaten  den  Stimmungen 


*)  Wem  fiele  hier  nicht  Mozart's  herrliche  Bearbeitung  der  Baßarie  aus 
dem  Messias:  ,,Das  Volk,  so  im  Dunkeln  wandelt",  ein?  Um  sich  den  Wert 
einer  Bearbeitung  zum  deutlichen  Bewußtsein  zu  bringen,  dürfte  es  geraten 
sein,  auf  dergleichen  Leistungen  gelegentlich  hinzuweisen,  selbst  auf  die  Gefahr 
hin,  sich  nicht  in  Übereinstimmung  mit  der  Meinung  des  berühmten  Verfassers 
von :  „über  Reinheit  der  Tonkunst"  zu  befinden. 


der  Vorlagen  kongruent  sind  oder  nicht.  Überall  sticht  die 
Ausfüllung  der  Lücken  unvorteilhaft  von  dem  übrigen  Satze 
ab:  während  dieser  in  blühendem  Leben  strahlt,  bietet  jene 
nur  eine  mechanische  Anhäufung  von  Akkorden ,  die  in  teil- 
nahmloser Tätigkeit  nebeneinander  stehen  und  weder  mit  Sing- 
stimme noch  mit  dem  Basse  in  geschmeidige  Verbindung  zu 
bringen  sind.  Mögen  auch  die  Bearbeiter  vom  besten  guten 
Willen  beseelt  gewesen  sein ,  durch  ihre  Ausführungen  den 
Originalen  zu  dienen,  —  der  gute  Wille,  selbst  wenn  er  von 
den  idealsten  Anschauungen  getragen  wäre,  kann  nun  und 
nimmermehr  für  Leistungen  ausreichen,  wie  sie  hier  verlangt 
werden  müssen. 

Bedenkt  man  endlich,  daß  Bach  und  Händel  stets  als 
Tondichter,  und  zwar  im  eminentesten  Sinne  des  Wortes,  auf- 
zufassen sind,  so  vermehren  sich  damit  die  Schwierigkeiten 
einer  Bearbeitung  jedenfalls  in  hohem  Grade.  Ihren  Werken 
wird  nur  gerecht  werden,  wer  ihnen  mit  der  bestimmten  Vor- 
aussetzung naht,  daß  sie  in  allen  Teilen  von  der  geheimnis- 
vollen Macht  eines  poetischen  Tonlebens  durchdrungen  sind. 
Beide  Meister  unter  anderen  Gesichtspunkten  begreifen  zu 
wollen,  würde  sicher  zu  der  Gefahn  führen,  sich  mehr  und 
mehr  von  ihren  wirklichen  Absichten  zu  entfernen. 


Diese  weit  ausgesponnenen  Mitteilungen  könnten  nun  bei 
Ihnen  leicht  den  Verdacht  erwecken ,  als  hege  ich  im  stillen 
den  vermessenen  Glauben,  der  Mann  zu  sein,  dessen  Leistungen 
den  obengestellten  Forderungen  auf  das  beste  entsprächen  und 
daß  nur  in  ihnen  wahres  Heil  zu  finden  sei.  Damit  würden 
Sie  mir  aber  entschieden  unrecht  tun.  Stärker  und  bestimmter 
kann  das  Gefühl  der  eigenen  Unzulänglichkeit  so  schwierigen 
Aufgaben  gegenüber  kaum  an  jemand  herangetreten  sein ,  als 
es  bei  mir  oft  genug  der  Fall  war.  Die  vielen  Irrtümer  — 
freilich  mußte  ich  sie  meist  selbst  an  mir  aufdecken,  ohne  dabei 
von  der  Kritik  unserer  Fachblätter  irgendwie  unterstützt  zu 
werden,  —  konnten  ebenfalls  nur  dazu  beitragen,  jenes  Gelühl 


wesentlich  zu  erhöhen.  So  hatte  ich  mich  bei  früheren  Be- 
arbeitungen für  Klavier,  wenn  ich  mir  durchaus  nicht  zu  raten 
und  zu  helfen  wußte,  durch  leichte  Abänderungen  an  den 
Originalen  versündigt,  —  später,  als  das  Orchester  mit  heran- 
gezogen wurde,  fand  ich  keine  Veranlassung  mehr,  bei  diesen 
fatalen  Auskunftsmitteln  einer  mangelhaften  Einsicht  zu  be- 
harren. Es  kostet  mir  nicht  die  geringste  Überwindung,  dies 
hier  in  aller  Freimütigkeit  zu  bekennen,  auch  hoft'e  ich  immer 
in  der  Lage  zu  sein,  reiferen  Erfahrungen  dadurch  die  Ehre  zu 
geben,  daß  ich  ihnen  das  Recht  einer  nachsichtslosen  Kritik, 
am  allermeisten  den  eigenen  Handlungen  gegenüber,  einräume: 
nur  auf  diese  Weise  kann  ja  der  Mensch  im  erträglichen  Gleich- 
gewicht mit  sich  selbst  bleiben.  —  Daß  ich  der  Mängel  aber 
allmählich  inne  wurde  und  sie  mit  der  Zeit  vermeiden  lernte, 
gab  mir  stets  von  neuem  den  Mut,  in  meinen  Arbeiten  unbeirrt 
fortzufahren,  —  jede  Korrektur,  die  ich  an  mir  selbst  vollzog, 
versprach  ja  den  Werken  zugute  zu  kommen,  für  welche  mir 
kein  Opfer  groß  und  schwer  genug  zu  sein  dünkte. 

Einer  ähnlichen  Stimmung  gab  ich  bereits  in  der  Vor- 
bemerkung der  von  mir  bearbeiteten  Bach 'sehen  Matthäus- 
passion Ausdruck;  erlauben  Sie,  mit  den  dort  gebrachten  Worten 
diesen  Brief  schließen  zu  dürfen : 

„Sonst  bin  ich  weit  entfernt  zu  glauben,  allen  Ansprüchen, 
die  von  ganz  verschiedenen  Standpunkten  aus  erhoben  werden, 
gleichmäßig  entsprochen  zu  haben,  hoft'e  aber  die  gebotene 
Lösung  des  gegebenen  Problems  nicht  unwesentlich  durch 
meine  Arbeit  gefördert  zu  sehen.  In  diesem  Sinne  werde  ich 
stets  bereit  sein,  ähnlichen  Versuchen,  denen  es  gelingt,  dem 
erstrebten  Ziele  noch  näher  zu  kommen,  meine  freudige  Zu- 
stimmung nicht  zu  versagen,  und  jeder  Kritik,  die  sich  in 
solch  positiver  \\'eise  zu  betätigen  weiß,  mich  willig  unter- 
zuordnen." 

Halle  a.  S.,  d.   i.  Juli   1871. 

Robert  Franz. 


Vorbemerkung 

zu  L'Allegro,  il  Pensieroso  ed  il  Moderato.     Ora- 
torische  Komposition  von  Georg  Friedrich  Händel 

mit  ausgeführtem  Akkompagnement 

bearbeitet  von  R.  F.      Klavierauszug.  *) 

Über  die  Grundsätze,  welche  mich  bei  der  Bearbeitung 
des  „Allegro"  leiteten,  habe  ich  mich  teils  in  den  Vorbe- 
merkungen zu  Bach 's  Magnirikat*^^')  und  der  Matthäuspassion***), 
teils  in  einer  vor  kurzem  veröffentlichten  Broschüre:  „Über  Be- 
arbeitungen älterer  Tonwerke"  f)  bereits  eingehender  aus- 
gesprochen, —  ich  verweise  hiermit /auf  diese  Mitteilungen. 
Nur  einige  Punkte,  die  vielleicht  zu  Mißverständnissen  Anlaß 
geben  könnten,  erlaube  ich  mir  nachfolgend  zu  erörtern. 

Um  den  Aufwand  eines  Flügels  zu  vermeiden,  wurde  die 
Begleitung  der  wenigen  Sekko-Rezitative  dem  Streichquartett 
zuerteilt.  Die  etwa  wünschenswerte  Rückübertragung  des  Ton- 
satzes auf  das  Klavier  ist  leicht  herzustellen.  —  In  Nr.  42  und  44 
hat  nach  meiner  Einrichtung  die  Orgel  mitzuwirken.  Sie  tritt 
aber  nur  als  Verstärkungsmittel  auf  und  kann,  weil  außerdem 
für  die  Vollständigkeit  der  Harmonie  gesorgt  ist,  nötigenfalls 
wegbleiben. 

Zur  Beseitigung  einer  querständigen  Lücke  habe  ich,  der 
Vorschrift   des    Originals   entgegen,    einen    Takt    beim    ti^intritt 


*)  Verlag  von  F.  E.  C.  Leuckart  in  Lcijizig. 
**)  Siehe  oben  S.  2S. 
♦**)  Siehe  oben  S.  33. 
t)  Siehe  oben  S.  45. 


—     74     — 

des  Da  Capo  in  Nr.  32  gestrichen.  Wer  hieran  Anstoß  nehmen 
sollte,  mag  sich  der  ursprünglichen  Lesart  bedienen.  —  Nach 
Chrysander's  Angabe  ist  das  zwischen  Nr.  43  und  44 
stehende  Sopransolo  von  Händel  bei  den  Aufführungen  des 
Allegro  seit  1741  ausgelassen  worden;  die  etwa  zu  streichenden 
Takte  findet  man  S.  177  u.  178  durch  Sternchen  bezeichnet.  — 
Händel 's  Forderung  einer  Orgelimprovisation  vor  der  Sopran- 
arie Nr.  43:  „Organo  ad  libitum  il  sogetto  della  Fuga.seguente" 
wagte  ich  unter  Benutzung  der  geeignet  erscheinenden  Orchester- 
kräfte auf  die  Arie  selbst  zu  übertragen.  Das  Fugenthema  des 
folgenden  Chors  ließ  sich  mit  gewissen  Modifikationen  zwang- 
los in  den  Tonsatz  jener  Nummer  einlegen  und  macht  hier 
eine  Wirkung,  die  den  Intentionen  des  Autors  vielleicht  nicht 
ganz  widerspricht.  — 

Wer  sich  über  die  vorliegende  oratorische  Komposition 
näheren  Aufschluß  verschaffen  will,  den  verweise  ich  auf  die 
treffliche  Analyse,  Avelche  Chrysander  in  der  ersten  Hälfte 
des  dritten  Teils  der  Biographie  H  ä  n  d  e  T  s  von  derselben 
gibt;  die  wahre  Bedeutung  des  Werkes  findet  hier  den  be- 
redtesten Ausdruck. 

Sollten  bei  Aufführungen  etwa  Kürzungen  notwendig 
werden,  so  erlaube  ich  mir,  ohne  damit  dem  Urteile  anderer 
.vorgreifen  zu  wollen,  zu  diesem  Behufe  Nr.  21,  24  und  25  im 
ersten  Teil,  Nr,  30,  33,  36  und  38  im  zweiten  Teil,  und  end- 
lich Nr.  49,   50  und   5 1  im  dritten  Teile  vorzuschlagen. 

In  betreff  der  Stimmbesetzung  wird  hauptsächlich  für 
einen  guten  Koloratur-Sopran  Sorge  zu  tragen  sein;  die  Be- 
setzung der  übrigen  Partien  bietet  keine  Schwierigkeiten.  End- 
lich sind  die  Chöre  derart  gehalten,  daß  auch  der  Zahl  nach 
schwächere  Kräfte  eine  volle  Wirkung  zu  erzielen  vermögen. 

Aus  den  zuletzt  angeführten  Gründen  eignet  sich  aber  das 
Werk  ganz  besonders  zu  Aufführungen  im  Konzertsaale;  möge 
es  den  Direktionen  hiermit  bestens  empfohlen  sein. 

Halle,  den   i.  September   1871. 

Robert  Franz. 


XI. 

Vorbemerkung 

zu  „Sie  werden  aus  Saba  alle  kommen",  Kantate 
von  Johann  Sebastian  Bach 

bearbeitet  von  R.  F.     Partitur.*) 

Obschon  die  nachfolgende  Partitur  der  Kantaic  „Sie  werden 
aus  Saba  alle  kommen"  im  wesentlichen  nach  denselben  Grund- 
sätzen ausgeführt  worden  ist,  die  ich  in  der  Vorbemerkung 
zum  Bach  sehen  Magrificat**)  bereits  entwickelt  habe  und  auf 
die  ich  daher  einfach  verweisen  könnte,  so  mußte  doch  in  der 
vorliegenden  Arbeit  in  einigen  Punkten  von  den  Einrichtungen 
der  Original-Partitur  abgewichen  werben,  über  die  ich  mich 
hiermit  erklären  will. 

Zunächst  war  von  den  beiden  Oboe  da  caccia  abzusehen 
weil  diese  Instrumente  jetzt  außer  Gebrauch  gekommen  sind. 
Statt  ihrer  habe  ich  zwei  englische  Hörner  eingeführt,  die  sich 
der  Klangfarbe  wegen  am  meisten  empfehlen  dürften.  Da  sie 
aber  leider  nicht  überall  zur  Verfügung  stehen,  so  wird  man 
sich  in  solchen  Fällen  schon  notgedrungen  zu  Klarinetten  be- 
quemen müssen.  Diese  wurden  selbstverständlich  in  die  Partitur 
nicht  mit  aufgenommen ,  man  fmdet  sie  aber  den-  Orchester- 
stimmen beigelegt.  Die  übrigen  Instrumente  der  Original- 
partitur konn*-cn  unverändert  beibehalten  werden.  —  Als  Er- 
gänzungsmittel für  das  Akkompagnement  dienten  mir  in  den 
Chorsätzen  und  in  der  Tenorarie  zwei  Oboen   und  zwei  l-'agotte, 


*)  Verlag  von  F.  E.  C.   I.euckart  in  Lci])zig. 
**)  Siebe  oben  S.  28. 


-    76    - 

in  den  Rezitativen  und  in  der  Baßarie  dagegen  das  Streich- 
quartett Bei  Aufführungen,  wo  eine  Orgel  vorhanden  ist, 
wird  deren  Mitwirkung  für  die  entscheidenden  Stellen  sehr 
wünschenswert  sein ;  meine  Partitur  gibt  über  dieselben  den 
nötigen  Aufschluß. 

Daneben  habe  ich  aber  noch  eine  durchgehende  Orgel- 
stimme gesetzt,  welche  als  selbständiges  Material  den  Orchester- 
stimmen beigegeben  wird.  Mit  derselben  greife  ich  auf  die 
Einrichtung  zurück,  die  mir  schon  für  das  Bach 'sehe  Magni- 
fikat  maßgebend  war.  Wer  sich  ihrer  bedient,  hat  natür- 
lich von  dem  neu  hinzugebrachten  orchestralen 
Satze  keinen  Gebrauch  zu  machen.  Die  Bezeichnung 
„durchgehend"  findet  jedoch  auf  einige  Stellen  im  ersten  Chore 
und  in  der  Tenorarie  „Ximm  mich  Dir  zu  eigen  hin"  keine 
Anwendung;  —  was  namentlich  die  letztere  betriftt,  konnte 
ich  mich  mit  dem  besten  Willen  nicht  dazu  entschließen,  den 
sonnenklaren  Tonsatz  Bachs,  wo  er  in  der  Harmonie  voll- 
ständig ausgeführt  ist,  mit  der  Orgel  zu  belasten.  Wer  daran 
Anstoß  nehmen  sollte,  wird  sich  durch  eine  einfache  Über- 
tragung der  Originalstimmen  auf  die  Orgel  leicht  helfen  können. 

Noch  merke  ich  einige  Punkte  an,  wo  ich  mir  Ab- 
weichungen vom  Original  erlaubte;  wer  mit  denselben  jedoch 
nicht  einverstanden  ist,  kann  sich  die  ursprüngliche  Fassung 
unschwer  wiederherstellen.  Seite  24,  System  2,  Takt  2  anti- 
zipierte ich  den  Vorschlag  der  zweiten  Oboe  da  caccia  in 
einem  Zweiunddreißigteil  und  Seite  40,  Takt  3  wurde  das  quer- 
ständige G  der  zweiten  Oboe  da  caccia  und  der  Viola  be- 
seitigt, sowie  in  beiden  Instrumenten  das  punktierte  2,  Achtel 
in  ein  einfaches  verwandelt.  Ferner  verdoppelte  ich  die  drei 
oberen  Stimmen  des  Schlußchorals  durch  Streichinstrumente 
und  änderte  endlich  ein  Wort  im  Texte  der  Baßarie,  wo  meine 
Version  also  lautet:  „Gold  aus  Ophir  ist  zu  schlecht". 

Schließlich  muß  ich  auch  hier  nochmals  erklären,  „daß 
mein  Streben  lediglich  darauf  gerichtet  war,  die  mancherlei 
Schwierigkeiten,  welche  einer  Aufführung  Bach  "scher  Kantaten 
entgegenstehen,  nach  Kräften  aus  dem  Wege  zu  räumen.  Man 
mag  in  aller  Freiheit  von  diesen  meinen  Vorschlägen  Gebrauch 


machen  und  sie  vor  allem  nach  der  Originalpartitur,  welche 
durch  die  \'orliegende  nicht  ersetzt  werden  soll, 
immer  neuen  Prüfungen  unterwerfen.  Ahnliche  Arbeiten  an- 
zuregen und  so  eine  gleichmäßige  Tradition  für  die  Wieder- 
belebung Bach 'scher  Werke  anzubahnen  ist  einer  der  Ilaupt- 
gesichtspunkte,  die  mich  zur  Herausgabe  der  Kantate  „Sie 
werden  aus  Saba  alle  kommen"  in  dieser  Gestalt  bestimmt 
haben. 

Halle,  den  29.  November   1876. 

Robert  Franz. 


XII. 

Vorbemerkung 

zu  „Ach  wie  flüchtig,  ach  wie  nichtig",  Kantate 
von  Johann  Sebastian  Bach 

bearbeitet  von  R.  F.     Partitur.*) 

Die  Form  der  vorliegenden  Bearbeitung  der  Kantate  „Ach 
wie  flüchtig,  ach  wie  nichtig"  machte  in  einigen  Punkten  Ab- 
weichungen von  dem  Original  nötig,  über  die  ich  mir  in  Nach- 
folgendem Aufschluß  zu  geben  erlaube. 

Zur  Verstärkung  der  Choralmelodie  schreibt  Bach's  Par- 
titur in  Xr.  I  und  Xr.  6  „Corno  col  Soprano"  vor.  Da  der 
Meister  allem  Anschein  nach  hier  die  Tonhöhe  der  Sing- 
stimme beabsichtigte  und  diese  von  den  jetzt  gebräuchlichen 
Hörnern  zum  Teil  nur  mit  großer  Anstrengung,  zum  Teil  gar 
nicht  erreicht  werden  kann,  so  führte  ich  statt  des  Hernes  eine 
Trompete  ein,  wobei  ich  eine  weiche  Behandlung  des  sub- 
stituierten Instrumentes  als  selbstverständlich  voraussetze. 

Um  die  dem  Sänger  und  Flötenspieler  bei  der  Tenorarie 
gestellte  sehr  anstrengende  Aufgabe  einigermaßen  zu  er- 
leichtern, zog  ich  die  vom  Autor  geforderte  Repetition  des 
ersten  Teils  zusammen  und  legte  einen  kurzen  Übergang  als 
Verbindungsglied  ein.  —  Wer  mit  obigen  Abänderungen  nicht 
einverstanden  ist,  wird  die  ursprünglichen  Formen  leicht  wieder 
herstellen  können. 

Endlich  sei  noch  bemerkt,    daß    ich    auch    für    diese    Kan- 


*)  Verlag  von  F.  E.  C.  Leuckart  in  Leipzig. 


—     79     — 

täte  eine  durchgehende  Orgelstimme  schrieb,  die  man 
als  selbständiges  Material  den  Orchesterstimmen  beigegeben 
finden  wird.  Bei  Benutzung  derselben  kommt  natürlich  der 
neu  hinzugebrachte  orchestrale  Satz,  welcher  überall  durch  den 
Buchstaben  F.  markiert  worden  ist,  in  Wegfall. 

Halle,  den  24.  April   1877. 

Robert  Franz. 


XIII. 

Vorbemerkung 

zur    Anthologie    aus    Opern    und    Oratorien    von 
Georg  Friedrich  Händel  für  eine  Singstimme 

mit  Begleitung  des  Pianoforte 
bearbeitet  von  R.  F.*) 

In  betrefi'  der  Grundsätze,  die  mich  bei  der  Ausführung 
des  Akkompagnements  der  vorHegenden  Anthologie  leiteten, 
erlaube  ich  mir  das  Wesentliche  meiner  Vorbemerkung  der  im 
Jahre  1869  erschienenen  „36  Arien  und  Duette  von  G.  F.  Händel" 
hier  zu  wiederholen  und  außerdem  noch  eine  Bemerkung  hinzu- 
zufügen,   die   mein    „oft'ener  Brief  an  Ed.  Hanslick"   enthält. 

Nachdem  die  Vorbemerkung  der  Differenzen  über  die 
Methode,  welcher  die  rekonstruierende  Tätigkeit  zu  folgen  habe, 
gedacht  hat,  fährt  sie  fort:  „Diesen  Diskussionen  gegenüber  ist 
hier  auszusprechen  .  .  .  um  diesen  Kompositionen  eine  ihrem 
Gehalte  entsprechende  Tonfülle  zu  geben."    Siehe  oben  S.  42 — 44. 

Seitdem  sind  diese  Grundsätze  oft  genug  verdächtigt 
worden,  —  aber  in  keiner  Weise  wiederlegte  man  sie  mit  stich- 
haltigen Gründen !  — 

Der  „oß'ene  Brief"  endlich  bringt  folgenden  Passus:  „Sollen 
dergleichen  Arbeiten  einige  Aussicht  auf  Erfolg  haben,  .  .  .  dem 
eben  das  Beste  fehlt:  Fleisch  und  Blut"    Siehe  oben  S.  70. 

Diese  Ansicht  hat  nun  in  einer  Reihe  von  Arbeiten,  die 
man  auf  Grund  der  Lehren  unserer  historischen  Schule  veröft'ent- 
lichte,  volle  Bestätigung  gefunden.     Bereits  beleuchtete  Julius 


*)  Mit  Erlaubnis  der  Verlagsfirma  Fr.  Kistner  in  Leipzig. 


—     8i     — 

Seh  äff  er  einen  Teil  solcher  Leistungen  in  den  Broschüren: 
„Fr.  Chrjsander  in  seinen  Klavierauszügen  zur  deutschen 
Händel -Ausgabe"  und:  Seb.  Bach 's  Kantate:  „Sic  werden 
aus  Saba  alle  kommen"  (Leipzig,  bei  F.  E.  C.  Leuckart);  im  wohl- 
verstandenen Interesse  der  Bach 'sehen  und  Händel'schen 
Tonwerke  ist  aber  sehr  zu  wünschen,  daß  sich  beiden  Schriften 
noch  weitere  der  Art  anschließen  mögen.  An  neuem  und 
reichem  Stoffe  dazu  fehlt  es  leider  nicht. 

Die  vortreft'liehen  Übertragungen  der  englischen  und  italie- 
nischen Texte  ins  Deutsche  verdankt  die  Anthologie  der  ge- 
wandten Feder  W.  O  s  t  e  r  w  a  1  d  's. 

Halle,   den  2S.  Februar  iSSo. 

Robert  Franz. 


R.  Fran7,  Oesammelte  Schriften. 


XIV. 

Vorbemerkung 

zu  Johann  Sebastian  Bach  Sonate  aus  dem 
musikalischen  Opfer 

für  Flöte,  Violine  und  bezift'erten  Baß 

bearbeitet  von  R.  F.  *) 

Bei  seinem  Aufenthalte  in  Potsdam  bat  sich  S  e  b.  Bach 
von  Friedrich  dem  Großen  ein  Thema  zur  Improvisation  aus, 
das  er,  nach  Leipzig  zurückgekehrt,  einer  Reihe  kunstvoller 
Formen  zugrunde  legte  und  diese  dem  König  unter  dem  Titel 
„Musikalisches  Opfer"  widmete.  Die  Widmung,  jenen  Vorgang 
bestätigend,  beginnt  mit  den  Worten:  „Ew.  Majestät  weihe 
hiermit  in  tiefster  Unterthänigkeit  ein  Musikalisches  Opfer, 
dessen  edelster  Theil  von  Deroselben  hoher  Hand  selbst  her- 
rühret. Mit  einem  ehrfurchtsvollen  Vergnügen  erinnere  ich  mich 
annoch  der  ganz  besonderen  Königlichen  Gnade,  da  vor 
einiger  Zeit,  bei  meiner  Anwesenheit  in  Potsdam,  Ew.  Majestät 
selbst  ein  Thema  zu  einer  Fuge  auf  dem  Ciavier  mir  vor- 
zuspielen geruhten,  und  zugleich  allergnädigst  auferlegten, 
solches  alsobald  in  Deroselben  höchster  Gegenwart  auszuführen. 
Ew.  Majestät  Befehl  zu  gehorsamen,  war  meine  unterthänigste 
Schuldigkeit.  Ich  bemerkte  aber  gar  bald,  daß,  wegen  Mangels 
nöthiger  Vorbereitung,  die  Ausführung  nicht  also  gerathen 
wollte,  als  es  ein  so  treft'liches  Thema  erforderte.  Ich  fassete 
demnach  den  Entschluß,  und  machte  mich  sogleich  anheischig. 


*)  Mit  Erlaubnis  der  Verlagsfirma  Breitkopf  u.  Härtel  in  Leipzig. 


—     Si     — 

dieses    recht    Königliche    Thema    vollkommener    auszuarbeiten, 
und  sodann  der  Welt  bekannt  zu  machen.' 

Diesem  allgemeinen  Urteile  Seb.  Bach 's  über  die  Schön- 
heit des  Thema  Regium  erlaube  ich  mir  noch  die  Bemerkung 
hinzuzufügen,  daß  es  einen  seltenen  Reichtum  an  harmonischen 
Elementen  in  sich  birgt.  Es  spaltet  sich  nämlich  in  zwei 
Gruppen,  deren  erste  dem  diatonischen,  die  zweite  dem  chro- 
matischen Tongeschlecht  angehört,  —  eine  Form,  tue  steten 
Anlaß  zu  den  herrlichsten  Gegensätzen  bietet. 

Den  Glanzpunkt  des  „Musikalischen  Opfers"  bildet  nun 
oftenbar  die  nachfolgende  Sonate,  als  Trio  für  Flöte,  Violine 
und  Continuo  gesetzt.  Letzterer  enthält  eine  reiche  Hezift'erung, 
die  über  den  harmonischen  Kern  des  Akkompagnements  ge- 
nauesten Aufschluß  gibt.  Der  zweite  Satz  bringt  das  Thema 
Regium  in  ganzer  Breite  und  der  letzte  Satz  in  melodischer 
Umbildung.  Das  Largo  und  Andante  deuten  es  nur  leise  an: 
sie  sind  gleichsam  als  Vorspiele  zu  den  bewegten  Nummern 
zu  betrachten.  — 

So  unvergleichlich  schön  die  Sonate  nun  auch  ist,  wird 
doch  niemand  behaupten  wollen,  daß  sie  bei  dem  musikalischen 
Publikum  eine  ihrer  Bedeutung  entsprechende  Beachtung  ge- 
funden habe  —  trotz  des  Kirnber^g er  sehen  Akkompagne- 
ments. Vielleicht  trägt  aber  gerade  dieses  die  meiste  Schuld 
daran.  Dr.  Erich  Prieger  in  Berlin  machte  mich  zuerst 
mit  ihm  bekannt,  auf  die  Wertlosigkeit  der  Arbeit  hinweisend. 

Es  liegt  nicht  in  meiner  Absicht,  hier  eine  detailierte 
Kritik  des  Kirn  berger 'sehen  Akkompagnements  zu  unter- 
nehmen; doch  kann  ich  nicht  unbemerkt  lassen,  daß  es  den 
Tonsatz  Seb.  Bach's  total  verschüttet,  indem  es  die  obligaten 
Stimmen  unaufhörlich  mit  Klängen  bedeckt,  die  denselben  ent- 
weder direkt  ins  Gesicht  schlagen  oder  gleichgültig  als  leb- 
loses Getön  auf  ihnen  lasten.  Auch  mangelt  es  keineswegs  an 
falschen  Akkorden  und  Schulfehlern. 

Um  diesen  Übelständen  einigermaßen  abzuhelfen,  hielt  ich 
eine  neue  Ausarbeitung  des  Akkompagnements  für  geboten, 
die  hiermit  den  Kunstfreunden  übergeben  wird.  \'on  ihm  hat 
ebenfalls    die    Schlußbemerkung    der  Vorrede    meiner  Ausgabe 

6- 


-     84     — 

der  Matthäus -Passion  volle  Geltung:  daß  ich  stets  bereit 
sein  werde,  ähnlichen  Versuchen,  denen  es  gelingt,  dem  er- 
strebten Ziele  noch  näher  zu  kommen,  meine  freudige  Zu- 
stimmung nicht  zu  v^ersagen,  und  jeder  Kritik,  die  sich  in 
solch  positiver  Weise  zu  betätigen  weiß,  mich  willig 
unterzuordnen.  — 

Schließlich  erwähne  ich  noch,  daß  die  Wiederholung  des 
ersten  Teils  der  zweiten  Nummer  von  mir  zusammengezogen 
wurde.  Wer  das  Bedürfnis  einer  Repetition  in  kompletter 
Ausdehnung  hat,  findet  an  den  betreftenden  Stellen  das  Dal 
Segno-  und  Fine-Zeichen  angegeben. 

Halle  a./S.  (1883). 

Robert  Franz. 


i 


XV. 

Vorbemerkung 
zu  ,,Der  Messias",   Oratorium  von  G.  F.  Händel. 

Unter  Zugrundelegung  der  Mozart'schen   Partitur 
mit  den   nötigen  Ergänzungen 
herausgegeben  von  R.  F.     Partitur.  *) 

Die  zu  Anfang  die.ses  Jahrhunderts  im  Verlag  von  Breit- 
kopf und  Härtel  erschienene  Partitur  des  Messias  führt  den 
Titel:  „G.  F.  Händel's  Oratorium  der  Messias  nach  W.  A.  Mo- 
zart's  Bearbeitung".  Schon  das  Wort  „nach"  läßt  die  Inter- 
pretation zu,  daß  es  sich  hier  um  keine  Arbeit  handelt,  für  die 
Mozart  ausschließlich,  wie  es  Icide^r  oft  genug  geschehen  ist 
und  noch  geschieht,  verantwortlich  gemacht  werden  darf. 
Diesem  Übelstande  wäre  sofort  Abhilfe  geschafft  worden,  wenn 
der  mit  der  Redaktion  des  Werkes  Betraute  über  Mozarts 
Anteil  und  den  einer  fremden  Hand,  deren  PLinwirkung,  wie 
wir  demnächst  sehen  werden,  gar  keinem  Zweifel  unterworfen 
ist,  bestimmten  Aufschluß  gegeben  hätte. 

Es  ist  nun  E.  V.  Baum  gart's  nicht  hoch  genug  anzu- 
schlagendes Verdienst,  die  Tatsache  der  Adam  Hiller'schen 
Autorschaft  für  die  Bearbeitung  der  Arie  im  dritten  Teil  des 
Messias:  „Ist  Gott  für  uns"  entdeckt  und  nachgewiesen  zu 
haben.  Seia  Artikel:  „Ein  Falsum  in  Mozart's  Messias-Parti- 
tur" erschien  1862  in  der  „Niederrheinischen  Musikzeitung"  und 
zeigte,  daß  die  Sopran-.Axie  „Ist  Gott  für  uns",  also  die 
Nummer,  welche  mit  Recht  bei  der  Kritik  den  meisten  Anstoß 


*)  Mit  Genehmigung  der  Vcrhigsfirma   Kr.   Kistner  in  Leijj/ig. 


—     86    — 

erregte,  Note  für  Xote  dem  Manuskripte  des  von  Adam  Hill  er 
bearbeiteten  Messias  entnommen  ist.  Den  weiter  daran  ge- 
knüpften Vermutungen  wird  jeder  Unbefangene  nur  beipflichten 
können. 

Seitdem  hat  Julius  Seh  äffe  r  in  Breslau  zu  verschiedenen 
Malen,  am  ausführlichsten  in  dem  „Musikalischen  Wochenblatt, 
XII.  Jahrgang,  Nr.  43  und  44"  diese  Angelegenheit  zur  Sprache 
gebracht,  ohne  daß  jedoch  die  übrigen  Fachblätter  irgend- 
welche Notiz  davon  genommen  hätten ,  ein  Verhalten ,  mit 
welchem  dem  Märchen  von  der  „Versündigung  Mozart's  an 
der  Messias-Partitur"  leider  von  neuem  Vorschub  geleistet 
wurde. 

Die  Nachweise  Baum  gart's  und  Schäffer's  kann  ich 
nur  bestätigen,  weil  mir  in  Halle  ebenfalls  ein  Exemplar  der 
Hiller'schen  Partitur  zur  Verfügung  steht:  —  sie  enthält  in 
der  Tat  unglaubliche  Dinge! 

Aber  nicht  allein  aus  der  Arie  „Ist  Gott  für  uns",  sondern 
auch  aus  anderen  Einzelheiten,  die  im  Verlaufe  der  Chöre  und 
Arien  erscheinen,  geht  mit  Sicherheit  hervor,  daß  Adam 
HiUer's  Bearbeitung  bei  der  Herausgabe  der  Mozart'schen 
Partitur  benutzt  wurde.  Diese  Einzelheiten  haben  desgleichen 
Anlaß  zu  abfälligen  Urteilen  gegeben,  denn  sie  bestehen  in 
rücksichtslosen  Umgestaltungen  der  Händel'schen  Original- 
stimmen, welche  doch  unter  jeder  Bedingung  intakt  bleiben 
mußten. 

Außer  diesen,  das  Original  schädigenden  Ubelständen  zeigt 
die  Mozart'sche  Partitur  eine  große  Menge  in  der  Harmonie 
unausgeführt  gebliebener  Stellen,  die  der  Meister  ohne  Zweifel 
für  das  hinzutretende  Akkompagnement  offen  ließ,  wie  es  eben- 
falls in  seinen  Bearbeitungen  des  Alexanderfestes,  der  Cäcilien- 
Ode  und  des  Pastorale  Acis  und  Galatea  geschehen  ist.  Daß 
diese  leeren  Stellen  —  sie  finden  sich  zumeist  in  den  Arien, 
doch  sind  auch  einige  Chöre  davon  nicht  frei  geblieben  —  in 
der  Harmonie  ergänzt  werden  müssen,  steht  fest  und  wird  auch 
jetzt  ^allerseits  zugegeben. 

Als  ein  weiteres  Bedenken  gegen  die  Mozart'sche  Parti- 
tur stellt  sich  die  Unterlage  des  deutschen  Textes  heraus.    Bei 


-     8;     - 

derselben  hat  man  sich  augenscheinhch  viel  zu  ängstlich  an  die 
\\'orte  der  Bibelübersetzung  Luthers  gehalten  und  ihnen  zu 
Liebe  Handels  energische  Deklamation  oft  gewaltsam  abge- 
ändert; es  sei  hier  nur  an  den  Anfang  des  Chores:  „Sureh*  he 
hath  borne  cur  griefs"  erinnert.  Die  Übersetzung  mit  den 
Worten :  „Fürwahr,  fürwahr ,  er  trug  unsere  Schuld",  welche 
eine  völlige  Umänderung  des  Hände l'schen  Tonsatzes  not- 
wendig machte,  findet  sich  auch  schon  in  der  Partitur  Adam 
Hiller's.  Die  Kritik  hat  mit  Recht  gegen  derartige  Ab- 
weichungen Protest  eingelegt  und  ist  daraufhin  in  den  meisten 
der  neueren  Klavierauszüge  der  Anfang  jenes  Chores  mit  dem 
Tonsatze  des  Originals  in  Übereinstimmung   gebracht   worden. 

Endlich  fehlen  in  Mozart's  Bearbeitung  die  beiden  auf 
die  Himmelfahrt  Christi  bezüglichen  Nummern,  von  denen  die 
Baßarie:  „Du  führest  in  die  Höh"  zu  den  herrlichsten  Stücken 
der  Partitur  gehört.  Die  der  biblischen  Überlieferung  gegen- 
über fühlbare  Lücke  ist  im  Originale  vermieden. 

Im  Hinblick  auf  solche  Mißstände  lag  es  schon  längst  in 
meinem  Wunsche,  nach  Kräften  zu  deren  Beseitigung  beitragen 
zu  können.  Stets  hielt  mich  jedoch  davon  die  leichtbegreif- 
liche Scheu  ab,  Hand  an  ein  Werk  /zu  legen ,  das  sich  trotz 
alledem  der  lebhaftesten  Sympathien  des  musikalischen  Publi- 
kums nicht  nur  in  Deutschland,  sondern  auch  in  England  und 
Amerika  seit  fast  einem  Jahrhunderte  erfreute.  Nur  die  histo- 
rische Schule,  als  deren  Vertreter  ich  hier  namentlich  Thibaut 
und  Chrysander  anführen  will,  stimmte  nicht  in  den  allgemeinen 
Beifall  ein.  Ihre  heftigen  Angrifte  auf  Mozart  forderten  dazu 
heraus,  ja  machten  es  schlechterdings  zur  Pflicht,  des  Meisters 
Namen  hinsichtlich  der  Bearbeitungsfragc  von  Vorwürfen  zu 
reinigen,  die  bei  kritischer  Würdigung  des  Sachverhalts  gar 
nicht  erholten  werden  durften.  So  entschloß  ich  mich  denn, 
meine  Zurü  khaitung  aufzugeben.  Zunächst  war  ich  bemüht, 
das  auszuscheiden,  was  Mozart  unmöglich  gesetzt  halben 
konnte,  mußte  hierbei  aber,  da  die  handschriftliche  Partitur 
Mozarts  spurlos  verschwunden  ist,  lediglich  dem  eigenen  Ur- 
teile über  das  zu  Beseitigende  oder  Abzuändernde  folgen.  Ich 
erkläre  ausdrücklich,  die    volle  Verantwortlichkeit   (immer    mit 


—     88     — 

Ausnahme  der  Arie:  „Ist  Gott  für  uns",  wo  ja  die  Tatsache 
des  Eingreifens  einer  fremden  Hand  unzweifelhaft  feststeht) 
dafür  zu  übernehmen.  Die  infolge  solcher  Ausscheidungen 
und  Abänderungen  entstehenden  Lücken  ergänzte  ich  im  engsten 
Anschluß  an  die  Stilformen  Händel's,  behielt  jedoch  im 
übrigen  jede  Note  gewissenhaft  bei,  die  den  Stempel  des 
M  o  z  a  r  t'schen  Genius  an  sich  trug.  Insonderheit  blieben  die 
bis  ins  kleinste  Detail  fertig  gestellten  Nummern,  in  denen  wir 
ja  Leistungen  besitzen,  welche  hinsichtUch  des  Tonsatzes  für 
die  Ausführungen  des  Akkompagnements  geradezu  mustergültig 
sind,  unversehrt  bestehen.  Sie  sind  es  nicht  allein  wegen  ihrer 
genialen  B'assung,  sondern  namentlich  auch  darum,  weil  zu  der 
Zeit,  in  der  sie  entstanden,  die  Traditionen  des  Akkompagne- 
ments in  der  Praxis  noch  lebendig  waren:  —  Mozart  wird  mit- 
hin vollkommen  darüber  im  Klaren  gewesen  sein,  was  man  sich 
überhaupt  auf  diesem  Gebiete  erlauben  durfte  und  was  nicht.  — 

Hinsichtlich  jener  in  der  Harmonie  unausgeführt  gebliebenen 
Stellen  ist  nur  zu  bemerken,  daß  sie  sowohl  in  den  Chören  als 
auch  in  den  Arien  von  mir  sorgfältig  im  Tonsatze  für  die 
Orchesterinstrumente  ausgearbeitet  wurden.  Wo  es  anging,  be- 
nutzte ich  dazu  das  von  Mozart  angewandte  Tonmaterial,  um 
auf  diese  Weise  einen  möglichst  einheitlichen  Verlauf  zu  sichern. 
—  Den  neu  hinzutretenden  Satz  markiert  die  vorliegende  Aus- 
gabe durch  das  Zeichen  (F.),  den  Mozarfs  durch  das  Zeichen 
(M. )  und  den  des  Originals  durch  das  Zeichen  (H.) ;  wo  endlich 
meine  Ausführung  in  den  von  Mozart  benutzten  Instrumenten 
sich  fortsetzt,  steht  das  Zeichen  (M.  F.). 

Ferner  wurde  dem  Vokalsatze  dieser  Ausgabe  neben  der 
deutschen  Übersetzung  noch  der  englische  Text  untergelegt. 
Wo  beide  Sprachen  in  der  Silbenzahl  voneinander  abweichen, 
gelten  die  kleinen  Noten  den  englischen  Worten,  die  großen 
den  deutschen ;  übrigens  bin  ich  nach  Kräften  bemüht  gewesen, 
hierin  eine  einheitliche  Form  herzustellen,  besonders  so  charak- 
teristischen Zügen  gegenüber  wie:  ,,flohn  wir  zerstreut"  in  dem 
Chore  „Der  Herde  gleich".  Hin  und  wieder  hat  mir  dabei  die 
Übersetzung  des  Messias  von  Herder  gute  Dienste  geleistet. 
Daß  der  Text   der  Mozart' sehen    Partitur  Händel's  Akzente 


-     89     - 

häufig  unberücksichtigt  läßt,  ist  eine  Tatsache,  der  Abhilfe 
geschatitt  werden  mußte,  wenn  das  Original  in  möglichster 
Reinheit  und  ve^lhvirkend  dastehen  soll.  Überall  ließ  sich 
Gleichmäßigkeit  in  der  Deklamation  für  beide  Sprachen  leider 
nicht  erzielen. 

Die  zwei  in  Mozarts  Partitur  fehlenden  Xunimern,  also 
der  Chor  „Lobsingt  dem  ewgen  Sohn"  und  die  Baßarie  ,,Du 
führest  in  die  Höh"  sind  von  mir  an  der  rechten  Stelle  ein- 
gefügt worden.  — 

Es  erübrigt  noch,  wegen  einiger  Punkte,  die  vielleicht  An- 
laß   zu  Mißverständnissen   bieten  konnten,    Auskunft  zu  geben. 

In  den  Chören  „Er  wird  sie  reinigen",  „Denn  es  ist  uns 
ein  Kind  geboren"  und  „Sein  Joch  ist  sanft"  folgte  ich  den 
Einrichtungen  der  Mozart 'sehen  Partitur  und  ließ  Solostimmen 
mit  dem  vollen  Chore  abwechseln.  Bekanntlich  liegen  diesen 
Nummern  drei  der  italienischen  Kammerduette  zugrunde:  sie 
tragen  daher  an  vielen  Stellen  Spuren  des  Sologesangs  auch 
in  der  neuen  Form  an  sich.  Doch  möge  es  dem  Ermessen 
des  Dirigenten  anheimgestellt  bleiben,  wie  er  sich  in  den  vor- 
liegenden Fällen  verhalten  will. 

Die  Begleitung  der  Sekko-Rezit^tive  des  Messias  richtete 
ich  für  das  Streichquartett  ein.  Gestatten  jedoch  die  räum- 
Hchen  Verhältnisse  die  Aufstellung  eines  Flügels,  so  ist  derselbe 
als  Begleitungsmaterial  vorzuziehen  und  zwar  nach  meiner  An- 
sicht ohne  Hinzutritt  der  Kontrabässe.*)  Die  Übertragung  der 
Harmonie  auf  den  Flügel  läßt  sich  leicht  bewerkstelligen. 

Für  den  ersten  Teil  der  Baßarie  „Sie  schallt,  die  Posaun" 
gab  ich  der  abgekürzten  Form  in  Mozart's  Partitur  den  \'or- 
zug,  denn  das  Original  dehnt  sich  mit  dem  von  Händel  vor- 
geschriebenen Da  Capo  über  369  Takte  aus,  —  eine  Länge, 
die  schon  aus  praktischen  Gründen  zu  beanstanden  sein  dürfte. 
Den  tiefsinnigen  Mittelsatz  derselben  —  er  fehlt  in  der  eben 
genannten  Ausgabe  —  bringe  ich  dagegen  unverkürzt.  — 
Außerdem  wurde    noch  die  seltsame,    schwerlich    auf  Mozart 


*)  .Auch  ohne  Hinzutritt  der  Violoncells.     Siehe  die  Weisung  K.   Franz 's 
in  der  Partitur  der  MalthUuspassion.     Oben  S.  36  u.  37. 


—    90    -- 

zurückzuführende  Vortragsbezeichnung  dieser  Arie:  „Pomposo 
ma  non  troppo"  beseitigt  und  dafür  die  des  Originals  „Pomposo 
ma  non  AUegro"  wieder  hergestellt. 

Am  Schluß  der  Sopran-Arie  „Erwach'  zu  Liedern  der 
Wonne"  legte  ich  eine  Kadenz  ein,  die  aus  dem  Figurenwerk 
der  Kantilene  gezogen  wurde ;  wer  mit  ihr  nicht  einverstanden 
ist,  mag  sie  ruhig  weglassen. 

Die  von  mir  ausgesetzte  Orgelstimme  begleitet  die  Chöre 
nicht  durchgehend,  sondern  tritt  nur  als  Verstärkungsmittel 
bei  den  entscheidenden  Stellen  ein.  Wünscht  man  eine  aus- 
gedehntere Beteiligung  der  Orgel,  so  kann  deren  Tonsatz  un- 
schwer den  Singstimmen  der  Chöre  des  Originals  entnommen 
Averden. 

Endlich  bemerke  ich  noch,  daß  mir  als  Material  für  die 
kritischen  Untersuchungen  folgende  Partituren  vorlagen:  I.  die 
erwähnte,  bei  Breitkopf  und  Härtel  erschienene,  2.  die  von 
Peters  publizierte,  3.  die  Ausgabe  der  Handel-Society  in  London 
und  4.  das  Fac-simile  of  the  autograph  score  of  Messiah  by 
Handel. 


Vollkommen  bewußt  bin  ich  mir  des  Wagnisses,  auf  Grund 
der  Mozart 'sehen  Partitur  eine  neue  Ausgabe  des  Messias  zu 
veröffentlichen,  weil  die  Menschen  ein  Werk,  das  ihnen  so  tief 
ins  Herz  gewachsen  ist  wie  jenes,  nicht  leicht  wieder  aufgeben 
werden.  Da  jedoch  meine  Ausgabe  Händel's  Oratorium  in 
allen  Teilen  für  Aufführungen  fertig  stellt,  dabei  den  künst- 
lerischen Ausdruck  Mozart's  hoch  in  Ehren  hält  und  ihr 
Streben  zumeist  darauf  richtet,  bedenkliche  Zusätze  fremder 
Hand  aus  dem  Wege  zu  räumen,  so  gebe  ich  mich  der  Hoft"- 
nung  hin,  daß  man  in  nicht  allzu  ferner  Zeit  von  ihr  in  weiteren 
Kreisen  Gebrauch  machen  wird:  ein  Wunsch,  den  mir  außer- 
dem die  schuldige  Rücksicht  auf  die  bedeutenden  Opfer  der 
Verlagshandlung  nahe  genug  legt. 

Halle,  im  Mai   1884. 

Robert  Franz. 


W'I. 

Vorbemerkung 

zu  ,,Wer  weiß,    wie  nahe  mir  mein  Ende"  Kan- 
tate von  Johann  Sebastian  Bach 

mit  ausgctuhrtem  Akkompagncment 
herausgegeben  von  R.  F.     Partitur.*) 

Zur  Verstärkung  der  Choralmelodien  schreibt  Bach 's 
Partitur  in  Nr.  i  und  Xr.  6  der  vorliegenden  Kantate  „Corno 
col  Soprane"  vor.  Da  die  Tonhöhe  beider  Melodien  von  den 
jetzt  gebräuchlichen  Hörnern  zum  Teil  nur  mit  großer  An- 
strengung, zum  Teil  gar  nicht  erreich^  werden  kann,  so  führte 
ich  statt  des  Hornes  eine  Trompete  ein,  wobei  selbst\'erständlich 
eine  weiche  Behandlung  dieses  Instrumentes  vorausgesetzt  wird. 

Hinsichtlich  der  Alt-Arie  (Nr.  3)  untersuchte  Dr.  Erich 
Prieger  in  Berlin  auf  meine  Bitte  das  Autograph  der  Partitur 
und  teilte  mir  folgendes  mit:  „Unmittelbar  nach  dem  Tenor- 
Rezitative  —  , macht  alles  gut'  —  steht  die  Notiz :  ,Aria  ä 
Hautb.  da  Caccia  e  Cembalo  obligato'.  Nun  folgt  ein  Ent- 
wurf zu  der  Es-dur-Arie  und  zwar  für  vier  obligate  Stimmen. 
Die  oberste  ist  offenbar  für  die  Oboe  da  caccia ;  bei  der  dritten 
(im  Baßschlüssel)  steht  ,Violono';  die  beiden  anderen  Sj'steme 
sind  durch  J  verbunden.  Nach  dem  »V^iolono'  zu  urteilen,  muß 
die  nächst  höhere  Stimme  eine  Violine  gewesen  sein,  die  unteren 
Systeme  blieben  also  für  das  Cembalo.  Diesen  flüchtigen  Ent- 
wurf hat  Bach  durchstrichen  und  nun  auf  der  anderen  Seite 
die  Arie  geschrieben,  wie  sie  gedruckt  ist." 


*j  Verlag  von  F.  E.  C.  Leuckart  in  Leipzig. 


—     92     — 

Aus  der  Form  des  Entwurfs  geht  nach  meinem  Dafür- 
halten hervor,  daß  Bach  die  Arie  ursprüngUch  mit  Streich- 
instrumenten und  Cembalo  begleiten  wollte,  wodurch  dann  die 
von  mir  zur  Ausfüllung  gewählten  zwei  Violinen  gerechtfertigt 
sein  dürften.  Auch  wird  es  nach  obigen  Angaben  kein  Ver- 
brechen sein,  wenn  bei  etwa  fehlender  Orgel  der  Flügel  als  ihr 
Stellvertreter  fungiert,  da  ja  Bach  selbst  gegen  die  Benutzung 
des  Cembalo  in  einer  seiner  Kirchenkompositionen,  obigen 
Mitteilungen  zufolge,  nichts  einzuwenden  gehabt  hat. 

Die  Takte  23  und  66  der  Alt- Arie  enthalten  zwischen  der 
Kantilene  und  der  Orgel  Ouintenparallelen,  die  ich  durch  eine 
Abänderung  der  Orgelstimme  zu  beseitigen  suchte. 

In  Ermangelung  des  englischen  Hornes  empfiehlt  sich  eine 
Klarinette  in  B.  Für  diesen  Fall  wurde  eine  gedruckte  Stimme 
derselben  dem  übrigen  ^^lateriale  beigelegt. 

In  Xr.  6  endlich  entschied  ich  mich,  entgegen  der  Ausgabe 
der  Bach -Gesellschaft,  Takt  6  für  „es"  im  Sopran,  weil  dieser 
Ton  der  milden  Stimmung  des  Chorals  besser  wie  „e"  zu  ent- 
sprechen scheint  und  „es"  außerdem  mit  der  autographen 
Partitur  Bach 's  übereinstimmt. 

Halle,  im  Juni  1886. 

Robert  Franz. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite. 
Begleitwort  von  Prof.  O.  Reubke IH 

1.  Vorbemerkung  zu  Bach  36  Arien I 

2.  „  „       „       Duette .       6 

3.  Mitteilungen  über  Bach  Magnificat 7 

4.  Vorbemerkung  zu  Bach  Magnificat 28 

5-  ..  „       „      Trauer-Ode 31 

6.  ,,  ,,       ,,      Matthäuspassion ^'  33) 

7-  11  ,.    Händel  Jubilate 38 

8.  ,,  ,,         „        Arien 41 

9.  Offener  Brief  über  Bearbeitungen  älterer  Tonwerke 45 

10.  Vorbemerkung  zu  Händel  L'AUegro 73 

11.  ,,  „    Bach  „Sie  werden  aus  Saba  alle  kommen"      ...     75 

12.  „  „       „       „Ach  wie  flüchtig" 78 

13.  „  „    Händel  Anthologie  aus  Opern  und  Oratorien      .     .  ,  ^&> 

14.  „  „     Bach  Sonate  aus  dem  musikalischen  Opfer      ...     82 

15.  „  „    Händel  Messias 85 

16.  „                „     Bach  „Wer  weiß,  wie  nahe  mir  mein  Ende"       .     .     91 
Inhalt 93 


Lippert  &  Co.  (G.  Pätz'sche  Buchdr.),  Naumburg  a.  S. 


ii 


Notenbeilagen. 


I.  Joh.  Seb.  Bach.    Arie  für  Baß  „Ouia  fecit  mihi  ma^na" 
aus  dem  Magnificat  in  D  dur. 

II.  Joh.  Seb.  Bach.  Arie  für  Tenor  „Der  Glaube  ist  das 
Pfand  der  Liebe"  aus  der  Kirchenkantate  „Wer  da  glaubet 
und  getauft  wird". 

III.  Georg  Friedrich  Händel.  Siciliana  für  Tenor  oder  Sopran 
„Laß  mich  wandern"  aus  L'AUegro,  il  Pensieroso  ed  il 
Moderato. 

Jede  Nummer   unter  A   genau   nach   der  Originalpartitur,   unter  B  nach  der 

Partitur  von  Robert  Franz.  —  Beigefügt  ist  zur  Bequemlichkeit  des  Lesers 

bei  B  der  von  Robert  Franz  bearbeitete  selbständige  Klavierauszug. 


F.  E.  C.  I..  6583. 


I .  Joh.  Seb.  Bach.  Arie  für  Baß  aus  dem  Magnificat  in  Ddur. 

A.   ri<"h  der  Orig-inalpartitur.  Ausgabe  der  Bach-Gesellschaft 
XI.  Jahrgang  1.  Lieferung  Seite  36. 


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B.  mit  ausgeführtem  Acccmpagneraent  nach  der  Partitur  von 
Robert  Franz,  Seite  32  ff 
.        /fncb/?fe  con  mofo . 
Ckr/neffelinA. 

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Ogp/nefieSmA, 

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Violoncello. 

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21 
II.  Joh.Seb.Bach.  Arie  für  Tenor  aus  der  Kirchenkantate 
„Wer  da  glaubet  und  getauft  wird'' 

A.    nach  dci-  Originalpartitur.  Ausgabe  der  Bach- Gesellschaft. 
VII.  Jahrgang  Seite  270  f. 


Tenore. 


Conti nuo. 


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B.    mit  ausgeführtem  Accompagnement  nach  der  Partitur  von 
Robert  Franz,    Seite  17  ff. 


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C/srinetfeSinA 

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Tenor. 
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III.  Georg  Friedrich  Händel.  Siciliana  fürTenoi 
oder  Sopran  aus  L'AllegrOjil  Pensieroso  ed  il  Moderato. 

A.  nach  der  Originalpartitur.  Ausgabe  der  Deutschen  Händelgesellschaft 
VI.  Lieferung,  Seite  58  f. 


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ViolinoE. 

Viola. 
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B.   mit  ausgeführtem  Acco^mpag-nement  nach  der  Partitur  von 
Robert  Franz,    Seite  78  ff. 


flndaniino  con  moto. 


Hornlu.ffjnf. 

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Vio/rnell. 

Viola. 

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Franz,  Robert 

Gesammelte  Schriften  über 
die  Wiederbelebung 

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ML  Franz,   Robert 

/lO  Gesammelte  Schriften 

B13F73     über  die  Wiederbelebung